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Aerobictrends im Schulsport

Dargestellt an den Beispielen des Kick-Aerobic und Step-Aerobic

©2003 Examensarbeit 74 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Ein Meer voller neuer Bewegungsformen wogt auf Deutschland zu. Die Möglichkeit, mit der ganzen Welt zu jeder Zeit in Kontakt zu stehen, eröffnet ungeahnte Möglichkeiten in allen Bereichen des Lebens. Auch die Sport- und Bewegungskultur Europas profitiert hiervon. Neue Sportarten erreichen Deutschland in unregelmäßigen Abständen. Viele dieser Sportarten werden schnell von der Wirtschaft vermarktet und somit an der Gesellschaft auf „Überlebensfähigkeit“ getestet.
Auch und gerade junge, schulpflichtige Menschen probieren neue, viel versprechende Sportarten aus. Dies ist als ein gutes Zeichen zu werten, da unsere Konsumgesellschaft doch mehr und mehr zu einer „Bewegungsmangelgesellschaft“ zu werden droht. Die jungen Menschen erfreuen sich an dem Sportartenangebot, doch gleichzeitig kann der traditionelle Sportunterricht hier nicht mehr mithalten. Es öffnet sich eine Spalte zwischen Freizeitsportarten und Schulsportarten, die leicht zur unüberwindbaren Schlucht werden kann, in die die Akzeptanz des Schulsportes abstürzen könnte.
Schon seit einiger Zeit wird die Institution Schule mit Debatten über Sinn und Notwendigkeit von Veränderungen im Schulsport in Bewegung gehalten. Es stellt sich die Frage, inwieweit Traditionen im Schulsport bewahrt werden sollten, ob Sportarten komplett durch neue ersetzt oder der Unterricht nur durch besonders auszuwählende neue Sportarten bereichert werden sollte.
Die Entstehung neuer Sportbewegungen, unterstützt durch die Medieneinflüsse, vergrößert das Angebot von Bewegungsformen, so dass Entscheidungen durch Vielfalt, kommerzielle und finanzielle Interessen, Schnelllebigkeit u.v.a.m. schwer fallen. Eine breite Palette neuer Sportrichtungen steht zur Auswahl. Allen Neuerungen ist eins gemeinsam - das Bedürfnis nach Vielseitigkeit, Individualität, nach mehr Spaß beim Sport. Dieses Bedürfnis wird auch in die Schule gebracht, scheinbar wird ihm aber nicht ausreichend Rechnung getragen.
Die vorliegende Arbeit möchte sich an der Debatte um die verstärkte Einbeziehung von Trendsportarten in den Sportunterricht beteiligen. Es soll dargestellt werden, dass die richtige Auswahl relevanter Trendsportarten zur positiven und umfangreichen Entwicklung der Schüler beitragen kann. Anhand einer Lehrplananalyse verschiedener Bundesländer soll deutlich werden, dass trotz der anhaltenden Debatten sowohl der Platz als auch die Zeit - neben der Notwendigkeit - für die Einbeziehung von Trendsportarten besteht.
In […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7739
Kittel, Katharina: Aerobictrends im Schulsport - Dargestellt an den Beispielen des Kick-
Aerobic und Step-Aerobic
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Universität Rostock, Universität, Staatsexamensarbeit, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

2
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung
04
2
Ziel der Arbeit und wissenschaftliche Fragestellung
06
3
Trendsportarten
08
3.1
Begriffsklärung
und
Definition
08
3.2
Trendsportarten in der Schule
12
3.3
Lehrplananalyse dreier Bundesländer
18
3.3.1
Rheinland-Pfalz
20
3.3.2
Mecklenburg-Vorpommern
24
3.3.3
Brandenburg
27
4
Aerobe
Trendsportarten
30
4.1
Kick-Aerobic
32
4.1.1
Tae
Bo 33
4.1.2
Capoeiróbica 35
4.2
Step-Aerobic
37
4.3
weitere
Bewegungstrends
39
4.3.1
Tai
Chi
Chuan 39
4.3.2
Yoga
41
5
Schulrelevanz der aeroben Trendsportarten
43
5.1
Tae
Bo 44
5.2
Capoeiróbica 46
5.3
Step-Aerobic 47
5.4
Tai
Chi
Chuan
48
5.5
Yoga
49

3
6
Methodische Aspekte der Umsetzung im Sportunterricht
50
7
Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Schulpraxis
56
8
Literaturverzeichnis 62
9
Anhang
64

4
1 Einleitung
Ein Meer voller neuer Bewegungsformen wogt auf
Deutschland zu. Die Möglichkeit, mit der ganzen Welt
zu jeder Zeit in Kontakt zu stehen, eröffnet ungeahnte
Möglichkeiten in allen Bereichen des Lebens. Auch
die Sport- und Bewegungskultur Europas profitiert
hiervon. Neue Sportarten erreichen Deutschland in
unregelmäßigen Abständen. Viele dieser Sportarten
werden schnell von der Wirtschaft vermarktet und
somit an der Gesellschaft auf ,,Überlebensfähigkeit"
getestet.
Auch und gerade junge, schulpflichtige Menschen
probieren neue, viel versprechende Sportarten aus.
Dies ist als ein gutes Zeichen zu werten, da unsere
Konsumgesellschaft doch mehr und mehr zu einer
,,Bewegungsmangelgesellschaft" zu werden droht. Die
jungen Menschen erfreuen sich an dem Sportarten-
angebot, doch gleichzeitig kann der traditionelle
Sportunterricht hier nicht mehr mithalten. Es öffnet
sich eine Spalte zwischen Freizeitsportarten und
Schulsportarten (vgl. Küssner, 2000, S. 174), die
leicht zur unüberwindbaren Schlucht werden kann, in
die die Akzeptanz des Schulsportes abstürzen könnte.
Schon seit einiger Zeit wird die Institution Schule mit
Debatten über Sinn und Notwendigkeit von Verände-
rungen im Schulsport in Bewegung gehalten. Es stellt
sich die Frage, inwieweit Traditionen im Schulsport
bewahrt werden sollten, ob Sportarten komplett durch
neue ersetzt oder der Unterricht nur durch besonders
auszuwählende neue Sportarten bereichert werden
sollte.
Die Entstehung neuer Sportbewegungen, unterstützt
durch die Medieneinflüsse, vergrößert das Angebot

5
von Bewegungsformen, so dass Entscheidungen
durch Vielfalt, kommerzielle und finanzielle Interes-
sen, Schnelllebigkeit u. v. a. m. schwer fallen.
Eine breite Palette neuer Sportrichtungen steht zur
Auswahl. Allen Neuerungen ist eins gemeinsam ­ das
Bedürfnis nach Vielseitigkeit, Individualität, nach mehr
Spaß beim Sport.
Dieses Bedürfnis wird auch in die Schule gebracht,
scheinbar wird ihm aber nicht ausreichend Rechnung
getragen.
Die vorliegende Arbeit möchte sich an der Debatte um
die verstärkte Einbeziehung von Trendsportarten in
den Sportunterricht beteiligen. Es soll dargestellt
werden, dass die richtige Auswahl relevanter Trend-
sportarten zur positiven und umfangreichen Ent-
wicklung der Schüler
1
beitragen kann. Anhand einer
Lehrplananalyse verschiedener Bundesländer soll
deutlich werden, dass trotz der anhaltenden Debatten
sowohl der Platz als auch die Zeit ­ neben der
Notwendigkeit ­ für die Einbeziehung von Trendsport-
arten besteht.
In einem weiteren Kapitel werden verschiedene aero-
bische Trendsportarten vorgestellt, die für die Auf-
nahme in das Unterrichtsprogramm in Frage kommen
könnten, da diese den Lehrplananforderungen ent-
sprechen und darüber hinaus neue Bewegungs-
erfahrungen und weitere Kompetenzen zu vermitteln
versprechen. Auch wird in diesem Zusammenhang
auf Bewegungstrends aufmerksam gemacht, die
Schüler bei der Stressbewältigung helfen können.
Im darauf folgenden Abschnitt wird im einzelnen auf
die Schulrelevanz der beschriebenen Bewegungs-
1
Für bessere Lesbarkeit stehen wertfrei die männlichen gleichzeitig auch für die weiblichen Formen.

6
formen eingegangen. Des Weiteren werden metho-
dische Aspekte der Umsetzung im Sportunterricht
anhand eines fiktiven Stundenbeispiels dargestellt.
Die sich daraus (und insgesamt aus der Arbeit)
ergebenden Schlussfolgerungen werden im letzten
Kapitel zusammen mit Empfehlungen für die Schul-
praxis abgeschlossen.
2 Ziel der Arbeit und wissenschaftliche
Fragestellung
Ziel dieser Arbeit ist es, aerobe Trendsportarten in
den Schulunterricht umfassender als bisher integrie-
ren zu helfen.
Eine Lehrplananalyse mehrerer Bundesländer zeigt,
dass die Forderungen nach neuen Möglichkeiten zur
Übermittlung und Entwicklung von Handlungskompe-
tenz bereits formuliert wurde. Die Arbeit soll anhand
ausgewählter Trendsportarten demonstrieren, ob und
wie Trendsport in den Schulunterricht integriert
werden kann, inwieweit Rahmenrichtlinien umsetzend
der Trendsport eine Handlungskompetenz für das
Leben erreichen kann.
Aus dem Ziel dieser Arbeit ergeben sich folgende
wissenschaftliche Fragestellungen:

7
Frage 1:
Kann Trendsport allgemeine und besondere Inhalte
des Lehrplans an Gymnasien für den Sportunterricht
umsetzen und die geforderte Handlungskompetenz
für das Leben erreichen?
Frage 2:
In welchem Umfang werden in einzelnen ausge-
wählten Bundesländern bereits Trendsportarten im
Lehrplan berücksichtigt bzw. gefordert?
Frage 3:
Wie erfüllen die ausgewählten aerobischen Trend-
sportarten und Bewegungstrends die vom Lehrplan
angestrebten Ziele?
Frage 4:
Welche methodischen Aspekte der Umsetzung der
Trendsportarten im Schulsport sollten Beachtung
finden?
Frage 5:
Welche Schlussfolgerungen und Empfehlungen erge-
ben sich für die Schulpraxis?

8
3 Trendsportarten
Zur Thematik der Integration von Aerobic-Sportarten
in den Schulunterricht liegen derzeit kaum Veröffent-
lichungen vor. Während Trendsportarten bereits
Eingang in die Lehrpläne verschiedener Bundesländer
gefunden haben und Vorstellungen existieren, wie
moderne Bewegungsformen mit den Bedürfnissen
junger Menschen im Sportunterricht in Überein-
stimmung gebracht werden können, gibt es noch
keine gesicherten Erkenntnisse darüber, wie mit
bestimmten Sportarten wie Step- oder Kick-Aerobic
konkret verfahren werden soll.
Der Begriff ,,Trend" entstammt der englischen Sprache
und bedeutet so viel wie zeitgemäß, modern bzw.
aktuell. So unwissenschaftlich es auch klingen mag,
eine allgemein akzeptierte Definition für Trendsport-
arten scheint es noch nicht zu geben. Um eine
einheitliche Begriffsbestimmung zu erarbeiten, müsste
man sich über grundsätzliche Kennzeichen wie deren
Entstehungsgeschichte, Inhalte, Zweck und Ziele
verständigen.
3.1 Begriffsklärung und Definition
Um das Problem in seinem vollen Umfang zu verste-
hen, verfasst Opaschowski die Aussage, dass fast
alles Trendsport genannt werden kann, was von
Amerika zu uns herüber kommt (1996, S. 55). Er ist
der Auffassung, dass es nicht von Wichtigkeit ist, wie
lange dieser Trend vorherrscht. Wichtig ist nur, dass
die neue Sportart ein bestimmtes Lebensgefühl ver-
mittelt, auf welches später noch eingegangen werden

9
soll. Jedoch nimmt Opaschowski Sportarten aus, die
zwar in Europa als Trendsport behandelt werden,
jedoch nicht über den Atlantik kamen, wie zum
Beispiel asiatische Sportarten.
Zwei weitere Autoren beschreiben das Phänomen
Trendsport etwas ausführlicher. Sie gehen dabei auf
Wesensmerkmale vieler Trendsportarten ein und ver-
suchen so, einen gemeinsamen Nenner zu finden.
Lamprecht und Stamm (1998, S. 570) stellen die
Kennzeichen der Trendsportarten wie folgt dar:
,,[Sie] sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht nur
neue Bewegungsformen mit neuen Sportgeräten
kreieren, sondern auch ein Sportverständnis propagie-
ren, das teilweise quer zum traditionellen Sportbegriff
steht. Statt Leistung wird Spaß proklamiert, an die Stelle
der Vereine und Verbände tritt die informelle Gruppe. Die
Sprache ist Englisch und das Medienecho gewaltig."
Meines Erachtens kann diese Beschreibung auch als
Definitionsversuch dienen, denn alle Sportarten, die
sich selbst in dieser Kennzeichnung wieder finden,
sind dann Trendsportarten.
Die Liste der Merkmale scheint aber nicht ganz genau
zu sein, denn wie werden Sportarten klassifiziert, die
eine längere Entwicklung durchlaufen haben, die über
den Ozean zu uns kommen (u. a. Capoeira) und
schon 200 Jahre (oder mehr) existieren (u. a. Thai Chi
Chuan), die zwar ein gewaltiges Medienecho (Tae
Bo), aber kein Englisch als Verständigungssprache
haben (u. a. Capoeira, Thai Chi Chuan) und die auch
keine neuen Sportgeräte kreieren?
Tatsache ist wohl, dass wahrscheinlich alle Trend-
sportarten ein gewisses Muster in ihrer Entwicklung
durchlaufen, die durch bestimmte Phasen gekenn-
zeichnet sind, angefangen bei der Kreation durch eine

10
Einzelperson bis hin zu der festen Etablierung in der
Gesellschaft (Lamprecht und Stamm, 1998, S. 570).
Klaus-Peter Brinkhoff (1994, S.25) nimmt die
zusammenfassende Beschreibung einer neuen
Sportkultur von Brettschneider, Baur und Bräutigam
(1989) als Vorbild. Sie lautet:
,,...in den vergangenen Jahren [entstand] eine neue
Bewegungskultur, bei der eher unmittelbar sinnliches
Erleben, wechselnde Körper-, Bewegungs- und Selbst-
erfahrungen, freudvolles Genießen und vielfältigste
Kontakte in den Vordergrund traten."
In diesem Zitat werden ähnlich wie bei Lamprecht und
Stamm (1998) die Inhalte der neuen Sportarten als
Kennzeichen für den Trendsport genommen. Doch
um eine befriedigende, weil umfassendere Aussage
zu erhalten, sollte laut Küssner (2002, S. 29) ein
neuer Ansatzpunkt gesucht werden. Diese Ansicht
teile ich. Es sollte versucht werden, den Begriff nicht
allzu sehr einzuengen. Eine Formulierung, in der
konkrete Entstehungsmerkmale, Ziele und andere
Muster festgehalten werden, scheint der Findung
einer akzeptablen Definition im Wege zu stehen.
Küssner (2002, S. 29) schreibt in ihrer Dissertation
über ,,Trendsportarten im Sportunterricht" folgendes:
,,Unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte
sollen Trendsportarten als diejenigen Formen des
Sporttreibens bezeichnet werden, die im Verlauf der
gesellschaftlichen Veränderungen entstanden sind und
den aktuellen Bedürfnissen der Individuen entspre-
chen."
In diesem Ansatzpunkt würden sich alle Sportarten
wieder finden, die bei den vorher genannten Definitio-
nen keinen Platz fanden. Einige solcher Sportarten
werden von Lamprecht und Stamm (1998, S. 370)
aufgezählt: Insbesondere Snowboarding, Mountain-

11
biking, Skateboarding, Inlineskating, Freeclimbing,
Windsurfing, Streetball, Beachvolleyball, Akroski,
Houserunning, Paragliding, Riverrafting, Canyoning,
Discgolfing oder Carven zählen zu ausgesprochenen
Trendsportarten. Doch von Schwier (2000, S. 383)
kommen noch einige trendige Sportarten dazu, er
nennt in diesem Zusammenhang vor allem Salsa-
Aerobic, Kitesurfing, Sandboarding. Der Volksmund
betitelt aber auch nicht-amerikanische fremde Sport-
arten als Trendsportarten. So ist vor allem Thai Chi
Chuan, Wing Tsung, Capoeira, Qi Gong zu erwähnen,
die asiatische bzw. afrikanische Wurzeln besitzen.
Da diese Arbeit unter anderem auch auf einige dieser
von der Bevölkerung bevorzugten Trendsportarten
eingeht, möchte ich diese Sportarten als Trendsport-
arten einstufen, da sie nach Küssners Überlegungen
den aktuellen Bedürfnissen der Individuen entspre-
chen und nicht als deutsche, traditionelle Sportart
angesehen werden.
Doch wodurch sind Trendsportarten entstanden? War
(ist) es die Suche nach Individualität in einer Gesell-
schaft, deren Anforderungen uns zu vereinheitlichen
oder zu überfordern drohen? Ist es der sich entwi-
ckelnde Ego-Zentrismus der westlichen Menschen,
der durch das Darwin'sche Gesetz ,,survival of the
fittest" angeregt wird? Und geschieht diese Wandlung
der Gesellschaft automatisch, weil jeder für sich allein
zu kämpfen scheint?
Das Verbreiten von Trendsportarten ist auch als ein
Zeichen einer sich im Wandel befindenden Gesell-
schaft zu bewerten. Die Gesellschaft, jeder Einzelne
in ihr muss sich mit der Globalisierung auseinander
setzen. Ein Thema, welches nach Küssners Auf-
fassungen ambivalent zu sehen ist. Einerseits können

12
sich verschiedenste Nationen näher kommen,
fremdartige Kulturen kennen und verstehen lernen,
Arbeitsangebote im Ausland wahrnehmen und via
Internet über alle Geschehnisse der Welt zu jeder
Tages- und Nachtzeit informiert sein. Andererseits
können auch ungewollte Effekte auftreten, wie
Drogenhandel oder illegale Migration. Verschiedene
Kulturen prallen aufeinander und müssen lernen, sich
zu verständigen (Küssner, 2002, S. 13-14). Während
einige Menschen vor der Globalisierung Angst haben,
scheinen andere ihr wiederum gleichgültig gegenüber-
zustehen. Die Menge an Informationen, die durch die
Medien zu uns herüberkommt, kann nicht mehr
angemessen verarbeitet werden. Hier lässt sich eine
weitere Dimension der globalen gesellschaftlichen
Entwicklung erahnen. Die Individualisierung, die wie
oben schon benannt wurde, stellt m. E. eine
möglicherweise unerwartete Konsequenz der Globali-
sierung dar.
Das Annehmen des Trendsports durch das Indivi-
duum könnte eine Antwort darauf sein.
3.2 Trendsportarten in der Schule
Während von den Anhängern der Traditionen der
Vormarsch neuer Sportarten belächelt wird, glauben
die ,,Trendbefürworter" an die Durchsetzung der
neuen Sportarten, bezeichnen sie eventuell auch als
Vorreiter einer ganzen Sportkulturwandlung (vgl.
Lamprecht & Stamm, 1998, S. 370). Tatsächlich befin-
det sich die Gesellschaft in einer Art ,,kulturellen Dyna-
mik" (Schwier, 2000, S. 383). Diese Dynamik kann
m. E. nicht durch diverse Gegner neuer Bewegungs-
formen gestoppt werden. Schwier (2000) schreibt

13
zwar, dass traditionsbewusste Sportpädagogen immer
versuchen werden, das Neue von dem Schulsport
fern zu halten, indem sie auf der Inhaltsebene den
Status Quo bestätigen (vgl. Schwier, 2000, S. 383),
aber die derzeitige Krise, in der sich der
Sportunterricht befindet, wird wohl die Akzeptanz oder
wenigstens die Toleranz nicht verhindern können.
Söll, bekannt für seine ablehnende Einstellung
gegenüber neuen oder Trendsportarten, plädiert in
seinem Bericht ,,Zum pädagogischen Stellenwert von
Trendsportarten" (2000, S. 377) für die Orientierung
an Bewährtem. Schwier und Söll sind Vertreter zweier
gegensätzlicher Meinungen, die grob die derzeitige
Debatte um den Schulsport in Pro und Kontra
umreißen.
Söll bezieht sich in seiner oben genannten Publikation
auf die Nennung folgender Trendsportarten nach
Lamprecht und Stamm: Snowboarding, Mountain-
biking, Skateboarding, Inlineskating, Freeclimbing,
Windsurfing, Streetball, Beachvolleyball, Akroski,
Houserunning, Paragliding, Riverrafting, Canyoning,
Disc-Golfing und Carving.
Der Pädagoge Söll teilt diese Trendsportarten in drei
Gruppen von Sportarten ein und kontrolliert jede von
ihnen auf die Umsetzungsfähigkeit in der Schule. Die
Natursportarten oder Outdoorsportarten benötigen die
,,freie Natur". Diese ist nicht in die Schule hinein-
zuholen. Andererseits ist es auch schwer, diese
Sportarten im Rahmen des Schulunterrichts über-
haupt durchzuführen. Snowboarding ist abhängig von
Schneesicherheit und bergigem Gelände, aber in
einigen Gegenden Deutschlands zumindest nicht un-
möglich. Die Problematik fehlender finanzieller Mittel
(für Anschaffung und Instandhaltung von Sportgeräten

14
u. ä.) an den Schulen Deutschlands erlaubt wahr-
scheinlich zur Zeit ohnehin keine zusätzlichen
Aufwendungen. Eltern und Schüler zu belasten wäre
unzumutbar. Mountainbiking und alle anderen Out-
doorsportarten stehen den gleichen Problemen
gegenüber. Hier muss Söll Recht gegeben werden,
diese Sportarten lassen sich nach derzeitiger Lage
nur in Ausnahmefällen in den Unterricht integrieren.
Die zweite Gruppe, die er nennt, sind Sportarten, die
ihren Ursprung in traditionellen Sportarten haben.
Beachvolleyball, Beachfußball, Streetball könnten
ohne größeren Aufwand in den Sportartenkanon
aufgenommen werden, wenn nicht der Zweck z. B. des
Streetballs ein anderer wäre, nämlich ­ so Söll ­
Selbstinszenierung und Pflege einer jugendlichen
Subkultur, so dass dem Streetball in der Schule das
Besondere verloren ginge.
An diesem Platz stellt sich eine Frage:
Söll empfindet
die konventionellen Sportarten wie Volleyball und
Basketball als didaktisch und pädagogisch korrekt und
wertvoll für den Schulgebrauch und scheint gegen
neuere Formen (bezüglich des Regelwerks) dieser
bewährten Sportarten zu sein. Wäre er nun 50 oder
mehr Jahre früher geboren, als Volleyball und Basket-
ball ebenfalls noch Trendsportarten waren, hätte er
mit seiner Auffassung, ausschließlich zum Bewährten
zu greifen, diese jetzt akzeptierten Sportarten damals
als ungenügend und nutzlos für die Schule emp-
funden?
Die dritte Gruppe in seiner Einteilung ist etwas
schwieriger einzuschätzen, hier vereinen sich anschei-
nend Sportarten, die den anderen beiden Gruppen
nicht zuzuordnen sind. Inlineskating und Klettern
werden namentlich erwähnt; andere Trendsportarten

15
wie Tae Bo oder Step-Aerobic, die gemäß Sölls Ein-
teilung nur in diese Kategorie passen, nennt er nicht.
Inwieweit kann man Söll also als Gegner trendiger
Sportarten im Schulsport betrachten? Dass Natur-
sportarten nicht in die Schule geholt werden können,
ist nachvollziehbar, dass eine Verschulung, d. h. eine
Vermethodisierung von Trendsportarten und die
Vortäuschung einer Szene nicht funktioniert (vgl. Söll,
2000, S. 378) leuchtet ein. Aber Trends, die aus den
Fitnessstudios kommen (oder gar aus exotischen
Ländern), könnten ohne großen Aufwand und ohne
wesentliche didaktische Aufwertung in den Schulsport
integriert werden, was offensichtlich in den Schulalltag
bereits Eingang gefunden hat.
Es wird nun die Befürchtung geäußert, dass Trends
kommen und gehen werden, spätestens, wenn die
Industrie genügend Sportgeräte einer Art unter die
Menschen gebracht hat, schwappt der Trend automa-
tisch zu einem nächsten über. Es ist Sölls Besorgnis,
dass ein Trend und seine Lebensdauer nicht vorher-
sagbar und damit für die Schule schwer zu über-
nehmen ist. Aber meist ist es doch so, dass bei einem
gewissen Trend eine Sättigung eintritt, sich dieser zu
einer etablierten Normalsportart (vgl. Lamprecht &
Stamm, 1998, S. 387) entwickelt und erst dann von
der Schule entdeckt wird.
Step-Aerobic z. B. gehört schon zu den älteren
Trends, ist aber erst seit kurzem in den Lehrplänen
verschiedener Bundesländern zu finden. Möglicher-
weise hat die Aufnahme solcher Trendsportarten mit
der Verjüngung des Lehrpersonals zu tun, denn
jüngere Lehrer und Lehrerinnen genossen bereits die
an der Universität vermittelten Step-Aerobic-Kurse,
Tae Bo-Kurse u. v. a. m.

16
Söll stellt in seiner eigenen Zusammenfassung (2000,
S. 381) fest, dass der Trend ­ wenn als Pflichtgegen-
stand eingeführt ­ seine Attraktivität verliert. Dies gilt
höchstwahrscheinlich nur für Sportarten, bei denen
eine Selbstinszenierung und Selbstdarstellung un-
bedingt notwendig ist, um Spaß an der Sportart zu
haben. Viele Trendsportarten beinhalten aber nicht
gleich eine Lebensphilosophie, ähnlich der der Skater,
die ihr Hobby leben, sich so kleiden und entsprechen-
de Musik hören. Solche, von einer Philosophie nicht
abhängigen Trendsportarten würden ihre Attraktivität
nicht gleich verlieren. Doch muss man sich immer
über den Aufwand (Material, Reparaturen, Vor-
bereitung) und Nutzen solcher Sportarten im Klaren
sein.
Schüler sollten die Möglichkeit bekommen, selbst aus
einem ,,machbaren" Sportartenkanon auswählen zu
können. Nur Trendsportarten anzubieten, wäre wahr-
scheinlich genauso unpassend, wie nur Traditions-
sportarten anzubieten. Schwier (2000, S. 385)
schreibt:
,,Der Schulsport müsste vielmehr eine kontrastierende
Thematisierung von innovativen und traditionellen
Bewegungsformen anstreben, in deren Verlauf die
Schülerinnen und Schüler über Prozesse selbst-
ständigen Lernens die ,,Sachlogik" der unterschied-
lichen bewegungskulturellen Praktiken entdecken bzw.
rekonstruieren können".
Mit dieser Aussage spricht Schwier zwei wesentliche
Probleme an. Zum einen, dass Traditionen und
Trends kein Widerspruch sein müssen: Schüler sind in
der Lage, zwei verschiedene Orientierungen, sprich
Trend oder Traditionen zu akzeptieren und danach zu
handeln. Weiterhin können die beiden verschiedenen
Sportartenorientierungen eine Bewältigungshilfe für

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832477394
ISBN (Paperback)
9783838677392
DOI
10.3239/9783832477394
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Rostock – Erziehungswissenschaften
Erscheinungsdatum
2004 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
sportwissenschaft sportunterricht lehrplananalyse trendsportarten
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Titel: Aerobictrends im Schulsport
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