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Probleme und Möglichkeiten der Kleinstunternehmensförderung durch internationale Entwicklungsprogramme

Eine Analyse zweier UNO-Projekte in Ecuador

©2001 Doktorarbeit / Dissertation 372 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Eine Antwort auf derartige Feststellungen sucht diese Arbeit einerseits in der Auswertung zweier UNO-Projekte, anhand deren die Förderungsbemühungen von seiten der UNO demonstriert und evaluiert werden sollen, und andererseits in der Durchleuchtung und dem kritischen Hinterfragen bisheriger Erkenntnisse im Bereich der Handwerks- und Kleinstunternehmensförderung mittels Befragungen von Experten und Zielgruppen.
Das allgemeine Erkenntnisinteresse richtet sich in der vorliegenden Studie auf fünf Ausgangsfragestellungen:
Welche Fördermaßnahmen in bezug auf den kleinstbetrieblichen Sektor werden von seiten der UNO in Ecuador durchgeführt - welche Bedeutung wird der Förderung von Kleinstbetrieben mittels Entwicklungsprojekten seitens der UNO und anderen lokalen und internationalen Organisationen in Ecuador zuerkannt?
Welchen Schwierigkeiten sehen sich die Kleinstbetriebe in Ecuador gegenübergestellt und welche externen Faktoren erschweren die Durchführung von Förderungsmaßnahmen für Mikrobetriebe?
Sind die Ziele und Arbeitsschwerpunkte der UNO an die Bedürfnisse des Landes und seiner Menschen angepaßt?
Welche Bereiche sind besonders zu fördern und wie sollte eine Förderungsstrategie von seiten der UNO und anderen internationalen und nationalen Organisationen konzipiert sein - Schwerpunktsetzung bei den Förderungsmaßnahmen?
Welche Bedeutung haben Kleinstbetriebe hinsichtlich der Verminderung der Armut, welche Veränderungen können durch eine erfolgreiche Förderung von Kleinstbetrieben hervorgerufen werden und kann durch gezielte Förderungsstrategien für den kleinstbetrieblichen Sektor zur Bekämpfung der Armut in Ecuador beigetragen werden?

Gang der Untersuchung:
Eine umfassende Analyse der Ziele und Schwerpunkte bei Förderungsprojekten soll durch die Untersuchung zweier empirischer Fallstudien versucht werden, um dadurch an praxisbezogenen Erkenntnissen zusätzlich zu den Ergebnissen der Befragungen von Experten und NGO-Vertretern die zukünftigen Entwicklungsbereiche und die daraus resultierenden Handlungserfordernisse abschätzen zu können. Da die Realisierung einer nachhaltigen Entwicklung am effizientesten über gemeinsame - nationale und internationale - entwicklungspolitische Ziele und Aktivitäten erreicht werden kann, kommt der Prüfung der Umsetzbarkeit kooperativer Maßnahmen die Rolle eines Subzieles zu.
Die vorliegende Studie ist in 2 Teile gegliedert, einem theoretischen Teil (Kapitel 2 - Kapitel 6) und einem […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7555
Rossbacher, Martina: Probleme und Möglichkeiten der Kleinstunternehmensförderung
durch internationale Entwicklungsprogramme ­ Eine Analyse zweier UNO-Projekte in
Ecuador
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Johannes Kepler Universität Linz, Universität, Dissertation/Doktorarbeit, 2001
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
I
INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG
1
1 AUSGANGSFRAGESTELLUNGEN
UND
ÜBERSICHT
3
2
ERKENNTNISSE AUS DER THEORIE AUF DEM GEBIET DER
KLEINSTUNTERNEHMENSFORSCHUNG
6
2.1 Die Rolle der Kleinstunternehmen in entwicklungstheoretischen Ansätzen seit 1945
6
2.1.1 Stufentheoretischen
Ansätze
6
2.1.2 Modernisierungs-
und Dependenztheorien
7
2.1.3 Das World Employment Programme der ILO
11
2.1.4 Das neoliberale Konzept
12
2.1.5 Weltsystem- und Subsistenztheorien
15
2.2 Neuere Diskussionen zur Entwicklungstheorie und ­strategie
17
2.2.1 Entwicklungstheorie
17
2.2.1.1 Mikro-Diskussionen
17
2.2.1.2 Urbaner informeller Sektor
17
2.2.1.3 Allgemeine
Betrachtungen der Mikro-Diskussionen
18
2.2.2 Entwicklungsstrategien
19
2.2.2.1 Systemische
Wettbewerbsfähigkeit
19
2.2.2.2 Good
Governance
19
2.2.2.3 Human
Development
20
2.2.2.4 Sustainable Development oder nachhaltige Entwicklung
20
2.2.2.5 Participatory
Development
23
2.2.2.6 Zusammenfassende
Betrachtung der Theoriediskussionen
24
2.3 Erkenntnisse aus der Praxis
25
3
CHARAKTERISIERUNG DER KLEINSTUNTERNEHMEN
28
3.1 Begriffsbestimmung
28
3.2 Grundsätzliche qualitative Merkmale eines Mikrounternehmens
32
3.3 Quantitative Kriterien zur Bestimmung von Kleinstbetrieben
34
3.4 Charakterisierung der Kleinstbetriebe in Ecuador
35
3.5 Kleinstunternehmen und informeller Sektor
37
3.5.1 Das Konzept des informellen Sektors
37
3.5.2 ,,Informeller Sektor" oder ,,Kleinstunternehmen"
40
3.6 Eine Differenzierung des kleinstbetrieblichen Sektors
45
4
DARSTELLUNG UND CHARAKTERISTIK VON ECUADOR
48
4.1 Geographie und Bevölkerung
48
4.2 Historischer
Überblick
49
4.3 Soziale
Struktur
54
4.3.1 Bildungswesen
55
4.3.2 Gesundheitswesen
55
4.3.3 Arbeitsmarkt und Einkommensverteilung
56
4.3.4 Armut in Ecuador
57

Inhaltsverzeichnis
II
4.4 Wirtschaftsstruktur
58
4.4.1 Wirtschaftliche
Entwicklung
58
4.4.2 Gewerkschaften und Unternehmerverbände
64
4.4.3 Außenhandel
64
4.4.4 Landwirtschaft
65
5 DER
KLEINSTBETRIEBLICHE SEKTOR IN ECUADOR
68
5.1 Die Entwicklung des Kleinstunternehmens in Ecuador ­ ein historischer Rückblick
68
5.1.1 Ursprung der Kleinstbetriebe in Ecuador
68
5.1.2 Der Kleinstbetrieb in der Kolonialzeit
70
5.1.2.1 La Organicación Gremial de España
70
5.1.2.2 Die Entwicklung der Fertigungsindustrie
71
5.1.3 Das private Unternehmen im republikanischen Ecuador
72
5.1.3.1 Neue Zusammenschlüsse der Handwerker
72
5.1.3.2 Liberalisierung des Handels und der Industrie
73
5.1.4 Die industrielle Entwicklung in Ecuador
74
5.1.4.1 Das Arbeitsgesetzbuch von 1938
74
5.1.4.2 Die Zeit bis 1950 ­ Der Industrialisierungsprozeß in Ecuador
75
5.1.4.3 Gründung öffentlicher Institutionen
77
5.1.4.4 Die industrielle Entwicklung in den letzten 30 Jahren
77
5.1.5 Der Kleinstbetrieb und seine Bedeutung nach 1970
81
5.1.5.1 Gesetz zur Förderung von Kleinindustrie und Handwerk
81
5.1.5.2 Das Kleinstunternehmen und seine Bedeutung in den letzten 30 Jahren
81
5.2 Die Bedeutung der Kleinstbetriebe in Ecuador und ihr Beitrag zur wirtschaftlichen,
sozialen und produktiven Entwicklung des Landes
83
5.3 Die Partizipation der Frau im kleinstbetrieblichen Sektor
86
5.4 Der
kleinstbetriebliche
Sektor in Lateinamerika
89
5.4.1 Die Beschäftigungssituation in der lateinamerikanischen Region
89
5.4.2 Die Relevanz der Mikrounternehmen in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern
91
5.5 Identifizierung
förderungsbedürftiger
unternehmensrelevanter Faktoren oder
nternehmensinterne und -externe Rahmenbedingungen für Mikrounternehmen
94
5.5.1 Kapitalknappheit
95
5.5.1.1 Der
unternehmensinterne
Stellenwert des Produktionsfaktors Kapital
95
5.5.1.2 Zugang zu Kapital
97
5.5.2 Der Produktionsfaktor Arbeit
100
5.5.2.1 Der Arbeitsmarkt und die Arbeitsgesetzgebung als
externe
Bestimmungsfaktoren 100
5.5.2.2 Arbeitseinsatz und ­qualität
103
5.5.3 Die verwendete Technologie
105
5.5.3.1 Technologie
und
Produktionsprozeß
105
5.5.3.2 Zugang zu Technologie
105
5.5.3.3 Technologische
Innovationen
106
5.5.4 Materialbeschaffung
107
5.5.5 Das Absatzmarktverhalten der Kleinstbetriebe
107
5.5.5.1 Die Struktur der Absatzmärkte
107
5.5.5.2 Marketingkonzepte und ­methoden
109
5.5.6 Die
Unternehmensorganisation
110
5.5.6.1 Organisations- und Entscheidungsabläufe
110
5.5.6.2 Betriebsplanung und Buchführung
111
5.5.7 Der
Mikrounternehmer
112
5.5.7.1 Unternehmerfähigkeiten
112
5.5.7.2 Motivation zum Unternehmertum
113
5.5.7.3 Betriebliche
Erfahrung und Know-how
114
5.5.7.4 Externe Einflußfaktoren: Wirtschaft, Staat, Kultur
114

Inhaltsverzeichnis
III
5.5.8 Politische
Rahmenbedingungen
115
5.5.8.1 Staatliche
Regelungen und Fiskalpolitik
115
5.5.8.2 Infrastrukturpolitik
118
5.5.8.3 Träger einer Förderungspolitik für die Kleinstbetriebe
118
5.6 Programme für Kleinstbetriebe in Ecuador
119
5.6.1 Staatliche Programme zur Förderung von Mikrobetrieben
121
5.6.1.1 UNEPROM (Unidad Ejecutora del Programa Nacional deMicroempresas)
121
5.6.1.2 CONAUPE (Corporación de Apoyo a las Unidades Populares Económicas) 122
5.6.1.3 CFN (Corporación Financiera Nacional)
123
5.6.1.4 Staatliche Banken mit eigenen speziellen Kreditlinien
für Kleinstunternehmen
124
5.6.1.5 Cámara Nacional de Micoempresas
124
5.6.2 Sistema Nacional de Garantía Crediticia (SNGC)
124
5.6.3 Das formelle Finanzsystem (Banken, Genossenschaften, Financier)
125
5.6.4 Banco Interamericano de Desarrollo (BID)
126
5.6.5 Nationale Non Governmental Organizations
127
6
DIE UN ALS INTERNATIONALE ENTWICKLUNGSORGANISATION -
ENTWICKLUNGS-ANSTRENGUNGEN IN ECUADOR
130
6.1 Das System der Vereinten Nationen und ihre Arbeit als Entwicklungsorganisation
130
6.1.1 Die Charta der Vereinten Nationen
131
6.1.2 Die Ziele der UN
132
6.1.3 Die Struktur der Organisation
132
6.1.4 Finanzierung
der
Programme
135
6.1.5 Die
Entwicklungszusammenarbeit der Vereinten Nationen
137
6.1.5.1 UNDP ­ Das UN-Entwicklungsprogramm
140
6.1.5.2 UN und Weltbank in der internationalen Entwicklungspolitik
141
6.1.6 Reformanstrengungen der UN ­ Der Reformplan des UN-Generalsekretärs
142
6.2 Die UN in Ecuador
147
6.2.1 Schwerpunkte der UN-Zusammenarbeit in Ecuador
147
6.2.2 Die wichtigsten Arbeitsbereiche der UN-Organisationen in Ecuador
148
6.3 Die NGO als Träger der Entwicklungszusammenarbeit 154
6.3.1 NGO in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit
154
6.3.2 NGO in Entwicklungsländern
157
6.3.2.1 Entwicklungsorganisationen in Ecuador
159
6.3.2.2 Nationale Selbsthilfegruppen
161
6.3.2.3 Internationale NGO in Ecuador
161
6.3.2.4 Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Ecuador
162
6.3.2.5 Der Deutsche Entwicklungsdienst (DED)
163
6.4 Die österreichische Entwicklungspolitik
165
6.4.1 Öffentliche
Entwicklungszusammenarbeit
165
6.4.1.1 Bilaterale
Entwicklungszusammenarbeit 166
6.4.1.2 Multilaterale
Entwicklungspolitik
169
6.4.2 Private Entwicklungszusammenarbeit in Österreich
169
6.4.3 Österreichische NGO mit Entwicklungsprojekten in Ecuador
170
6.4.3.1 Der
Österreichische
Entwicklungsdienst (ÖED)
170
6.4.3.2 Institut für Internationale Zusammenarbeit (IIZ)
172
6.4.3.3 Österreichische Lateinamerika-Hilfe (ÖLH)
173
6.4.4 Kritik an der österreichischen Entwicklungspolitik
174

Inhaltsverzeichnis
IV
7 KLEINSTUNTERNEHMENSFÖRDERUNG IN ECUADOR DURCH
ENTWICKLUNGSPROJEKTE DER UN - ZWEI PROJEKTSTUDIEN
176
7.1 Aufbau der empirischen Untersuchung - Vorgehensweise und Forschungsmethode
176
7.1.1 Vorgehensweise
176
7.1.2 Datenerhebungsmethode
178
7.1.3 Zur Darstellung des empirischen Teils
181
7.2 UNITED NATIONS INDUSTRIAL DEVELOPMENT ORGANIZATION
181
7.2.1 Administration
182
7.2.2 Aufgaben und Ziele der UNIDO
184
7.2.3 Integrated Packages of Services
184
7.2.4 Kooperationen
mit
UN-Organisationen 186
7.2.5 Finanzielle Mittel der UNIDO
187
7.2.6 Programm für Klein- und Mittelbetriebe
190
7.2.7 Finanzierung
kleinindustrieller Projekte
196
7.2.8 Die UNIDO in Ecuador
196
7.2.8.1 Aufgaben und Ziele der UNIDO in Lateinamerika
196
7.2.8.2 Arbeitsbereiche
der UNIDO in Ecuador
198
7.3 Projektstudie I: Errichtung eines kleinen agro-industriellen Unternehmens zur
Herstellung von qualitativ hochwertigen Schokoladeprodukten
203
7.3.1 Kurzer Überblick über die Situation der Kleinstunternehmen in der Projektregion
203
7.3.2 Projektbeschreibung
205
7.3.2.1 Hintergrund
205
7.3.2.2 Projektziel
206
7.3.2.3 Zielgruppe
206
7.3.2.4 Geplante
Ergebniss
206
7.3.2.5 Projektaktivitäten zur Erreichung der geplanten Ergebnisse
206
7.3.2.6 Beiträge
der
Projektpartner
208
7.3.2.7 Arbeitsbeschreibung der internationalen Expertin auf dem Gebiet der
Produktion von hausgemachter und qualitativ hochwertiger Schokolade
209
7.3.2.8 Arbeitsbeschreibung des nationalen Marketingexperten
211
7.3.2.9 Arbeitsbeschreibung
der
nationalen WID-Expertin
211
7.3.2.10 Evaluierung und Dokumentation
212
7.3.3 Projektverlauf
213
7.3.3.1 Allgemeiner
Projektverlauf
213
7.3.3.2 Unternehmensadministration, -finanzierung und ­management
217
7.3.3.3 Marketing
218
7.3.3.4 Produktionsentwicklung
220
7.3.3.5 Produktionspersonal
222
7.3.3.6 Weiterer
Projektverlauf
222
7.3.3.7 Abkommen zwischen UNIDO und Ce-Mujer
227
7.3.3.8 Wiedereröffnung
des
Unternehmens
229
7.3.3.9 Derzeitiger
Projektstand
231
7.4 Evaluierung des UNIDO-Förderprojekts
232
7.4.1 Erreichung der Projektziele
232
7.4.2 Probleme bei der Projektimplementation
234
7.4.3 Die Zukunft des Unternehmens
237
7.4.4 Zusammenarbeit zwischen den Projektmitarbeitern
239
7.4.5 Partizipation der Zielgruppe
240
7.4.6 Projektakzeptanz und Motivation der Zielgruppe
241
7.4.7 Veränderungen innerhalb der Zielgruppe
242
7.4.8 Steigerung der Problemlösungsfähigkeit der Zielgruppe - Kapazitäten
zur eigenständigen Führung des Unternehmens
243

Inhaltsverzeichnis
V
7.5 FOOD AND AGRICULTURE ORGANIZATION OF THE UNITED NATIONS
245
7.5.1 Die Ziele der FAO
245
7.5.2 Struktur und Finanzierung
245
7.5.3 Die Aufgabenbereiche der FAO
246
7.5.3.1 The Special Programme for Food Security
247
7.5.3.2 Global Information and Early Warning System
248
7.5.4 Die FAO in Ecuador
249
7.5.4.1 Arbeitsbereiche der FAO in Ecuador
249
7.5.4.2 Abgeschlossene
FAO-Projekte mit Kleinstbetrieben
252
7.6 Projektstudie II: Gründung eines Mikrounternehmens für Frauen zur Verarbeitung
von Früchten und Gemüse im Kanton Sigsig
253
7.6.1 Kurzbeschreibung des Projektumfeldes
253
7.6.2 Projektbeschreibung
255
7.6.2.1 Hintergrund
255
7.6.2.2 Projektziel
257
7.6.2.3 Zielgruppe
258
7.6.2.4 Arbeitsplan
258
7.6.2.5 Beiträge
der
Projektpartner
259
7.6.2.6 Arbeitsbeschreibung des internationalen Konsulenten - Experte auf dem
Gebiet der Verarbeitung von Früchten und Gemüse in kleinem Maßstab
261
7.6.2.7 Arbeitsbeschreibung der nationalen Konsulentin - Expertin in den Bereichen
Marketing und kaufmännische Organisation von kleinen Unternehmen
263
7.6.2.8 Arbeitsbeschreibung des Regionalen Funktionärs der Nahrungsmittel-
und agroindustriellen Technologie des RLAC
263
7.6.2.9 Durchführung der Trainingskurse
264
7.6.2.10 Dokumentation
264
7.6.3 Projektverlauf
265
7.6.3.1 Allgemeiner
Projektverlauf
265
7.6.3.2 Rohstoffe
267
7.6.3.3 Das
Produktionsverfahren
268
7.6.3.4 Die Vermarktung der Produkte
269
7.6.3.5 Das Unternehmenspersonal
270
7.6.3.6 Organisationsstruktur des Mikrounternehmens
271
7.6.3.7 Die Zukunft des Mikrounternehmens
273
7.7 Evaluierung
des
FAO-Förderprojekts
274
7.7.1 Erreichung der geplanten Projektziele
274
7.7.2 Einschätzung der Probleme bei der Projektdurchführung
276
7.7.3 Die Zukunft des Unternehmens
277
7.7.4 Zusammenarbeit mit dem Projektpartner
278
7.7.5 Partizipation der Zielgruppe
280
7.7.6 Projektakzeptanz und Motivation der Zielgruppe
280
7.7.7 Veränderungen
innerhalb
der
Zielgruppe und Gemeindemitglieder
282
7.7.8 Steigerung der Problemlösungsfähigkeit der Zielgruppe - Kapazitäten zur
eigenständigen Führung des Unternehmens
284
8
ANFORDERUNGEN AN DIE KLEINSTBETRIEBSFÖRDERUNG IN DER
INTERNATIONALEN ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
285
8.1 Entwicklungszusammenarbeit in Ecuador
285
8.2 Bewertung der Arbeit der UNO von seiten der lokalen Projektträger, Zielgruppen
und
Experten
287
8.3 Anpassung der UNO-Ziele an die Bedürfnisse des Landes
292
8.4 Externe Hindernisse bei der Projektdurchführung
294
8.5 Ausrichtung der UN-Unterstützung in Ecuador zur Bekämpfung der Armut
297
8.6 Entwicklungschancen
Ecuadors
302

Inhaltsverzeichnis
VI
8.7 Die Rolle der lokalen NGO
302
8.8 Einschätzung der Motivation der Zielgruppen
305
8.9 Hervorgerufene
Veränderungen und Impakte
306
8.10 Eigenständige Weiterführung eines Mikrounternehmens nach Projektende
308
8.11 Förderungsstrategie für Mikrobetriebe im Rahmen der internationalen
Entwicklungszusammenarbeit 311
9
FOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN: BEDEUTUNG DER
KLEINSTBETRIEBE BEI DER BEKÄMPFUNG DER ARMUT:
Liegt die Zukunft in der Förderung des kleinstbetrieblichen Sektors?
328
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
345
LITERATURVERZEICHNIS
348

Einleitung
1
EINLEITUNG
Steigende Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, ein teilweise schrumpfender Arbeitsmarkt
und die allgemeine Verschlechterung der Lebensbedingungen führen dazu, daß immer mehr
Menschen im kleinstbetrieblichen Wirtschaftssektor den Weg aus der Armut suchen. In vielen
Entwicklungsländern beschäftigt der informelle Sektor heute mehr als die Hälfte der
Erwerbsbevölkerung und ist zunehmend für das Funktionieren der rasch wachsenden Großstädte
verantwortlich. Die ,,formelle" Wirtschaft kann die stark ansteigende Arbeitskräftezahl nicht wie
erwartet absorbieren und die bisherigen Entwicklungskonzepte die besorgniserregende Land-
Stadt Migration nicht in kontrollierbare Bahnen lenken.
In der heutigen Epoche, in der solch ernüchternde Fakten vielerorts als Ergebnisse der in den
letzten Entwicklungsdekaden vorwiegend verfolgten Modernisierungs- und
Industrialisierungsstrategien vorliegen und die internationale Entwicklungszusammenarbeit nicht
zuletzt deshalb heftiger Kritik ausgesetzt ist, sind die zuständigen Entwicklungsexperten dazu
gezwungen, nach alternativen Konzepten zu suchen, um diesen bisher erzeugten
Fehlentwicklungen entgegenzutreten. Der Umfang derart unerwünschter Fehlentwicklungen -
wie an den Verarmungs- und Marginalisierungsprozessen in den Großstädten der
Entwicklungsländer zu sehen ist - hat heute so große Ausmaße erreicht, daß
Schwerpunktänderungen sowohl in den Entwicklungsstrategien als auch in der praktischen
Entwicklungszusammenarbeit zwingend sind.
Vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden entwicklungspolitischen Lage und den
Fehlleistungen der bisherigen Entwicklungspolitik rückten Anfang der 70er Jahre die
Kleinstbetriebe, die größtenteils dem ,,informellen" Sektor einer Volkswirtschaft zuzuordnen
sind, ins Aktionsfeld der internationalen Entwicklungsanstrengungen - wohlgemerkt nur an
dessen Rand und nicht in dessen Zentrum. Obwohl in den letzten Jahren immer mehr
Entwicklungsorganisationen zunehmend mehr Mittel für die Kleinstunternehmensförderung
aufgewendet haben, herrscht in weiten Teilen weiterhin Uneinigkeit darüber, wie Projekte und
Programme zugunsten von kleinen Unternehmen effektiv und duplizierbar - d.h. langfristig
wirksam, selbsttragend und übertragbar - ausgestaltet werden sollen. Welche
Förderungsmaßnahmen versprechen demnach möglichst hohe Multiplikatoreffekte und einen
effizienten Ressourceneinsatz?

Einleitung
2
Für Tausende von Menschen, die ihren Lebensunterhalt im mikrobetrieblichen Handwerks-,
Handel und Dienstleistungsbereich verdienen, gewinnt dieser Sektor immer mehr an Bedeutung.
Der kleinstbetriebliche Wirtschaftssektor ist der eigentlich expandierende Sektor, da unter
Einsatz von einfacher Technik und wenig Kapital die Menschen in verschiedensten Bereichen
tätig sein können.
Da Kleinstbetriebe aus eigener Kraft Defizite in der Kapitalbeschaffung,
Technologieanwendung, Gewährleistung der Qualität, Vermarktung der Produkte,
Unternehmensorganisation einschließlich Planung und Preis- und Kostenkalkulation, im
Marktzugang und vielem mehr, nur schwer überwinden können, und zudem der Staat die
Betriebe nur sehr mangelhaft bzw. überhaupt nicht unterstützt, sind Entwicklungsprojekte und -
programme, die zum einen die Schaffung von sozialen und wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen durch den Staat und zum anderen die Problemlösungskapazitäten der
Mikrounternehmer durch Projekte auf Ebene der lokalen und nationalen
Unternehmenszusammenschlüsse, Selbsthilfeorganisationen und Interessenvertretungen fördern,
oft die einzige Lösung.

Ausgangsfragestellungen und Übersicht
3
1
AUSGANGSFRAGESTELLUNGEN UND ÜBERSICHT
Eine Antwort auf derartige Feststellungen sucht diese Arbeit einerseits in der Auswertung zweier
UNO-Projekte, anhand deren die Förderungsbemühungen von seiten der UNO demonstriert und
evaluiert werden sollen, und andererseits in der Durchleuchtung und dem kritischen Hinterfragen
bisheriger Erkenntnisse im Bereich der Handwerks- und Kleinstunternehmensförderung mittels
Befragungen von Experten und Zielgruppen.
Das allgemeine Erkenntnisinteresse richtet sich in der vorliegenden Studie auf fünf Ausgangs-
fragestellungen:
1.
Welche Fördermaßnahmen in bezug auf den kleinstbetrieblichen Sektor werden von
seiten der UNO in Ecuador durchgeführt - welche Bedeutung wird der Förderung
von Kleinstbetrieben mittels Entwicklungsprojekten seitens der UNO und anderen
lokalen und internationalen Organisationen in Ecuador zuerkannt?
2.
Welchen Schwierigkeiten sehen sich die Kleinstbetriebe in Ecuador gegenüberge-
stellt und welche externen Faktoren erschweren die Durchführung von Förderungs-
maßnahmen für Mikrobetriebe?
3.
Sind die Ziele und Arbeitsschwerpunkte der UNO an die Bedürfnisse des Landes und
seiner Menschen angepaßt?
4.
Welche Bereiche sind besonders zu fördern und wie sollte eine Förderungsstrategie
von seiten der UNO und anderen internationalen und nationalen Organisationen kon-
zipiert sein - Schwerpunktsetzung bei den Förderungsmaßnahmen?
5.
Welche Bedeutung haben Kleinstbetriebe hinsichtlich der Verminderung der Armut,
welche Veränderungen können durch eine erfolgreiche Förderung von Kleinstbetrie-
ben hervorgerufen werden und kann durch gezielte Förderungsstrategien für den
kleinstbetrieblichen Sektor zur Bekämpfung der Armut in Ecuador beigetragen wer-
den?

Ausgangsfragestellungen und Übersicht
4
Eine umfassende Analyse der Ziele und Schwerpunkte bei Förderungsprojekten soll durch die
Untersuchung zweier empirischer Fallstudien versucht werden, um dadurch an praxisbezogenen
Ekenntnissen zusätzlich zu den Ergebnissen der Befragungen von Experten und NGO-Vertretern
die zukünftigen Entwicklungsbereiche und die daraus resultierenden Handlungserfordernisse
abschätzen zu können. Da die Realisierung einer nachhaltigen Entwicklung am effizientesten
über gemeinsame - nationale und internationale - entwicklungspolitische Ziele und Aktivitäten
erreicht werden kann, kommt der Prüfung der Umsetzbarkeit kooperativer Maßnahmen die Rolle
eines Subzieles zu.
Die vorliegende Studie ist in 2 Teile gegliedert, einem theoretischen Teil (Kapitel 2 - Kapitel 6)
und einem empirischen Teil (Kapitel 7 - Kapitel 8). Im ersten Teil werden nach einer theoreti-
schen und praxisbezogenen Abhandlung des Stellenwerts der Kleinstunternehmensförderung in
Entwicklungsprozessen die grundsätzlichen qualitativen und quantitativen Kriterien zur Bestim-
mung von Mikrobetrieben und die Abgrenzung zum informellen Sektor diskutiert, sowie eine
kurze Analyse über das Forschungsland Ecuador und seine Sozial- und Wirtschaftsstruktur vor-
genommen.
Kapitel 5 versucht anhand von zusammengetragenen Daten und Ergebnissen aus Expertenbefra-
gungen die Entwicklung des kleinstbetrieblichen Sektors in Ecuador durch einen kurzen histori-
schen Rückblick zu untersuchen und die Bedeutung und den Beitrag des Mikrobetriebes in der
wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes darzustellen. Anschließend sollen die
förderungsbedürftigen unternehmensrelevanten Faktoren für Mikrobetriebe einer detaillierten
und tiefen Analyse unterzogen und die staatlichen Programme für Kleinstbetriebe kurz vorge-
stellt werden.
Kapitel 6 beleuchtet die UNO und ihre Rolle als internationale Entwicklungsorganisation. Dabei
wird besonders auf die Arbeit des UN-Entwicklungsprogrammes (UNDP) eingegangen. Auf die
Abhandlung der NGO als Träger der internationalen Entwicklungszusammenarbeit folgt ein kur-
zer Exkurs zu der österreichischen Entwicklungspolitik und ihr Engagement im Forschungsland
Ecuador.
Das darauffolgende Kapitel stellt nach einer ersten Untersuchung der beiden UN-Organisationen
UNIDO und FAO mit ihren Zielen und Funktionen, die Projektplanung und den Projektverlauf
der beiden untersuchten Kleinstunternehmensförderprojekte detailliert dar und analysiert an-

Ausgangsfragestellungen und Übersicht
5
schließend die die beiden Projektbeispiele betreffenden Projekttätigkeiten und ihre Ergebnisse in
bezug auf die Erreichung der Projektziele, die Probleme während der Projektimplementation und
die Zukunftschancen der Betriebe, die Anpassung der Projektziele an die Bedürfnisse der Ziel-
gruppe sowie die hervorgerufenen Wirkungen bei den Zielgruppen und ihrem Umfeld.
Kapitel 8 versucht die Forschungsergebnisse in bezug auf die Einschätzung der Arbeit der UNO
durch die Projektpartner, Zielgruppen und Experten, die allgemeine Anpassung der UNO-Ziele
an die Bedürfnisse des Landes, die externen Hindernisse bei der Projektdurchführung, die Be-
deutung der NGO innerhalb der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und die Verände-
rungen, die durch erfolgreiche Entwicklungsprojekte hervorgerufen werden können, darzustel-
len. Im Anschluß daran wird eine Förderstrategie für Mikrobetriebe im Rahmen der Entwick-
lungszusammenarbeit diskutiert. Kapitel 9 setzt sich abschließend noch einmal kurz mit den an-
gesprochenen Themenbereichen auseinander, gibt Empfehlungen ab und geht der Frage, inwie-
weit die Förderung des kleinstbetrieblichen Sektors zur Bekämpfung der Armut des Landes bei-
tragen kann, nach.

Erkenntnisse aus der Theorie
6
2
ERKENNTNISSE AUS DER THEORIE AUF DEM GEBIET DER
KLEINSTUNTERNEHMENSFORSCHUNG
Um den theoretischen Wissensstand über die Rolle von Kleinstunternehmen in
Entwicklungsprozessen erfassen zu können, müssen in einem ersten Schritt verschiedene
entwicklungstheoretische Ansätze untersucht werden. Anschließend soll auf neuere
Diskussionen zu Entwicklungstheorien und -strategien eingegangen und im besonderen Mikro-
Diskussionen und "Sustainable Development" als Entwicklungsstrategie behandelt werden.
2.1
Die Rolle der Kleinstunternehmen in entwicklungstheoretischen Ansätzen seit
1945
Die meisten Entwicklungstheorien äußern sich nicht explizit über die Aufgabe und den
Stellenwert von Kleinstunternehmen, sondern gehen lediglich auf die dem Industriesektor
zugeteilte Rolle im Entwicklungsprozeß ein. Infolgedessen müssen aus den relativen Stellungen
des Industrialisierungsaspekts innerhalb der verschiedenen entwicklungstheoretischen Ansätze
häufig indirekte Rückschlüsse auf die jeweilige Rolle der Kleinstbetriebe gezogen werden.
1
Die
verschiedenen Forschungseinrichtungen und Theorieansätze haben in den letzten Jahrzehnten
sehr unterschiedliche Perspektiven zur Erklärung des Phänomens "Kleinstunternehmen" sowie
"informeller Sektor" entwickelt. Einige grundsätzliche, in sich jedoch keineswegs einheitliche
Gruppen solcher Interpretationen sollen im folgenden kurz dargestellt werden.
2.1.1 Stufentheoretische
Ansätze
Die wachstumstheoretischen Entwicklungstheorien der 60er Jahre stützen sich zum Teil auf
stufenweise Ansätze.
2
Diese Ansätze gehen davon aus, daß jeder Entwicklungsprozeß
verschiedene Stufen nach einem bestimmten Muster durchläuft, wobei Industrieländer bereits
fortgeschrittenere und reifere Stadien erreicht haben als Entwicklungsländer. Folglich müssen
Entwicklungsländer alles daran setzen, ihren als zeitlichen Rückstand begriffenen niedrigeren
industriellen Reifegrad nach Vorbild der Industrieländer zu erhöhen. Der "take-off" der
unterentwickelten Länder in ein höheres Stadium der wirtschaftlichen Entwicklung hängt
1
Aufgrund der historisch bedingten Vorstellung, daß ein Unternehmen immer eine Manufaktur, d.h. einen
verarbeitenden oder industriellen Produktionsort darstellt, wird die Rolle von Unternehmen im
Entwicklungsprozeß oft mit dem Begriff Industrialisierung assoziiert. Bei einer solchen Begriffsverwendung
wird die Wichtigkeit des Dienstleistungssektors verkannt, der vor allem bei Kleinstunternehmen in
Entwicklungsländern immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Erkenntnisse aus der Theorie
7
erheblich vom Aufbau einiger Leitindustrien ab, die mit ihrer angestrebten Technisierung eine
hohe und international wettbewerbsfähige Produktivität gewährleisten sollen. Industrialisierung
in großen Dimensionen wird deshalb als Mittel angesehen, das letztlich angestrebte Ziel
"Wachstum" zu erreichen (Schneider-Barthold 1984: 29). Damit wird deutlich, daß gemäß dem
Gedankengut der Stufentheoretiker der Durchbruch zu einer modernen Volkswirtschaft mit
eigendynamischem Wachstum nur mit dem Aufbau einiger konzentrierter und gezielt
ausgewählter Großindustrien mit entsprechender Großtechologie erreicht werden kann. Der
Beitrag der Kleinstunternehmen zur Entwicklung wird in diesem Ansatz grundsätzlich als
nebensächlich betrachtet.
2.1.2
Modernisierungs- und Dependenztheorien
In der Auseinandersetzung zwischen den klassischen, in den 50er und 60er Jahren formulierten
Modernisierungstheorien (Theorien der Unterentwicklung) und den klassischen, in den 60er und
70er Jahren formulierten dependenztheoretischen Entwicklungstheorien (Theorien der
Abhängigkeit) entstand eine erste Gruppe von Ansätzen zur Untersuchung und Beschreibung des
informellen und kleinstbetrieblichen Sektors (Mürle 1997: 9).
3
Seit den 50er und 60er Jahren erkannten sehr unterschiedlich orientierte Modernisierungs- und
Dependenztheoretiker, daß Entwicklungsländer nicht bzw. nicht zur Gänze dem Rostowschen
Modell folgen würden. Tatsächlich zerfalle die Volkswirtschaft in den Entwicklungsländern
stattdessen in einen "modernen" und einen "traditionellen" bzw. "zurückgebliebenen"
Wirtschaftssektor, wobei letzterer von zahlreichen Eigenschaften der Informalität
gekennzeichnet ist.
Diese Spaltung der Volkswirtschaften in den Entwicklungsländern wurde als
wesentlichste Erscheinungsform von fehlender Entwicklung eines Landes charakterisiert
(Komlosy/Parnreiter/Stacher/Zimmermann 1997: 14).
Gemeinsames Kennzeichen der Modernisierungstheorien ist die Annahme eines Prozesses, der
zu einer Angleichung der Entwicklungsländer an die Industrieländer führt, wobei endogene
Faktoren wie z.B. zu geringe Investitionen oder Tradition, zur Erklärung von Unterentwicklung
bzw. als Ansatzpunkt für die Entwicklung eines Landes herangezogen werden. Gemeinsames
Merkmal der Dependenztheorien ist die Annahme eines historischen Prozesses der Ausbreitung
2
Vgl. dazu den bekanntesten Vertreter: Rostow W.W. 1960: The Stages of Economic Growth, Cambridge.

Erkenntnisse aus der Theorie
8
des Kapitalismus, der die Unterentwicklung der Entwicklungsländer mit sich gebracht hat. Dabei
werden exogene Faktoren wie z.B. Kolonialisierung oder die kapitalistische Weltwirtschaft als
Begründung für die Unterentwicklung angesehen (Nohlen 1985: 26).
Von seiten der Modernisierungstheoretiker stehen einander in den Volkswirtschaften der
Entwicklungsländer die modernen und die zurückgebliebenen Sektoren unverbunden und
unvermittelt gegenüber. Die Ursachen dieses Dualismus sehen sie vor allem in internen
Problemen der in Entwicklung begriffenen Wirtschaften. Dieses Dualismusmodell geht von der
Tatsache aus, daß die Wirtschafts- und Sozialstrukturen in Entwicklungsländern gespalten sind:
Zum einen besteht ein kapitalintensiver, im Weltmarkt integrierter, dynamischer moderner
Wirtschaftssektor, der insbesondere mit Industrie, modernen Dienstleistungen sowie
Produktivitätssteigerungen assoziiert wird, zum anderen existiert ein stagnierender, nicht mit den
höher entwickelten Wachstumspolen verbundener, traditioneller Sektor, der mit
Subsistenzwirtschaft, Stagnation und traditionellem Verhaltensmuster identifiziert wird und als
Haupthemmschwelle für eine rapide wirtschaftliche Entwicklung gilt (Bohnet 1982: 300f;
Schneider-Barthold 1984: 28).
In den Modernisierungstheorien dienen die Industrie- und Schwellenländer als Vorbild und Ziel,
deren Verhaltensweisen, Institutionsformen, Konsumverhalten etc. zur Überwindung der
Unterentwicklung es nachzuahmen gilt. Der Modernisierungsprozeß wird als uniform, für alle
Länder gleich, geradlinig auf ein gesellschaftliches Ziel zusteuernd, betrachtet.
4
Der
Industrialisierung wird Vorrang eingeräumt, von ihr werden dynamisierende Effekte auf die
anderen Sektoren und die Absorption der unterbeschäftigten und arbeitslosen Arbeitskräfte des
traditionellen Sektors, ohne daß dort die Produktivität sinkt, erwartet.
5
In den diskursbestimmenden Modernisierungsmodellen wird das Kleinstunternehmen entweder
nicht ausdrücklich erwähnt, oder, wie beispielsweise in der Dualismustheorie, in
Gegensatzpaaren Groß- versus Kleinunternehmen, modern versus traditionell, dynamisch versus
stagnierend, behandelt. Kleinstbetriebliche Aktivitäten werden meist in jenen Branchen und
3
Sowohl Modernisierungs- als auch Dependenztheorien stellen universelle Erklärungsversuche von Entwicklung
und Unterentwicklung dar.
4
"Tradition" stellt demnach den Ausgangspunkt dar, während "Moderne" den Endpunkt bzw. das Ziel eines
Weges, den die Entwicklungsländer durchlaufen sollen, repräsentiert.
5
Die Industrialisierung kann sowohl durch sorgfältig aufeinander abgestimmte und gleichzeitig vorgenommene
Investitionen als auch durch gezielte Förderung einiger Schlüsselindustrien und städtischer Zentren erfolgen
(Späth 1997: 67).

Erkenntnisse aus der Theorie
9
Sektoren lokalisiert, die für die Großindustrie noch nicht lukrativ sind bzw. Ressourcen nutzen,
die vom formellen Sektor noch nicht beansprucht werden. Überdies wird von dem
kleinindustriellen Bereich weder eine wesentliche Steigerung ihrer Produktivität noch eine
positive Reaktion gegenüber staatlich gesetzten Wachstumsimpulsen erwartet.
Da der kleinstbetriebliche Sektor mit einem rückständigen, unterentwickelten und
entwicklungshemmenden Sektor gleichgestellt wird, gilt es diesen durch beschleunigte und
nachholende Industrialisierung zu überwinden. Die Unterentwicklung bzw. der interne
Dualismus soll durch Weltmarktintegration und eine stärkere Durchkapitalisierung der
Wirtschaft überwunden werden. Somit herrschte unter den diskursbestimmenden
Modernisierungstheoretikern Einstimmigkeit über eine rapide gesellschaftliche Modernisierung
und nachhaltiges Wachstum, das nur durch eine Strategie der auf großindustrielle Produktion,
Transfer moderner Technologien und Steigerung der Kapitalintensität basierenden
beschleunigten Industrialisierung erreicht werden kann (Späth 1997: 67).
Ein solches Entwicklungskonzept, bei dem produktivitätsorientiertes und rationales Handeln im
Vordergrund steht, legt die Schwerpunkte nicht auf die Förderung von kleinen, traditionellen
Produktionseinheiten, sondern sieht den Schlüssel zur Entwicklung vielmehr in modernen und
hochtechnisierten Betrieben, die sich auf die Nutzung von "scale-economies" ausrichten.
Dem kleinstbetrieblichen Sektor wird bestenfalls eine transitorische Rolle, besonders für Länder
im Frühstadium der Industrialisierung, im Übergang zu einem höheren Entwicklungsstadium
zugestanden, obwohl bereits ab Mitte der 50er Jahre erhebliche qualitative Vorteile der
Kleinstunternehmen, wie beispielsweise ihre Ausbildungsfunktion, Beschäftigungswirksamkeit
oder geringe Importlastigkeit bekannt waren und diskutiert wurden (Cortes/Berry/Ishaq 1987: 2).
Bis weit in die 60er Jahre hinein blieb das dem Modernisierungstheorem zugrundeliegende
Denken vorherrschend und beeinflußte die entwicklungspolitische Praxis der sich
herausbildenden Entwicklungszusammenarbeit wesentlich. Erst wieder zu Beginn der 70er
Jahre, durch die Verbreitung des informellen Sektor-Konzepts, wurde das Kleinstunternehmen in
der entwicklungstheoretischen Diskussion ausführlich behandelt (Späth 1997: 68f).
Als Antwort auf die Wachstums- und Modernisierungstheorien, die in der Praxis
unbefriedigende Nebenwirkungen zeigten, setzte Mitte der 60er Jahre, zunächst in
Lateinamerika, eine Kritik der Modernisierungs- und Dualismustheorien ein, die unter dem

Erkenntnisse aus der Theorie
10
Begriff "Dependenztheorie" firmiert. Diese Dependenztheorien sehen Unterentwicklung
grundsätzlich nicht mehr als Resultat einer fehlenden Weltmarktintegration, sondern primär als
Folge einer sehr effektiven Integration der Entwicklungsländer (Peripherie) in die von
kapitalistischen Zentren (Industrienation) beherrschten internationalen Marktbeziehungen,
wodurch die Entwicklungsländer in Abhängigkeit von den Industrieländern gebracht und deren
Strukturen dominiert werden. Diese Dominanz fremder, oft über multinationale Großbetriebe
wirkende Kräfte hemmt interne Entwicklungsprozesse, die zu einem großen Teil von kleinen
lokalen Gewerbe- und Handwerksbetrieben getragen werden. Infolgedessen wird die
Dissoziation, eine selektive Abkoppelung bzw. Herauslösung aus dem Weltmarkt auf Zeit, als
strategische Konsequenz für die Überwindung der Abhängigkeitsverhältnisse propagiert. Nur
eine Konsum- und Investitionsgüterindustrie, die sich auf die Erschließung und Mobilisierung
des eigenen Binnenmarktes bezieht, könne zu einer Eingliederung der Bevölkerungsmehrheit in
gesamtwirtschaftlich produktive Tätigkeiten und zu einer dem jeweiligen Stand der Entwicklung
entsprechenden Erhöhung der Realeinkommen führen (Senghaas 1977: 185). Diese nach innen
orientierte Industrialisierungsstrategie stützt sich demnach verstärkt auf das
Kleinunternehmertum, dem in dependenztheoretischen Entwicklungsstrategien, die unter
anderem ebenso auf "Self-Reliance"-Vorstellungen aufbauen, eine bedeutendere
Industrialisierungsrolle zukommt als in den zuvor angeführten entwicklungstheoretischen
Ansätzen.
6
Demnach wurden einige der grundlegenden Annahmen der Modernisierungstheorien in Frage
gestellt und von seiten der Dependenzforschung explizit auf die Verflechtung des informellen
Sektors mit dem formellen Sektor und somit implizit auf die Bedeutung der Landwirtschaft und
des Kleinunternehmertums im Prozeß der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung hingewiesen.
Hinsichtlich des kleinbetrieblichen Sektors bedeutet dies, daß nicht mehr von einem alleinigen
nebeneinander eines formellen großbetrieblichen Sektors und eines informellen
kleinstbetrieblichen Sektors ausgegangen werden kann, sondern daß beide Sektoren, wenn auch
mit negativen Folgen für den informellen Bereich, miteinander verknüpft sind (Späth 1997: 77).
7
6
Das Konzept der "Self-Reliance" ist in der kritischen Auseinandersetzung mit westlich-kapitalistischen
Entwicklungsstrategien entstanden. Es geht vom Vertrauen auf die eigenen Kräfte aus und will die eigenen
Ressourcen zur Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse einsetzen. Dies soll durch Partizipation und
Massenmobilisierung der Bevölkerung erreicht werden. Self-Reliance ist mit der Suche nach einem eigenen, den
jeweiligen Traditionen eines Entwicklungslandes angepaßten Entwicklungsweg verbunden (Nuscheler 1996:
540).
7
Die Dependenztheoretiker gingen davon aus, daß die Heterogenität der Wirtschaftssektoren in den
Entwicklungsländern kein vorübergehendes Stadium auf dem Weg in die Moderne, sondern ein strukturelles
Kennzeichen der Abhängigkeit dieser Länder ist. Diese "strukturelle Heterogenität" würde sich durch weitere

Erkenntnisse aus der Theorie
11
Ende der 60er Jahre wurden von der Dependenztheorie beeinflußte Erkenntnisse über die vom
europäischen Modell abweichende Entwicklung der Beschäftigungsverhältnisse in
Entwicklungsländern auch in die offizielle Entwicklungspolitik dieser Länder aufgenommen.
Zum einflußreichsten internationalen beschäftigungspolitischen Konzept, das mit den Debatten
der klassischen Entwicklungs- und Dependenztheorien in enger Verbindung stand, sollte
letztendlich das von der ILO entwickelte Beschäftigungsprogramm für Lateinamerika PREALC
(Programa de Empleo para América Latina y el Caribe) werden
(Komlosy/Parnreiter/Stacher/Zimmermann 1997: 15).
2.1.3
Das World Employment Programme der ILO
Bereits 1969 wurde im Rahmen der International Labour Conference, als Reaktion auf das
Scheitern der kolonialen und nachkolonialen Modernisierungspolitik, das ILO World
Employment Programme (WEP) beschlossen. Das Programm strebt die Erforschung der
Ursachen der Landflucht, Verstädterung und Slumbildung, des Bevölkerungswachstums und der
zunehmenden Arbeitslosigkeit zur Verfassung entsprechender Empfehlungen für die Schaffung
produktiver Maßnahmen und Arbeitsplätze gegen die Marginalisierung an. So wird von seiten
der offiziellen Entwicklungspolitik dem kleinstbetrieblichen Sektor erstmals ein soziales und
wirtschaftliches Potential zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Entwicklung von
unternehmerischer Dynamik beigemessen. Eine Studie der ILO über Kenya geht zum ersten Mal
davon aus, daß der kleinstbetriebliche Sektor eine ganze Reihe von billigen, arbeitsintensiven
Gütern und Dienstleistungen produzieren und einem Großteil der Bevölkerung
Einkommensmöglichkeiten bieten würde (ILO 1972). Die entwicklungspolitische Empfehlung
richtet sich folglich auf die Anerkennung des kleinstbetrieblichen Sektors und die Integration
dieses Sektors in die staatlichen wirtschaftspolitischen Bestrebungen, da durch die
beschäftigungspolitischen Maßnahmen im formellen Sektor bis dahin keine befriedigenden
Ergebnisse erzielt werden konnten. Es heißt, daß eine Förderung des kleinstbetrieblichen
Wirtschaftssektors weder die Zuwanderungsraten noch das Konfliktpotential massiv erhöhen
würde. Die Empfehlungen der ILO konzentrieren sich daher auf folgende Bereiche: Seine
Berücksichtigung beim Lizenzvergabesystem für Kleinstunternehmer und im Handel,
Verbesserungen beim Zugang zu Krediten und zur städtischen Infrastruktur, verstärkte
entwicklungspolitische Förderung der formellen Wirtschaftssektoren eher noch verstärken (Martinelli 1972:
361f).

Erkenntnisse aus der Theorie
12
Unterstützung bei der Ausbildung, zusätzliche Forschungs- und Entwicklungsarbeit zur
Förderung der Produkte des kleinstbetrieblichen Sektors und Abschaffung der Diskriminierung
bei der Beschaffung von Rohstoffen sowie beim Absatz von informell hergestellten Produkten.
Demnach soll der informelle und kleinstbetriebliche Sektor gezielt und schrittweise an die
offizielle Wirtschaft angebunden werden (Komlosy/Parnreiter/Stacher/Zimmermann 1997: 15).
Im PREALC wird der informelle Sektor als Ergebnis von fehlender Entwicklung bzw.
Unterentwicklung aufgefaßt. Informalität resultiert aus dem Mißverständnis zwischen einem zu
großen Angebot an Arbeitskräften in den städtischen Agglomerationen, das durch Zuwanderung
aus ruralen Gebieten immer neu gespeist wird und der zu geringen Kapazität des formellen
Industriesektors, ausreichend bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen. In Ermangelung von
Arbeitsplätzen im formellen Sektor sehen sich die Zuwandernden und Armen im Rahmen ihrer
individuellen Überlebensstrategien gezwungen, sich selbst Arbeit im informellen Sektor zu
schaffen. Im Zentrum der theoretischen Überlegungen stehen damit weder die Beziehung
zwischen dem modernen und traditionellen Sektor, noch die Frage der abhängigen Position der
betroffenen Entwicklungsländer im internationalen Wirtschaftssystem, sondern die
unterschiedlichen Produktionsweisen in beiden Wirtschaftssektoren. Die Beschäftigung im
informellen Sektor wird durch die Logik der Reproduktionssicherung und der Subsistenz und im
modernen Sektor durch die Logik der Kapitalakkumulation und den Marktmechanismus
bestimmt. Die formellen Arbeitskräfte gehören demgemäß zu einem anderen Arbeitsmarkt als
die informellen Arbeitskräfte (Klein/Tokman 1988: 206f; PREALC 1990: 7f).
2.1.4
Das neoliberale Konzept
Zu Beginn der 80er Jahre etablierte sich das neoliberale Konzept als dominierendes Paradigma
in der entwicklungspolitischen Praxis und in weiten Teilen der Entwicklungstheorie. Im
Mittelpunkt der neoliberalen Kritik steht der Verweis auf das Staatsversagen in den
Entwicklungsländern (Colclough 1991: 22). Der Neoliberalismus bestreitet die der
Entwicklungsökonomie zugrundeliegenden These der Notwendigkeit einer speziellen
wirtschaftlichen Theorie für die Dritte Welt und vertritt statt dessen die als allgemeingültig
angesehene Theorie der wohlfahrtssteigernden Effekte der Marktkräfte (Hirschman 1981: 3f).
Die Hauptthese besagt: Wenn die Marktkräfte und deren Hauptmechanismus, die Preisbildung,
nicht durch falsche Politik verzerrt werden, stellt sich automatisch, durch die unsichtbare Hand

Erkenntnisse aus der Theorie
13
des Marktes, das Wohlfahrtsoptimum und damit auch die Entwicklung - Wachstum - ein
(Colclough 1991: 6f).
Ähnlich wie die klassischen Entwicklungs- und Modernisierungstheoretiker schenken zwar auch
die Neoliberalisten möglichen inneren Zusammenhängen zwischen informellen und formellen
Sektoren wenig Beachtung, sie verkehren jedoch die Perspektive dieser klassischen Konzepte
radikal in ihr Gegenteil: Die meisten Klassiker sahen den Zweck aller Modernisierung in der
Integration möglichst vieler Menschen und Arbeitsverhältnisse in den formellen Sektor.
Dagegen stellt für neoliberale Theoretiker die deregulierte Wirtschaft und damit eben auch der
kleinstbetriebliche Sektor überhaupt keine Produktionsform, die es mit der Zeit zu überwinden
gelte, dar, sondern, ganz im Gegenteil, für sie bedeutet Deregulierung das Ziel ihrer Wünsche
und die einzig denkbare Perspektive zur Überwindung der wirtschaftlichen Problemen allgemein
und der gegenwärtigen Krise im besonderen. Deshalb werden die staatlichen Regelungen des
formellen Sektors massiv unter Beschuß genommen und die Formalisierung und Regulierung
von Arbeitsverhältnissen als Grund für die Entwicklungshemmung gesehen. Der
Neoliberalismus entwickelt daher Konzepte, die die Notwendigkeit des Abbaus von Formalität
auch in Entwicklungsländern begründen sollen (Komlosy/Parnreiter/Stacher/Zimmermann 1997:
16).
In diesem theoretischen Zusammenhang steht auch die Studie von Hernando de Soto, die im
Zeichen des allgemeinen Vormarsches neoliberaler Ideologien bald nach ihrem Erscheinen im
Jahr 1986 zum Bestseller werden sollte. De Soto geht davon aus, daß die Entstehung des
informellen Sektors als Reaktion auf ein Rechtssystem gesehen werden kann, das der Mehrheit
der Menschen staatlichen Schutz und Unterstützung verwehrt und ihnen ferner für die legale
Realisierung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Tätigkeiten einen unbezahlbaren Preis
abverlangt. Die in vielen Entwicklungsländern in den 80er Jahren noch dominierenden Formen
des Arbeits-, Gewerbe- und Sozialrechts garantierten den Betrieben im formellen Sektor
monopolistische Privilegien, da sie, nach de Soto, für die meisten Menschen den Zugang zur
legalen, rechtlich gesicherten Beschäftigung oder Unternehmensgründung unmöglich machen.
8
All jene Betriebe, die diesen monopolistischen Regelungen nicht entsprechen können, werden
demzufolge jenseits oder am Rande des Gesetzes durchgeführt (de Soto 1992: 44f).
8
De Soto bezeichnet diese Formen des Arbeits-, Gewerbe- und Sozialrechts als "merkantilistisch."

Erkenntnisse aus der Theorie
14
Diese Situation betrifft insbesondere die Menschen, die vom Land in die Stadt zuwandern, die
deshalb auch die wichtigsten Träger des kleinstbetrieblichen Sektors darstellen (de Soto 1992:
81). De Soto argumentiert, daß Handels- und Produktionsbetriebe informell eröffnet werden,
weil Bewilligungen zuviel Geld und Zeit in Anspruch nehmen. Ähnliches gilt nach de Soto auch
für die Kosten des Verbleibes in der Legalität. Wenn Steuern, vor allem aber die Erfüllung
bürokratischer Anforderungen sowie sozial- und arbeitsrechtliche Verpflichtungen gegenüber
den Arbeitenden zu kostspielig sind, besteht ein Anreiz zu informellem Wirtschaften am Rande
oder jenseits der Gesetze (Maldonado 1995: 709).
Die Ungesetzlichkeit des informellen Sektors ist für de Soto damit eine erzwungene Tätigkeit,
die aber von kriminellen oder asozialen Tätigkeiten, wie Drogenhandel oder Raub, klar zu
unterscheiden ist. Die im informellen Sektor tätigen Menschen und Unternehmen folgen
(legalen) Normen, die sich aus Gewohnheitsrechten und Bestandteilen des formellen Rechts
ableiten. Die meisten ungeschützt Tätigen streben eine Legalisierung ihrer Verhältnisse an, was
sie über verschiedene Etappen im Laufe der Jahre teilweise auch erreichen können. De Soto
empfiehlt, staatliche Regulierungen zu vereinfachen, zu dezentralisieren und letztendlich zu
beseitigen, denn nur auf diese Weise können informell Tätige ihre unternehmerischen Energien
entfalten und an den geltenden Gesetzen vorbei an der Marktwirtschaft zum Durchbruch
verhelfen (de Soto 1992: 18f, 43f, 69f, 153f, 294f).
Es überrascht nicht, daß im neoliberalen Klima private NGOs und internationale Organisationen
der Entwicklungszusammenarbeit die Anregungen de Sotos aufgriffen und die Unterstützung
von Kleinstunternehmen zu einem entwicklungspolitischen Ziel erklärten. Die ILO hat, wie
bereits erwähnt, zu dieser Zeit ähnliche Empfehlungen abgegeben und Maßnahmen
vorgeschlagen, ohne sich jedoch vom grundsätzlichen Ziel klassischer Entwicklungspolitik ­ der
Verbreitung der Lebens- und Arbeitsweise der entwickelten Industrieländer in den Jahrzehnten
nach 1945 ­ abzuwenden.
Neu an der neoliberalen Sichtweise ist demgegenüber einerseits, daß sie mit ihrer Interpretation
des informellen Sektors die klassische Sichtweise, daß Informalität Ergebnis und Ausdruck von
Unterentwicklung und Marginalität sei, in ihr Gegenteil verkehrte. Entwicklungsprobleme
hängen nicht etwa mit fehlenden Arbeitsplätzen oder dem Vorhandensein einer überproportional
großen industriellen Reservearmee zusammen, sondern werden von der Überregulierung im
modernen Wirtschaftssektor hervorgerufen. Demgemäß erscheinen bei de Soto die informell

Erkenntnisse aus der Theorie
15
Tätigen als initiative und konkurrenzbewußte Kleinstunternehmer, die die moderne
Marktwirtschaft von unten aufbauen. Der kleinstbetriebliche Sektor mutiert so zu einem Weg der
Entwicklung (Maldonado 1995: 711f; de Soto 1992: 22f). Andererseits soll der informelle Sektor
als neues Liebkind der Entwicklungspolitik gefördert und die bestehenden Regulierungen und
mit ihnen der moderne Sektor abgebaut werden. Der Unternehmerangriff auf erworbene soziale
Besitzstände breiter Arbeiterschichten, die in den westlichen Industrieländern inzwischen als "zu
hohe Arbeitskosten" und "Standortnachteile" scharf kritisiert werden, hat mit der Forderung
nach Abschaffung der monopolistischen Privilegien des modernen Wirtschaftssektors seinen
Weg in die Entwicklungstheorie gefunden (Komlosy/Parnreiter/Stacher/Zimmermann 1997: 18).
2.1.5
Weltsystem- und Subsistenztheorien
Im Mittelpunkt dieser Theorien steht die Frage nach den Ausbeutungsverhältnissen, die sich in
der Existenz, Funktion und Entwicklung des kleinstbetrieblichen Sektors verbergen. Diese
Ansätze gehen davon aus, daß zwischen den verschiedenen Arbeitsverhältnissen enge
wirtschaftliche Zusammenhänge auf lokaler, regionaler und weltweiter Ebene bestehen.
Wissenschaftsgeschichtlich haben die Weltsystem- und Subsistenztheorien ihren Ursprung
primär im Dunstkreis der dependenztheoretischen Debatten über Unterentwicklung und
Abhängigkeit. In diesem Kontext wurde von Weltsystem- und Subsistenztheoretikern die
Ausgrenzung der Bevölkerungsmehrheit aus stabilen Arbeits- und Lebensverhältnissen, also die
Marginalisierung, erstmals als die wesentliche Bedingung für das soziale und materielle
Wohlergehen einer Minderheit der Weltbevölkerung ausgemacht. Erst die Marginalisierung der
Bevölkerungsmehrheit weltweit verspricht ein steigendes Einkommen dieser Minorität (Amin
1974: 80).
In dem weltsystemischen Ansatz wird demnach gerade über die asymmetrischen und ungleichen
Verflechtungen unterschiedlicher Arbeitsverhältnisse, Ausbeutung der einen und Wertschöpfung
für die anderen organisiert. Den heute so bezeichneten informellen Arbeitsverhältnissen kommt
dabei ein besonders wichtiger Stellenwert zu. Sie werden von daher weder als Ausdruck
fehlender Entwicklung bzw. Überbleibsel vorkapitalistischer Produktionsweisen gesehen, noch
werden sie als wünschenswertes, oder doch zumindest notwendiges Ziel von Entwicklung, oder
zu einem selbständigen, unabhängigen Sektor der Produktion, erklärt, sondern als Element sowie
als Produkt und Ergebnis ungleicher Entwicklung betrachtet. Zugleich wird davon ausgegangen,
daß diese ungleiche Entwicklung immer neue Formen annimmt und sich damit auch

Erkenntnisse aus der Theorie
16
Erscheinungsbilder und Strukturmuster, geographische Verteilung und Umfang von
kleinstbetrieblichen Arbeitsverhältnissen regelmäßig ändern (Hopkins/Wallerstein 1982;
Bennholdt-Thomsen 1980; Portes/Sassen-Koob 1987).
Mit alledem bieten die weltsystem- und subsistenztheoretischen Ansätze nicht nur theoretische
Grundlagen und Ansatzpunkte zur Kritik weltweiter Ausbeutungsverhältnisse, sie liefern auch
wohlbegründete Argumente, die Unzulänglichkeiten der bisher kritisch eingeordneten Theorien
systematisch hervortreten lassen oder deren Perspektiven grundsätzlich hinterfragen.
Dieser kurze Auszug über verschiedene Theorieansätze zeigt, daß besonders traditionelle
Entwicklungsansätze dem kleinstbetrieblichen Sektor keine maßgebliche Rolle im
Entwicklungsprozeß einräumen. Auch wenn jüngere Ansätze kleine Produktionseinheiten
vermehrt berücksichtigen, wird aus dem Stand der Theorie deutlich, daß man dem
Kleinstunternehmertum zwar zutraut, in Entwicklungsprozessen bedeutend sein zu können, daß
aber in der Gesamtheit entwicklungspolitischer Ansätze dessen Ausmaß nicht überbewertet
werden darf. Die aus entwicklungtheoretischer Sicht eher als komplementär zu interpretierende
Bedeutung der Kleinstunternehmen verdeutlicht entsprechend das Umfeld der vorliegenden
Arbeit und die Möglichkeiten von Förderungsstrategien in diesem Bereich. Im weiteren hat die
Behandlung verschiedener entwicklungstheoretischer Ansätze gezeigt, daß in der Theorie nur
vereinzelt Erklärungen über die Funktion von Kleinstunternehmen in Entwicklungsprozessen
bestehen, die eine Förderung von Kleinstbetrieben rechtfertigen könnten.
2.2
Neuere Diskussionen zur Entwicklungstheorie und -strategie
2.2.1 Entwicklungstheorie
In der entwicklungstheoretischen Diskussion der 80er und 90er Jahre können zwei
Themenkomplexe unterschieden werden. Der erste läßt sich mit dem Ziel der nachholenden
Entwicklung und mit Entwicklung "von oben" umschreiben, worin Bereiche wie Staat und
Markt, Exportorientierung und Importsubstituierung behandelt werden. Der zweite kann mit
Armutsorientierung und alternativer Entwicklung bzw. Entwicklung "von unten" wiedergegeben
werden und enthält unter anderem Aspekte wie der informelle städtische Sektor, Frauen,
ländliche Entwicklung, Kultur und NGO. Untersuchungsgegenstand sind hierbei zwei Ebenen

Erkenntnisse aus der Theorie
17
sozialer Aggregation, auf der die zu erklärenden Veränderungen stattfinden: Einerseits die
Makro-Ebene der gesamten Gesellschaft und andererseits die Mikro-Ebene, die Teilaspekte der
Gesellschaft und unmittelbare Lebensverhältnisse betrifft (Mürle 1997: 21).
2.2.1.1 Mikro-Diskussionen
Die Mikro-Ansätze thematisieren größtenteils die lokalen Lebensrealitäten in den
Entwicklungsländern und die Erfahrungen mit Entwicklungsprojekten. Dabei können zwei
Grundrichtungen differenziert werden: Eine kurzfristig, auf Verbesserung der Entwicklungshilfe
orientierte, pragmatische Richtung, die auf die Schaffung von Wissen für Maßnahmen zur
Bekämpfung der Armut ausgerichtet ist, und eine stärker langfristig ausgerichtete
Grundrichtung, die auf der Mikro-Ebene eigenständige Potentiale "alternativer Entwicklung"
bzw. "Entwicklung von unten" identifiziert (Mürle 1997: 35).
2.2.1.2 Urbaner informeller Sektor
Im städtischen kleinstbetrieblichen Sektor wurde, ähnlich wie im Bereich der ländlichen
Entwicklung, die Kreativität und Vitalität der dort lebenden Menschen erkannt. In sozialer
Hinsicht erfuhren die eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse aus eigener Kraft anstrebenden
Selbsthilfegruppen in den urbanen Armutsvierteln große Aufmerksamkeit. Im Zusammenhang
mit dem kreativen Potential dieser Menschen und deren Selbstorganisation wurden Strategien
und Theorien der "Entwicklung von unten" aufgestellt und folglich in den "grassroots
organizations" eine Form der alternativen, d.h. menschenbezogenen und umweltverträglichen
Entwicklung, der Herausbildung gesellschaftlicher Institutionen und der Basisdemokratie
gesehen (Borgh 1995: 281f). John Friedmann (1991: 31f) sieht in den "Barrio-Bewegungen" und
ihren auf enger menschlicher Zusammenarbeit beruhenden Überlebensökonomien eine mit Geist,
Gemeinschaftssinn, Subjektivität und Basisdemokratie umschriebene existentielle Vernunft.
Mansilla (1992: 41) warnt jedoch vor einer Idealisierung des informellen Sektors. Es gebe zwar
durchaus viele positive Eigenschaften, jedoch zweifle er daran, daß der informelle
Wirtschaftssektor tatsächlich Impulse für eine Modernisierung der gesamten Gesellschaft geben
kann. In wirtschaftlicher Hinsicht ist die Heterogenität des traditionellen Sektors hervorzuheben.
Manche Betriebe sind auch in bezug auf die gesamte Wirtschaft überaus dynamische Elemente,
wobei Strukturen "Flexibler Spezialisierung" erkannt werden. Andere Kleinstunternehmen

Erkenntnisse aus der Theorie
18
hingegen dienen ausschließlich der Einkommensverbesserung durch kleine Dienstleistungen
(Dyck 1996: 183f).
2.2.1.3 Allgemeine Betrachtungen der Mikro-Diskussionen
Mürle (1997: 44) betrachtet die Mikro-Ansätze, die sich mit der direkten Veränderung bzw.
Verbesserung der Lebensbedingungen auf der Mikro-Ebene beschäftigen, als eigenständigen
Teil der Entwicklungstheorie, da in vielen Entwicklungsländern nicht von einer rapiden
Verbesserung der realen Reproduktionsbedingungen der gesamten Gesellschaft ausgegangen
werden kann. Er weist ferner auf die realen Phänomene auf der Mikro-Ebene, vor allem im
Bereich des informellen Sektors, hin, die zeigen, daß Veränderungen auf der Makro-Ebene nicht
unbedingt zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen führen, sondern zum
Teil sehr unterschiedliche Effekte haben können. Auch bei der Untersuchung von
Veränderungen auf der Mikro-Ebene, beispielsweise durch Entwicklungsprojekte, tritt anstelle
der Vorstellung eines automatischen Nutzens aller, die konkrete Untersuchung von Gewinnern
und Verlierern. Vor allem mit der Berücksichtigung der Menschen in den Entwicklungsländern
als handelnde Akteure mit eigenem Wissen, eigenen Interessen und einer subjektiven
Sinngebung realer Phänomene und sprachlicher Konstrukte, wird die eigenständige Realität und
Dynamik der Gesellschaften in den Entwicklungsländern von der Entwicklungstheorie stärker
wahrgenommen. Die Überlegungen der Mikro-Diskussion, vor allem im bezug auf den
kleinstbetrieblichen Sektor über "Entwicklung von unten" sind nicht als umfassende globale
Lösungsansätze aller Entwicklungsprobleme anzusehen, sondern als Teil eines offenen und
konfliktuellen Prozesses (Mürle 1997: 44f).
Hinsichtlich der Mikro-Diskussionen kann festgehalten werden, daß sie eine hohe Sensibilität
für lokale Unterschiede erkennen lassen. Sie stellen eine sachliche Ausdifferenzierung der
Entwicklungstheorie dar und enthalten einen starken Praxisbezug. Projekte sind ein bedeutender
Gegenstand der Analyse, zu deren Verbesserung das produzierte Wissen eingesetzt werden kann.
Durch die Fokussierung auf Akteure wird zur Handlungsrelevanz der Theorie beigetragen.
2.2.2 Entwicklungsstrategien
Im folgenden sollen die strategischen Konzepte, die in den gegenwärtigen
entwicklungstheoretischen Diskussionen eine bedeutende Rolle spielen, illustriert werden.

Erkenntnisse aus der Theorie
19
2.2.2.1 Systemische Wettbewerbsfähigkeit
Dieses Konzept, ein Instrument der Politikberatung und 1994 von einer Gruppe von
Wissenschaftlern am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik vorgestellt, zielt primär auf den
Aufbau international wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstrukturen in Entwicklungsländern ab
(Eßer/Hillebrand/Messner/Meyer-Stamer 1994, 1995).
9
Das Konzept strebt die
angebotsorientierte Gestaltung nationaler Wirtschaftspolitik in einem gegebenen
weltwirtschaftlichen Rahmen an, mit der Erkenntnis, daß die Orientierung am Weltmarkt für
langfristig effiziente Wirtschaftsstrukturen und nachholende Entwicklung unverzichtbar ist.
10
2.2.2.2 Good Governance
"Good Governance" wurde zum ersten Mal von der Weltbank im Jahre 1989 als
entwicklungsstrategisches Konzept eingeführt und drei Jahre später konkretisiert. Die Weltbank
definiert "Governance" als "exercise of political power to manage a nation's affairs" (World
Bank 1989: 60). Das Konzept zielt auf die Verbesserung der administrativen Kapazität und
Effizienz der staatlichen Institutionen ab, um von seiten des Staates die Voraussetzungen für
eine funktionierende Privatwirtschaft schaffen zu können. Als zentrale Elemente von "Good
Governance" werden neben einer besseren Verwaltung des öffentlichen Sektors, die Transparenz
öffentlicher Entscheidungen, die Rechenschaftspflicht von Amtsträgern, die Bekämpfung der
Korruption, als auch die durch eine unabhängige Justiz gewährleistete Rechtsstaatlichkeit
angesehen (Illy 1994: 129f; Leftwich 1994: 372).
11
2.2.2.3 Human Development
"Human Development" stellt unter anderem eine Reaktion auf die neoliberalen, wirtschaftlichen
Strukturanpassungsprogramme der 80er Jahre, die den Menschen nur wenig Beachtung
schenkten, dar (UNDP 1995: 117f). In diesem Konzept gilt der Mensch zugleich als Ziel und als
9
Vgl. hier auch die 1994 von Bradford herausgegebene OECD-Publikation zur "Systemic Competitiveness":
Bradford, C.I. (ed.) 1994: The New Paradigm of Systemic Competitiveness: Toward More Integrated Policies in
Latin America, Paris.
10
Der Verweis auf den systemischen Charakter von Wettbewerbsfähigkeit drückt unter anderem aus, daß es sich
dabei um einen äußerst voraussetzungsvollen, langfristigen und komplexen Prozeß handelt (Mürle 1997: 49).

Erkenntnisse aus der Theorie
20
wichtigstes Mittel zur Erreichung von Entwicklung. Die Entwicklung des Menschen soll die
Entwicklung durch den Menschen ermöglichen und umgekehrt (Kaul 1991: 90). Da Wachstum
alleine nicht unbedingt eine Verbesserung des Lebensstandards der Menschen bedeutet, sind
Investitionen in die Fähigkeiten der Menschen, vor allem in Gesundheit und Bildung, eine
wesentliche Voraussetzung für Wachstum, das wiederum wichtig für langfristig anhaltendes
"Human Development" ist (UNDP 1996: 5).
2.2.2.4 Sustainable Development oder nachhaltige Entwicklung
"Sustainable Development" oder "nachhaltige Entwicklung" ist seit Ende der 80er Jahre ein
wesentlicher Begriff in der Entwicklungsdiskussion. Auch wenn die Bezeichnung "nachhaltige
Entwicklung" erst im Jahre 1987 durch die "World Commission on Environment and
Development" (WCED) - der "Weltkommission für Umwelt und Entwicklung" - und den aus
ihrer Arbeit resultierenden Brundtland-Report international bekannt gemacht wurde, geht das
Problem der Zerstörung, Verschmutzung und die Überausbeutung der natürlichen
Lebensgrundlage durch menschliche Eingriffe weit zurück.
Dieser vermutlich bedeutendste Beitrag zum Thema "sustainable development" durch den
Brundtland-Report "Our Common Future", der 1987 von der UN-Generalversammlung
verabschiedet wurde, fordert eine sozial- und umweltverträgliche Wirtschafts- und
Entwicklungspolitik (Nohlen/Nuscheler 1993: 486).
12
13
Volker Hauff (1987: 46), Mitglied der WCED, definierte "Sustainable Development" wie folgt:
"Unter dauerhafter Entwicklung verstehen wir eine Entwicklung, die den Bedürfnissen
der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu
11
"Good Governance" wird als allgemeine Bedingung für Entwicklung angesehen, der entwicklungstheoretische
Hintergrund dieser Strategie ist die Erkenntnis der Notwendigkeit eines leistungsfähigen Staates für seine
Entwicklung.
12
Bereits im 18. Jahrhundert war der Begriff der Nachhaltigkeit in der deutschen Forstwirtschaft bekannt.
Forstwirtschaftler forderten bereits damals die Nutzung des Waldes nur in dem Umfang, daß seine
Reproduktionsfähigkeit dadurch nicht beeinträchtigt wird. In den 1960er Jahren wurden zum ersten Mal auch
die von wachstumsorientierten Gesellschaften verursachten ökologischen Probleme dargelegt und die
ökologische Machbarkeit eines Weltentwicklungsmodells, das auf wirtschaftliche Ausdehnung basierte,
angezweifelt. Die Forderung der Forstwirtschaft, daß der Wald nur in dem Maße genutzt werden sollte, daß die
Nachkommenschaft zumindest ebenso viel Vorteile daraus ziehen kann, als sich die heutige Generation
zueignet, wurde auf eine gesellschaftliche Ebene projiziert. Zu der Einsicht, daß die natürlichen Ressourcen
unserer Erde nicht unerschöpflich sind, schloß sich die moralische Verpflichtung, daß auch zukünftige
Generationen einen Anspruch auf die Nutzung dieser Ressourcen haben, an (Stockmann 1993: 207).
13
Der Bericht ist nach der Vorsitzenden der Kommission, der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem
Brundtland, benannt.

Erkenntnisse aus der Theorie
21
gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen. Die
Forderung, diese Entwicklung dauerhaft zu gestalten, gilt für alle Länder und Menschen.
Die Möglichkeit kommender Generationen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, ist
durch Umweltzerstörungen ebenso gefährdet wie durch Unterentwicklung in der Dritten
Welt."
Diese Definition wird im Brundtland-Bericht weiter konkretisiert: "Nachhaltige Entwicklung" ist
der Versuch, eine integrierte Entwicklungsstrategie, die auf die Verbindung ökologischer,
sozialer und wirtschaftlicher Fragen in einem Konzept abzielt und Veränderungen sowohl in den
Entwicklungsländern als auch in den Industrieländern anstrebt, zu formulieren (Weltkommission
für Umwelt und Entwicklung 1987: 46).
14
Der empirische Hintergrund dieses Konzepts besteht
aus zwei Formen der Umweltzerstörung: Der durch die Industrialisierung verursachten
Umweltzerstörung auf der einen Seite und der armutsbedingten Umweltzerstörung auf der
anderen Seite. Hinsichtlich der armutsbedingten Umweltzerstörung in den Entwicklungsländern
wird auf die Notwendigkeit der Armutsbekämpfung verwiesen.
15
Das zentrale Argument des Konzepts betrifft jedoch die Umweltzerstörung, die durch die
Industrialisierung hervorgerufen wird und damit die Kritik am Entwicklungsziel "nachholende
Entwicklung". Der Lebensstandard in den Industrieländern wird als "oligarchisch" bezeichnet,
da seine weltweite Verbreitung zu einer ökologischen Katastrophe führen würde. Es wird daher
als wesentliche Aufgabe der Industrieländer angesehen, durch den ökologischen Umbau ihrer
Wirtschaft ein neues Vorbild für die Entwicklungsländer zu schaffen, da andernfalls von den
Entwicklungsländern kein Verzicht auf eine Politik der nachholenden Entwicklung erwartet oder
gefordert werden kann (Harborth 1993: 235f).
Dieser Umbau der Industrieländer wird als um so dringlicher eingeschätzt, als die
Umweltbelastungen in den Ländern des Südens im Zuge der erfolgreichen Modernisierung
ernsthaft zunehmen.
16
In der Diskussion wird hervorgehoben, daß die "nachhaltende
14
Der Brundtland-Report formuliert in einem Anhang einen 22-Punkte umfassenden Rechtsprinzipienkatalog für
dauerhafte Entwicklung und Umwelt, in der die Hauptziele von "nachhaltiger Entwicklung" als strategische
Erfordernisse bzw. Empfehlungen bezeichnet werden. "Nachhaltige Entwicklung" erfordert unter anderem den
Stopp des Bevölkerungswachstums, die Befriedigung der Gundbedürfnisse, langfristige Sicherstellung der
Nahrungsmittelversorgung, den Stopp der Vernichtung der natürlichen Ökosysteme und die biologische Vielfalt
(Höll 1997: 148).
15
Der Umweltschutzaspekt schlägt sich hier bei der Planung von Projekten in der zusätzlichen Berücksichtigung
von Umweltinteressen nieder.
16
Innerhalb der Diskussion über die Erreichung dieses Wandels, können zwei Positionen unterschieden werden:
Die erste - die "ökologische Modernisierung" - setzt auf die Reform des bestehenden Wirtschaftssystems in
Form von technologischen Innovationen, die auf die Verbesserung der Umweltverträglichkeit und
Ressourceneffizienz der Produktion abzielen, ökologischer Steuerreform, Internationalisierung ökologischer

Erkenntnisse aus der Theorie
22
Entwicklung" nicht als technisches Problem einer harmonischen Verbindung von Ökologie,
Sozialem und Wirtschaft betrachtet wird, sondern als politischer, konfliktueller Prozeß, in dem
den handelnden Subjekten eine zentrale Bedeutung für reale Veränderungen zukommt (Adams
1990: 202; Hein 1994: 649).
17
Über das oberste Ziel der verschiedenen Ansätze zu einer Strategie zum Thema "Sustainable
Development" herrscht weitgehend Einigkeit: "Die Grundbedürfnisse - einschließlich der
Erhaltung befriedigender Umweltbedingungen - für alle gegenwärtigen und zukünftigen
Menschen müssen gesichert werden. Dabei wird Entwicklung, die nicht immer mit Wachstum
gleichgesetzt werden muß, als durchaus wünschbar und als (immer noch) machbar unterstellt"
(Harborth 1993: 242).
18
Für Mürle (1997: 57) erfüllt "Sustainable Development" derzeit nicht den Anspruch auf eine
integrierte Strategie, bietet aber wichtige und spezielle Einsichten im Bereich des Schutzes der
natürlichen Lebensgrundlagen. Hinsichtlich der mit "nachhaltiger Entwicklung" verbundenen
tiefgreifenden sozio-ökonomischen Veränderungen spielt die Reflexion der Beeinflußbarkeit von
komplexen Entwicklungsprozessen eine bedeutende Rolle. Dabei kommt wissenschaftlichen
Lösungen bloß eine begrenzte Bedeutung zu, während auf realen Erfahrungen und Handlungen
beruhende Lernprozesse aller gesellschaftlicher Akteure, durch die sich im Laufe der Zeit
Problemlösungen einstellen können, ausschlaggebend sind.
Neben diesem auf Makroebene angesiedelten Konzept der Nachhaltigkeit, existiert auch ein auf
Mikrobene bezogenes Modell, das die Nachhaltigkeit der Wirkung von Entwicklungsprojekten
thematisiert. In diesem Zusammenhang impliziert Nachhaltigkeit
"eine über kurzfristige Lösungen hinausgehende Strategie, eine Politik, die über die
Gegenwartsorientierung und ihre inkrementalistische Umsetzung hinausreicht"
(Stockmann 1993: 208).
Kosten, etc. Die zweite Position - der "ökologische Strukturwandel" - hält tiefgreifende Veränderungen der
Lebens- und Produktionsweisen, d.h. ein "neues Wohlstandsmodell", für notwendig. Vgl. dazu Weizsäcker,
E.U. v. 1994: Erdpolitik, 4. Auflage, Darmstadt, S. 217.
17
Die Kritik an der Konzeption von "nachhaltiger Entwicklung", daß sie die ökonomischen Realitäten zu wenig
berücksichtigen, zeigt auf, daß der Anspruch von "Sustainable Development", einen integrativen Ansatz
aufzustellen, der gleichzeitig alle Probleme der Ökologie, Wirtschaft und des Sozialen löst, zur Zeit nicht erfüllt
werden kann.
18
In Rio de Janeiro wurde 1992 in der Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) das Konzept der
"Agenda 21" und zahlreiche Deklarationen international als Zielgrößen erklärt. Ein genau formuliertes Konzept
zur Umsetzung des Modells einer "nachhaltigen Entwicklung" fehlt jedoch noch, zudem existiert bis heute kein
eindeutiges Begriffsverständnis.

Erkenntnisse aus der Theorie
23
In den Mittelpunkt werden dabei die langfristige Tragbarkeit, die Zukunftsfähigkeit und die
Folgenberücksichtigungen entwicklungspolitischer Lösungen gestellt.
2.2.2.5 Participatory Development
Seit Ende der 80er Jahre verbindet sich mit "Participatory Development" ein spezielles,
entwicklungsstrategisches Konzept, das sich insbesondere auf den Bereich der an der
Armutsbekämpfung ausgerichteten Projektpraxis auf lokaler Ebene konzentriert, wobei
Selbsthilfegruppen im Mittelpunkt stehen, das Konzept jedoch auch auf den Staat und
Entwicklungsorganisationen Auswirkungen hat (Chambers 1994: 1f). In diesem Sinne bedeutet
Partizipation die Einbeziehung der Vorstellungen, der Kräfte und des Wissens der Zielgruppen
in die Projektplanung und ­durchführung. Das Konzept fördert die "Entwicklung von unten", die
als langfristig offener Lernprozeß angesehen werden kann.
19
Die Menschen in den
Entwicklungsländern werden nicht als passive Nutznießer von Projekten, sondern als aktive
Träger von Entwicklung angesehen (Schneider/Libercier 1995: 30).
20
21
Überdies weist "Participatory Development" Parallelen zu neueren Organisations- und
Managementprinzipien in der Wirtschaft, die mit der Verschiebung von fordistischer
Massenproduktion zur "Flexiblen Spezialisierung" verbunden sind, und gleichermaßen
Diversität, Dezentralisierung, die Entfaltung menschlicher Kreativität und ganzheitliche
Lösungen stärker hervorheben, auf.
Für Mürle (1997: 59) stellt das Konzept des "Participatory Development" zwar keinen für alle
Entwicklungsprobleme geeigneten Ansatz dar, ist jedoch "speziell für die Gestaltung von
Projekten und die unmittelbare Armutsbekämpfung sowie zur Förderung von lokalen
Eigenorganisationen" bedeutend.
19
In diesem Konzept wird die Garantie für eine den Bedürfnissen der Armen angepaßte Entwicklung gesehen.
20
Um die Entwicklungspotentiale von "Participatory Development" verwirklichen zu können, müssen sich die
Institutionen selbst verändern, d.h. sich für Ideen "von unten" öffnen und Macht teilen lernen (Mürle 1997: 58).
21
Problematisch bei diesem Konzept ist jedoch die Idealisierung der Fähigkeiten und Bedürfnisse der Armen. Es
kann nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden, daß die Zielgruppen unbedingt eine ökologisch
nachhaltige und materiell genügsame Entwicklung wünschen.

Erkenntnisse aus der Theorie
24
2.2.2.6 Zusammenfassende Betrachtung der Theoriediskussionen
Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die einzelnen Strategien nicht unabhängig
nebeneinander stehen, da ihre Umsetzung zum Teil von der Durchführung anderer Strategien
abhängt: Systematische Wettbewerbsfähigkeit bedarf als Grundvoraussetzung ein gutes
Bildungsniveau ("Human Development") und einen leistungsfähigen Staat ("Good
Governance"), "Human Development" und "Sustainable Development" sind gleichermaßen von
einem leistungsfähigen Staat ("Good Governance") abhängig. Allein "Good Governance" und
"Participatory Development" können für begrenzte Zeit weitgehend eigenständig verfolgt
werden, obwohl auch diese als isolierte Maßnahmen längerfristig nicht erfolgversprechend
erscheinen (Mürle 1997: 60).
Ein weiteres Merkmal der neueren Strategiediskussionen ist die erhöhte Aufmerksamkeit für die
Bedeutung des Menschen im Entwicklungsprozeß, die sich von Strategien, die vorwiegend an
technischen Faktoren ausgerichtet sind, unterscheiden. In der Systemischen
Wettbewerbsfähigkeit kommt die Bedeutung des Menschen vor allem in den neueren
Managementprinzipien auf Firmenebene durch das Konzept der "Flexiblen Spezialisierung", die
die Kreativität der Arbeitenden besser zur Geltung kommen lassen, zum Ausdruck.
2.3
Erkenntnisse aus der Praxis
Um das Bild über den Stellenwert des kleinstbetrieblichen Wirtschaftssektors in der
Entwicklungsdiskussion abzurunden, bedarf der Behandlung von Kleinstunternehmen in
theoretischen Konzepten einer kurzen Ergänzung mit Erkenntnissen aus der Praxis.
Vor dem Hintergrund ernüchternder Erfahrungen aus der früheren Entwicklungspolitik, der
damit zusammenhängenden Verschuldungssituation in den Entwicklungsländern, den
wachsenden Problemen der Arbeitslosigkeit und den zunehmenden Verarmungsprozessen in
städtischen Räumen, setzt sich langsam ein Umdenkungsprozeß in der traditionellen
Entwicklungsphilosophie der Industrieländer in Gang. Man gelangt allmählich zu der
Erkenntnis, daß Alternativen zur Förderung der ruralen und landwirtschaftlichen Entwicklung
und Möglichkeiten zur kostengünstigen Arbeitsplatzbeschaffung außerhalb des Primärsektors
erforderlich sind, um einen Weg aus der Entwicklungsfalle zu finden.

Erkenntnisse aus der Theorie
25
Gleichzeitig werden die heutigen Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit vor allem in
den Industrieländern zunehmend kritischer untersucht. In den letzten Jahren ist überdies der
Zweifel an den Wirkungen der Entwicklungshilfe immer größer geworden, da die bisherige
Ausrichtung der Entwicklungspolitik weder einen Lösungsbeitrag zu den Problemen der
städtischen Armut und jenen der Versorgung armer Bevölkerungsschichten mit
lebensnotwendigen Gütern geleistet, noch die prekäre Arbeitsmarktsituation durch die Schaffung
von Arbeitsplätzen erleichtert hat. Genau diese beiden Problemkreise, die städtische
Arbeitslosigkeit und Armut, dürften in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen.
Der klein- bzw. seit Mitte der 80er Jahre vor allem der kleinstbetriebliche Sektor wird als
vielversprechender Lösungsansatz für diese Probleme eingestuft. Schon die ursprünglich von der
ILO begonnenen Stadtanalysen und Sektorstudien über Funktion, Ausmaß und
Beschäftigungsmöglichkeiten des informellen Sektors im Rahmen des "World Employment
Programme" sahen in diesem informellen, von Kleinst- und Kleinunternehmen besetzten
Wirtschaftsbereich ein enormes Wachstums- und Entwicklungspotential. Ende der 70er Jahre
übertrug sich der Glaube an die positiven Entwicklungsbeiträge einer Förderungspolitik
zugunsten von Mikrounternehmen auch in Weltbankkreise und andere wichtige
Entwicklungsorganisationen. Heute interessieren sich bereits viele größere,
entwicklungspolitisch aktive Institutionen für die Kleinstunternehmensförderung oder verwandte
Bereiche und sind aktiv mit Förderungsprojekten in diesem Bereich tätig. Im Zuge der
Wandlungen der Entwicklungsvorstellungen haben sich auch die Prioritäten führender
Entwicklungsagenturen geändert.
Dieser Wandel läßt Mikrounternehmen in einem neuen Licht erscheinen, da Kleinstunternehmen
in vielen Beziehungen die Voraussetzungen, um diesen gewandelten Prioritäten gerecht zu
werden, erfüllen: Im Gegensatz zu kapitalintensiven Industriebetrieben, die aufgrund ihrer
fehlenden binnenwirtschaftlichen Verflechtung nur wenig Kopplungseffekte auf andere
Produktionssektoren ausüben, findet man bei Mikrobetrieben vergleichsweise arbeitsintensive
Techniken und ein Höchstmaß an binnenwirtschaftlicher Verkettung vor.
Beschäftigungspolitisch sind kleine Unternehmen deshalb interessant, weil zur
Arbeitsplatzschaffung weitaus weniger Kapital erforderlich ist, als in Großbetrieben.
Versorgungspolitisch leisten Mikrobetriebe mit ihrer lokalen Verwurzelung einen Beitrag zur
Bedarfsdeckung vor allem ärmerer Bevölkerungsschichten. Im weiteren kann mit dem
verstärkten Einbezug der Kleinstunternehmen die Entwicklungsarbeit gezielter auf städtische

Erkenntnisse aus der Theorie
26
Räume gerichtet werden, da in Städten die Konzentration von Kleinstunternehmen und Gewerbe
besonders groß ist.
Währenddessen die Dringlichkeit einer Ergänzung der Entwicklungszusammenarbeit mit dem
kleinstbetrieblichen Bereich von den Geberländer bereits akzeptiert worden ist, stehen die
Regierungen der Entwicklungsländer dieser Ansicht etwas skeptischer gegenüber. Gründe dafür
können darin gesehen werden, daß die Oberschichten in den Entwicklungsländern nur ungern
auf Projekte des großtechnologischen Stils verzichten, da sie damit viele Möglichkeiten,
prestigegeladene Führungspositionen mit guten Lohn- und Sozialleistungen in Großprojekten zu
besetzen, verlieren. Mit zunehmenden sozialen und wirtschaftlichen Spannungen werden sich
jedoch viele Regierungen von Entwicklungsländern um die Verbesserung der
Rahmenbedingungen für die Förderung von kleineren Projekten zugunsten minderbemittelter
Bevölkerungsteile bemühen müssen. Vor allem die rasante Zunahme von unkontrollierbaren,
informellen Tätigkeiten in urbanen Räumen zwingt die Regierungen der Entwicklungsländer
dazu, diesen Wirtschaftssektor nicht mehr als Randphänomen zu verstehen, sondern seine
Chancen und Gefahren vollständig zu akzeptieren.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß erst neueste entwicklungstheoretische Ansätze
Hinweise anbieten, welche die Rolle des Mikrounternehmertums und der
Mikrounternehmensförderung in einem Entwicklungsprozeß zum Teil erklären. Andererseits ist
aufgrund ernüchternder Erfahrungen früherer Entwicklungsbemühungen bereits seit mehr als
zwanzig Jahren in Politik und Praxis eine wachsende Anerkennung und Akzeptanz der
besonderen Bedeutung des Kleinstunternehmenstums für einen harmonischen und
ausgeglichenen Entwicklungsprozeß festzustellen.
In diesem Sinne geht die Praxis der Theorie eher voraus. Wurde früher die Rolle von
Kleinstbetrieben unterbewertet, so besteht heute vor dem Hintergrund eines wachsenden
Problemlösungsdruckes bei Entwicklungsfragen und der Suche nach alternativen Konzepten
eher die Gefahr der Überbewertung, was in einer Phase verstärkter Marktorientierung, in der das
Unternehmertum und nicht mehr Staatseingriffe hochgepriesen werden, nicht weiter
verwunderlich ist. Unternehmensorientierte Entwicklungskonzepte bieten gerade im
mikrounternehmerischen Bereich große Entwicklungschancen, die depolarisierend wirken, einen
Entwicklungsvorgang bereichern und die es komplementär zu den Möglichkeiten in anderen
Wirtschaftssektoren der Entwicklungsarbeit zu nutzen gilt. In diesem Sinne stehen die Chancen

Erkenntnisse aus der Theorie
27
gut, daß die Rolle des kleinbetrieblichen Sektors als Entwicklungsfaktors wichtig genommen
und künftig bedeutungsvoller bewertet wird. So verstärkt sich die Frage, wie das Potential, das
im kleinbetrieblichen Sektor steckt, am besten mobilisiert und genutzt werden kann. Dieser
Leitgedanke soll denn auch den Hauptinhalt des empirischen Teils dieser Arbeit bilden.

Charakterisierung der Kleinstunternehmen
28
3
CHARAKTERISIERUNG DER KLEINSTUNTERNEHMEN
Bisher wurde sehr undifferenziert von Kleinstunternehmen und informellem Sektor gesprochen.
Konzeptionelle Klarheit und Einheitlichkeit dessen, was man in Entwicklungskreisen unter
kleinen, sehr kleinen und informellen Produktionseinheiten versteht, ist nicht gegeben. Nahezu
jede Studie definiert Kleinstunternehmen unterschiedlich, zugeschnitten auf das jeweilige
Untersuchungsumfeld. Deshalb soll das Verständnis der geläufigsten Begriffe zur Benennung
von Klein- und Kleinstunternehmen kurz umrissen werden. Dabei können die sich laufend
verändernden und sich der Dynamik der Wirklichkeit anpassenden Vorstellungen solcher
kleinsten oder kleinen Produktionseinheiten kaum durch starre und klar abgegrenzte
Definitionen erfaßt werden. Die nachstehende Diskussion soll vielmehr die Vielfältigkeit und
Unschärfe existierender Konzeptionen verdeutlichen und die verschiedenen Sichtweisen und
Aspekte nach transparenten Kriterien zu ordnen versuchen. Auf diese Weise kann aufgezeigt
werden, mit welchem Segment von kleinen Betrieben sich die vorliegende Arbeit beschäftigt.
3.1 Begriffsbestimmung
Mikrounternehmen ist eine wörtliche Übersetzung des spanischen Begriffs ,,microempresa" und
bezieht sich auf sehr kleine Betriebseinheiten. Trotzdem der Ausdruck ,,microempresa" im
lateinamerikanischen Sprachgebrauch eine relativ junge Erscheinung ist, genießt er bereits eine
weite Verbreitung. Das will nicht heißen, daß es vor dem Erscheinen dieses Begriffs vor etwa 30
Jahren keine ,,microempresas" gab. Im Zuge der Wiederentdeckung kleiner Wirtschaftseinheiten
versucht das Konzept der ,,microempresa" lediglich ein altes Phänomen und seine Wandlung in
der lateinamerikanischen Entwicklungsgeschichte neu zu erfassen (Quintero 1986: 14).
Wie es mit der semantischen Bezeichnung dieses spanischen Begriffs zu den deutschsprachigen
Ausdrücken Kleinbetrieb, Gewerbe und Handwerk steht, wird im folgenden dargestellt.
Kleinbetrieb (spanisch ,,pequeña empresa") dient der Umschreibung von kleinen Produktions-
und Dienstleistungseinheiten und bezieht sich in der Regel hauptsächlich auf die Betriebsgröße,
unabhängig von der jeweiligen betrieblichen Organisationsform. Der Ausdruck Kleinbetrieb
könnte somit als Überbegriff für Mikrounternehmen, Gewerbe, Handwerk und Kleinindustrie
aufgefaßt werden. Im Sprachgebrauch dieser Arbeit werden mit dem Ausdruck jedoch
Unternehmenseinheiten bezeichnet, die zu einer industriellen Produktionsweise und zu einem
vergleichsweise hohen internen Arbeitsorganisationsgrad tendieren.

Charakterisierung der Kleinstunternehmen
29
Unter dem Begriff Handwerk versteht man im Sinne einer qualitativen Abgrenzung all jene
Produktionsformen im Sekundärsektor, die nicht fabrikmäßig organisiert sind und als nicht-
industriell bezeichnet werden (Schwarz 1980: 162). Der Ausdruck Gewerbe schließt hier neben
dem Handwerk auch Betriebe des Einzelhandel- und Dienstleistungsbereichs, die einfache
Organisationsformen aufweisen, mit ein. Ein niedriger Arbeitsorganisationsgrad im
Produktionsprozeß drückt sich sowohl im Sekundär- als auch Tertiärsektor in der
Eigenverantwortlichkeit des Betriebsleiters sowie in der auftragsbezogenen Produktion - im
Gegensatz zur industriellen Serienproduktion - aus (Burkhalter 1984: 4; Staley/Morse 1965: 5f).
Die konzeptionellen Vorstellungen von Handwerk und Gewerbe in Industrieländern können
jedoch nicht ohne weiteres auf die Verhältnisse in den Entwicklungsländern übertragen werden,
da einerseits das europäische Handwerk und Gewerbe auf eine tiefverwurzelte Tradition
zurückgeht, und andererseits in Europa qualifizierende Abschlüsse bei der Ausbildung vor allem
von Handwerkern, aber auch oft von Gewerbetreibenden bestehen (König/Peters 1985: 124). In
Entwicklungsländern fehlt vor allem letzteres weitgehend, wodurch die Arbeitsqualität und die -
organisationsform zwischen Entwicklungs- und Industrieländern nur bedingt vergleichbar ist.
22
Die beiden Begriffe können somit die variantenreiche und komplexe Wirklichkeit der
Kleinstbetriebe in Entwicklungsländern bloß in insuffizienter Weise wiedergeben. Es erscheint
überhaupt fraglich, ob diese in unserer Kultur geprägten Begriffe nicht vielmehr den Blick für
die Vielfalt und den Erfindungsreichtum von kleinen Unternehmenseinheiten einengen, denn vor
allem im Übergangsbereich zum Dienstleistungsgewerbe kommen in den Städten der
Entwicklungsländer unter dem Druck der industriellen Arbeitslosigkeit immer neue
Produktionsformen, die in keine europäische Handwerkerinnung passen, zum Vorschein (Jung
1987: 253).
INSOTEC (Instituto de Investigaciones Socio-Económicas y Tecnológicas) (1991: 199) definiert
eine handwerkliche Produktionseinheit in Ecuador wie folgt:
1. Der Handwerker ist gleichzeitig direkter Produzent und Eigentümer der Produktionsmittel.
2. Im Gegensatz zum Lohnarbeiter kontrolliert der selbständige Handwerker den Arbeitsprozeß
- er entscheidet über Art, Menge und Qualität des Produktes, das er herstellt - und ist
,,Eigentümer" der Erfolge seiner Arbeit.
22
Vor allem aufgrund der qualifizierenden Abschlüsse bei der Ausbildung dürfte der betriebsinterne
Organisationsgrad in Industrieländern höher sein als in Entwicklungsländern.

Charakterisierung der Kleinstunternehmen
30
3. Zum Unterschied vom industriellen Produzenten verfügt der Handwerker über wenige
Produktionsmittel und nur sehr wenige Arbeiter, meist unbezahlte Familienmitglieder oder
Lohnarbeiter.
4. Im produktiven Handwerksprozeß überwiegt der Faktor Arbeit gegenüber dem Faktor
Kapital und Handarbeit gegenüber mechanisierter Produktion.
5. In der Werkstatt nimmt der Handwerksmeister direkt und aktiv am physischen
Produktionsprozeß teil und widmet sich den Verwaltungs- und Vermarktungsaufgaben nur in
geringem Maße.
6. Zum Unterschied vom industriellen Produzenten hängen Qualität und Quantität des
handwerklichen Produktes vor allem vom Scharfsinn und der Ausdauer des Handwerkers
und seiner Gehilfen ab.
Angesichts dieser Charakteristika zeichnet sich der Handwerker als soziale Gruppe aus durch
- das Überwiegen von sozialen, nicht-kapitalistischen Relationen;
- die Dezentralisierung der Produktion in einer Vielzahl von kleinen zerstreuten
Einheiten; und
- eine gleichmäßigere Einnahmeverteilung als in der Fabriksindustrie.
Diese Faktoren unterscheiden das Handwerk von anderen Produktionsformen und bestimmen die
spezifische soziale Organisation des Handwerks, seine strukturellen Expansionslimits, seine
Widerstands- und Überlebensmechanismen, sein Entwicklungspotential sowie die Vielfältigkeit
seiner Produktion. Das Volumen der Handwerksproduktion und die Einnahmen der Handwerker
hängen nicht nur von den internen Charakteristika dieser produktiven Einheiten, sondern auch
von den allgemeinen sozio-ökonomischen Bedingungen und den Artikulationsformen, die
zwischen den Handwerkern und dem Rest der Wirtschaft existieren, ab (INSOTEC 1991: 199).
Nach Aussagen einer ecuadorianischen Soziologin und Konsulentin auf dem Gebiet der
Förderung von Kleinstbetrieben existieren kaum Unterschiede zwischen den Begriffen
Handwerk und Mikrounternehmen:
"... entre microempresa y artesanía creo que la artesanía es una microempresa sí es que
está administrada también con criterio empresarial."
"... yo no encuentro una diferenciación así nítida entre el artesano y el microempresario
porque el artesano tiene semejanzas, tiene hasta 10 puestos de trabajado y tiene un

Charakterisierung der Kleinstunternehmen
31
capital también que no es muy elevado, entonces la tradición o no tradición, eso es otra
cosa pero como operan, son similares entre yo no encuentro una línea divisoria que diga
hasta aquí está el artesano y aquí empieza ser microempresario, me parece que es el
manejo empresarial antes que el de la unidad productiva y lo que define que seas o no el
microempresario."
Handwerk kann somit zwar nicht als Synonym des Ausdruckes Kleinstbetrieb angesehen
werden, kann jedoch dann als Kleinstunternehmen bezeichnet werden, wenn es unternehmerisch
geführt wird. Daher wird in dieser Arbeit der Ausdruck Handwerk dann verwendet, wenn das
Unternehmen die Charakteristika eines Kleinstbetriebes aufweist - und somit unternehmerisch
geführt wird - und handwerkliche Arbeiten im Vordergrund stehen. Mikro- und
Kleinstunternehmen bzw. Mikro- und Kleinstbetrieb werden dagegen als Synonym betrachtet.
Der Begriff Kleinindustrie (spanisch ,,pequeña industria") wird im deutschen Sprachgebrauch,
zumindest im Zusammenhang mit Entwicklungsländern, in sehr ungenauer Form verwendet. Für
unsere Zwecke wird in dieser Arbeit Kleinindustrie als kleine ökonomische Einheiten des
Sekundärsektors, die fabrikmäßig organisiert sind und deshalb industrielle Produkte in
arbeitsteiliger Weise erzeugen, definiert. In der Kleinindustrie, also in kleinen Fabriken, stehen
nicht mehr die produktionsorientierte und handwerkliche Arbeit allein im Vordergrund, sondern
auch die Managementleistungen für die interne Koordination.
23
Mikrounternehmen sind, ähnlich wie Gewerbebetriebe, durch wenig fortgeschrittene
Organisationsformen gekennzeichnet und umfassen sowohl den Sekundär- als auch den
Tertiärsektor. Im konzeptionellen Verständnis des Ausdruckes Mikrounternehmen finden auch
verschiedene Formen von Heimarbeit Eingang. Es gibt jedoch im Rahmen von Verlagssystem
und Manufaktur abhängige Heimarbeit, wo nach Maßstäben der industriellen Produktion
gearbeitet wird (Schneider-Barthold 1984: 25). In diesem Sinne liegen gewisse Grenzbereiche
zwischen industriellen und mikrobetrieblichen Tätigkeiten vor. Damit sei bemerkt, daß alle
diskutierten Begriffe zum Teil fließend ineinander übergehen, und eine klare gegenseitige
Abgrenzung in der Praxis auf Grenzen stößt.
23
Ausgeprägte Managementfunktionen gewinnen jedoch erst in größeren Unternehmen an Bedeutung.

Charakterisierung der Kleinstunternehmen
32
3.2
Grundsätzliche qualitative Merkmale eines Mikrounternehmens
Was ein Mikro- oder Kleinstunternehmen von einem Kleinunternehmen unterscheidet, ist nicht
das ,,kleine Sein" oder das ,,weniger Produzieren", sondern das ,,anders Produzieren", das
,,Anderssein" (Parra 1984: 12).
Im folgenden werden einige grundsätzliche qualitative Merkmale der Kleinstunternehmen
aufgezeigt. Dadurch soll die Voraussetzung dafür geschaffen werden, das Umfeld des
kleinstbetrieblichen Sektors genauer kennenzulernen und die Spannweite verschiedener
Dimensionen abzustecken. Der jüngeren Literatur zufolge können Kleinstbetriebe unter den
folgenden fünf Perspektiven kurz umschrieben werden:
1. Ein Kleinstbetrieb ist eine sozio-ökonomische Einheit, die Güter produziert oder
Dienstleistungen anbietet. Im Unterschied zu einem modernen Unternehmen in
Industrieländern, das im allgemeinen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten analysiert wird,
spielen für die Charakterisierung des Mikrounternehmens soziale Aspekte eine ebenso
wesentliche Rolle wie die wirtschaftlichen. Dieser soziale Charakter zeigt sich insbesondere
in der engen, oft familiären Beziehung zwischen den im Unternehmen Beschäftigten
einerseits und den persönlichen Kundenbeziehungen andererseits. Unter wirtschaftlichen
Gesichtspunkten stellen Kleinstunternehmen eine Betriebsform dar, die immer zumindest
zwei Produktionsformen kombiniert: Kapital und Arbeit (z.B. eine Möbelwerkstatt mit einer
entsprechenden maschinellen Ausrüstung), Arbeit und eine beliebige betriebsähnliche
Organisationsform (beispielsweise ein Kleinhändler) oder Arbeit und natürliche Ressourcen
(z.B. eine kleine Blumengärtnerei) (Ibarra 1997: 24f). Durch diese unerläßliche Kombination
von mindestens zwei Produktionsfaktoren werden Arbeiter, die allein ihre Arbeitskraft auf
dem Arbeitsmarkt anbieten (z.B. Hausangestellte) vom Konzept der Kleinstunternehmen
ausgegliedert, was aber nicht bedeutet, daß ein Kleinstbetrieb nicht aus einer einzelnen
Person zusammengesetzt sein kann.
2. Die Güter und Dienstleistungen, die in einem Kleinstbetrieb hergestellt werden, sind
größtenteils für den Markt bestimmt. Das Konzept der Kleinstunternehmen schließt, obwohl
wahrscheinlich ein höherer Anteil der Produktion als in größeren Unternehmen für den
Eigengebrauch verwendet wird, die reine Subsistenzwirtschaft eindeutig aus. Diese
Einschränkung ist primär im Zusammenhang mit ruralen Mikrounternehmen von Relevanz.

Charakterisierung der Kleinstunternehmen
33
Allein auf Bedarfsdeckung ausgerichtete Wirtschaftstätigkeiten bilden den Gegensatz zu
gewinnorientierten und erwerbswirtschaftlichen Aktivitäten, was bedeutet, daß in
Kleinstbetrieben die Produktionsweise wenigstens zum Teil auf dem erwerbswirtschaftlichen
Prinzip beruhen muß (Schneider-Barthold 1984: 23). Dieser so verstandene erwerbsmäßige
und marktoffene Charakter bindet Kleinstbetriebe stärker an das gesamtwirtschaftliche
Geschehen und läßt sie weniger als ökonomisches Randphänomen erscheinen.
3. Erst das Merkmal, daß die Tätigkeiten in einem Mikrobetrieb mit einem minimalen Grad an
Regelmäßigkeit und Dauerhaftigkeit ausgeführt werden, rechtfertigt die Bezeichnung
,,Kleinstbetrieb" und geht im allgemeinen von einem festen Betriebslokal aus (Ibarra 1997:
25f). Reine Gelegenheitsarbeiten oder gelegentliche Nebenerwerbsarbeiten zur
Lohnaufbesserung können nicht zum mikrobetrieblichen Bereich gezählt werden,
währenddessen saisonal bedingte und regelmäßige Nebenerwerbstätigkeiten, die vor allem in
ruralen Gebieten anzutreffen sind, zweifellos als kleinstbetriebliche Tätigkeiten aufgefaßt
werden können.
4. Die Produktionsweise von Kleinstbetrieben ist arbeitsintensiv, da allgemein einfache
Technologieformen, die sowohl traditionelle als auch vergleichsweise moderne Techniken
umfassen können, eingesetzt werden. Zu traditioneller Technik wird die Herstellung von
Gegenständen an Hand von überlieferten und bekannten Handwerkzeuge, wie beispielsweise
im Kunsthandwerk, und teilweise bereits moderner Rohstoffe gezählt (Schneider-Barthold
1984: 28). Unter moderner Technik werden hingegen Hand- oder Maschinenwerkzeuge und
Rohstoffe, die erst in jüngerer Zeit durch ausländischen Einfluß Verbreitung gefunden haben,
wie beispielsweise in Autoreparaturwerkstätten, verstanden. Dabei sind hochtechnisierte
Fertigungsweisen mit kapitalintensivem Maschineneinsatz ausgeschlossen. Diese ,,moderne"
Produktionsweise in Kleinstbetrieben entspricht demzufolge nicht dem neuesten Stand der
Technik und bietet überdies kaum die Voraussetzung zu einer industriellen (Serien-)
Produktion.
5. Wie bereits erwähnt, ist der Arbeitsorganisationsgrad in Kleinstbetrieben im allgemeinen
verhältnismäßig niedrig. Die innerbetrieblichen Organisationsformen sind einfach und die
Arbeitsteilung größtenteils minimal, da die administrativen und handwerklichen
Betriebsfunktionen vereint sind (Placencia 1996: 68f).

Charakterisierung der Kleinstunternehmen
34
Wie aus dieser kurzen Darstellung von qualitativen Merkmalen zu entnehmen ist, umfaßt das
Konzept der Kleinstunternehmen ein breites Kontinuum: Das Spektrum reicht von vielen bis
keinen familiären Mitarbeitern, von geringer bis vollständiger Marktintegration und von
traditionellen bis zum Übergang zu industriellen Produktionsweisen. Es drängt sich somit eine
Differenzierung dieses vielfältigen kleinstbetrieblichen Spektrums auf. Zuvor soll jedoch auf die
quantitativen Kriterien zur Bestimmung von Kleinstunternehmen sowie auf die Beziehung
zwischen informellem und kleinstbetrieblichen Sektor eingegangen werden.
3.3
Quantitative Kriterien zur Bestimmung von Kleinstbetrieben
Verläßliche quantitative statistische Indikatoren, die den kleinstbetrieblichen Sektor gegen unten
abzugrenzen vermögen, existieren nicht. Dazu müssen ausschließlich qualitative
Abgrenzungskriterien herangezogen werden (Harper 1984: 6f). Ein Kleinstbetrieb muß über ein
festes Betriebslokal, eine gewisse Produktionsregelmäßigkeit und einen minimalen Kapitalstock
in Form von technischer Ausrüstung verfügen und zumindest zum Teil für den Markt
produzieren. Solche Basiserfordernisse grenzen die Mikrounternehmen gegen unten gegenüber
anderen informellen und sehr kleinen Produktionsformen ab, wie beispielsweise Straßenhändler
oder Parkwächter.
Zur Abgrenzung von Kleinstunternehmen gegen oben, d.h. gegenüber Klein- und
Mittelbetrieben, werden hingegen quantitative Kriterien verwendet. Die am häufigsten
anzutreffenden Abgrenzungskriterien sind die Zahl der Beschäftigten, die monatlichen bzw.
jährlichen Umsätze und das Anlagekapital. Solche quantitativen Kriterien eignen sich jedoch nur
beschränkt zur Klassifizierung von Betriebsgrößen, denn verschiedene Länder und verschiedene
Branchen sind diesbezüglich wenig vergleichbar. So kann einerseits ein Betrieb mit sehr
wenigen Personen gewaltige Kapitalmengen verschlingen, wie etwa ein Kraftwerk, andererseits
kann der Umsatz einer Schmiedewerkstatt, die 9 Personen anstellt, im Vergleich zu dem Umsatz
eines Computerherstellers mit der gleichen Beschäftigungszahl sehr gering sein. Ferner können
Kleinstbetriebe in Entwicklungsländern die Beschäftigtenzahl, da in Kleinstbetrieben viele
Personen teilzeitlich oder unregelmäßig arbeiten, den Umsatz und das investierte Kapital ihres
Unternehmens selten genau angeben, und monetäre Wertgrößen sind ohnehin aufgrund
unterschiedlicher Währungen und Preisniveaus international kaum vergleichbar (Schneider-
Barthold 1984: 27).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2001
ISBN (eBook)
9783832475550
DOI
10.3239/9783832475550
Dateigröße
1.7 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Johannes Kepler Universität Linz – Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Soziologie
Erscheinungsdatum
2003 (Dezember)
Note
1,0
Schlagworte
entwicklungszusammenarbeit kleinbetriebe ecuador entwicklungsprogramm
Produktsicherheit
Diplom.de
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Titel: Probleme und Möglichkeiten der Kleinstunternehmensförderung durch internationale Entwicklungsprogramme
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