Lade Inhalt...

Familie und Lebensformen in moderner und postmoderner Gesellschaft

©1998 Seminararbeit 151 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Wahl, Familie im Hinblick auf die spezifischen Wandlungsprozesse, denen sie im Zuge der Modernisierung unterliegt, sowie die Frage nach ihrer Eingliederung in den Prozeß des gesellschaftlichen Übergangs zur Postmoderne zu untersuchen, zum Gegenstand meiner Arbeit zu machen, ist in erster Linie bedingt durch mein Interesse an familiensoziologischen Fragestellungen allgemein.
Als ich mit Herrn Dr. phil. Stein das Themengebiet auf die Analyse der Familie sowie der Pluralität familialer Lebensformen in der modernen und in der postmodernen Gesellschaft eingrenzte, dachte ich, es stellt sicherlich die interessante Anforderung, Familie einmal in einem ganz speziellen Zusammenhang zu untersuchen.
Ich muß gestehen, als ich anfing, mich in das Themengebiet einzulesen, erfaßte mich augenblicklich eine Begeisterung, die sich auf meine gesamte Beschäftigung mit der Analyse der Familie an sich aber auch in Zusammenhang mit ihrem Einfluß auf die Gesellschaft, sowie der These, sie befände sich in einer anhaltenden Krise, die oftmals, meiner Ansicht nach fälschlicherweise, als ein Strukturverfall der Familie angesehen wird, niederschlug.
In nahezu allen Publikationen über Familie seit den sechziger Jahren taucht diese These über den Strukturverfall der Familie und damit zusammenhängend die Frage auf, ob sich die Familie seit Beginn des gesellschaftlichen Wandels hin zur Moderne in einer stetigen Krise befindet.
Ich habe mich bei der eingehenden Beschäftigung mit diesem Thema davon überzeugen können, daß gerade durch die veränderten Bedingungen, die die Umstrukturierung der Gesellschaft hin zur Moderne mit sich gebracht hat, die Familie tatsächlich einem enormen Wandlungsprozeß unterliegt. Dieser resultiert wohl in erster Linie aus der heutigen Pluralisierung der Lebensformen und damit einhergehend den erschwerten Definitionsbedingungen einer spezifischen, übergeordnet geltenden Familienform (vgl. S. 14 f). Neben der zweifelsfrei definierten Kernfamilie reicht das Spektrum heutiger familialer Lebensformen von „nichtehelichen Lebensgemeinschaften“ über „Commuter-Ehen“ und „living-apart-together“-Beziehungen bis hin zu „kinderlosen Ehen“ und „Fortsetzungsfamilien“.
Sicherlich haben die bedeutsamen, modernisierungsspezifisch bedingten Veränder-ungen innerhalb der Familie diese wiederum in eine nicht zu unterschätzende Krise gestürzt, die sich in einer gewissen Desorganisation ihrer Binnenstruktur äußert.
Es ist eine unbestreitbare […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7643
Bertram, Mireille: Familie und Lebensformen in moderner und postmoderner
Gesellschaft
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Universität Koblenz-Landau, Abt. Koblenz, Universität, Seminararbeit, 1998
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

2
Inhaltsverzeichnis
Einleitung ... S. 1
Teil I
1.
Die Beschäftigungsfelder der Familiensoziologie ...S. 6
1.1
Spezifische Aufgabenstellungen an die Familiensoziologie ...S. 9
1.2
Funktionsverlust und Auflösungserscheinungen der Familie ...S. 11
2.
Die Moderne im Problemfeld der Familiensoziologie ...S. 14
2.1
Pluralität und Pluralisierung der Lebenswelten als kennzeich-
nendes Merkmal der modernen Gesellschaft ...S. 16
2.2
Die Folgen der Moderne ...S. 19
2.2.1 Das Risiko der modernen Abstraktheit ...S. 22
2.2.2 Das Risiko von Individualisierung, Pluralisierung und Anomie ...S. 24
2.2.3 Das Risiko des veränderten Zeithorizonts ...S. 25
3.
Die Postmoderne in Abgrenzung zur modernen Gesellschaft ...S. 27
3.1
Das Merkmal der konsequenten Semiotik ...S. 28
3.2
Das Merkmal der Pluralisierung im Kontext der Postmoderne ...S. 30
3.3
Das Merkmal von Individualisierung und Identität ...S. 32
Teil II
4.
Die Familie in der modernen Gesellschaft ...S. 35
4.1
Die Neustrukturierung der Funktionen der modernen Familie ...S. 39
4.2
Die Bedeutung verwandtschaftlicher Beziehungen für die moder-
ne Familie in bezug auf die ,,funktionale Ausdifferenzierung"...S. 44
4.3
Die Pluralisierung familialer Lebensformen als spezifisches
Merkmal der modernen Familie ...S. 46
4.4
Familie und Ehe im Prozeß der Deinstitutionalisierung ...S. 52

3
5.
Die Bedeutung der Ehe in der modernen Gesellschaft ...S. 57
5.1
Ehescheidungen ...S. 61
5.2
Das Phänomen der ,,sukzessiven Ehe" als Lebensform der
modernen Gesellschaft ...S. 65
5. 3
Das Phänomen der ,,kinderlosen Ehe" als Lebensform der
modernen Gesellschaft ...S. 68
6.
Die Bedeutung der Partnerschaft in der Moderne ...S. 74
6.1
Die ,,nichteheliche Lebensgemeinschaft" als alternative
Lebensform zur institutionellen Ehe ...S. 76
6.2
Das Konzept des ,,living-apart-together"...S. 81
6.3
,,Commuter-Beziehungen" ­ eine moderne familiale
Lebensform? ...S. 83
7.
Die Bedeutung der sozialen Beziehungen in der modernen
Familie ...S. 86
7.1
Die soziale Struktur der Eltern-Kind-Beziehung ...S. 89
7.2
Die strukturelle Ausprägung der Mutter-Kind-Beziehung in
Abhängigkeit von mütterlicher Erwerbstätigkeit bzw.
Nichterwerbstätigkeit ...S. 92
7.3
Die soziale Beziehung unter Geschwistern und deren Einfluß-
nahme auf die strukturelle Ausprägung der Eltern-Kind-
Beziehung ...S. 98
8.
Die Grundsteinlegung der Erziehung in der modernen Familie:
,,Das Jahrhundert des Kindes" ­ Kritik am Erziehungssystem
des ausgehenden 19. Jahrhunderts durch Ellen Key ...S. 101
8.1
Der Prozeß der familialen Sozialisation in Anlehnung an ein
verändertes Erziehungsverhalten in der modernen Familie ...S. 105
8.2
Familienspezifische Voraussetzungen für den Prozeß der
Sozialisation ...S. 107
8.3
Familienspezifisch erschwerende Bedingungen für den Prozeß
der Sozialisation ...S. 110

4
Teil III
9.
Die Familie im Diskurs der Postmoderne ...S. 115
9.1
Die Pluralität familialer Lebensformen als demographische
Vielfalt und als Vielfalt der Bezeichnungen ­ Erklärungsmodell
zum Übergang zur Postmoderne ...S. 119
9.2
Das Konzept der Aleatorik im Diskurs der postmodernen
Familie ...S. 122
9.2.1 Deutungsversuch der Entstehung von Partnerschaften mittels des
Konzeptes der Aleatorik ...S. 124
9.2.2 Die Ursachen für Ehescheidungen im Deutungsmuster der
Postmoderne ...S. 127
9.2.3 Veränderte Eltern-Kind-Beziehung im Übergang zur
Postmoderne ...S. 131
Zusammenfassende Betrachtung ...S. 135
Quellenverzeichnis ...S. 139

5
Einleitung
Die Wahl, Familie im Hinblick auf die spezifischen Wandlungsprozesse, denen sie
im Zuge der Modernisierung unterliegt, sowie die Frage nach ihrer Eingliederung in
den Prozeß des gesellschaftlichen Übergangs zur Postmoderne zu untersuchen, zum
Gegenstand meiner Arbeit zu machen, ist in erster Linie bedingt durch mein Interesse
an familiensoziologischen Fragestellungen allgemein.
Als ich mit Herrn Dr. phil. Stein das Themengebiet auf die Analyse der Familie
sowie der Pluralität familialer Lebensformen in der modernen und in der
postmodernen Gesellschaft eingrenzte, dachte ich, es stellt sicherlich die interessante
Anforderung, Familie einmal in einem ganz speziellen Zusammenhang zu
untersuchen.
Ich muß gestehen, als ich anfing, mich in das Themengebiet einzulesen, erfaßte mich
augenblicklich eine Begeisterung, die sich auf meine gesamte Beschäftigung mit der
Analyse der Familie an sich aber auch in Zusammenhang mit ihrem Einfluß auf die
Gesellschaft, sowie der These, sie befände sich in einer anhaltenden Krise, die
oftmals, meiner Ansicht nach fälschlicherweise, als ein Strukturverfall der Familie
angesehen wird, niederschlug.
In nahezu allen Publikationen über Familie seit den sechziger Jahren taucht diese
These über den Strukturverfall der Familie und damit zusammenhängend die Frage
auf, ob sich die Familie seit Beginn des gesellschaftlichen Wandels hin zur Moderne
in einer stetigen Krise befindet.
Ich habe mich bei der eingehenden Beschäftigung mit diesem Thema davon
überzeugen können, daß gerade durch die veränderten Bedingungen, die die Um-
strukturierung der Gesellschaft hin zur Moderne mit sich gebracht hat, die Familie
tatsächlich einem enormen Wandlungsprozeß unterliegt. Dieser resultiert wohl in
erster Linie aus der heutigen Pluralisierung der Lebensformen und damit einher-
gehend den erschwerten Definitionsbedingungen einer spezifischen, übergeordnet
geltenden Familienform (vgl. S. 14 f). Neben der zweifelsfrei definierten Kernfamilie
reicht das Spektrum heutiger familialer Lebensformen von ,,nichtehelichen
Lebensgemeinschaften" über ,,Commuter-Ehen" und ,,living-apart-together"-
Beziehungen bis hin zu ,,kinderlosen Ehen" und ,,Fortsetzungsfamilien".

6
Sicherlich haben die bedeutsamen, modernisierungsspezifisch bedingten Veränder-
ungen innerhalb der Familie diese wiederum in eine nicht zu unterschätzende Krise
gestürzt, die sich in einer gewissen Desorganisation ihrer Binnenstruktur äußert.
Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß die Struktur der Familie seit den sechziger
Jahren einen enormen Stabilitätsverlust erlitten hat. Die bedingenden Faktoren sind
vielfältig, zu ihnen zählt unter anderem der Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit, die
Verbesserung des Ausbildungs- und Berufssystems und nicht zuletzt das
gesellschaftsspezifische, moderne Phänomen der sogenannten ,,peer-groups". Die
Gruppe der Gleichaltrigen spielt eine tragende Rolle im Entfremdungs- und
Herauslösungsprozeß der Jugendlichen aus dem engen Familienverband.
Ich vertrete aber die These, daß angesichts des Wandlungsprozesses dem die Familie
heute unterliegt, in dem Sinne nicht von einem Strukturverfall die Rede sein kann.
Meiner Ansicht nach erweist sich die Familie eher als eine der stabilsten und
zeitüberdauerndsten Institution der Gesellschaft. Wie sonst ist es möglich, daß sie
sich über Jahrhunderte hinweg in ihrer Beständigkeit bewährt hat?
Diese konstante Erscheinungsform der Familie wird um so bedeutender, wenn man
sich vor Augen hält, daß sie sich auch innerhalb einer Phase, in der die Gesellschaft
großen strukturellen Umwälzungen in allen Teilbereichen unterliegt, dennoch als
eine weitgehend beständige Institution etabliert hat. Zwar kann sie sich den
Einflüssen der gesellschaftlichen Umstrukturierungen nicht entziehen, wie man z.B.
an der Pluralisierung ihrer äußeren Lebensformen erkennen kann, aber in diesem
Zusammenhang von einem totalen Strukturverfall zu sprechen, erscheint mir nicht
gerechtfertigt.
Im ersten Teil dieser Arbeit beschäftige ich mich vordergründig mit den
Problembereichen der Familiensoziologie in der modernen Gesellschaft. Dies scheint
mir unerläßlich im Hinblick auf das Beschäftigungsfeld mit Familie als Teilsystem
der Gesellschaft zu sein, da gerade die Familiensoziologie sie primär als ,,Keimzelle
der Gesellschaft" ansieht. An ihr richtet sich alles weitere Leben aus und sie ist es
primär, die das Individuum durch den spezifischen Prozeß der frühkindlichen
Sozialisation in seinem gesamten späteren Wertempfinden und seinen
Verhaltensorientierungen prägt. Sie gewährt uns das, was wir in keinem anderen

7
Teilbereich der Gesellschaft finden können: Intimität, Wärme, Geborgenheit und die
Chance zur individuellen Ausprägung der eigenen Persönlichkeit.
Natürlich sind in diesem Zusammenhang auch die spezifischen Auswirkungen auf
die Familiensoziologie, die die Umstrukturierung der Gesellschaft hinsichtlich der
Moderne nach sich zieht, von großer Bedeutsamkeit. Ihre Möglichkeiten zur Analyse
der Familie erscheinen mir im Hinblick auf die Pluralität der familialen Lebens-
welten und den damit einhergehenden erschwerten Definitionsbedingungen
zunehmend geschwächt. Daraus ergibt sich wiederum eine weitere Schwierigkeit für
die Familiensoziologie: das primäre Ziel der Einordnung familialer Lebensstrukturen
in den gesamtgesellschaftlichen Kontext und die Auswirkungen ihrer Struktur-
beschaffenheit, zum einen auf die Gesellschaft und zum anderen auch auf die Familie
selber, zu analysieren. (vgl. S. 14 f)
Weiterhin beschäftige ich mich in diesem Zusammenhang mit dem Phänomen der
Moderne und den sie bedingenden gesellschaftlichen Wandlungsprozessen. Ihr
spezifisches Merkmal ist in der Pluralisierung der Lebenswelten zu sehen, die
ihrerseits, auch im Zuge des Individualisierungsprozesses, wiederum mit einer Ver-
vielfältigung der individuellen Handlungsperspektiven einhergeht.
Allerdings ergeben sich aus dieser Zunahme der Wahlmöglichkeiten auch
unbestreitbare Folgen für die Gesellschaft und für das Individuum, die sich zum
großen Teil in einer Destabilisierung bisher verbindlicher Normen und Werte äußert
und somit ebenso Raum für eine Pluralisierung der Wertsysteme schafft.
Die negativen Auswirkungen der Moderne zeigen sich in diesem Sinne in einer
Desorientierung des einzelnen innerhalb der Gesellschaft, hinsichtlich der
augenscheinlich außer Kraft gesetzten, vorgegebenen Normorientierungen und
Handlungsperspektiven. Die Möglichkeit, sich individuell zu entscheiden, wandelt
sich unter dem Aspekt der Befreiung des Individuums im Zuge des Moderni-
sierungsprozesses in einen Zwang, sich entscheiden zu müssen. Daraus resultieren
oftmals Verhaltensunsicherheiten und Ängste in bezug auf den Lebensverlauf
hinsichtlich der Zukunftsperspektive. (vgl. S. 19 f)
Schließlich beschäftige ich mich in diesem Teil mit der heute zunehmend
diskutierten Frage, ob sich die moderne Gesellschaft bereits in einem
Übergangsstadium hin zu einer postmodernen Gesellschaft befindet.

8
Aufgrund der Vielfalt familialer Lebensformen, auch im Hinblick auf die
Pluralisierung ihrer Bezeichnungen, und dem Fortschreiten des Individualisierungs-
prozesses wird heute vielfach die These vertreten, daß dem so ist.
Allerdings drängt sich wiederum die Frage auf, ob man im Verlaufe einer modernen
Gesellschaft davon sprechen kann, man befinde sich in einem Entwicklungsstadium
hin zu einer Gesellschaft, die moderner als modern sei. Was ist in diesem Sinne
moderner als die Organisationsstruktur, die unsere Gesellschaft heute kennzeichnet?
Kann man in diesem Sinne überhaupt schon sicher von einer Entwicklung sprechen,
die eigentlich noch in der Zukunft liegt?
Im zweiten Teil dieser Arbeit beschäftige ich mich ausschließlich mit den
Auswirkungen des Modernisierungsprozesses auf die Binnenstruktur der Familie.
In diesem Zusammenhang erscheint es mir wichtig, die komplexen Teilsysteme, die
die Familie bedingen, hinsichtlich der veränderten Bedingungen im Zuge der
Modernisierung zu untersuchen. Dazu zählt zum einen die Institution der Ehe und die
Partnerschaft, sowie die neu entstandenen vielfältigen Lebensformen in diesen
Bereichen; weiterhin die Neustrukturierung der sozialen Beziehungen innerhalb der
Familie, die veränderte Einstellung zu Kindern, die Bedeutung von Erziehung und
Sozialisation als bedeutsame Aufgaben der Familie und auch der Wandel im
Hinblick auf die Geburtenentwicklung seit Beginn der sechziger Jahre.
Vertritt man die These, die Familie befände sich in einem Stadium zunehmenden
Strukturverfalls, dann müssen ihre, soeben beschriebenen, spezifischen Teilsysteme
im Hinblick auf die Wandlungsprozesse, die sich in ihnen im Zuge der
Modernisierung vollzogen haben, zunächst unabhängig voneinander analysiert
werden. Nur auf diese Weise kann man einen übergreifenden Zusammenhang
zwischen den spezifischen Entwicklungen einerseits, und ihren Auswirkungen auf
die Familienstruktur in ihrer Ganzheit herstellen.
Die Auswirkungen dieser veränderten Bedingungen innerhalb der einzelnen, die
Familie bedingenden, Teilsysteme führen heute soweit, daß zunehmend die These
vertreten wird, die Familie befände sich in dem krisenhaften Prozeß einer
Deinstitutionalisierung, in dessen Verlauf sie ihre überragende Monopolstellung in
der Gesellschaft einbüße. Dies gilt gleichermaßen für die Institution der Ehe als
primäres Leitbild einer funktionierenden Paarbeziehung.

9
Auch die These von einer möglichen Deinstitutionalisierung werde ich im Hinblick
auf die, sie bedingenden, modernisierungsspezifischen Faktoren und ihre Auswirk-
ungen auf die Stellung von Familie und Ehe in der modernen Gesellschaft analy-
sieren.
Abschließend werde ich untersuchen, inwiefern die moderne Familie in bezug auf
den Diskurs der Umstrukturierungen der Gegenwartsgesellschaft hin zur Post-
moderne gleichermaßen mit dem Präfix ,,post" versehen werden kann.
Da aber allein die Existenz einer postmodernen Lebensform vielfach in Frage gestellt
wird und in diesem Zusammenhang, daraus resultierend, nur unzureichende Defini-
tionen hinsichtlich der Postmoderne auftreten, gestaltet sich die Aufgabe der Einglie-
derung der modernen Familie in den gesamtgesellschaftlichen Wandlungsprozeß
schwierig.
Was sind diesbezüglich die Charaktersitika, die uns von einer möglichen
,,postmodernen" Familie sprechen lassen und unter welchem Gesichtspunkt muß in
diesem Zusammenhang die bestehende Familienstruktur betrachtet werden?
All dies sind Fragen, die meiner Ansicht nach in der familiensoziologischen Literatur
noch weitaus intensiver behandelt werden müssen.

10
Teil I
1.
Die Beschäftigungsfelder der Familiensoziologie
Seit Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre befindet sich die
Familiensoziologie besonders durch die Arbeiten R. Königs, H. Schelskys und G.
Wurzbachers in einem Stadium enormen Aufschwungs. Seit Mitte der sechziger
Jahre ist auch eine Vielfalt an Publikationen zu Fragestellungen der Familiensozio-
logie erschienen. Zu nennen sind hier insbesondere die Arbeiten von Claessens
(1962), Neidhardt (1966, 1970) und Wurzbacher (1963, 1968).
1
,,Die Blüte familiensoziologischer Forschung im ersten Nachkriegsjahrzehnt hängt
offensichtlich unmittelbar zusammen mit der Erschütterung der gesellschaftlichen
Strukturen durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse. Die familialen und
verwandtschaftlichen Beziehungen hatten sich als die einzig noch halbwegs intakt
gebliebenen, verläßlichen Stützen für den einzelnen erwiesen, so daß die Frage nach
dem Bestand und der Zukunft der deutschen Familie von großer gesellschafts-
politischer Relevanz war."
2
Die familiensoziologischen Bemühungen dieser Zeit waren gekennzeichnet von dem
Bestreben, die Gesellschaft durch die Stärkung der Familie und somit auch der
interpersonellen Beziehungen, aufzubauen und politisch zu stabilisieren.
Daneben stand innerhalb der Beschäftigung mit der Familie selbst die zentrale Frage
nach ihrer Stabilität bzw. den Möglichkeiten ihrer Stabilisierung im Mittelpunkt.
3
Die zentrale Ausgangslage in diesem Zusammenhang bildet der Umstand, daß in der
Familie durch die Sozialisation der Kinder die Vermittlung von normierten
Verhaltensmustern, Wertorientierungen und Einstellungshaltungen erfolgt, welche
die Grundlage für die Aufrechterhaltung und Stabilisierung des ,,sozialen Systems
Gesellschaft" darstellen.
4
1
Vgl.: Rosenbaum, Heidi: Familie als Gegenstruktur zur Gesellschaft. Stuttgart, 1978. S. 1
2
aus: a.a.O., S. 1
3
Vgl.: a.a.O., S. 2
4
Vgl.: a.a.O., S. 3

11
In der gegenwärtigen Familiensoziologie steht ,,die Eigendynamik der inneren
Struktur" der Familie im Mittelpunkt. Das gesamte Familienleben steht in Abhängig-
keit von ökonomischen und sozialen Faktoren, die zwar einen großen Einfluß auf
seine Gestaltung nehmen, allerdings von der Familie selbst wiederum nicht beein-
flußbar sind. ,,Familienstruktur und Familienfunktionen hängen ganz entscheidend ab
von der jeweiligen Stellung des oder der ´Ernährer` in der Produktion, von Art und
Höhe des Einkommens, von den durch die Produktionsverhältnisse bestimmten
Bedingungen des Konsums, des Freizeitverhaltens etc."
5
Die Familiensoziologie beschäftigt sich vordergründig mit der Untersuchung der
familialen Verhältnisse auf der Grundlage von willkürlich ausgewählten Fallbei-
spielen und Stichproben. Familie wird hier als die ,,im Einzelfall beobachtbare
Gruppe" verstanden, deren Mitglieder in einem Zusammenhang stehen sollen, der
allgemein als ,,soziales System" bezeichnet wird.
6
In diesem Sinne typisiert, erklärt und beschreibt die Familiensoziologie in
multidimensionaler Sichtweise die Eigenschaftsveränderungen familialer Struktur-
zusammenhänge.
7
Sie beschäftigt sich in erster Linie mit den Destruktionsprozessen
innerhalb der Familienstruktur und empfindet ihre Entwicklung als eine ,,nach-
hinkende Anpassung".
8
Diese Destruktionsprozesse resultieren zum einen sicherlich in erster Linie aus den
veränderten Bedingungen, die sich im Hinblick auf die Einstellungen zu Familie
ergeben haben. Zum anderen folgern sie somit natürlich grundlegend aus den Wand-
lungen der, Familie vordergründig bedingenden Teilsysteme (Ehe, Partnerschaft,
Kinder etc.), die dem Zuge des Modernisierungsprozesses entspringen.
Neidhardt faßt den Komplex der Untersuchungen hinsichtlich der Familie, mit dem
sich die Familiensoziologie beschäftigt, im wesentlichen unter den folgenden drei
Fragestellungen zusammen:
1. Durch welche sozialen Positionen und Strukturen ist die Familie gekennzeichnet?
2. Welche Faktoren bedingen diese sozialen Positionen und Strukturen?
5
aus: a.a.O., S. 109
6
Vgl.: Kaufmann, Franz-Xaver: Familie und Modernität. In: Lüscher, K./Schultheis, F./Wehrspaun,
M.: Die ,,postmoderne" Familie. Konstanz 1988. S. 391
7
Vgl.: a.a.O., S. 391 f
8
Vgl.: Schelsky, H.: Wandlungen der deutschen Familie in der Gegenwart. Stuttgart, 1967. S. 15

12
3. Was bewirkt die Familie für ihre eigenen Mitglieder, für andere Gruppen und für
die Gesellschaft insgesamt?
9
Über diese allgemeine Sichtweise hinaus, lassen sich in den familiensoziologischen
Publikationen zwei verschiedene Forschungsperspektiven unterscheiden.
Schumacher bezeichnet sie als die ,,äußere" und die ,,innere" Betrachtungsweise der
Familie. Die ,,äußere" Perspektive beschäftigt sich vordergründig mit den Funktio-
nen der Familie für die Gesellschaft, während die ,,innere" demgegenüber ihre
Konzentration auf die zentrale Frage nach den Funktionen richtet, die die Familie in
erster Linie für das Individuum zu erbringen vermag.
10
Versucht man, die Leistung zu beurteilen, welche die Familie als soziales System
erbringen kann, so muß man bei der ,,äußeren" Betrachtungsweise der Familie alle
übergeordneten, gemeint sind ,,gesamtgesellschaftliche Funktionserfordernisse",
berücksichtigen. Bei der ,,inneren" Betrachtungsweise dagegen werden allein die
individuellen Bedürfnisse herangezogen, die die einzelnen Mitglieder in der Familie
befriedigen können. Dabei liegt der Vorteil der ,,äußeren" Betrachtungsweise darin,
daß die gesellschaftlichen Funktionen der Familie grundlegend klar definiert sind.
Viele aktuelle Probleme des Familiensystems allerdings sind durch diese
Forschungsperspektive nicht faßbar, sondern entspringen den ,,individuellen
Kalkülen, Problemen und Entscheidungen der betroffenen Menschen", so z.B. die
Ursachen von Geburtenrückgang und Zunahme der Scheidungshäufigkeit. Dazu zählt
sicherlich auch, inwieweit die Familie bestimmte individuelle Bedürfnisse erfüllen
kann; welche Bedürfnisse, die über ihren Rahmen hinausweisen, sie weiterhin zu
befriedigen vermag und schließlich, welche Einschränkungen die Entscheidung zur
Gründung einer Familie mit sich bringt.
11
,,Es ist der Zusammenhang zwischen Familie und individueller Bedürfnisstruktur,
der Beitrag, den die Familie zur Realisierung individueller Lebenspläne leisten kann,
welcher stichhaltige Erklärungen zu den oben angesprochenen gesellschaftlichen
9
Vgl.: Neidhardt, Friedhelm: Die Familie in Deutschland. Opladen, 1975. S. 8
10
Vgl.: Schumacher, Jürgen: Bedürfnislagen unter dem Einfluß von Partnerbeziehung und Familien-
zyklus. In: Hondrich, K.O./Vollmer, R.: Bedürfnisse im Wandel. Opladen, 1983. S. 153
11
Vgl.: a.a.O., S. 153

13
Problemfeldern, also auch zu einem besseren Verständnis sozialer Wandlungs-
prozesse, liefern kann."
12
1.1 Spezifische Aufgabenstellungen an die Familiensoziologie
Die moderne Familiensoziologie beruft sich bei der Bestimmung des
Entwicklungsstandes der modernen Familie auf die strukturelle Differenzierung einer
allgemeinen soziologischen Entwicklungslehre, die vor allem auf William F. Ogburn
zurückzuführen ist.
Er widersprach der allgemeinen Auffassung der alten soziologischen Schulen von
einer Entwicklung der Gesellschaft, die in sich harmonischen und gleichmäßig ver-
läuft und stellte fest, daß sich die verschiedenen ,,Teilsysteme" einer Gesellschaft in
enorm unterschiedlichen Zeitabläufen und Maßstäben wandeln.
13
,,Den Grundvorgang dieser Entwicklung bildet die Aufstockung und Veränderung
der materiellen Kulturbestandteile, der Fortschritt der Produktions- und Wirtschafts-
bedingungen. Um sich in diesen materiellen Gegebenheiten des Daseins
zurechtzufinden und mit ihnen umgehen zu können, bildet die Gesellschaft jeweils
ein System von Sitten, Glaubenssätzen, Rechtsordnungen und Staatsideen aus, das
sich den Veränderungen der materiellen Kultur instrumental anpaßt."
14
Dieser doppelte Prozeß verläuft aber meist nicht synchron. Im Bereich der ,,geistig-
kulturellen Verarbeitung der sozialen Vorgänge in einer Gesellschaft" kommt es
teilweise ,,zu außerordentlichen Verspätungserscheinungen".
15
Darüber hinaus besteht aber desweiteren noch ein sehr beträchtlicher Unterschied im
Entwicklungstempo der einzelnen materiellen und institutionellen Teilsysteme der
Gesellschaft.
Überträgt man nun diese Einsichten auf die Familie als soziales System, erkennt
man, daß sie in zweierlei Hinsicht unangepaßt und zurückgeblieben ist hinsichtlich
12
Vgl.: a.a.O., S. 154
13
Vgl.: Schelsky, Helmut: Wandlungen der deutschen Familie in der Gegenwart. Stuttgart, 1967. S. 9
14
aus: a.a.O., S. 10
15
Vgl.: a.a.O., S. 10

14
den sehr viel schneller ablaufenden basalen Prozessen der industriellen und
wirtschaftlichen Entwicklung und der politisch-sozialen Wandlungen. Diese
Unangepaßtheit besteht erstens hinsichtlich der Institution der Familie ,,in ihrer
tatsächlichen Gruppenverfaßtheit" und zweitens hinsichtlich ihres familiären
Selbstverständnisses, als normative Vorstellung, wie eine Familie eigentlich auszu-
sehen habe und welche Bedeutung die Rolle des einzelnen in ihr hat.
16
Daneben muß das, in der gegenwärtigen Entwicklungslage der Familie, gleichzeitige
Vorhandensein mehrerer sehr verschiedener familialer Lebensformen berücksichtigt
werden.
Das besondere Problem, das sich hieraus für die Familiensoziologie ergibt, besteht
darin, daß die Familie aufgrund dieser Vielfalt der Lebensformen, in der sie sich
ausdrückt, nicht mehr als einheitliche Konsistenz angesehen und erfaßt werden kann.
Im Gegenteil, sie steht auf den verschiedensten Entwicklungsstufen innerhalb des
Anpassungsprozesses an den industriellen Arbeitsbereich, was natürlich zu
Spannungen innerhalb der vielfältigen Lebensformen führt und somit die
,,einheitliche Einordnung der Familie in soziale, staatliche oder wirtschaftliche
Gesamtzusammenhänge (Familienrecht, Schulpolitik usw.)" in erheblichem Maße
beeinträchtigt.
17
Allerdings, so Schelsky, erscheint die Familie gerade durch ihre ,,schwere Wandel-
barkeit und ihr tiefbegründetes Beharrungsvermögen" von einer Stabilität gekenn-
zeichnet, die in einer sozialen Welt, deren komplexe und öffentliche Teilsysteme sich
zur Zeit in einer stetigen Krise und folglich ihrerseits auf der Suche nach neuen Fak-
toren der Stabilitätsgewinnung befinden, als außergewöhnlich eingestuft werden
kann.
Schelskys These kann ich mich in diesem Sinne nur anschließen. Kein anderes
Teilsystem der Gesellschaft hat sich über Jahrhunderte hinweg in diesem Ausmaß
etablieren können. Hinzu kommt, daß man von keinem dieser Teilsysteme mit
solcher Gewißheit, wie es sich in bezug auf Familie nun einmal verhält, sagen kann,
es zeichne sich, unabhängig von all den Wandlungsprozessen, denen die Gesellschaft
in Zukunft noch unterliegen wird, durch ein solches Ausmaß an Stabilität aus, daß es
16
Vgl.: a.a.O., S. 10 f
17
Vgl.: a.a.O., S. 11

15
die Fähigkeit besitzt, unabhängig von seiner Erscheinungsform, sich zu jeder Zeit
und in allen Gesellschaftstypen zu bewähren.
,,In einer verfallenden und sich auflösenden Gesellschaftsverfassung sind es vor
allem Bedürfnisse der Stabilität und der Ordnung, die zur Gestaltung drängen."
18
1.
2 Funktionsverlust und Auflösungserscheinungen der Familie
Als Resultat verschiedener Modernisierungsprozesse hat sich die Familie
entscheidend verändert. Der bedeutendste Effekt der Modernisierung ist die ,,insti-
tutionelle Differenzierung", womit die Verteilung von Funktionen, die vorher nur
von einer Institution getragen wurden und nunmehr auf verschiedene Institutionen
übertragen werden, gemeint ist.
19
Die moderne Familiensoziologie sucht nach der besonderen Problematik der heuti-
gen Familie und gelangt somit unweigerlich zu Grundbegriffen wie ,,Desintegration"
und ,,Desorganisation". Unter Desintegration versteht man den fortlaufenden Ablö-
sungsprozeß der familiären Funktionsbereiche aus den Aufgaben der Gesamt-
gesellschaft, wogegen man den Begriff der Desorganisation definiert als die
Vorgänge der negativen Beeinflussung der familialen Struktur und der Gruppen-
beziehungen innerhalb der Familie selber.
20
In der Desorganisation der Familie sind zwei Störungsquellen zu unterscheiden. Zum
einen erfolgt eine enorme Schwächung der Familie hinsichtlich ihrer Kontinuität,
ihrer traditionellen Verbindlichkeit und ihres strukturellen Zusammenhaltes durch
die zunehmenden Veränderungen der gesamtgesellschaftlichen Umwelt, durch die
dominante Stellung der Politik und der Wirtschaft in der Gesellschaft, durch die
erhöhten Mobilitätserfordernisse und nicht zuletzt auch durch die geringe Bedeut-
samkeit der Familienverhältnisse in der öffentlichen Meinung. Zum anderen treten
heute vielfach ernstzunehmende Anzeichen einer Binnendesorganisation der Familie
18
aus: a.a.O., S. 13
19
Vgl.: Berger, B./Berger, P.L.: In Verteidigung der bürgerlichen Familie. Frankfurt am Main, 1984.
S. 23
20
Vgl.: Schelsky, H.: Wandlungen der deutschen Familie in der Gegenwart. Stuttgart, 1967. S. 17

16
auf, die sich entweder in einem strukturellen Personalausfall innerhalb der Familie
(Verwitwung, Scheidung, Verwaisung) oder als unharmonische Beziehungen der
Familienmitglieder zueinander (erschütterte Ehen, Spannungen zwischen Eltern und
Kindern) äußern.
21
Sicherlich stellen sich diese Anzeichen einer Binnendesorganisation der Familie und
die sie bedingenden verheerenden Veränderungen, die sich in bezug auf ihre soziale
Struktur ergeben haben, als eine unbestreitbare Tatsache dar. Dennoch denke ich,
daß die sogenannte Desintegration, die aus der Ausdifferenzierung der Funktionsbe-
reiche innerhalb der Gesellschaft resultiert, in vielerlei Hinsicht zu ,,schwarz gemalt"
wird, vor allem im Hinblick auf die Auswirkungen, die sich daraus für die Familie
ergeben.
Ich vertrete die These, daß die Familie eine der stabilsten Konsistenzen aufweisen
kann, die je eine Institution im gesamten Entwicklungsverlauf der Gesellschaft
auszeichnete. Sie paßte sich über Jahrhunderte den spezifischen Wandlungs-
prozessen der Gesellschaft an, die oftmals deren gesamten Strukturbestand in
grundlegendem Maße in Auflösung begriff.
In diesem Sinne zeichnet sich die Familie durch ihre außerordentliche Fähigkeit aus,
ihre spezifische Struktur, ihre fest verankerte Stellung in der Gesellschaft und
besonders ihre Möglichkeiten, gerade in einer Gesellschaft, die gekennzeichnet ist
durch ein enormes Maß an Anonymität, dem einzelnen ein beruhigendes Gefühl der
Wärme, Intimität und Geborgenheit zu vermitteln, zu verteidigen
Viele Kritiker stellen der These vom Funktionsverlust der Familie allerdings heute
die Frage entgegen, ob die unbestreitbare Abgabe von Funktionen der Familie an
spezifisch besser organisierte Teilsysteme für die Gesellschaft und auch für die
Familie wirklich einen Verlust darstellt.
22
Denn bietet sich der Familie nicht die Möglichkeit, durch die stattgefundene
Spezialisierung und Konzentration auf einige wenige Funktionen, auf diese in
besonderem Maße einzugehen und sie in ihren Leistungen intensiv wahrzunehmen?
21
aus: a.a.O., S. 18
22
Vgl.: Hettlage, Robert: Familienreport. München, 1992. S. 53

17
Die moderne Familiensoziologie spricht diesbezüglich auch nicht mehr von einem
Funktionsverlust, sondern vom ,,Funktionswandel" und der ,,Funktionsdifferen-
zierung".
23
Bei der vieldiskutierten Frage um den Funktionsverlust der Familie darf in diesem
Zusammenhang auch nicht übersehen werden, daß es sich bei dieser Abgabe von
Funktionen nur um ,,Funktionsteile" handelt, und daß deshalb auch die Familie in
den betroffenen Funktionsbereichen keineswegs wirkungslos geworden ist, dies gilt
besonders für die Funktionsbereiche Erziehung und Freizeit.
24
Neidhardt führt an dieser Stelle den Begriff der ,,Funktionsverlagerung" an. Denn
durch das Abtreten bestimmter Funktionsteile an öffentliche Einrichtungen gelangt
die Kernfamilie erst zu der Erfüllung ihrer eigentlichen Funktionen, z.B. die gestei-
gerten Anforderungen durch die frühkindliche Erziehung. ,,Die entscheidende
Veränderung besteht nicht in Funktionsabgaben der Kernfamilie, sondern darin, daß
die zu allen Zeiten außerhalb der Kernfamilie liegenden Leistungs- und
Entscheidungsträger nicht mehr Sippen, Clans und fest integrierte Nachbarschaften
sind, sondern hochspezialisierte Industriebetriebe, Behörden und Schulen. Das
eigentlich Neue liegt darin, daß diese modernen Institutionen eine andere, nämlich
distanziertere Beziehung zur Kernfamilie haben als die Verwandtschafts- und Nach-
barschaftsgruppen."
25
Auch Brigitte Berger und Peter Berger vertreten die unbestreitbare These von dem
Funktionsverlust der Familie. Dieser Verlust betrifft vor allem ökonomische und
pädagogische Funktionen. Doch hat gerade dieser Verlust die Familie freigemacht
für die Übernahme neuer Funktionen, die sich ,,besonders auf den einzelnen in der
Familie, seine Rechte und seine Möglichkeiten der Selbstverwirklichung"
konzentrieren.
26
In diesem Sinne vermag es die Familie, wie kein anderes Teilsystem der Gesell-
schaft, für den einzelnen einen Raum zu schaffen, in dem er sich individuell entfalten
kann und in dem er die Möglichkeit hat, seine Persönlichkeit auszugestalten, ohne
sich dabei der Übernahme spezifischer Rollenstrukturen bedienen zu müssen.
23
Vgl.: a.a.O., S. 54
24
Vgl.: Neidhardt, Friedhelm: Die Familie in Deutschland. Opladen, 1975. S. 68
25
aus: a.a.O., S. 69
26
Vgl.: Berger, B./Berger, P.L.: In Verteidigung der bürgerlichen Familie. Frankfurt am Main, 1984.
S. 23

18
2.
Die Moderne im Problemfeld der Familiensoziologie
Die moderne Gesellschaft unterscheidet sich von nicht-modernen Gesellschaften in
vielerlei Hinsicht. Der Prozeß der Modernisierung umfaßt nahezu alle Teilbereiche
der Gesellschaft, so z.B. die soziale Schichtung, die Bedeutung der Religion und der
Arbeit, die Wirkung der Massenmedien, den Stellenwert der Jugend und die
Bedeutung der Funktionen der Familie.
27
Die Struktur der modernen Gesellschaft erscheint als eine in höchstem Maß
differenzierte Gesellschaftsstruktur. ,,Die Vielzahl sozialer Positionen, Rollen,
Gruppen und Werte zusammen mit der Aufsplitterung in relativ selbständige Teile ­
etwa Familie, Arbeitswelt, Freizeit und Religion ­ sowie dazu noch teils
kooperierende und konkurrierende funktionsspezifische Organisationen ergeben
zusammengefaßt eine gesellschaftliche Vielfalt, die üblicherweise als Pluralismus
bezeichnet wird."
28
Nach Hettlage besteht das wesentliche Merkmal der Moderne darin, daß ,,die reli-
giösen Institutionen ihren Einfluß auf die Gesellschaft weitgehend verloren haben
und an eine Vielzahl von anderen Agenturen der Wirklichkeitsdefinition abgetreten
haben (Wissenschaft, Medien, Mode)".
29
In diesem Sinne hat sich eine Vielzahl
verschiedener Teilbereiche der Gesellschaft, z.B. Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst
oder Politik, herausgebildet und verselbständigt.
30
Für die Familiensoziologie ergibt sich hieraus das beträchtliche Problem, hinsichtlich
der Analyse struktureller Bedingungen familienspezifischer Funktionen, die ge-
wonnenen Einsichten in den Gesamtzusammenhang der Gesellschaft einzuordnen
und somit auch ausreichende Erkenntnisse in bezug auf die Auswirkungen der Funk-
tionsdifferenzierung, zum einen auf die Familie und zum anderen auf die Gesell-
schaft, zu gewinnen.
Hinzu kommt noch, daß durch den, auch im Bereich familialer Lebensformen neu
entstandenen Pluralismus (vgl. hierzu Kap. 2.1) und vor allem durch dessen hohe
gesellschaftliche Akzeptanz, die etwas einseitige Definition von Familie als solche,
27
Vgl.: Bellebaum, A.: Soziologie der modernen Gesellschaft. Hamburg, 1977. S. 12
28
aus: a.a.O., S. 92
29
Vgl.: Hettlage, Robert: Familienreport. München, 1992. S. 71
30
Vgl.: a.a.O., S. 75

19
in der zwei gegengeschlechtliche Partner mit ihren Kindern einen gemeinsamen
Haushalt bilden, eigentlich heute nicht mehr zutreffen kann. In diesem
Zusammenhang stellt sich die Frage, was Familie eigentlich ist, welche modernen
Lebensformen in ihre strukturelle Organisation eingegliedert werden können, und
welche sich dagegen nicht mit der Erfüllung familialer Konzepte vereinbaren lassen.
Diese erschwerten Definitionsbedingungen stellen die Familiensoziologie in der
modernen Gesellschaft zunehmend vor das Problem, dasjenige strukturell
organisierte Teilsystem der Gesellschaft, das sie zum zentralen Gegenstand ihrer
Analysen ausgewählt hat, in dem Sinne nur unter enorm diffizilen Bedingungen
innerhalb des gesamtgesellschaftlichen Kontextes untersuchen zu können. Denn wie
kann man etwas zum Gegenstand seiner Analyse machen, das sich in seiner aktuellen
Struktur allen bisherigen Erklärungs- und Eingliederungsversuchen in das gesell-
schaftliche System in diesem Maße widersetzt und von dem man heute nicht einmal
mehr sagen kann, was genau es eigentlich darstellt?
Ein weiteres Merkmal der modernen Gesellschaft, das, nach Kaufmann, bisher nur
wenig systematisch bedacht wurde, ist ihre ,,innere Dynamik", die wiederum von den
Mitgliedern der Gesellschaft als fortlaufender Wandel erfahren wird. Diese innere
Dynamik ,,resultiert aus der Inkongruenz der ´Eigenlogiken` der funktional
ausdifferenzierten Gesellschaftsbereiche". Seiner Ansicht nach kommt somit im
Begriff der Modernität die Vorstellung zum Tragen, daß die Dynamik der modernen
Gesellschaft nicht ,,zu einem neuen, stabilen Endzustand tendiert", sondern sie eher
gekennzeichnet ist durch fortwährende Prozesse der Änderung, der Anpassung und
des Lernens.
31
Auch dieses Merkmal erscheint im Hinblick auf die spezifischen Aufgaben, denen
sich die Familiensoziologie gegenübersteht, als ein bedeutsames Problemfeld.
Ihr primäres Ziel müßte, wie vorher aufgezeigt, eigentlich in der Bestimmung einer
neuen Begriffsdefinition liegen, in dem Sinne, was Familie eigentlich heute umfaßt.
Dies erscheint aber im Hinblick auf das von Kaufmann genannte Merkmal der
modernen Gesellschaft als eine nahezu unlösbare Aufgabe.
31
Vgl.: Kaufmann, F.-X.: Familie und Modernität. In: Lüscher, K./Schultheis, F./Wehrspaun, M.: Die
,,postmoderne" Familie. Konstanz, 1988. S. 407

20
In einer Gesellschaft, die einem fortgesetzten Wandlungsprozeß unterzogen ist, liegt
es nahe, daß sich auch die in ihr existierenden ausdifferenzierten Teilsysteme
wandeln.
Ich denke, daß die heutige Vielfalt familialer Lebensformen in diesem Sinne
ebenfalls nicht zu einem, wie Kaufmann sagt, ,,stabilen Endzustand" tendiert,
sondern sich innerhalb des nachfolgenden epochalen Zeitabschnittes noch
zunehmend verändern wird.
Das bedeutet, daß klar umrissene Definitionen von Familie eigentlich gar nicht
existieren können, weil sie innerhalb weniger Jahrzehnte ebenso wieder außer Kraft
gesetzt würden, wie es augenblicklich der Fall zu sein scheint.
2.1
Pluralität und Pluralisierung der Lebenswelten als grundle-
legendes Kennzeichen der modernen Gesellschaft
Eines der spezifischen Merkmale der Modernität ist die Pluralität der Lebenswelten,
die den Menschen in der modernen Gesellschaft umgeben. Die verschiedenen
Bereiche des Alltagslebens bringen die Menschen in der modernen Gesellschaft in
die Lage, das Aufeinandertreffen von sehr verschiedenen und oft gegensätzlichen
Bedeutungs- und Erfahrungswelten zu erleben.
32
Demnach ist der Mensch in der modernen Gesellschaft in der Regel einer enormen
Polarisierung zwischen seiner privaten Welt und der Welt großer öffentlicher
Institutionen, denen er in einer Vielzahl von Rollen gegenübertritt, ausgeliefert.
33
Berger und Luckmann zählen in diesem Zusammenhang die Frage nach der
,,geistigen Orientierung" zu den wichtigsten Herausforderungen der Moderne.
,,Individualismus und Pluralismus sind die Bedingungen, unter denen Menschen
selbst Maßstäbe für ihr eigenes Leben bilden müssen. Dieser Maßstäbe bedürfen sie,
32
Vgl.: Berger, B./Berger, P.L./Keller, H.: Das Unbehagen in der Modernität. Frankfurt/New York,
1975, S. 60
33
Vgl.: a.a.O., S. 60

21
um sich orientieren zu können in einer Situation, die geprägt ist von
Wahlmöglichkeiten und dem Zwang, Entscheidungen zu treffen."
34
Demnach richten sich die Menschen der modernen Gesellschaft nicht mehr danach,
was in ,,traditionellem" Sinne gut und für die Gesamtgesellschaft von Nutzen ist,
sondern sie haben die Möglichkeit, sich individuell zu entscheiden. Berger und Luck-
mann kritisieren, daß aus dieser pluralistischen Vielfalt menschlicher
Entscheidungen Gemeinschaften entstehen, die ,,zwar jeweils die Loyalität ihrer
Mitglieder genießen, aber nicht immer Rücksicht auf die Gesamtgesellschaft
nehmen."
35
Hinzu kommt, daß die moderne Gesellschaft geprägt ist von einem sehr
unterschiedlichen Wertsystem. Demnach wird es sehr schwer fallen, ,,in der heutigen
Gesellschaft Eltern und Kinder zu finden, deren Verhältnis für beide Teile gleich
verbindlich ist und wie selbstverständlich von einem festgefügten Wertesystem
bestimmt wird."
36
Auch im Bewußtsein der Schwierigkeiten, die sich aus dem Umstand der enorm
voneinander differierenden Wertsysteme zwischen den Generationen ergeben,
vertrete ich dennoch die Ansicht, daß innerhalb einer Gesellschaft, die ein solch
hohes Maß an Toleranz gegenüber den unterschiedlichsten Lebensformen, Wert-
orientierungen und Handlungsperspektiven zeigt, die Möglichkeiten der Individuali-
sierung zunehmend positiv zu bewerten sind. Ist es nicht die Ausprägung einer
eigenen Sichtweise im Hinblick auf die Zukunftsperspektive und das Eintreten für
eine selbstgewählte Wert- und Verhaltensorientierung, die uns zu dem macht, was
wir heute sind ­ Individuen?
Man darf aber nicht übersehen, daß diese Form des Pluralismus eines hohen Maßes
an Toleranz hinsichtlich des Zusammenlebens in der modernen Gesellschaft bedarf,
da nur sie es ermöglicht, daß ,,Individuen und Gemeinschaften neben- und
miteinander leben, die ihr Dasein an unterschiedlichen Werten ausrichten".
37
Die Vielfalt der unterschiedlichen Wertsysteme hat natürlich auch eine weitgehende
Differenzierung von Handlungen, die in anderen Gesellschaftstypen noch zusam-
34
aus: Berger, P.L./Luckmann, Th.: Modernität, Pluralismus und Sinnkrise. Gütersloh, 1995. S. 5
35
Vgl.: a.a.O., S. 6
36
Vgl.: a.a.O., S. 19
37
Vgl.: a.a.O., S. 32

22
menhingen und sinnverwandt waren, in jeweils spezifische Institutionsbereiche zur
Folge. In jedem von ihnen wird eine Unabhängigkeit bzw. Selbstbestimmung
vorhandener Normen und übergreifenden Werten angestrebt und zum großen Teil
auch erreicht. Die so entstandenen Handlungsschemata sind bestimmend und der
einzelne hat sich ihnen unterzuordnen, anstatt umgekehrt die Handlungsvorgaben
seinem eigenen ,,Wertempfinden" anzupassen.
38
Dies kann, entgegengesetzt der negativen Auslegung, die Berger und Luckmann an
dieser Stelle vertreten, aber auch wiederum als ein besonderer Gewinn an indivduel-
ler Freiheit gedeutet werden.
Ich denke in diesem Zusammenhang nicht, daß die unterschiedlichen, einen vonei-
nander unabhängigen Status repräsentierenden, Wertsysteme und Handlungsperspek-
tiven, die sich in den spezifischen Institutionsbereichen herausbilden, den einzelnen
dem Zwang einer Unterordnung aussetzen. Angesichts der vielfältigen Wahlmöglich-
keiten gestaltet es sich doch eher so, daß man gerade deshalb individuell solche
Handlungsvorgaben auswählen kann, die dem eigenen Wertempfinden entsprechen.
Auch Hettlage hat sich zum einen mit den enormen Vorteilen beschäftigt, die die
moderne Gesellschaft im Interesse des einzelnen Individuums zu erbringen vermag.
In diesem Sinne kennzeichnet er die beiden Strukturmerkmale Pluralisierung der
Wertsysteme und der Handlungsschemata, die in modernen Gesellschaften zum
Tragen kommen, als die bedingenden Faktoren, die eine Reihe von Vorteilen
hervorbringen, die diese Gesellschaften ihren Mitgliedern bieten. Dazu zählt in erster
Linie der sich herausbildende, die moderne Gesellschaft enorm charakterisierende,
hohe wirtschaftliche Wohlstand. Weiterhin bietet die heutige Gesellschaft uns ein
hohes Maß an ökonomischen, materiellen und in besonderer Weise auch psychischen
Sicherheiten, die aus einem Status als ,,Rechts- und Wohlfahrtsstaat" und seiner
Verfassung einer parlamentarischen Demokratie resultieren.
39
Diese Vorteile sind es meiner Ansicht nach auch, die zu einer gewissen Etablierung
der Möglichkeiten individueller Selbstentfaltung beitragen und in diesem Sinne dem
einzelnen innerhalb der Gesellschaft den Raum schaffen, seinen Lebensverlauf nach
den eigenen Wünschen zu planen und auszugestalten.
38
Vgl.: a.a.O., S. 66
39
Vgl.: a.a.O., S. 68

23
In keinem anderen Gesellschaftstypus besteht in solchem Ausmaß die Möglichkeit,
all seine Träume zu verwirklichen und zudem noch mit Gewißheit sagen zu können,
daß man die sich individuell gesteckten Ziele mit Hilfe gesellschaftlicher Unter-
stützung auch erreichen kann.
2.
2 Die Folgen der Moderne
Berger und Luckmann sehen im Prozeß der Modernisierung eine Vielzahl an
Risiken. Demnach führt der moderne Pluralismus zu einer ,,weitgehenden
Relativierung der Wert- und Deutungssysteme", woraus sich wiederum eine
Desorientierung des einzelnen in der Gesellschaft ergibt. Er untergräbt das
,,selbstverständliche Wissen" des einzelnen, wie die Welt beschaffen ist und wie er
sich darin verhalten muß.
40
,,Welt, Gesellschaft, Leben und Identität werden immer
stärker problematisiert. Sie können vielfältigen Deutungen unterworfen werden, und
jede Interpretation ist mit eigenen Handlungsperspektiven verknüpft. Keine Deutung,
keine Perspektive kann mehr als allein gültige und fraglos richtige übernommen
werden."
41
Sicherlich ist die neu entstandene Pluralisierung der Wertsysteme unbestreitbar eng
verknüpft mit einer Desorientierung des einzelnen in bezug auf die richtige Auswahl
individueller Handlungsperspektiven. Ich tendiere aber dennoch dazu, zu behaupten,
daß durch diese Form der Individualisierung gleichermaßen eine Befreiung des
Individuums von den Zwängen der Gesellschaft Einzug gehalten hat, die nicht zu
unterschätzen ist. Meiner Ansicht nach ist es mehr als wünschenswert, daß der
einzelne innerhalb der Gesellschaft seinen strukturellen Lebensverlauf eigenständig
planen und gestalten kann und auf eine Vielzahl vorhandener Wertsysteme
zurückgreifen kann, als gegenteilig dem notwendigen Zwang eines Wertsystems zu
unterliegen. In diesem Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, daß es
keinen vollständigen Verlust von Wertsystemen und Normenorientierungen in der
40
Vgl.: Berger, P.L./Luckmann, Th.: Modernität, Pluralismus und Sinnkrise. Gütersloh, 1995. S. 43
41
aus: a.a.O., S. 44 f

24
modernen Gesellschaft gegeben hat, sondern daß einfach ein Wandel von einem, für
alle verbindlichen, Wertsystem zu einer Vielzahl möglicher Wertsysteme
stattgefunden hat. Dies bildet meiner Meinung nach die Grundlage einer
individualisierten Gesellschaft.
Zudem kommt hinzu, daß die Institutionen dem einzelnen helfen, sich in dieser
pluralistischen Gesellschaft zu orientieren, indem sie Verhaltensmuster für die
soziale Interaktion mit anderen und für die Planung des Lebens bieten. Durch die
Einübung dieser Verhaltensweisen lernt der Mensch, ganz bestimmten
Rollenerwartungen gerecht zu werden.
42
In diesem Sinne erscheint es mir übertrieben, von einer völligen Desorientierung des
einzelnen in bezug auf die Auswahl an Handlungsperspektiven und Wertorientier-
ungen zu sprechen.
Aus der Pluralisierung der Wertsysteme ergibt sich nach Tyrell offenkundig auch
eine Pluralisierung der individuellen Wahlmöglichkeiten, die er wiederum eher
negativ bewertet.
,,Eindeutige normative Regieanweisungen für das Handeln, wie sie ehedem galten,
sind entfallen. Dies läßt sich als Freiheitsgewinn reklamieren und auch so erleben.
Andererseits entfallen institutionsgestützte Verhaltenssicherheiten und nehmen damit
auch im privaten Bereich Entscheidungslasten und Qualen der Wahl in kaum je
gekanntem Maße zu."
43
In der Struktur moderner Gesellschaften wandeln sich in diesem Sinne die ehemals
verbindlichen kulturellen und gesellschaftlichen Normen in bezug auf den Zeitpunkt
des Auszugs aus dem Elternhaus, die Partnerwahl und die Organisation des
gemeinsamen Zusammenlebens immer mehr in Richtung einer individuellen
Entscheidung.
44
Bei dieser scheinbar positiven Entwicklung darf man allerdings nicht übersehen, daß
das Treffen subjektiver Entscheidungen in der heutigen Zeit keine Möglichkeit mehr
darstellt, der man sich bei Bedarf bedienen kann, sondern daß es dementgegen für
den einzelnen in der Gesellschaft vielmehr zu einer Notwendigkeit geworden ist.
42
Vgl.: a.a.O., S. 45
43
aus: Tyrell, Hartmann: Ehe und Familie ­ Institutionalisierung und Deinstitutionalisierung. In: Lü-
scher, K./Schultheis, F./Wehrspaun, M.: Die ,,postmoderne" Familie. Konstanz, 1988. S. 155 f
44
aus:Burkart, G./Kohli, M.: Liebe, Ehe, Elternschaft. München; Zürich, 1992. S. 20

25
,,Der Pluralismus erlaubt nicht nur, daß man auswählt (Beruf, Frau bzw. Mann,
Religion, Partei), vielmehr zwingt er dazu."
45
Daraus resultieren für viele Mitglieder der modernen Gesellschaft zunehmend
Gefühle wie Überforderung und Unsicherheit in bezug auf die Auswahl der
vielfältigen Verhaltensmuster.
46
Liegle beschreibt die Folgen und Risiken des Modernisierungsprozesses für die
einzelnen Mitglieder der Gesellschaft folgendermaßen: ,,Für die befreienden
Wirkungen der Modernisierung ­ die Befreiung der Individualität, die Verbreitung
von Liebesheirat und partnerschaftlicher Ehe, die Befreiung der Kinder von
Lohnarbeit und zur Teilnahme an Bildung, die Achtung vor der Eigenart und dem
Eigenrecht der Kinder, die Pluralisierung von Orientierungsmustern des Handelns ­
müssen die Subjekte soziale und psychische Folgekosten tragen", dazu zählen z.B.
die strikte Trennung des privaten und des öffentlichen Bereiches, der Verlust an
austauschenden Erfahrungsmöglichkeiten in bezug auf die privatisierte Lebenswelt
und der Verlust an sozialen Bindungen ,,über die emotionalen Familienbeziehungen
hinaus".
47
In diesem Sinne scheinen die, sich im Zuge der Modernisierung herausgebildeten
Vorteile, heute in ihr Gegenteil zu verkehren bzw. aus ihrer Existenz heraus wieder-
um eine Reihe von Nachteilen auf die gesamte Lebensstruktur hervorzubringen.
In diesem Sinne beschreibt auch Hettlage neben dem genannten Vorteil des
Wohlstandes, den die moderne Gesellschaft den Menschen, die in ihr leben bringt
(vgl. S. 18), gewisse Modernitätsrisiken, die er in drei Risikobereiche aufteilt, die
sich auch auf die Ausgestaltung und die Struktur des modernen Familienlebens
auswirken.
48
Zum einen geht es um das ,,Risiko der modernen Abstraktheit", welches das Leben
des einzelnen in der modernen Gesellschaft in erheblichem Ausmaß von
strukturellen Normen abstrahiert.
45
aus: Berger, P.L./Luckmann, Th.: Modernität, Pluralismus und Sinnkrise. Gütersloh, 1995. S. 50
46
Vgl.: Burkart, G./Kohli, M.: Liebe, Ehe, Elternschaft. München; Zürich, 1992. S. 21
47
Vgl.: Liegle, L.: Freie Assoziationen von Familien ­ Geschichte und Zukunft einer ,,postmoder-
nen" familialen Lebensform. In: Lüscher, K./Schultheis, F./Wehrspaun, M.: Die ,,postmoderne" Fa-
milie. Konstanz, 1988. S. 99
48
Vgl.: Hettlage, Robert: Familienreport. München, 1992. S. 80

26
Das zweite Risiko sieht Hettlage in dem zunehmenden Prozeß der Individualisierung
und der Pluralisierung von Lebensformen, der in immer größerem Ausmaß zu einer
Destabilisierung bisher verbindlicher Normen führt.
Zudem besteht noch das ,,Risiko des veränderten Zeithorizonts". Die moderne
Gesellschaft zeichnet sich durch das charakteristische Merkmal aus, daß die in ihr
lebenden Individuen zum Aufbruch drängen und ihre persönlich gesteckten Ziele in
möglichst kurzer Zeit erfüllen wollen. Dieses Leben auf der ,,Überholspur" führt aber
unumgänglich auch zu einer Form sich etablierenden Egoismus` in bezug auf die
Ausrichtung eigener Lebensperspektiven.
2.2.1 Das Risiko der modernen Abstraktheit
Nach Hettlage befinden wir uns im Zuge der Modernisierung in einem
Ablösungsprozeß von bisher existierenden stabilen und selbstverständlichen
,,Struktur- und Kulturvorgaben", die in diesem Sinne eine typologisierte
Gemeinschaft ausmachen. Dagegen hält nun eine Lebensform Einzug, die jegliche
kulturellen und strukturellen ,,Fixierungen" aufgibt. Dies charakterisiert nach
Hettlage in Gegenüberstellung zur Gemeinschaft die Gesellschaft.
49
Demnach abstrahiert die moderne Gesellschaft mit ihren abgegrenzten Teilsystemen
das Leben des einzelnen.
Das bedeutendste Kriterium stellt für Hettlage der Umstand dar, daß die Menschen,
die in ihr leben, nun nicht mehr in ihrer Existenz als individuelle Persönlichkeiten
wahrgenommen werden, sondern nur noch in Form von sozialen ,,Kategorien" erfaßt
werden, in diesem Sinne z.B. als Sozialhilfeempfänger, Angestellter, Arbeitsloser
usw.
50
Ich schließe mich dem an, wenn ich die Ansicht vertrete, daß in der
modernen Gesellschaft die Menschen nicht mehr nach den Grundzügen ihrer indivi-
49
Vgl.: a.a.O., S. 80 f
50
Vgl.: a.a.O., S. 81

27
duellen Charaktere beurteilt werden, sondern nur noch danach, welche gesellschaft-
lich festgelegte Gruppe sie reflektieren.
Diese Abstraktion des Lebensverlaufs hat auch die traditionellen Lebensformen der
Familie, die sich durch das Gefühl der Solidarität und der Sicherheit auszeichneten,
zunehmend geschwächt. ,,An ihre Stelle ist ein kalkulierender Lebensstil getreten,
der der Logik des Produktionsprozesses folgt."
51
In diesem Sinne stellt Hettlage den charakteristischen Vorteilen der modernen
Gesellschaft, ein individueller Gewinn an Offenheit und sozialer Mobilität sowie
eine weitgehende Befreiung von der Verbindlichkeit spezifischer gesellschaftlicher
Institutionen, die durchaus negativen Folgen der Moderne entgegen, die aus einem
hohen Grad an individueller Isolation und Vereinsamung, sozialer Entwurzelung,
Einbußen hinsichtlich gemeinsamer sozialer Erfahrung und tiefer Lebensunsicherheit
bzw. Zukunftsangst resultieren.
52
Ich vertrete diesbezüglich den Standpunkt, daß die von Hettlage genannten Vor- und
Nachteile, die das Leben in der modernen Gesellschaft charakterisieren, allerdings
nicht schon ausreichend in einer einfachen Gegenüberstellung gewertet werden
können, sondern daß sie auch von ihrem jeweiligen Ertrag her, den sie für den
einzelnen zu erbringen vermögen, gegeneinander aufgewertet werden müssen.
Meiner Ansicht nach besteht nämlich ein grundlegender Unterschied zwischen den
Kriterien der beschriebenen Vor- und Nachteilen.
Bei genauerer Betrachtung kann man feststellen, daß die Vorteile, die die moderne
Gesellschaft den Menschen bringt, in diesem Sinne eine objektive Struktur
aufweisen, das bedeutet, sie resultieren aus gesellschaftsinternen
Strukturveränderungen, auf die das Individuum keine Einflußnahme vorweisen kann.
Die Nachteile dagegen erscheinen mir eher bedingt durch einen subjektiven
Strukturwandel, das bedeutet, sie betreffen in erster Linie die individuelle
Lebensgestaltung des einzelnen und bedingen somit ein relatives Maß an Ein-
flußnahme durch das Individuum selber.
51
aus: a.a.O., S. 81 f
52
Vgl.: a.a.O., S. 82

28
Aus dieser Perspektive weisen die Nachteile eine wesentlich geringere Bedeutsam-
keit für den Lebensverlauf des einzelnen in der modernen Gesellschaft auf, als die
Vorteile, die sich aus ihrer Struktur ergeben.
2.2.2 Das Risiko von Individualisierung, Pluralisierung und Anomie
Das moderne Zeitalter ist in hohem Maße gekennzeichnet durch die Individuali-
sierung. Die allgemein verbindlichen Wertorientierungen verzeichnen einen
zunehmenden Verlust an Stabilität und Bedeutsamkeit.
Diese Destabilisierung von Normen wird in der Soziologie als ,,anomische" Tendenz
beschrieben (Durkheim). Da der einzelne in seinem Leben aber nicht auf Normen
verzichten kann, ist er somit gezwungen, sie selbst zu erzeugen. Das führt dazu, daß
die Gesellschaftsstruktur, ebenso wie die Struktur ihrer Teilsysteme und die Bewußt-
seinslagen des einzelnen notwendigerweise instabil werden.
53
Dieser These schließe ich mich wiederum vollständig an. Die, sich aus der Destabili-
sierung von verbindlich geltenden Normen ergebende, individuelle ,,Neuformierung"
von Wertorientierungen und Verhaltensmustern führt sicherlich notwendigerweise
auch zu einer Pluralisierung des Wertsystems innerhalb der Gesellschaft. Dies wirkt
sich offenkundig zum Teil negativ auf die individuelle Lebensstruktur aus, denn aus
dem Vorhandensein einer Vielzahl an möglichen Handlungsperspektiven ergibt sich
sicherlich gleichermaßen ein hohes Maß an Unsicherheit in bezug darauf, ob das nun
gewählte Verhaltensmuster auch das richtige ist. (vgl. S. 20)
Auch Ehe und Familie sind von solchen Entwicklungen notwendigerweise betroffen.
,,Wenn man in Betracht zieht, daß Ehe und Familie von spezialisierten
´gesellschaftlichen` Organisationsformen Konkurrenz erhalten, also von dieser Seite
her die Zwänge zur Eheschließung nachgelassen haben, andererseits die Indivi-
53
Vgl.: a.a.O., S. 83

29
dualisierung hier Platz greift, dann fragt man sich tatsächlich, was denn die Stabilität
dieser Institutionen noch garantieren soll."
54
In diesem Zusammenhang drängt sich allerdings die Frage auf, ob es nicht in sich
widersprüchlich und inakzeptabel ist, die Stabilität einer Institution, die eigentlich
auf der Basis der Liebe aufgebaut sein sollte, im gleichen Atemzug mit dem
Nachlassen der ,,gesellschaftlichen Zwänge zur Eheschließung" zu nennen.
Ist es denn nicht das Phänomen der Individualisierung, das die Form der Ehe
hervorgebracht hat, wie wir sie heute vordergründig kennen? Mit ihrer primären
Motivwahl der Liebe und ihrer zentralen, ihren Bestand bedingenden, Aufgabe der
Befriedigung individueller Bedürfnisse innerhalb ihres Strukturverlaufes erscheint
sie mir als eine der bedeutsamsten Institutionen in unserer Gesellschaft.
In diesem Zusammenhang muß man beachten, daß sie es einzig auf dieser Grundlage
vermag, zumindest teilweise, den Individuen im Zeitalter des Wertewandels und der
damit einhergehenden Unsicherheit in bezug auf die Wahl bestimmter Verhaltens-
muster, ein gewisses Maß an Rückhalt und Geborgenheit zu geben.
2.2.3 Das Risiko des veränderten Zeithorizonts
Die Moderne ist charakterisiert durch ein neues Verhältnis der Menschen zur Zeit.
Das Leben des Individuums steht in diesem Sinne nach Hettlage im ,,Zeichen des
Vorwärtskommens", der Erfüllung individueller Bedürfnisse auch hinsichtlich
beruflicher Aufstiegschancen und einer Form des Aktivismus, wie sie vorher nicht
gekannt wurde. Das führt zu einer enormen ,,Tempobeschleunigung der
Lebensverhältnisse".
55
,,Es versteht sich von selbst, daß die Schnelligkeit möglicher
Veränderungen, die ständige Vorbereitung auf das Neue zu einem Sicherheits-
schwund führen. Da die Gegenwart sowieso nur ein Punkt ist, der in jedem Fall von
54
aus: a.a.O., S. 84
55
Vgl.: a.a.O., S. 84

30
der Zukunft überholt wird und dann schon Vergangenheit ist, lohnt es sich kaum,
sich mit ihr zu identifizieren."
56
Diese These von der ,,Tempobeschleunigung der Lebensverhältnisse" erscheint mir
persönlich unwiderlegbar zu sein. Sie bestätigt sich schon zu dem Zeitpunkt, wenn
man einmal auf seinen eigenen Lebensverlauf zurückblickt. In der heutigen
Gesellschaft drängt nahezu alles dazu, nicht an einem gewissen Punkt seines Lebens
einzuhalten, sondern die Erfüllung der immer höher gesteckten persönlichen Ziele
beharrlich zu verfolgen.
In diesem Sinne stimme ich auch der Aussage Hettlages zu, heute sei kaum mehr die
Bereitschaft zu erkennen, sich in irgendeiner Weise im Hinblick auf die Existenz
innerhalb des Hier und Jetzt intensiv zu engagieren. Anstelle dessen richtet sich der
Blick des einzelnen vielmehr auf die Zukunft und somit gleichzeitig auf die Chance,
in möglichst kurzer Zeit all seine persönlichen Träume zu erfüllen.
Allerdings kann diesbezüglich, meiner Ansicht nach, nicht die These verallgemeinert
werden, all dies führe unumgänglich zu einem ,,Sicherheitsschwund". Für einzelne
Individuen mag es sicherlich zutreffen, daß sie hinsichtlich der scheinbaren ,,Non-
Existenz" der Gegenwart in bezug auf die Planung des eigenen Lebensverlaufs
zuweilen in ein Stadium etwaiger Resignation verfallen. Ich denke jedoch, von der
Mehrheit der Bevölkerung wird die heute gegebene Möglichkeit begrüßt, in seinem
Leben all das verwirklichen zu können, was einem persönlichen Wunsch entspricht.
Die Folgen dieser Lebensplanung, die charakteristisch für die moderne Gesellschaft
ist, erscheinen nach Hettlage schwerwiegend. So stellt es sich für den einzelnen
nicht gerade plausibel dar, in irgendeiner Weise Verzicht zu leisten, zugeschriebene
Rollenmuster zu akzeptieren und sich auf Bindungen einzulassen, die das
,,Individualitäts- und Emanzipationsstreben", den beruflichen Aufstieg, die Mobilität
und die Offenheit behindern könnten.
57
Allgemein kann man sagen, daß sich im
Zuge der Modernisierung und gleichermaßen im Fortschreiten des Individualisier-
ungsprozesses, in unserer Gesellschaft ein Grad an individuellem ,,Ehrgeizbestreben"
entwickelt hat, wie wir es nie zuvor innerhalb einer Gesellschaft verzeichnet haben.
56
aus: a.a.O., S. 85
57
Vgl.: a.a.O., S. 86

31
3.
Die Postmoderne in Abgrenzung zur modernen Gesellschaft
Richtet man den Blick auf den, in nahezu allen neueren familiensoziologischen
Publikationen auftauchenden, Diskurs, die moderne Gesellschaft befinde sich derzeit
in einem Übergangsstadium hin zu einer Postmoderne, so drängt sich die Frage auf,
was denn eigentlich mit dem Begriff ,,postmodern" gemeint ist und weiterhin,
welche charakteristischen Merkmale diesen Wandlungsprozeß kennzeichnen.
Ich möchte mich hinsichtlich der Begriffsbestimmung und der Merkmalsdefinition
einer ,,postmodernen Gesellschaft" im wesentlichen auf Lüscher (1995) konzen-
trieren, da meiner Ansicht nach die Begriffsdarlegung hier am anschaulichsten
analysiert wurde.
In bezug auf die Beschreibung des Phänomens der ,,postmodernen" Gesellschaft
kritisiert Lüscher, daß der Begriff ,,postmodern" nicht gerade glücklich gewählt ist.
Er ist der Meinung, diese Wortschöpfung provoziere, denn es werde beanstandet, der
Begriff ,,modern" meine zeitgenössisch und es sei somit ,,mehr als nur problematisch
davon zu reden, als ob die Gegenwart ´ex post` beurteilt werden könne".
58
Angesichts der inhaltlichen Bedeutung des Begriffes ,,modern" muß auch ich sagen,
stiftet die Bezeichnung ,,postmodern" zunehmend einen gewissen Grad an Verwir-
rung. Wenn man davon ausgeht, daß mit ,,modern" die Gegenwart, also das Hier und
Jetzt unserer gesellschaftlichen Existenz charakterisiert wird, drängt sich mir die
Frage auf, wie man ein Gesellschaftsstadium mit dem Begriff ,,postmodern"
bezeichnen kann, wenn diese Entwicklung doch wohl, der Wortschöpfung nach,
offenkundig noch in der Zukunft liegt.
Hinsichtlich der charakteristischen Entwicklung der Postmoderne hebt Lüscher vier
Merkmale hervor.
Das erste Merkmal betrifft die Methodologie, denn in vielen Analysen über die
,,Postmoderne" wird eine ,,konsequente Semiotik" praktiziert; das bedeutet, daß die
Tragweite der Begriffsbildung angesichts der Vielzahl neuer Bezeichnungen im Mit-
telpunkt steht.
59
58
Vgl.: Lüscher, K.: Familie und Postmoderne. In: Nauck, B./Onnen-Isemann, C.: Familie im Brenn-
punkt von Wissenschaft und Forschung. Neuwied; Kriftel; Berlin, 1995. S. 3
59
Vgl.: a.a.O., S. 4

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1998
ISBN (eBook)
9783832476434
ISBN (Paperback)
9783838676432
Dateigröße
894 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Koblenz-Landau – unbekannt
Note
1,0
Schlagworte
popularisierung ausdifferenzierung sozialisation
Zurück

Titel: Familie und Lebensformen in moderner und postmoderner Gesellschaft
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
151 Seiten
Cookie-Einstellungen