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Nationale und regionale Identitäten in Spanien

©2002 Diplomarbeit 187 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Ziel dieser Arbeit ist zu untersuchen, ob es in Spanien heute eine national einende, kollektive Identität gibt, oder ob nach wie vor unterschiedliche kollektive Identitäten in verschiedenen Teilregionen vorherrschen. Diese Identitäten werden hinsichtlich ihrer objektiven Unterschiede, wie z.B. Sprache und Parteien, ihrer kollektiven Bindungen an die Nation und an die Regionen sowie nach ihrem Demokratieverständnis analysiert. So kann der Beitrag der Identitäten zum nationalen Selbstverständnis Spaniens und ihre förderlichen bzw. hinderlichen Einstellungen zur Demokratie ermittelt werden.
Spanien, einer der ältesten Nationalstaaten Europas, war lange durch starken Zentralismus beherrscht, der nur zweimal kurzzeitig durch dezentrale Ausprägungen unterbrochen wurde. 1978 wurde eine neue Verfassung in Kraft gesetzt, aus der sich die Einteilung Spaniens in „Nation“, „Nationalitäten“ und „Regionen“ ergab. Die entstandene territoriale Machtverteilung sollte den Zentralstaat beenden und einen demokratischen Rechtsstaat zwischen politischem Zentralismus und Einheitsstaat sowie dezentraler Version schaffen (Nohlen/Hildenbrand 199a: 294).
Seit 1983 gibt es in Spanien 17 autonome Regionen, die sogenannten „Comunidades Autónomas“. Diese neue Gebietsaufteilung stellt einen tiefgreifenden Wandel in der Geschichte Spaniens dar. Aufgrund der Unterdrückung der ethnischen und nationalen Identitäten sowie jeglicher regionaler Eigenständigkeit der einzelnen Landesteile in Spanien während des Franco-Regimes (1939-1975) kamen fast in allen Gebieten neue regionalistische Kräfte zum Vorschein. Vor allem im Baskenland und Katalonien sind nationale Emanzipationsbestrebungen verstärkt zu beobachten. Bis heute ist die „regionale Frage“ in Spanien nicht gelöst, und weiterhin bestimmt das Problem der „peripheren oder lokalen Nationalismen und Regionalismen“ die Schlagzeilen in spanischen Tageszeitungen. Außerdem wurde dieses Problem zu einem wichtigen Prüfstein für Spaniens junge Demokratie (Nohlen/ Hildenbrand 1992a: 294).
Angesichts der Transitionsphase und nationalistischer Entwicklungen in den einzelnen Peripherien ist es fraglich, ob damals, bei Verfassungsbeginn, eine spanische Nation als nationale, die Staatsbürger einenden Identität geschaffen wurde, oder ob nach wie vor einzelne ethnische Bezugsgemeinschaften in den Regionen überwiegen. Davon ausgehend sollen folgende erste Forschungsfragen beantwortet werden:
Gibt es eine national […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7525
Reitmann, Ulrike: Nationale und regionale Identitäten in Spanien
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Universität, Diplomarbeit,
2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

II
Inhaltsüberblick
1.
Einführung: Heutige Relevanz der Konzepte von Nation und
nationalen Bewegungen... 1
1.1.
Ziele der Arbeit ... 2
1.2.
Problemskizzierung und Fragestellungen... 2
1.3.
Aufbau der Arbeit... 4
2.
Theoretische Ansätze... 6
2.1.
Staaten, Nationen und Regionen... 6
2.2
Typologische Unterscheidung des nationalen
Selbstverständnisses: Ethnos ­ Demos ­ Konzept nach Francis
... 11
2.3.
Identitätskonzepte... 18
2.4.
Historische Entwicklung und heutige Situation in Spanien ... 21
2.5.
Entwicklungen der Nationalismen und Regionalismen ... 28
2.6
Überblick über den gegenwärtigen empirischen
Forschungsstand zu nationaler/ regionaler Identität ... 41
2.7.
Hypothesen... 46
3.
Methodische Vorgehensweise: Vorstellung des
Datensatzes... 50
3.1.
Spezifika der erhobenen Daten in Spanien ... 51
3.2
Untersuchte Regionen der Auswertung ... 53
3.3.
Operationalisierung von kollektiver Identität sowie des Ethnos
und Demos - Konzeptes ... 54
4.
Empirischer Teil ... 59
4.1.
Deskriptive Statistik: Kollektive Identität(en) in Spanien und
objektive Ausprägungen ... 59
4.2.
Induktive Statistik... 81

III
5.
Ergebnisse für die spanischen Regionen ... 122
5.1.
Die baskische Situation anhand des WVS... 122
5.2.
Einschätzung der Aussagekraft der Daten für das Baskenland
... 123
5.3.
Die katalanische Situation anhand des WVS... 123
5.4.
Einschätzung der Aussagekraft der Daten für Katalonien ... 125
5.5.
Die galizische Situation nach Daten des WVS ... 126
5.6.
Einschätzung der Aussagekraft der Daten für Galizien ... 126
5.7.
Situation in Andalusien und Valencia... 126
5.8.
Einschätzung der Aussagekraft der Daten für Andalusien und
Valencia ... 127
5.9.
Gesamtkritik am Fragebogen des Word Values Survey ... 127
6.
Gesamtspanische Situation und zukünftige Probleme der
gesamtspanischen Politik... 129

IV
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsüberblick ... II
Tabellenverzeichnis... VIII
Abbildungsverzeichnis ... X
Abkürzungsverzeichnis ... XI
1.
Einführung: Heutige Relevanz der Konzepte von Nation und
nationalen Bewegungen... 1
1.1.
Ziele der Arbeit ... 2
1.2.
Problemskizzierung und Fragestellungen... 2
1.3.
Aufbau der Arbeit... 4
2.
Theoretische Ansätze... 6
2.1.
Staaten, Nationen und Regionen... 6
2.1.1. Objektiver und subjektiver Nationenbegriff ... 7
2.1.2. Regionen als Subeinheiten der Nation ... 8
2.1.3. Die Klassifizierung Spaniens anhand der Gesellschaftstypen von
Haller... 9
2.2
Typologische Unterscheidung des nationalen
Selbstverständnisses: Ethnos ­ Demos ­ Konzept nach Francis
... 11
2.2.1. Der Ethnos (nationalistisches Modell)... 11
2.2.1.1.Ethnischer Nationalismus ... 12
2.2.1.2.Regionalismus... 13
2.2.2. Der Demos (patriotisches Modell)... 14
2.2.3. Zusammenfassende Diskussion und Kritik ... 16
2.3.
Identitätskonzepte... 18
2.3.1. Identitätsbegriff und kollektive Identität als Teilbereich der sozialen
Identität... 19
2.3.2. Nationale und regionale Identität ... 20
2.4.
Historische Entwicklung und heutige Situation in Spanien ... 21
2.4.1. Historischer Befund bis zum Franco- Regime ... 22
2.4.2. Autoritäres Franco-Regime ... 23

V
2.4.3. Wandel in einen demokratischen EU-Staat und eine neue Verfassung
... 24
2.4.4. Kompetenzverteilung innerhalb Spaniens ... 25
2.5.
Entwicklungen der Nationalismen und Regionalismen ... 28
2.5.1. Periphere Nationalismen in Katalonien und im Baskenland... 28
2.5.1.1.Katalanischer Nationalismus ... 30
2.5.1.2.Baskischer Nationalismus ... 33
2.5.2. Weitere spanische Nationalismen... 36
2.5.2.1.Galizischer Nationalismus ... 37
2.5.2.2.Andalusischer Regionalismus ... 38
2.5.2.3.Valencianischer Regionalismus... 38
2.5.3. Zusammenfassende Darstellung der Nationalismen... 39
2.6
Überblick über den gegenwärtigen empirischen
Forschungsstand zu nationaler/ regionaler Identität ... 41
2.7.
Hypothesen... 46
3.
Methodische Vorgehensweise: Vorstellung des
Datensatzes... 50
3.1.
Spezifika der erhobenen Daten in Spanien ... 51
3.2
Untersuchte Regionen der Auswertung ... 53
3.3.
Operationalisierung von kollektiver Identität sowie des Ethnos
und Demos - Konzeptes ... 54
3.3.1. Unabhängige Variable: Ethnische Selbstbeschreibung... 55
3.3.2. Abhängige Variablen: ethnisches vs. demotisches
Nationenverständniss und Demokratie ... 56
4.
Empirischer Teil ... 59
4.1.
Deskriptive Statistik: Kollektive Identität(en) in Spanien und
objektive Ausprägungen ... 59
4.1.1. Die Identifikation mit Spanien und subnationalen Einheiten im Jahr
1996... 60
4.1.2. Soziodemographische Trägermerkmale ethnischer
Selbstbeschreibung ... 63
4.1.3. Geburtsort ... 67
4.1.4. Zu Hause gesprochene Sprache ... 70
4.1.5. Gewählte Parteien in Gesamtspanien... 72
4.1.6. Spaniens Rechte und Linke... 78
4.2.
Induktive Statistik... 81

VI
4.2.1. Prüfung der Hypothesen eins und zwei und Zusammenfassung der
kollektiven Identitäten anhand objektiver Merkmale ... 81
4.2.2. Kollektive Identifikation und Nationalstolz / Landesverteidigung... 85
4.2.2.1. Nationalstolz in Spanien im Zeitverlauf... 85
4.2.2.2. Nationalstolz nach Regionalgefühl... 86
4.2.3. Überprüfung der Hypothese drei... 91
4.2.4. Demotische oder ethnische Identitäten... 91
4.2.4.1. Ausgrenzende Haltungen ­ Fremdenfeindlichkeit und ausländische
Waren ... 92
4.2.4.2. Toleranz... 96
4.2.4.3. Verfassungspatriotische Werte: Freiheit vs. Ordnung... 99
4.2.5. Überprüfung der Hypothesen vier und fünf ... 103
4.2.6. Demokratische Einstellungen... 105
4.2.6.1. Bewertungen des demokratischen Systems... 105
4.2.6.2. Demokratieverständnis ... 108
4.2.7. Prüfung der Hypothese sechs ... 112
4.2.8. Haltung zu zentralstaatlichen Institutionen... 113
4.2.8.1. Vertrauen in spanische Institutionen im Zeitverlauf ... 114
4.2.8.2. Vertrauen in Institutionen: Regionenvergleich ... 116
4.2.8.3. Identitätenvergleich... 117
4.2.8.4. Zufriedenheit mit der zentralstaatlichen Regierung... 119
4.2.9. Prüfung der Hypothese sieben ... 121
5.
Ergebnisse für die spanischen Regionen ... 122
5.1.
Die baskische Situation anhand des WVS... 122
5.2.
Einschätzung der Aussagekraft der Daten für das Baskenland
... 123
5.3.
Die katalanische Situation anhand des WVS... 123
5.4.
Einschätzung der Aussagekraft der Daten für Katalonien ... 125
5.5.
Die galizische Situation nach Daten des WVS ... 126
5.6.
Einschätzung der Aussagekraft der Daten für Galizien ... 126
5.7.
Situation in Andalusien und Valencia... 126
5.8.
Einschätzung der Aussagekraft der Daten für Andalusien und
Valencia ... 127
5.9.
Gesamtkritik am Fragebogen des Word Values Survey ... 127

VII
6.
Gesamtspanische Situation und zukünftige Probleme der
gesamtspanischen Politik... 129
Anhang ... VII
1.
Allgemeine Zahlen: Spanische Regionen ... VII
2.
Spanisches Parlament und Wahlsystem ... VII
3.
Auswertungen... X
3.1.
Geographische Identifikation ... X
3.2.
Soziodemographie... XII
3.3.
Partei... XIII
3.4.
Rechts-Links ­ Einstufung ... XIII
3.5.
Nationalstolz ... XIII
3.6.
Ausgrenzende Haltung... IX
3.7.
Demokratie ... IX
3.8.
Politisches Interesse ...XVIII
3.9.
Politische Partizipation ...XIX
3.10. Vertrauen in Institutionen ...XX
3.11. Vertrauen in Mitmenschen ...XXI
Variablenplan ...XXIII
Literaturverzeichnis... XXVIII
Statistiken und Studien...XL

VIII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Objektiver und subjektiver Nationenbegriff... 7
Tabelle 2:
Zusammenfassung ethisches/demotisches Nationenverständnis ... 16
Tabelle 3:
Triebkräfte des Regionalismus ... 39
Tabelle 4:
Pro- Kopf- Einkommen und Arbeitslosenquote für ausgewählte Regionen ... 40
Tabelle 5:
Nationales/regionales Bewusstsein... 42
Tabelle 6:
Prozentwerte der Befragten, die ihre Region als ,,Nation" betrachten im Zeitverlauf. 43
Tabelle 7:
Bedeutung Spaniens für die Regionen... 45
Tabelle 8:
Überblick über die Erhebungswellen, Forschungsinstitute und Anzahl der Befragten
... 51
Tabelle 9:
1990 Dokumentierte DATA-Regionen ... 53
Tabelle 10:
Überblick über Variablen Ethnos-Demos ... 57
Tabelle 11:
Nationales/regionales Bewusstsein... 61
Tabelle 12:
Zusammenfassende Darstellung der Identitäten 1996 ... 63
Tabelle 13:
Soziodemographie 1996... 64
Tabelle 13a:
Signifikanzen für Regionen: Soziodemographie ... 65
Tabelle 14:
Verteilung der regionalen Bevölkerung nach Geburtsort 1996 ... 68
Tabelle 15:
Regionalsprachen in den Regionen 1996 ... 71
Tabelle 16:
Parteiauflistung Nationalparteien - Regionalparteien ... 73
Tabelle 17:
Häufigkeiten für Wahlabsicht einer nationalen vs. regionalen Partei 1996... 74
Tabelle 18:
Wahlabsichten 1996 im Baskenland und Galizien ... 75
Tabelle 19:
Wahlabsichten 1996 in Valencia und Katalonien ... 76
Tabelle 19a:
Signifikanzen für Regionen: Rechts-links-Einstufung ... 79
Tabelle 20:
Signifikanz der Identitäten: Rechts-links-Einstufung ... 79
Tabelle 21:
Zusammenfassung der Ergebnisse für die Basken ... 83
Tabelle 22:
Zusammenfassung der Ergebnisse für die Katalanen ... 83
Tabelle 23:
Zusammenfassung der Ergebnisse für die Galizier ... 84
Tabelle 24:
Nationalstolz 1990 nach Regionen und Nationalstolz 1996 nach Regionen und
Identitäten ... 87
Tabelle 24a:
Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen: Nationalstolz ... 87
Tabelle 25:
Militärische Landesverteidigung für Regionen 1990 und für Regionen und Identitäten
1996... 89
Tabelle 25a:
Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen: Landesverteidigung ... 90
Tabelle 26:
Einstellung zu Ausländern und ausländischen Waren 1996 ... 94
Tabelle 26a:
Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen: Ausländer /Waren... 95
Tabelle 27:
Ethnische und soziale Toleranz 1996 ... 97
Tabelle 27a:
Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen: Toleranz... 98
Tabelle 28:
Regierungsaufgabe: Ordnung vs. Freiheit 1996 ... 100
Tabelle 28a:
Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen... 100
Tabelle 29:
Landesziele Spanien 1996 ... 102
Tabelle 30:
Demokratieindex 1996... 106
Tabelle 30a:
Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen... 107
Tabelle 31:
Demokratieverständnisindizes 1996 ... 109
Tabelle 31a:
Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen: Demokratieverständnis-indizes ... 110
Tabelle 32:
Bereitschaft zur Gewaltanwendung 1996... 111
Tabelle 32a:
Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen: Gewaltanwendung... 111
Tabelle 33:
Korrelationen für Vertrauen in Institutionen der jeweiligen Regionen 1996 ... 117
Tabelle 34:
Vertrauen in Institutionen 1996... 118
Tabelle 35:
Zufriedenheit mit der zentralstaatlichen Regierung 1996... 119
Tabelle 35a:
Signifikanzen für Mittelwerte der Regionen: Zufriedenheit Regierung ... 120
Tabelle 36:
Überblick über spanische Regionen... VII
Tabelle 37:
Geographische Identifikation der Regionen ... X
Tabelle 38:
Geographische Identifikation der spanischen Identitäten 1996 ... XI
Tabelle 39:
Schulbildung der spanischen Regionen 1996 ... XII
Tabelle 40:
Geschlecht der spanischen Regionen und Identitäten 1996... XII
Tabelle 41:
Gewählte Partei 1996 in Spanien ... XIII
Tabelle 42:
Mittelwerte Rechts-Links-Einstufung ... XIII
Tabelle 43:
Nationalstolz Häufigkeiten pro Region 1996 ... XIII
Tabelle 44:
Nationalstolz ­ Objekte 1 1990... VIII

IX
Tabelle 45:
Nationalstolz ­ Objekte2 1990... VIII
Tabelle 46:
Vorzug spanischer Arbeitskräfte bei knappen Arbeitsplätzen 1996... IX
Tabelle 47:
Demokratie bestes politisches System für das Land 1996 ... IX
Tabelle 48:
Demokratie besser als andere Systeme 1996 ... X
Tabelle 49:
Einstellungen zum politischen System früher und heute 1996 ... X
Tabelle 49a:
Signifikanz Regionen: politisches System Franco 1996 ... XI
Tabelle 49b:
Signifikanz Identitäten: politisches System Franco ... XI
Tabelle 49c:
Signifikanz Regionen: politisches System heute... XII
Tabelle 49d:
Signifikanz Identitäten: politisches System heute ... XII
Tabelle 49e:
Signifikanz Regionen: politisches System Zukunft... XII
Tabelle 49f:
Signifikanz Identitäten: politisches System Zukunft 1996 ... XII
Tabelle 50:
Politisches System Index (Spaltenprozente) 1996... XIII
Tabelle 51:
Einzelwerte Demokratieverständnis 1 1996 ... XIII
Tabelle 52:
Einzelwerte Demokratieverständnis 1996 ...XV
Tabelle 53:
Politikinteresse der Regionen und Identitäten 1996...XVIII
Tabelle 53a:
Signifikanz politisches Interesse ...XIX
Tabelle 54:
Politische Partizipation ...XIX
Tabelle 55:
Vertrauen in Institutionen...XX
Tabelle 56:
Vertrauen in Mitmenschen...XXI
Tabelle 57:
Vertrauen in spanische Mitbürger 1990 ...XXI
Tabelle 57a:
Signifikanz Vertrauen ...XXII

X
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Entwicklungsphasen des Nationalismus ... 29
Abbildung 2:
Meinung der Katalanen und Basken zur Unabhängigkeit ... 44
Abbildung 3:
Identitäten und deskriptive Variablen ... 56
Abbildung 4:
Abhängige Variablen und Identitäten ... 57
Abbildung 5:
Ausländer in Spanien ... 69
Abbildung 6:
Spanien nach Sprachgebieten ... 70
Abbildung 7:
Rechts-links-Einstufung der spanischen Bevölkerung 1996 ... 79
Abbildung 8:
Nationalstolz in Spanien im Zeitverlauf ... 86
Abbildung 9:
Vertrauen in Institutionen in Spanien über drei Erhebungswellen ... 115
Abbildung 10:
Vertrauen in Institutionen in der jeweiligen Region 1996 ... 116
Abbildung 11:
Spanisches Wahlsystem ... VIII
Abbildung 12:
Wahlergebnisse aus dem Baskenland 1980-2001...XXII

XI
Abkürzungsverzeichnis
And
Andalusien
Bask
Baskenland
BNG
Bloque Nacionalista Gallego: Galizischer Nationalistischer Volksblock
CDS
Centro Democratico y Social: Demokratisches Zentrum
CG
Coalicion Gallega Galizische Koalition
CiU
Convergència i Unió: Katalanische Nationalisten
EA
Eusko Alkartasuna: Baskische Linke
EE
Euskadi Ezkerra: Baskische Linke
EK
Einkommen
ERC
Esquerra Republicana de Catalunya: Katalanische Linke
ETA
Baskische
Untergrundorganisation
Gal
Galizien
HB
Herri Batasuna: Volksunion (ETA)
HH-EK
Haushaltseinkommen
IU
Izquierda Unida: Vereinigte Linke
Kat
Katalonien
N Gesamtanzahl
Nat
national
PA
Partido Andalucista Andalusische Partei
PAP
Fortschrittliche andalusische Partei
PNV
Partido Nacionalista Vasco: Baskische Nationalpartei
PP
Partido Popular: Konservative/Volkspartei
PSC
Partit dels Socialistes de Catalunya: Katalanische Sozialisten
PSOE
Partido Socialista Obrero Español: Sozialisten
Reg
regional
S Restspanien
UV
Union Valenciana: Valencianische Union
Val
Valencia
Verdes
Grüne
WVS
World Values Survey
Chi-Quadrat

1
1.
Einführung: Heutige Relevanz der Konzepte
von Nation und nationalen Bewegungen
Prozesse der Globalisierung und der Bildung größerer, suprastaatlicher
Einheiten, Regionalisierung und Föderalisierung haben in den letzten
Jahren nicht dazu beigetragen, dass nationale Autonomie- und Unab-
hängigkeitsbewegungen von der Bildfläche verschwanden (Nordirland,
Quebec, Baskenland) (Westle, 1999a: 279).
Im 20. Jahrhundert gab es verschiedene Wellen der Staats- und Natio-
nenbildung
1
. Sie gingen einher mit dem Zerfall bestehender Staaten
oder dem Auflösen von Bündnissen. Begleitet waren sie von zahlrei-
chen Minderheiten- bzw. Nationalitätenkonflikten, wie z.B. der Zerfall
des kommunistischen Regimes der Sowjetunion und seine begleiten-
den Prozesse in Osteuropa (Haller 1993: 30). Mit dem Einsetzen der
Regimewechsel hat sich in einem Großteil der Gesellschaften hinter
dem ehemaligen Eisernen Vorhang eine explosive Mischung zwischen
demokratischer und nationaler Frage ergeben (Kraus 1996: 49).
Ebenfalls in Westeuropa nehmen nationale, regionale, lokale sowie
damit zusammenhängende kulturelle Bewegungen zu oder leben wie-
der auf. Diese äußern sich zum Teil in Unabhängigkeitsbewegungen,
wie z.B. im spanischen Baskenland. Auch Tendenzen, dass starke na-
tionale Subregionen
2
ihren eigenen nationalen Regierungen kritisch ge-
genüberstehen, sind zu erkennen (Leggewie 1994: 48). Das bedeutet,
dass insbesondere in Spanien die Problematik ethnoterritorialer Konflik-
te nach jahrhundertelanger Geschichte und auch seit dem Übergang
vom Franco-Regime
3
auf die Demokratie keinesfalls an Brisanz verloren
hat.
1
Siehe Kapitel 2.
2
Beispiel: Katalonien
3
Siehe Kapitel 2.4., insbesondere 2.4.3.

2
1.1. Ziele der Arbeit
Ziel dieser Arbeit ist zu untersuchen, ob es in Spanien heute eine natio-
nal einende, kollektive Identität gibt, oder ob nach wie vor unterschiedli-
che kollektive Identitäten in verschiedenen Teilregionen vorherrschen.
Diese Identitäten werden hinsichtlich ihrer objektiven Unterschiede, wie
z.B. Sprache und Parteien, ihrer kollektiven Bindungen an die Nation
und an die Regionen sowie nach ihrem Demokratieverständnis analy-
siert. So kann der Beitrag der Identitäten zum nationalen Selbstver-
ständnis Spaniens und ihre förderlichen bzw. hinderlichen Einstellungen
zur Demokratie ermittelt werden.
1.2. Problemskizzierung und Fragestellungen
Spanien, einer der ältesten Nationalstaaten Europas, war lange durch
starken Zentralismus beherrscht, der nur zweimal kurzzeitig durch de-
zentrale Ausprägungen unterbrochen wurde. 1978 wurde eine neue
Verfassung in Kraft gesetzt, aus der sich die Einteilung Spaniens in
,,Nation", ,,Nationalitäten" und ,,Regionen" ergab. Die entstandene terri-
toriale Machtverteilung sollte den Zentralstaat beenden und einen de-
mokratischen Rechtsstaat zwischen politischem Zentralismus und Ein-
heitsstaat sowie dezentraler Version schaffen (Nohlen/Hildenbrand
199a: 294).
Seit 1983 gibt es in Spanien 17 autonome Regionen, die sogenannten
,,Comunidades Autónomas". Diese neue Gebietsaufteilung stellt einen
tiefgreifenden Wandel in der Geschichte Spaniens dar. Aufgrund der
Unterdrückung der ethnischen und nationalen Identitäten sowie jegli-
cher regionaler Eigenständigkeit der einzelnen Landesteile in Spanien
während des Franco-Regimes (1939-1975) kamen fast in allen Gebie-
ten neue regionalistische
4
Kräfte zum Vorschein. Vor allem im Basken-
land und Katalonien sind nationale Emanzipationsbestrebungen ver-
stärkt zu beobachten. Bis heute ist die ,,regionale Frage"
5
in Spanien
nicht gelöst, und weiterhin bestimmt das Problem der ,,peripheren oder
4
siehe Kapitel 2.2.1.2.
5
siehe Kapitel 2.2.1.2., 2.5.

3
lokalen Nationalismen und Regionalismen"
6
die Schlagzeilen in spani-
schen Tageszeitungen. Außerdem wurde dieses Problem zu einem
wichtigen Prüfstein für Spaniens junge Demokratie (Nohlen/ Hil-
denbrand 1992a: 294).
Angesichts der Transitionsphase
7
und nationalistischer Entwicklungen
in den einzelnen Peripherien ist es fraglich, ob damals, bei Verfas-
sungsbeginn, eine spanische Nation als nationale, die Staatsbürger ei-
nenden Identität geschaffen wurde, oder ob nach wie vor einzelne eth-
nische Bezugsgemeinschaften in den Regionen überwiegen. Davon
ausgehend sollen folgende erste Forschungsfragen beantwortet wer-
den:
Gibt es eine national einende, kollektive Identität der ,,Spanier" oder
sind die regionalen Identitäten nach wie vor vorherrschend oder stärker
ausgeprägt? Sind die Identitäten der Regionen vorwiegend als ethnisch
oder demotisch
8
zu bezeichnen?
In der soziologischen und normativen Demokratietheorie ist das Ver-
hältnis von ethnischem Pluralismus und stabiler demokratischer Herr-
schaft immer wieder als problematisch beurteilt worden (Kraus 1996:
50). Mit Blick auf Geschichte und aktuelles Geschehen zeigt sich, dass
,,die gleichzeitige Inanspruchnahme des demokratischen Prinzips
und des Nationalitätenprinzips ­ verstanden als Selbstbestim-
mungsrecht politisch mobilisierter, ethnischer Gruppen - in den
unterschiedlichsten geographischen und kulturellen Kontexten,
..., zu heftigen politischen Auseinandersetzungen geführt hat und
führt" (Kraus 1996: 50).
Ebenfalls nationale bzw. regionale Identitäten stehen ihrer eigenen Na-
tion zum Teil kritisch gegenüber, wie es auch im spanischen Basken-
land oder Katalonien der Fall ist. Diese kollektiven Identitäten äußern
sich, begründend auf objektiven Differenzen, in Form von Nationalis-
6
siehe Kapitel 2.2.1.1., 2.2.1.2.
7
Übergangsphase zur Demokratie. Kapitel 2.4.3.
8
siehe Kapitel 2.2.

4
mus oder Regionalismus bis hin zum Separatismus
9
(Schmitt-Egner
1999: 141). Versuche der Anpassung und Festigung politischer und in-
stitutioneller Stabilität seitens der Regierung münden in multiethnischen
Staaten oft in das Auseinanderbrechen des Staates oder in einem auto-
ritären Regierungssystem (Moreno, 1998: 2).
Aber ethnoterritoriale Differenzen innerhalb pluralistischer Gesellschaf-
ten müssen nicht zwangsläufig zu Konflikten und Divergenzen führen,
sondern kulturelles Miteinander kann auch zu einer Stärkung
10
der De-
mokratie beitragen.
Es stellt sich hieraus die Forschungsfrage, inwieweit die einzelnen vor-
gefundenen kollektiven Identitäten eher zur Stabilität oder zur Instabili-
tät
11
der spanischen Demokratie beitragen. Das zweite Forschungsan-
liegen dieser Arbeit ist die Ermittlung des Verhältnisses der Identitäten
zur Demokratie.
1.3. Aufbau der Arbeit
Der erste, theoretische Teil dieser Arbeit besteht in der typologischen
Trennung des Nationenbegriffs anhand von Betrachtungsweisen sozio-
logischer und politikwissenschaftlicher Diskussionen. Um zu einer ein-
deutigen Definition von ,,Nation" zu gelangen, wird ein Überblick über
verschiedene Erklärungsansätze geboten, die ,,Region" definitorisch
beschrieben und Spanien klassifiziert.
Es folgt eine typologische Unterscheidung in das ethnische und demoti-
sche Nationenkonzept nach Francis (1965) einschließlich damit heute
einhergehender Konzepte und seiner Kritik, um anschließend zu den
Identitätskonzepten zu gelangen. Diese spielen für die empirische Aus-
wertung eine wichtige Rolle.
Im Rahmen dieser Identitätstheorien wird die Theorie der sozialen Iden-
tität Tajfels (1975, 1982) aufgenommen, mit dem Nationenbegriff ver-
knüpft und in Verbindung zu den genannten Problemen gesetzt.
9
Separatismus bedeutet, dass sie einen eigenen Staat einfordern und als politisches Ziel die Unabhängig-
keit anstreben (Nohlen 2001: 445).
10
Diese Vertiefung geschieht u.a. anhand der engagierten Teilnahme der Bürger in der politischen Ent-
scheidungsfindung und auf allen Ebenen der Institutionen
11
auch durch Polarisierung der politischen Meinungsbildung durch die Ethnien

5
Im Anschluss daran wird auf die spanische Situation eingegangen. Die-
ses Kapitel beinhaltet die Geschichte und die heutige Situation, den
Staatsaufbau sowie die Regionalismen der peripheren Regionen Spa-
niens. Sie werden in drei Entwicklungsstufen nach Miroslav Hroch
(1968) geteilt und geschichtlich zugeordnet, um sie dann genauer zu
charakterisieren.
Abschließend stellt der theoretische Teil neueste empirische Erkennt-
nisse über die Forschung nationaler und regionaler Identität in Spanien
vor sowie die aus der Theorie abgeleiteten Hypothesen. Diese werden
im praktischen Teil anhand einer Sekundäranalyse des World Values
Surveys (WVS)
12
überprüft.
Auf die Vorstellung des Datensatzes folgen die Besonderheiten der
spanischen Daten. Danach werden die Variablen und das weitere Vor-
gehen beschrieben.
12
Datensatzbeschreibung siehe Kapitel 3: Vorstellung des Datensatzes

6
2. Theoretische
Ansätze
Neben politikwissenschaftlichen Ansätzen haben geschichtliche Hinter-
gründe und der aktuelle Forschungsstand zum Thema eine wichtige
Bedeutung.
2.1. Staaten, Nationen und Regionen
Wenn von Nationalstaaten die Rede ist, dann ist der Staat nicht gleich-
bedeutend mit der Nation, denn sie müssen nicht deckungsgleich sein.
Ein Nationalstaat kann theoretisch mehrere Nationen umfassen
(Fröschl/Mesner/Ra'anan 1991: 33). In manchen Fällen ist der Staat
größer als die Nation oder umgekehrt. Grenzen des Staates fallen also
nicht zwangsläufig mit der Nation zusammen. Genauso können Loyali-
tät und Bindung an einen Staat und eine Nation in Konflikt zueinander
stehen (Fröschl/Mesner/Ra'anan 1991: 24). Es muss demnach zwi-
schen Nation und Staat differenziert werden.
Staat wird oft als handlungsfähige, politische Einheit beschrieben (Klu-
xen-Pyta 1990: 121), der das Zusammenleben der Menschen in einem
Gemeinwesen gewährleisten soll (Nohlen 2001: 476). Nation dagegen
gilt als reale Gemeinschaft, die sich aus ethnischen, sprachlichen, kul-
turellen, historischen und/oder politischen Gründen zusammengehörig
und von anderen verschieden fühlt (Nohlen 2001: 313). Nationalgefühl
ist das Bewusstsein, durch Nationalität einer Gemeinschaft anzugehö-
ren und ist konkreter als allgemeines Staatsbewusstsein. Die Nation e-
xistiert heute als sozialer Bestand: Die nationale Identität
13
wird als die
des Gemeinwesens, der sozialen Großgruppe oder des Staates erfah-
ren (Kluxen-Pyta 1990: 121). Unter den unzähligen Definitionsversu-
chen und Typologien der Nationskonzepte werden bei der Bestimmung
des Nationenbegriffs häufig objektive und subjektive Elemente unter-
schieden.
13
Siehe Kapitel 2.3.2.

7
2.1.1. Objektiver und subjektiver Nationenbegriff
Die objektiv-kulturelle Sicht definiert die Nation in Begriffen einer allge-
meinen Kultur, während die subjektive Sicht dagegen besonders den
politischen Charakter der Nation hervorhebt (Richter 1994: 313). Tabel-
le Nr. 1 gibt die wesentlichen Merkmale dieser beiden Modelle wieder:
Tabelle 1:
Objektiver und subjektiver Nationenbegriff
Objektiver Nationenbegriff
-ethnisch-
Subjektiver Nationenbegriff
-politisch-
Gruppe von Menschen (Volk) definiert
sich durch Abstammung, Herkunft oder
Lebensraum, geschichtliche Erfahrung,
Religion, Sprache und Kultur. Durch diese
Gemeinsamkeiten ist ein ,,Volksgeist" oder
,,National-Charakter" (kollektives Gemein-
schaftsgefühl) entstanden
Nation als eine bewusste, gewollte politi-
sche bestimmten Einheit, deren Angehö-
rige (Volk) durch eine gemeinsame staat-
liche Organisation (Nationalstaat) und den
politischen Willen (Kollektivbewusstsein),
diese zu erhalten oder zu schaffen, ver-
bunden sind.
Nation war vor dem Staat da
Staat war vor der Nation da
Die Nation kann es auch ohne eigenen
Staat geben bzw. durch verschiedene
Staaten.
Die Nation braucht zur Verwirklichung ei-
nen eigenen Staat
Synonyme: Östliches Nationenmodell,
ethnisch begründete Nation, Kulturnation
Synonyme: Westliches Nationalismusmo-
dell, Staatsbürgerliches Nationenmodell,
Staatsnation
Quelle: eigene Darstellung (Vgl. Schieder 1965, Kohn 1945, Richter 1994, Puhle
1994)
Unter das östliche Nationenenmodell
14
fallen vor allem Nationen des
östlichen Teils Europas sowie Deutschland (Kraus 1996: 60), bei dem
es zu einem ,,state-building" der Nationen kam. (National-) Staaten ent-
stehen aus staatlich getrennten Teilen von Nationen (Puhle 1994: 197).
Das subjektive Element entstammt hauptsächlich der französischen
Denktradition, und war im westeuropäischen Raum einflussreicher (vgl.
Renan 1882). Als klassische Beispiele gelten Frankreich oder England
(Schieder 1965: 69). Nationen sind reine Willensgemeinschaften von
Menschen (Westle 1999b: 20). Nach diesem Prinzip kam es zu einem
,,nation-building"
15
, denn es waren die neuen Staaten, die die Schaffung
von Nationen unterstützten (Fröschl/Mesner/Ra'anan 1991: 32).
14
Theodor Schieder (1965) hat in seinem historisch-typologischen Ansatz den Prozess der ,,Nationalisie-
rung" im modernen Europa in drei Etappen eingeteilt. Die erste Phase: Nationalstaat bildet sich durch inner-
staatliche Revolution aufbauend auf Volkswillen (Frankreich), zweite Phase: Nation schafft Nationalstaat
aus verschiedenen Nationen (Deutschland), dritte Phase: kleine Staaten trennen sich ab aus Großmonar-
chien (Osteuropa) (1965: 68-70). Andere Autoren (Kohn 1945, Meinecke 1908, Alter 1985, Richter, 1994)
finden lediglich andere Bezeichnungen der objektiven und subjektiven Definition, wie westliches und östli-
ches Modell bzw. Volks- oder Kulturnation und Staats- bzw. Staatbürgernation.
15
Überwindung traditioneller partikularer Loyalitäten, Solidaritäten und Identitäten zugunsten eines neuen
Fokus, den die Gemeinschaft der aufzubauenden Nation abgeben soll. Dem Nationenbau werden vornehm-
lich interne, d.h. integrierende Konsequenzen und Funktionen zugesprochen (Richter 1994: 312).

8
Die eben vorgestellten zwei Modelle liegen heute kaum noch in Rein-
form vor, genauso wie der ,,Nationalstaat" äußerst selten existiert. Die
Bestimmungsmerkmale von Nationen sind zu eng und situativ (Nohlen
2001: 314).
Beim Versuch, den Begriff ,,Nation" zu definieren, ist heute die Kombi-
nation von objektiven und subjektiven Elementen gängig. Objektive
Komponenten werden als Vorgänger der subjektiven Komponenten be-
trachtet. Bei subjektiven Elementen sind Gemeinschaftsbewusstsein
und/oder Zusammengehörigkeitsgefühl in den Mittelpunkt gestellt, die
sich dann weiter zu einem politischen Zusammengehörigkeitswillen
entwickeln können (Westle 1999b: 21). Für eine weiterführende theore-
tische Analyse sei z.B. auf Estel (1994) verwiesen, der in seiner Natio-
nendefinition beide Elemente verschmelzt
16
. Doch bleibt auch der Wert
der Kombinationen aus subjektiven und objektiven Elementen zur Er-
klärung der Nationendefinition fraglich, da diese typologische Trennung
zu inneren Widersprüchen führt (Westle, 1999b: 24). Aus diesen Grün-
den wird Spanien unter Kapitel 2.1.3. anderweitig klassifiziert und dann
unter Kapitel 2.2. auf eine analytische Trennung des Nationenbegriffs
zurückgegriffen, welche die weitere Grundlage des Nationenverständ-
nisses dieser Arbeit bildet.
2.1.2. Regionen als Subeinheiten der Nation
Trotz Einheitlichkeitsbestrebungen der ,,Nationalstaaten" gibt es nach
wie vor territoriale und kulturelle Differenzierungen von Nationen. Als
Region wird ein Gebiet bezeichnet, das wegen meist objektiver, histori-
scher, ethnischer, kultureller oder religiöser Gemeinsamkeiten seiner
Bevölkerung als Einheit betrachtet wird (Münch/Meerwaldt 2002: 5).
Diese subnationalen Einheiten von Nationen sind oft historisch ge-
wachsene Regionen, die nicht immer mit modernen politisch-
administrativen Ländern, Bezirken oder Kreisen in Deckung zu bringen
sind. Wie die Nation können sie nicht nur als territoriale Größe, sondern
16
,,Eine Nation ist eine ... Bevölkerung, die eine eigene, arbeitsteilige Gesellschaft auch modernen Zu-
schnitts bildet ... und deren Angehörige sich mehrheitlich als eigene ethnische oder historische, d.h. durch
Gemeinsamkeiten des kollektiven, insbesondere: des politischen Schicksals begründete Einheit verstehen;

9
auch durch spezifische kulturelle Prägungen verstanden werden. Diese
können teilweise in Ergänzung zu nationalen Vorgaben, teilweise aber
auch in Konkurrenz dazu entstanden sein
17
(Bornewasser/ Wakenhut,
1999: 55). Mitglieder der Regionen bilden also ebenso wie die Bürger
einer Nation regionales Bewusstsein und Identität, welche verschiedene
Begründungen erfahren können.
2.1.3. Die Klassifizierung Spaniens anhand der Gesellschaftstypen
von Haller
Die analytischen Ordnungskategorien in objektive und subjektive Natio-
nenbestimmung sind, wie bereits oben angesprochen, in ihrer Anwend-
barkeit problematisch bzw. nicht auf den spanischen ,,Nationalstaat"
anwendbar. Eine Zuordnung zu einem dieser Modelle würde Mängel
aufweisen (z.B. Fehlen einer allgemeinen Kultur, Fehlen eines typi-
schen Volksgeistes, Loyalität und Bindung an den Staat) bzw. sich als
unzureichend darstellen. Spanien besteht aus verschiedenen unter-
schiedlichen Regionen und Nationalitäten
18
, die sich selbst teilweise als
Nation begreifen. Francis hat diese Staatsform als Nationalitätenstaat
19
bezeichnet. (Beck 1977: 799, Lepsius 1986: 757).
Auch andere Autoren haben sich mit der Mehrvölkerproblematik be-
schäftigt. So findet Max Hallers Typologie von Gesellschaften auch für
den spanischen Staat Gültigkeit. Er unterscheidet diese nach ihrer in-
ternen ethnisch-nationalen Struktur, ob ethnische oder nationale Sub-
gruppen in einer Gesellschaft vorkommen, anhand ihrer numerischen
Stärke, den Grad der territorialen Konzentration innerhalb des Landes
und der soziokulturellen Stärke dieser Subgruppen. Dabei differenziert
er in ethnische homogene Gesellschaften, pluriethnische Gesellschaf-
ten
20
, Minoritätengesellschaften und multinationale Gesellschaften
eine Einheit, die nach diesem Verständnis ein natürliches Recht nach außen besitzt, und die deshalb auch
einen eigenen, den Nationalstaat, errichten oder behalten soll." (Estel, 1994: 19)
17
Beispielsweise liegen Andalusien und Katalonien im Blick auf religiöses Brauchtum diesseits und in
sprachlicher Hinsicht jenseits der politisch-administrativen Grenzen (Goetze 1992: 190).
18
Bei den spanischen Regionen wird im Fall der historischen Nationalitäten Baskenland, Katalonien und
Galizien von Nationen oder Nationalitäten, sonst von Regionen gesprochen.
19
Voraussetzung ist, dass Nationalitäten in mehr oder weniger großem Ausmaß einem übergeordneten
Herrschaftssystem unterworfen sind, während Nationen der Idee nach souverän in der Bestimmung ihrer
politischen Fähigkeiten sind. Sie besitzen nur relative Autonomie innerhalb des Gesamtstaates (Francis
1965: 180).
20
Ethnisch-homogene Gesellschaften: keine signifikanten ethnischen Subgruppen.

10
(1993: 35). Der Nationalstaat Spanien kann nach Haller in letztere bei-
den Gesellschaftstypen klassifiziert werden.
In den Minoritätengesellschaften steht eine soziokulturell und politisch
dominante Mehrheit kleineren ethnisch-nationalen Minderheitengruppen
in den Peripherien des Staatsgebietes gegenüber, die ihren Partikula-
rismus kulturell wie politisch deutlich artikulieren. Mit Blick auf die Gali-
cier und Valencianer (siehe Kapitel 3.3.) bezeichnet Haller Spanien als
Minoritätengesellschaft (1993: 36).
Den zweiten Typus, die multinationale Gesellschaft, bezeichnet Haller
als:
,, ... Gesellschaften mit zwei oder mehr ethnisch-nationalen Sub-
gruppen von jeweils erheblicher Stärke, hohem kulturellem Ni-
veau und beträchtlichem Grad politischer Organisation und politi-
schen Einflusses" (Haller, 1993: 37).
Aufgrund der außergewöhnlichen soziopolitischen Artikulationsstärke
der von Basken und Katalanen gebildeten Untergruppen lässt sich die
spanische Gesellschaft auch als multinationale Gesellschaft charakteri-
sieren (Haller 1993: 37). Juan Linz drückt diese ethnische Pluralität so
aus:
,,Spain today is ... the largest and most complex multilingual and
... multinational societey in Western Europe" (Linz 1989: 262).
Spanien ist also ein ethnisch-pluraler
21
Nationalitätenstaat mit offizieller
Anerkennung verschiedener kultureller Zugehörigkeiten der Staatsan-
gehörigen, die über gemeinsame politische Institutionen verbunden sind
(Heckmann 1992: 210ff).
Pluriethnische Gesellschaften enthalten mehrere ethnische Subgruppen, die sich oft einer präzisen quanti-
tativen und qualitativen Bestimmung entziehen (Haller 1993: 35f).
21
In dieser Arbeit werden ,,ethnisch ­plural" und ,,multiethnisch" als allgemeine Oberbegriffe für alle Formen
innergesellschaftlicher soziokultureller (ethnischer oder nationaler) Differenzierung verwendet.

11
2.2 Typologische Unterscheidung des nationalen Selbstver-
ständnisses: Ethnos ­ Demos ­ Konzept nach Francis
Im deutschen Sprachgebrauch führte Francis (1965) mit seiner Beg-
riffsunterscheidung zwischen ,,Ethnos" und ,,Demos" eine typologische
Unterscheidung des Nationenbegriffs bzw. der sich vermischenden
Begriffe von ,,Volk" und ,,Nation" ein, die von Lepsius (1986) noch weiter
ausgebaut wurde. Francis kritisiert in seinem Werk die bisherigen Ver-
suche, Nationen zu definieren aufgrund ihres variablen Bezugs zur
Realität. Sie sind aus der ,,Vorstellungswelt des modernen Nationalis-
mus" (Francis 1965: 78) hergeleitet, der ,,sich in erster Linie auf die
Gestaltung der politischen Ordnung richtet" (Francis 1965: 78). Er führt
den variablen Realbezug auf zwei gegensätzlichen Grundtypen der na-
tionalen Idee zurück. Diese finden bei der Schaffung und bei der Erhal-
tung von Nationalstaaten Anwendung.
2.2.1. Der Ethnos (nationalistisches Modell)
Beim ersten Typ, aus dem die nationale Idee wächst, müssen das
Staatsgebiet und der Ethnos, also ein ,,Volk" als kulturelle oder ethni-
sche ,,Einheit", samt seinem Raum zusammenfallen (Francis 1965: 74).
Das ,,Ethnos" wird also zur Nation, wenn die nationale Einheit durch
Deckungsgleichheit ethnischer und staatlicher Grenzen entsteht (Kraus
1996: 62). Das ,,Ethnos" bedeutet dabei im engen Sinn eine kollektive
Identifikation, die sich auf die Vorstellung einer Abstammungsgemein-
schaft gründet. Es schließt im weiten Sinne die Vorstellungen einer kul-
turell oder historisch determinierten Schicksalsgemeinschaft ein. Au-
ßerdem ist es ,,indifferent gegenüber der politischen Ordnungsform"
(Westle 1999a: 280) und ist nur auf die Ausschließung zwischen Staa-
ten konzentriert (Westle 1999b: 27).

12
Der ethnische Nationenbegriff fordert nach Francis:
,,ein Ethnos, das durch politische Grenzen geteilt ist, in einem
ihm allein zugehörigen Staat zu vereinigen, oder einem Ethnos,
das einer größeren politischen Einheit einverleibt ist, regionale
Autonomie bzw. staatliche Selbständigkeit zu gewähren" (Francis
1965: 88).
Wo dies nicht gelingt ergeben sich nach Francis Minderheitenprobleme
(1965: 88).
Häufig werden die nationalistischen Interessen einer ethnischen Min-
derheit oder Region mit ,,ethnic nationalism", also ethnischem Nationa-
lismus
22
oder Separatismus in Verbindung gebracht ­ die des Zentrums
identifizieren sich mit ,,civic nationalism"
23
(Kößler /Schiel 1995: 15). Die
Unterscheidung zwischen Ethnos und Demos sowie Überschneidungen
mit dem objektiven und subjektiven Nationenbegriff werden hier sicht-
bar (Richter 1994: 313).
2.2.1.1.Ethnischer Nationalismus
Entsprechend dem Ethnos gelten beim Nationalismus dieselben Krite-
rien, wie z.B. innergesellschaftliche Homogenität der Mitglieder einer
Nation (Exklusivität) (Richter 1994: 312f). Nationalismus stellt eine so-
ziale Bewegung und Ideologie dar, die territorial und werteorientiert auf
die Nation bzw. den Nationalstaat ausgerichtet ist und eine bewusste
Identifikation und Solidarisierung mit der nationalen Gemeinschaft vor-
aussetzt (Nohlen 2001: 314).
Ethnische Gruppierungen und nationale Bewegungen geraten häufig
unter Verdacht, separatistische Potentiale zu haben und dazu zu nei-
gen, in ,,Ethno-Nationalismus" umzuschlagen (Kößler /Schiel 1995: 15).
So werden ethnische Konflikte auch als ,,Zentrum -Peripherie-Konflikte"
22
Siehe folgendes Kapitel
23
,,bürgerlicher Nationalismus", demotisch, siehe Kapitel 2.2.2.

13
nach Rokkan und Urwin (1983: 14) bezeichnet. Das sind Konflikte, die
um die territoriale Kontrolle politischer, ökonomischer und kultureller
Ressourcen innerhalb eines Staatsgebietes bzw. innerhalb Teilen eines
Staatsgebietes konkurrieren (Rokkan /Urwin 1983: 14). Der Staat ist als
,,Zuschreibungsinstanz" und Repräsentation gemeinschaftlicher
Identitäten sowie durch seine Ausübung administrativer Kontrolle und
der Verteilung der ökonomischen Ressourcen der Hauptadressat ethni-
scher Mobilisierungen (Rokkan /Urwin 1983: 14).
Dabei reichen die Handlungsformen solcher Bewegungen von verbalen
Artikulationsformen, der Organisation von Protestaktionen und der
Gründung politischer Partien bis hin zu Gewalt und Terror. Ein geeigne-
tes Beispiel stellen das spanische Baskenland bzw. die ETA
24
dar. Ihre
Forderungen richten sich an die nationalstaatliche Ebene, während die
(Gewalt-) Aktionen auch die weniger radikalen Bevölkerungsgruppen
der Region treffen. In dieser Gruppe konkurrieren separatistische Be-
strebungen häufig mit weniger radikalen Formen der Selbstverwaltung,
wie Autonomie oder Föderalismus (Nohlen 2001: 445). Deshalb soll an
dieser Stelle der Begriff des Regionalismus eingeführt werden.
2.2.1.2.Regionalismus
Regionalismus
25
bedeutet, dass ethnisch-mobilisierte Gruppen (Haller
1993: 44) auf der Basis soziokultureller Zuschneidungen ihrer Region
und mit der Behauptung ihrer Homogenität die bestehenden Räume
des Nationalstaates ausgrenzen. Dabei greifen sie auf die sie konstitu-
ierenden Merkmale zurück, die für sie identitätsbestimmend sind, um
sich hinreichend von der Großgruppe abzugrenzen (Puhle 1994: 197).
Der Übergang von schwächeren Stufen des Regionalismus zum Natio-
nalismus ist also durchweg fließend (Puhle 1994: 193). In Spanien wer-
den beide Begriffe zum Teil synonym verwendet und die Regionalismen
in den Regionen oft als ,,Mini-Nationalismen" bezeichnet (Yun, 1990:
532). Denn aus regionalistischen Bewegungen können sich u.U. natio-
24
ETA= Euskadi Ta Askatasuna= Baskenland und Freiheit
25
Aus innenstaatlicher Sicht basiert Regionalismus auf der internen Differenzierung von Einheiten in homo-
gene abgrenzbare regionale Räume, der Betonung der regionalen Unterschiedlichkeit und der Teilfunktion

14
nalistische Bewegungen bilden, die bestrebt sind, für die Nation den
Status eines Nationalstaates zur erreichen (Unabhängigkeit, Separa-
tismus) (Schmitt-Egner 1999: 145). Der Regionalismus greift meistens
nicht so weit. Er möchte höchstens Autonomie bzw. eine unabhängige
Regierung erreichen, wie z.B. die Katalanen (Schmitt-Egner 1999: 141).
2.2.2. Der Demos (patriotisches Modell)
Der zweite Typus der nationalen Idee, das demotische Nationenver-
ständnis, bezieht sich nur auf die Frage der Herrschaftsberechtigten in-
nerhalb des Staates (Westle 1999b: 27). Bei Francis stellt das
demokratische Prinzip die Beziehung zwischen ,,Herrschafts-
unterworfenen und Herrschenden in einem vorgegebenen Staat", also
von Demos und Staat (Francis 1965: 74), dar.
Lepsius (1986) geht noch weiter und definiert den Demos als ,,Träger
der politischen Souveränität, welcher in demokratischen Systemen die
gesamte Bevölkerung sein sollte. Er ist in die politische Ordnung einge-
bunden, ordnet sich in einen eigenständigen, über-ethnisch begründe-
ten Solidaritätsverband ein, der dadurch inter-ethnische Beziehungen
zivilisiert" (Lepsius, 1986: 756). Der Demos bezieht sich also auf das
,,Volk" als den Träger der politischen Souveränität (Lepsius 1986: 753).
Die demotisch orientierte, nationale Identifikation ist auf die Akzeptanz
der demokratischen Selbstbestimmung konzentriert (Lepsius, 1986:
753).
Der Demos steht nach Francis in keinem Zusammenhang mit der Vor-
stellung des Ethnos, da das demokratische Prinzip zwar das Vorhan-
densein eines Demos als den legitimen Träger des politischen Willens
voraussetze, aber nicht dessen ethnische Homogenität verlange
(Westle 199: 28). Ethnische Gesichtspunkte spielen nur eine unterge-
ordnete oder gar keine Rolle (Richter, 1994: 313). Durch seine Einbin-
dung in eine politische Ordnung ist der ,,Demos" nach Francis verfas-
sungsmäßig konkret definiert. Die politische Verfassung des Demos ist
eine eigene Wertentscheidung, die sich nie auf ein spezifisches Schick-
regionaler Sonderstellungen in kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Angelegenheiten (Nohlen 2001:
430).

15
sal eines Volkes zurückführen lässt. Deshalb lassen sich für die Krite-
rien der Verfassung des Demos weder aus zugeschriebenen Eigen-
schaften noch aus einer Rekonstruktion seiner Geschichte herleiten
(Lepsius 1986: 756). Ethnische -kulturelle Nationalidee und politisch -
demokratische Verfassung der Staatsbürgernation sind also scharf ge-
trennt (Lepsius 1986: 755).
Neben dem ,,ethnischen" Nationalismus, gibt es gemäß dem demoti-
schen Nationentyp auch den ,,civic nationalism" oder den Patriotismus.
Er ,,soll sich von seiner ethnischen Bedeutung her nicht lediglich auf die
bloß faktische Herkunft aus einer Nation gründen, sondern auf die mit
der national geprägten Gemeinschaft verbundene und vermittelte Sitt-
lichkeit" (Kluxen-Pyta 1990: 124). Generell schließt er alle politisch-
kulturellen Gruppen ein und wird als liberal, willentlich, universalistisch
und ,,gut" beschrieben (Brubaker 1999:56). Außerdem sind innergesell-
schaftliche Vielfalt, demokratische Prinzipien, Mitbestimmung und das
Ernstnehmen verfassungsmäßiger Grundrechte charakteristisch
(Schmidt 1998: 270). Neben der Verfassung sind demokratische politi-
sche Institutionen unter anderem Bezugspunkte des demokratieförderli-
chen Patriotismus (Nohlen 2001: 314).
Der demotischen Nationendefinition wird also eine größere Kompatibili-
tät mit der Demokratie zugeschrieben als der ethnischen Nationendefi-
nition, da sie eng mit dem Konzept der Demokratie verknüpft ist. Auch
eine höhere Friedfähigkeit im Inneren sowie im Äußeren misst man ihr
bei, da sie ethnisch durchmischt ist (Westle, 1999a: 280). Folgende Ta-
belle Nr. 2 zeigt die beiden Typen des Staatsverständnisses noch ein-
mal auf:

16
Tabelle 2:
Zusammenfassung ethisches/demotisches Nationenverständnis
Ethnisches Nationenverständnis
Demotisches Nationenverständnis
Kollektive Identifikation gründet sich auf
der ethnischen Vorstellung einer Ab-
stammungsgemeinschaft
Nationenverständnis konzentriert sich auf
das demokratische Prinzip
Staatsgebiet und Ethnos (,,Volk") müssen
zusammenfallen als kulturelle oder ethni-
sche Einheit samt seinem Raum (Ethnos
= Nation).
Bezieht sich auf das gesamte ,,Volk" als
Träger der politischen Souveränität. Die-
ser Verbund kann ethnisch vermischt
sein.
Nationalistisches Prinzip: Ausschließlich-
keit (Intoleranz), Aus- und Abgrenzung,
Indifferenz gegenüber dem demokrati-
schen Prinzip.
Patriotisches Prinzip: verfassungsmäßige
Grundrechte, Inklusivität (Toleranz), Ein-
grenzung und Mitbestimmung.
Konfliktreich Friedfertig
Quelle: eigene Darstellung (Vgl. Francis 1965, Lepsius 1986)
2.2.3. Zusammenfassende Diskussion und Kritik
Das Ethnos darf nach Francis und Lepsius inhaltlich nicht wirksam wer-
den auf die Verfassung des Demos. Die Aufwertung ethnischer Merk-
male als Bestimmungsgründe für die politische Verfassung, die Ablei-
tung der Formung des Demos aus Eigenschaften des ,,Ethnos" führt der
Tendenz nach zu einer Verschleierung politischer Werteentscheidun-
gen (Lepsius 1986: 756). Daraus folgt, dass die Gleichsetzung von
Demos als Träger der politischen Souveränität mit dem Ethnos zu einer
Unterdrückung oder Zwangsassimilation von anderen ethnischen, kultu-
rellen, religiösen oder sozio- ökonomischen Bevölkerungsteilen inner-
halb eines politischen Verbandes führt (Lepsius 1986: 753).
Diese Gleichsetzung führte immer wieder zu politischen Auseinander-
setzungen in den unterschiedlichsten geographischen und kulturellen
Kontexten. Ethnischer Pluralismus in Nationalitätenstaaten und stabile
demokratische Herrschaft wurden in der normativen Demokratietheorie
immer wieder als problematisch beurteilt (Kraus 1996: 50). Ethnisch-
regionale Konflikte hängen in starkem Maße vom Charakter der politi-
schen Verfassung einer Gesellschaft wie auch von den Aktionen des
Zentralstaates ab (Haller 1993: 45).
Spannungsverhältnisse in multiethnischen Staaten wie in Spanien kön-
nen zu großen Konflikten führen, müssen dies allerdings nicht. Es gibt
auch das andere Extrem: die vollständige Befriedigung und Integration
des Spannungsverhältnisses zwischen zentralen und regionalen Inte-
ressen, welches auf der Einschließung der regionalen Besonderheiten

17
in die nationale Kultur, in ihrer Anerkennung als legitime, konstitutive
Bestandteile der ,,Nation" beruht. So kann Ethnizität als Beitrag zu nati-
onaler Kultur verstanden werden, der ihre Vielfalt und Reichtum vergrö-
ßert (Kößler /Schiel 1995: 16f). Langfristig ist die Existenz einer ,,multi-
nationalen Gesellschaft" nur in zentralistischen-autoritären oder aber in
föderalen verfassten demokratischen Staaten möglich (Haller 1993: 45).
Die typologische Trennung zwischen Ethnos und Demos bzw. zwischen
ethnisch-kultureller Nationalidee und der normativen Verbindung einer
demokratischen Verfassung an den demotischen Nationenbegriff hat in
den letzten Jahren allerdings von verschiedenen Seiten Kritik erfahren
(Vgl.: Brubaker 1999, Brown 1998, 1999, Richter 1994, Kraus 1996).
So wird u.a. bemängelt, dass die in der Trennung von Ethnos und De-
mos anklingenden Gegensätzlichkeiten von ,,ethnic nation" und ,,civic
nation"
(ethnische und demotische Nation) in der Realität selten in Rein-
form auftreten. Es stellt sich das Problem, dass die nationalstaatliche
Realität die Grenzen zwischen diesen Idealtypen immer wieder ver-
wischt (Kraus, 1996: 61). Es gibt kaum demotische Nationen, die sich
nur am Prinzip der kulturellen Neutralität orientieren, sondern sie ten-
dieren dazu, minoritäre Kulturen zu assimilieren. Heute wird von einer
Koexistenz im kollektiven Selbstverständnis beider Prinzipien des
Ethnos und Demos in westeuropäischen Staaten ausgegangen (Westle
1999a:280).
Außerdem lässt sich die Politisierung von Ethnizität als Ausgangspunkt
für die Entstehung einer nationalistischen Bewegung ansehen. Durch
diese Politisierung ist es oft unmöglich, eine klare begriffliche Trennung
zwischen einer ,,ethnischen Gruppe", einer Nationalität und - sobald ei-
ne politisierte ethnische Gemeinschaft über institutionalisierte Gruppen-
rechte verfügt - einer ,,Nation" als politischem Verband aufrechtzuerhal-
ten. So entwickeln sich die Übergänge zwischen den Konzepten flie-
ßend (Kraus 1996: 61).
Ein weiterer Punkt ist, dass sich in der modernen Weltgesellschaft von
Nationalstaaten nur wenige Beispiele für Demokratien finden lassen,
die nicht auch in einem ethnischen Begründungszusammenhang ent-
standen sind. Es spielt deshalb nur eine untergeordnete Rolle, ob ein

18
Nationalstaat sich als Produkt des Staatsnationalismus (der Staat
schafft die Nation) oder des Ethnonationalismus (die Nation bringt ,,ih-
ren" Staat hervor) begreift: Die Symbiose beider Nationalismustypen mit
der Idee der Volkssouveränität zeigte in der Praxis ähnliche Resultate
(Kraus 1996: 67).
Für die empirische Forschung stellt sich hier nicht die Frage, ob nur das
analytische Konzept des demotischen Nationalstaats in der Lage ist,
nationale Identitätsphänomene zu erfassen. Die idealtypische Unter-
scheidung von Ethnos und Demos ist in diesem Fall durchaus gehaltvoll
und hilfreich bei der empirischen Analyse. Diese Typologie stellt ein a-
nalytisches Instrument zur Untersuchung ihres empirischen Realitäts-
gehalts in Spanien dar (Westle 1999b: 35). So lassen sich durch die ty-
pologische Unterscheidung in Ethnos und Demos entsprechende Ver-
änderungen der nationalen Identität innerhalb von Staaten hin zu einer
stärker ethnischen oder demotischen Prägung herausarbeiten (Westle
1999b: 35).
2.3. Identitätskonzepte
Wie der Nationenbegriff weisen auch die Konzepte nationaler Identität
auf der Mikroebene eine große Spannbreite und konkurrierende Vor-
stellungen auf. Es werden deshalb vor allem die relevanten Theorien
der kollektiven und nationalen Identität für das Forschungsvorhaben
vorgestellt, die auf der sozialpsychologischen Theorie der sozialen I-
dentität von Tajfel und Turner (1986) basieren.

19
2.3.1. Identitätsbegriff und kollektive Identität als Teilbereich der
sozialen Identität
Der Begriff ,,Identität" wird häufig in politikwissenschaftlichen und sozi-
alpsychologischen Arbeiten verwendet. Im politikwissenschaftlichen
Sinne wird er oft im Sinne eines Zugehörigkeitsgefühls gebraucht (Ri-
ketta /Wakenhut 1998: 17) bzw. auf historische Forschungen zur Natio-
nenbildung zurückgegriffen (Westle 1999b: 35). Sozialpsychologische
Ansätze, die heute mit den politikwissenschaftlichen und soziologischen
Nationen-Konzepten verknüpft werden, stützen sich dagegen auf das
Konzept der sozialen Identität (Tajfel/Turner 1986) wie ihre weitere Prä-
zision der Theorie der Selbstkategorisierung (vgl. Turner 1987, Oakes
et al. 1994). Persönliche und Gruppenidentitäten spielen hierbei eine
wichtige Rolle (Westle 1999b: 35), die Bildung der Nationalität gilt als
eine Form der sozialer Kategorisierung (Nicklas 1996: 77).
Menschliche Individuen haben ein emotionales Bedürfnis danach, sich
mit anderen menschlichen Individuen und sozialen Gruppen zu identifi-
zieren, also neben ihrer individuellen bzw. personalen Identität soziale
Identitäten auszubilden. Soziale Identität ist die über die Mitgliedschaft
in Gruppen bis hin zum Anteil an Kollektiven wie Geschlecht oder Nati-
on vermittelte Identität. Sie stellt die Voraussetzung für die kollektive I-
dentität dar (Weller 1999: 265f).
Diese kollektive Identität ist das Produkt von Kommunikation und Inter-
aktion innerhalb einer sozialen Gruppe, die sich bestimmter, mehr oder
minder objektivierbarer Gemeinsamkeiten bewusst ist (ingroup). Sie be-
tont diese Gemeinsamkeiten in Abgrenzung zu anderen Individuen und
Gruppen (outgroup) als identitätsbildend. Das heißt, dass durch das
Selbstbild und Wir-Bewusstsein einer Gruppe von Individuen sich diese
durch bestimmte Gemeinsamkeiten von ihrer Umwelt abgrenzen (Wel-
ler 1999: 266f). Auf Grundlage der sozialen Identität dieser Identitäts-
Theorie bietet sich die Möglichkeit, ganz verschiedene kollektive Identi-
täten zu analysieren. Personen können sich zu einem territorialen Kol-
lektiv zuordnen, sei es lokal, autonom, national oder international. Es
gibt verschiedene Ebenen mit unterschiedlich großem Umfang des Kol-

20
lektivs (Stadt, Dorf, Region, Spanien, Kontinent, Welt) (Sangrador ­
Garcia 1996: 26).
2.3.2. Nationale und regionale Identität
Nationale und regionale Identität sind spezifische Formen kollektiver I-
dentität (Weller 1999: 259). Sie basieren zum einen auf der subjektiven
Identifikation mit der ,,Nation" oder ,,Region" und der emotionalen Be-
wertung dieser als Ganzes (Schmidt 1998: 270). Mit ,,kollektiver Identi-
tät" wird also vor allem auf den subjektiven Aspekt der Gemeinschaft
abgehoben. Doch spielen auch gemeinsame objektive Merkmale, wie
z.B. Sprache, Kultur oder Geschichte eine wichtige Rolle als wichtige
Identifikationsmerkmale für diese Identitäten (Weller 1999: 259). Das
kommt auch in Estels Definition zur kollektiven, nationalen Identität zum
Ausdruck. Sie basiert auf der Konstruktion einer gemeinsamen Ge-
schichte, die durch nationale politisch-kulturelle Eliten verbreitet und in
eine allgemeinverbindliche soziale Ordnung durch diese Eliten trans-
formiert wird (Estel 1994: 44). Objektive Merkmale stellen hier also die
inhaltliche Grundlage für nationale Identität dar.
Für manche Personen ist die Zugehörigkeit zu einem Kollektiv bzw. ei-
ner Nation oder Region sehr wichtig, für andere nicht. Die jeweiligen
Extrempole werden als nicht zu günstig betrachtet (Nationalismus, bzw.
zu geringes Nationenbewusstsein) (Sangrador-Garcia 1996: 26). Das
bedeutet, dass nationale Identität positive oder negative politische
Funktionen ausbilden kann: So wird analog der Nationenunterschei-
dung in Demos und Ethnos hier zwischen gesundem Patriotismus und
exzessivem Nationalismus unterschieden (Westle 1999b: 37).
Staatliche, kollektive Identität, die ,,nationale Identität", kann zu regional-
ethnischen und kulturellen Identitäten in Konkurrenz stehen (Minderhei-
tenkonflikte). Allgemein gilt, wenn kollektive, nationale und regionale I-
dentitäten komplementär sind, sie dann die vertikale Kooperation zwi-
schen Nation und Region begünstigen. Instabilität in Form von Konflik-
ten (Regionalismus, Nationalismus) entsteht dann, wenn die regionale
und die übergeordnete Identität gegensätzlich wahrgenommen werden
oder in Widerspruch kommen (Schmitt-Egner 1999: 141).

21
Identitäten können also ebenso ethnisch oder demotisch ausgeprägt
sein. Dabei kann ein größeres Kollektiv mehrere kleine Identitätsgrup-
pen umfassen, die von der übergeordneten ,,nationalen Identität" ab-
weichen können.
2.4. Historische Entwicklung und heutige Situation
in Spanien
Lange Zeit galt Spanien in der Geschichtsschreibung als ein früh geein-
ter, europäischer Nationalstaat (Linz 1973: 32-116). Doch lassen sozia-
ler und kultureller Zusammenhalt, die die Einheit Spaniens ausmachen,
nicht die internen Widersprüche und Gegensätze verblassen.
,,Spain ... is a state for all Spaniards, a nation ­ state for a large
part of the Spanish population, and only a state but not a nation
for important minorities" (Linz 1975: 423 )
Im Laufe der Geschichte ist es zwar gelungen, mit machtpolitischen Mit-
teln ein rechtlich und verwaltungsmäßig vereinigtes Territorium, also ei-
nen Staat, zu bilden. Angesichts der Sonderentwicklung der Peripherien
blieb es jedoch problematisch und fraglich, ob eine Nation als kulturelle
Bezugsgemeinschaft mit einer die Staatsbürger einenden Identität kon-
struiert wurde (Koninski 1982: 157). ,,State- und Nationbuilding"
26
klaff-
ten also auseinander (Hettlage 1994:166). Trotz theoretischer religiöser
und politischer Einheit war die Vielfalt das herausragende Charakteristi-
ka der spanischen Geschichte (Bernecker 2002:7). Wie oben geschil-
dert, trugen diese geschichtliche Hintergründe nicht zur Bildung eines
Nationalstaates, sondern eines Nationalitätenstaates bei. Spannungen
zwischen politischen Vereinheitlichungstendenzen und kultureller Ver-
schiedenartigkeit blieben bis heute ein Grundzug der spanischen Ent-
wicklung (Bernecker 2002: 8). Da vor allem neuere Tendenzen von Re-
levanz für diese Arbeit sind, wird im Folgenden vor allem auf die Etappe
ab dem Franco-Regime eingegangen, um dann die heutige Lage in
Spanien zu beschreiben.
26
Siehe Kapitel 2.1., 2.1.1.

22
2.4.1. Historischer Befund bis zum Franco- Regime
Spanien ist durch das starke Eigenleben multipler Regionen, die sich oft
als Nationen verstanden haben, gekennzeichnet. Vier Sprachen, eigene
Kulturen, unterschiedliche Rechtssysteme und Institutionen sind Kenn-
zeichen der spanischen Entwicklung. Diese geht bis zur Eroberung der
islamischen Königreiche zurück, aus der sich regional unterschiedliche
Institutionen und Traditionen herausbildeten (Puhle 1994: 190). Das
Staatsgebilde war lange eine instabile Allianz christlicher, unabhängiger
Königreiche (Navarra, (Kastilien)-León, Aragón, Katalonien) (Hettlage
1994: 148) dessen Einheitsidee auf der christlichen Opposition gegen
die islamische Bedrohung beruhte. Regionale Traditionen, Identifikatio-
nen und Institutionen waren und sind nach wie vor in Spanien -vor al-
lem durch die Personalunion der Krone seit Karl V.- von starker Wir-
kung und Dauer (Puhle 1994: 190).
Forciertes ,,state building" durch absolutistische Vereinheitlichung, Zent-
ralisierung, Ausbau staatlicher Lenkung und Abschöpfung der zentralen
Bürokratie geschah in drei Schüben (Puhle 1994: 190):
Der erste Schub fing mit der Machtübernahme der Bourbonen Anfang
des 18. Jahrhunderts an. Hier verlor Katalonien seine eigene Regie-
rung, aber noch nicht alle Rechte und Institutionen. Die bourbonischen
Reformen vertieften die Zentralisierung und den Ausbau der Bürokratie
in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Der zweite Schub bezieht sich auf die Wegnahme der regionalen Vor-
und Autonomierechte nach dem Ende der dritten Karlistenkriege 1868.
Auch die deutlichen Ansätze zum Ausbau der staatlichen Interventionen
in Wirtschaft und Gesellschaft bis zur Diktatur von Primo de Rivera in
den 20er Jahren wirkten sich zentralisierend aus.
Der verstärkende dritte Schub vollzog sich während des Franco- Re-
gimes. Dieses stellte die extremste Form des Zentralismus in der Neu-
zeit dar (Puhle 1994: 191).

23
2.4.2. Autoritäres Franco-Regime
Am 1.4.1939 endete der Bürgerkrieg
27
mit dem Sieg der Frankisten. Die
Gesellschaft war tief gespalten in frankistische Sieger und republikani-
sche Verlierer (Bernecker 2002: 171-174). Franco sah nun die Chance
gekommen, ein vereintes, freies Großspanien zu schaffen. Kulturelle,
ethnisch-regionale Differenzierung musste ausgelöscht und ein zentra-
listischer Einheitsstaat geschaffen werden (Hettlage 1994: 158f).
Bestimmend für den politischen Prozess war die außerordentlich hohe
Konzentration der Macht in der Person des Staatschefs. Dieser
verstand es, die zum Teil gegensätzlichen gesellschaftlichen und ideo-
logischen Kräfte in das Regime einzubinden, sie auszubalancieren und
gegebenenfalls zu neutralisieren. Der katholische Staat, monarchisti-
sche Staatsform und standesähnliche Struktur wurden für alle verpflich-
tend. Nach dem Scheitern der Autarkiepolitik
28
waren es in den sechzi-
ger Jahren konservative, technokratische Eliten
29
(Opus Dei), die an die
Schalthebel der Macht kamen (Vgl. Bernecker 2002: 185ff).
Das zentralistische Franco-Regime hatte durch seine harten Maßnah-
men alle Bestrebungen nach Eigenart oder Eigenständigkeit zu unter-
drücken versucht (Nohlen/Hildenbrand 1992a: 295). Kulturell wurde die
Einheit Spaniens unter Franco durch einheitliche Kultur und Sprache
symbolisiert. Differenzierung bedeutete Separatismus. Kastilisch galt
als einzig offizielle Sprache und als das Symbol der Einheit der Nation.
Am härtesten betroffen waren die Regionen mit dem stärksten regiona-
len Bewusstsein, das Baskenland und Katalonien. Dort wurde unter
Franco der Gebrauch der ,,Regionalsprachen" in Öffentlichkeit und Ver-
waltung verboten (Gonzáles Encinar, 1992: 218). Außerdem verloren
die Regionen jegliches Bestimmungsrecht in der Wirtschafts-, Innen-,
27
Während des Bürgerkriegs 1936-39 standen sich Volksfront (Sozialisten und Kommunisten, Republikani-
sche Linke, regionalistische Kräfte und Anarchisten) und Nationale Front (katholische Konservative, Monar-
chisten verschiedener Richtungen, Rechtsrepublikaner und die faschistische Falange (Partei Francos)) ge-
genüber (Bernecker 2002: 167). Entscheidende Wende nahm der Bürgerkrieg durch Einfluss der Achsen-
mächte (z.B. deutsch-italienische Militär- und Truppenhilfe). Durch diese Unterstützung siegten am Ende
die nationale Front, bzw. die Frankisten (Bernecker 2002: 173).
28
Autarkie: wirtschaftliche Unabhängigkeit vom Ausland (Fremdwörterbuch 1994: 89)
29
Elite: Minderheit, die dem Rest der Gesellschaft überlegen ist und durch Auslese zustande kommt (Noh-
len 2001: 73).

24
Kultur- und Sozialpolitik (Hettlage 1994: 158f). Durch die fremde Besat-
zungsmacht aus Madrid lebte das kulturelle Minderheitsbewusstsein
noch mehr auf und stärkte die innere Solidarität (Waldmann, 1989: 69f).
Trotz der Versuche Francos, die regionalen Identitäten zu zerstören,
blühte der Regionalismus in Spanien als kulturelles, sprachliches, politi-
sches und ökonomisches Phänomen (Hettlage, 1994: 161).
Erst in den siebziger Jahren konnte sich Spanien in Richtung Demokra-
tie bewegen. Dieser Demokratisierungsprozess resultierte nicht wie oft
in totalitären Regimes aus einer revolutionären Bewegung, sondern aus
den politischen Institutionen des Regimes heraus. Er geschah einmal
durch Druck von außen (Forderung des europäischen Auslands nach
Demokratisierung, Wirtschaftskrise) und zum andern durch Druck von
innen (Wirtschaftseliten, König) (Nohlen/Hildenbrand 1992a: 276f). Für
den Elitenwettbewerb wurde schon in Francos Lebzeiten der Spielraum
des Regimes zu eng, doch wagte an der Festung Francos zu dieser
Zeit niemand zu rütteln. Dafür war dieser Wettbewerb schon auf den
Tag danach ausgerichtet. Die frankistischen Eliten wussten, dass Fran-
co einzigartig und unersetzbar war. Mit seinem Tod musste auch sein
Frankismus untergehen (Nohlen/ Hildenbrand, 1992a: 274-275).
Die politische Dezentralisierung nach Francos Tod am 20. November
1975 stellte eine der tiefgreifendsten Wandlungen in der Geschichte
Spaniens dar. Aus den Entwicklungen in den Peripherien resultiert,
dass ein demokratischer Neuanfang nach Francos Tod zuerst die Regi-
onalfrage lösen musste (Hettlage 1994: 160).
2.4.3. Wandel in einen demokratischen EU-Staat und
eine neue Verfassung
Während der Transitionsphase oder dem Übergang zur Demokratie
wurden die autoritären Strukturen des Frankismus in rapidem Tempo
abgebaut und durch demokratische Institutionen ersetzt. Basken und
Katalanen forderten die Wiederherstellung ihrer Institutionen und
Selbstregierung. Auch in den anderen Regionen wurden Autonomiefor-

25
derungen laut. Aus Konfrontationen zwischen unterschiedlichen Positi-
onen entstand dann ein Verfassungskompromiss (Hettlage 1994:163).
Die demokratische Verfassung wurde Ende Oktober 1978 nach intensi-
ver Diskussion vom Parlament verabschiedet (Hettlage 1994: 164). Der
asymmetrische Bundesstaat
30
(González Encinar 1992: 227) ist nun ein
demokratischer und sozialer Rechtstaat. Die Souveränität gehört dem
spanischen Volk, von dem alle Gewalten des Staates ausgehen. Regie-
rungsform ist eine parlamentarische Monarchie, wobei der König der
Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und seine Krone vererbt wird (del
Burgo 2001: 21).
Die Verfassung stützt sich auf die "unauflösliche Einheit der spanischen
Nation" (Art. 2 spanische Verfassung), erkennt gleichzeitig die Existenz
von Nationalitäten und Regionen an und räumt diesen das Autonomie-
recht
31
ein (del Burgo 2001: 21). Nationalitäten und Regionen besitzen
demnach das ,,Recht auf Selbstverwaltung" (González Encinar 1992:
221f), oder einen Autonomiestatus (del Burgo 2001: 21).
Die 17 autonomen Regionen Spaniens bildeten sich ab 1979 bis 1982
heraus (del Burgo 2001: 21). Durch die Trennung von Nationalitäten
und Regionen wurde den Vorstellungen der historischen Nationalitäten
(Baskenland, Katalonien und Galizien) Rechnung getragen (Hettlage
1994: 163-164). Obwohl die Existenz von ,,Nationalitäten" anerkannt
wird, gibt es aber hinsichtlich der Verfassung nur eine Nation (del Bur-
go 2001: 21).
Die Verteilung der Kompetenzen zwischen Zentralstaat und autonomen
Gemeinschaften war bei der Verfassungsausarbeitung eine der umstrit-
tensten Fragen (Nohlen/ Hildenbrand 1992a: 318) und wird im Folgen-
den genauer betrachtet.
2.4.4. Kompetenzverteilung innerhalb Spaniens
Spanien ist keine Föderation von Staaten, es ist aber auch kein Zent-
ralstaat. Aus politischen Gründen hatten sich die spanischen Verfas-
sungsväter seinerzeit bei der territorialen Ordnung für das Konzept der
30
Siehe folgendes Kapitel: Die Organe und Kompetenzverteilungen der autonomen Gemeinschaften
31
Dieses Recht wird durch Gründung von autonomen Gemeinschaften ausgeübt, die in demokratischen
Prozessen aus den ehemaligen Provinzen entstanden sind.

26
Territorialautonomie (López-Pina 2001: 5) bzw. des asymmetrischen
Föderalismus
32
entschieden (Schneckener/Senghaas 1997: 18). Wäh-
rend Territorialautonomie eine Form der Dezentralisierung darstellt, be-
ruht der Föderalismus auf einer polyzentrischen Struktur. Unter Territo-
rialautonomie kann das Delegieren von Machtbefugnissen an eine unte-
re Ebene verstanden werden, das durch einfache Gesetze (Autonomie-
statute
33
) ebenso wie durch ein "Verfassungsrecht auf Autonomie" ge-
schehen kann. Föderalismus beinhaltet hingegen eine verfassungsmä-
ßig garantierte Machtaufteilung zwischen Gesamtstaat und föderalen
Gliedstaaten (Schneckener/Senghaas 1997: 16) .
Das Konzept der Territorialautonomie bezieht sich auf die Selbstverwal-
tung für ein bestimmtes Gebiet, meistens auf eine historische Region, in
der eine nationale Minderheit die örtliche Mehrheit stellt. (Schnecke-
ner/Senghaas 1997: 16f).
Als wichtige Kriterien für den Grad der Autonomie gelten:
1.) die Existenz von gewählten Entscheidungsträgern
2.) die Möglichkeiten der eigenen Gesetzgebung
3.) die unabhängige Finanzverwaltung (z.B. durch
Steuerhoheit) (Suksi 1997: 225).
Alle Regionen besitzen in Spanien die gleichen gewählten Organe: Re-
gierungen und gesetzgebende Parlamente, die jeweils neben dem spa-
nischen Parlament stehen. Der Präsident der autonomen Gemeinschaft
ist der Chef der jeweiligen Regierung bzw. Exekutive. Er ist zugleich
oberster Repräsentant der autonomen Gemeinschaft sowie Vertreter
des Staates in ihr. Das Parlament wählt ihn aus den Reihen seiner Mit-
glieder. Die Parlamente selbst werden aus allgemeinen und direkten
Wahlen gebildet
34
(Vgl. Nohlen/Hildenbrand 1992a: 315ff).
32
Im asymmetrischen Föderalismus sind Befugnisse der insgesamt 17 "Autonomen Gemeinschaften" un-
einheitlich verteilt, sie besitzen unterschiedliche Kompetenzen (Schneckener/Senghaas 1997: 18)
33
Autonomiestatute sind besondere Gesetze des spanischen Parlaments, keine Staatenverfassungen (Ibler
2001: 35).
34
Zur Beschreibung des spanischen Wahlsystems samt Abbildung sei auf den Anhang Kapitel 2 verwiesen.
Sonderregelungen gibt es vor allem im Baskenland und Katalonien, wie z.B. die vorzeitige Parlamentsauflö-
sung oder der Misstrauensantrag (nur im Baskenland gegenüber Landesminister). Lediglich die Präsidenten
der Autonomen Gemeinschaften des Baskenlandes und Kataloniens haben ein Recht zur vorzeitigen Par-
lamentsauflösung (Nohlen/Hildenbrand 1992a: 316).

27
Die Möglichkeit zur Gesetzgebung sind in der spanischen Verfassung
geregelt. Sie enthält einen Katalog von Sachgebieten, die zur aus-
schließlichen Zuständigkeit der Zentralgewalt zählen (Art. 149 Abs. 1
CE), und sie bestimmt zusätzlich, dass die nicht ausdrücklich dem Staat
zugeordneten Materien von der Autonomen Gemeinschaft im Autono-
mienstatut übernommen werden können (Art. 149 Abs. 3 S. 1CE). Al-
lerdings stehen alle Materien dem Staat zu, die vorher nicht eindeutig
dem Staat zugewiesen oder im Autonomiestatut aufgenommen wurden.
Außerdem können die Autonomen Gemeinschaften unterschiedlich vie-
le und weit reichende Kompetenzen übernehmen (Ibler 2001: 34).
Die Kompetenzen, die auf Grundlage der Verfassung und der Autono-
miestatute von der Zentralregierung an die regionalen Parlamente und
Regierungen übertragen wurden, konzentrieren sich auf Bereiche der
internen Kommunikation, der Kultur und Erziehung, bestimmte Ord-
nungsfunktionen, institutionelle Regelungen sowie die Koordination lo-
kaler Institutionen, lokalen Verwaltungshandelns und lokaler Steuern
(Puhle 1994: 206). Allgemein ist die Regelung als relativ zentralstaat-
freundlich zu bezeichnen (Ibler 2001: 34).
Im Rahmen der Finanzverwaltung haben die Regelungen für den inter-
regionalen Finanzausgleich zwischen den Regionen und der Zentrale
eindeutig die ,,starken" Regionen bevorzugt (Puhle 1994: 206). Die
Ausnahme bildet das Baskenland, das aufgrund traditioneller Vorrechte
("fueros") als einzige spanische "Communidad" über eine verfassungs-
mäßig garantierte Steuer- und Finanzhoheit verfügt (Schnecke-
ner/Senghaas 1997: 17), sowie die Katalanen, die ebenso ein besonde-
res Abkommen erhalten haben (vgl. Puhle 1994: 206). Sonst findet sich
die Möglichkeit, eigene Steuern zu erheben, in Spanien kaum. Die au-
tonomen Regionen werden generell aus Steuern finanziert, die durch
den Staat eingezogen werden, und auf die die autonomen Gebiete ei-
nen gesetzlichen Anspruch haben (z.B. interterritorialer Ausgleichs-
fonds). Diese Analyse zeigt, dass die meisten Autonomiegebiete finan-
ziell abhängig von der Zentralregierung sind, was immer wieder Anlass
für Konflikte zwischen den beiden Ebenen bietet (Schnecke-
ner/Senghaas 1997: 17).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832475253
ISBN (Paperback)
9783838675251
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg – Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Note
2,0
Schlagworte
nationalismus auswertung nationalstaat konflikte ethos
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Titel: Nationale und regionale Identitäten in Spanien
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