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Anforderungen an die Finanzplanung des Insolvenzverwalters zur Vermeidung der Haftung gemäß § 61 InsO

©2004 Diplomarbeit 132 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
In Gesellschaft, Wirtschaft und Politik wird seit Jahren über die zunehmende Zahl an Insolvenzen geklagt. So mussten im Jahr 2002 mehr als 37.000 Unternehmen Insolvenz anmelden. Nimmt man Privat- und Nachlassinsolvenzen noch hinzu, so steigt die Zahl auf mehr als 84.000 Insolvenzen. Dies entspricht einem Anstieg seit 1991 von über 630 %. In Anbetracht der Regelsätze der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung könnte der Eindruck entstehen, dass die Notsituation eines Unternehmens oder Privatmanns ein einträgliches Geschäft für den Verwalter ist. Jedoch kommen im Eröffnungsverfahren auf den vorläufigen Insolvenzverwalter und nach Eröffnung des Verfahrens auf den Insolvenzverwalter zahlreiche haftungsrechtliche Risiken zu. Schließlich ist er allen am Verfahren Beteiligten gegenüber verantwortlich. Es mag dahinstehen, ob die seit 1. Januar 1999 geltende Haftungsregelung der §§ 60 ff. InsO eine Haftungsverschärfung gegenüber der alten Generalklausel des § 82 KO darstellt. Insolvenzverwalter berichten jedoch von einer zunehmenden Bereitschaft der Gläubiger, ihn persönlich in Anspruch zu nehmen. So bieten gerade masseunzulängliche Verfahren für den Insolvenzverwalter ein erhebliches Haftungsrisiko. Die spezielle Haftungsnorm des § 61 InsO normiert nun expressis verbis die Haftung des Verwalters für die Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten. Danach ist der Insolvenzverwalter dem Massegläubiger zum Schadensersatz verpflichtet, wenn eine Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden kann, § 61 S. 1 InsO. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Verwalter bei der Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen werde, § 61 S. 2 InsO. Rechtsprechung und Literatur verlangen hierfür eine ordnungsgemäße Finanzplanung. Sie äußern sich jedoch nicht oder nur vage bezüglich den Anforderungen, denen die Planung genügen muss. Gegenstand der Arbeit sind daher die Anforderungen an die Finanzplanung des Insolvenzverwalters zur Vermeidung der Haftung gemäß § 61 InsO. Die Arbeit verfolgt methodisch einen interdisziplinären Ansatz. Es wird eine betriebswirtschaftliche Antwort auf die Frage der haftungsrechtlichen Problematik gegeben.
Der Gang der Untersuchung folgt im 2. Kapital zunächst einer kurzen Darstellung der Feststellung der Masseunzulänglichkeit und des Verfahrens nach […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7734
Lixfeld, Simon: Anforderungen an die Finanzplanung des Insolvenzverwalters zur
Vermeidung der Haftung gemäß § 61 InsO
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Universität Siegen, Universität - Gesamthochschule, Diplomarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

I n h a l t s v e r z e i c h n i s
Seite
Abkürzungsverzeichnis...VI
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis... X
1. Einleitung... 1
2. Die Feststellung der Masseunzulänglichkeit... 3
und das Verfahren nach §§ 208 ff. InsO
2.1. Zum Begriff der Masseunzulänglichkeit... 3
2.2. Die Feststellung und Anzeige der Masseunzulänglichkeit... 4
2.3. Wirkungen der angezeigten Masseunzulänglichkeit... 5
2.4. Einstellung des Verfahrens... 6
2.5. Besonderheiten des Verfahrens bei Masseunzulänglichkeit... 6
2.5.1. Erneute Anzeige der Masseunzulänglichkeit... 6
2.5.2. Rückkehr zum normalen Verfahren... 7
2.5.3. Problematik der Haftung des Insolvenzverwalters... 9
im Rahmen des Verfahrens bei Masseunzulänglichkeit
3. Die Haftung des Insolvenzverwalters bei Masseunzulänglichkeit, § 61 InsO... 9
3.1. Rechtsnorm... 9
3.1.1. Normentwicklung... 10
3.1.2. Normzweck ... 12
3.2. Haftungstatbestände... 14
3.2.1. Die Haftung des Insolvenzverwalters... 14
gegenüber Massegläubigern
3.2.2. Die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters für... 16
nicht erfüllte Masseverbindlichkeiten
3.2.3. Haftung bei fehlerhafter Anzeige der Masseunzulänglichkeit...18

3.3. Einzelheiten zur Haftung nach § 61 InsO... 20
3.3.1. Verschulden... 20
3.3.2. Umfang der Haftung... 24
3.3.3. Kausalität... 26
3.3.4. Verjährung... 26
3.3.5. Exkulpation... 27
3.4. Pflichtverletzungen außerhalb der Insolvenzordnung... 28
3.5. Eintritt der Haftpflichtversicherung... 31
4. Maßnahmen der Haftungsbegrenzung... 34
4.1. Vertraglicher Haftungsausschluss... 34
4.2. Haftungsfreies wirtschaftliches Ermessen:... 35
Business Judgement Rule?
4.3. Anzeige der Masseunzulänglichkeit... 37
4.4. Absicherung über Insolvenzgericht, Gläubigerausschuss und... 38
Gläubigerversammlung
4.5. Rechtsprechung und Literatur:... 40
Finanz- respektive Liquiditätsplanung
5. Finanzplanung... 42
5.1. Pflichten des Insolvenzverwalters zur Erstellung eines Finanzplans... 42
5.2. Begriff der Liquidität... 44
5.3. Bedeutung von Liquidität... 46
5.3.1. Gesundes Unternehmen... 46
5.3.2. Unternehmen in der Krise... 47
5.3.3. Insolventes Unternehmen... 48
5.4. Begriff und Wesen der Finanzplanung... 50
5.4.1. Planung... 50
5.4.2. Planungsgrundsätze... 51
5.4.3. Stellung der Finanzplanung im Rahmen der Gesamtplanung... 53
5.4.4. Integrierte Finanzplanung... 54
5.4.5. Arten der Finanzplanung... 55
5.5. Umfang, Erstellung und Ablauf der Finanzplanung... 57
5.5.1. Umfang der Finanzplanung... 57

5.5.1.1. Kapitalbedarfsplanung... 58
5.5.1.2. Kapitaldeckungsplanung... 59
5.5.1.3. Liquiditätsplanung... 60
5.5.2. Inhalt... 62
5.5.3. Erstellung... 63
5.5.4. Prognose... 65
5.5.4.1. Subjektive Planzahlenbestimmung... 66
5.5.4.2. Extrapolierende Verfahren... 66
5.5.4.3. Kausale Prognosen... 68
5.5.5. Kontrolle und Plananpassung... 70
5.5.5.1. Ermittlung und Analyse der Abweichungen... 71
5.5.5.2. Maßnahmen des Insolvenzverwalters... 74
zur Liquiditätssteuerung
5.5.5.2.1. Zurückweisung von Zahlungsverpflichtungen,... 75
Verwertungen und Zwangsvollstreckungen
5.5.5.2.2. Leistungswirtschaftliche Maßnahmen... 77
5.5.5.2.3. Umfinanzierung... 77
5.5.5.2.4. Aufnahme neuer Kredite... 78
5.5.5.2.5. Maßnahmen der Gläubigerbanken... 78
5.5.5.2.6. Maßnahmen der Kreditoren... 80
5.5.5.2.7. Maßnahmen der öffentlichen Hand... 80
5.5.5.2.8. Maßnahmen der Gesellschafter... 82
5.5.5.2.9. Kapitalbeteiligungsgesellschaften... 86
5.5.5.2.10. Abwicklung schwebender Geschäfte... 86
5.5.5.2.11. Behandlung von Arbeitsverhältnissen... 87
5.5.5.2.12. Erstellung eines Sozialplans... 89
5.5.5.2.13. Behandlung von Betriebsrenten... 91
5.5.5.2.14. Insolvenzgeld... 92
5.5.5.2.15. Anfechtungsmöglichkeiten nach... 95
Verfahrenseröffnung
5.5.5.2.16. Geltendmachung von... 96
Schadensersatzansprüchen
6. Einsatz von EDV - Planungstools... 97

7. Fallbeispiel... 100
8. Resümee... 103
Anhang... 108
Literaturverzeichnis... 114

- VI -
A b k ü r z u n g s v e r z e i c h n i s
Abs.
Absatz
a.F.
alte Fassung
AG
Aktiengesellschaft, Amtsgericht
AktG
Aktiengesetz
Alt.
Alternative
Anm.
Anmerkung
AO
Abgabenordnung
Art.
Artikel
BAG
Bundesarbeitsgericht
BB
Der Betriebs-Berater
Begr.
Begründung
BetrAVG
Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Alterversorgung
BetrVG
Betriebsverfassungsgesetz
BFH
Bundesfinanzhof
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGH
Bundesgerichtshof
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
BK
Berliner Kommentar
BRAO
Bundesrechtsanwaltsordnung
BSG
Bundessozialgericht
BT-Drs.
Bundestags-Drucksache
BWL
Betriebswirtschaftslehre
bzw.
beziehungsweise
c.i.c.
culpa in contrahendo
DB
Der Betrieb
d.h.
das heißt
DVStB
Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater,
Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften
DZWiR
Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
EDV
Elektronische Datenverarbeitung

- VII -
EG
Europäische Gemeinschaft(en)
EGInsO
Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung
EGV
EG-Vertrag
etc.
et cetera
e.V.
eingetragener Verein
f.
folgende
ff.
folgende
FK
Frankfurter Kommentar
Fn.
Fußnote/n
gem.
gemäß
GenG
Genossenschaftsgesetz
GesO
Gesamtvollstreckungsordnung
GG
Grundgesetz
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG
Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
GuV
Gewinn- und Verlustrechnung
Handb.
Handbuch
HGB
Handelsgesetzbuch
HK
Heidelberger Kommentar
h.M.
herrschende Meinung
HWW
Hess/Weis/Wienberg
IDW
Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.
i.I.
in Insolvenz
InsO
Insolvenzordnung
InsOÄndG
Änderungsgesetz betreffend die Insolvenzordnung
InsR
Insolvenzrecht
InsVV
Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung
i.V.m.
in Verbindung mit
KG
Kommanditgesellschaft
KO
Konkursordnung
KonTraG
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich
KP
Kübler/Prütting

- VIII -
KSchG
Kündigungsschutzgesetz
KTS
Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen
Lfg.
Lieferung
LG
Landgericht
MK
Münchener Kommentar
n.F.
neue Fassung
NJW
Neue Juristische Wochenzeitschrift
NJW-RR
NJW-Rechtsprechungsreport Zivilrecht
NR
Nerlich/Römermann
Nr.
Nummer
NZA
Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht
NZI
Neue Zeitschrift für Insolvenzrecht
OLG
Oberlandesgericht
PS
Prüfungsstandard
PSVaG
Pensionssicherungsverein auf Gegenseitigkeit
REFA
Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung, seit 1977 REFA -
Verband für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation e.V.
RegE
Regierungsentwurf
RGZ
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
Rn.
Randnummer
S.
Satz, Seite
SGB
Sozialgesetzbuch
StBG
Steuerberatungsgesetz
StGB
Strafgesetzbuch
TVG
Tarifvertragsgesetz
US
United States (of America)
UStG
Umsatzsteuergesetz
VergVO
Verordnung über die Vergütung der Konkursverwalter, des Ver-
gleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und
der Mitglieder des Gläubigerbeirats
vgl.
vergleiche
VglO
Vergleichsordnung

- IX -
VVG
Versicherungsvertragsgesetz
WM
Wertpapier-Mitteilungen
WPBHV
Wirtschaftsprüfer-Berufshaftpflichtversicherungsordnung
WPg
Die Wirtschaftsprüfung
WPO
Wirtschaftsprüferordnung
z.B.
zum Beispiel
ZInsO
Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht
ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
zit.
zitiert
ZPO
Zivilprozessordnung
ZVG
Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung

- X -
A b b i l d u n g s- und T a b e l l e n v e r z e i c h n i s
Seite
Nr. 1: Bedeutung von Liquidität und Rentabilität als Zielfunktion... 50
in verschiedenen Unternehmensstadien
Nr. 2: EDV-gestützte bottom-up - Planung der Liquidität... 99
Nr. 3: EDV-gestützte top-down - Analyse der Liquidität... 100
Nr. 4: Liquiditätsplanung im Rahmen des Fallbeispiels... 102
Nr. 5: Grundschema einer integrierten Finanz- und Erfolgsplanung... 108
Nr. 6: Grundschema einer Finanzplanung... 108
Nr. 7: Gliederung einer Finanzplanung... 109
Nr. 8: Finanzplan auf der Basis von gestaffelten Planungseinheiten und... 110
mehrmonatigem Planungshorizont
Nr. 9: Finanzierungsregeln... 111
Nr. 10: Zeitreihenanalyse oder lineare Einfachregression... 112

Finanzplanung des Insolvenzverwalters
Diplomarbeit
- 1 -
1. Einleitung
In Gesellschaft, Wirtschaft und Politik wird seit Jahren über die zuneh-
mende Zahl an Insolvenzen geklagt. So mussten im Jahr 2002 mehr als
37.000 Unternehmen Insolvenz anmelden. Nimmt man Privat- und
Nachlassinsolvenzen noch hinzu, so steigt die Zahl auf mehr als 84.000
Insolvenzen.
1
Dies entspricht einem Anstieg seit 1991 von über 630 %.
2
In Anbetracht der Regelsätze der Insolvenzrechtlichen Vergütungs-
verordnung könnte der Eindruck entstehen, dass die Notsituation eines
Unternehmens oder Privatmanns ein einträgliches Geschäft für den
Verwalter ist. Jedoch kommen im Eröffnungsverfahren auf den vorläufi-
gen Insolvenzverwalter und nach Eröffnung des Verfahrens auf den
Insolvenzverwalter zahlreiche haftungsrechtliche Risiken zu. Schließlich
ist er allen am Verfahren Beteiligten gegenüber verantwortlich. Es mag
dahinstehen, ob die seit 1. Januar 1999 geltende Haftungsregelung der
§§ 60 ff. InsO eine Haftungsverschärfung gegenüber der alten General-
klausel des § 82 KO darstellt.
3
Insolvenzverwalter berichten jedoch von
einer zunehmenden Bereitschaft der Gläubiger, ihn persönlich in An-
spruch zu nehmen.
4
So bieten gerade masseunzulängliche Verfahren
für den Insolvenzverwalter ein erhebliches Haftungsrisiko. Die spezielle
Haftungsnorm des § 61 InsO normiert nun expressis verbis die Haftung
des Verwalters für die Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten. Da-
nach ist der Insolvenzverwalter dem Massegläubiger zum Schadenser-
satz verpflichtet, wenn eine Masseverbindlichkeit, die durch eine
Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, aus der
Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden kann, § 61 S. 1 InsO. Dies gilt
jedoch nicht, wenn der Verwalter bei der Begründung der Verbindlich-
keit nicht erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich zur Erfül-
1
Quelle:
Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Deutschland in Zahlen (2003):
S. 52.
2
Quelle:
Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Deutschland in Zahlen (2003):
S. 52; Berechnung des Verfassers.
3
Zur Diskussion sei auf Abschnitt 3.3.5. verwiesen.
4
Vgl.
van Bühren NZI 2003, 465. Der Autor ist Anwalt in der versicherungsrechtli-
chen Branche und schildert seine Erfahrung.

Finanzplanung des Insolvenzverwalters
Diplomarbeit
- 2 -
lung nicht ausreichen werde, § 61 S. 2 InsO. Rechtsprechung
5
und Lite-
ratur
6
verlangen hierfür eine ordnungsgemäße Finanzplanung. Sie äu-
ßern sich jedoch nicht oder nur vage bezüglich den Anforderungen, de-
nen die Planung genügen muss. Gegenstand der Arbeit sind daher die
Anforderungen an die Finanzplanung des Insolvenzverwalters zur Ver-
meidung der Haftung gemäß § 61 InsO. Die Arbeit verfolgt methodisch
einen interdisziplinären Ansatz. Es wird eine betriebswirtschaftliche
Antwort auf die Frage der haftungsrechtlichen Problematik gegeben.
Der Gang der Untersuchung folgt im 2. Kapital zunächst einer kurzen
Darstellung der Feststellung der Masseunzulänglichkeit und des Ver-
fahrens nach §§ 208 ff. InsO. Einer der Schwerpunkte der Arbeit liegt in
der Darstellung der haftungsrechtlichen Problematik des § 61 InsO im
3. Kapitel. Die Rechtsnorm wird in ihrer Entwicklung und Struktur aus-
führlich betrachtet. Die Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters und
des vorläufigen Insolvenzverwalters gegenüber den Massegläubigern
sowie die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 61 InsO werden
umfassend beschrieben. Daneben wird auch auf die übrigen Pflichtver-
letzungen eingegangen, die außerhalb der Insolvenzordnung und teil-
weise in Anspruchskonkurrenz zu § 61 InsO stehen, sowie auf die Ab-
sicherung der Haftungsrisiken durch die Haftpflichtversicherung. Das 4.
Kapitel zeigt die Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung auf, woraus die
Finanzplanung als das einzig wirksame Instrument hervorgeht. Sie ist
auch Thema des 5. Kapitels und weiterer Schwerpunkt der Arbeit. Er-
läutert werden die Pflichten des Insolvenzverwalters zur Erstellung ei-
ner Finanzplanung sowie die Begriffe der Liquidität und Planung. Es
wird explizit auf die Formen und Arten der Finanzplanung eingegangen
sowie deren Grundsätze, Erstellung und Ablauf. In Kapitel 6 wird die
Möglichkeit dargelegt, eine Finanzplanung auf EDV-Basis zu erstellen.
5
Vgl.
OLG Brandenburg NZI 2003, 552, 553; OLG Celle ZIP 2003, 587; OLG
Hamm NZI 2003, 150, 151; LG Köln NZI 2003, 652; LG Köln NZI 2002, 607.
6
Vgl. Lüke in KP, InsO: § 61 Rn. 4; Hess in HWW, InsO: § 61 Rn. 22, 32; Kind in
Braun, InsO: § 61 Rn. 9;
Brandes in MK, InsO: §§ 60, 61 Rn. 37; Blersch in BK,
InsO: § 61 Rn. 6;
von Bismarck in Beck/Depré, Praxis der Insolvenz (2003): S. 1509.

Finanzplanung des Insolvenzverwalters
Diplomarbeit
- 3 -
Im 7. Kapitel sollen die bisherigen Ausführungen anhand eines praxis-
nahen Fallbeispiels noch einmal verdeutlicht werden. Im 8. und letzten
Kapitel werden die Ergebnisse zusammengefasst.
2. Die Feststellung der Masseunzulänglichkeit und das Verfahren
nach §§ 208 ff. InsO
2.1. Zum Begriff der Masseunzulänglichkeit
Masseunzulänglichkeit - auch als die ,,Insolvenz in der Insolvenz"
7
oder
Massearmut ,,im weiteren Sinn"
8
bezeichnet - liegt vor, wenn zwar die
Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt sind, die Insolvenzmasse je-
doch aktuell nicht ausreicht, um die sonstigen fälligen Masseverbind-
lichkeiten zu erfüllen, § 208 Abs. 1 S. 1 InsO.
Gleiches gilt nach § 208 Abs. 1 S. 2 InsO, wenn die Masse voraussicht-
lich nicht ausreichen wird, um die bestehenden sonstigen Massever-
bindlichkeiten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Diese Definition ist
angelehnt an den Insolvenztatbestand der drohenden Zahlungsunfähig-
keit nach § 18 Abs. 2 InsO.
9
Die sonstigen Masseverbindlichkeiten sind hauptsächlich in § 55 InsO
aufgeführt.
10
Exemplarisch seien die Verbindlichkeiten genannt, die
durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise
durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse
begründet werden.
Kosten des Insolvenzverfahrens sind nach § 54 InsO sowohl die Ge-
richtskosten für das Insolvenzverfahren, als auch die Vergütung und
Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters
und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Sollten selbst diese Kos-
ten durch die Insolvenzmasse nicht gedeckt sein, so wird das Insol-
7
Vgl.
Uhlenbruck, InsO: § 208 Rn. 1; Uhlenbruck KTS 1994, 169; Beck in
Beck/Depré, Praxis der Insolvenz (2003): S. 532.
8
Vgl.
Kübler in Kölner Schrift (2000): S. 971.
9
Vgl. Landfermann in HK, InsO: § 208 Rn. 4; Smid, Grundzüge InsR (2002): S. 374;
Kübler in Kölner Schrift (2000): S. 974.
10
Außerdem in den §§ 100, 101 Abs. 1 S. 3, 115 Abs. 2 S. 3, 123 Abs. 2, 169 S. 1,
172 Abs. 2 S. 1 und 324 InsO.

Finanzplanung des Insolvenzverwalters
Diplomarbeit
- 4 -
venzverfahren gem. § 207 Abs. 1 S. 1 InsO mangels Masse eingestellt.
Es liegt dann Massearmut ,,im engeren Sinne" vor.
11
2.2. Die Feststellung und Anzeige der Masseunzulänglichkeit
Nach § 208 Abs. 1 S. 1 InsO hat der Insolvenzverwalter dem Insol-
venzgericht anzuzeigen, dass Masseunzulänglichkeit vorliegt bzw.
droht.
12
Die Feststellung der Masseunzulänglichkeit obliegt ebenfalls
dem Insolvenzverwalter. Dies ergibt sich auch aus §§ 209 Abs. 1 Nr. 2
und 210 InsO.
13
Die Anzeigepflicht des Insolvenzverwalters setzt eine Prüfung der Mas-
se und der fälligen Verbindlichkeiten voraus. Zu diesem Zweck hat der
Verwalter eine Massekostendeckungsrechnung bzw. Prognoserech-
nung zu erstellen. Er muss die Umstände schlüssig darlegen können,
aus denen sich die (drohende) Masseunzulänglichkeit ergibt.
14
Das Gericht hat die Anzeige der Masseunzulänglichkeit öffentlich be-
kannt zu machen und den Massegläubigern besonders zuzustellen,
§ 208 Abs. 2 InsO. Es besteht aber keine Verpflichtung seitens des Ge-
richts, die Voraussetzungen der Masseunzulänglichkeit auch zu prü-
fen.
15
Nach anderer Ansicht
16
obliegt jedoch die Feststellung der Mas-
seunzulänglichkeit nach § 208 Abs. 1 S. 1 InsO dem Amtsgericht, um
eine Überprüfung der Einschätzung des Insolvenzverwalters zu ermög-
lichen. Ursprünglich sah § 318 InsO-RegE die Feststellung der Mas-
seunzulänglichkeit durch das Insolvenzgericht noch ausdrücklich vor.
Um jedoch eine zusätzliche Belastung der Insolvenzgerichte zu vermei-
11
Vgl.
Hefermehl in MK, InsO: § 208 Rn. 13; Kübler in Kölner Schrift (2000): S. 971.
12
Der Zeitpunkt der Anzeige lässt trotz der Formulierung in § 208 Abs. 1 S. 1 InsO
dem Insolvenzverwalter einen gewissen Ermessensspielraum. Die Ermessens-
entscheidung wird durch seine Haftung nach § 61 InsO eingeschränkt, so dass er mit
der Anzeige an das Gericht so lange warten darf, wie er aufgrund seiner Finanzpla-
nung und Kostendeckungsrechnung davon ausgehen kann, dass eine Masseunzu-
länglichkeit nicht vorliegt und auch nicht droht, vgl.
Uhlenbruck, InsO: § 208 Rn. 10;
Breutigam in BK, InsO: § 208 Rn. 7, 13.
13
Vgl.
Runkel/Schnurbusch NZI 2000, 49, 50.
14
Vgl. Beck in Beck/Depré, Praxis der Insolvenz (2003): S. 529.
15
Vgl.
BAG BB 2002, 890, 892; Frege/Keller/Riedel, Handb. InsR (2002): S. 614;
Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handb. InsO (2001): S. 914.
16
Vgl.
Smid, Grundzüge InsR (2002): S. 374.

Finanzplanung des Insolvenzverwalters
Diplomarbeit
- 5 -
den, scheidet im geltenden Recht mangels einer gerichtlichen Feststel-
lungskompetenz und mangels eines damit einhergehenden gerichtli-
chen Feststellungsbeschlusses die Möglichkeit einer materiell binden-
den Gerichtsentscheidung a priori aus.
17
Das Gericht hat lediglich die
Pflicht zur Prüfung, ob die Masseinsuffizienz schlüssig dargelegt wor-
den ist.
18
2.3. Wirkungen der angezeigten Masseunzulänglichkeit
Im Gegensatz zur Einstellung des Verfahrens aufgrund Massearmut
nach § 207 Abs. 1 S. 1 InsO, bestehen nach Anzeige der Masseunzu-
länglichkeit die Pflichten des Verwalters zur Verwaltung (§ 80 InsO) und
Verwertung (§§ 148 ff. InsO) der Masse fort, § 208 Abs. 3 InsO. Er hat
sich jedoch hierbei an einer raschen Liquidation zu orientieren.
19
Nicht
mehr die gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger nach § 1 S. 1
InsO ist der Verfahrenszweck, sondern eine schnelle Restabwicklung
ausschließlich im Interesse der Massegläubiger.
20
Zudem muss der
Insolvenzverwalter nach § 211 Abs. 2 InsO über seine Tätigkeit nach
Anzeige der Masseunzulänglichkeit gesondert Rechnung legen.
Durch die Anzeige der Masseunzulänglichkeit ändert sich auch die Be-
friedigungsrangfolge der Massegläubiger. Zunächst sind nach § 209
Abs. 1 Nr. 1 InsO die Kosten des Insolvenzverfahrens vorab zu beglei-
chen. Durch § 209 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 InsO erfolgt eine Rangrück-
stufung der bis zur Anzeige entstandenen Verbindlichkeiten. Demnach
sind die Neumassegläubiger vor den Altmassegläubiger zu befriedigen.
Zuletzt ist der dem Schuldner und seiner Familie bewilligte Unterhalt
nach §§ 100 und 101 Abs. 1 S. 3 InsO zu berichtigen. Es gilt also, dass
die Altmassegläubiger der Rangklasse 3 nur dann Zahlungen erhalten,
wenn die vorrangigen Neumassegläubiger der Rangklasse 2 befriedigt
17
Vgl.
Landfermann in HK, InsO: § 208 Rn. 1, 2; Breutigam in BK, InsO: § 208
Rn. 6;
Kübler in Kölner Schrift (2000): S. 972.
18
Vgl. Beck in Beck/Depré, Praxis der Insolvenz (2003): S. 529, 530.
19
Vgl.
Kießner in Braun, InsO: § 208 Rn. 19; Beck in Beck/Depré, Praxis der Insol-
venz (2003): S. 530.
20
Vgl.
Uhlenbruck, InsO: § 208 Rn. 20; Pape in KP, InsO: § 209 Rn. 11.

Finanzplanung des Insolvenzverwalters
Diplomarbeit
- 6 -
werden; in gleicher Weise vorrangig sind die Verfahrenskosten des 1.
Ranges gegenüber den Neumassegläubiger des 2. Ranges.
21
Weiterhin gilt für die Altmassegläubiger nach Anzeige der Masseunzu-
länglichkeit ein Vollstreckungsverbot gem. § 210 InsO.
22
2.4. Einstellung des Verfahrens
Auch im masseunzulänglichen Verfahren besteht die allgemeine
Schlussrechnungslegungspflicht des Insolvenzverwalters nach § 66
InsO. Sobald der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse nach § 209
InsO verteilt und einen Schlussbericht vorgelegt hat, stellt das Gericht
das Verfahren ein. Dadurch erhält der Schuldner nach § 215 Abs. 2
S. 1 InsO das Recht zurück, über die Masse, soweit sie noch vorhan-
den ist, frei zu verfügen. Nach § 215 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 201 Abs. 1
InsO können die Insolvenzgläubiger nunmehr ihre nicht erfüllten Forde-
rungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen, sofern
nicht Restschuldbefreiung gewährt wurde.
23
2.5. Besonderheiten des Verfahrens bei Masseunzulänglichkeit
2.5.1. Erneute Anzeige der Masseunzulänglichkeit
Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 S. 1
InsO kann es bezogen auf die Neumasseverbindlichkeiten abermals zu
einer Unzulänglichkeit der Masse kommen. Gründe hierfür können un-
vorhersehbare Auftragsverluste, Verbindlichkeiten aus Vertragsstrafe-
versprechen oder Gewährleistungshaftung sowie Forderungen aus Lie-
ferungen und Leistungen sein, die aufgrund der Kundeninsolvenz aus-
fallen.
24
Eine Verwalterhaftung nach §§ 60, 61 InsO sollte bei Vorliegen
dieser Fälle regelmäßig entfallen, da die Ursachen für die erneute Mas-
seunzulänglichkeit nicht in der Person des Verwalters begründet lie-
21
Vgl.
Hefermehl in MK, InsO: § 209 Rn. 13.
22
Vgl. Runkel/Schnurbusch NZI 2000, 49, 54. Die Anzeige der Masseunzulänglich-
keit ähnelt insofern einer rechtshemmenden Einrede.
23
Vgl.
Runkel/Schnurbusch NZI 2000, 49, 56.
24
Vgl.
Hefermehl in MK, InsO: § 208 Rn. 60; Runkel/Schnurbusch NZI 2000, 49, 55.

Finanzplanung des Insolvenzverwalters
Diplomarbeit
- 7 -
gen.
25
Das Gesetz wiederum sieht keine Regelung für die Anzeige der
Neumasseunzulänglichkeit vor. Nach einer Auffassung soll der Insol-
venzverwalter bei Nichterfüllbarkeit der Neumasseverbindlichkeiten
nochmals die Masseunzulänglichkeit nach § 208 Abs. 1 S. 1 InsO an-
zeigen.
26
Als Konsequenz müsste die Verteilungsfolge nach § 209 InsO
durch Bildung zweier Gruppen von Altmassegläubigern unterschiedli-
cher Rangfolge geändert werden. Zusätzlich müsste das Insolvenzge-
richt abermals die angezeigte Masseunzulänglichkeit öffentlich bekannt
machen. Dies dient nicht der Transparenz des Insolvenzverfahrens.
27
Daher ist eine mehrfache Anzeige der Masseunzulänglichkeit in ein und
demselben Verfahren abzulehnen.
28
Stattdessen hat der Verwalter dem
Neumassegläubiger entgegenzuhalten, dass die Masse zur vollständi-
gen Befriedigung nicht mehr ausreicht.
29
Falls der Neumassegläubiger
versucht, seinen Anspruch gerichtlich durchzusetzen, hat der Verwalter
im Prozess die Masseunzulänglichkeit als Einwand geltend zu ma-
chen.
30
Ist bereits ein Titel vorhanden, so kommt für den Verwalter nur
eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO in Betracht.
31
2.5.2. Rückkehr zum normalen Verfahren
Für den Fall, dass sich die Prognose-Entscheidung des Insolvenz-
verwalters als unzutreffend erweist und Masseunzulänglichkeit somit
nicht oder nur temporär vorliegt, sieht das Gesetz keine Regelung für
die Rückkehr zu einem normalen Insolvenzverfahren vor. Wie an dieser
Stelle weiter zu verfahren ist, wird mit unterschiedlichen Auffassungen
diskutiert.
32
Nach Ansicht des AG Hamburg
33
ist die Anzeige der Mas-
25
Vgl.
Runkel/Schnurbusch NZI 2000, 49, 55.
26
Vgl.
Dinstühler ZIP 1998, 1697, 1707.
27
Vgl.
Hefermehl in MK, InsO: § 208 Rn. 60.
28
Vgl. Runkel/Schnurbusch NZI 2000, 49, 55; Breutigam in BK, InsO: § 208 Rn. 4.
29
Vgl.
Runkel/Schnurbusch NZI 2000, 49, 55.
30
Vgl.
Kilger/K. Schmidt, KO: § 60 Anm. 1; Runkel/Schnurbusch NZI 2000, 49, 55;
Hefermehl in MK, InsO: § 208 Rn. 60.
31
Vgl. Kilger/K. Schmidt, KO: § 60 Anm. 1; Runkel/Schnurbusch NZI 2000, 49, 55;
Hefermehl in MK, InsO: § 208 Rn. 60.
32
Vgl. zum Meinungsstreit die übersichtliche Darstellung bei
Uhlenbruck, InsO: § 208
Rn. 31.

Finanzplanung des Insolvenzverwalters
Diplomarbeit
- 8 -
seunzulänglichkeit nicht mehr rückholbar, da die Reihenfolge der Gläu-
bigerbefriedigung sich bis zur Einstellung des Verfahrens gemäß
§§ 209, 211 InsO unwiderruflich verändert. Erhöht sich die Insolvenz-
masse im Laufe des masseunzulänglichen Verfahrens, so bleibt allein
der Weg über die Nachtragsverteilung gemäß §§ 211 Abs. 3, 203, 205
InsO.
34
Vielfach wird jedoch betont, dass allein aus Gläubigerschutzas-
pekten die Wiederaufnahme des Regelinsolvenzverfahrens möglich
sein muss.
35
Nach einer Ansicht
36
soll die Lücke im Gesetz durch eine
Analogie zu den §§ 212, 213 InsO geschlossen werden. Liegen die
Voraussetzungen der Masseunzulänglichkeit nicht mehr vor oder stim-
men sämtliche Massegläubiger einer Rückkehr zum normalen Insol-
venzverfahren zu, so ergeht auf Antrag des Insolvenzverwalters ein
entsprechender Beschluss des Insolvenzgerichts. Nach anderer, über-
wiegender Auffassung soll eine entsprechende Anzeige des Insolvenz-
verwalters und deren Veröffentlichung, quasi als ,,actus contrarius" zur
Anzeige der Masseunzulänglichkeit, zur Rückkehr zum normalen Insol-
venzverfahren ausreichend sein.
37
Für die Rückkehr zum normalen Ver-
fahren spricht vor allem, dass keine Veranlassung besteht, dem Insol-
venzverwalter zu verbieten, die Masseverbindlichkeiten voll zu erfüllen,
falls sich die Prognose der drohenden Masseunzulänglichkeit im nach-
hinein als falsch herausstellt.
38
33
Vgl.
AG Hamburg NZI 2000, 140, 141.
34
Vgl.
AG Hamburg NZI 2000, 140, 141.
35
Vgl. z.B. Frege/Keller/Riedel, Handb. InsR (2002): S. 615; Beck in Beck/Depré,
Praxis der Insolvenz (2003): S. 540;
Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handb. InsO
(2001): S. 913;
Uhlenbruck NZI 2001, 408, 409; A. Schmidt NZI 1999, 442, 443.
36
Vgl.
A. Schmidt NZI 1999, 442, 443; Breutigam in BK, InsO: § 208 Rn. 28.
37
Vgl. Pape in KP, InsO: § 208 Rn. 24; Uhlenbruck, InsO: § 208 Rn. 31; Hefermehl
in MK, InsO: § 208 Rn. 55;
Beck in Beck/Depré, Praxis der Insolvenz (2003): S. 540;
Frege/Keller/Riedel, Handb. InsR (2002): S. 615.
38
Vgl.
Kießner in FK, InsO: § 208 Rn. 19.

Finanzplanung des Insolvenzverwalters
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- 9 -
2.5.3. Problematik der Haftung des Insolvenzverwalters im Rah-
men des Verfahrens bei Masseunzulänglichkeit
Masseunzulängliche Verfahren bergen für den Insolvenzverwalter er-
höhte Haftungsrisiken. Erstens besteht die Möglichkeit, dass der Ver-
walter die Masseunzulänglichkeit nicht oder zu spät erkennt bzw. nur
vorbeugend oder falsch anzeigt. Zweitens könnte er Neumasseverbind-
lichkeiten begründen, ohne diese aber aus der Masse begleichen zu
können.
39
Der Insolvenzverwalter hat daher ein Interesse daran, die
Anzeige nicht verfrüht oder unbegründet zu stellen, da er sich ansons-
ten bei einer Fehleinschätzung der Masseunzulänglichkeit erheblichen
Regressverpflichtungen ausgesetzt sehen kann.
40
Wenn der Verwalter
jedoch mit seiner ihm im Verkehr gebotenen Sorgfalt aufgrund seiner
Dokumentation die (drohende) Masseunzulänglichkeit ermittelt, sollte er
sie im eigenen Interesse frühestmöglich und ohne schuldhafte Verzöge-
rung dem Gericht anzeigen.
41
Andernfalls kann sich der Insolvenzver-
walter der Haftung des § 61 InsO ausgesetzt sehen, die Gegenstand
des nächsten Kapitels ist.
42
3. Die Haftung des Insolvenzverwalters bei Masseunzulänglichkeit,
§ 61 InsO
3.1. Rechtsnorm
§ 61 S. 1 InsO bestimmt, dass der Insolvenzverwalter dem Massegläu-
biger zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn er eine Masseverbind-
lichkeit, die durch eine seiner Rechtshandlungen begründet worden ist,
aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllen kann. Jedoch gilt dies nicht,
wenn der Verwalter bei der Begründung der Verbindlichkeit nicht er-
39
Vgl.
Beck in Beck/Depré, Praxis der Insolvenz (2003): S. 541.
40
Vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handb. InsO (2001): S. 913; von Bismarck in
Beck/Depré, Praxis der Insolvenz (2003): S. 1509, 1510.
41
Vgl.
Beck in Beck/Depré, Praxis der Insolvenz (2003): S. 529; A. Schmidt NZI
1999, 442, 443.
42
Hilfsweise muss für einen Haftungsanspruch neben § 61 InsO auch die allgemeine
Anspruchsgrundlage des § 60 InsO herangezogen werden. Falls der Verwalter keine
insolvenzspezifischen Pflichten verletzt hat, greifen die allgemeinen zivilrechtlichen
Haftungsansprüche.

Finanzplanung des Insolvenzverwalters
Diplomarbeit
- 10 -
kennen konnte, dass die Masse voraussichtlich nicht ausreichen werde,
§ 61 S. 2 InsO.
3.1.1. Normentwicklung
Mit § 61 InsO wurde die nach altem Recht umstrittene Frage, inwieweit
der Insolvenzverwalter für die von ihm begründeten Masseverbindlich-
keiten haftet, einer gesetzlichen Regelung zugeführt.
43
Zuvor war die
Haftung des Konkursverwalters ganz allgemein in § 82 KO geregelt.
Danach war der Konkursverwalter gegenüber allen Beteiligten zur Erfül-
lung der ihm obliegenden Pflichten verantwortlich. Jedoch benannte
diese Generalklausel weder den Umfang der dem Konkursverwalter
obliegenden Pflichten, noch die Beteiligten, denen er gegenüber ver-
antwortlich war. In der Folge führten zahlreiche Einzelfallentscheidun-
gen zu einer sehr weitreichenden Haftung des Konkursverwalters.
44
Es
war daher Aufgabe des Schrifttums, den § 82 KO mit seinen zu weit
führenden Rechtsfolgen zu begrenzen.
45
Der BGH reagierte auf diese Diskussion mit seinem Urteil vom
4. Dezember 1986.
46
Er konkretisierte und korrigierte die Anforderun-
gen an den Konkursverwalter bei Fortführung des Geschäftsbetriebs
des Schuldners. Bis dahin hatte die Rechtsprechung die Haftung des
Konkursverwalters bereits dann bejaht, wenn er nicht sorgfältig genug
geprüft hatte, ob er zur Erfüllung der neuen Verträge in der Lage war.
47
Hiervon nahm der BGH nun Abstand. Führt der Konkursverwalter das
Unternehmen des Schuldners entsprechend einem Beschluss der
Gläubigerversammlung fort, so kommt eine Haftung in Betracht, wenn
er die aus der Masse zu erfüllenden Verbindlichkeiten nicht tilgen kann.
Dies gilt aber nur dann, wenn der Verwalter im Laufe der Fortführung
43
Die Insolvenzordnung ist am 1. Januar 1999 gem. § 335 InsO i.V.m. Art. 110
EGInsO in Kraft getreten und hat die bis dahin geltende Konkursordnung, Vergleichs-
ordnung und Gesamtvollstreckungsordnung abgelöst.
44
Vgl. Abeltshauser in NR, InsO: § 60 Rn. 3.
45
Vgl. zur Diskussion z.B.
Merz KTS 1989, 277 ff.; Haug ZIP 1984, 773 ff.
46
Vgl.
BGHZ 99, 151 ff.
47
Vgl.
BGH NJW 1980, 55, 56.

Finanzplanung des Insolvenzverwalters
Diplomarbeit
- 11 -
des Betriebes die Masseunzulänglichkeit erkennt oder bei Anwendung
der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters
hätte erkennen können und müssen. Nicht nur die sofortige Liquidation,
sondern auch die Fortführung eines Unternehmens zwecks besserer
Verwertung aufgrund eines dahingehenden Beschlusses der Gläubi-
gerversammlung ist vom Konkurszweck gedeckt. Dies galt nach Mei-
nung des BGH selbst dann, wenn der Konkursverwalter, die Gläubiger-
versammlung und der möglicherweise gebildete Gläubigerausschuss
nicht sicher sein können, dass künftige Massegläubiger voll befriedigt
werden, aber dennoch die Aussicht besteht, die Masseverbindlichkeiten
zu tilgen, die im Rahmen der Fortführung notwendigerweise entstehen.
Gelingt der einer Fortführung zugrunde liegende Plan nicht und können
deshalb die Masseverbindlichkeiten nicht voll getilgt werden, ist eine
Haftung des Konkursverwalters gegenüber den Massegläubigern nach
Meinung des BGH nicht gerechtfertigt. Denn auch für die Neugläubiger
sind die Risiken, die mit der Fortführung eines zahlungsunfähigen und
(oder) überschuldeten Unternehmens notwendig verbunden sind, zu
erkennen. Der Konkursverwalter ist allerdings verpflichtet, das Unter-
nehmen des Gemeinschuldners sofort zu liquidieren, sobald für ihn
feststeht, dass er die bei einer Fortführung entstehenden Masse-
verbindlichkeiten nicht mehr wird tilgen können.
48
Dieses Urteil ent-
spricht im Wesentlichen bis auf die mittlerweile anders geregelte Be-
weislastumkehr
49
der neuen Rechtslage nach § 61 InsO.
50
48
Andernfalls sähe sich der Konkursverwalter auch den haftungsrechtlichen Folgen
einer Liquidationsverschleppung ausgesetzt, vgl. Brandes in MK, InsO: §§ 60, 61
Rn. 29;
Lüke, Haftung des Verwalters (1996): S. 21, 22.
49
Vgl.
von Olshausen ZIP 2002, 237, 238.
50
Vgl.
Hess in HWW, InsO: § 61 Rn. 19. Andere Ansicht vertritt Brandes in MK, InsO:
§§ 60, 61 Rn. 34. Anstatt es bei den von der Rechtsprechung aufgezeigten Voraus-
setzungen für eine persönliche Haftung des Verwalters zu belassen, verschärft § 61
InsO die Pflichten des Verwalters und stellt dadurch den Rechtszustand aus der Zeit
vor dem Urteil des BGH vom 4. Dezember 1986 wieder her.

Finanzplanung des Insolvenzverwalters
Diplomarbeit
- 12 -
3.1.2. Normzweck
Die Vorschrift des § 61 InsO, die Kraft Verweisung auch Anwendung
findet auf den so genannten ,,starken" vorläufigen Insolvenzverwalter
(§ 21 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 55 Abs. 2 InsO) sowie auf den Treuhänder im
vereinfachten Insolvenzverfahren (§ 313 Abs. 1 S. 2 InsO),
51
stellt eine
lex specialis zur allgemeinen Haftungsnorm des § 60 InsO dar.
52
Folg-
lich ist die Anwendung des § 60 InsO dort ausgeschlossen, wo die Haf-
tung für die Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten greift.
53
Die Haf-
tungsnorm des § 61 InsO muss im Licht der Ziele der Insolvenzordnung
gesehen werden. Danach ist der (vorläufige) Insolvenzverwalter gehal-
ten, im Eröffnungsverfahren bzw. späteren Insolvenzverfahren den Be-
trieb fortzuführen, sofern es möglich erscheint und die Masse dadurch
nicht unnötig geschmälert wird.
54
Die Betriebsfortführung ist somit nach
den Zielen der InsO der gesetzlich typisierte Regelfall.
55
Im Rahmen der
Betriebsfortführung ist der Verwalter naturgemäß gezwungen, weitere
Masseverbindlichkeiten einzugehen.
56
Die Vertragspartner des Insol-
venzverwalters werden durch die Norm des § 61 InsO geschützt, so
dass die Massegläubiger auch bereit sind, mit dem Insolvenzverwalter
Geschäfte abzuschließen. Dadurch kann eine verbesserte Marktsituati-
on des insolventen Unternehmens geschaffen werden.
57
Denn es ist
entscheidend für ein erfolgreiches Insolvenzverfahren, der Masse kurz-
fristig Liquidität zuzuführen. Kreditinstitute und Lieferanten halten sich
jedoch wegen der Schuldnerkrise zurück. Sie sind kaum bereit, dem
51
Vgl.
Kind in Braun, InsO: § 61 Rn. 3.
52
Vgl.
Abeltshauser in NR, InsO: § 61 Rn. 2; Hess in HWW, InsO: § 61 Rn. 8; von
Bismarck in Beck/Depré, Praxis der Insolvenz (2003): S. 1508.
53
Vgl. Kind in Braun, InsO: § 61 Rn. 2.
54
Vgl. auch § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO. Siehe aber auch die kritische Ansicht von
Klopp/Kluth in Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch (2001): S. 372. Danach erscheint
die Vorstellung des Gesetzgebers, § 61 InsO sei der Unternehmensfortführung dien-
lich, äußerst fraglich. Denn eine Aktivierung der Gläubiger und Motivierung des Insol-
venzverwalters zur Fortführung ist bei ungeklärter Finanzierung wohl nicht zu erwar-
ten.
55
Vgl.
Ehlers ZInsO 1998, 356, 357.
56
Vgl. zur Vertiefung Brandes, Rechtsprechung InsR (1997): S. 158; Lüke, Haftung
des Verwalters (1996): S. 20 ff.;
Vallender ZIP 1997, 345 ff.; Haug ZIP 1984, 773,
778 ff.
57
Vgl.
Hess in HWW, InsO: § 61 Rn. 6.

Finanzplanung des Insolvenzverwalters
Diplomarbeit
- 13 -
Schuldner weiteren Kredit zu gewähren oder ihn ohne Vorkasse weiter
zu beliefern. Dieses Liquiditätsproblem soll durch die persönliche Haf-
tung des Verwalters gelöst werden.
58
Also wird sich der Verwalter vor
der Eingehung neuer Verbindlichkeiten vergewissern, ob er diese aus
der Masse wird befriedigen können.
59
Andernfalls haftet er für die Ver-
letzung einer insolvenzspezifischen Pflicht persönlich.
60
Dies gilt allerdings nur, wenn der Verwalter nicht nachweisen kann,
dass er bei der Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen konnte,
dass die Masse voraussichtlich zu deren Erfüllung nicht ausreichen
werde, § 61 S. 2 InsO. ,,Voraussichtlich" bedeutet, dass der Eintritt der
Masseunzulänglichkeit wahrscheinlicher sein muss als der Nichtein-
tritt.
61
Die Beweislast des Insolvenzverwalters rechtfertigt sich aus der
Erwägung, dass nur der Insolvenzverwalter einen vollständigen Über-
blick über den Umfang der Masse und die Höhe der Masseverbindlich-
keiten hat.
62
Kommt der Verwalter im Rahmen der Fortführung aufgrund pflichtge-
mäßer Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Liquidität des Unternehmens
voraussichtlich nicht ausreicht, um die von ihm begründete Masse-
58
Vgl. Meyer, Haftung des vorläufigen Verwalters (2003): S. 135.
59
Vgl.
Pape/Uhlenbruck, InsR (2002): S. 161.
60
Vgl.
Lüke in KP, InsO: § 60 Rn. 7. Prinzipiell haftet die Insolvenzmasse unter ana-
loger Anwendung des § 31 BGB für die Tätigkeit des Verwalters (Primärhaftung). Es
ist zu trennen zwischen der internen Verantwortlichkeit (Innenhaftung) des Verwalters
gegenüber der Insolvenzmasse, dem Insolvenzschuldner und den Insolvenzgläubi-
gern und der externen Verantwortung (Außenhaftung) gegenüber Dritten, z.B. Masse-
gläubigern, vgl.
K. Schmidt KTS 1976, 191. Nach einem Urteil des BGH vom 14. April
1987 (BGH ZIP 1987, 650) kommt eine Eigenhaftung des Verwalters nur bei Verlet-
zung konkursspezifischer Pflichten in Betracht. Hierzu gehören aber nicht allgemeine
Pflichten, die einen Verwalter als Verhandlungs- und Vertragspartner eines Dritten
treffen. Als Vertreter fremder Interessen enthebt Letzterer den Geschäftspartner nicht
der Notwendigkeit, Risiken und Vorteile des in Aussicht genommenen Vertrags selbst
abzuwägen. Der Geschäftspartner ist durch die Verfahrenseröffnung gewarnt und
muss sich bewusst sein, dass er Risiken eingeht. Deshalb braucht ein Verwalter auch
nicht auf die Gefahren, die Geschäfte mit der Insolvenzmasse zwangsläufig mit sich
bringen, von sich aus hinzuweisen.
61
Vgl. Begr. zu § 72 RegE, BT-Drs. 12/2443, 129;
Uhlenbruck, InsO: § 61 Rn. 4;
Abeltshauser in NR, InsO: § 61 Rn. 2; Hess in HWW, InsO: § 61 Rn. 3.
62
Vgl. Begr. zu § 72 RegE, BT-Drs. 12/2443, 129;
Hess in HWW, InsO: § 61 Rn. 4.
Dies überzeugt jedoch nicht restlos. Schließlich hat kein Vertragspartner im Ge-
schäftsleben Einblick in die Verhältnisse des Kontrahenten bei Vertragsbegründung,
ohne dass hieraus durchgängig Konsequenzen für die Beweislast gezogen würden,
vgl.
von Olshausen ZIP 2002, 237, 238.

Finanzplanung des Insolvenzverwalters
Diplomarbeit
- 14 -
schuld zu erfüllen, also Masseunzulänglichkeit droht und er sie anzei-
gen muss, trifft den Vertragspartner ein erhöhtes Risiko, das über die
allgemeinen Gefahren eines Vertragsschlusses - auch des Vertrags-
schlusses mit einem Insolvenzverwalter - weit hinausgeht und das den
Verwalter schon nach allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen zu
einer Warnung des Vertragspartners verpflichtet.
63
Die Haftung lässt
sich nicht mit der Begründung ablehnen, die Geschäftspartner des In-
solvenzverwalters seien durch die Tatsache der Insolvenzeröffnung
bereits hinreichend gewarnt und müssten sich bewusst sein, dass sie
das Risiko der Masseunzulänglichkeit eingingen.
64
Würde dies hinge-
gen negiert, so wären Dritte wohl nicht mehr bereit, Geschäftsbezie-
hungen zu dem insolventen Unternehmen aufzunehmen. Damit wäre
ein wesentliches Ziel der neuen Insolvenzordnung, die Unternehmens-
fortführung im Insolvenzverfahren, gefährdet.
65
3.2. Haftungstatbestände
3.2.1. Die Haftung des Insolvenzverwalters gegenüber Massegläu-
bigern
§ 61 InsO schützt nur diejenigen Massegläubiger, deren Forderungen
durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters begründet werden.
66
Nicht erfasst sind dagegen Masseverbindlichkeiten, auf deren Entste-
hen der Insolvenzverwalter keinen Einfluss hat.
67
Exemplarisch für sol-
che oktroyierten Masseverbindlichkeiten seien Lohnansprüche vor Ab-
lauf der gesetzlichen Kündigungsfrist genannt. Masseverbindlichkeiten
sind in der Mehrzahl in § 55 InsO genannt. Dazu zählen vornehmlich
Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder
63
Vgl. Begr. zu § 72 RegE, BT-Drs. 12/2443, 129;
Smid, InsO: § 61 Rn. 3; Abelts-
hauser in NR, InsO: § 61 Rn. 2; Hess in HWW, InsO: § 61 Rn. 3; Uhlenbruck, InsO:
§ 61 Rn. 4. Die Nichtaufklärung als fehlende Rücksichtnahme kann im allgemeinen
Schuldrecht zu Ansprüchen aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB und §§ 280 Abs. 1,
241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB zu führen. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt 4.3.
64
Vgl. Begr. zu § 72 RegE, BT-Drs. 12/2443, 129;
Uhlenbruck, InsO: § 61 Rn. 4.
65
Vgl. Begr. zu § 72 RegE, BT-Drs. 12/2443, 129; Abeltshauser in NR, InsO: § 61
Rn. 2.
66
Vgl.
Hess in HWW, InsO: § 61 Rn. 9; Blersch in BK, InsO: § 61 Rn. 4.
67
Vgl.
von Bismarck in Beck/Depré, Praxis der Insolvenz (2003): S. 1509.

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in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der
Insolvenzmasse begründet wurden, ohne zu den Kosten des Insolvenz-
verfahrens zu gehören, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Weiterhin sind zu nen-
nen Masseverbindlichkeiten, die aus gegenseitigen Verträgen resultie-
ren, deren Erfüllung der Insolvenzverwalter gewählt oder deren Kündi-
gung der Insolvenzverwalter unterlassen hat, § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO.
68
Schließlich sind noch nach § 55 Abs. 2 InsO die Verbindlichkeiten zu
nennen, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungs-
befugnis begründet worden sind. Nicht zu den Masseverbindlichkeiten
zählen die Kosten des Verfahrens nach § 54 InsO sowie die Verbind-
lichkeiten aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse, § 55
Abs. 3 InsO.
69
Voraussetzung für die Haftung ist, dass der Insolvenzverwalter die ge-
nannten Masseverbindlichkeiten begründet hat und sie aus der Insol-
venzmasse nicht voll erfüllen kann. Er haftet aber auch nur für den Teil
persönlich, der nicht mehr aus der Masse befriedigt werden kann.
70
Der
Schaden entsteht dem Massegläubiger bereits dann, wenn der Verwal-
ter eine Masseverbindlichkeit zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit nicht er-
füllt.
71
Es kommt also nicht darauf an, ob die Forderungen der Masse-
gläubiger zu einem späteren Zeitpunkt voll oder teilweise erfüllt werden
können.
72
Folglich ist es auch unerheblich, ob noch Außenstände vor-
68
Vgl.
Lüke in KP, InsO: § 61 Rn. 7; Eickmann in HK, InsO: § 61 Rn. 5; Smid, InsO:
§ 61 Rn. 4;
Blersch in BK, InsO: § 61 Rn. 2.
69
Vgl. Hess in HWW, InsO: § 61 Rn. 10. Andere Ansicht vertritt Eickmann in HK,
InsO: § 61 Rn. 4. Danach wird die Haftung bejaht, wenn die Bereicherung durch eine
Handlung des Insolvenzverwalters herbeigeführt worden ist.
70
Vgl.
Kind in Braun, InsO: § 61 Rn. 6; Hess in HWW, InsO: § 61 Rn. 25.
71
Vgl. OLG Hamm NZI 2003, 150, 151; OLG Hamm NZI 2003, 263; Lüke in KP,
InsO: § 61 Rn. 7.
72
Vgl.
OLG Hamm NZI 2003, 263; Uhlenbruck NZI 2001, 408, 409. Anderer Ansicht
sind
AG Hamburg NZI 2000, 140, 141; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handb. InsO
(2001): S. 913. Temporäre oder einstweilige Masseunzulänglichkeit bedeutet, dass
trotz vorhandener und realisierbarer Vermögenswerte bei Beginn des Verfahrens noch
keine Liquidität verfügbar ist, so dass fällige Masseschulden nicht im Zeitpunkt der
Fälligkeit beglichen werden können. Dies würde nach § 208 InsO zur Einstellung des
Verfahrens nach § 211 InsO führen. Jedoch soll in diesen Fällen die Möglichkeit der
Massebesserung zugelassen werden, auch weil die Frage der Kostendeckung nach
§ 26 InsO stets ein prognostisches Element enthält, so dass in diesen Fällen die Ein-
stellung nicht erforderlich ist.

Finanzplanung des Insolvenzverwalters
Diplomarbeit
- 16 -
handen sind, die zur Befriedigung der Masseverbindlichkeiten ausrei-
chen, deren Durchsetzung aber aus Rechts- oder tatsächlichen Grün-
den zweifelhaft ist.
73
Schließlich ist es den Massegläubigern nicht zu-
zumuten, sich auf solche Unwägbarkeiten einzulassen.
74
Damit der Massegläubiger den Insolvenzverwalter persönlich in An-
spruch nehmen kann, hätte der Insolvenzverwalter zudem bei der Be-
gründung der Schuld erkennen müssen, dass die Masse zur Erfüllung
der Verbindlichkeit voraussichtlich nicht ausreichen wird. Folglich darf
dem Insolvenzverwalter die Exkulpation nach § 61 S. 2 InsO nicht ge-
lingen.
3.2.2. Die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters für nicht
erfüllte Masseverbindlichkeiten
Im Eröffnungsverfahren kann das Insolvenzgericht als Sicherungsmaß-
nahme einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, § 21 Abs. 2 Nr. 1
InsO. Dabei hat das Gericht die Möglichkeit, einen ,,starken" oder
,,schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalter zu ernennen. Der ,,starke"
vorläufige Insolvenzverwalter ist mit Verwaltungs- und Verfügungsbe-
fugnissen ausgestattet, während dem Schuldner ein Verfügungsverbot
auferlegt wird, § 22 Abs. 1 S. 1 InsO. Folglich ist der ,,starke" vorläufige
Insolvenzverwalter auch berechtigt, Verbindlichkeiten einzugehen, die
nach Verfahrenseröffnung zu Masseverbindlichkeiten werden, § 55
Abs. 2 InsO.
75
Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauer-
schuldverhältnis nach § 55 Abs. 2 S. 2 InsO, sofern der vorläufige In-
solvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleis-
tung in Anspruch genommen hat.
76
Können diese Masseverbindlichkei-
73
Vgl.
OLG Hamm NZI 2003, 150, 151; Kind in Braun, InsO: § 61 Rn. 6.
74
Vgl.
Kind in Braun, InsO: § 61 Rn. 6.
75
Vgl. Lüke in KP, InsO: § 61 Rn. 13.
76
Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass die aus Masseverwertungen des vorläufigen
Insolvenzverwalters resultierenden Umsatzsteuerforderungen des Finanzamts eben-
falls künftige Masseschulden sind, vgl.
Uhlenbruck KTS 1994, 169, 180.

Finanzplanung des Insolvenzverwalters
Diplomarbeit
- 17 -
ten nicht erfüllt werden, so haftet auch der ,,starke" vorläufige Insol-
venzverwalter nach § 61 InsO.
77
Bei der Beurteilung der Situation, in der sich der vorläufige Insolvenz-
verwalter befindet, muss allerdings berücksichtigt werden, dass er zu
Beginn seines Amtsantritts unter einem erheblichen Zeitdruck steht. Er
übernimmt ein fremdes Unternehmen in einer ihm möglicherweise un-
bekannten Branche. Zudem trifft er zumeist auf unübersichtliche Ver-
hältnisse und ein vernachlässigtes Rechnungswesen.
78
Somit wird der
vorläufige Verwalter bei der Begründung einer Masseverbindlichkeit
häufig noch nicht deren Erfüllbarkeit beurteilen können.
79
Erschwerend
kommt hinzu, dass der ,,starke" vorläufige Insolvenzverwalter zunächst
einmal gehalten ist, nach § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO das Unternehmen
des Schuldners bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenz-
verfahrens fortzuführen, sofern das Insolvenzgericht nicht einer Stille-
gung zustimmt.
80
Hier liegen nicht unerhebliche Haftungsgefahren.
81
Jedoch darf nicht verkannt werden, dass viele Vertragspartner des
Schuldners ohne eine Absicherung ihrer Forderungen gegen die Masse
durch die persönliche Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters nach
§ 61 InsO nicht bereit wären, überhaupt Geschäfte abzuschließen oder
fortzuführen. Daher ist trotz einiger Bedenken die Möglichkeit der Haf-
tungsinanspruchnahme bei der Verwaltung des Vermögens zu bejahen.
Die Haftung sichert somit dem Grunde nach die Unternehmensfortfüh-
rung im Eröffnungsverfahren.
82
Grundsätzlich kann auch den ,,schwachen" vorläufigen Insolvenzverwal-
ter (§ 22 Abs. 2 S. 1 InsO) die persönliche Haftung aus § 61 InsO tref-
fen. Jedoch ist dies wohl eher die Ausnahme, da die Gerichte den
,,schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalter in der Regel nicht mit einer
77
Vgl. Lüke in KP, InsO: § 60 Rn. 64, § 61 Rn. 13.
78
Vgl.
Vallender ZIP 1997, 345; Ehlers ZInsO 1998, 356.
79
Vgl.
Lüke in KP, InsO: § 61 Rn. 14.
80
Vgl. zur Haftung nach § 61 InsO bei nicht eingeholter Zustimmung zur Stillegung
des Unternehmens die sehr ausführliche Darstellung bei Lüke in KP, InsO: § 61
Rn. 15.
81
Vgl.
Uhlenbruck KTS 1994, 169, 180.
82
Vgl.
Meyer, Haftung des vorläufigen Verwalters (2003): S. 134, 135.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832477349
ISBN (Paperback)
9783838677347
DOI
10.3239/9783832477349
Dateigröße
948 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Siegen – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2004 (Februar)
Note
2,0
Schlagworte
masseunzulänglichkeit exkulpation insolvenz haftungsbegrenzung insolvenzordnung
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