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Untersuchung des Shared Values Prozesses auf Relevanz beim Vetrauensmanagement in virtuellen Unternehmen

©2003 Diplomarbeit 80 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Seit ungefähr einem Jahrzehnt sind virtuelle Unternehmen Gegenstand des betriebswirtschaftlichen Interesses. Virtuelle Unternehmen werden als Antwort auf neue Rahmenbedingungen, die aus den veränderten Umweltbedingungen resultieren, verstanden.
Diese fordern von den Unternehmen ein hohes Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.
Um den Flexibilitätsvorteil virtueller Unternehmen erhalten zu können, wird auf formale Absicherungsmechanismen, wie rechtsverbindliche Verträge, verzichtet. Diese Funktion der Absicherung muss daher durch das absolute gegenseitige Vertrauen der Partner gewährleistet werden. Deshalb ist Vertrauen für die Funktionsfähigkeit virtueller Unternehmen elementare Voraussetzung.
Durch den Formalitätsverzicht ergeben sich entscheidenden positive ökonomische Effekte von Vertrauen. In der Literatur werden vor allem die Effekte der Koordinations- und Kontrollmechanismen herausgestellt. Beim Koordinationsproblem reduziert Vertrauen Transaktionskosten, d.h. auf der einen Seite entfallen externe Transaktionskosten wie Anbahnungs-, Vereinbarungs- und Kontrollkosten, weil auf explizite Verträge verzichtet wird. Auf der anderen Seite werden interne Koordinationskosten durch den Ausbau von Selbstkoordination, -organisation und -kontrolle gesenkt.
Jedoch liegt gleichzeitig genau im Vertrauen das zentrale Problem virtueller Unternehmen. Wegen dem Fehlen vertrauensfördernder Faktoren im virtuellen Kontext, wie räumliche Nähe, persönliche Beziehungen, langfristige Orientierung und häufiger direkter Kontakt, kann Vertrauen nur sehr schwer entstehen.
In dieser Arbeit wird diese Vertrauensproblematik in virtuellen Unternehmen behandelt. Zu diesem Zweck wird das aus den USA stammende Konzept bzw. Managementmethode „Shared Values Prozess®“, das der Schaffung eines Produktivität und Effektivität steigernden Arbeitsumfeldes dient, eingegangen. Dieses Konzept basiert auf der Einsicht, dass der Erfolg eines Unternehmens auf der Übereinstimmung der jeweiligen Unternehmenswerte mit den persönlichen Werten der Mitarbeiter basiert. In einer breit angelegten Studie der University of Chicago, deren Ziel es war, herauszufinden, was Mitarbeitern und Führungskräften in ihrem Arbeitsumfeld wichtig ist, damit sie sich zufrieden fühlen und dadurch ihre Produktivität steigern können. Als Ergebnis dieser Studie wurden acht bestimmte Werte formuliert.
Vertrauen ist eines dieser Werte.
Aus diesem Grund wird dieses Konzept […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7594
Laukart, Viktoria: Untersuchung des Shared Values Prozesses auf Relevanz beim
Vetrauensmanagement in virtuellen Unternehmen
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen, Fachhochschule,
Diplomarbeit, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

II
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
IV
Abkürzungsverzeichnis
V
1 Einleitung
1
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1
1.2 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
4
2 Virtuelles Unternehmen
6
2.1 Begriffe virtuell, Virtualität, Virtualisierung, Virtualisierungsgrad
6
2.2 Definitionsversuche in der Literatur
7
2.3 Charakteristische Merkmale virtueller Unternehmen
11
2.3.1 Kooperation rechtlich unabhängiger Partner
11
2.3.2 Verbindung von Kernkompetenzen
12
2.3.3 Zeitliche und räumliche Verteiltheit
12
2.3.4 Moderne Informations- und Kommunikationstechnologie
13
2.3.5 Vertrauenskultur
13
2.4 Ableitung einer Arbeitsdefinition
14
3 Vertrauen als elementare Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit
von virtuellen Unternehmen
15
3.1 Vertrauen als interdisziplinäres Forschungsgebiet
15
3.1.1 Vertrauen aus psychologischer Perspektive
16
3.1.1.1 Vertrauen als personenspezifische Einstellung (Rotter/Erikson)
16
3.1.1.2 Vertrauen als situationsabhängiges Verhalten (Deutsch)
18
3.1.2 Vertrauen aus soziologischer Perspektive
19
3.1.2.1 Vertrauen als Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität
(Luhmann)
19
3.1.2.2 Vertrauen als einseitiger Ressourcentransfer (Coleman)
21
3.1.2.3 Vertrauen in strukturationstheoretischer Perspektive (Giddens)
22

III
3.2 Begriffliche Abgrenzung und Festlegung von Vertrauen für diese Arbeit
25
3.2.1 Begriffliche Abgrenzung von Vertrauen
25
3.2.1.1 Vertrauen, Risiko und Unsicherheit
26
3.2.1.2 Zuversicht, Hoffnung, Zutrauen und Vertrauen
27
3.2.2 Begriffliche Festlegung von Vertrauen
28
3.3 Bedeutung und Funktionen von Vertrauen in virtuellen Unternehmen
31
3.3.1 Vertrauen als Koordinations- und Kontrollmechanismus
31
3.2.2 Persönliches Vertrauen und Systemvertrauen
33
3.3.3 Weitere Funktionen bzw. Wirkungen von Vertrauen
34
3.4 Grenzen und Barrieren des Vertrauens in virtuellen Unterne hmen
35
3.5 Zusammenfassung
37
4 Untersuchung des Shared Values Prozesses auf Relevanz beim
Vertrauensmanagement in virtuellen Unternehmen
39
4.1 Shared Values Prozess® nach Rob Lebow
39
4.1.1 Überblick über die Entwicklungsgeschichte
39
4.1.2 Das Konzept Shared Values Prozess®
40
4.2 Die Rolle des SVP® beim Vertrauensmanagement in virtuellen
Unternehmen
43
4.2.1 Vertrauensmanagement in virtuellen Unternehmen
43
4.2.2 Shared Values Prozess® in virtuellen Unternehmen
44
4.3 Mögliche Aufgaben der Shared Values als vertrauensfördernde Faktoren
und ihre Umsetzung in virtuellen Unternehmen
46
4.3.1 Besonderheiten bei der Entstehung virtueller Unternehmen
46
4.3.2 Funktionen der Shared Values in virtuellen Unternehmen
50
4.3.2.1 Shared Values als Verhaltenskodex
50
4.3.2.2 Signal- und Symbolfunktion
51
4.3.3.3 Vereinigungs- und Identifikationsfunktion
53
4.3.3 Grenzen und Barrieren von Shared Values
54

IV
4.4 Implementierungsaussicht von Shared Values in virtuellen Unternehmen 56
4.5 Gestaltungsempfehlungen zur Implementierung der Shared Values als
vertrauensfördernde Faktoren
59
5 Schussbetrachtung
61
Literaturverzeichnis
63
Anhang
70
A. Values Attitude Study bzw. DISG-Werte und Einstellungsstudie ­ Kurzform
70
B. Wertespannungsindex zur Einstellungsstudie
71

V
Abbildungsverzeichnis
Seite
Abbildung 1:
Virtuelles Einzel- und Verbundunternehmen in dem
Vier-Merkmal-Schema der Virtualität nach Scholz... 9
Abbildung 2:
Die Dimensionen der Dualität von Struktur ...24
Abbildung 3:
Abgrenzung der Vertrauenserwartung...25
Abbildung 4:
Shared Values Prozess® Handlungssystem ...38

VI
Abkürzungsverzeichnis
a.a.O.
am angegebenen Ort
allg.
allgemein
Aufl.
Auflage
Bd.
Band
bspw.
beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
d.h.
das heißt
Diss.
Dissertation
dt.
deutsche
durchg.
durchgesehene
erw.
erweiterte
f.
folgende (Seite)
ff.
fortfolgende (Seiten)
Hrsg.
Herausgeber
Inc.
Incorporated
IT
Informationstechnologie
IuK
Information- und Kommunikation
Jg.
Jahrgang
o.Jg.
ohne Jahrgang
o.V.
ohne Verfasser
L.L.C.
Limited Liability Company
S.
Seite
SIC
Standard Industrial Classification
sog.
sogenannte/r/s
SVP®
Shared Values Prozess®
überarb.
überarbeitete
übers.
übersetzt
u.ä.
und ähnliche
u.a.
unter anderem
Vgl.
Vergleiche
vollst.
vollständig
VU
Virtuelles Unternehmen
z.B.
zum Beispiel

1
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
Seit ungefähr einem Jahrzehnt sind virtuelle Unternehmen Gegenstand des betriebswirtschaft-
lichen Interesses. Virtuelle Unternehmen werden als Antwort auf neue Herausforderungen an
Unternehmen verstanden, die aus den veränderten Umweltbedingungen resultieren.
1
Durch
die Globalisierung der Märkte sind Unternehmen gefordert dem wachsenden Wettbewerbs-
und Kostendruck, der steigenden Innovationsdynamik bei Gütern und Dienstleistungen sowie
den Potentialen der Informations- und Kommunikationstechnologie strategisch zu begegnen.
Eine der wichtigsten Herausforderungen jüngerer Zeit ist die Ausnutzung neuer Marktchan-
cen, die sich in immer kürzer werdenden Zeitfenstern bieten. Diese neuen Rahmenbedingun-
gen erfordern ein hohes Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Unternehmen. Vir-
tuelle Unternehmen sind diesen Herausforderungen gewachsen, prognostizieren Davidow und
Malone.
2
Seit diese beiden Autoren 1993 das virtuelle Unternehmen als die notwendige Organisations-
form der Zukunft vorgestellt haben
3
, hat die konzeptionelle und praktische Auseinanderset-
zung um die neue Organisationsform vier Phasen durchlaufen.
Mit Davidow/Malone und Byrne, Brandt und Port wurde eine Welle der ,,übertriebenen Eu-
phorie" - vor allem in den USA ­ ausgelöst, die im Ergebnis zwar einen Definitionsversuch
lieferte, jedoch ohne die Anforderungen, die Umsetzbarkeit und die Konsequenzen der Ko-
operationsform beschrieben zu haben. Dieser Problematik haben sich eine ganze Reihe von
Autoren in der zweiten Phase der ,,bewussten Konzeptionalisierung" angenommen. In der
dritten Phase der ,,ernüchternden Relativierung" ­ oder ,,kritischen Ernüchterung" wie sie
bei Littmann und Jansen genannt wird ­ wird Kritik an der bisherigen Auseinandersetzung
mit dem Thema erhoben und bildet damit den Gegensatz zu den protagonistisch akzentuierten
Arbeiten. Olbrich kritisiert bspw., dass die Kooperationsform nichts grundlegend neues sei.
4
Für Kieser schaffen die Protagonisten der virtuellen Unternehmen lediglich weitere modische
1
Vgl. z.B. Davidow, W. H./Malone, M. S.: Das virtuelle Unternehmen, Campus Verlag, Frankfurt/Main u.a. 1993; Picot,
A./Reichwald, R./Wigand, R. T.: Die grenzenlose Unternehmung: Information, Organisation und Management, Gabler Ver-
lag, Wiesbaden 1996, S. 2; Krystek, U./Redel, W./Reppegather, S.: Grundzüge virtueller Organisationen: Elemente und
Erfolgsfaktoren, Chancen und Risiken, Gabler Verlag, Wiesbaden 1997, S. 36 f.; Scholz, C.: Strategische Organisation:
Multiperspektivität und Virtualität, 2. überarb. Aufl., mi Verlag Moderne Industrie, Landsberg/Lech 2000, S. 320.
2
Vgl. Köszegi, S.: Vertrauen in virtuellen Unternehmen, Diss. Wien 2000, Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2001,
S. 1.
3
Vgl. allg. Davidow, W. H./Malone, M. S., a.a.O.
4
Vgl. Scholz, C.: Strategische Organisation, a.a.O., S. 326.

2
Mythen
5
und bei Littmann/Jansen findet sich der Kritikpunkt, dass dem Konzept der Aspekt
des "virtuellen" fehle.
6
Ende der neunziger Jahre, in der vierten und letzten Phase der ,,diffe-
renzierten Anwendung", wurden diverse Forschungsarbeiten zum Thema ,,virtuelle Unter-
nehmen" mit unterschiedlichen Schwerpunkten verfasst.
7
Dabei wurde vor allem in der Orga-
nisationstheorie und Informatik die virtuelle Organisation als Organisationsform
konzeptionell und empirisch untermauert.
Viele wissenschaftliche und praxisorientierte Arbeiten, die sich mit virtuellen Unternehmen
befassen, heben Vertrauen als ein wesentliches, zum Teil auch als konstitutives Merkmal von
virtuellen Unternehmen hervor. Die Kooperationsbeziehungen in virtuellen Unternehmen
werden nicht durch rechtsverbindliche Verträge oder sonstige formale Mechanismen abgesi-
chert, sondern durch das ,,... Gefühl des absoluten gegenseitigen Vertrauens zwischen den
Akteuren ..."
8
gewährleistet. Vertrauen substituiert also formale Koordinations- und Kon-
trollmechanismen. ,,Viele Wissenschaftler (...) sehen im Vertrauen eine wesentliche Voraus-
setzung für den Erfolg von virtuellen Unternehmen: sie realisieren ihr Flexibilitätspotenzial
im Gegensatz zu anderen Organisationsformen, weil sie auf Vertrauen als Koordinationsme-
chanismus bauen."
9
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Vertrauen ,,... mit dem Glauben an die Zuverlässigkeit,
Integrität, Ehrlichkeit und Gerechtigkeit der in Betracht kommenden Person(en) gleichge-
setzt."
10
Darüber hinaus existieren jedoch eine Reihe fachspezifischer Begriffsdeutungen, wie
etwa in den Bereichen Psychologie, Soziologie, Philosophie oder Ethik, die Vertrauen aus
ihrer jeweiligen Perspektive unterschiedlich auffassen. Eine generalisierte Deutung von inter-
disziplinärer Gültigkeit von Vertrauen ist die Bereitschaft, sich auf ein soziales Risiko ­ also
das Risiko vom Vertrauensnehmer übervorteilt zu werden ­ einzulassen. Vertauen stellt damit
eine riskante Vorleistung des Vertrauensgebers dar. Dabei ,,vertraut" der Vertrauensgeber
5
Vgl. ebenda.
6
Vgl. Littmann, P./Jansen, S. A.: Oszillodox: Virtualisierung ­ die permanente Neuerfindung der Organisation, Klett ­Cotta
Verlag, Stuttgart 2000, S. 43 ff.
7
Vgl. Scholz, C.: Strategische Organisation, a.a.O., S. 326 f.
8
Scholz, C.: Die virtuelle Organisation als Strukturkonzept der Zukunft?, Diskussionsbeitrag Nr. 30 des Lehrstuhls der Be-
triebwirtschaftslehre, Universität des Saarlandes, Saarland 1994, S. 17.
9
Köszegi, S., a.a.O., S. 3. Hervorhebung im Original. Sie nimmt dabei Bezug auf Davidow, W. H./Malone, M. S., a.a.O.;
Handy, C.: Trust and virtual organization, in: Harvard Business Review, May/June 1995, S. 40-50; Mertens, P./Faisst, W.:
Virtuelle Unternehmen
­ eine Organisationsstruktur für die Zukunft?, in: http://www.wi1.uni-
erlangen.de/veroeffentlichungen/download/vu/VU_TUM.pdf (06.05.03) [Acrobat Reader 4.0]; Picot, A./Reichwald,
R./Wigand, R. T., a.a.O., S. 404; Wütherich, H. A./Philipp, A. F./Frentz, M. H.: Vorsprung durch Virtualisierung: lernen
von virtuellen Pionierunternehmen, Gabler Verlag, Wiesbaden 1997; Sydow, J.: Understanding the constitution of interor-
ganizational trust, in: Lane, C./Bachmann, R. (Hrsg): Trust within and between organizations, Oxford University Press,
New York 1998, S. 31-63.
10
Krystek, U./Redel, W./Reppegather, S., a.a.O, S. 367.

3
darauf, dass der Vertrauensnehmer wohlwollendes Verhalten zeigen wird, obwohl er andere,
nicht-wohlwollende Verhaltensweisen wählen kann. Mittels solcher Erwartung reduziert der
Vertrauensgeber die durch grundsätzlich vorhandene Handlungsalternativen entstehende
Komplexität und ermöglicht den Umgang mit Unsicherheit und sozialem Risiko.
11
Dieses
Phänomen der Komplexitätsreduktion befähigt somit den Vertrauensgeber erst zu Handlun-
gen; Vertrauen stellt daher eine Handlungsvoraussetzung dar.
Als zentrale positive ökonomische Effekte von Vertrauen werden in der Literatur der Koordi-
nations- und Kontrollmechanismus herausgestellt. Beim Koordinationsproblem reduziert Ver-
trauen Transaktionskosten, d.h. auf der einen Seite entfallen externe Transaktionskosten wie
Anbahnungs-, Vereinbarungs- und Kontrollkosten, weil auf explizite Verträge verzichtet
wird. Auf der anderen Seite werden interne Koordinationskosten durch den Ausbau von
Selbstkoordination, -organisation und -kontrolle gesenkt. Als Folge der Autopoiesie (sich
selbst organisierendes System) erhöht Vertrauen den kommunikativen Austausch zwischen
Menschen, insbesondere durch den Wegfall von Angst vor Missbrauch und durch Akzeptanz
von gegenseitigen Abhängigkeiten. Vertrauen verbessert auch Problemlösung und Kooperati-
on in Gruppen, indem Gefühle und Ideen offener ausgetauscht werden oder größerer gegen-
seitiger Einfluss akzeptiert wird.
12
In Anbetracht der Bedeutung und Vorteile, die Vertrauen in Organisationen und zwischen
Organisationen aufweist, ist eine eingehende, differenzierte und kritische Auseinandersetzung
mit diesem Phänomen auf betriebswirtschaftlicher Ebene unerlässlich. Eine gewisse Brisanz
erfährt eine solche Auseinandersetzung vor dem Hintergrund, dass Vertrauen in virtuellen
Unternehmen einen Widerspruch in sich trägt. Das sog. ,,Vertrauensdilemma" spiegelt die
Frage wider, ,,... ob und wie Vertauen in virtuellen Unternehmen entstehen kann, wenn all
jene Faktoren, die üblicherweise als vertrauensfördernd erachtet werden, nur sehr begrenzt zur
Verfügung stehen. Räumliche Nähe, persönliche Beziehung, langfristige Orientierung und
häufiger direkter Kontakt sind im virtuellen Kontext kaum vorhanden."
13
Es existieren bereits eine Reihe theoretischer und empirischer Untersuchungen, die sich mit
konstitutionellen Rahmenbedingungen für die Entstehung von Vertrauen in Kooperationen
11
Vgl. ebenda, S. 367 f.; sowie Klaus, E.: Vertrauen in Unternehmensnetzwerken: eine interdisziplinäre Analyse, Diss. Ho-
henheim 2002, Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2002, S. 86 ff. und allg. Köszegi, S., a.a.O.
12
Vgl. Krystek, U./Redel, W./Reppegather, S., a.a.O., S. 367 ff.; Köszegi, S., a.a.O. S. 3 f.
13
Köszegi, S., a.a.O., S. 5.

4
befassen und Gestaltungsempfehlungen für ein vertrauensbewusstes Management ableiten.
14
Besondere Beachtung gilt dabei der Arbeit von Sabine Köszegi, die sich explizit mit Vertrau-
en in virtuellen Unternehmen beschäftigt.
15
Anliegen der vorliegenden Arbeit ist die oben erwähnte Vertrauensproblematik in virtuellen
Unternehmen. In diesem Zusammenhang soll Bezug auf ein aus den USA stammendes Kon-
zept bzw. Managementmethode zur Schaffung eines Produktivität und Effektivität steigern-
den Arbeitsumfeldes genommen werden.
Das Konzept ,,Shared Values" und darauf aufbauend die Managementmethode Shared Values
Prozess® wurde Anfang der neunziger Jahre von Rob Lebow, einem ehemaligen Marketing-
leiter bei Microsoft, entwickelt. Grundlage dazu waren die Ergebnisse einer von der Universi-
ty of Chicago in Auftrag gegebene Studie, in der untersucht wurde, unter welchen Rahmenbe-
dingungen Menschen gerne arbeiten. Es hat sich u.a. herausgestellt, dass Vertrauen dabei eine
wichtige Rolle spielt. Daher nimmt dieser Aspekt eine bedeutende Stellung innerhalb des
Konzeptes ein. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, ob ,,Shared Values" bzw. Shared Va-
lues Prozess® ein geeignetes Instrument darstellen, der Vertrauensproblematik in virtuellen
Unternehmen zu begegnen. Aus diesen Überlegungen leitet sich das Ziel dieser Arbeit ab:
Ziel dieser Arbeit besteht darin, zu untersuchen, ob und warum sich das Konzept ,,Sha-
red Values" bzw. die Managementmethode Shared Values Prozess® eignet, die Vertrau-
ensproblematik in virtuellen Unternehmen zu reduzieren. Darüber hinaus soll diskutiert
werden, wie dieses Konzept bzw. diese Methode als vertrauenförderndes Instrument in
solchen Unternehmen implementiert werden kann.
1.2 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
Nach der im vorliegenden Kapitel 1 erfolgten Einleitung mit Problemstellung, Zielsetzung
sowie Aufbau der Arbeit sollen in Kapitel 2 zunächst kurz die in Verbindung mit virtuellen
Unternehmen häufig verwendeten Begriffe ,,virtuell", ,,Virtualität", ,,Virtualisierung", ,,Virtu-
alisierungsgrad" erläutert werden. Im Anschluss daran werden vier von zahlreichen Autoren
14
Vgl. hierzu allg. Klaus, E., a.a.O.; Krystek, U.: Vertrauen in Unternehmensnetzwerken, in: Hink, D./Wilferr, A. (Hrsg.):
Handbuch Telekommunikation und Wirtschaft: volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Perspektiven, Verlag
Franz Vahlen, München 1999, S. 438-453; Pieper, J.: Vertrauen in Wertschöpfungspartnerschaften: eine Analyse aus Sicht
der Neuen Institutionenökonomie, Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2000; Sydow, J.: Konstitutionsbedingungen
von Vertrauen in Unternehmensnetzwerken ­ Theoretische und empirische Einsichten, in: Bühner, R. (Hrsg.): Die Dimen-
sionierung des Unternehmens, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 1995, S. 177-200.
15
Vgl. hierzu Köszegi, S., a.a.O. Sie entwickelt ein Vertrauensbildungsmodell unter Berücksichtigung situativer und perso-
nenbezogener Determinanten des Vertrauensbildungsprozesses und überprüft empirisch das Modell in einer spieltheore-
tisch konzipierten Simulation eines virtuellen Marktes.

5
als bedeutend erachtete Definitionsversuche von virtuellen Unternehmen vorgestellt und zu-
sammengefasst. Aus den genannten Definitionen abgeleitet, folgt eine Auflistung charakteris-
tischer Merkmale virtueller Unternehmen. Zum Schluss des Kapitels soll aufbauend auf den
Erkenntnissen der beiden vorangegangenen Unterkapitel eine Arbeitsdefinition von virtuellen
Unternehmen für diese Arbeit abgeleitet und festgelegt werden.
Kapitel 3 setzt die Beschreibung theoretischer Grundlagen fort, indem das Phänomen Ver-
trauen zunächst aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wird. Die Vorstellung ausge-
wählter theoretischer Ansätze aus der Psychologie und Soziologie, soll das Verständnis für
dieses in jüngerer Vergangenheit verstärkt in den Mittelpunkt gerückte Phänomen fördern.
Als nächstes soll im Hinblick auf das Ziel, eine eindeutige Definition von Vertrauen zu entwi-
ckeln, eine Abgrenzung zu anderen Reaktionsmöglichkeiten auf unsichere Situationen vorge-
nommen werden. Dieser Abgrenzung schließt sich die dieser Arbeit zugrundeliegende begriff-
liche Festlegung von Vertrauen an. Zur Verdeutlichung des Ausgangsgedanken für die
Auseinandersetzung mit dem Phänomen Vertrauen im Kontext virtueller Unternehmen erfolgt
eine Darstellung der Bedeutung und Funktion von Vertrauen in virtuellen Unternehmen. Im
Zusammenhang mit Vertrauen treten für virtuelle Unternehmen spezifische Probleme auf, die
es zu bewältigen gilt. Daher werden im Abschluss des Kapitels Grenzen und Barrieren des
Vertrauens in virtuellen Unternehmen aufgezeigt. Gleichzeitig bilden die hier angestellten
Überlegungen die Überleitung zum nächsten Kapitel.
Im Kapitel 4 wird zuerst das Konzept des Shared Values Prozesses vorgestellt. In Verbin-
dung damit wird auch kurzer Überblick über den geschichtlichen Hintergrund gegeben. Weil
Shared Values Prozess® für traditionell organisierte Unternehmen entwickelt wurde, wird es
als Nächstes wichtig zu klären sein, ob es ganz oder nur teilweise für virtuelle Unternehmen
relevant ist. Anschließend werden Shared Values - Funktionen im Rahmen des Vertrauens-
managements in virtuellen Unternehmen abgeleitet. Der Erfüllung dieser Funktionen sind
Grenzen und Barrieren gesetzt. Insofern wird in der Folge die Frage beantwortet, ob das
Implementieren der Werte in virtuellen Unternehmen überhaupt möglich ist. Zum Schluss
werden auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse aufgegriffen und die Möglichkeiten zur
Implementierung diskutiert.
Das abschließende Kapitel 5 fasst die wichtigsten Erkenntnisse und Ergebnisse der Arbeit
noch einmal zusammen.

6
2. Begriffliche Klärungen
2.1 Erläuterung Begriffe virtuell, Virtualität, Virtualisierung, Virtualisierungs-
grad
Der Begriff ,,virtuell" wird vom lateinischen Wort ,,virtus" abgeleitet und bedeutet ,,Tüchtig-
keit", ,,Mannhaftigkeit" und ,,Tugend".
16
Virtuell wird umgangssprachlich bezeichnet als die
Eigenschaft einer Sache, die nicht wirklich, scheinbar, entsprechend ihrer Anlage als Mög-
lichkeit vorhanden ist.
17
Davidow/Malone bezeichnen diese Eigenschaft als eine ,,Als-ob-
Realität".
18
Demzufolge ,,... spezifiziert [Virtualität] (...) ein konkretes Objekt über Eigenschaften, die
nicht physisch, trotzdem ihrer Leistungsfähigkeit nach vorhanden sind."
19
Die Bedeutung von
Virtualität liegt also darin, dass das Wirkungsvermögen eines virtuellen Objektes die Kräfte
des physisch vorhandenen Objektes übersteigt.
20
Es gibt keine Virtualität per se, Virtualität
benötigt immer einen spezifizierten Bezug zu einem konkreten Objekt. Es gibt also lediglich
virtuelle Produkte, virtuelle Büros, virtuelle Teams oder eben virtuelle Unternehmen.
21
Virtualisierung kennzeichnet - analog zur Virtualität - alle Aktivitäten, die zwar definierte
Effekte erzielen, dies aber, gegenüber klassischer Art, auf eine ungewöhnliche Weise bewerk-
stelligen. Die Produkte und/oder Dienstleistungen werden statt von einem traditionellen Un-
ternehmen, von einem lose gekoppelten, zeitlich befristeten Verbund von Kompetenzträgern
erbracht und dem Kunden angeboten; und zwar in der Weise, wie der Kunde dies von einer
klassischen Unternehmung erwartet.
22
16
Vgl. Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 28, 19. Aufl., Mannheim 1992, S. 3761.
17
Vgl. Scholz, C.: Strategische Organisation, a.a.O., S. 328.
18
Vgl. Davidow, W. H./Malone, M. S., a.a.O., S. 13.
19
Scholz, C: Strategische Organisation a.a.O. S. 328.
20
Vgl. Köszegi, S., a.a.O., S. 11. Am häufigsten wird Virtualität analog zum virtuellen Speicher als Begriff der Informatik
erklärt. Vgl. hierzu Krystek, U./Redel, W./Reppegather, S., a.a.O., S. 4; Picot, A./Reichwald, R./Wigand, R. T., a.a.O., S.
392 ff.; Schräder, A.: Management virtueller Unternehmungen: organisatorische Konzeption und informationstechnische
Unterstützung flexibler Allianzen, Campus Verlag, Frankfurt/Main, New York 1996, S. 34 f.; Szyperski, N./Klein, S.: In-
formationslogistik und virtuelle Organisationen: die Wechselwirkung von Informationslogistik und Netzwerkmodellen der
Unternehmung, in: Die Betriebswirtschaft (DBW), 53. Jg., 1993, Heft 2, S. 187-208.
21
Vgl. Scholz, C.: Strategische Organisation, a.a.O., S. 328.
22
Vgl. Sydow, J./Winand, U.: Unternehmungsvernetzung und ­virtualisierung: die Zukunft unternehmerischer Partner-
schaften, in: Winand, U./Nathusius, K. (Hrsg.): Unternehmungsnetzwerke und virtuelle Organisationen, Schäffer-Poeschel
Verlag, Stuttgart 1998, S. 11-31, hier: S. 18.

7
In der Literatur wird weiter mehrfach der Begriff ,,Virtualisierungsgrad" verwendet.
23
Der
Virtualisierungsgrad ist aus dem funktionalen Verständnis von virtuellen Organisationen
24
heraus entstanden und beschreibt das Ausmaß der Umsetzung des virtuellen Prinzips. Dabei
wird immer wieder darauf hingewiesen, dass der Idealfall eines 100-prozentigen virtuellen
Unternehmens in der Realität kaum zu erreichen ist.
25
2.2 Definitionsversuche in der Literatur
Betrachtet man die Beiträge in der Fachliteratur zum Thema ,,virtuelle Unternehmen", so
stellt man fest, dass es keine einheitliche Definition von virtuellen Unternehmen gibt. Eine
Reihe von Autoren hat versucht den Begriff konkret zu bestimmen. Als Resultat sind dabei
abweichende Auffassungen entstanden, die teilweise auf unterschiedliche Schwerpunktset-
zung zurückzuführen sind.
Nachfolgend sollen einige eigenständige Definitionsversuche dieser Autoren vorgestellt wer-
den, da diese Begriffsbestimmungen unterschiedliche Ansätze verkörpern, denen sich weitere
Autoren angeschlossen haben. Keine dieser Definitionen ist jedoch kritiklos geblieben. Daher
wird an entsprechenden Stellen auf die wichtigsten Schwachstellen aufmerksam gemacht.
Definitionsversuch von Davidow und Malone: Davidow und Malone, zwei Praktiker, haben
als erste mit ihrem Buch ,,Das virtuelle Unternehmen" ­ im Original "The Virtual Corporati-
on" ­ den Anstoß zur intensiveren Beschäftigung mit dem Thema gegeben. Auffallend dabei
ist, dass sie jede Definition des virtuellen Unternehmens vermeiden; nur einmal werden sie
etwas konkreter: ,,Der außenstehende Betrachter sieht ein fast konturloses Gebilde mit durch-
lässigen und ständig wechselnden Trennlinien zwischen Unternehmung, Lieferanten und
Kunden. Von innen ist das Bild nicht weniger formlos: Herkömmliche Arbeitsgruppen, Abtei-
lungen und Unternehmensbereiche reformieren sich ständig je nach Bedarf."
26
Damit spre-
chen die Autoren die zwischenbetrieblichen und innenbetrieblichen Aspekte der Organisati-
onsform an.
23
Vgl. z.B. Mertens, P./Joachim, G./Dieter, E.: Virtuelle Unternehmen und Informationsverarbeitung, Springer Verlag, Ber-
lin, Heidelberg 1998; Müller-Stevens, G.: Grundzüge einer Virtualisierung, in: Müller-Stevens (Hrsg.): Virtualisierung von
Organisationen, Schäffer-Poeschel Verlag und Verlag NZZ (Entwicklungstendenzen im Management, Bd. 16), Stuttgart
1997, S. 23-42; Venkataram, N./Henderson, C.: The architecture of virtual organizing: Leveraging three interdependent
vectors, Discussion Paper, University School of Management, Boston 1996; Wütherich, H.A./Philipp, A. F./Frentz, M. H.,
a.a.O.
24
Virtuelle Organisationen umfassen neben virtuellen Unternehmen auch andere Gebilde wie virtuelle Universitäten oder
virtuelle Bibliotheken. Vgl. Köszegi, S., a.a.O., S. 14.
25
Vgl. ebenda, S. 14 f.
26
Davidow, W. H./Malone, M. S., a.a.O., S. 15.

8
Als wesentliche Erfolgsfaktoren virtueller Unternehmen betrachten Davidow/Malone das
Vertrauen zwischen kooperierenden organisatorischen Einheiten, den Einsatz von
Informationstechnik zur effizienten Gestaltung der Organisation und Interaktion mit Kunden
sowie die Nutzung von Informationen zur Gewinnung von Wettbewerbsvorteilen.
27
Sieber erklärt in seiner kritischen Würdigung zur Definition von Davidow/Malone, dass sie
für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema ,,virtuelle Unternehmen" nicht
geeignet ist. Die Vorstellung der Autoren von virtuellen Unternehmen ist gegenüber bekann-
ten Organisationsformen wie z.B. der Netzwerkunternehmung nicht abgrenzbar. Außerdem
werden die Erfolgsfaktoren zwar genannt, eine Diskussion darüber, warum gerade diese Fak-
toren gewählt wurden und unter welchen Bedingungen sie wie wichtig sind, fehlt jedoch in
der Darstellung.
28
Definitionsversuch von Byrne, Brandt und Port: Im Gegensatz zu Davidow/Malone liefern
Byrne/Brandt/Port eine explizite Definition virtueller Unternehmung. In ihrem Artikel defi-
nieren sie das virtuelle Unternehmen als ,,... ein temporäres Netzwerk von Unternehmungen,
das schnell zusammenkommt, um schnell wechselnde Marktchancen zu nutzen. In einer virtu-
ellen Unternehmung können Unternehmungen Kosten, Fähigkeiten und globalen Marktzu-
gang teilen, wobei jeder gibt, was er am besten kann."
29
Diese Definition wird von Schräder als gelungen betrachtet, obgleich er sie mit Mängeln be-
haftet, wie z.B. dem Offenbleiben der Institutionalisierung des Netzwerkes als Merkmal.
30
Auf der Definition von Byrne bauen ein paar andere Autoren ihre Definitionen auf, indem sie
diese entweder variieren, wie Weber und Walsh,
31
oder bestimmte Aspekte der Begriffsbe-
stimmung aufgreifen und in ihre Definitionen einbeziehen.
32
27
Vgl. Davidow, W. H./Malone, M. S., a.a.O., S. 158 ff.; sowie Sieber, P.: Virtuelle Unternehmen in der IT-Branche: die
Wechselwirkung zwischen Internet-Nutzung, Strategie und Organisation, Berner betriebswirtschaftliche Schriften, Bd. 19,
Bern, Stuttgart, Wien, Haupt 1998, S. 8.
28
Vgl. Sieber, P., a.a.O., S. 9.
29
Byrne, J.A./Brandt, R./Port, O.: The virtual corporation, in: International Business Week (IBW), 08.02.1993, S. 36-41,
hier: S. 36.
30
Vgl. Schräder, A., a.a.O., S. 32.
31
Die Definition von Weber und Walsh lautet: ,,Die virtuelle Organisation ist ein zunächst auf Zeit ausgelegtes Netzwerk,
um Fähigkeiten und Kompetenzen gemeinsam zu nutzen." Weber, G.F./Walsh, I.: Komplexe Organisationen, ein Modell
für die Zukunft: Die virtuelle Organisation, in: Gablers Magazin, o.Jg., 1994, Heft 6-7, S. 24-27, hier: S. 25.
32
Siehe hierzu Womack, J. P./Jones, D. T.: From Lean Production to the Lean Enterprise, in: Harvard Business Review,
1994, Heft 3-4, S. 93-103, hier: S. 103; Klein, S.: Virtuelle Organisation, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium
(WiSt), 1994, Heft 6, S. 309-311, hier: S. 309.

9
Definitionsversuch von Scholz: Scholz, der als einer der ersten den Versuch zur theoretischen
Fundierung des Konzeptes unternommen hat, definiert das virtuelle Unternehmen über das
Vier-Merkmal-Schema der Virtualität.
33
Dieses Schema dient ihm als Instrument zur Typolo-
gisierung von Virtualisierungsformen. Der Virtualisierungsprozess beginnt immer mit einer
Spezifizierung des zu virtualisierenden Objektes über seine Merkmale. Diese konstituieren-
den Charakteristika weisen sowohl das ursprüngliche (reale) Objekt als auch seine virtuelle
Realisierung auf. Anschließend lässt sich festlegen, welche Attribute virtualisiert werden:
Entscheidend bei der Virtualisierungsidee ist immer das Fehlen bestimmter physikalischer
Attribute des ursprünglichen Objektes, die üblicherweise mit dem zu virtualisierenden Ob-
jekt assoziiert werden, aber beim virtualisierten Objekt nicht mehr vorhanden sind und trotz-
dem in ihrer erlebbaren Funktionalität realisiert werden. Dies lässt sich allerdings nur durch
entsprechende spezielle Zusatzspezifika verwirklichen, wobei es sich oft um technische
Hilfsmittel handelt. Das Ergebnis ist ein Nutzenvorteil, der sich durch den Wegfall der phy-
sikalischen Attribute ergibt.
34
Innerhalb des Vier-Merkmal-Schemas wird zwischen der intra- und interorganisatorischen
Perspektive
35
unterschieden. Auf der intraorganisatorischen Ebene betrachtet Scholz das vir-
tuelle Büro oder die virtuelle Abteilung in einem ,,traditionellen" Unternehmen. Dagegen
wird auf der interorganisatorischen Ebene auf das virtuelle Einzelunternehmen und das virtu-
elle Verbundunternehmen eingegangen. Diese Perspektive wird hier näher dargestellt, weil sie
der gängigen Vorstellung von virtuellen Unternehmen entspricht. Die Unterscheidung zwi-
schen virtuellem Einzelunternehmen und virtuellen Verbundunternehmen kann entsprechend
den Merkmalen in einer Tabelle folgendermaßen dargestellt werden:
33
Vgl. Scholz, C: Strategische Organisation, a.a.O., 328 ff.
34
Vgl. Scholz, C.: Strategische Organisation, a.a.O., 329.
35
Krystek et al. unterscheiden ebenfalls die intraorganisatorische und interorganisatorische Perspektive von virtuellen Unter-
nehmen, Vgl. Krystek, U./Redel, W./Reppegather, S., a.a.O.

10
Virtuelles Einzelunterne hmen
Virtuelles Verbundunternehmen
1. ,,konstituierende
Charakteristika",
- gleicher Geschäftszweck wie bei
traditionellen Unternehmen
- einheitliches Auftreten gegenüber dem
Kunden
- Gesamtoptimierung der (ganzen) Wert-
schöpfungskette
2. ,,fehlende physika-
lische Attribute"
- Physikalisch-reales Gebäude
- räumliche Verbundenheit von Mitarbei-
tern und Kunden
- allenfalls rudimentäres zentrales (juristi-
sches) Dach mit Durchgriffsmöglichkeit
- kaum gemeinsam geteilte Verwaltung
3. ,,Zusatzspezifika" - Existenz oder Schaffung extensiver
IuK
36
-Struktur
- Akzeptanz multimedialer Technologien
seitens der Mitarbeiter und Kunden
- Vertrauensaufbau zwischen Kunden
und Mitarbeitern
- IuK als Verbindung der Einheiten
- Vertrauen als Koordinationsmechanismus
- gemeinsam geteilte Vision
- Synergie schaffende individuelle Kern-
kompetenzen
37
ohne aktuelle Konkurrenz-
situation zwischen Partnern
- Harmonisierende Kernkompetenzen
4. ,,Nutzeneffekte"
reichen vom Wegfall physikalischer
Errichtungs- u. Erhaltungskosten über
größere Flexibilität und Anpassungsfä-
higkeit bis zur effizienteren Nutzung des
Marketinginstrumentariums
- Flexibilität und Anpassungsfähigkeit
- Nutzung eines gemeinsamen Synergiepo-
tenzials
Abbildung 1: Virtuelles Einzel- und Verbundunternehmen im Vier-Merkmal-Schema der
Virtualität nach Scholz
38
Definitionsversuch von Mertens: Mertens beschreibt in seinem Überblicksartikel das virtuelle
Unternehmen als extreme Dominanz der Ablauf- über die Aufbauorganisation und als konse-
quente Fortsetzung der Prozessorientierung
39
sowie der zwischenbetrieblichen Integration der
Informationsverarbeitung.
40
Er definiert dabei das virtuelle Unternehmen als: ,,... überbetrieb-
liche Kooperation zur Durchführung von Missionen,
41
wobei man auf die zeitraubende Grün-
dung neuer Einrichtungen, etwa vertraglich abgesicherter Joint Ventures oder Konsortien, den
Kauf neuer Tochtergesellschaften oder die Errichtung eines Gemeinschaftsunternehmens
zweier Konzerne verzichtet."
42
36
bedeutet Informations- und Kommunikationstechnologie
37
Das in der Lehre der Wirtschaftswissenschaften etablierte Verständnis der Kernkompetenz/en geht ursprünglich auf Praha-
lad & Hamel zurück. Ihnen zufolge weist die Kernkompetenz vier Merkmale auf: Einmaligkeit, sie eröffnet den Zugang zu
verschiedenen Märkten, leistet einen wesentlichen Beitrag zur Befriedigung von Kundenbedürfnissen und ist für Konkur-
renten schwer imitierbar. Vgl. Prahalad, C. K./Hamel, G: The core competence of the corporation, in: Harvard Business
Review, 1990, Heft 66, S. 79-91, hier: S. 83 ff.; sowie Köszegi, S., a.a.O. S. 21 f.
38
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an: Scholz, C.: Strategische Organisation, a.a.O., S. 328 ff.
39
Mit der Prozessorientierung knüpft Mertens an die Anwendung des Wertkettenmodells von Porter durch Griese an, der die
Virtualisierung von international tätigen Unternehmungen beschreibt. Vgl. Griese, J.: Auswirkungen globaler Informa-
tions- und Kommunikationssysteme auf die Organisation weltweit tätiger Unternehmen, in: Stähle, W. H./Conrad, P.
(Hrsg.): Managementforschung 2, Berlin/New York 1992, S. 163-175, hier. S. 171; sowie Sieber, P., a.a.O., S. 14.
40
Vgl. Mertens, P.: Virtuelle Unternehmen, in: Wirtschaftsinformatik, 36. Jg.,1994, Heft 2, S. 169-172, hier: S. 169.
41
Mission wird bei Mertens als ,,zeitlich begrenzte Aufgabe" definiert. Vgl. ebenda.
42
Ebenda.

11
Im Weiteren schließt Mertens jedoch nicht aus, dass neben den Unternehmensverbünden zur
Durchführung von zeitlich begrenzten Kooperationen auch solche als virtuelle Unternehmung
gelten, die auf Dauer angelegt sind.
Zusammenfassung: Die Darstellung der Definitionsversuche verdeutlicht explizit die unter-
schiedlichen Auffassungen der Autoren. Arnold et al. haben diese und weitere in der Literatur
vorhandenen Definitionen ausgewertet und eine auf ihren Erkenntnissen basierende eigene
Begriffsbestimmung formuliert; sie lautet: ,,Ein Virtuelles Unternehmen ist eine Kooperati-
onsform rechtlich unabhängiger Unternehmen, Institutionen und/oder Einzelpersonen, die
eine Leistung auf der Basis eines gemeinsamen Geschäftsverständnisses erbringen. Die ko-
operierenden Einheiten beteiligen sich an der Zusammenarbeit vorrangig mit ihren Kernkom-
petenzen und wirken bei der Leistungserstellung gegenüber Dritten wie ein einheitliches Un-
ternehmen. Dabei wird auf die Institutionalisierung zentraler Managementfunktionen zur
Gestaltung, Lenkung und Entwicklung des VU durch die Nutzung geeigneter Informations-
und Kommunikationstechnologien weitgehend verzichtet."
43
2.3 Charakteristische Merkmale virtueller Unternehmen
Die voran dargestellten Definitionen virtueller Unternehmen aus der betriebswirtschaftlichen
Literatur lassen erkennen, dass es noch keine einheitliche Definition gibt. Jedoch erlauben
diese Begriffsbestimmungen die Isolation bestimmter charakteristischer Merkmale virtueller
Unternehmen, die im Folgenden erläutert werden:
2.3.1 Kooperation rechtlich unabhängiger Partner
Das Charakteristikum der Kooperation rechtlich selbstständiger Partner wird auch als Modu-
larität bezeichnet. Sie beschreibt die projektbezogene Kooperation dieser Partnerunterneh-
men. Dabei ergibt sich die Notwendigkeit der Kooperation der Aufgabenträger, d.h. der Part-
ner eines virtuellen Unternehmens, aus deren Anspruch, optimale Leistungserfüllung für
Erfordernisse einer Kundenanfrage zu verwirklichen.
44
43
Arnold, O./Faisst, W./Härtling, M./Sieber, P.: Virtuelle Unternehmen als Unternehmenstyp der Zukunft?,
http://www.wi1.uni-erlangen.de/veroeffentlichungen/download/vu/HMD_VV.pdf (06.05.2003), S. 3. [Acrobat Reader 4.0]
44
Vgl. Köszegi, S., a.a.O., S. 18.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832475949
ISBN (Paperback)
9783838675947
DOI
10.3239/9783832475949
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst - Fachhochschule Hildesheim, Holzminden, Göttingen – Wirtschaft
Erscheinungsdatum
2004 (Januar)
Note
1,3
Schlagworte
vertrauen lebow unternehmensführung switt-trust systemvertrauen
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Titel: Untersuchung des Shared Values Prozesses auf Relevanz beim Vetrauensmanagement in virtuellen Unternehmen
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