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Schattenwirtschaft in Deutschland

Eine Analyse unter Berücksichtigung der neuesten wirtschaftspolitischen Maßnahmen

©2003 Diplomarbeit 89 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
„Wenn es gelingt die Schwarzarbeit einzudämmen, ist viel erreicht, und das wird unterm Strich eher mehr als weniger Staatseinnahmen bringen.“ Diese Aussage von Bundeskanzler Schröder macht deutlich, dass die Bekämpfung der Schwarzarbeit von der Bundesregierung als wichtig angesehen wird, um unter anderen die Sozialversicherungen zu sanieren und die Staatsschulden zu senken. Der Vergleich der Wachstumsraten von offizieller und inoffizieller Wirtschaft ist ein weiteres Indiz für die Dringlichkeit des Problems. Während die offizielle Wirtschaft seit Jahren nur Wachstumsraten von 1 bis 2 Prozent aufweist, wuchs die Schattenwirtschaft 2003 um 5,6 Prozent. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich daher mit dem Phänomen der Schattenwirtschaft bzw. Schwarzarbeit.
Gang der Untersuchung:
Im ersten Kapitel wird im Rahmen einer kurzen Einleitung ein Überblick über die Thematik gewährt. Im zweiten Kapitel erfolgt eine präzise wissenschaftliche Definition des Begriffs Schattenwirtschaft, wobei die Schattenwirtschaft im engeren Sinne und die Schattenwirtschaft im weiteren Sinne gegeneinander abgegrenzt werden.
Das dritte Kapitel besteht aus drei Statistiken: die Entwicklung der Schattenwirtschaft in Deutschland, der Umfang der Schattenwirtschaft im internationalen Vergleich und die Aufteilung der Schattenwirtschaft auf die einzelnen Bereiche (Bauwirtschaft, haushaltsnaher Bereich, etc.). Anschließend werden drei theoretische Ansätze der Schattenwirtschaft kurz dargestellt: Das Grundmodell der Steuerhinterziehung, die Guttmann-Kurve und die Exit-Voice Theorie.
Da derjenige, der schwarz arbeitet, logischerweise alles tut, um sein Tun zu verheimlichen, werden im fünften Kapitel einige Messmethoden erläutert, anhand derer es dennoch möglich ist den Umfang der Schattenwirtschaft relativ präzise abzuschätzen.
Aufbauend auf einer Studie des bekannten Ökonomen Friedrich Schneider werden im sechsten Kapitel die wichtigsten Ursachen der Schattenwirtschaft dargestellt.
Im siebten Kapitel werden die positiven und negativen Aspekte des Phänomens gegenübergestellt, wodurch sich der Leser sein eigenes Urteil zur Schattenwirtschaft bilden kann.
Der Schwerpunkt der Arbeit liegt im achten Kapitel, in dem der Bezug zu den aktuellen Gesetzesänderungen hergestellt wird, wobei diese im Hinblick auf ihre Wirksamkeit bei der Bekämpfung der Schattenwirtschaft kritisch durchleuchtet werden. Zunächst wird erläutert, inwieweit Kontrollen bzw. […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7628
Sarman, Marcel: Schattenwirtschaft in Deutschland - Eine Analyse unter
Berücksichtigung der neuesten wirtschaftspolitischen Maßnahmen
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Universität Bielefeld, Universität, Diplomarbeit, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung
1
2
Definition der Schattenwirtschaft
3
3
Empirischer Befund
6
4
Theorien der Schattenwirtschaft
9
4.1
Grundmodell der Steuerhinterziehung . . . . . . . . . . . . . . .
9
4.2
Die Laffer- bzw. Gutmann-Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
4.3
Die Exit-Voice-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
5
Messmethoden der Schattenwirtschaft
16
5.1
Direkte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
5.1.1
Befragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
5.1.2
Erhebungen zur Steuerhinterziehung . . . . . . . . . . . .
17
5.1.3
Beurteilung der direkten Verfahren . . . . . . . . . . . . .
17
5.2
Indirekte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
5.2.1
Die Ausgaben ¨uberschreiten die Einnahmen . . . . . . . .
18
5.2.2
Der Unterschied zwischen den Erwerbsquoten
. . . . . .
19
5.2.3
Bargeldnachfrageansatz
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
5.2.4
Elektrizit¨atsverbrauchsansatz . . . . . . . . . . . . . . . .
22
6
Ursachen der Schattenwirtschaft
23
6.1
Hohe Steuerbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
6.2
Hohe Sozialbeitr¨age (Lohnnebenkosten) . . . . . . . . . . . . . .
28
6.3
Staatliche Regulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
6.3.1
Beispiel Bauwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
6.4
Schlechte Steuermoral
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
6.5
Fehlanreize im Transfersystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
7
Wirkungen der Schattenwirtschaft
41
7.1
Positive Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
7.2
Negative Wirkungen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
8
Maßnahmen gegen die Schattenwirtschaft
48
8.1
Erh¨ohung der Kontrollen bzw. Strafversch¨arfung
. . . . . . . . .
48
8.2
Steuerreform
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
8.2.1
Wirkungen einer Steuerreform . . . . . . . . . . . . . . .
55
8.3
Senkung der Lohnnebenkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
8.4
Ich-AG und Mini-Jobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
I

8.4.1
Ich-AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
8.4.2
Mini-Jobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
8.5
Zinsabgeltungssteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
8.6
Maßnahmen im Wohnungsbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
8.7
Einschr¨ankung der Meisterbriefpflicht . . . . . . . . . . . . . . .
69
9
Fazit
72
Literatur
74
Abbildungsverzeichnis
1
Die Volkswirtschaft als Dual Economy . . . . . . . . . . . . . . .
3
2
Entwicklung der Schattenwirtschaft in Deutschland . . . . . . . .
6
3
Schattenwirtschaft im internationalen Vergleich . . . . . . . . . .
7
4
Die Struktur der Schwarzarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
5
Konsum bei Hinterziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
6
Die Laffer- bzw. Gutmann-Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
7
Die Exit-Voice-Theorie von Hirschmann . . . . . . . . . . . . . .
14
8
Die Grundidee der monet¨aren Ans¨atze . . . . . . . . . . . . . . .
20
9
Direkte bzw. indirekte Steuern vs. Schattenwirtschaft . . . . . . .
27
10
Lohnnebenkosten / Schattenwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . .
30
11
Steuerquote / Sozialabgabenquote . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
II

1
Einleitung
W¨ahrend in vielen Bereichen ¨uber fehlendes Wachstum geklagt wird und Kon-
junkturexperten f¨ur dieses Jahr nur ein Wirtschaftswachstum von einem Prozent
erwarten, wird bei der Schattenwirtschaft mit einem Zuwachs von 5,6 % f¨ur 2003
gerechnet [Financial Times Deutschland 29. 1. 2003].
Allein diese Zahl macht deutlich, dass eine Besch¨aftigung mit dem Thema der
Schattenwirtschaft bzw. Schwarzarbeit durchaus angebracht ist.
Auch die Tatsache, dass gleich einige Gesetze der Bundesregierung (Ich-AG,
Mini-Jobs, Zinsabgeltungssteuer, teilweise Abschaffung des Meisterbriefes)
darauf abzielen die Schattenwirtschaft zu verringern, macht die Dringlichkeit der
Problematik deutlich.
Nach Berechnungen von Friedrich Schneider von der Universit¨at Linz hat die
Schattenwirtschaft in Deutschland im Jahr 2002 16,6 % des BIP betragen und
es wurden 350,4 Milliarden EUR in diesem Bereich umgesetzt. Kaum beruhigen
mag dabei die Tatsache, dass es einige L¨ander in S¨udeuropa gibt (Italien, Spanien,
Portugal), bei denen der Anteil der Schattenwirtschaft noch deutlich h¨oher liegt,
zudem Deutschland eines der wenigen L¨ander mit einer Zunahme der Schatten-
wirtschaft in den letzten 5 Jahren ist [Schneider 2003, S. 9/16].
Aussagen wie die folgende von Bundeskanzler Schr¨oder machen deutlich,
dass man sich durch die Bek¨ampfung der Schattenwirtschaft beziehungsweise
Schwarzarbeit
1
finanzielle Gewinne f¨ur den Staat erhofft:
Wenn es gelingt die Schwarzarbeit einzud¨ammen, ist viel erreicht, und das
wird unterm Strich eher mehr als weniger Steuereinnahmen bringen [SPIEGEL
6. 1. 2003, S. 33].
Ob die Schattenwirtschaft aber per se negativ zu beurteilen ist, ist h¨ochst
umstritten. In der Debatte werden unterschiedliche Standpunkte eingenommen
[Schneider 2002a, S. 11]:
Einerseits wird die Schattenwirtschaft f¨ur eine Reihe von wirtschaftspoliti-
schen Problemen (Zunahme der Arbeitslosigkeit, steigende Staatsverschuldung,
wachsende Defizite der Sozialversicherungstr¨ager) mitverantwortlich gemacht.
Andererseits gibt es auch die Meinung, dass die Schattenwirtschaft einen Frei-
raum darstellt, in dem man sich unberechtigten und ¨uberm¨aßig hohen staatlichen
Zw¨angen entziehen kann. Ebenso wird das Abwandern in die Schattenwirtschaft
als eine Reaktion auf eine ¨ubertriebene Bevormundung der Individuen durch die
staatlichen Institutionen, insbesondere die B¨urokratie, empfunden. Andere Sozial-
und Wirtschaftswissenschaftler argumentieren, dass ein Teil des wirtschaftlichen
Wohlstandes der Schattenwirtschaft zu verdanken sei. Von den Bef¨urwortern der
Schattenwirtschaft wird h¨aufig betont, dass zwei Drittel des schwarz erwirtschaf-
1
Die Definitionsproblematik wird in Kapitel 2 besprochen
1

teten Geldes in den normalen Wirtschaftskreislauf zur¨uckfließen w¨urden [brand-
eins Wirtschaftsmagazin 2001, Ausgabe 1]. Die weiteren positiven bzw. negativen
Wirkungen der Schattenwirtschaft werden in Kapitel 7 erl¨autert.
Obwohl sowohl f¨ur den Arbeitnehmer als auch f¨ur den Arbeitgeber vielf¨alti-
ge Risiken existieren, erfreut sich die Schwarzarbeit, die als wichtigster Teil
der Schattenwirtschaft gilt, außerordentlicher Beliebtheit. Da der Schwarzarbeiter
keine Sozialversicherungsbeitr¨age zahlt, hat er auch keinen Anspruch auf die da-
mit verbundenen soziale Leistungen. Wird die Schwarzarbeit aufgedeckt, m¨ussen
zu Unrecht bezogene Sozialleistungen und nicht gezahlte Steuern zur¨uckgezahlt
werden. Außerdem wird ein Bußgeld verh¨angt.
Nicht nur f¨ur den Arbeitnehmer, sondern auch f¨ur den Auftraggeber ist die
Schwarzarbeit nicht ungef¨ahrlich. Logischerweise kann er keine Schadensersatz-
anspr¨uche stellen und muss zus¨atzlich zu einer Geldstrafe die nicht gezahlten
Steuern und Beitr¨age nachzahlen [Rivet 2001, S. 13].
Trotz aller Risiken f¨ur die Beteiligten und aller Nachteile f¨ur die Volks-
wirtschaft wird die Schwarzarbeit von einer Mehrheit der Deutschen laut einer
Emnid-Umfrage [SPIEGEL ONLINE 7. 3. 2003] als Kavaliersdelikt angesehen.
W¨ahrend nur 26 % der Befragten die Schwarzarbeit generell ablehnen, zeigten
63 % Verst¨andnis f¨ur Menschen, die sich nebenbei etwas dazu verdienen. Das of-
fensichtlich fehlende Unrechtsbewusstsein, wird dadurch verst¨arkt, dass Schwarz-
arbeit nicht als Straftat, sondern nur als Ordnungwidrigkeit gilt.
Im Rahmen dieser Arbeit wird versucht, die verschiedenen Aspekte des
Ph¨anomens Schattenwirtschaft n¨aher zu beleuchten. Nach dieser kurzen Einlei-
tung folgt eine Definition der Begrifflichkeit der Schattenwirtschaft. Im dritten
Kapitel werden die wichtigsten empirischen Daten zusammengestellt. Anschlie-
ßend werden drei Theorien der Schattenwirtschaft kurz dargestellt. Im f¨unften
Kapitel wird erl¨autert, wie der Umfang der Schattenwirtschaft quantitativ erfasst
werden kann. Danach werden die Ursachen der Schattenwirtschaft erl¨autert, ehe
dann die Wirkungen dieses Ph¨anomens beschrieben werden. Schließlich werden
im letzten Kapitel einige Maßnahmen zur Bek¨ampfung der Schwarzarbeit bzw.
Steuerhinterziehung erl¨autert.
Aktuelle Meldungen, die die Thematik der Diplomarbeit erg¨anzen beziehungs-
weise erweitern sind jeweils am Ende eines Kapitels hinzugef¨ugt.
2

2
Definition der Schattenwirtschaft
Angesichts des breiten Spektrums ¨okonomischer Aktivit¨aten, die der Schatten-
wirtschaft zuzurechnen sind, sind verschiedene Konzepte zur Abgrenzung und
Definition bzw. zur begrifflichen Erfassung der Schatten¨okonomie entwickelt wor-
den. Ein einheitlicher Begriffsapparat ist bislang noch nicht vorhanden; die Be-
deutungsvielfalt ist groß [Gretschmann 1984, S. 12].
Der Begriff der Schattenwirtschaft sollte weit genug gefasst sein, um nicht
von vornherein wichtige Problemaspekte definitorisch auszublenden. Es erscheint
daher zweckm¨aßig von einer zweigeteilten Volkswirtschaft (Dual Economy) mit
einem offiziellen und einem schattenwirtschaftlichen Bereich auszugehen. Als Ab-
grenzungskriterium dient das Konzept der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
(VGR) [Schneider 2000, S. 6]:
Volkswirtschaft
Dual Economy
Ofizieller Sektor
Formal Sector
First Economy
Schattenwirtschaft i.w.S.
Informal Economic Aktivity
Second Economy
¨
Offentliche Wirtschaft
¨
Offentliche Haushalte
und Unternehmen
Privatwirtschaft
Private Haushalte
und Unternehmen
Schattenwirtschaft
i.e.S
Hidden Economy
erwerbswirt. Bereich
Selbstversorgungs-
wirtschaft
Freizeitwirtschaft
bedarfswirt. Bereich
ausgewiesenes
Bruttosozialprodukt
nicht
erfassbar
verheimlichtes
Bruttosozialprodukt
nicht
auszuweisen
nicht
erfassbar
Abbildung 1: Die Volkswirtschaft als Dual Economy [Schneider 2000, S. 6]
Diese Sicht als zweigeteilte Volkswirtschaft (Dual Economy) mit einem offi-
ziellen (First Economy) und einem inoffiziellen Sektor (Second Economy) bietet
eine erste Orientierung zur Einteilung der Schattenwirtschaft. Die offizielle Wirt-
schaft (First economy) umfasst die Wirtschaft der staatlichen Haushalte und Un-
ternehmen (¨offentliche Wirtschaft) sowie die erwerbswirtschaftlichen Aktivit¨aten
3

privater Haushalte und Unternehmen [Cassel 1984, S. 2].
Die ¨offentliche Wirtschaft kann logischerweise vollst¨andig erfasst und aus-
gewiesen werden, da der Staat ¨uber seine eigenen Unternehmen einen genauen
¨
Uberblick hat. Die Wertsch¨opfung der Privatwirtschaft ist teilweise aufgrund sta-
tistischer Erhebungsfehler nicht erfassbar und geh¨ort eber wie aus der Abbildung
ersichtlich nicht zur Schattenwirtschaft [Cassel 1984, S. 2].
Unter Schattenwirtschaft i.w.S. k¨onnen alle privatwirtschaftlichen Aktivit¨aten
subsummiert werden, die nicht in die Berechnung des BSP eingehen, obwohl sie
zur gesamtwirtschaftlichen Wertsch¨opfung beitragen. F¨ur die Nichterfassung gibt
es drei Gr¨unde [Schneider 2000, S. 7]:
1. Es wird gem¨aß den internationalen Gepflogenheiten auf eine Erfassung im
Rahmen des BSP verzichtet (Selbstversorgungswirtschaft) oder
2. die Transaktionen lassen sich aufgrund unzureichender Erfassungsmetho-
den in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) nicht oder nur
teilweise erfassen oder
3. die Wertsch¨opfung wird verheimlicht, so dass sie deshalb nicht erfasst wer-
den kann (Schattenwirtschaft i.e.S., Hidden Economy).
Die Schattenwirtschaft im weiteren Sinne wurde von Pommerehne wie folgt defi-
niert:
Unter dem Begriff Schattenwirtschaft werden all jene Leistungen zusammen-
gefasst, die normalerweise zum Sozialprodukt gerechnet werden m¨ussten, die aber
aus welchen Gr¨unden auch immer, im offiziellen Bruttosozialprodukt nicht enthal-
ten sind [Pommerehne 1994, S. 851].
Unter Selbstversorgungswirtschaft fallen haupts¨achlich die Deckung des Ei-
genbedarfs, zunehmend aber auch die bedarfswirtschaftlichen Aktivit¨aten von
privaten Selbstversorgungsorganisationen (Nachbarn, Clubs, Selbsthilfegruppen),
die unentgeltlich und auf freiwilliger Basis erfolgen (bedarfswirtschaftlicher Be-
reich) und deren Produktion aufgrund der VGR-Konventionen nicht erfasst wird
bzw. nicht erfassbar ist.
Die Schattenwirtschaft im engeren Sinne (i.e.S.) m¨usste demgegen¨uber eigent-
lich im Wertsch¨opfungsbeitrag entsprechend der VGR-Konzeption erfasst wer-
den, was aber durch die privatwirtschaftlichen Ausweichstrategien nicht gelingt.
Diese erwerbswirtschaftlichen Aktivit¨aten sind i.d.R. mit der Hinterziehung von
Abgaben (Steuern, Abgaben, Geb¨uhren und Sozialversicherungsbeitr¨agen) ver-
bunden.
Die Konzentration auf den Aspekt der Besteuerung f¨uhrt zur Definition der
Schattenwirtschaft i.e.S. deren Hauptanteil sich aus der Schwarzarbeit ergibt
[Schneider 2000, S. 8]:
4

Schattenwirtschaft i.e.S. umfasst die ¨okonomischen Aktivit¨aten, die grunds¨atz-
lich steuerpflichtig w¨aren, wenn sie dem Finanzamt nicht verheimlicht w¨urden.
Nach dieser Arbeitsdefinition, wird die Produktion in privaten Haushalten und
die freiwillige Arbeit f¨ur wohlt¨atige Zwecke ausgeschlossen. Die Schwarzarbeit,
die vorwiegend nebenberuflich oder von Unternehmen als Teilbereich der gesam-
ten T¨atigkeiten ausge¨ubt wird, ist der wichtigste Anteil des erwerbswirtschaft-
lichen Bereichs der Schattenwirtschaft. Ebenso werden rein finanzielle Trans-
aktionen, die keine Wertsch¨opfung darstellen, nicht zur Schattenwirtschaft gez¨ahlt
[Schneider 2000, S. 8].
Es gibt also einen legalen Bereich der Schattenwirtschaft (Hausarbeiten,
Heimwerken, echte Nachbarschaftshilfe -- in der Regel spielen Geldbetr¨age hier
eine untergeordnete Rolle), der sozial erw¨unscht ist [Schneider 2002a, S. 15].
Zum anderen gibt es grunds¨atzlich illegale Aktivit¨aten (Drogenhandel, Hehle-
rei), die gleichwohl volkswirtschaftliche Wertsch¨opfung im Sinne des VGR bein-
halten, aber nicht von wirtschaftspolitischem Interesse sind und daher in dieser
Arbeit ausgeklammert werden.
Zur Schattenwirtschaft werden also alle legalen Aktivit¨aten gez¨ahlt, die im
Sinne der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung eine Wertsch¨opfung darstellen,
aber aufgrund der Steuerhinterziehungs- und Umgehungsm¨oglichkeiten nicht de-
klariert werden. Diese Anlehnung an die Konvention der volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnung dient einzig dem Zweck, den f¨ur die Schattenwirtschaft ermit-
telten Umfang mit dem des offiziell gemessenen Sozialprodukts vergleichen zu
k¨onnen [Schneider 2002a, S. 16].
Zusammenfassend l¨aßt sich sagen, dass in dieser Arbeit als Schattenwirtschaft
im engeren Sinne folgende Bereiche behandelt werden [Schneider 2002a, S. 15]:
· Steuer und Sozialabgabenhinterziehung
· unerlaubte Gewerbe und Handwerksaus¨ubung.
5

3
Empirischer Befund
in % von BIP
Jahr
1975
1980
1985
1990
1995
2000
6
8
10
12
14
16
Abbildung
2:
Entwicklung
der
Schattenwirtschaft
in
Deutschland
[Schneider 2003, S. 13]
Wie aus der Abbildung zu erkennen ist, hat sich die Schattenwirtschaft in den
letzten 27 Jahren (von 5,75 % 1975 auf 16,5 % 2002) nahezu verdreifacht. In der
Zeit zwischen 1980 und 1990 war nur ein vergleichsweise geringes Anwachsen
zu beobachten, w¨ahrend der Anstieg seit 1990 wieder deutlicher ausf¨allt. Des-
weiteren f¨allt auf, dass bis 1990 nur alle 5 Jahre Werte erhoben wurden, seitdem
wird j¨ahrlich der Anteil der Schattenwirtschaft am BIP gesch¨atzt, was auf eine
gestiegene Aufmerksamkeit f¨ur das Thema hindeutet. Die Messung, oder besser
ausgedr¨uckt Sch¨atzung, des Umfangs der Schattenwirtschaft wurde mit dem in
Kapitel 5.2.3 dargestellten Bargeldnachfrageansatz durchgef¨uhrt. Als bedeutend-
ster Faktor der Schattenwirtschaft liegt der Anteil der Schwarzarbeit konstant bei
65 % [Enste 2003, S. 3] der hier betrachteten Schattenwirtschaft im engeren Sin-
ne.
6

USA
Schweiz
¨
Osterreich
Großbritannien
Niederlande
Frankreich
Deutschland
D¨anemark
Schweden
Spanien
Italien
0
10
20
in % von BIP
Abbildung 3: Schattenwirtschaft im internationalen Vergleich [Schneider 2003,
S. 14]
Die hohen Werte der s¨udeurop¨aischen L¨ander (Italien, Spanien) k¨onnen mit
der geringen Steuermoral begr¨undet werden, w¨ahrend die Steuermoral in Großbri-
tannien traditionell relativ hoch ist
2
, was den relativ geringen Anteil von 12,3 %
erkl¨aren k¨onnte. Die hohe Steuer- und Abgabenquote hingegen wird h¨aufig als
Begr¨undung f¨ur den hohen Anteil der Schattenwirtschaft am BIP der skandi-
navischen L¨ander herangezogen
3
. Der niedrige Prozentsatz der Schweiz wird
von den meisten Wirtschaftswissenschaftlern durch die g¨unstige Kombination
von niedrigen Steuers¨atzen und einer unter anderem durch die hohen Mitbestim-
mungsm¨oglichkeiten der B¨urger (Volksabstimmungen) begr¨undeten guten Steuer-
moral erkl¨art.
2
Inwiefern die Steuermoral die Schattenwirtschaft beeinflusst wird in Kapitel 6.4 erl¨autert.
3
Der Zusammenhang zwischen hohen Steuers¨atzen und der Schattenwirtschaft kann mit der in
Kapitel 4.2 beschriebenen Laffer-Kurve dargestellt werden.
7

38% Baugewerbe und
Handwerksbetriebe
Dienstleistungs- 17%
betriebe (Hotels, ...)
Industrienbetriebe 17%
(KFZ, Maschinen, ...)
15% Sonstiges (Nachhilfe,
Babysitten, Friseur, ...)
13% Unterhaltungs- und
Vergnügungsbranche
Abbildung 4: Die Struktur der Schwarzarbeit [Schneider 2003, S. 10]
Das Baugewerbe bzw. die Handwerksbetriebe haben mit 38 % den gr¨oßten
Anteil, als Gr¨unde hierf¨ur werden genannt:
· Der große Bef¨ahigungsnachweis (Meisterbrief) behindert den Marktzugang
und dr¨angt Handwerker ohne Meisterbrief in die Illegalit¨at
4
.
· Die hohen Lohnnebenkosten bewirken sehr hohe brutto Arbeitskosten f¨ur
den Unternehmer bzw. Auftraggeber. Um dies zu umgehen, wird auf
Schwarzarbeit (keine Lohnnebenkosten) zur¨uckgegriffen
5
.
· Die Einhaltung der strengen Reglementierungen ist sehr zeitaufwendig und
verursacht enorme Kosten. Bei inoffizieller Arbeit existieren logischerweise
keine staatlichen Regularien
6
.
4
In Kapitel 8.7 wird auf diese Thematik genauer eingegangen.
5
Die Problematik der hohen Sozialversicherungsbeitr¨age wird im Rahmen von Kapitel 6.2
erl¨autert.
6
Vom Sinn bzw. Unsinn dieser Feststellung handelt Kapitel 6.3
8

4
Theorien der Schattenwirtschaft
4.1
Grundmodell der Steuerhinterziehung
Allingham und Sandmo [Allingham 1972] erkl¨aren die Entscheidung, welcher
Teil des Einkommens bei der Steuererkl¨arung verheimlicht werden soll, als Ent-
scheidung unter Unsicherheit. Die Wirtschaftssubjekte k¨onnen ihr gesamtes Ein-
kommen angeben, bezahlen dann jedoch den h¨ochsten Steuerbetrag oder sie ent-
scheiden sich, nur einen Teil des Einkommens anzugeben und gehen damit das
Risiko ein, entdeckt und bestraft zu werden [Schneider 2002a, S. 21]. Eine un-
korrekte Steuererkl¨arung l¨ost nicht immer, sondern nur mit einer gewissen Wahr-
scheinlichkeit eine staatliche Strafverfolgung aus [Giersberg 1988, S. 9]. In die-
sem Modell ist das gesamte Einkommen eine exogen vorgegebene Gr¨oße und das
steuerlich deklarierte Einkommen die Entscheidungsvariable [Schneider 2002a,
S. 21]. Außerdem wird nur eine Periode betrachtet [Cowell 1990, S. 51].
Der Steuerzahler kennt also [Cowell 1990, S. 50]:
· seine eigenen finanziellen M¨oglichkeiten
· die Steuergesetzgebung
· den Steuerbetrag, den er zahlen sollte
· die Strafe beim Entdecken der Hinterziehung.
Die Entscheidung Steuern zu hinterziehen ist Ergebnis eines ¨okonomischen
Entscheidungskalk¨uls. Die ¨
Okonomie geht leidenschaftslos davon aus, dass der
einzelne abw¨agt, welches Verhalten f¨ur ihn vorteilhaft ist. Gesetze werden daher
nicht einfach befolgt, weil es sie gibt, sondern mit ihnen wird auf ¨okonomische
Weise umgegangen [Pommerehne 1992, S. 435]. Ein rationales Individuum w¨ahlt
nun sein deklariertes Einkommen Y
d
, um sein erwartetes Einkommen E(Y ) zu
maximieren [Blankart 1998, S. 231]:
E(Y ) = (1
- p)[Y
w
- tY
d
] + p[Y
w
- tY
d
- (1 + s)t(Y
w
- Y
d
)]
wobei p die Entdeckungswahrscheinlichkeit, Y
w
das wahre Einkommen, Y
d
das
deklarierte Einkommen, t den Steuersatz bzw. s den Strafsatz bezeichnen.
9

nicht erwischt
erwischt
Y
w
(1
- t)Y
w
(1
- t - st)Y
w
hinterzogenes Einkommen (Y
w
- Y
d
)
Konsum
Y
w
Abbildung 5: Konsum bei Hinterziehung [Cowell 1990, S. 52]
Ein ehrlicher Steuerzahler, der sein komplettes Einkommen Y
w
versteuert, hat
nach Abzug der Steuerrate t
(1
- t)Y
w
zur Verf¨ugung.
Entschließt er sich nur Y
d
zu deklarieren und damit den Betrag von (Y
w
- Y
d
)
zu hinterziehen, so werden ihm bei Nichtentdeckung (mit der Wahrscheinlichkeit
(1
- p))
(1
- t)Y
w
+ t(Y
w
- Y
d
)
bzw. bei einer Entdeckung (mit der Wahrscheinlichkeit p) und einem Strafmaß
von s
(1
- t)Y
w
- st(Y
w
- Y
d
)
verbleiben.
Sein Einkommen wird durch die stochastische Variable
c = (1
- t)Y
w
+ rt(Y
w
- Y
d
)
r =
1
1
- p
mitWahrscheinlichkeit
-s
p
beschrieben.
10

Den Kern der Analyse bildet somit eine Lotterie: Wird die M¨oglichkeit er-
wischt zu werden und eine Strafe zu zahlen (rt(Y
w
- Y
d
)) subjektiv besser ein-
gesch¨atzt als eine ehrliche Steuererkl¨arung abzugeben ((1
- t)Y
w
) [Cowell 1990,
S. 51]?
Der Steuerzahler hat also die Wahl zwischen zwei Strategien: er kann der
Steuerbeh¨orde risikolos sein tats¨achliches zu versteuerndes Einkommen angeben
oder unter Risiko ein geringeres Einkommen [Schrage 1987, S. 100].
Eine ¨ahnliche ¨
Uberlegung liegt auch der heute besonders bei der Wohnungs-
renovierung h¨aufig angewandten Mischkalkulation zugrunde. Dabei wird ein
Teil der Rechnung regul¨ar mit Mehrwertsteuer abgerechnet, der andere Teil wird
schwarz ohne Rechnung erledigt. Der Handwerker geht allerdings davon aus, dass
bei dieser illegalen Form der Abwicklung seine Entdeckungswahrscheinlichkeit
geringer ist, als wenn er komplett schwarz arbeiten w¨urde. Damit stimmt das
Modell mindestens in diesem einem Punkt nicht mit der Realit¨at ¨uberein, da ja p
im Modell f¨ur s¨amtliche Betr¨age gleich groß ist. W¨urde der einzelne Handwerker
davon ausgehen, dass die Entdeckungswahrscheinlichkeit unabh¨angig von der
H¨ohe des hinterzogenen Betrages ist, w¨urde er logischerweise komplett am
Fiskus vorbeiarbeiten, da er aber davon ausgeht, dass ein geringerer Betrag mit
einer geringeren Wahrscheinlichkeit entdeckt wird, wird nur dieser geringere
Betrag nicht deklariert.
Da die Strafen und die Entdeckungswahrscheinlichkeiten in den meisten
L¨andern relativ gering sind, erscheint es eher verwunderlich, warum so viele
Steuerzahler ehrlich sind. Alm [Alm 1992, S. 51] stellt hierzu fest :
A purely economic analysis of the evasion gamble implies that most indivi-
duals would evade if they are rational, because it is unlike that cheaters will be
caught and penalised.
Daraus folgt, dass sich das tats¨achliche Ausmaß an Steuerhinterziehung nur
durch eine Kombination aus ¨okonomischen Einflussfaktoren und der individuellen
Steuermoral erkl¨aren l¨asst [Feld 2003, S. 51].
11

4.2
Die Laffer- bzw. Gutmann-Kurve
Die Besteuerungsmacht der Regierung wird letztlich durch die M¨oglichkeit der
Abwanderung in die Schattenwirtschaft begrenzt. Dieser Zusammenhang zwi-
schen individuellen Anpassungsreaktionen und der Besteuerung wird durch die
sogenannte Laffer-Kurve veranschaulicht. Die Gutmann-Kurve stellt eine Er-
weiterung der Laffer-Kurve dar, indem die Abwanderung in die Schattenwirt-
schaft miteinbezogen wird [Schneider 2000, S. 82].
Steuerertrag
% der Gesamtbesch¨aftigten
Steuersatz
Steuersatz
0
0
t
100 %
t
Staatsbedienstete
legale Wirtschaft Schattenwirtschaft
Anarchie
Abbildung 6: Die Laffer- bzw. Gutmann-Kurve [Schneider 2000, S. 83]
Bei der im oberen Teil der Abbildung dargestellten Laffer-Kurve erkennt
man, dass die Steigung der Steuerertragskurve abnimmt, das heißt eine Steuer-
satzerh¨ohung bringt nur eine unterproportionale Steuerertragserh¨ohung mit sich.
Dies gilt allerdings nur bis zum kritischen Steuersatz bei t
. Bei diesem Steuer-
satz wird das Steuerertragsmaximum erreicht, das bedeutet dass die Steigung der
Steuerertragskurve Null betr¨agt. Wird die Steuer ¨uber t
erh¨oht, fallen die Steu-
erertr¨age, da Laffer davon ausgeht, dass die B¨urger einen gewissen Steuersatz
nicht mehr akzeptieren und in die Schattenwirtschaft ausweichen [Blankart 1998,
S. 241].
Gutmann hat diese ¨
Uberlegungen erweitert, indem er die Entwicklung der
Schattenwirtschaft in sein Modell integriert hat. Grunds¨atzlich unterscheidet Gut-
12

mann drei Wirtschaftsbereiche [Blankart 1998, S. 241]:
· die legale Wirtschaft
· den Staatsapparat (B¨urokratie)
· die Schattenwirtschaft.
Die Gutmann-Kurve l¨aßt sich folgendermaßen erkl¨aren: Im Ausgangspunkt sind
die Steuers¨atze niedrig und damit die Anreize zum Aussteigen in die Schatten-
wirtschaft gering. Im Zuge der Steuerertragsmaximierung werden dann die Steu-
ers¨atze erh¨oht, die Staatseinnahmen steigen an, und die Planstellen im Staatsappa-
rat nehmen zu. Um diese neuen Stellen besetzen zu k¨onnen, werden Erwerbst¨ati-
ge, insbesondere aus dem legalen Sektor abgeworben. Als Folge daraus steigt die
Steuerbelastung der im legalen Sektor verbliebenen Arbeitskr¨afte, weil durch die-
se Steuereinnahmen die Besch¨aftigten im Staatsapparat finanziert werden m¨ussen.
Durch die hohe Steuerbelastung nimmt der Anreiz zu, von der legalen Wirtschaft
in die Schattenwirtschaft abzuwandern. Das Steuerertragsmaximum wird nach ei-
ner Reihe solcher Erh¨ohungen, beim Steuersatz t
erreicht. In diesem Punkt kann
der Staatsapparat selbst durch Steuererh¨ohungen nicht mehr ausgedehnt werden,
da die Steuereinnahmen zur¨uckgehen. Wird die Steuer noch weiter erh¨oht, so
w¨urden noch mehr Erwerbst¨atige von der legalen in die Schattenwirtschaft ¨uber-
wechseln. Der Steuerertrag w¨urde abnehmen, und die Zahl der Staatsbediensteten
m¨usste schrumpfen. Im Endpunkt bei einem maximalen Steuersatz, w¨aren alle
Besch¨aftigten im Schattensektor t¨atig und der vorkonstitutionelle Zustand der An-
archie w¨are erreicht [Blankart 1998, S. 241].
Die Aussage der Laffer-Kurve ist sehr umstritten, wobei es nicht so sehr dar-
um geht, dass ein Steuersatz t
existiert, ab dem eine Steuererh¨ohung f¨ur den Staat
nicht mehr lohnenswert ist, sondern vielmehr wie hoch dieser Steuersatz ist. Die
Verbindung zwischen konkreten Zahlen und dem Verhalten der Steuerzahler, das,
wie im folgenden erl¨autert wird, nicht nur von der H¨ohe des Steuersatzes abh¨angt,
erscheint mir nicht m¨oglich. Pauschale Aussagen, wie ab 50 % Grenzsteuersatz
beginnen gr¨oßere Steuerwiderst¨ande, sind meiner Meinung nach nicht vern¨unftig
zu begr¨unden. Auch kann aus der Laffer-Kurve nicht gefolgert werden, dass Steu-
erh¨ohungen per se sch¨adlich sind, obwohl dies vor allem von nicht wirtschafts-
wissenschaftlicher Seite oft geschieht, so dass meiner Meinung nach die einzige
Aussage, die vern¨unftigerweise aus der Laffer-Kurve gefolgert werden kann, dar-
in besteht, dass Steuers¨atze existieren, die von den B¨urgern nicht akzeptiert und
als Folge daraus umgangen werden.
13

4.3
Die Exit-Voice-Theorie
Da die Schattenwirtschaft inzwischen in vielen Staaten einen Umfang angenom-
men hat, der sie zu einem bedeutendem Wirtschaftsfaktor hat werden lassen, er-
scheint eine rationale Wirtschaftspolitik notwendig, um dieser Herausforderung
zu begegnen. Nach Giersch [Giersch 1961, S. 193] versteht man unter einer ratio-
nalen Wirtschaftspolitik:
Rational ist eine Politik, die planm¨aßig auf die Verwirklichung eines umfas-
senden, wohldurchdachten und in sich ausgewogenen Zielsystems gerichtet ist
und dabei den h¨ochsten Erfolgsgrad erreicht, der unter den jeweiligen Umst¨anden
m¨oglich ist.
Vor diesem Hintergrund werden in Kapitel 8 Maßnahmen untersucht, die lang-
fristig eine erfolgreiche Wiedereingliederung in den offiziellen Sektor erm¨ogli-
chen oder zumindest die Abwanderung in die Schattenwirtschaft stoppen sollen.
Als wesentlicher Grund f¨ur die Notwendigkeit einer rationalen Wirtschaftspolitik
gelten die Reaktionsm¨oglichkeiten der Wirtschaftssubjekte auf wirtschaftspoliti-
sche Maßnahmen [Schneider 2000, S. 193]. Grunds¨atzlich unterscheidet Hirsch-
mann [Hirschmann 1974] die Reaktionsm¨oglichkeiten Exit und Voice:
Eigenarbeit
Nachbarschaftshilfe
Schwarzarbeit
Reine Steuerhinterziehung
Schattenwirtschaft
Standortverlagerung
Wahlen
Massenmedien
Umfragen
Interessenvertretung (Verb¨ande)
(Wissenschaftliche) Politikberatung
Voice
Exit
Reaktionsm¨oglichkeiten
Abbildung 7: Die Exit-Voice-Theorie von Hirschmann [Schneider 2000, S. 195]
14

Die Voice-Option besteht f¨ur Unternehmer bzw. B¨urger darin aktiv am Gestal-
tungsprozess der Demokratie teilzunehmen.
Dies kann beispielsweise durch die Beteiligung an Wahlen geschehen.
Wird in den Massenmedien der Eindruck erweckt, Schwarzarbeit bzw. Steuer-
hinterziehung seien Kavaliersdelikte und entsprechende Umfragen publiziert,
wird damit das Verhalten der B¨urger in Richtung einer Tolerierung der Schatten-
wirtschaft beeinflusst. Die Macht der Verb¨ande wird nahezu t¨aglich deutlich.
Die Unternehmerverb¨ande demonstrieren ihre Macht zum Beispiel durch hefti-
gen Widerstand gegen die geplante Abschaffung des Meisterbriefes, w¨ahrend die
Gewerkschaften beispielsweise durch Streiks Einfluss aus¨uben k¨onnen. Die wis-
senschaftliche Politikberatung bestimmt durch regelm¨aßige Politikempfehlun-
gen die wirtschaftspolitische Debatte (Jahresgutachten des Sachverst¨andigenrates
zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung).
Die Exit-Strategie besteht darin, der als nicht gew¨unscht wahrgenommenen
Ausgestaltung des Wirtschafts-, Steuer- und Sozialversicherungssystems durch
Ausweichstrategien zu entgehen [Schneider 2000, S. 194].
Durch Standortverlagerung k¨onnen sich Unternehmen dem Zugriff des Fis-
kus entziehen. Diese Option wird wiederum durch die Voice-Option beeinflusst.
Wenn beispielsweise durch die Massenmedien suggeriert wird, dass eine Stand-
ortverlagerung wegen der angeblich oder tats¨achlich zu hohen Steuer- bzw. Lohn-
kosten gerechtfertigt ist, wird einem Unternehmen der Schritt in Billiglohnl¨ander
auszuweichen leichter fallen.
Diese ¨
Uberlegungen lassen sich auch auf die Entwicklung der Schattenwirt-
schaft ¨ubertragen.
Aus der Existenz dieser Optionen folgt, dass der Staat sich nicht unbegrenzt
¨uber die Pr¨aferenzen der Regierten hinwegsetzen darf, da sich durch die Schatten-
wirtschaft ein zus¨atzlicher Zwang zur Korrektur ergibt [Schneider 2000, S. 195].
Nach dieser auch von Gretschmann [Gretschmann 1986, S. 125] geteilten
Auffasung von der Demokratisierung des Steuerwiderstands, ist die Schattenwirt-
schaft eine Reaktion der B¨urger auf politische Fehlentwicklungen.
15

5
Messmethoden der Schattenwirtschaft
Es ist eine Herausforderung, ein Ph¨anomen empirisch zu erfassen, das sich einer
Messung entziehen will:
Wer schwarz arbeitet, versucht dies zu verheimlichen, denn bei einer Ent-
deckung ist eine Strafe zu bef¨urchten. Die Messung der Schattenwirtschaft er-
fordert daher detektivische F¨ahigkeiten. Es m¨ussen also Methoden entwickelt
werden, um dieses Ph¨anomen quantitativ erfassen zu k¨onnen [Pommerehne 1982,
S. 157].
Bei den T¨atigkeiten in der Schattenwirtschaft werden jedoch Spuren hinterlas-
sen. Diesen Spuren nachzugehen hat den Vorteil, dass im allgemeinen kein Anreiz
besteht, sie zu verwischen. Vielmehr sind sie h¨aufig das Ergebnis des Versuchs,
die Handlung zu vertuschen. Da es eine Reihe von Spuren gibt, existieren vie-
le verschiedene Methoden, um die Schattenwirtschaft zu erfassen. Jede Methode
bezieht sich auf einen bestimmten Aspekt der Schattenwirtschaft und hat daher
bestimmte Vor- und Nachteile [Weck 1984, S. 7]. Es werden im folgenden nur
die gebr¨auchlichsten Verfahren dargestellt und einige komplexere Messverfahren,
wie zum Beispiel die weiche Modellierung [Weck 1984] ausgespart.
5.1
Direkte Verfahren
5.1.1
Befragungen
Personen, die in der Schattenwirtschaft t¨atig sind, werden in der Regel wenig In-
teresse daran haben, ihre T¨atigkeiten offenzulegen. Daher m¨ussen die Befragun-
gen zu dieser Thematik geschickt aufgebaut sein, um falsche Angaben zu vermei-
den. Beispielsweise kann gefragt werden, ob innerhalb der letzten zw¨olf Monate
f¨ur Schwarzarbeit bezahlt wurde bzw. ob Schwarzarbeit geleistet wurde. Die dritte
Frage m¨usste bei einer derartigen Umfrage dann lauten, ob sowohl f¨ur Schwarz-
arbeit bezahlt und Schwarzarbeit geleistet wurde [Weck 1984, S. 9­10]. Im Rah-
men einer in Norwegen durchgef¨uhrten Umfrage ergab sich als Ergebnis, dass
29 % erkl¨arten f¨ur Schwarzarbeit bezahlt zu haben, 20 % gaben zu Schwarzarbeit
ausgef¨uhrt zu haben und 9 % berichteten, sowohl f¨ur Schwarzarbeit bezahlt als
auch Schwarzarbeit ausgef¨uhrt zu haben. Daraus ergibt sich eine Partizipationsra-
te am Schattensektor von 40 % [Kirchg¨assner 1984, S. 381]. Wird die Anzahl der
schwarz gearbeiteten Stunden und der daf¨ur erhaltene Stundenlohn ermittelt, kann
der Anteil der Schwarzarbeit am gesamten Bruttosozialprodukt bestimmt werden,
indem der so errechnete Wert durch das gesamte BIP geteilt wird [Weck 1984,
S. 9­10].
16

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832476281
ISBN (Paperback)
9783838676289
DOI
10.3239/9783832476281
Dateigröße
581 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Bielefeld – Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2004 (Januar)
Note
2,7
Schlagworte
ich-ag meisterbrief schwarzarbeit agenda mini-job
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