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Das schwedische Bildungssystem und die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund

Ein Vorbild für Deutschland?

©2003 Diplomarbeit 147 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Durch die PISA-Studie wurde in Deutschland eine breite bildungspolitische Diskussion über die Defizite des deutschen Bildungssystems losgetreten, in der einmal die Schüler und Lehrer als Akteure und dann wieder das System an sich in die Kritik gerieten. Bei der Debatte um mögliche Lösungsansätze zur Verbesserung der schulischen Bildung richtete sich bald der Blick auf die skandinavischen Länder, vorwiegend nach Schweden, das zur Spitzengruppe der an PISA teilnehmenden Länder gehörte. Schwedens Bildungssystem wurde als Vorbild eines modernen Bildungssystems gesehen, in dem Chancengleichheit und Leistung einander nicht ausschließen. Tatsache ist: Schwedische Jugendliche haben bei PISA 2000 statistisch signifikant bessere Ergebnisse erzielt als deutsche. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Als ein wesentlicher Befund rückt für diese Arbeit das weitaus schlechtere Abschneiden von Kindern mit Migrationshintergrund in Deutschland in den Vordergrund. Da dieser Aspekt in erheblichem Maße zum schlechteren Abschneiden der deutschen Stichprobe beiträgt, ist es interessant, die unterschiedlichen Maßnahmen zur schulischen Förderung von Schülerinnen und Schülern mit migrationsbedingtem Hintergrund in Schweden und Deutschland näher zu untersuchen.
Gang der Untersuchung:
Ziel der Arbeit soll deshalb die Beantwortung der Frage sein, ob das schwedische Bildungssystem in seiner Gesamtheit und im Speziellen bei der Förderung von Schülern mit Migrationshintergrund ein Vorbild für Deutschland darstellen kann. Der Untersuchungsbereich erstreckt sich vom Elementar- über Primarbereich bis zur Sekundarstufe I. Es geht jedoch nicht um die Frage der Übertragbarkeit des schwedischen Systems auf das deutsche Bildungssystem. Vielmehr soll gezeigt werden, ob es innerhalb dieser drei Bildungsbereiche in Schweden bessere Ansätze und Voraussetzungen zur Förderung der Schülergruppe mit allochthonem Hintergrund gibt, d.h., welche Unterschiede bestehen zum deutschen Bildungssystem, die zu einer besseren schulischen Integration der ausländischen Schüler in Schweden führen können?
Der inhaltliche Schwerpunkt liegt dabei in der Betrachtung sprachlicher Fördermaßnahmen. Dazu werden im zweiten Kapitel zunächst die Ergebnisse der internationalen Schulleistungsstudie PISA 2000 analysiert und dargestellt. In einer vergleichenden Betrachtung des Abschneidens deutscher und schwedischer Schüler wird vor dem Hintergrund ausgewählter Aspekte so der dieser Arbeit und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7619
Feighofen, Christoph: Das schwedische Bildungssystem und die Integration von Kindern
mit Migrationshintergrund ­ Ein Vorbild für Deutschland?
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Universität der Bundeswehr Hamburg, Universität der Bundeswehr, Diplomarbeit,
2003
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Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1. Einführung und Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
2. Darstellung des Zielproblems anhand der Ergebnisse von PISA 2001
2.1
Ziel und Umfang der PISA-Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.2
Zur Bedeutung von Lesekompetenz als Schlüsselkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.3
Lesekompetenz deutscher Schülerinnen und Schüler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
2.4
Lesekompetenz in Schweden und Deutschland im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.5
Zum Abschneiden von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
in Schweden und Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.6
Einflussfaktoren in der Bildungsbeteiligung von Migrantenkindern . . . . . . . . . 17
2.6.1
Soziale Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.6.1
Migrationshintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.7
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
3. Das schwedische Bildungssystem
3.1
Grundlegende Werte: Demokratie und Chancengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.2
Bildungsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.2.1
Nationale Bildungsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.2.2
Kommunale Bildungsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
3.3
Vorschulische Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
3.3.1
Geschichtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
3.3.2
Vorschule, Familientagesheim, offene Vorschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
3.3.2.1
Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
3.3.2.2
Vorschulische Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
3.3.3
Vorschulklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
3.3.3.1
Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
3.3.3.2
Aktivitäten in der Vorschulklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
3.4
Grundschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
3.4.1
Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

3.4.2
Schulform und Stundenpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
3.4.3
Unterrichtsorganisation und ­methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3.3.4
Beurteilung und Notengebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
3.5
Lehrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
3.5.1
Entwicklungen der letzten zehn Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
3.5.2
Lehrerausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3.5.2.1
Bisherige Lehrerausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3.5.2.2
Die neue integrierende Lehrerausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
3.5.3
Anstellung und Fortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
4. Migration in Deutschland und Schweden: die ausländische Bevölkerung im Vergleich
4.1
Geschichte der Zuwanderung nach Schweden und Deutschland . . . . . . . . . . . 46
4.2
Ausländische Bevölkerung in 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
4.3
Ausländische Schülerinnen und Schüler in Schweden und
Deutschland 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
4.4
Zur Besonderheit der föderalen Struktur in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
4.4.1
Ausländische Bevölkerung in Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein in 2001 . . . 53
4.4.2
Ausländische Schülerinnen und Schüler in Bayern, Hessen
und Schleswig-Holstein 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
4.5
PISA 2000 - Ergebnisse deutscher und ausländischer Schülerinnen und
Schüler in Schleswig-Holstein, Hessen und Bayern im Vergleich . . . . . . . . . . . 56
5. Gesetzliche Grundlagen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
5.1
Verfassungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
5.1.1
Verfassung Schwedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
5.1.2
Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
5.1.3
Verfassungen der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
5.2
Schulgesetzebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
5.2.1
Schwedisches Schulgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
5.2.2
Bayerisches Schulgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
5.2.3
Hessisches Schulgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
5.2.4
Schleswig-Holsteinisches Schulgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
4.3
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

6. Sprachliche Förderung im Elementarbereich
6.1
Theoretische Grundlagen zum Spracherwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
6.1.1
Die vorsprachliche Phase und ihre Bedeutung für die Identitätsentwicklung . . . . . . 67
6.1.2 Phasen des Spracherwerbs und die Entwicklung von Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . 69
6.1.3
Zur Bedeutung der Erstsprache bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern . . . . . . 71
6.1.4
Ableitungen und Forderungen für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
6.2
Sprachförderung von Kindern mit Migrationshintergrund in Schweden und
Deutschland im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
6.2.1
Curriculare Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
6.2.2
Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
6.2.2.1
Bildungsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
6.2.2.2
Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
6.2.3
Sprachliche Fördermaßnahmen im Elementarbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
6.2.3.1
Muttersprachliche Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
6.2.3.2
Unterstützung im Zweitspracherwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
6.3
Fazit Elementarbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
7. Förderung in Primarbereich und Sekundarbereich I
7.1
Maßnahmen beim Übergang in den Primarbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
7.1.1
Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
7.1.2
Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
7.1.2.1
Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
7.1.2.2
Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
7.1.2.3
Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
7.2
Fördermaßnahmen in Primarbereich und Sekundarstufe I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
7.2.1
Muttersprachlicher Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
7.2.1.1
Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
7.2.1.2
Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
7.2.1.2.1
Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
7.2.1.2.2
Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
7.2.1.2.3
Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
7.2.1.3
Resümee zum muttersprachlichen Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
7.2.2
Fördermaßnahmen innerhalb der Regelklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
7.2.2.1
Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
7.2.2.2
Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
7.2.2.2.1
Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
7.2.2.2.2 Hessen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
7.2.2.2.3
Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

7.2.3
Besondere Förderklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
7.2.3.1
Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
7.2.3.2
Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
7.2.3.2.1
Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
7.2.3.2.2 Hessen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
7.2.3.2.3
Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
7.3
Fazit Primar- und Sekundarbereich I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
8. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Anhang

1
Vorwort
Im Vorwege der Arbeit sollen einige ergänzende Punkte vorangestellt
werden:
Das zur Beantwortung der Forschungsfrage verwendete Material
erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ziel war es, anhand
ausgewählter Kriterien zu einem detaillierten Ergebnis zu kommen,
wohl wissend, das für eine umfassende Aufarbeitung des Themas
weitere Implikationen zu berücksichtigen wären, wie z.B. die
Ausbildung der Lehrer in der sprachlichen Förderung und
diagnostischen Verfahren oder die Berücksichtung von
interkulturellen Themen in den Lehrplänen.
Aufgrund der Aktualität des Themas stützt sich ein Großteil
der Ausführungen auf Informationen aus den Sozial- und
Kultusministerien der Länder und Schwedens. Dabei wurden nicht
immer alle Anfragen zufriedenstellend beantwortet. Für einen
direkten Vergleich konnten so nicht immer ausreichend Daten und
Informationen angegeben werden, da diese durch die kontaktierten
Ministerien und Behörden nicht zur Verfügung gestellt werden
konnten oder wollten. Dies zeigt sich z.B. bei der Untersuchung
muttersprachlicher Unterstützung im Elementarbereich. Hier fehlen
entsprechend erhobene Daten für die untersuchten Bundesländer.
Des weiteren konnte die schwedische Grundschulordnung nicht für
die Arbeit herangezogen werden, da eine mehrfache Anfrage bei der
zuständigen Schulbehörde in Schweden unbeantwortet blieb.
Die Ausführungen dieser Arbeit beziehen sich auf die
ausländische Bevölkerung bzw. die ausländischen Schülerinnen und
Schüler. Der Begriff ,,Ausländer" ist in rechtlichen und statistischen
Zusammenhängen im Sinne von nichtdeutscher bzw.
nichtschwedischer Staatsangehörigkeit Teil der Fachsprache. Um
einen einheitlichen Sprachgebrauch für Personen, die im weitesten
Sinne einen ausländischen Hintergrund haben (z.B. Aussiedler), zu
ermöglichen, wird die international üblichen Umschreibung ,,mit

2
Migrantionshintergrund" synonym verwendet. Dieser umfasst sowohl
in Deutschland/ Schweden lebende Personen ausländischer
Staatsangehörigkeit als auch Eingebürgerte mit ausländischem
Hintergrund. Besondere Schwierigkeiten bereitet die Bezeichnung
von ausländischen Kindern und Jugendlichen, da sie oftmals nicht
selber über Migrationserfahrungen verfügen, sondern vielfach in
Deutschland / Schweden geboren und aufgewachsen sind. Für sie
wurden daher Bezeichnungen wie Jugendliche mit
Migrationshintergrund oder mit anderer Muttersprache gewählt. Des
weiteren bemühen sich die Ausführungen so weit wie möglich um
eine geschlechtsspezifische Sprache. Einschränkungen werden dort
gemacht, wo die gesetzlichen Regelungen nur den männlichen
Begriff verwenden.
Zuletzt sei noch auf die unterschiedlichen Bedeutung von
Vorschule und Vorschulklasse in Schweden im Vergleich zur
deutschen Bezeichnung verwiesen. Die deutsche Bezeichnung
,,Vorschule" entspricht in Schweden der ,,Vorschulklasse", während
die schwedische ,,Vorschule" in Deutschland dem Kindergarten
entspricht.

3
1. Einführung und Ziel der Arbeit
Die Auszüge aus einem Cartoon von Ulli Stein zeigen pointiert die
vorherrschende öffentliche Meinung nach Bekannt werden des
schlechten Abschneidens der deutschen Schülerinnen und Schüler
bei der internationalen Schulvergleichsstudie PISA 2000:
Abb. 1
PISA-Alarm!
Quelle: Cartoon von Uli Stein: PISA-ALARM! Oldenburg 2003.
Durch die PISA-Studie wurde in Deutschland eine breite
bildungspolitische Diskussion über die Defizite des deutschen
Bildungssystems losgetreten, in der einmal die Schüler und Lehrer
als Akteure und dann wieder das System an sich in die Kritik
gerieten. So titelte z.B. die Zeit:" Die Schule brennt - Deutschlands
Schüler, Deutschlands Lehrer: Sie sind die Verlierer im
internationalen Vergleich. Schuld daran sind alle - Eltern, Pädagogen
und Politiker."
1
Bei der Debatte um mögliche Lösungsansätze zur
Verbesserung der schulischen Bildung richtete sich bald der Blick auf
die skandinavischen Länder, vorwiegend nach Schweden, das zur
Spitzengruppe der an PISA teilnehmenden Länder gehörte.
1
Martin Spiewak: Die Schule brennt. In: Die Zeit, Ausgabe 50/2001.

4
Schwedens Bildungssystem wurde als Vorbild eines modernen
Bildungssystems gesehen, in dem Chancengleichheit und Leistung
einander nicht ausschließen. Lehrer wie Bildungspolitiker
,,wallfahrten" nach Schweden, um sich vor Ort über das ,,Pisa-
Wunderland", in dem bildungspolitisch Milch und Honig zu fließen
scheinen, zu informieren.
2
Ironischerweise wird die deutsche
Sichtweise über das Abschneiden Schwedens bei PISA 2000 in der
schwedischen Öffentlichkeit nicht geteilt. In einer Zusammenstellung
von Auszügen aus der schwedischen Presse finden sich z.B.
,,höhere Erwartungen" oder die ,,Feststellung, die Schweden seien
kein lesendes Volk mehr".
3
Wie auch immer die Reaktionen
ausfallen, Tatsache ist: Schwedische Jugendliche haben bei PISA
2000 statistisch signifikant bessere Ergebnisse erzielt als deutsche.
Die Gründe hierfür sind vielfältig. Als wesentlicher Befund rückt für
diese Arbeit das weitaus schlechtere Abschneiden von Kindern mit
Migrationshintergrund in Deutschland in den Vordergrund. Da dieser
Aspekt in erheblichem Maße zum schlechteren Abschneiden der
deutschen Stichprobe beiträgt, ist es interessant, die
unterschiedlichen Maßnahmen zur schulischen Förderung von
Schülerinnen und Schülern mit migrationsbedingtem Hintergrund in
Schweden und Deutschland näher zu untersuchen.
Ziel der Arbeit soll deshalb die Beantwortung der Frage sein,
ob das schwedische Bildungssystem in seiner Gesamtheit und im
Speziellen bei der Förderung von Schülern mit Migrationshintergrund
ein Vorbild für Deutschland darstellen kann. Der
Untersuchungsbereich erstreckt sich vom Elementar- über
Primarbereich bis zur Sekundarstufe I. Es geht jedoch nicht um die
Frage der Übertragbarkeit des schwedischen Systems auf das
deutsche Bildungssystem. Vielmehr soll gezeigt werden, ob es
innerhalb dieser drei Bildungsbereiche in Schweden bessere
Ansätze und Voraussetzungen zur Förderung der Schülergruppe mit
allochthonem Hintergrund gibt, d.h., welche Unterschiede bestehen
2
Vgl. Eibeck in: HLZ 55 (2002) 6, S. 10-11.
3
Schwippert in: TiBi Nr. 5, S.1.

5
zum deutschen Bildungssystem, die zu einer besseren schulischen
Integration der ausländischen Schüler in Schweden führen können?
Der inhaltliche Schwerpunkt liegt dabei in der Betrachtung
sprachlicher Fördermaßnahmen. Dazu werden im zweiten Kapitel
zunächst die Ergebnisse der internationalen Schulleistungsstudie
PISA 2000 analysiert und dargestellt. In einer vergleichenden
Betrachtung des Abschneidens deutscher und schwedischer Schüler
soll vor dem Hintergrund ausgewählter Aspekte so der dieser Arbeit
und ihrer Forschungsfrage zugrunde liegende Problembereich
herausgearbeitet werden. Eine Beschreibung der wesentlichen
Komponenten des schwedischen Bildungswesens folgt im dritten
Kapitel. Hier wird ein Überblick über die o.a. Bereiche des
schwedischen Bildungssystems gegeben. Die vermittelten
Kenntnisse über das Bildungssystem sollen dann als Grundlage
dienen, bei der später geführten Analyse die Fördermaßnahmen
besser einordnen zu können. In Kapitel 4 gehe ich genauer auf die
Unterschiede der Migration nach Schweden und Deutschland ein.
Ausgangspunkt bildet ein geschichtlicher Abriss der Entwicklung in
beiden Staaten nach 1945. Daran anknüpfend erfolgt ein
quantitativer wie qualitativer Vergleich der ausländischen
Bevölkerung, in die auch autochthone Minderheiten einbezogen sind.
Im Abschluss des Kapitels stehen dann ausländische Schülerinnen
und Schüler im Mittelpunkt der Betrachtung. Um der föderativen
Struktur in Deutschland zu entsprechen, werden stellvertretend die
Bundesländer Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein betrachtet. In
Kapitel 5 geht es um die Analyse der schulischen Integration mit
einer vergleichenden Betrachtung der verfassungsrechtlichen und
schulgesetzlichen Voraussetzungen für ausländische Schülerinnen
und Schüler. In den Kapiteln 6 und 7 werden die sprachfördernden
Maßnahmen und Voraussetzungen analysiert, in die auch neuere
wissenschaftliche Erkenntnisse zum Spracherwerb mehrsprachig
aufwachsender Kinder einbezogen werden.
Auf der Grundlage der Analyse soll in der Schlussbetrachtung
dann die Beantwortung der Forschungsfrage erfolgen, ob die

6
schulische Integration Jugendlicher aus Zuwandererfamilien in
Schweden besser gelingt als in Deutschland; das schwedische
Bildungssystem insofern also ein Vorbild für Deutschland darstellt.

7
2. Darstellung des Zielproblems anhand der Ergebnisse
von PISA 2000
2.1 Ziel und Umfang der PISA-Studie
Im Frühsommer 2000 führte die ,,Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung" (OECD) die bis dato
umfangsreichste internationale Schulleistungsstudie, das
,,Programme for International Student Assessment" (PISA) durch. In
den insgesamt 28 OECD-Mitgliedsstaaten sowie in Brasilien,
Lichtenstein, Lettland und der Russischen Förderation als nicht
OECD-Mitglieder nahmen etwa 180.000 Schülerinnen und Schüler
an der Untersuchung teil. In jedem Teilnehmerstaat wurde aus der
Gesamtpopulation der 15-jährigen Schulbevölkerung jeweils eine
repräsentative Stichprobe gezogen. Etwa 5000 Schülerinnen und
Schüler an bundesweit 219 Schulen umfasste dabei die
repräsentative Stichprobe für die Bundesrepublik. Um der föderalen
Struktur des deutschen Bildungswesens Rechnung zu tragen und
statistisch abgesicherte Aussagen auch für die einzelnen
Bundesländer bzw. pro Schulform machen zu können, wurde diese
Stichprobe innerhalb einer nationalen Stichprobenerhöhung (PISA-E)
auf dann insgesamt über 50.000 Schülerinnen und Schüler
ausgedehnt.
Das Ziel von PISA geht über das reine Erfassen von
Abfragewissen weit hinaus. Vielmehr geht es darum, auf der Basis
einer standardisierten Leistungsmessung den beteiligten Staaten
,,(...) Prozess und Ertragsindikatoren zur Verfügung zu stellen, die für
politisch-administrative Entscheidungen zur Verbesserung der
Bildungssysteme brauchbar sind."
4
Die Grundlage dieser Indikatoren
bilden mit PISA erfasste Basiskompetenzen, ,,die in modernen
Gesellschaften für eine befriedigende Lebensführung in persönlicher
und wirtschaftlicher Hinsicht sowie für eine aktive Teilnahme am
4
Baumert, Stanat, Demmrich in : Deutsches PISA-Konsortium 2001, S. 15.

8
gesellschaftlichen Leben notwendig sind."
5
Dazu gehören die
Bereiche Lesekompetenz (reading literacy), mathematische
Grundbildung (mathematical literacy) und naturwissenschaftliche
Grundbildung (scientific literacy). Ein schlechtes Abschneiden in
einem oder mehreren Bereichen deutet damit auf eine nicht
ausreichende Beherrschung solcher Kompetenzen hin, die für den
persönlichen und gesellschaftlichen Erfolg in der Gesellschaft als
essentiell definiert werden.
6
2.2 Zur Bedeutung von Lesekompetenz als Schlüsselkompetenz
Als besonders entscheidend wird bei PISA die Beherrschung von
Fähigkeiten im Bereich der Lesekompetenz herausgestellt, deren
Erfassung im Zentrum des ersten PISA-Zyklus steht. Jeder Mensch
wird im Laufe seines Lebens immer wieder mit verschiedenartigsten
Formen von Texten konfrontiert, deren Bewältigung sein individuelles
Textverständnis ständig neu fordert. Ein sicherer Umgang mit Texten
kann nur entstehen, wenn gewisse Kompetenzen entwickelt wurden,
die in jeder möglichen Situation zu einem erfolgreichen
Textverständnis führen. Lesekompetenz bei PISA wird deshalb als
,,die Fähigkeit, geschriebene Texte unterschiedlicher Art in ihren
Aussagen, ihren Absichten und ihrer formalen Struktur zu verstehen
und sie in einen größeren sinnstiftenden Zusammenhang
einzuordnen, sowie in der Lage zu sein, Texte für verschiedene
Zwecke sachgerecht zu nutzen" definiert.
7
Aus dieser Definition
heraus erhält Lesekompetenz als Schlüsselkompetenz in allen
Lebensbereichen moderner Gesellschaften zunehmende Bedeutung:
Sie reicht immer auch in die Bereiche der mathematischen und
naturwissenschaftlichen Grundbildung hinein. So zeigen Klieme,
Neubrand und Lüdtke (2001) an einem Pfadmodell zur Erklärung der
Mathematikleistung, dass ein statistisch signifikanter Zusammenhang
5
Ebenda, S. 16.
6
Eine genauere Diskussion der Literacy-Konzeption findet sich bei Baumert, Stanat,
Demrich in: Deutsches PISA-Konsortium 2001, Kap. 1.3.
7
Baumert, Stanat, Demmrich in: Deutsches PISA-Konsortium 2001, S. 22.

9
zwischen Lese- und Mathematikleistung ­ bei gleichem Geschlecht,
sozioökonomischem Status, Selbstkonzept und kognitiven
Grundfähigkeiten ­ von .55 besteht; d.h., unter Ausklammerung
anderer Faktoren bleibt ein hoher Zusammenhang zwischen Lese-
und Mathematikleitung. Ein Ansteigen der Leseleistung um eine
Standardabweichung bedeutet einen Anstieg der mathematischen
Leistung um eine halbe Standardabweichung.
8
Des weiteren zeigen
Interkorrelationen zwischen den Skalen für die drei
Kompetenzbereiche enge Zusammenhänge auf. Bezogen auf die
deutsche Stichprobe beträgt die latente Korrelation zwischen
Lesekompetenz und Naturwissenschaften .87.
9
Die weiteren
Ausführungen dieses Kapitels zum Abschneiden der deutschen
respektive schwedischen Schüler stützen sich, der Themenstellung
folgend, auf Befunde im Bereich der Lesekompetenz.
2.3 Lesekompetenz deutscher Schülerinnen und Schüler
Vor dem Hintergrund der weitreichen Bedeutung von Lesekompetenz
ist das Abschneiden der deutschen Schülerinnen und Schüler bei
PISA 2000 eine deutliche Warnung an die deutsche Bildungspolitik.
Denn die Ergebnisse der PISA-Studie zeigen, dass deutsche Schüler
entgegen der bisherigen Auffassung deutscher Bildungspolitiker
international nur Mittelmaß sind. So liegen die durchschnittlichen
Leistungen der deutschen Schülerinnen und Schüler im Bereich der
Lesekompetenz statistisch signifikant unter dem OECD-Mittelwert.
Wie Tabelle 2.1 (s. Anhang 1) zeigt, erreicht Deutschland in der
Lesekompetenz bei einem OECD-Durchschnitt von 500 Punkten nur
einen Mittelwert von 484 (mathematische Grundbildung 490 Punkte,
naturwissenschaftliche Grundbildung 487 Punkte) und befindet sich
damit im unteren Drittel der Teilnehmerländer.
Bei der Frage nach den Gründen für dieses vergleichsweise
schlechte Abschneiden lässt sich zunächst einmal feststellen, dass
8
Vgl. Klieme, Neubrand, Lüdke in: Deutsches PISA-Konsortium 2001, S. 185.
9
Vgl. Prenzel et al in: Deutsches PISA-Konsortium 2001, S. 221.

10
die Spannbreite in der deutschen Stichprobe breiter ist, als in allen
anderen Teilnehmerländern: Der Abstand der Leistungen der 5%
leistungsschwächsten und 5% leistungsstärksten Schülerinnen und
Schüler beträgt 366 Punkte. Er liegt mehr als eine halbe
Kompetenzstufe weiter auseinander als im Durchschnitt der OECD-
Teilnehmerstaaten und damit noch deutlich über dem Wert des
Landes mit der zweitgrößten Spannweite, Neuseeland, welches eine
Leistungsstreuung von 355 Punkten aufweist, international mit dem
dritten Rang aber einen Spitzenplatz einnimmt (vgl. Anhang 1,
Tab. 2.1). Die große Spannbreite der Leistungen ist auf die sehr
schwachen Ergebnisse im untersten Leistungsbereich
zurückzuführen, was sich auch im internationalen Vergleich bestätigt.
Differenziertere Analysen der Verteilung der Schülerinnen und
Schüler auf die fünf verschiedenen Kompetenzstufen ergeben einen
vergleichsweise hohen Anteil von Leistungen, die unterhalb von bzw.
auf Kompetenzstufe I liegen. 9,9% der deutschen Schülerinnen und
Schüler erreichen nicht einmal Kompetenzstufe I ­ d.h., sie sind nicht
in der Lage, routinemäßig die elementarsten Fähigkeiten
nachzuweisen, Lesekompetenzen als Mittel zum Erwerb von Wissen
sowie in anderen Bereichen einzusetzen ­ bei einem OECD-
Durchschnitt von nur 6%.
10
Weitere 12,7% sind gerade einmal in der
Lage, Anforderungen der Kompetenzstufe I zu erfüllen, womit ihr
Anteil auch hier noch deutlich höher als im OECD-Durchschnitt von
11,9% liegt (vgl. Abb. 2.1). Insgesamt befinden sich so fast 23% der
deutschen 15-jährigen unterhalb von Kompetenzstufe II (OECD-
Durchschnitt 17,9%), während dieser Wert in einigen anderen
europäischen Staaten, z.B. in Schweden mit unter 15% sehr viel
geringer ausfällt (vgl. Abb. 2.1). Wie aus Abb. 2.1 weiter hervorgeht,
liegen die Anteile im oberen Leistungsbereich, wenn auch nur leicht,
unter dem OECD-Durchschnittswert. 9,5% der deutschen
Schülerinnen und Schüler erreichen Leistungen auf Kompetenzstufe
5, während dies im OECD-Durchschnitt 9,9% sind. Jedoch ist der
10
Vgl. OECD 2001, S. 40; Zur Beschreibung der Kompetenzstufen siehe Deutsches PISA-
Konsortium, Kap. 2.6 und OECD 2001, S. 37-54.

11
Abstand zu Ländern aus der Spitzengruppe wie Schweden (etwa
12%) und Finnland (18%) auch im oberen Leistungsbereich
gravierend.
Abb. 2.1 Prozentualer Anteil von Schülerinnen und Schülern unter und auf
Kompetenzstufe I sowie auf Kompetenzstufe V im Lesen für die
PISA-Teilnehmerstaaten
(Quelle : Max Planck Institut für Bildungsforschung 2002, Abb. 1)
Schülerinnen und Schüler, deren Lesekompetenz nicht über
Kompetenzstufe I hinausgeht, werden zur sog. Risikogruppe gezählt.
Ausgehend von dem zu Beginn dieses Kapitels dargestellten
Zusammenhang zwischen Lesekompetenz und persönlichem wie
beruflichem Erfolg, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass
Jugendliche, die über die Kompetenzstufe I nicht hinauskommen,
erhebliche Schwierigkeiten beim späteren Übergang ins Berufsleben
haben werden. Wie Artelt et al 2001 unter Bezug auf Befunde des
International Adult Literacy Survey (IALS) der OECD (2000a)
darlegen, verfügen Erwachsene, die im Lesen ein höheres
Kompetenzniveau erreichen, tendenziell über ein höheres
Einkommen und sind weniger von Arbeitslosigkeit betroffen als

12
Leser mit einem geringeren Kompetenzniveau.
11
Mit fast 23% liegt
der Anteil der zur potenziellen Risikogruppe gehörenden 15-jährigen
in Deutschland sehr hoch. Wenn auch nicht der ausschließliche
Grund, so liegt das deutsche Abschneiden doch im wesentlichen in
diesem hohen Anteil der zur Risikogruppe gehörenden Schülerinnen
und Schüler begründet. Bei Betrachtung der Zusammensetzung der
Risikogruppe rückt dabei ein zentraler Befund in den Vordergrund:
52,7% der Schülerinnen und Schüler stammen aus Familien mit
Migrationshintergrund, in denen mindestens ein Elternteil im Ausland
geboren wurde; 35,6% wurden selbst im Ausland, 17% in
Deutschland geboren. Die restlichen 47,1% sind wie auch ihre Eltern
in Deutschland geboren (vgl. Tab. 2.2). Zusätzliche Brisanz erhalten
diese Zahlen noch, als von den 15-jährigen, die selbst und deren
Eltern in Deutschland geboren wurden, lediglich 5,8% die
Kompetenzstufe I nicht erreichen, während für im Ausland geborene
Jugendliche der Anteil unter Kompetenzstufe I fast 25% beträgt, also
viermal so hoch ist. Weitere 14% derjenigen Schülerinnen und
Schüler mit Migrationshintergrund, die in Deutschland geboren sind
und durchgängig deutsche Schulen besucht haben, erreichen
Kompetenzstufe I nicht (vgl. Tab. 2.2).
Tab.
2.2
Zusammenhänge zwischen Migrationshintergrund und
Zugehörigkeit zur Gruppe der Risikoschülerinnen und ­schüler
(Quelle: Deutsches PISA-Konsortium 2001, Tabelle 2.7)
11
Vgl. Artelt et al in: Deutsches PISA-Konsortium 2001, S. 116f.
Anteil von
Schülerinnen und Schülern mit
unterschiedlichem
Migrationshintergrund
innerhalb der
Risikogruppe
Anteil von
Risikoschülerinnen und
Schülern innerhalb der
Gruppen mit
unterschiedlichem
Migrationshintergrund
Jugendlicher selbst und
mindestens ein Elternteil im
Ausland geboren
35,60%
24,90%
Jugendlicher in
Deutschland geboren und
mindestens eion Elternteil
im Ausland geboren
17%
14,30%
Jugendlicher selbst und
beide Elternteile in
Deutschland geboren
47,10%
5,80%

13
Die Wahrscheinlichkeit zur Risikogruppe zu gehören ist bei
Jugendlichen mit Migrationhintergrund demnach deutlich erhöht.
Deren schlechtes Abschneiden im Vergleich zu den >>deutschen
Teilnehmern der Stichprobe beeinflusst eindeutig das
Gesamtergebnis der an PISA 2000 teilnehmenden deutschen
Schülerinnen und Schüler.
2.4 Lesekompetenz in Schweden und Deutschland im Vergleich
Dass es auch anders geht, beweist ein Blick auf das schwedische
Abschneiden bei PISA 2000. Schweden ist hinsichtlich der Quantität
seiner Migrationstruktur (vgl. Kap. 4) international wohl am ehesten
mit Deutschland zu vergleichen. Gleichzeitig findet sich mit
Schweden ein Land, das bei PISA 2000 zur internationalen
Spitzengruppe zu zählen ist, weshalb ein Vergleich aussagekräftig
und zugleich lohnend erscheint.
Schwedische Schülerinnen und Schüler erreichen auf der
Gesamtskala Lesekompetenz einen Durchschnittswert von 516
Punkten und liegen somit 16 Punkte über dem OECD-Durchschnitt
und 32 Punkte über dem deutschen Wert. Mit 304 Punkten ist die
Spannbreite der Leistungsdifferenzen ebenfalls weit geringer als in
Deutschland (366 Punkte), was ca. einer halben Kompetenzstufe
entspricht (vgl. Tab. 2.1). Dies zeigt auch der weitaus geringere
Anteil von 12,6%, der zur Risikogruppe gehörenden schwedischen
Jugendlichen. Das sind über 5% weniger als im OECD-Durchschnitt,
und Schweden weist hier einen wesentlichen Unterschied im direkten
Vergleich zu Deutschland (22,5%) auf. Entscheidend ist dabei, dass
nur etwa 4% schwedischer 15-jähriger die Kompetenzstufe I nicht
erreichen, während dies in Deutschland mehr als doppelt so viele
(9,9%) sind (vgl. Abb. 2.1).
Zwar gelten auch für Schweden dieselben bei PISA
gefundenen migrationspezifischen Zusammenhänge wie für
Deutschland, doch fallen diese insgesamt deutlich geringer aus. So

14
ist die Wahrscheinlichkeit, zur potenziellen Risikogruppe zu gehören,
für schwedische Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund
insgesamt geringer als in Deutschland; im innerschwedischen
Vergleich ist sie allerdings noch höher als für diejenigen
Jugendlichen, deren beide Elternteile in Schweden geboren wurden.
Aufgrund dessen soll im Folgenden das Abschneiden deutscher und
schwedischer Schüler mit Migrationshintergrund verglichen werden.
2.6 Zum Abschneiden von Jugendlichen mit
Migrationshintergrund in Schweden und Deutschland
Die Ergebnisse von PISA 2000 zeigen, dass Jugendliche mit
Migrationhintergrund insgesamt viel schlechter Abschneiden als
Jugendliche, die selbst und deren Eltern aus dem jeweiligen
Teilnehmerstaat stammen. Unter Ausschluss von Schülerinnen und
Schülern mit Migrationshintergrund läge der Durchschnittswert für
Deutschland (510 Punkte) dann leicht über dem OECD-Durchschnitt
(507 Punkte), und damit insgesamt 23 Punkte höher. Für Schweden
ergäbe sich ein um 8 Punkte höherer Durchschnittswert von dann
524 Punkten.
12
Schon aus diesen Zahlen geht klar hervor, dass das
Abschneiden von Jugendlichen mit Migrationhintergrund auf das
Gesamtergebnis Schwedens einen viel geringeren Einfluss hat als
für Deutschland. Im Vergleich von Schülerinnen und Schülern, die
selbst und bei denen mindestens ein Elternteil ebenfalls im jeweiligen
Erhebungsland geboren wurden (Gruppe I), mit Jugendlichen, die
selbst im Erhebungsland, deren Eltern jedoch beide im Ausland
geboren wurden (Gruppe II), ergibt sich für Deutschland ein
Leistungsunterschied von 75 Punkten, was etwas mehr als einer
vollen Kompetenzstufe entspricht. Noch deutlicher wird der Abstand,
vergleicht man die 15-jährigen der Gruppe I mit der Gruppe von
Jugendlichen, die selbst und deren Eltern beide im Ausland geboren
wurden (Gruppe III). Hier steigt der Abstand auf 88 Punkte. In
12
Vgl. Stanat in: Deutsches PISA-Konsortium 2003, S. 245, Tab 9.1.

15
Schweden beträgt der Abstand zwischen Gruppe I und Gruppe II 38,
der Unterschied zwischen Gruppe I und Gruppe III 73 Punkte. Hinzu
kommt, dass die durchschnittlichen Leistungen von Jugendlichen mit
Migrationgeschichte in Schweden ein höheres Niveau erreichen als
die der deutschen Vergleichsgruppe. Die Durchschnittswerte auf der
Gesamtskala Lesekompetenz innerhalb der Gruppen liegen bei 523
Punkten für Gruppe I (Deutschland 507), 485 Punkten für Gruppe II
(Deutschland 432) und bei 450 Punkten für Gruppe III (Deutschland
419) (vgl. Tab. 2.3).
Tab. 2.3 Mittelwerte und kumulierte Abstände der Leseleistungen 15-jähriger
in Deutschland und Schweden nach eigener Herkunft und Herkunft
der Eltern.
(Quelle: OECD PISA Datenbank, 2001. Tabelle 6.10)
Dieses Bild wird weiterhin noch bestätigt, zieht man das wesentlich
strengere Kriterium der Umgangssprache der Familie heran. Beträgt
der Unterschied zwischen Schülerinnen und Schülern, deren
Umgangssprache in der Familie eine andere als die Testsprache ist,
zu Schülerinnen und Schülern, die innerhalb der Familie
ausschließlich die Testsprache sprechen, auf schwedischer Seite
schon 67 Punkte, liegt dieser in Deutschland bei 114 Punkten und
Deutschland
Schweden
Mittelwert
510
524
Mittelwert
507
523
SE
2,3
2,1
Differenz
3
1
Abstand zur
Referenzgruppe
3
1
Mittelwert
432
485
SE
9
7,3
Differenz
75
38
Abstand zur
Referenzgruppe
78
39
Mittelwert
419
450
SE
7,5
7,2
Differenz
13
35
Abstand zur
Referenzgruppe
91
74
2,3
2,2
Referenzgruppe
Schülerinnen und Schüler, die (1) selbst wie auch beide
Elternteile in dem Erhebungsland geboren wurden und
(2) deren Umgangssprache der Testsprache entspricht
Gruppe I
(Native Students)
Schülerinnen und Schüler die in dem Erhebungsland
geboren und bei denen mindestens ein Elternteil
ebenfalls in diesem Land geboren wurde
Gruppe II
(First Generation Students)
Schülerinnen und Schüler, die in dem Erhebungsland
geboren, deren Eltern jedoch beide in einem anderen
Land geboren wurden
Gruppe III
(Non-Native Students)
Schülerinnen und Schüler, die selbst und auch deren
Eltern außerhalb des Erhebungslandes geboren
wurden
SE

16
damit ca. 2/3 Kompetenzstufen höher als in Schweden (vgl. Tab.
2.4).
Es bleibt anzumerken, dass die Höhe der
Leistungsunterschiede mit der Stärke des Migrationhintergrunds
koinzidiert. Dieser Zusammenhang wird in Tab. 1.3 dargestellt.
Während sich die Jugendlichen der Gruppe I in beiden Ländern nur
marginal von den Leistungen der Schülerinnen und Schüler gänzlich
ohne Migrationshintergrund unterscheiden, ist der Unterschied zur
Gruppe II mit 78 Punkten für Deutschland und 39 für Schweden
Tab. 2.4
Mittelwerte und Abstände der Leseleistungen 15-Jähriger in
Deutschland und Schweden nach Umgangssprache in der
Familie.
(Quelle: OECD PISA Datenbank 2001. Tabelle 6.11
13
)
schon beträchtlich und steigt bis zur Gruppe III auf dann 91 bzw. 74
Punkte an, wobei der Sprung von Gruppe II zu Gruppe III in
Schweden im Verhältnis größer ist als bei den deutschen
Vergleichsgruppen. Die Jugendlichen mit dem stärksten
Migrationshintergrund schneiden im Vergleich zu Jugendlichen ohne
Migrationshintergrund auch am schlechtesten ab. Es scheint, dass
der Migrationshintergrund einen erheblichen Einfluss auf die
Bildungschancen von Jugendlichen ihrer Altersgruppe ausübt, und
zu deutlichen Nachteilen führt. Da der Einfluss des
Migrationshintergrundes in Schweden nicht so erheblich wie in
Deutschland ausfällt, stellt sich die Frage, ob zunächst noch andere
Faktoren für das schlechte Abschneiden von Jugendlichen aus
Migrationfamilien entscheidend sind, die hinsichtlich ihrer Relevanz
13
siehe Anhang 2.
Deutschland Schweden
Mittelwert
386
456
Mittelwert
500
523
SE
2,9
2
Abstand
114
67
SE
13,9
7,1
Schülerinnen und Schüler, deren Umgangssprache
in der Familie eine andere als die Testsprache ist
Schülerinnen und Schülern, die innerhalb der
Familie ausschließlich die Testsprache sprechen

17
im schwedisch-deutschen Vergleich eine erkennbar abweichende
Akzentuierung finden.
2.6 Einflussfaktoren in der Bildungsbeteiligung von
Migrantenkindern
2.6.1 Soziale Herkunft
Wesentliche Faktoren für die Bildungsbeteiligung von
Jugendlichen liegen in deren sozialen Herkunft begründet. Eine
wichtige Variable stellt dabei der sozioökonomische Status der
Herkunftsfamilie dar, der bei PISA u.a. durch den höchsten in einer
Familie erreichten sozioökonomischen Index (Highest International
Socio-Economic Index), den HISEI, als ein international
vergleichbares Maß, gebildet wurde. Für Deutschland ergibt sich
darin ein Mittelwert von 48,6 Punkten; Schweden liegt leicht darüber
und kommt auf 50,4 Punkte, womit beide Staaten im internationalen
Vergleich einen eher unauffälligen Platz im oberen Bereich
einnehmen (vgl. Tab 2.5). Analysen im Rahmen von PISA 2000
weisen jedoch darauf hin, dass ein relativ straffer Zusammenhang
zwischen sozioökonomischem Status und Lesekompetenz besteht.
14
Im Vergleich zu Jugendlichen des oberen Viertels der Sozialstruktur
erzielen Schülerinnen und Schüler von Familien aus dem unteren
Viertel demnach im Durchschnitt schwächere Leseleistungen. Dieser
Befund fällt in Deutschland größer aus als in allen anderen
Teilnehmerländern. Wie Tab. 2.5 zeigt, liegt die Differenz zwischen
oberstem und unterstem Quartil im Bereich der Lesekompetenz bei
111 Punkten, wobei im untersten Quartil ein auffällig niedriger Wert
von nur 427 Punkten erreicht wird. Im mitteleuropäischen Vergleich
wird der nur noch von Luxemburg unterschritten. In Schweden findet
sich hingegen eine, um über eine halbe Kompetenzstufe geringere
Differenz von lediglich 72 Punkten.

18
Tab 2.5
Sozioökonomischer Status (HISEI) und Lesekompetenzen von
15-jährigen in Deutschland und Schweden
(Quelle: Deutsches PISA-Konsortium 2001, Tabelle 8.21 u. 8.22)
Wie stellt sich dieser Zusammenhang nun für Familien mit
Migrationgeschichte dar? Deutschland und Schweden gehören zu
der Gruppe von europäischen Staaten, die als Zielländer der
jüngeren europäischen Arbeitsmigration gelten. ,,Die soziale Lage der
Zuwandererfamilien ist [hier], solange die Sprachdistanz besteht, in
der Regel deutlich ungünstiger als die der einheimischen Familien".
15
Zieht man das sehr strenge Kriterium der Umgangssprache in der
Familie als Definition des Migrationshintergrundes heran, wird der
Unterschied ­ hier angegeben als sozioökonomischer Index (ISEI) ­
zu einheimischen Familien sehr deutlich. Familien, deren
Umgangssprache eine andere als die Testsprache ist, erreichen in
Deutschland nur ein Mittelwert von 35,8 ISEI-Punkten, in Schweden
41,5 Punkte, während Familien ohne migrationsprachlichen
Hintergrund auf 44,4 Punkte in Deutschland bzw. 45,4 Punkte in
Schweden kommen. Hier zeigt sich, dass Einwandererfamilien, auch
wenn diese an ihrer Muttersprache festhalten, in Schweden einen
höheren sozioökonomischen Status erreichen. Andererseits bleiben
diese jedoch auch hier weit hinter einheimischen Familien zurück.
16
Parallel zum sozioökonomischen Status finden sich erheblich
geringere Leseleistungen bei Jugendlichen mit
migrationsprachlichem Hintergrund. Baumert u. Schümer (2001)
führen dazu einen aussagekräftigeren Vergleich an, bei dem sie,
neben dem Kriterium der Umgangssprache, außerdem die
14
Vgl. Baumert u. Schümer in: Deutsches PISA-Konsortium 2001, S. 379ff.
15
Baumert u. Schümer in: Deutsches PISA-Konsortium 2001, S. 350-351.
16
Vgl. ebd., Tabelle 8.9.
Mittelwert
Oberstes Quartil der
Sozialstruktur (HISEI)
Unteres Quartil der
Sozialstruktur (HISEI)
Differenz
Deutschland
48,6 (0.3)
484 (2,5)
538 (3,8)
427 (4,0)
111 (5,4)
Schweden
50,4 (0,4)
516 (2,2)
556 (3,2)
484 (2,7)
72 (3,8)
Lesekompetenz
Staat
Sozioökonomischer
Status

19
Vergleichbarkeit der Zuwanderungsgruppen berücksichtigen.
17
Die
Ergebnisse vermittelt Tab. 2.6. Die mittleren Leseleistungen der
Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind in beiden Staaten sogar
noch weit unterhalb des Mittelwertes für 15-jährige aus Familien des
unteren Quartils des sozioökonomischen Status (HISEI).
Tab. 2.6
Sozialschicht (HISEI) und Lesekompetenz von 15-jährigen aus
Familien, deren Umgangssprache nicht Testsprache ist, nach
ausgewählten Staaten und Umgangssprache der Familie.
(Quelle: Deutsches PISA-Konsortium 2001, Tab 8.23)
Abschließend lässt sich also feststellen, dass der Zusammenhang
zwischen niedrigem sozialen Status und geringer Lesekompetenz bei
Schülerinnen und Schülern mit Migrationgeschichte, aufgrund des
sehr niedrigen sozioökonomischen Status ihrer Familien, besonders
ausgeprägt ist. In Schweden scheinen Zuwandererfamilien
insgesamt aber besser sozial integriert zu sein, worauf deren höhere
Sozialschichtzugehörigkeit und die erheblich besseren
Leseleistungen hinweisen. Sie liegen zwischen einer halben und
etwa einer Kompetenzstufe über den Leistungen der deutschen
Vergleichsgruppe.
2.6.2 Migrationshintergrund
Entkoppelt von anderen Faktoren stellt der Einfluss der sozialen
Herkunft einen nicht unerheblichen Faktor für die Bildungschancen
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund dar. Als entscheidender
17
Auf die nur relativ kleinen Fallzahlen von 30 ­ 100 Jugendlichen sei an dieser Stelle
hingewiesen.
Sozialschicht
Lesekompetenz
Sozialschicht
Lesekompetenz
Deutschland
42,9 (3,8)
408 (31,1)
33,6 (1,0)
360 (20,1)
Schweden
41,5 (2,6)
445 (10,4)
43,7 (2,5)
436 (11,7)
Umgangssprache der Familie
Serbisch/kroatisch/bosnisch
Türkisch/kurdisch
Staat

20
Faktor aber bleibt der Migrationshintergrund selbst bestehen! Um
diesen folgenschweren Befund herauszustellen, greifen Baumert et
al. auf das statistische Verfahren der logistischen
Regressionsanalyse zurück, mit dem das relative Risiko, im Lesen
die Kompetenzstufe I nicht zu überschreiten ­ also zur Risikogruppe
zu gehören ­ unter Kontrolle aller anderen Faktoren, geschätzt
werden kann. Dabei stellt sich für Schülerinnen und Schüler mit
Migrationsgeschichte auch dann noch ein stark erhöhtes Risiko, zur
Gruppe der Risikoschüler zu gehören, heraus, wenn alle anderen
Einflussfaktoren konstant gehalten werden. In Deutschland bedeutet
der Faktor Migrationshintergrund ein um das 2,6fach erhöhtes Risiko,
zur Gruppe schwacher und schwächster Lesekompetenz zu
gehören. In Schweden ist das mit Migrationshintergrund verbundene
Risiko weniger als 1,7fach erhöht (vgl. Tab. 2.7).
Tab 2.7
Relatives Risiko zur Gruppe der Risikoschüler zu gehören in
Abhängigkeit von Sozialschicht, Bildungsniveau und
Migrationshintergrund der Familie.
(Quelle: Deutsches PISA-Konsortium 2001, Tab. 8.25)
2.7 Fazit
Die bei Pisa 2000 untersuchten Basiskompetenzen von 15-jährigen
stellen für den beruflichen wie auch persönlichen Erfolg in der
Gesellschaft elementare Qualifikationen dar, wobei der
Beherrschung ausreichender Leseleistungen als
Schlüsselkompetenz eine besondere Bedeutung zukommt. Doch
gerade im Bereich der Lesekompetenz weisen deutsche
Vergleichsgruppe
Sekundarstufe I
Vergleichsgruppe
tertiäre Bildung
Deutschland
22,5
2,45
2,52
4,02
2,62
Schweden
12,6
2,3
1,68
1,48
1,68
Höchster Bildungsabschluss der
Familie, maximal Sekundarstufe I
(ohne formale Berufsausbildung)
Staat
Risikofaktoren
Stellung der
Familie im
unteren Viertel
der Sozialstruktur
Familien mit
Migrationhintergrund
(mind. ein Elternteil
im Ausland geboren)
15-Jährige, die im
Lesen
Kompetenzstufe I
nicht überschreiten
(in %)

21
Schülerinnen und Schüler große Defizite im internationalen und
insbesondere im Vergleich zu Schweden auf, was u.a. am sehr
hohen Anteil an Risikoschülern erkennbar wird. Mehr als die Hälfte
der 15-jährigen dieser Gruppe stammt dabei aus Familien mit
Migrationgeschichte, die auch insgesamt sehr viel schlechter
abschneiden als ihre >>deutsche Vergleichsgruppe. Sie haben somit
einen bedeutenden Einfluss auf das Gesamtergebnis Deutschlands.
Erkennbar wird dieser Einfluss auch für Schweden, fällt er hier
jedoch weniger nachhaltig aus. Die Integration von
Einwandererfamilien scheint in Schweden also erfolgreicher zu
verlaufen als in Deutschland. Dies zeigt nicht nur das bessere
Abschneiden der Jugendlichen mit Migrationshintergrund sondern
auch der höhere sozioökonomische Status ihrer Herkunftsfamilien.
Da auch unter Kontrolle der sozialen Hintergründe in Deutschland
ein höheres Risiko, zur Gruppe von Schülerinnen und Schülern mit
schwacher Lesekompetenz zu gehören, bestehen bleibt als in
Schweden, wird bestätigt, dass der entscheidende Grund für das
schlechte Abschneiden von Jugendlichen mit Migrationgeschichte in
der unzureichenden Sprachkompetenz liegt. Die, je nach
Bildungsgang, angemessene Beherrschung der jeweiligen
Landessprache ist verantwortlich für eine erfolgreiche
Bildungsbeteiligung nicht nur ausländischer Jugendlicher.
18
Der
große Anteil von fast 50% deutschsprachiger Jugendlicher gänzlich
ohne Migrationshintergrund an der Gruppe der Risikoschüler zeigt
außerdem, dass auch unter Jugendlichen ohne Migrationshintergund
die Sprachdistanz ein Problem für ihre Zukunft darstellt.
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für unser
Bildungssystem? Die sprachliche Distanz zwischen Jugendlichen
aus Einwandererfamilien zu einheimischen Jugendlichen fällt nach
den Ergebnissen der PISA-Studie in Schweden deutlich geringer aus
als in Deutschland. Deshalb soll mit Blick auf das schwedische
Bildungssystem im weiteren Verlauf dieser Arbeit untersucht werden,
18
Vgl. Baumert u. Schümer in: Deutsches PISA-Konsortium 2001, S. 374 u. 379.

22
wie die Förderung migrationsbelasteter Jugendlicher im Vergleich
zum deutschen Bildungssystem implementiert ist.

23
3. Das Schwedische Bildungssystem
3.1 Grundlegende Werte: Demokratie und Chancengleichheit
Das schwedische Bildungssystem ist eng verknüpft mit den
gesellschaftspolitischen Prinzipien der Chancengleichheit und
Demokratie, die charakteristisch für alle Bereiche der schwedischen
Gesellschaft sind. Unter dem ersten sozial-demokratischen
Ministerpräsidenten, Per Albin Hansson, entstand nach dem zweiten
Weltkrieg die Vision des ,,Folkhelm", eines Wohlfahrtsstaates mit
maximaler Integrationskraft und Chancengleichheit.
19
Dieser avancierte
zum Leitbild sozialdemokratischer Politik bis in die heutige Zeit. So
wurde 1962, nach einer zehnjährigen Erprobungsphase in
Schulversuchen, die neunjährige, verpflichtende Einheitsschule
(Grundskolan) eingeführt, die die Prinzipien der Chancengleichheit und
Demokratie auch im Bildungswesen festschrieb und bis heute Bestand
hat. Das schwedischen Schulgesetz hält diese Werte an oberster Stelle
fest. Dort heißt es: ,,all children shall irrespective of gender, place of
residence or their social or financial conditions, have equal access to
education in the state school system for children and young people.
Education in all types of schools shall be of equal value, irrespective of
where in Sweden it is provided. (...) School activities shall be structured
in accordance with fundamental democratic values. Each and every
person active in the school system shall promote respect for the
intrinsic value of every human being and for our common
environment."
20
19
Ludwig, HLZ 12/2001, S. 46.
20
Schwedisches Schulgesetz vom 12. Dezember 1985, zuletzt geändert durch SFS 2000:445,
Kapitel 1, S.2.

24
3.2 Bildungsverwaltung
3.2.1 Nationale Bildungsverwaltung
Schweden ist auch heute noch eine Monarchie. Der König bildet das
Staatsoberhaupt (z.Z. Carl Gustav, XVI.). Gleichwohl umfassen seine
Befugnisse lediglich repräsentative Aufgaben als höchster Vertreter der
Monarchie. Die gesetzgebende Gewalt obliegt im Rahmen einer
repräsentativen und parlamentarischen Demokratie dem schwedischen
Parlament, dem Riksdag. Dieser besteht aus gegenwärtig 349
Abgeordneten, die für 4 Jahre gewählt werden. Die Regierung als
exekutive Gewalt besteht aus dem Premierminister und seinen den
verschiedenen Ministerien vorstehenden Ministern. Sie bringt
Gesetzesvorschläge zur Abstimmung in den Riksdag ein und ist zur
Umsetzung der beschlossenen Gesetze verpflichtet.
Das schwedische Parlament stellt somit die oberste
Entscheidungsgewalt für das Bildungswesen dar. Hier werden die
grundlegenden und national verbindlichen Entscheidungen
verabschiedet und die staatlichen Mittel für das Bildungswesen
bewilligt. In Schulgesetz, Schulordnung, Lehrplänen und Kursplänen
gibt die Regierung den landesweit gültigen bildungspolitischen Rahmen
vor.
21
Zur Umsetzung der Beschlüsse ist das Ministerium für Bildung
und Wissenschaft verantwortlich. Dieser obersten Verwaltungsinstanz
für das schwedische Bildungswesen fallen Kompetenzen in fast allen
Bereichen des Bildungssystems zu.
22
Dazu gehören: die Vorschule
(Förskola), die Vorschulklasse (Förskoleklass), die Grundschule
(Grundskola), das Gymnasium (Gymnasieskola), die
Erwachsenenbildung (Komvux), sowie die universitäre Bildung und
Forschung. Daneben fallen auch die Spezialschulen für Schülerinnen
und Schüler mit Lernbehinderungen (Särskola) und solche mit Taubheit
21
Vgl. Schwedisches Institut 2001: Gymnasialschule und Erwachsenenbildung. Stockholm.
22
Daneben sind noch die Ministerien für Arbeit (Arbeitsmarktausbildung) und Wirtschaft
(Agrarwissenschaften) innerhalb ihrer Bereiche für Bildungsfragen zuständig. Vgl.
Eurydice 2003, Kapitel 2.5.1.

25
(Specialskola) in den Verantwortungsbereich des Ministeriums für
Bildung und Wissenschaft.
Mit Beginn der 1990er Jahre setzte in Schweden ein
Reformprozess ein, in dessen Zuge auch die Verwaltung des
Bildungswesens hin zu einer dezentraleren Struktur reformiert wurde.
Erfolgte die Bildungsorganisation bis dahin auf der Basis nationaler
Gesetze in einer ,,Top-to-Bottom-Struktur", sind nun die Kommunen
direkt für die Schulorganisation innerhalb ihres Verwaltungsbereichs
verantwortlich. Das Ministerium für Bildung und Wissenschaft gibt
lediglich den gesetzlichen Rahmen mittels vordefinierter Ziele vor, in
dessen Grenzen die Kommunen frei in der Ausgestaltung ihrer
Bildungsangelegenheiten sind. Die neue dezentrale
Verwaltungsstruktur folgt einem ,,Management-by-Objectives-Modell".
Die Regierung legt die nationalen Bildungsziele in den Curricula und
Kursplänen fest und den Schulen kommt die Aufgabe zu, diese Ziele zu
erreichen.
23
Um dennoch national einheitliche Bildungsstandards zu
bewahren, unterliegen die Schulen der ständigen Kontrolle und
Evaluierung durch eine nationale Schulbehörde, dem Zentralamt für
Schule und Erwachsenenbildung (Skolverket). Die Behörde untersteht
dem Ministerium für Bildung und Wissenschaft. Sie ist mit ihren
elf Außenstellen verantwortlich für die Einhaltung der nationalen
Richtlinien und die Erreichung der vorgegebenen Ziele in den
kommunalen- wie auch in den unabhängigen Schulen.
Seit März 2003 wird die Arbeit des Zentralamts durch eine neue
Behörde, die Behörde für Schulentwicklung, ergänzt.
24
Diese unterstützt
die Kommunen und Schulen in den Bereichen der vorschulischen-,
schulischen- als auch in der Erwachsenenbildung bei der Entwicklung
und Verbesserung ihrer Bildungsaktivitäten, um die nationalen
Standards zu erreichen: ,,The main task of the Authority for school
development is to support and stimulate municipalities and schools in
their work of achieving the national goals."
25
23
Vgl. Gran 2001, S. 256.
24
Frei übersetzt aus dem Englischen ,,authority for school development".
25
Eurydice 2003, Kapitel 2.5.1.2.1.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832476199
ISBN (Paperback)
9783838676197
DOI
10.3239/9783832476199
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg – Pädagogik
Erscheinungsdatum
2004 (Januar)
Note
1,3
Schlagworte
pisa bildungspolitik förderung schüler schweden
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