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Der Legitimationsdiskurs zum Irakkrieg 2003

Eine Studie zum vermuteten Zusammenspiel zweier konservativer think tanks und der Administration Bush

©2003 Lizentiatsarbeit 109 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die vorliegende Arbeit untersucht das Zusammenspiel zweier konservativer think tanks - dem Project for the New American Century sowie der Heritage Foundation - und der Administration von George W. Bush in der Legitimationsfrage zum Irakkrieg 2003. Der Autor vermutet, dass die beiden Denkfabriken die Regierung ideologisch zu beeinflussen vermochten und deren Legitimationsdiskurs zum Irakkrieg nachweislich prägten.
Im Anschluss an theoretische Betrachtungen zu verschiedenen Denkrichtungen der amerikanischen Aussenpolitik und zur Funktionsweise und dem Einfluss von think tanks auf die Politik wird diese Hypothese anhand zweier Dimensionen geprüft: In der institutionellen Dimension werden die personellen Beziehungen zwischen den beiden think tanks und der Politikebene untersucht und die grundsätzlichen politischen Zielsetzungen der beiden Organisationen herausgearbeitet.
In der diskursiven Dimension wird sodann eine Textanalyse durchgeführt. Dabei werden in Texten der think tanks sowie einzelner Regierungsmitglieder Argumente für den Irakkrieg isoliert und anhand eines Kategoriensystems den erwähnten Denkrichtungen amerikanischer Aussenpolitik zugeordnet, womit sie miteinander vergleichbar werden. Während den Analysen bildete sich eine weitere Argumentekategorie heraus, welche als juristisch geprägt bezeichnet wird.
Der Autor kommt zum Schluss, dass das Vorliegen eines Einflusses der think tanks auf den Legitimationsdiskurs der Administration Bush plausibel erscheint. Namentlich die Resultate aus der institutionellen Dimension legen jedoch nahe, dass von einer gegenseitigen Beeinflussung auszugehen ist.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Einleitung1
1.1Zum Thema1
1.2Aufbau der Arbeit2
1.3Hypothese3
1.4Thematische Abgrenzung4
2.Methode5
2.1Allgemeine Überlegungen zur Problemstellung5
3.Geschichtlicher Rückblick6
3.1Der 11September und der Krieg gegen den Terror6
3.2Der Irak-Krieg und die Krise der Legitimation8
4.Theorien zur Formulierung amerikanischer Aussenpolitik: eine Auswahl9
4.1Isolationismus versus Internationalismus10
4.2Realismus versus Idealismus11
4.3Unilateralismus versus Multilateralismus13
5.Quelle der Ideen? Die think tanks16
5.1Arten und Zweck von think tanks16
5.2Der Einfluss von think tanks auf die amerikanische Aussenpolitik18
5.3Auswahl von think tanks für die vorliegende Arbeit21
5.4Neokonservative und Neokonservativismus22
5.5Der Einfluss Neokonservativer auf die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7595
Lüscher, Lukas: Der Legitimationsdiskurs zum Irakkrieg 2003 ­ Eine Studie zum
vermuteten Zusammenspiel zweier konservativer think tanks und der Administration
Bush
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Universität Bern, Universität, Lizentiatsarbeit, 2003
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http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit untersucht das Zusammenspiel zweier konser-
vativer think tanks - dem Project for the New American Century sowie der
Heritage Foundation - und der Administration von George W. Bush in der
Legitimationsfrage zum Irakkrieg 2003. Der Autor vermutet, dass die bei-
den Denkfabriken die Regierung ideologisch zu beeinflussen vermochten
und deren Legitimationsdiskurs zum Irakkrieg nachweislich pr¨agten. Im
Anschluss an theoretische Betrachtungen zu verschiedenen Denkrichtun-
gen der amerikanischen Aussenpolitik und zur Funktionsweise und dem
Einfluss von think tanks auf die Politik wird diese Hypothese anhand
zweier Dimensionen gepr¨
uft: In der institutionellen Dimension werden
die personellen Beziehungen zwischen den beiden think tanks und der Po-
litikebene untersucht und die grunds¨atzlichen politischen Zielsetzungen
der beiden Organisationen herausgearbeitet. In der diskursiven Dimen-
sion wird sodann eine Textanalyse durchgef¨
uhrt. Dabei werden in Tex-
ten der think tanks sowie einzelner Regierungsmitglieder Argumente f¨
ur
den Irakkrieg isoliert und anhand eines Kategoriensystems den erw¨ahnten
Denkrichtungen amerikanischer Aussenpolitik zugeordnet, womit sie mit-
einander vergleichbar werden. W¨ahrend den Analysen bildete sich eine
weitere Argumentekategorie heraus, welche als juristisch gepr¨agt bezeich-
net wird. Der Autor kommt zum Schluss, dass das Vorliegen eines Einflus-
ses der think tanks auf den Legitimationsdiskurs der Administration Bush
plausibel erscheint. Namentlich die Resultate aus der institutionellen Di-
mension legen jedoch nahe, dass von einer gegenseitigen Beeinflussung
auszugehen ist.

Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1
1.1
Zum Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.2
Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1.3
Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1.4
Thematische Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
2 Methode
5
2.1
Allgemeine ¨
Uberlegungen zur Problemstellung . . . . . . . . . . .
5
3 Geschichtlicher R¨
uckblick
6
3.1
Der 11. September und der Krieg gegen den Terror
. . . . . . .
6
3.2
Der Irak-Krieg und die Krise der Legitimation
. . . . . . . . . .
8
4 Theorien zur Formulierung amerikanischer Aussenpolitik: eine
Auswahl
9
4.1
Isolationismus versus Internationalismus . . . . . . . . . . . . . .
10
4.2
Realismus versus Idealismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
4.3
Unilateralismus versus Multilateralismus . . . . . . . . . . . . . .
13
5 Quelle der Ideen? Die think tanks
16
5.1
Arten und Zweck von think tanks
. . . . . . . . . . . . . . . . .
16
5.2
Der Einfluss von think tanks auf die amerikanische Aussenpolitik
18
5.3
Auswahl von think tanks f¨
ur die vorliegende Arbeit
. . . . . . .
21
5.4
Neokonservative und Neokonservativismus . . . . . . . . . . . . .
22
5.5
Der Einfluss Neokonservativer auf die U.S.-Politik
. . . . . . . .
23
6 Operationalisierung
25
6.1
Institutionelle Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
6.1.1
Die think tank als Institution . . . . . . . . . . . . . . . .
26
6.1.2
Die think tank als Gruppe von Personen . . . . . . . . . .
26
6.2
Diskursive Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
6.2.1
Strukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
6.2.2
Argumentekategorien
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
6.2.3
Isolierung von Argumenten und Vorgehen bei der Auswer-
tung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
6.2.4
Auswahl der Texte
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
7 Project for the New American Century
29
7.1
Institutionelle Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
7.1.1
PNAC als Institution
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
7.1.2
PNAC als Gruppe von Personen . . . . . . . . . . . . . .
31
7.2
Diskursive Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
7.2.1
Auswertung der Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
7.2.2
Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
i

8 The Heritage Foundation
49
8.1
Institutionelle Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
8.1.1
Heritage als Institution . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
8.1.2
Heritage als Gruppe von Personen . . . . . . . . . . . . .
50
8.1.3
PNAC und Heritage im Vergleich . . . . . . . . . . . . . .
52
8.2
Diskursive Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
8.2.1
Auswertung der Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
8.2.2
Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
8.2.3
Umgang mit nicht klassifizierbaren Argumenten
. . . . .
71
9 Administration Bush
73
9.1
Diskursive Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
9.1.1
Auswahl der Personen und der Texte
. . . . . . . . . . .
73
9.1.2
Auswertung der Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
9.1.3
Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
10 Fazit
92
10.1 Diskursive Dimension im ¨
Uberblick . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
10.2 Diskussion der Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
10.3 Stimmen zu PNAC und Heritage . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
10.3.1 PNAC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
10.3.2 Heritage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
10.4 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
Tabellenverzeichnis
1
Beziehungsgeflecht PNAC-MitarbeiterInnen . . . . . . . . . . . .
34
2
Unterzeichner des PNAC-Statement of Principles . . . . . . . . .
36
3
Beziehungsgeflecht Heritage-Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . .
54
4
Administration Bush: Personen- und Textauswahl . . . . . . . .
75
5
Argumente ¨ahnlichen oder gleichen Inhalts . . . . . . . . . . . . .
94
6
Wege des Legitimationsdiskurses . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
ii

1
Einleitung
1.1
Zum Thema
Mit den Ereignissen vom 11. September 2001 sind die Vereinigten Staaten von
Amerika in eine komplexe innen- und aussenpolitische Lage geraten. Pr¨asident
George W. Bush und seine Regierung stehen vor der schwierigen Aufgabe, die
von einer nur in Umrissen bekannten Gruppe von gewaltbereiten Kontrahenten
ausgehenden Gefahren wirksam einzud¨ammen. Die Bush-Administration hat
sich mit dem Krieg gegen den Terror
1
ur eine Strategie entschieden, welche
nebst der Verfolgung der Attent¨ater vom 11. September auch die milit¨arische
Bek¨ampfung potenzieller (zuk¨
unftiger) Aggressoren vorsieht. Damit haben sich
die USA in eine aussenpolitisch stark kontroverse Lage man¨ovriert (vgl. da-
zu Kapitel 3.1). Im R¨
uckblick auf die j¨
ungste Vergangenheit fallen folgende
Besonderheiten der U.S.-Aussenpolitik auf:
1. Die milit¨arische Intervention im Irak erfolgte gegen den Willen des UNO-
Sicherheitsrates und trotz weltweiten Protesten der Zivilbev¨olkerung mit
Millionen von Demonstrantinnen und Demonstranten. Der Alleingang der
USA in der Irakkrise stellt die Bedeutung des UNO-Systems in Frage;
2. In ihrer Sicherheitsstrategie entwickelte die Bush-Administration das Kon-
zept des Pr¨aventivschlages, des preemptive strike;
3. Die USA schufen milit¨arische Koalitionen, welche die Geschichte vorher
kaum gekannt hatte. An die Stelle traditioneller mitteleurop¨aischer Koali-
tionspartner traten Randstaaten der Europ¨aischen Union. So ¨
ubernahmen
im Irak nebst britischen auch polnische Truppen milit¨arische Aufgaben;
4. Die amerikanische Koalitionspolitik f¨
uhrte innerhalb der Europ¨aischen
Union (EU) wie auch im Verh¨altnis zwischen Mitteleuropa und den USA
zu einer Abk¨
uhlung mancher zwischenstaatlicher Beziehungen. So zeig-
ten sich manche EU-L¨ander ver¨argert dar¨
uber, dass sich Polen als EU-
Beitrittskandidat auf eine Koalition mit den USA eingelassen hatte, w¨ah-
rend die EU-Kernl¨ander Deutschland und Frankreich ihre Teilnahme am
Krieg verweigerten und damit die UNO st¨
utzten.
Das Abseitsstehen
Deutschlands wiederum war in den USA Gegenstand heftiger Kritik;
Die genannten Ereignisse haben auf der internationalen Ebene zu einer hef-
tigen Debatte ¨
uber die Bedeutung des internationalen Rechts und der UNO
gef¨
uhrt, um nur einige Diskussionsthemen zu nennen. Wenn die UNO sich
nicht bereit erkl¨art, eine milit¨arische Intervention in einem Konflikt von inter-
nationaler Tragweite zu unterst¨
utzen, entf¨allt hierf¨
ur eine grundlegende Legi-
timationsbasis. Genau dies ist im Falle des Irakkrieges geschehen (vgl. dazu
Kapitel 3.2). Zur Krise der Legitimation trug auch das Konzept des preemptive
strike bei, welches aus v¨olkerrechtlicher Sicht problematisch ist. Die USA waren
damit auf eine neue Legitimationsbasis angewiesen.
In der vorliegenden Arbeit konzentriere ich mich ausschliesslich auf den
ungsten Irakkrieg vom Fr¨
uhjahr 2003. Ausgegangen bin ich von der Frage,
1
Mit der Kursivschreibweise soll signalisiert werden, dass der Begriff hier ausschliesslich in
dem durch die Regierung George W. Bushs definierten Zusammenhang verwendet wird.
1

wie die Administration Bush in diesem Konflikt die Legitimationsfrage beant-
wortet hat. Der oben angesprochene, besondere Charakter dieses Krieges l¨asst
n¨amlich vermuten, dass auch der Legitimationsdiskurs einige Besonderheiten
aufweist. Es erscheint jedoch sinnvoll, die Argumentation der Administration
Bush nicht isoliert anzuschauen sondern als beeinflussbare Gr¨osse, wie ich sp¨ater
noch n¨aher ausf¨
uhren werde.
An dieser Stelle m¨ochte ich einen m¨oglichen Erkl¨arungsfaktor einf¨
uhren:
In den USA gibt es eine Vielzahl so genannter think tanks, welchen ein be-
tr¨achtlicher Einfluss auf die U.S.-Aussenpolitik zugesprochen wird. Die Be-
zeichnung think tank hat mehrere deutsche ¨
Ubersetzungen. So spricht man
von "Denkfabrik", "Ideenfabrik", "Expertenkommission" oder auch von "For-
schungsinstitut". Eine allgemeine englischsprachige Definition findet sich bei
Andrew Rich:
In my analysis, think tanks are defined as independent, non-interest-
based, nonprofit political organizations that produce and principally
rely on expertise and ideas to obtain support and to influence the
policy-making process [Rich 2001]:55.
W¨ahrend think tanks in den USA zum politischen Alltag geh¨oren, spielen sie
in Europa und namentlich in der Schweiz h¨ochstens eine untergeordnete Rolle.
Es handelt sich um Dienstleistungsbetriebe mit einem festen Gesch¨aftssitz - in
den USA meist in Washington D.C. angesiedelt - eigenen Printmedien und einem
professionellen Internet-Auftritt. Think tanks werden in erster Linie ¨
uber Spen-
den finanziert, welche oft von institutionalisierten Geldgebern stammen. Die
Angestellten ver¨offentlichen in regelm¨assigen Abst¨anden Analysen und Kom-
mentare zu aktuellen politischen Fragen, verfassen Nachschlagewerke oder brin-
gen ihr Wissen und ihre Handlungsempfehlungen im Rahmen von Hearings di-
rekt bei den politischen Entscheidungstr¨agern ein. Viele der MitarbeiterInnen
besitzen einen akademischen Titel, manche sind oder waren selbst in der Poli-
tik aktiv oder nutzen die T¨atigkeit bei einer think tank als Sprungbrett in die
Politik.
Anhand von zwei ausgew¨ahlten think tanks (vgl. Kapitel 5.3) m¨ochte ich nun
untersuchen, inwieweit sich der Legitimationsdiskurs der Administration Bush
zum Irakkrieg in Denktraditionen einf¨
ugt, welche von diesen Gruppierungen
vertreten werden.
1.2
Aufbau der Arbeit
In Kapitel 1.4 wird der Untersuchungsgegenstand der Arbeit von weiteren ver-
wandten Themen oder Institutionen abgegrenzt. Daran anschliessend folgen in
Kapitel 2 einige grunds¨atzliche methodische ¨
Uberlegungen, die sp¨ater im Ka-
pitel "Operationalisierung" sowie - spezifisch f¨
ur die Administration Bush - in
Kapitel 9.1.1 konkretisiert werden. In Kapitel 3 gebe ich einen kurzen ¨
Uberblick
¨
uber die wichtigsten aussenpolitischen Handlungen der Administration Bush seit
der Amts¨
ubernahme im Fr¨
uhjahr 2001. Ziel ist, die Problematik des Legitimie-
rens aussenpolitischer Handlungen anhand praktischer Beispiele zu illustrieren
und gleichzeitig die Vorgeschichte des j¨
ungsten Irakkrieges zu skizzieren. Im
theoretischen Teil ab Kapitel 4 orientiere ich mich zum einen an [Schild 2002],
welcher die Formulierung amerikanischer Aussenpolitik ¨
uber die Konflikte zwi-
schen verschiedenen Denkans¨atzen, so z.B. zwischen Idealisten und Realisten
2

oder zwischen Multilateralisten und Unilateralisten erkl¨art. Zum anderen nutze
ich Literatur zum Einfluss von think tanks und namentlich einige Werke von
Donald Abelson, um die Frage des Zusammenspiels von think tanks und der
Regierung n¨aher zu untersuchen.
Die Existenz von inhaltlichen Parallelen im Legitimationsdiskurs der think
tanks beziehungsweise der Administration Bush w¨are wohl kaum ein isolier-
tes Ph¨anomen. Eine Beeinflussung der Argumentationsmuster d¨
urfte vielmehr
die Folge von personellen Beziehungen auf der beruflichen und/oder politischen
Ebene sein. Auch l¨asst sich anhand der organisatorischen und ideologischen
Grunds¨atze und politischen Zielsetzungen der think tanks erforschen, ob diese
als Ideenlieferanten f¨
ur den Legitimationsdiskurs der Administration Bush wirk-
lich in Frage kommen. Um zu Aussagen ¨
uber m¨ogliche Parallelen zwischen dem
Legitimationsdiskurs der think tanks und der Administration Bush zu gelangen
und damit von einem Einfluss der think tanks auf die Regierung sprechen zu
k¨onnen, sollen deshalb zwei Dimensionen operationalisiert und erforscht wer-
den:
·
diskursive Dimension: der Legitimationsdiskurs in Texten und Reden der
think tanks sowie von Vertretern der Administration Bush.
·
institutionelle Dimension: Organisatorische und ideologische Grunds¨atze
der think tanks sowie personelle Verflechtungen mit der Regierung.
ur die diskursive Dimension werden aus den theoretischen Beitr¨agen in
Kapitel 4 Argumentekategorien abgeleitet, um Texte sowohl der think tanks wie
auch der Administration Bush einer Inhaltsanalyse unterziehen zu k¨onnen.
Im praktischen Teil wird f¨
ur jede think tank zuerst die institutionelle, dann
die diskursive Dimension behandelt. In der diskursiven Dimension sollen mit
Hilfe der erw¨ahnten Argumentekategorien s¨amtliche Argumente zur Legitimati-
on des Irakkrieges aus einer Reihe von Texten der think tanks herausgearbeitet
und den verschiedenen Denktraditionen zugeordnet werden. Damit entsteht ein
konkreter Argumentekatalog. Dieselben Kategorien werden auch auf die Texte
der einzelnen Mitglieder der Administration Bush angewandt, womit ich zwei
vergleichbare Argumentekataloge erhalte.
In Kapitel 10 werden die Erkenntnisse aus den Analysen beider Dimensionen
mit der Hypothese konfrontiert und kommentiert.
1.3
Hypothese
Der von der Administration Bush vertretene Legitimationsdiskurs zum Irak-
krieg 2003 hat ideologische Wurzeln im Argumentarium der untersuchten think
tanks. Dieser Zusammenhang l¨asst sich aus der Analyse zweier Dimensionen fol-
gern:
·
diskursive Dimension: vergleichende Textanalysen ergeben Parallelen und
Verwandtschaften im Legitimationsdiskurs.
·
institutionelle Dimension: Zwischen den untersuchten think tanks und der
Politik- und Regierungsebene lassen sich personelle Verflechtungen nach-
weisen. Sie werden von Abelson [Abelson 1996] als Bedingung f¨
ur eine
erfolgreiche Politikbeeinflussung durch think tanks genannt.
3

1.4
Thematische Abgrenzung
Politiker
2
sind bei der Formulierung ihrer Ideen, Konzepte und Entscheidungen
einer Vielzahl von Einfl¨
ussen ausgesetzt. Mit der vorliegenden Arbeit zur Be-
deutung zweier think tanks f¨
ur die Politikformulierung unter George W. Bush
untersuche ich letztlich nur einen Ausschnitt aus diesem grossen F¨acher an Ein-
fl¨
ussen. In Kapitel 5 versuche ich darzulegen, weshalb die Wahl gerade dieses
Untersuchungsgegenstandes gerechtfertigt erscheint.
Ich m¨ochte im aktuellen Kapitel eine kleine Auswahl weiterer Einfl¨
usse an-
sprechen, welche f¨
ur die Administration Bush bedeutsam sein d¨
urften. Damit
soll der - notwendigerweise eng definierte - Gegenstand dieser Arbeit in einen
gr¨osseren Zusammenhang gestellt und gleichzeitig gegen¨
uber diesem abgegrenzt
werden.
In der Presse wurde wiederholt auf das religi¨ose Umfeld des amerikani-
schen Pr¨asidenten hingewiesen. George W. Bush - Angeh¨origer der evangelisch-
methodistischen Kirche - hat seine religi¨osen ¨
Uberzeugungen regelm¨assig in Re-
den einfliessen lassen und Begriffe mit religionsgeschichtlicher Bedeutung zur
Umschreibung politischer Ereignisse verwendet. Man denke an die Referenz auf
Kreuzz¨uge in Zusammenhang mit dem Krieg gegen den Terror oder die Be-
zeichnung Achse des B¨osen. Fineman et.al. schreiben in der amerikanischen
Zeitschrift Newsweek vom 10. M¨arz 2003:
Bible-believing Christians are Bush's strongest backers, and turning
them out next year in even greater numbers is the top priority of the
president's political adviser Karl Rove. (...) They are, by far, the
strongest backers of a war - unilateral if need be - to remove Saddam
[Fineman et.al. 2003]:17.
Die just war-Debatte hat gem¨ass Fineman et.al. Wurzeln in der Southern
Baptist Church: "Leading advocates for the moral virtue of his (Bush's) positi-
on include Richard Land
3
, the key leader of the Southern Baptist Convention's
political arm" [Fineman et.al. 2003]:21. Tats¨achlich findet man in einem von
Richard Land im September 2002 (!) verfassten Dokument ein ausf¨
uhrliches
Argumentarium zur "Gerechtigkeit" eines m¨oglichen Krieges gegen Irak. Darin
wird auch das Konzept des preemptive strike und ein milit¨arisches Vorgehen
unter Ausschluss der UNO legitimiert. Die Pr¨aventivschl¨age bringt Land wie-
derum mit dem Konzept der vorgezogenen Selbstverteidigung in Verbindung.
Diese Argumentationslinie erscheint zwingend, denn die just war-Doktrin aner-
kennt nur Verteidigungskriege als "gerecht". Die Doktrin wird unter Verwen-
dung zahlreicher Bibelzitate und R¨
uckgriffen auf die Geschichte des Christen-
tums entwickelt. Zu den "Principles for Engaging in War" z¨ahlt unter anderem
der Grundsatz: "Right spirit: War should be regarded as a tragic necessity"
[Baptistpress.org 2003]. In einem im Februar 2003 publizierten Artikel
4
be-
gr¨
undet Land erneut, diesmal mit einer gewissen Systematik entlang der Haupt-
punkte der just war-Theorie, weshalb Amerikas Krieg gegen Irak "gerecht" sei.
2
Im Dienste einer besseren Lesbarkeit werden in dieser Studie nur die m¨
annlichen Formen
verwendet. Weibliche Personen sind in allen F¨
allen gedanklich mitber¨
ucksichtigt.
3
"Dr. Land was recently appointed by President George W. Bush to serve on the United
States Commission on International Religious Freedom" [SBC 2003].
4
"The Time Has Arrived: Bush Policy on Iraq Meets Just War Criteria". Der Artikel ist,
wie auch derjenige vom September 2002, im Dossier "Just War" vom Juli 2003 enthalten, vgl.
Literaturangabe.
4

Land betont in seinem Diskurs den Befreiungsaspekt der Intervention und be-
zeichnet die U.S.-Regierung als Hauptinstanz beim Entscheid f¨
ur oder gegen
den Krieg im Irak. Er schliesst mit den Worten:
Conducting war in a just manner is an act of Christian love that
seeks to accomplish the divinely ordained duty of the state: to pu-
nish and restrain evil and to protect and reward good. The Bush
administration's policy vis-`a-vis Saddam Hussein fits well within the
framework of Just War theory [Land 2003].
Den Artikeln von Richard Land ist ein am 24. September 2001 ver¨offentlichter
Text von Keith Pavlischek beigef¨
ugt, worin dieser mit Bezug auf antiterroristi-
sche Massnahmen ebenfalls f¨
ur die Anwendung der just war -Doktrin einsteht.
Pavlischek ist Direktor von Civitas
5
, einer Organisation, welche christlich orien-
tierte Doktoranden auf F¨
uhrungspositionen im akademischen Bereich, der Re-
gierung oder der Politik vorbereiten hilft. Civitas ist mit der think tank Ameri-
can Enterprise Institute (AEI) verbunden, welche wiederum enge Beziehungen
zu dem in dieser Arbeit eingehend behandelten Project for the New American
Century (PNAC) pflegen soll (vgl. [jdia.org 2003]).
Bei AEI arbeiten unter anderen Reuel Marc Gerecht und Thomas Donnelly
(beide PNAC), Lynne V. Cheney (die Ehefrau des Vizepr¨asidenten und Mit-
unterzeichners des PNAC-Statement of Principles Dick Cheney) sowie Irving
Kristol (der Vater des PNAC-Vorsitzenden William Kristol). AEI-Scholar Mi-
chael Novak schliesst sich mit seinem Artikel "Asymmetrical Warfare and Just
War"
6
den Verteidigern der just war-Doktrin an.
Der enge zeitliche Rahmen der vorliegenden Analyse (vgl. Kapitel 6.2.4)
bringt es mit sich, dass in der diskursiven Dimension einige grundlegende Texte
der beiden ausgew¨ahlten think tanks nicht ber¨
ucksichtigt werden k¨onnen, welche
ur meine Forschungsfrage zweifelsohne auch bedeutsam w¨aren.
2
Methode
2.1
Allgemeine ¨
Uberlegungen zur Problemstellung
Wenn erforscht werden soll, inwiefern der Legitimationsdiskurs von think tanks
zum Irakkrieg Eingang in den Diskurs der Regierung von George W. Bush ge-
funden hat, so scheinen quantitative Methoden g¨anzlich ungeeignet. Politische
Inhalte lassen sich weit weniger gut in Zahlen fassen als beispielsweise politisches
Wahlverhalten. Um also herauszufinden, inwiefern gewisse Denkmuster von den
think tanks zur Administration Bush gelangt sind, muss schriftliches Material
aller Parteien einer genauen Inhaltsanalyse unterzogen werden. Die Schwierig-
keit besteht nun darin, anhand dieser Dokumente in einer nachvollziehbaren Art
und Weise einen politischen Zusammenhang zwischen den ausgew¨ahlten Partei-
en herzustellen. Die Problematik wird von Donald E. Abelson, Professor f¨
ur
Politikwissenschaft an der University of Western Ontario, wie folgt umschrie-
ben:
5
http://www.cpjustice.org/civitas
6
http://www.aei.org
5

There is no doubt that think tanks can and have made valuable
contributions to American foreign policy and domestic policy. The
questions that scholars continue to struggle with are how much of
an impact and in what specific ways? [Abelson 2002]:12
Zwar haben sich politische Beobachter, Politikwissenschaftler, Mitarbeiter
von think tanks und bisweilen auch U.S.-Pr¨asidenten durchaus zum Einfluss
von Denkfabriken auf die amerikanische Aussenpolitik ge¨aussert. Entsprechen-
de Beobachtungen haben aber mangels Unabh¨angigkeit nur eine beschr¨ankte
Erkl¨arungskraft. Sie bieten immerhin den Anlass dazu, ¨
uberhaupt den Versuch
zum Nachweis eines Zusammenhangs zu unternehmen. Hierzu ein Beispiel von
Richard Haass, dem Director of Policy and Planning im U.S.-State Department,
welcher schreibt:
The most celebrated case occurred after the 1980 election, when the
Reagan administration adopted the Heritage Foundation's publica-
tion, 'Mandate for Change,' as a blueprint (dt. "Plan", "Entwurf ";
Anm. des Autors) for governing [Haass 2002]:7.
Solch klare F¨alle werden in dem von mir untersuchten Gebiet - der Legiti-
mation des Irakkrieges - kaum zu finden sein. Meiner Ansicht m¨
ussen nun zwei
Gruppen von Daten unterschieden werden: solche, die eine ¨
Ubereinstimmung
zwischen dem Legitimationsdiskurs der think tanks und demjenigen der Admini-
stration Bush aufzeigen und solche, die diese ¨
Ubereinstimmung erkl¨aren k¨onnen.
Zur ersten Gruppe geh¨orten inhaltlich ¨ahnliche oder ¨
ubereinstimmende Argu-
mente f¨
ur den Irakkrieg in Texten der think tanks und der Administration Bush.
Zur zweiten Gruppe z¨ahlen - unter anderem - Angaben zu den personellen Bezie-
hungen zwischen den untersuchten Parteien. Dabei ist es wichtig zu beachten,
dass keine dieser Datengruppen f¨
ur sich alleine sprechen kann, weshalb der Un-
tersuchungsgegenstand dieser Arbeit gleichzeitig von verschiedenen Seiten her
angegangen werden muss.
Diese allgemeinen ¨
Uberlegungen zum methodischen Vorgehen werden in den
Kapiteln 6 und 9.1.1 konkretisiert.
3
Geschichtlicher R¨
uckblick
3.1
Der 11. September und der Krieg gegen den Terror
Als George W. Bush im Januar 2001 sein Amt als 43. Pr¨asident der Vereinigten
Staaten von Amerika antrat, war offensichtlich, dass in der U.S.-amerikanischen
Innen- und Aussenpolitik ein bedeutender Richtungswechsel bevorstand. Aus
seinen ¨
Ausserungen im vorangegangenen Wahlkampf war ersichtlich geworden,
dass Bush nicht die Absicht hatte, den von Clinton gew¨ahlten Weg des mit Mass
vertretenen amerikanischen F¨
uhrungsanspruchs weiterzugehen.
Das politische Programm von George W. Bush liess vielmehr erwarten, dass
sich die USA fortan vermehrt auf Fragen der milit¨arischen St¨arke und der uni-
lateralen Durchsetzung amerikanischer Interessen konzentrieren w¨
urden. F¨
ur
die internationale Zusammenarbeit - sei es im milit¨arischen, wirtschaftlichen
oder juristischen Bereich - waren damit gr¨ossere Ver¨anderungen angesagt. So
z¨ogerte Bush nicht lange, um die von Clinton get¨atigte Unterzeichnung des
6

R¨omer Statuts f¨
ur einen Internationalen Strafgerichtshof zu widerrufen. Mit
diesem Schritt stellte der neue amerikanische Pr¨asident klar, dass die USA nicht
l¨anger bereit waren, empfindliche Einschr¨ankungen ihrer Souver¨anit¨at hinzuneh-
men. Auch im Umweltschutzbereich setzte Bush durch den Ausstieg aus dem
Kyoto-Protokoll ein deutliches Signal.
Durch die Terroranschl¨age vom 11. September 2001 auf das World Trade
Center in New York sowie das Pentagon in Washington, welche unz¨ahlige Zivil-
personen das Leben kosteten, wurde George W. Bush schon kurz nach Amts-
antritt auf eine harte Bew¨ahrungsprobe gestellt. W¨ahrend Amerika den Krieg
¨
uber Jahrzehnte nur als ein geographisch entferntes Ph¨anomen gekannt hatte
und mit ihrer milit¨arischen Macht in gewisse Bahnen zu lenken vermochte, war
er nun unvermittelt vor der Haust¨
ure aufgetaucht. Amerikas innere Sicherheit
war mit einem Schlag in Frage gestellt. Die ersten Vermutungen ¨
uber die Iden-
tit¨at der Urheber dieser Anschl¨age und ihre Motive liessen nicht lange auf sich
warten: Die Ereignisse des 11. September wurden rasch als ein Angriff auf den
amerikanischen Way of Life interpretiert, ja sogar als Kriegserkl¨arung gegen die
gesamte westliche Welt.
Entsprechend scharf fiel die Reaktion der amerikanischen Regierung aus. Der
gewaltsame Terror wurde als Hauptbedrohung der inneren Sicherheit der USA
und der internationalen Gemeinschaft identifiziert und ein umfangreiches Pro-
gramm f¨
ur einen Krieg gegen den Terror entwickelt. Hinter den Anschl¨agen
vermuteten die Geheimdienste bereits kurze Zeit nach dem 11. September
das Terrornetzwerk al-Qaida mit seiner F¨
uhrungsfigur, dem aus Saudi-Arabien
stammenden und in Afghanistan untergetauchten Usama Bin Laden.
W¨ahrend viele Beobachter eine umgehende milit¨arische Gegenoffensive der
USA erwarteten, ¨
uberraschte der Pr¨asident mit mehrw¨ochigem Abwarten. Die
amerikanische Gegenoffensive hatte vorerst haupts¨achlich verbalen Charakter.
Aus den Reden Bushs [Bush 2001] sowie weiterer Mitglieder seiner Regierung
wurde jedoch bald klar, dass die USA dabei waren, weitergehende Pl¨ane zu
schmieden. Diese w¨
urden nicht nur den milit¨arisch gef¨
uhrten Krieg gegen den
Terror zum Gegenstand haben. Vielmehr ging es um eine grundlegende Neu-
gestaltung der internationalen Beziehungen nach Mustern, welche in mancher
Hinsicht an den Kalten Krieg erinnerten, wenn auch mit anderen Akteurskon-
stellationen.
Interessant an der Aussenpolitik von George W. Bush war in erster Linie
die politische Sprache: Um der nur in Umrissen bekannten Urheberschaft der
Terroranschl¨age entgegenzutreten, wies Bush den einzelnen Staaten in um so
deutlicheren Worten ihre Rolle im Krieg gegen den Terror zu. Dabei liess er
klar durchblicken, dass f¨
ur ihn die Nationalstaaten - ungeachtet der verdeckt
und international operierenden Terroristen - eine grosse Verantwortung f¨
ur Ter-
rorakte und deren Bek¨ampfung tr¨
ugen. So erkl¨arte er eine Reihe von Staaten,
welchen eine Schl¨
usselrolle im internationalen Terrorismus unterstellt wurde,
zur Achse des B¨osen. Gleichzeitig wurden die ¨
ubrigen L¨ander je nach ihrem
historischen Verh¨altnis zu den USA oder ihrer j¨
ungsten Absichtserkl¨arungen im
Krieg gegen den Terror als Freunde oder Alliierte eingestuft, als willig oder
unwillig zur Zusammenarbeit mit den USA.
Mit einem intensiven Lobbying machten sich die USA daran, Koalitionen
ur den Krieg gegen den Terror zu bilden. Neben traditionelle Alliierte wie
Grossbritannien traten EU-Beitrittskandidaten wie Polen, welche in Europa eine
politisch und wirtschaftlich untergeordnete Rolle spielen, und sogar L¨ander wie
7

Pakistan, welche in den USA noch vor Kurzem als politische Feinde gegolten
hatten.
Am 7. Oktober 2001 starteten die USA und ihre Alliierten eine milit¨arische
Offensive gegen die in Afghanistan ans¨assigen Taliban, welche dem mutmassli-
chen Drahtzieher hinter den Terroranschl¨agen vom 11. September, Usama Bin
Laden, Unterschlupf gew¨ahrt hatten. Das Taliban-Regime fiel im November,
wobei die Amerikaner Bin Laden nicht habhaft werden konnten.
Schon vor dem Krieg in Afghanistan hatte die Regierung Bush klar ge-
macht, dass es sich beim Krieg gegen den Terror um eine l¨angerfristigere An-
gelegenheit handeln w¨
urde, deren milit¨arische Ziele nicht abschliessend defi-
niert werden konnten oder sollten. Einschneidende ¨
Uberwachungsmassnahmen
im internationalen Transportwesen oder im elektronischen Datenverkehr so-
wie die Anlegung von Datenbanken ¨
uber potenzielle oder tats¨achliche Terro-
risten sollten zur Bek¨ampfung des internationalen Terrorismus beitragen. Mit
mehr oder weniger politischem, wirtschaftlichem und milit¨arischem Druck so-
wie logistischer Unterst¨
utzung brachten die USA zahlreiche Staaten dazu, ihre
¨
Uberwachungsmassnahmen nach U.S.-amerikanischen Vorgaben zu erweitern.
Die Intervention in Afghanistan stiess weltweit auf erheblichen politischen
Widerstand. Der noch allgegenw¨artige Schrecken der Anschl¨age vom 11. Sep-
tember 2001 sowie die von den USA und ihren Alliierten hergestellten und
vom UN-Sicherheitsrat
7
anerkannten Zusammenh¨ange zwischen dem Taliban-
Regime und den Anschl¨agen in den USA verliehen der Intervention aber zu-
mindest den Anschein einer gewissen Legitimit¨at. Nach dem Sturz des Taliban-
Regimes sickerten jedoch vermehrt Informationen ¨
uber Kriegshandlungen der
alliierten Streitkr¨afte durch, welche klare Menschenrechtsverst¨osse darstellten.
Das von den USA im kubanischen Guant´anamo errichtete Lager, wo Kriegsge-
fangene und potenzielle Terroristen unter teilweiser Missachtung internationaler
Rechtsnormen festgehalten und verh¨ort wurden, verst¨arkte die menschenrecht-
lichen Bedenken.
3.2
Der Irak-Krieg und die Krise der Legitimation
Bei Beendigung der Intervention in Afghanistan war die Identit¨at der T¨ater
vom 11. September 2001 noch nicht vollst¨andig gekl¨art. Zwar war es den USA
gelungen, die Personalien der bei den Anschl¨agen umgekommenen Terroristen
festzustellen, die Organisation hinter diesen Hauptt¨atern blieb jedoch weiterhin
unscharf. Mit Sicherheit festgestellt werden konnte einzig, dass hinter dem
11. September eine weit verzweigte, international verankerte und logistisch gut
ausgestattete Gruppierung steckte, deren Kapazit¨at f¨
ur weitere Anschl¨age nicht
untersch¨atzt werden durfte.
Indem die USA und ihre Verb¨
undeten einem Feind gegen¨
uberstanden, der
nicht abschliessend bekannt war und der mit einiger Willk¨
ur zu handeln pflegte,
drohte auch der Krieg gegen den Terror zu einer rechtlich kontroversen Angele-
genheit zu werden. In einem der bedeutensten Dokumente in der Geschichte der
U.S.-Aussenpolitik, der National Security Strategy [whitehouse.gov 2002] vom
September 2002, liess die Administration Bush erkennen, dass Amerika fortan
auch unilateral zu handeln gedenke, falls dies f¨
ur die Verteidigung amerikani-
scher Interessen notwendig erscheine.
7
vgl. die Resolutionen zu Afghanistan unter http://www.un.org/Docs/scres/2001/sc2001.htm
(21.05.2003)
8

Als die USA im Rahmen des Kriegs gegen den Terror ihre Pl¨ane f¨
ur eine
Entwaffnung des Iraks vorlegten, regten sich weltweit Massenproteste unter der
Zivilbev¨olkerung. Der Vorwurf an das Regime von Saddam Hussein, Massenver-
nichtungswaffen vor den UNO-Waffeninspektoren zu verstecken, gen¨
ugte nicht,
um einer U.S.-amerikanischen Intervention im Irak eine breit abgest¨
utzte Le-
gitimit¨at zu verschaffen. Die erneute Entsendung von UNO-Waffeninspektoren
in den Irak brachte keine abschliessende Klarheit ¨
uber Saddam Husseins Waf-
fenarsenal. In einem wochenlangen Drahtziehen versuchte die Administration
Bush, ¨
uber den UNO-Sicherheitsrat eine legale Basis f¨
ur eine milit¨arische Inter-
vention im Irak zu erwirken, um das Regime von Saddam Hussein gewaltsam
zu st¨
urzen. Diese Bem¨
uhungen scheiterten jedoch am Widerstand namentlich
von Seiten Frankreichs und Deutschlands.
Wie schon im Fall von Afghanistan konnten die USA auch im Irak auf die
Menschenrechtsverletzungen, welche die Regierung an ihrer eigenen Bev¨olkerung
beging, hinweisen. Diese Eigenschaften liessen sich freilich bei manch anderen
islamischen Regierungssystemen ebenfalls nachweisen. "Gab es Anlass, solche
Regime zu kritisieren und beseitigen zu helfen, so reichte er (sic) nicht aus, um
einen Feldzug gegen sie zu legitimieren" [Czempiel 2003]:112.
Die USA standen also vor der Wahl, auf eine milit¨arische Intervention im
Irak zu verzichten oder diese im Alleingang und unter Nichtber¨
ucksichtigung der
UNO durchzuf¨
uhren. Unter anhaltenden staatlichen wie zivilgesellschaftlichen
Protesten lancierten die USA und ihre Verb¨
undeten am 20. M¨arz 2003 den
dritten Golfkrieg.
4
Theorien zur Formulierung amerikanischer Aus-
senpolitik: eine Auswahl
In diesem Kapitel m¨ochte ich einige Theorien zur Formulierung amerikanischer
Aussenpolitik vorstellen, welche f¨
ur die sp¨ateren Analysen n¨
utzlich sein k¨onnten.
Die einzelnen Ans¨atze werden in der Literatur anhand von Beispielen aus den
Amtszeiten von George Bush sen., Bill Clinton sowie dem aktuellen amerikani-
schen Pr¨asidenten George W. Bush anschaulich illustriert.
Georg Schild nennt in seinem Buch [Schild 2002] vier Ans¨atze, um die Formu-
lierung von U.S.-Aussenpolitik zu erkl¨aren. Diese behandeln das Spannungsfeld
zwischen
·
Internationalismus und Isolationismus,
·
Idealismus und Realismus,
·
Unilateralismus und Multilateralismus sowie
·
den unterschiedlichen innenpolitischen Ansichten des Pr¨asidenten bzw.
des Kongresses (innenpolitische Konfrontationen).
Die ersten drei Ans¨atze werden hier n¨aher behandelt. Zu Beginn ist an-
zumerken, dass die Grenzen zwischen den in der Folge vorgestellten Begriffen
fliessend sind. Es ist nicht m¨oglich, die Politik der einzelnen Akteure - sei es der
Pr¨asident, der Aussen- oder der Verteidigungsminister - mit einem dieser Begrif-
fe eindeutig zu umschreiben. So kann in einem Vergleich zwischen Clinton und
9

George W. Bush weder Clinton als ein multilateral handelnder Idealist noch
Bush als ein unilateral entscheidender Realist bezeichnet werden. Sinnvoller
urfte es sein, sich die genannten Begriffspaare als Eckpunkte eines politischen
Handlungsspielraumes beziehungsweise eines ideologischen Denkger¨
ustes vorzu-
stellen.
4.1
Isolationismus versus Internationalismus
Die Kontroverse zwischen Isolationismus und Internationalismus dreht sich um
die Frage, inwieweit sich die USA in einer aussenpolitischen Angelegenheit en-
gagieren sollten oder nicht. Dabei spielt es eine wichtige Rolle, ob die U.S.-
Zivilgesellschaft und ihre Abgeordneten es als notwendig oder zumindest ge-
winnbringend erachten, beispielsweise milit¨arisch in einem Konflikt aktiv zu
werden oder sich gewissen wirtschaftlichen Vereinbarungen zu unterwerfen. Der
Isolationismus ist - so Schild - "nicht absolut zu verstehen, sondern nur als das
Fehlen einer ¨
ubergeordneten aussenpolitischen Krise" [Schild 2002]:37. Er hat
eine negativ definierte Aussenpolitik zur Folge, also eine Politik der Nichtein-
mischung oder der Eind¨ammung, beispielsweise in der Form der containment-
Doktrin gegen die Ausbreitung des Kommunismus w¨ahrend des Kalten Krieges.
Vom Isolationismus gepr¨agte Phasen in der U.S.-Geschichte wurden oft durch
einschneidende Ereignisse (Krisen) von einem verst¨arkten Internationalismus
abgel¨ost, wie das Beispiel von Pearl Harbour und dem 2. Weltkrieg zeigt:
Das Beispiel des Wandels der amerikanischen aussenpolitischen Aus-
richtung vom Isolationismus zur Beteiligung am Zweiten Weltkrieg
1941 war nach 1917 das zweite Beispiel daf¨
ur, wie schnell und deut-
lich sich die U.S.-Aussen- und Sicherheitspolitik als Reaktion auf
eine neue Krisenperzeption wandeln konnte [Schild 2002]:39.
Schild spricht in diesem Zusammenhang von einem Krisenperzeptionspro-
zess, welcher die Ausrichtung der amerikanischen Aussenpolitik entscheidend
bestimmen w¨
urde, indem
(...) aussen- und sicherheitspolitische Bedrohungen durch einen in-
nenpolitischen Filter unterschiedlicher Interessengruppen bzw. der
Konfrontation zwischen Administration und Opposition laufen. Aus-
senpolitische Kurs¨anderungen k¨onnen dabei sowohl auf externen Fak-
toren beruhen (...) als auch das Resultat einer Neubewertung einer
bereits bestehenden Bedrohung darstellen [Schild 2002]:32.
Clinton war w¨ahrend seiner Amtszeit wiederholt mit Konflikten konfron-
tiert, welche die USA nicht direkt betrafen. Dazu geh¨orten insbesondere der
Krieg in Bosnien und der Genozid in Ruanda. Dabei sah er sich einerseits
internationalem Druck ausgesetzt, in die Konflikte einzugreifen, w¨ahrend die
innenpolitische Zustimmung ¨
uber lange Zeit verweigert wurde. Der milit¨arische
Eingriff im Balkan erfolgte schliesslich nur aus der Luft, da der risikoreiche
Einsatz von Bodentruppen "von der ¨
Offentlichkeit nicht hingenommen worden
w¨are" [Schild 2002]:56.
Unter George W. Bush wurde die Formel des "distinctly American interna-
tionalism" gepr¨agt, wobei diese mit Betonung der ersten zwei W¨orter zu lesen
sei, wie Czempiel argumentiert: "Sein Internationalismus war nicht liberaler,
sondern nationaler Provenienz" [Czempiel 2003]:91, vgl. auch [Schild 2002]:19.
10

4.2
Realismus versus Idealismus
Realisten sehen die Nationalstaaten als entscheidende politische Akteure. Die
Sicherung staatlicher Macht ist dabei eine wichtige Aufgabe der Aussenpoli-
tik. Realisten gehen davon aus, dass grosse Nationen stets bestrebt seien "die
regionale oder globale Machtverteilung zu ihren Gunsten zu verbessern" . Ent-
sprechend ist daf¨
ur zu sorgen, dass solche Machtverschiebungen m¨oglichst ver-
mieden werden. In Bezug auf den Wechsel von der Administration Clinton zu
Bush meint Schild:
ur Amerikas Konservative war internationale Politik kein Konzert,
in dem mehrere Staaten gemeinsam miteinander agierten, sondern
ein Nullsummenspiel. Jeder Verlust amerikanischen Einflusses wer-
de von anderen Staaten zur Machtsteigerung ausgenutzt werden
[Schild 2002]:82.
Realisten sind der Ansicht, "dass die U.S.-Aussenpolitik nur berechenbare
und genau definierte nationale Interessen vertreten sollte" [Schild 2002]:27. Als
Schw¨ache der realistischen Theorie sieht Schild die Tatsache, dass sie Staaten als
black box behandle, also die einzelnen Institutionen innerhalb des Staates nicht
ber¨
ucksichtige. Damit bliebe der individuelle Einfluss von Nichtregierungsorga-
nisationen bis hin zu Terroristen unber¨
ucksichtigt.
Das Konzept der U.S.-F¨
uhrungsrolle kann sowohl unter realistischen wie
auch idealistischen Gesichtspunkten betrachet werden. Aus realistischer Per-
spektive hat die Bemessung der F¨
uhrungsrolle etwas mit der Einsch¨atzung der
eigenen Macht im Vergleich zu den ¨
ubrigen Staaten zu tun:
Washingtons Aussenpolitik wird traditionell von drei Grundpr¨amissen
bestimmt: der globalen Machtverteilung, der ihr entsprechenden
Selbsteinsch¨atzung der USA und ihrem daraus resultierenden welt-
weiten F¨
uhrungsanspruch und -willen [Fr¨ohlich 2002].
Der aus realistischen (und anderen) Betrachtungen heraus entstandene F¨
uh-
rungsanspruch f¨
uhrt wiederum zur Kontroverse zwischen Unilateralismus und
Multilateralismus (vgl.
dazu weiter unten): Rudolf spricht von einer "auf
¨
uberlegene milit¨arische Macht und uneingeschr¨ankte Handlungsfreiheit setzen-
den Denkschule", welche den gegenw¨artigen aussenpolitischen Diskurs zu domi-
nieren verm¨oge. Die U.S.-Aussenpolitik tendiere zu einer "militarisierten unila-
teralen `grand strategy of primacy' "[Rudolf 2002].
Idealisten unterstellen den USA die Mission, Demokratie, Freiheit und Men-
schenrechte in der Welt propagieren zu m¨
ussen und so zu einer stabilen Welt-
ordnung beizutragen. "Idealisten gehen dabei von der optimistischen Annah-
me aus, dass internationale Organisationen wie der V¨olkerbund oder die Ver-
einten Nationen Konflikte zwischen Staaten wirkungsvoll schlichten k¨onnen"
[Schild 2002]:27. Kreft spricht in Bezug auf die genannte Propagierung von Wer-
ten nicht von Idealismus sondern von einem "neoliberalen" Ansatz [Kreft 2002].
Die Kontroverse zwischen Idealisten und Realisten kann ¨
uber das gesamte zwan-
zigste Jahrhundert hinweg verfolgt werden:
Pr¨asident Reagan (1981-89) erscheint mit seiner Betonung der Si-
cherheitspolitik im Verh¨altnis zur UdSSR als Realist, sein Nachfolger
11

George Bush (1989-93) mit seinen Vorstellungen nach einer "neuen
Weltordnung" und der humanit¨aren Intervention in Somalia 1992/93
(...) als Idealist [Schild 2002]:28.
Die Propagierung von Werten nahm in der Vergangenheit immer wieder
einen zentralen Platz in der amerikanischen Aussenpolitik ein. Clinton machte
das "enlargement" von Demokratie und Marktwirtschaft zu einem seiner Haupt-
anliegen, wobei sein Sicherheitsberater die "strukturver¨andernde Wirkung der
Demokratisierung und der Marktwirtschaft" betonte, "die mit ihrer Ausbildung
friedensliebender Regierungssysteme den `fundamentalen Sicherheitsinteressen'
der Vereinigten Staaten unmittelbar zugute kamen" [Czempiel 2003]:76.
Der Begriff Mission bedarf einer umfassenden Kl¨arung. Die internationa-
le Politik bedient sich zur Steuerung und Legitimation ihrer Handlungen zum
einen einer Reihe von Referenzsystemen, welche auf einem juristisch festge-
schriebenen Wertekonsens basieren. Dazu geh¨oren das V¨olkerrecht oder die
Regelwerke von B¨
undnissen wie die UNO-Charta. Daneben trifft man auch auf
juristisch nirgendwo festgehaltene Referenzsysteme, welche auch nicht auf ei-
nem Wertekonsens zu basieren brauchen. Hier ist die "Mission" einzuordnen.
W¨ahrend der Inhalt einer Mission, beispielsweise die Propagierung eines de-
mokratischen Systems durchaus auf einer juristisch breit verankerten Tradition
aufbauen kann, ist dies f¨
ur die Mission als solche nicht offensichtlich. In welchen
Zusammenh¨angen kommt dieser Begriff in den Texten der think tanks und der
Mitglieder der Administration Bush zur Anwendung? Die weiteren Analysen
sollen dar¨
uber Aufschluss geben.
Heinrich Kreft argumentiert, dass die Ereignisse vom 11. September "der
amerikanischen Aussen- und Sicherheitspolitik eine neue, eindeutige Richtung
und `Mission' gegeben (haben): Den Kampf gegen den internationalen Terro-
rismus" [Kreft 2002]. Schild illustriert anhand des politischen Programms der
Republikanischen Partei die Verbindung von Mission und F¨
uhrungsanspruch:
Erst in der zweiten H¨alfte der neunziger Jahre wagten sich kon-
servative Publizisten daran, eine neue politische Strategie f¨
ur die
Republikanische Partei zu entwerfen, die die Frage der Aussenpoli-
tik offensiv anging. Begonnen hatte die Neuausrichtung der repu-
blikanischen aussenpolitischen Vorstellungen mit einem Aufsatz der
Publizisten William Kristol und Robert Kagan aus dem Jahre 1996.
(...) Die USA sollten eine Vormachtstellung beanspruchen, diese
jedoch nicht zur Verfolgung eigener Interessen beanspruchen. Ei-
ne solche Vorstellung entsprach in doppelter Hinsicht konservativem
amerikanischem Selbstverst¨andnis, nach dem die USA f¨
ur Werte wie
Demokratie und Freiheit standen und die internationale Ordnung
von einer amerikanischen F¨
uhrung abh¨angig war [Schild 2002]:86.
Die Erf¨
ullung einer Mission wird oft von einem Diskurs ¨
uber Wertekategori-
en begleitet. Im September 2002 wurde die j¨
ungste National Security Strategy
of the United States of America ver¨offentlicht. Es handelt sich dabei um ein
Grundlagenpapier ¨
uber die Hauptlinien der amerikanischen Sicherheitspolitik
mit speziellem Bezug zum Krieg gegen den Terrorismus. Das Papier enth¨alt
zahlreiche Informationen grunds¨atzlichen Charakters ¨
uber die Stellung der USA
in der internationalen Gemeinschaft und im Verh¨altnis zu anderen Staaten und
urfte in mancher Hinsicht als Spiegel der gegenw¨artigen Regierung gelten. Die
12

Analyse der Sicherheitsstrategie liefert auch verschiedene Hinweise zur amerika-
nischen F¨
uhrungsrolle und dem amerikanischen Wertediskurs. Ich m¨ochte dazu
einige Stimmen aus der Literatur pr¨asentieren, welche mir f¨
ur die Theoriediskus-
sion und -illustration wichtig erscheinen. Maria Fanis sieht in der Sicherheits-
strategie den Grundgedanken verankert, wonach die USA die "richtige Wahl"
getroffen h¨atten:
This belief in the country's right choice is now explicitly included
in the new security document where it is stated that there is "a
single sustainable model for national success: freedom, democracy,
and free enterprise" [Fanis 2003]:16.
Pr¨agend in der U.S.-Aussenpolitik seit dem Kalten Krieg sei insbesondere
der Glauben an den exceptional character der amerikanischen Nation. Eine
ganze Reihe von greifbaren Erfolgen - sie verweist auf den demokratischen Ka-
pitalismus, die Interventionen in Kuwait, Bosnien und dem Kosovo - w¨
urde
letztlich auf eine U.S.-F¨
uhrungsrolle hindeuten, "with which the United States
has been entrusted by history, by virtue of its unique ability to succeed where
all other countries have failed, both domestically and at the international level
[Fanis 2003]:16.
ur Rudolf dr¨
uckt sich der amerikanische Exzeptionalismus zum einen im
"amerikanische(n) Wertekanon mit seinem ausgepr¨agt individualistischen Frei-
heitsverst¨andnis" aus, zum anderen in dem "auf dem Prinzip verschr¨ankter
Gewalten beruhende(n) Regierungssystem mit einer aussergew¨ohnlich starken,
ur gesellschaftliche Interessen ¨
uberaus offenen Legislative". Der amerikanische
Exzeptionalismus zeichne sich dar¨
uber hinaus durch einen "starken Hang zu
einem religi¨os gepr¨agten Moralismus" aus [Rudolf 2002].
Kirshner sieht in der Sicherheitsstrategie den Ausdruck einer sogenannten
Bush-Doktrin, wobei der Inhalt des Dokuments mit den Begriffen supremacy,
ambition und prevention zusammengefasst werden k¨onne. "The second, ambi-
tion, is the aggressive promotion of American values - quite broadly defined -
as part of U.S. foreign policy [Kirshner 2003]:1.
Wie ¨ausserst sich dieser amerikanische Exzeptionalismus (Rudolf) im Legi-
timationsdiskurs? Erscheint ambition (Kirshner) - die Propagierung amerikani-
scher Werte - in den verschiedenen Legitimationsdiskursen? Wird right choice
(Fanis) als Argument angef¨
uhrt?
4.3
Unilateralismus versus Multilateralismus
Reich dokumentiert ist die Kontroverse um Unilateralismus und Multilateralis-
mus. Grunds¨atzlich geht es hier um die Frage, ob sich die USA in der Gestaltung
ihrer Aussenpolitik an anderen Staaten oder internationalen Organisationen ori-
entieren und deren W¨
unsche oder Weisungen ber¨
ucksichtigen sollten. Dabei
spielt der Stellenwert staatlicher Souver¨anit¨at eine wichtige Rolle. Europ¨aische
Staaten und die USA unterscheiden sich in ihrem Verh¨altnis zur Souver¨anit¨at
relativ stark, was auch auf unterschiedliche Erfahrungen mit dem Nationalismus
zur¨
uckgeht, wie Schild aufzeigt:
Die Bereitschaft europ¨aischer Staaten, internationalen Institutionen
eine Mitsprache an der Entwicklung nationalen Rechts zu gestatten,
geht auf spezifische historische Erfahrungen Europas zur¨
uck, die sich
13

von denen Amerikas unterscheiden. W¨ahrend der Nationalismus in
Europa als Quelle von Konfrontationen gilt, dient eine Betonung
nationaler Symbole in Amerika als Gemeinschaft stiftendes Element
innerhalb einer ethnisch heterogenen Bev¨olkerung. F¨
ur die Bush-
Administration sind internationale ¨
Ubereinkommen nicht annehm-
bar, die das Land in der Wahl seiner politischen und milit¨arischen
Mittel signifikant beschneiden. Deshalb sehen die USA in ihrer Un-
terst¨
utzung des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, vor dem sich
jugoslawische Politiker und Milit¨ars verantworten m¨
ussen, und der
gleichzeitigen Ablehnung des Internationalen Strafgerichtshofs kei-
nen Widerspruch. Ersterer ist von Staaten zur Aufarbeitung eines
konkreten Geschehens errichtet worden; Letzterer soll auf eigene In-
itiative hin handeln k¨onnen. Dagegen wehren sich die Vereinigten
Staaten [Schild 2002]:22.
Czempiel sieht den Multilateralismus als ein "internationales Pendant" zur
Demokratisierung und gesellschaftlichen Mitbestimmung innerhalb der Staaten:
"Er erm¨oglicht international die Mitwirkung aller Staaten an der Regelung der
regionalen und globalen Probleme dieser Welt. Er erzeugt mit dem zwischen-
staatlichen auch den zwischengesellschaftlichen Konsens [Czempiel 2003]:62.
Obwohl Pr¨asident George Bush und seine Administration sich mehr auf bi-
laterale Verhandlungen denn auf den Multilateralismus st¨
utzten, respektierten
sie diesen beispielsweise in der Frage des ersten Golfkrieges von 1991, welcher
im Rahmen einer UNO-Resolution gef¨
uhrt wurde. "Seinen politischen Lohn
erhielt der Pr¨asident in der globalen Zustimmung zu der Bestrafung des Irak,
die sich in der Autorisierung von Sanktionen durch den Sicherheitsrat deutlich
artikulierte [Czempiel 2003]:68.
Unter Clinton wurde der Multilateralismus anf¨anglich st¨arker betont. Im
Laufe seiner Regierungszeit musste der Pr¨asident aber - als Folge ver¨anderter
Kr¨afteverh¨altnisse im Kongress und des daraus resultierenden innenpolitischen
Drucks - vermehrt die milit¨arische Komponente der Aussenpolitik ber¨
ucksichtigen
[Czempiel 2003]:75;81.
In den neunziger Jahren habe die Republikanische Partei - so Schild - die
bestehende multilaterale Ordnung als konfliktf¨ordernd und f¨
ur milit¨arische L¨o-
sungen hinderlich angesehen, auch habe diese die politische Rolle Amerikas nicht
ausreichend gew¨
urdigt. "(George W.) Bush verwarf den aussenpolitischen An-
satz seines Vorg¨angers bereits lange vor dem 11. September 2001. Es kam ihm
seit Beginn seiner Amtszeit darauf an, eine der Unipolarit¨at der Weltordnung
angemessene unilaterale Politik zu etablieren" [Schild 2002]:23.
Als Hauptopfer der Terroranschl¨age vom 11. September 2001 w¨ahnen sich
die USA mit einer gewissen Definitionsmacht dar¨
uber ausgestattet, woher wel-
che Bedrohungen zu erwarten sind. "Im Gegenzug f¨
ur bed¨achtiges und mul-
tilaterales Handeln" erwartete Amerika daher "eine weitere Ann¨aherung der
Sichtweisen dar¨
uber, ob und woher die Gefahren drohen (...)" [Fr¨ohlich 2002].
Rudolf untermauert diese Definitionsmacht am Beispiel, wie die USA dem Ter-
rorismus begegnen wollen: "(...) in der Konsequenz bedeutet die Umsetzung
der `Bush-Doktrin', dass die USA dar¨
uber entscheiden, welche Organisation als
Terrorgruppe mit `globaler Reichweite' gilt, welches Land als Unterst¨
utzer des
Terrorismus eingestuft wird und mit welchen Methoden gegen dieses Land vor-
zugehen ist". In dieser Doktrin sei - so Rudolf - "eine Tendenz zum unilateralen
14

Handeln angelegt" [Rudolf 2002]. Indem die Terroristen des 11. September 2001
die Gr¨
unde f¨
ur ihr Handeln nicht bekannt gegeben h¨atten, "kann sie jeder nach
Belieben substituieren", schreibt Czempiel. "F¨
ur den an seiner Definitionsmacht
interessierten Politiker dient ein solcher terroristischer Anschlag als flexibles Ve-
hikel f¨
ur die Bef¨orderung seiner politischen Zwecke" [Czempiel 2003]:49. Diese
Definitionsmacht als Auspr¨agung des Unilateralismus ist - ¨ahnlich wie die weiter
oben erw¨ahnte Mission - ein Konzept ohne klare juristische Wurzeln. Wie wird
es von den think tanks und der Administration Bush legitimiert?
Dass die USA bei Krisensituationen unilaterales Handeln an die erste Stelle
setzen ist nicht neu, wie Fr¨ohlich aufzeigt:
(...) grunds¨atzlich gilt, was im "National Security Strategy"-Bericht
aus dem Jahre 1994 auf Druck der republikanischen Opposition Ein-
gang gefunden hat, wonach im Falle der Bedrohung vitaler amerika-
nischer Interessen unilaterales Handeln explizit an erster Stelle steht
(an zweiter Stelle folgt allianzpolitisches und erst an dritter Stelle
multilaterales Handeln) [Fr¨ohlich 2002].
Ein gezieltes unilaterales Handeln kann die Beschr¨ankung der Einflussmacht
anderer Staaten zum Ziel haben. Je mehr Staaten sich an einer aussenpoliti-
schen Handlung beteiligen, desto schwieriger wird es f¨
ur die USA, ihre spezifi-
schen Interessen umzusetzen. Schild erinnert an die Kritik der Republikaner an
Clinton's Aussenpolitik im Balkan:
Clinton (habe) Amerikas aussen- und sicherheitspolitische Hand-
lungsf¨ahigkeit dadurch unterminiert, dass er 1993 ¨offentlich erkl¨art
hatte, dass die USA auf dem Balkan nicht allein eingreifen w¨
urden.
Damit habe er den Europ¨aern faktisch ein Veto ¨
uber Amerikas mi-
lit¨arische Intervention zugestanden. Die Bush-Administration w¨
urde
einen solchen Schritt nicht wiederholen und bestand statt dessen dar-
auf, jederzeit unilateral, d.h. unabh¨angig vom Votum der Europ¨aer
oder der Vereinten Nationen handeln zu k¨onnen [Schild 2002]:89.
Die M¨oglichkeit, eine unilaterale Aussenpolitik betreiben zu k¨onnen, h¨angt
letztlich von der politischen, milit¨arischen und wirtschaftlichen Macht eines
Staates und dessen Position im Weltgef¨
uge ab (vgl. Realismus). Nach dem
Ende des Kalten Krieges sind die USA zur einzigen Supermacht aufgestiegen.
Diese Position verschafft Amerika jedoch nicht zwingend mehr M¨oglichkeiten
zur unilateralen Politik.
(...) selbst Neorealisten betonen, dass die institutionelle Einbindung
letztlich auch die Akzeptanz unilateralen Handelns und amerikani-
scher Hegemonieanspr¨
uche nur erh¨oht [Fr¨ohlich 2002].
Die Administration von George W. Bush hat in ihrer Aussenpolitik zu kei-
nem Zeitpunkt einen rein unilateralen Weg beschritten beziehungsweise be-
schreiten k¨onnen. Kreft argumentiert, die USA h¨atten angesichts der neuen
(terroristischen) Gefahren erkannt, dass sie auf die enge Kooperation mit Part-
nern angewiesen seien. "Die neue Formel lautet allerdings: Multilateralismus
`
a la carte - Kooperation nur da wo n¨otig und nicht, wie w¨ahrend der Clinton-
Administration, da wo m¨oglich" [Kreft 2002] (eigene Hervorhebung). ¨
Ahnlich
15

argumentiert Fr¨ohlich, indem er feststellt, dass die USA trotz Bekenntnissen
zum Multilateralismus und dem Rechtsstaat "internationales politisches Kapital
ur die F¨alle zu bilden (versuchen), in denen unilaterales Handeln unausweichlich
ist. [Fr¨ohlich 2002]. Rudolf spricht seinerseits von einem "realistischen" Mul-
tilateralismus, wobei "multilaterale Kooperation (.) amerikanische Optionen
nicht beschr¨anken (soll)". Diese Art von Multilateralismus gelte der Admini-
stration "nicht als Alternative zur amerikanischen F¨
uhrung, sondern als ihre
`Manifestation"'. [Rudolf 2002]. Multilateralismus kann also erg¨anzend zum
Unilateralismus angewandt werden, insbesondere auch, um diesen zu st¨arken.
"Die Vorz¨
uge des Multilateralismus waren niemals so hoch gesch¨atzt worden,
dass sie den amerikanischen F¨
uhrungsanspruch verkleinert oder gar verdeckt
h¨atten", urteilt [Czempiel 2003]:77.
5
Quelle der Ideen? Die think tanks
5.1
Arten und Zweck von think tanks
Think tanks nehmen in der politischen Landschaft der USA einen wichtigen
Platz ein. Angesichts der Tatsache, dass mit jedem Regierungswechsel auch
ein grosser Anteil des h¨oher qualifizierten Personals ausgewechselt wird, k¨onnen
think tanks als best¨andige Institutionen eine Br¨
uckenfunktion ¨
ubernehmen. Durch
ihre Forschungst¨atigkeit liefern sie fundiertes Wissen zu verschiedensten Poli-
tikfeldern. Rich umreisst die j¨
ungere Geschichte der amerikanischen think tanks
wie folgt:
The ranks of think tanks in the United States have expierienced
three major developments in recent decades: (1) Their numbers ha-
ve grown substantially; (2) many, especially newer, think tanks have
adopted identifiably ideological missions; and (3) many, especially
newer, think tanks have become quite aggressive advocates and pro-
moters of their research and ideas [Rich 2001]:54.
Think tanks dienen als Vermittler zwischen akademisch-universit¨aren Krei-
sen, Politikern sowie den B¨
urgern. Sie organisieren Seminare, laden Politiker zu
Treffen mit ihren Experten ein und ver¨offentlichen zu aktuellen politischen The-
men kurze Analysen und Handlungsempfehlungen. Haass fasst den Einfluss von
think tanks auf die amerikanische Aussenpolitik folgendermassen zusammen:
Their greatest impact (as befits their name) is in generating 'new
thinking' that changes the way that U.S. decision-makers perceive
and respond to the world. Original insights can alter conceptions of
U.S. national interests, influence the ranking of priorities, provide
roadmaps for action, mobilize political and bureaucratic coalitions,
and shape the design of lasting institutions [Haass 2002]:6.
Je nach ihrer ideologischen Ausrichtung k¨onnen think tanks als liberal, kon-
servativ oder zentristisch bezeichnet werden, wie Rich n¨aher ausf¨
uhrt:
Think tanks are grouped as conservative if they refer to a particular
concern for promoting the free market system, limited government,
individual liberties, religious expression, or traditional family values.
16

Think tanks are grouped as liberal (in the contemporary American
sense) if they refer to a particular concern for using government
policies and programs to overcome economic, social, or gender ine-
qualities, poverty or wage stagnation, or if they call for progressive
social justice, a sustainable environment, or lower defense spending.
Organizations not classified into either broad ideological category are
categorized as centrist or of no identifiable ideology."[Rich 2001]:55.
Interessant ist hier vor allem die Tatsache, dass manche think tanks eine
Art Schattenpolitik betreiben, indem sie ihre politischen Analysen und Hand-
lungsempfehlungen gezielt und zum Teil erfolgreich in die politischen Entschei-
dungskan¨ale einzuspeisen versuchen. Dabei setzen sie oft gr¨ossere Anteile ihres
Budgets und ihres Personals f¨
ur die Entwicklung und Umsetzung geschickter
Marketingstrategien ein. Solcherart arbeitende Gruppierungen werden advoca-
cy think tanks
8
genannt. Abelson schreibt dazu:
No other type of think tank has generated more media exposure
in the last three decades than the so-called advocacy think tank.
Combining policy research with aggressive marketing techniques, a
function that they share in common with many interest groups,
advocacy-oriented think tanks have fundamentally altered the na-
ture and role of the think tank community [Abelson 2002]:11.
Insbesondere konservative think tanks verf¨
ugen innerhalb ihres Mitarbeiter-
stabs oft ¨
uber klare Hierarchien, wobei die einzelnen Forscher verpflichtet sind,
zu aktuellen politischen Fragen Berichte zu liefern und auch gleich einen da-
zugeh¨origen Promotionsplan zu entwickeln [Rich 2001]:58. Kurze policy briefs
haben h¨ohere Chancen, in der grossen Informationsflut den Weg zu den Ent-
scheidungstr¨agern zu finden als seitenlange Berichte. Das Internet dient als idea-
les Medium, um die Ver¨offentlichungen von think tanks breit zu streuen. Deren
Mitarbeiter brauchen keineswegs vom politischen Geschehen losgel¨ost zu sein.
Vielfach stellen think tanks Experten f¨
ur die politische Administration, oder ab-
tretende Politiker versuchen sich ¨
uber die Mitgliedschaft in solchen politischen
Gruppierungen weiterhin Einfluss zu sichern. Ebenso haben manche Politiker
schon w¨ahrend ihrer Amtszeit Einsitz in think tanks (vgl. [Abelson 2002]:11-
12). In einigen F¨allen gr¨
undeten in der Vergangenheit abtretende Pr¨asidenten
ihre eigenen politischen Gruppierungen, um in der Innen- und Aussenpolitik
gewisse Spuren zu hinterlassen. Derartige think tanks wurden als legacy-based
bezeichnet (vgl. [Abelson 2002]:11). Die Finanzierung der think tanks kann
¨
uber h¨ochst unterschiedliche Wege erfolgen, wie Haass aufzeigt:
A few think tanks, like Brookings, have large endowments and ac-
cept little or no official funding; others, like RAND, reveive most of
their income from contract work, whether from the government or
private sector clients; and a few, like the United States Institute of
Peace (USIP), are maintained almost entirely by government funds.
In some instances, think tank double as activist non-governmental
organizations. The International Crisis Group, for example, deploys
8
"advocacy" bedeutet zu Deutsch "das Eintreten (f¨
ur etw.), "Anwaltschaft", "Verfechter",
"F¨
ursprache".
17

a network of analysts in hot spots around the world to monitor
volatile political situations, formulating original, independent re-
commendations to build global pressure for their peaceful resolution
[Haass 2002]:6.
5.2
Der Einfluss von think tanks auf die amerikanische
Aussenpolitik
Dass think tanks einen Einfluss auf die Formulierung amerikanischer Aussenpo-
litik haben, wird sowohl von Politikern wie auch von Politikwissenschaftlern an
Universit¨aten anerkannt. Dennoch ist dieses Politikfeld bis heute relativ wenig
erforscht worden, wie Donald Abelson feststellt:
Although several institutional histories of such prominent think-
tanks as the Brookings Institution and the Council on Foreign Re-
lations have been written, the study of think-tanks and their role in
American politics has largely been ignored [Abelson 1996]:ix.
Tats¨achlich treten bei der Erforschung von think tanks und deren Einfluss
auf die Politik einige gr¨ossere Probleme auf: So ist es zwar m¨oglich, manche
der Kan¨ale, wor¨
uber think tanks ihre Informationen verbreiten, zu identifizie-
ren. Viel schwieriger wird es nachzuweisen, ob eine bestimmte Information -
beispielsweise ein Strategiepapier zur milit¨arischen Aufr¨
ustung - direkt Eingang
in das Programm einer Regierung gefunden hat. Schliesslich ist die Zahl der in
den USA ans¨assigen und auf Aussenpolitik spezialisierten think tanks gross und
die Mitglieder der Regierung st¨
utzen ihre Entscheidungen auf eine Vielzahl von
Quellen.
Abelson - welcher sich intensiv mit der Erforschung von think tanks besch¨aftigt
- zeigt jedoch auf, weshalb dieses Politikfeld nicht unerforscht bleiben sollte:
Given the extensive ties between think-tanks and government de-
partments and agencies, as well as the frequency with which their
members are appointed to high-level government positions, one can-
not afford to disregard their growing involvement in the policy-
making process [Abelson 1996]:2.
Vielfach l¨asst sich der Einfluss einer think tank nur indirekt messen, in-
dem beispielsweise U.S.-Pr¨asidenten nach den einschl¨agigsten Quellen befragt
werden, auf welche sie sich in einer politischen Frage (oder ihrem gesamten Pro-
gramm) gest¨
utzt hatten. Reagan wusste solche Fragen teilweise sehr konkret
zu beantworten. Auch die einzelnen think tanks beanspruchen wiederholt po-
litischen Einfluss f¨
ur sich, sei es, weil Politiker sich dementsprechend ge¨aussert
hatten oder weil sie in einem Regierungspapier ihre eigenen Inhalte wiederfan-
den:
The BMDO (Ballistic Missile Defense Organization)`s-report (aus
dem Jahr 1999, Anm. des Autors) referenced a later edition of the
report by The Heritage Foundation`s Commission on Missile Defen-
se. More importantly, the BMDO report confirmed the Heritage
findings (...) [Spring 2002]:34.
18

Wenn sich Institutionen des Regierungsapparates allgemein zu ihrer Beein-
flussbarkeit durch think tanks ¨aussern, muss dies nicht zwingend objektiv sein.
So mag es dem mit vielen eigenen Experten ausgestatteten U.S.-State Depart-
ment unangenehm erscheinen, eine gr¨ossere Abh¨angigkeit von think tanks zu-
geben zu m¨
ussen:
Given their degree of in-house expertise, the State Department, ac-
cording to the late Ambassador Philip Habib (...), does not depend
heavily on the advice of think tank scholars. Similar sentiments have
been expressed by Brzezinski, National Security Adviser to President
Carter, who stated (...) that policy experts residing at think tanks
have a limited effect at other federal government agencies involved
in foreign policy (...). RAND, which has provided expertise to the
Pentagon over the past five decades, might desagree with Brzezinski
[Abelson 1998].
Auch das Ausz¨ahlen von Medienauftritten d¨
urfte ein Indikator sein: Kann
eine think tank ¨
uber l¨angere Zeit in mehreren renommierten Publikationen oder
Fernsehsendungen ihre Inhalte pr¨asentieren, so liegt ein Einfluss auf die Politik-
formulierung zumindest nahe. Blosse Ausz¨ahlungen sagen freilich noch nichts
¨
uber den Inhalt der vermittelten Botschaften aus. Gerade dieser ist jedoch von
besonderem Interesse, denn es ist nicht gleichg¨
ultig, ob think tanks wegweisen-
de politische Entscheide mitzupr¨agen verstehen oder bloss Gesch¨afte zweiten
Ranges.
Wichtig f¨
ur die Erforschung des Einflusses von think tanks auf die Politik-
formulierung ist die Erkenntnis, dass diese Beeinflussung ¨
uber eine ganze Reihe
von Kan¨alen und unter Anwendung verschiedenster Strategien erfolgt. Die fol-
genden Ausf¨
uhrungen sollen zeigen, welche Kan¨ale und Strategien think tanks
zum Erfolg f¨
uhren und - daraus abgeleitet - wo die Erforschung ihres Einflusses
ansetzen k¨onnte.
Politiker im Kongress und Senat und namentlich der U.S.-Pr¨asident sehen
sich mit einer Vielzahl von Dossiers konfrontiert, die sie aus Zeitgr¨
unden nicht
alle durcharbeiten k¨onnen. Gleichzeitig sind sie aber gezwungen, zeitgerecht
politische Entscheide zu treffen, welche ein gewisses Grundwissen vorausset-
zen. Manche Pr¨asidenten verf¨
ugen bei Amtsantritt ¨
uber deutliche Wissens-
und vor allem Erfahrungsdefizite in einzelnen Politikfeldern - beispielsweise
in der Aussenpolitik. Die Zeit des Pr¨asidentschaftswahlkampfes und die auf
die Wahl folgende "transition period" [Abelson 1998] sind f¨
ur think tanks zen-
tral: Sie k¨onnen noch nicht festgeschriebene Regierungsprogramme durch Ex-
pertent¨atigkeit - etwa in einer foreign policy task force - mitgestalten helfen oder
sich gar einflussreiche Posten in der im Aufbau befindlichen Administration si-
chern.
As long as governments suffer from a limited internal capacity to
do long-term strategic planning, they will continue to reach out to
the think tank world for research and ideas they can tap into and
exploit [Asmus 2002]:31.
Durch ihre Losl¨osung vom politischen Tagesgesch¨aft k¨onnen sich die Mitar-
beiterst¨abe von think tanks der Entwicklung langfristiger politischer Strategien,
etwa im Bereich der Sicherheitspolitik oder des aussenpolitischen Engagements,
19

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832475956
ISBN (Paperback)
9783838675954
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Bern – unbekannt, Politkwissenschaft
Note
2,0
Schlagworte
ideenfabrik aussenpolitik beziehungen diskursanalyse
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Titel: Der Legitimationsdiskurs zum Irakkrieg 2003
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