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Untersuchung der Mittelelbe hinsichtlich potenzieller Polderflächen für den Hochwasserschutz

©2003 Diplomarbeit 139 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Im Hinblick auf die aktuellen Ereignisse stellt sich die Frage, wie in Zukunft derartige Katastrophen verhindert werden können. Dieser Fragestellung widmet sich die vorliegende Diplomarbeit, die anhand umfassender Literaturrecherchen erstellt wurde.
Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil werden zunächst die Ursachen zur Entstehung von Hochwassersituationen (Kapitel 2) näher beleuchtet. Diese lassen sich unterteilen in natürliche (Niederschlag, Gebietsrückhalt) und anthropogene Ursachen (land- und forstwirtschaftliche Nutzung, Flächenversiegelung, Gewässerausbau, anthropogene Klimaänderungen).
Weiterhin werden mögliche Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser bzw. zur Verminderung der Hochwassergefahr (Kapitel 3) besprochen, die sich wiederum gliedern lassen in Maßnahmen am Gewässer und in Überschwemmungsgebieten, Maßnahmen im Freiraum sowie Maßnahmen im Siedlungsbereich. Im Folgenden werden die rechtlichen Grundlagen zum Hochwasserschutz in Deutschland angesprochen.
Der zweite Teil befasst sich speziell mit dem Untersuchungsgebiet. Zunächst werden allgemeine Informationen zur Elbe und ihrem Einzugsgebiet gegeben (Kapitel 4).
Kapitel 5 beschäftigt sich mit dem vorhandenen Hochwasserschutzniveau an der Mittleren Elbe. Die Informationen dazu lieferte die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE), die im Rahmen der Erarbeitung einer „Strategie zum Hochwasserschutz im Einzugsgebiet der Elbe“ eine Bestandsaufnahme des bestehenden Hochwasserschutzniveaus vorgenommen hat. Hierbei werden der Ausbauzustand der Mittelelbe und ihrer Zuflüsse besprochen (Ausbaugrad der Wasserläufe; Schutzwirkung und Zustand der Deiche, Talsperren, Wasserspeicher und Hochwasserrückhaltebecken; hochwassergefährdete Gemeinden), die bestehenden Schwachstellen des Hochwasserschutzes, das Schadenspotenzial und die Hauptergebnisse der Bestandsaufnahme. Im Anhang sind die dazugehörigen Tabellen zu finden.
In Kapitel 6 geht es schließlich um die Rückgewinnung von Retentionsflächen entlang der Mittelelbe. Nach einer Einführung in das Thema und der Darstellung der notwendigen Grundlagen werden die potenziellen Standorte für mögliche Deichrückverlegungen bzw. Polderflächen im Untersuchungsgebiet aufgezählt und besprochen. Dazu haben verschiedene Autoren zahlreiche Vorschläge aufgeführt, die hier zusammengestellt und diskutiert werden. Im Anhang finden sich die zugehörigen Kartenausschnitte, die von mir entsprechend bearbeitet […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7523
Juran, Regina: Untersuchung der Mittelelbe hinsichtlich potenzieller Polderflächen für
den Hochwasserschutz
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Universität, Diplomarbeit, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

III
INHALT
1 Einleitung
1
TEIL I: Ursachen der Hochwasserentstehung und mögliche Maßnahmen zum
Hochwasserschutz
4
2 Ursachen von Hochwasser
4
2.1 Natürliche Einflussfaktoren
4
2.1.1
Niederschlag
und
Einzugsgebiet
4
2.1.2
Gebietsrückhalt
5
2.1.2.1
Boden
als
Wasserspeicher
5
2.1.2.2
Bewuchs
6
2.1.2.3
Geländestruktur
6
2.1.2.4
Gewässernetz
und
Auen
6
2.2 Anthropogene Einflussfaktoren
6
2.2.1 Landwirtschaftliche Nutzung
7
2.2.2
Forstwirtschaft
8
2.2.3 Flächenversiegelung und Bebauung
9
2.2.4
Gewässerausbau
9
2.2.6 Anthropogene Klimaänderungen und Luftverschmutzung
10
2.2.7 Ist der Mensch Schuld am Hochwasser?
11
3 Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser
12
3.1 Maßnahmen am Gewässer und in Überschwemmungsgebieten
12
3.1.1 Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes
12
3.1.2 Maßnahmen des technischen Hochwasserschutzes
15
3.1.2.1 Hochwasserschutz durch Deiche und Polder
16
3.1.2.2 Hochwasserrückhaltebecken und Talsperren
19
3.1.2.3 Mobiler Hochwasserschutz
21
3.2
Maßnahmen im Freiraum zum dezentralen Wasserrückhalt
22
3.2.1 Erhöhung der Retentionswirkung durch landwirtschaftliche Maßnahmen 22
3.2.2 Erhöhung der Retentionswirkung durch forstwirtschaftliche Maßnahmen 24
3.3
Maßnahmen im Siedlungsbereich zum dezentralen Wasserrückhalt
25
3.3.1 Bewirtschaftung von Niederschlagswasser durch Rückhaltung und
Versickerung
25
3.3.2 Vermeidung von Versiegelung, Entsiegelung und Belagsänderung
27
3.3.3 Überflutungsschutz oder Verlagerung für kleine Siedlungen oder
wertvolle Biotope
28
3.3.4
Rückbau
von
Städten
28
3.4
Verminderung des Schadenspotenzials in hochwassergefährdeten Gebieten
29
3.5
Rechtliche Grundlagen zum Hochwasserschutz in Deutschland
29
3.5.1 Bundeseinheitliche Rahmengesetzgebung zum Hochwasserschutz 29
3.5.2 Gesetzliche Regelungen auf Landesebene
32
3.5.3 Internationale Zusammenarbeit
32
TEIL II: Das Untersuchungsgebiet
33
4 Die Elbe ­ Hydrologisch-geographischer Überblick
4.1 Kurzcharakteristik des Elbeinzugsgebietes
33
4.2
Hydrologische
Charakteristika
35
4.3 Historische Strombaumaßnahmen an der Elbe
35
4.4 Die Elbe als europäische Hauptwasserstraße
36
4.5 Flächennutzung im Einzugsgebiet
36
4.6
Naturschutz
im
Elbetal
39

IV
5 Vorhandenes Hochwasserschutzniveau an der Mittelelbe
40
5.1
Allgemeines
41
5.2 Ausbauzustand und bestehender Hochwasserschutz
41
5.2.1 Ausbaugrad der Wasserläufe
41
5.2.2 Schutzwirkung und Zustand der Deiche
45
5.2.3 Talsperren, Wasserspeicher und Hochwasserrückhaltebecken
49
5.2.4 Bedeutende Hochwasserschutzanlagen
50
5.2.5 Hochwassergefährdete Gemeinden und Überschwemmungsgebiete
51
5.3. Schwachstellenanalyse des Hochwasserschutzes
52
5.3.1 Technische Schwachstellen
52
5.3.2 Administrative und organisatorische Schwachstellen
54
5.4
Schadenspotenzial
54
5.5 Hauptergebnisse der Bestandsaufnahme
54
6 Rückgewinnung von Retentionsflächen entlang der Mittelelbe
56
6.1
Einführung
56
6.2
Grundlagen
57
6.2.1 Fluss und Aue aus ökologischer Sicht
58
6.2.2 Erfordernisse aus ökologischer Sicht
60
6.2.3 Grundsätzliche Herangehensweise und Zielstellungsanspruch
60
6.2.4
Flächengrößen
62
6.3 Handlungshinweise zur Bestimmung, Ausweisung und Nutzung von
Überschwemmungsgebieten
62
6.3.1 Handlungshinweise zur fachlichen Abgrenzung der Flächen für
Überschwemmungsgebiete und überschwemmungsgefährdete Bereiche 62
6.3.2 Handlungshinweise zur Festsetzung von Überschwemmungsgebieten
durch Rechtsverordnungen
63
6.3.3 Hinweise zur Nutzung von Überschwemmungsgebieten sowie zur
Durchsetzung und Kontrolle der Einhaltung von Geboten, Verboten
und genehmigungspflichtigen Tatbeständen
64
6.3.4
Handlungsempfehlungen
64
6.4 Standorte für potenzielle Polderflächen bzw. Deichrückverlegungen
entlang der Mittleren Elbe
65
6.5 Wirksamkeit von Deichrückverlegungen auf die Abflussverhältnisse
entlang der Elbe
84
6.5.1
Datengrundlagen
84
6.5.2
Modellbeschreibung
...84
6.5.3 Ausgewählte Standorte potenzieller Deichrückverlegungen
85
6.5.4 Ergebnisse der Modellierung
88
6.5.5 Zusätzliche Wirkung der Havelmündung
90
6.5.6 Wirksamkeit ausgewählter Kombinationen von Maßnahmen
90
6.5.7
Fazit
92
6.6 Aktuelle Beobachtungen während des Elbe-Hochwassers 2002
93
6.6.1 Retentionseffekte der Deichbrüche
94
6.6.2 Retentionseffekt der Flutungsmaßnahmen an der Unteren Havel
94
7 Diskussion und Ausblick
96
8 Literaturverzeichnis
99
9 Kartenverzeichnis
107

V
ABBILDUNGEN
1
Zerstörung durch die Elbeflut in Glashütte
19
2
Schematische Darstellung der Havelmündung
19
3
Hochklappbarer
Gehweg
21
4
Prinzipdarstellung Versickerungsverfahren und Rückhaltemaßnahmen
27
5
Topographische Übersichtskarte des Einzugsgebietes der Elbe
33
6
Lage des Biosphärenreservates ,,Flusslandschaft Elbe"
41
7
Hochwasserschutzniveau der Elbe von der Staatsgrenze
42
Tschechische Republik / Deutschland bis Torgau
8
Hochwasserschutzniveau der Elbe von Torgau bis Tangermünde sowie an den
Unterläufen der Nebenflüsse Schwarze Elster, Mulde und Saale
43
9
Hochwasserschutzniveau der Elbe von Tangermünde bis Geesthacht sowie an
den Unterläufen der Nebenflüsse
44
10
Schwachstellen der Elbedeiche von Elbe-km 97,7 bis Torgau
46
11
Schwachstellen der Elbedeiche von Torgau bis Tangermünde sowie an den
Unterläufen
der
Nebenflüsse
47
12
Schwachstellen der Elbedeiche von Tangermünde bis zum Wehr Geesthacht
sowie an den Unterläufen der Nebenflüsse
48
13
Übersichtskarte der ausgewählten Standorte potenzieller Deichrückverlegungen 87
14
Vergleich der Abflussganglinien ohne, mit ungesteuerten und mit gesteuerten
DRV am Pegel Wittenberge bei dem Hochwasser 1954
88
15
Hochwasser 1954 im Längsschnitt entlang der Elbe
89
16
HQ-Längsschnitt für das Ereignis 1954 mit zusätzlicher Retentionswirkung der
Havelmündung
(Polder)
91
17
Längsschnitt für Tn = 100a: Vergleich der drei Varianten
,,ohne DRV-Maßnahmen", mit ,,3 größte Standorte plus Havel"
sowie ,,alle DRV-Maßnahmen plus Havelpolder"
92
18
Satellitenbild der Überflutungen nach Deichbrüchen nördlich Torgau
94
19
Entwicklung der Wasserstandsganglinien des Hochwasserereignisses
vom August 2002 an den Pegeln Dresden, Torgau und Wittenberg
94
20
Entwicklung der Hochwasserereignisses vom August 2002 im Bereich der
Unteren Mittelelbe infolge der kontrollierten Flutungen an der Unteren Havel
95

VI
TABELLEN
1
Flächennutzung im Elbegebiet bis zum Wehr Geesthacht
37
2
Flächennutzung im deutschen Elbegebiet bis zum Wehr Geesthacht
38
3
Anteile der Deichlängen der Elbe und der Rückstaudeiche von Nebenflüssen
der Elbe in den deutschen Bundesländern bis zum Wehr Geesthacht
45
4
Gesamtübersicht über alle Stauanlagen im Einzugsgebiet der Elbe
49
5
Einfluss der Saaletalsperren auf den Hochwasserscheitelabfluss der Saale
in
Kaulsburg
50
6
Hochwasserschutzniveau der Elbe in Deutschland
54
7
Übersicht über die besprochenen Maßnahmenvorschläge
83
8
Modellknoten entlang der Mittelelbe
85
9
Standorte möglicher Rückdeichungen
86
10
Berechnungsergebnisse am Beispiel Pegel Wittenberge
89
11
Vergleich der maximal verfügbaren Retentionsvolumina
90
12
Hydrologische Grunddaten
Anhang
13
Hochwasserscheitelwerte (m³/s) mit Jährlichkeit ­ Stand März 2000
Anhang
14
Ausbaugrad der Wasserläufe
Anhang
14.1 Mittelelbe von Schloss Hirschstein bis zum Wehr Geesthacht
14.2 Schwarze Elster unterhalb Jessen
14.3 Mulde unterhalb Muldebrücke Dessau
14.4 Saale unterhalb Calbe
14.5 Havel unterhalb Rathenow
15
Verzeichnis der Deiche und ihrer Schutzwirkung
Anhang
15.1 Mittelelbe von Schloss Hirschstein bis zum Wehr Geesthacht
15.2 Schwarze Elster unterhalb Jessen
15.3 Mulde unterhalb Muldebrücke Dessau
15.4 Saale unterhalb Calbe
15.5 Havel unterhalb Rathenow
16
Verzeichnis der bedeutenden Hochwasserschutzanlagen
Anhang
16.1 Mittelelbe von Schloss Hirschstein bis zum Wehr Geesthacht
16.2 Saale unterhalb Calbe
16.3 Havel unterhalb Rathenow
17
Hochwassergefährdete Gemeinden
Anhang
17.1 Mittelelbe von Schloss Hirschstein bis zum Wehr Geesthacht
17.2 Schwarze Elster unterhalb Jessen
17.3 Mulde unterhalb Muldebrücke Dessau
17.4 Saale unterhalb Calbe
17.5 Havel unterhalb Rathenow
18
Vorhandene und potenzielle Überschwemmungsgebiete
Anhang
18.1 Mittelelbe von Schloss Hirschstein bis zum Wehr Geesthacht
18.2 Schwarze Elster unterhalb Jessen
18.3 Mulde unterhalb Muldebrücke Dessau
18.4 Saale unterhalb Calbe
18.5 Havel unterhalb Rathenow

VII
KARTENAUSSCHNITTE
1
Übersicht über die vorgeschlagenen Maßnahmen im Bereich der Mittelelbe Anhang
2 / 1
Bereich Breitenhagen ­ Aken
Anhang
2 / 2
Bereich Monplaisir ­ Glinde
Anhang
2 / 3
Bereich Glinde ­ Schönebeck
Anhang
2 / 4
Bereich Glindenberg ­ Heinrichsberg
Anhang
2 / 5
Bereich Schartau ­ Blumenthal
Anhang
2 / 6
Bereich Havelsche Mark
Anhang
2 / 7
Bereich Parey
Anhang
2 / 8
Bereich Bittkau ­ Schelldorf
Anhang
2 / 9
Bereich Klitznick / B 188
Anhang
2 / 10 Bereich Bölsdorf ­ Tangermünde
Anhang
2 / 11 Bereich Schönhausen ­ Schönfeld
Anhang
2 / 12 Bereich Sandau
Anhang
Blatt 1 Bereich Sandau Süd
Blatt 2 Bereich Sandau Nord
2 / 13 Bereich Werder
Anhang
2 / 14 Bereich Wahrenberg ­ Landesgrenze
Anhang
2 / 15 Bereich Saalemündung ­ Untere Saale
Anhang
2 / 16 Bereich Ohremündung ­ Kuhwerder / Schafwerder
Anhang
2 / 17 Bereich Untere Havel
Anhang
Blatt 1 Übersicht über die vorgeschlagenen Maßnahmen im Bereich Untere Havel
Blatt 2 Bereich Untere Havel Nord
Blatt 3 Bereich Untere Havel Süd
2 / 18 Legende zu den Topographischen Karten 1:25.000 und 1:50.000
Anhang

VIII
ABKÜRZUNGEN
BauGB Baugesetzbuch
BB
Brandenburg
BBodSchG Bundesbodenschutzgesetz
BHW
Bemessungshochwasser
DRV
Deichrückverlegung
FGM
Flussgebietsmodell
ha Hektar
HBV
Anlagen zum Herstellen, Behandeln und Verwenden wassergefährdender
Stoffe
HQ
Abflussscheitelwert
(m³/s)
HQ
n
Abflussscheitelwert mit einem statistischen Wiederkehrintervall von n Jahren
LAU
Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen wassergefährdender Stoffe
MHQ
Mittlerer
Hochwasserabfluss
MQ
Mittlerer
Abfluss
MV
Mecklenburg-Vorpommern
NI
Niedersachsen
ROG
Raumordnungsgesetz
SH
Schleswig-Holstein
SN
Sachsen
ST
Sachsen-Anhalt
WHG
Wasserhaushaltsgesetz

1
1 Einleitung
Die ,,Große Flut"
Das Thema Hochwasser hat mit den Ereignissen des Sommers 2002 an Aktualität
gewonnen. Wochenlang beherrschten Bilder von überfluteten Landstrichen, verwüsteten
Städten und verzweifelten Flutopfern die Medien. Sintflutartige Regenfälle und
Überflutungen, wie wir sie bisher nur aus fernen Ländern kannten, wie beispielsweise aus
Bangladesh und Mosambique, haben wir im Sommer 2002 in Deutschland, Österreich,
Tschechien, Slowakei und anderen Teilen Europas erlitten. Aus Städten und Regionen im
Oberlauf der Elbe, der Donau bei Passau und Regensburg wurden historische
Pegelhöchststände und Zerstörungen der Infrastruktur in bisher nicht erlebten Ausmaß
gemeldet. Mehr als 337.000 Menschen waren von der Flut betroffen, mehr als 100.000
mussten evakuiert werden (4/35). Das Hochwasser forderte 36 Todesopfer, davon 15 in
Tschechien und 21 in Deutschland. (37). Zahlreiche Häuser, Betriebe, Industrieanlagen und
private wie öffentliche Infrastruktur (Straßen, Brücken, Schienen) wurden stark beschädigt
oder gänzlich zerstört. Einem Bericht der Bundesregierung zufolge hat das Hochwasser
mindestens 180 Brücken und 740 Kilometer Straßen sowie 94 Eisenbahnbrücken und 400
Kilometer Gleise beschädigt oder zerstört. Mehrere Tausend Gewerbebetriebe waren
betroffen. In der Landwirtschaft wird der Schaden auf 287 Mio. Euro geschätzt (4/35). Allein
die Schäden an den Deichen belaufen sich auf 147 Millionen Euro, das sind
Durchschnittskosten von 1,15 Millionen Euro je Deichkilometer. (35) Die Schäden, die an
Landes-, Bundes- und kommunalen Straßen entstanden, wurden mit 5,6 Millionen Euro
beziffert, die an Wohnhäusern, Gewerbe- und kommunaler Infrastruktur entstandenen
Schäden mit 13 Millionen Euro (35). Die verursachten Schäden haben eine Dimension
erreicht, die alle bisherigen Katastrophen seit dem Zweiten Weltkrieg übertrifft. So wurden
zehn Jahre Aufbauarbeit in den betroffenen Regionen Ostdeutschlands weitgehend
vernichtet. Der gesamte Schaden lag nach ersten Schätzungen bei mindestens 22,6 Mrd.
Euro (35), was später revidiert wurde: so berichtete die Tagesschau am 27.11. 2002 von
Schäden in Höhe von 7 Mrd. Euro, wobei der größte Anteil davon auf Sachsen entfiel.
Abb. 1: Zerstörung durch die Elbeflut in Glashütte
Quelle: Lausitzer Rundschau / Elbe-Elster-Rundschau, 31.08.2002, S. 28

2
Grundsätzlich ist bezüglich des Hochwassers vom August 2002 an der Elbe und Mulde von
einer extremen, jedoch nicht unbedingt außergewöhnlichen Situation auszugehen. Schon
während des Oderhochwassers 1997 merkten einzelne Fachleute ­ entgegen der
allgemeinen Auffassung, an der naturnahen Elbe könne ein vergleichbares Ereignis nicht
eintreten - an, dass ein solches Katastrophenhochwasser bei entsprechenden
meteorologisch-hydrologischen Bedingungen auch im Elbeeinzugsgebiet eintreten könne.
Ein solches Ereignis ist nicht nur schlechthin eingetreten, es kam deutlich schlimmer als
befürchtet.
Bis zu dieser Hochwasserkatastrophe galt das Hochwasser von 1845 mit einem
Scheitelwasserstand von 8,77 m in Dresden als tausendjährliches Ereignis, dürfte also im
Durchschnitt nur alle 1.000 Jahre wiederkehren. Das Hochwasser 2002 hat mit einem
Scheitelwasserstand von 9,40 m in Dresden jenes von 1845 nicht nur in der Höhe deutlich
überschritten, sondern auch in der Abflussmenge. Sofern die aus den Hochwasserdaten des
vergangenen Jahrtausends abgeleitete Hochwasser-Wahrscheinlichkeitsverteilung zukünftig
noch gültig bleibt, müsste das Augusthochwasser 2002 demnach als 5.000- bis 10.000-
jährliches Ereignis eingestuft werden. (1)
Die primäre Ursache für die Hochwasserkatastrophe an der Elbe waren extreme Regenfälle,
hervorgerufen durch das 5B-Tief ,,Ilse", eine Wetterlage, bei der sich eine Tiefdruckrinne von
der Adria bis nach Südskandinavien erstreckte. Dadurch strömte kühle Luft aus dem
Nordatlantik nach Mitteleuropa, während gleichzeitig über Südosteuropa feuchtwarme
Mittelmeerluft herangeführt wurde, die sich über die kalten Luftmassen schob und dadurch
abregnete. Nach einer Karte des Deutschen Wetterdienstes fielen in diesem Gebiet in der
ersten Augusthälfte in der Summe 100 bis 200 mm Niederschlag. In einigen Gegenden
waren die Niederschlagsmengen allerdings noch größer. In Zinnwald auf dem Kamm des
Erzgebirges wurden allein am 12. August innerhalb von 24 Stunden 312 mm registriert, ein
Drittel des durchschnittlichen Jahresniederschlags, ein für Deutschland bisher nicht
erreichter bzw. gemessener Wert. Insgesamt schätzen die Meteorologen die gesamte
Regenmenge im Oberlauf der Elbe an diesem Tag auf 21 Milliarden Kubikmeter (108).
Die gewaltigen Regengüsse führten in den steil eingeschnittenen Tälern des Erzgebirges zu
wahren Sturzfluten, die mehr als ein Dutzend Menschen in den Tod rissen und immense
Verwüstungen anrichteten. Derartige Katastrophen haben sich allerdings auch früher schon
zugetragen. Im Elbeinzugsgebiet, zum Beispiel an der Gottleuba, die in Pirna in die Elbe
mündet, gab es jeweils im Juli der Jahre 1897, 1927 und 1957 außergewöhnliche
Niederschlagsereignisse, die mit extremen Hochwassern verknüpft waren. So entstand am
8./9. Juli 1927 im Osterzgebirge in den Flussgebieten der Gottleuba und der Müglitz
verheerendes Hochwasser. Innerhalb weniger Stunden waren über 200 mm Regen
niedergegangen. In den rund 44 km² großen Niederschlagszentren wird die
Niederschlagsmenge mit rund 100 mm in nur 25 Minuten angegeben. Jenes Unwetter
forderte 152 Menschenleben, und der Sachschaden erreichte mit 110 völlig zerstörten und
160 beschädigten Brücken, 38 zerstörten Wohn- und 150 sonstigen Gebäude sowie 20 km
zerstörter Eisenbahnstrecke ähnliche Ausmaße wie heute. Alle diese Extremhochwasser
lassen sich auf ähnliche Großwetterlagen über Europa zurückführen, ebenso auch die
Oderflut 1997 und das Augusthochwasser 2002. (31)
Schon immer hat es Hochwasser und Überschwemmungen an Flüssen gegeben, auffällig ist
jedoch deren Häufung in den letzten Jahren. In den vergangenen zwei Jahrzehnten traten an
den großen Strömen häufiger extreme Hochwasserereignisse auf, wie z. B. am Rhein 1983,
1988, 1993 und 1995, an der Donau 1988 und an Pfingsten 1999, an der Oder im Sommer
1997, und im August 2002 an Elbe, Mulde und wiederum an der Donau. Während die
extremen Hochwasser am Rhein in historischer Zeit zeitlich sehr weit auseinander lagen,
treten sie seit den 70er Jahren gehäuft auf.

3
Die tiefer liegenden Ursachen der Zunahme der Häufigkeit extremer Hochwasserereignisse
werden von der Mehrzahl der Wissenschaftler in der Klimaerwärmung infolge des
Treibhauseffektes gesehen, die zu häufigeren und extremeren Wetterabläufen führt. Hinzu
kommen weitere anthropogene Ursachen wie die verringerte Wasseraufnahmekapazität von
Böden und Wäldern und erhöhte Abflussgeschwindigkeit der Wassermassen durch
Bodenversiegelung und ­verdichtung, Erosion, Abholzung, Waldsterben, sowie
Begradigungen, Kanalisierung und Eindeichung von Flüssen und Abnahme der
Auenlandschaften und Überschwemmungsflächen.
Inhalt
Im Hinblick auf die aktuellen Ereignisse stellt sich die Frage, wie in Zukunft derartige
Katastrophen verhindert werden können. Dieser Fragestellung widmet sich die vorliegende
Diplomarbeit, die anhand umfassender Literaturrecherchen erstellt wurde.
Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil werden zunächst die Ursachen zur
Entstehung von Hochwassersituationen (Kapitel 2) näher beleuchtet. Diese lassen sich
unterteilen in natürliche (Niederschlag, Gebietsrückhalt) und anthropogene Ursachen (land-
und forstwirtschaftliche Nutzung, Flächenversiegelung, Gewässerausbau, anthropogene
Klimaänderungen).
Weiterhin werden mögliche Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser bzw. zur
Verminderung der Hochwassergefahr (Kapitel 3) besprochen, die sich wiederum gliedern
lassen in Maßnahmen am Gewässer und in Überschwemmungsgebieten, Maßnahmen im
Freiraum sowie Maßnahmen im Siedlungsbereich. Im Folgenden werden die rechtlichen
Grundlagen zum Hochwasserschutz in Deutschland angesprochen.
Der zweite Teil befasst sich speziell mit dem Untersuchungsgebiet. Zunächst werden
allgemeine Informationen zur Elbe und ihrem Einzugsgebiet gegeben (Kapitel 4).
Kapitel 5 beschäftigt sich mit dem vorhandenen Hochwasserschutzniveau an der Mittleren
Elbe. Die Informationen dazu lieferte die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe
(IKSE), die im Rahmen der Erarbeitung einer ,,Strategie zum Hochwasserschutz im
Einzugsgebiet der Elbe" eine Bestandsaufnahme des bestehenden
Hochwasserschutzniveaus vorgenommen hat. Hierbei werden der Ausbauzustand der
Mittelelbe und ihrer Zuflüsse besprochen (Ausbaugrad der Wasserläufe; Schutzwirkung und
Zustand der Deiche, Talsperren, Wasserspeicher und Hochwasserrückhaltebecken;
hochwassergefährdete Gemeinden), die bestehenden Schwachstellen des
Hochwasserschutzes, das Schadenspotenzial und die Hauptergebnisse der
Bestandsaufnahme. Im Anhang sind die dazugehörigen Tabellen zu finden.
In Kapitel 6 geht es schließlich um die Rückgewinnung von Retentionsflächen entlang der
Mittelelbe. Nach einer Einführung in das Thema und der Darstellung der notwendigen
Grundlagen werden die potenziellen Standorte für mögliche Deichrückverlegungen bzw.
Polderflächen im Untersuchungsgebiet aufgezählt und besprochen. Dazu haben
verschiedene Autoren zahlreiche Vorschläge aufgeführt, die hier zusammengestellt und
diskutiert werden. Im Anhang finden sich die zugehörigen Kartenausschnitte, die von mir
entsprechend bearbeitet wurden. Weiterhin wird der Frage nach der Wirksamkeit von
Deichrückverlegungen auf die Abflussverhältnisse entlang der Elbe nachgegangen, zu der
das Institut für Wasserwirtschaft und Kulturtechnik der Universität Karlsruhe wertvolle
Informationen liefert. Anschließend werden diese Berechnungen durch aktuelle
Beobachtungen während des August-Hochwassers 2002 untermauert.
Das letzte Kapitel soll eine Zusammenfassung der vorliegenden Arbeit geben.

4
TEIL I:
Ursachen der Hochwasserentstehung und mögliche Maßnahmen zum
Hochwasserschutz
2
Ursachen für die Entstehung von Hochwasser
Hochwasser sind natürliche Ereignisse im jahreszeitlichen Verlauf und kommen in
regelmäßigen Abständen vor. Ihre Entstehung und ihr Ausmaß sind abhängig von
zahlreichen Rahmenbedingungen und das Ergebnis eines komplexen Zusammenwirkens
unterschiedlicher Faktoren. Als Teil des Wasserkreislaufes sind Hochwasser in erster Linie
abhängig von der Stärke der Niederschläge - gegebenenfalls im Zusammenwirken mit einer
abschmelzenden Schneedecke - und von ihrer zeitlichen und räumlichen Verteilung in
Relation zur Größe und Struktur des Einzugsgebietes und dessen Abflusseigenschaften.
Neben den Wetterverhältnissen und den Gegebenheiten des Einzugsgebietes bestimmen
Bodenbeschaffenheit, Bewuchs, Geländestruktur und Gewässernetz, die als natürliche
Wasserspeicher wirken, die Dynamik der Wasserstände.
Böden und Vegetationsdecke sowie auch Seen und natürlich strukturierte Fließgewässer
sind in der Lage, Niederschläge zeitweilig zu speichern bzw. ihren Abfluß zu verzögern. Sind
die Böden jedoch großflächig durch vorangehende Niederschläge mit Wasser gesättigt oder
stehen unter Frosteinwirkung, kommt es zu einer Quasi-Bodenversiegelung: Die
Speicherkapazität sinkt erheblich, während die Abflussbereitschaft stark zunimmt. Dann
fließt das Wasser nahezu vollständig über die Oberfläche ab, sammelt sich in den Tälern und
lässt die Flüsse über die Ufer treten. Durch diese Bedingungen kann es zu
Hochwasserereignissen kommen. Für zusätzliche Spitzen sorgen die Schneeschmelze oder
örtlich heftige Regenfälle. Menschliche Eingriffe in Landschaft und Gewässer können diese
Dynamik zusätzlich verstärken und haben an vielen Flüssen nachweislich zu einer
Verschärfung des Hochwassergeschehens beigetragen. (3/9/35)
Spätestens seit dem verheerenden Elbehochwasser im August 2002 wird intensiv diskutiert,
inwieweit der Mensch durch Beeinflussung des Klimas selbst die Schuld an zunehmenden
Flutkatastrophen trägt. Der Auslöser des katastrophalen Elbehochwassers waren extreme
Niederschläge im oberen Elbeeinzugsgebiet und in den Gewässeroberläufen der Zuflüsse in
Böhmen, deren konkrete Ursachen von zahlreichen Fachleuten nicht mehr nur auf natürliche
Prozesse zurückgeführt werden. Es ist sicherlich nicht falsch zu behaupten, dass es sich bei
dieser Naturkatastrophe zumindest teilweise um eine ,,hausgemachte"
Zivilisationskatastrophe handelte. Wenngleich Hochwasser zu jedem Fließgewässer als
natürliches Phänomen dazugehört, führten die im Folgenden näher beschriebenen Eingriffe
des Menschen im Elbeeinzugsgebiet sowie auch in anderen Einzugsgebieten, zu einer
deutlichen Verschärfung dieses Naturprozesses. Im Folgenden werden die einzelnen
Faktoren zur Entstehung von Hochwasserereignissen beschrieben. (3/9/35/60)
2.1
Natürliche Einflussfaktoren
Maßgeblich für die Höhe des Hochwassers ist neben der zeitlichen und räumlichen
Verteilung der Niederschläge die Speicherwirkung des Einzugsgebietes durch Boden,
Bewuchs, Gelände und Gewässernetz.
2.1.1 Niederschlag und Einzugsgebiet
Primäre Ursache für die Entstehung von Hochwasser sind Niederschläge. Die
durchschnittliche Menge des Jahresniederschlags in Deutschland beträgt 770 mm, das
entspricht 770 Liter pro Quadratmeter Bodenfläche im Jahr. Wären diese Niederschläge
gleichmäßig über das Jahr verteilt, käme es nicht zu Hochwasser. Die natürlichen
Wasserspeicher hätten ausreichend Kapazitäten, um das Wasser aufzunehmen. Nun sind
die Niederschläge aber nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich sehr unterschiedlich verteilt.

5
So fällt auf der Zugspitze oder im Schwarzwald mit 1.600 mm Jahresdurchschnitt ungefähr
dreimal so viel Regen wie in manchen Gebieten Ostdeutschlands. Bedeutend ist auch die
Niederschlagsintensität. Tagelang anhaltende, großflächige Dauerregen führen dazu, dass in
den großen Flüssen die Pegel stetig steigen. Denn dort tragen viele kleinere Nebengewässer
den Abfluss eines großen Einzugsgebietes zusammen. Hochwasser als Folge von
Dauerregen sind in der Regel recht gut vorhersagbar.
Lokal begrenzte, starke Schauer, oft von Gewittern begleitet, wirken sich besonders in
kleinen Einzugsgebieten aus. Sie treten vor allem im Sommer auf. Im Extremfall können in
einer Stunde über 100 Liter pro Quadratmeter fallen und dann innerhalb kürzester Zeit an
kleineren Flüssen und Bächen zerstörerische Sturzfluten auslösen, die jedoch in der Regel
räumlich sehr begrenzt auftreten. Die Schäden durch Sturzfluten sind allerdings in der
Summe der Ereignisse oft höher als bei den großen Flusshochwassern, da die Vorwarnzeit
sehr kurz ist. Eine langjährige Statistik der Versicherer in Baden-Württemberg hat
verdeutlicht, dass 60 % der Hochwasserschäden durch Hochwasser außerhalb der großen
Flusstäler anfielen. (9/35)
2.1.2 Gebietsrückhalt
Der Gebietsrückhalt ist der Anteil des Niederschlags, der für eine bestimmte Zeit vom
Einzugsgebiet zurück gehalten wird, bevor er abfließt. Maßgeblich für den Gebietsrückhalt
sind die natürlichen Speichereigenschaften des Einzugsgebiets. Diese
Speichereigenschaften ergeben sich aus dem Zusammenwirken der Speichermedien Boden,
Bewuchs, Gelände und dem Gewässernetz einschließlich der Gewässerauen (70). Jedes
der im folgenden genannten Speichermedien erfüllt seine Rückhaltefunktion innerhalb
bestimmter natürlicher Grenzen. Sobald ein Speicher aufgefüllt ist, wird der Folgespeicher
belastet. Erst wenn die Speicher insgesamt überlastet sind, steigen die Wasserstände in den
Flüssen. Die vier genannten Speichermedien ergänzen sich in ihrer Wirkung über weite
Bereiche des natürlichen Niederschlagsgeschehens und führen normalerweise zu
überschaubaren Abflussreaktionen. Bei Überlastung der vorhandenen
Wasserspeicherkapazitäten kommt es jedoch immer wieder auch zu extremen und
unerwarteten Hochwassererscheinungen. (80)
2.1.2.1 Boden als Wasserspeicher
Das leistungsfähigste Wasserspeicherelement im Einzugsgebiet ist der Boden. Die
Wasseraufnahmekapazität in seinen Hohlräumen ist vor allem von Bodenstruktur,
Bodenmächtigkeit, Bodendichte, Humusgehalt, Durchwurzelung und dem Sättigungsgrad
abhängig. So kann lockerer Waldboden mehr Wasser aufnehmen als verdichteter
Lehmboden, Tonschichten wirken wie eine Stauschicht. Allerdings ist die Speicherfähigkeit
des Bodens irgendwann erschöpft. Bei Hochwasser ist die aktuelle
Wasseraufnahmefähigkeit des Bodens durch die bereits vorher gespeicherte Wassermenge
begrenzt. Der Boden verhält sich wie ein Schwamm. Zunächst kann er viel Wasser
aufnehmen, bei anhaltenden Niederschlägen jedoch nimmt die Wasseraufnahmekapazität
ab. Hat es bereits längere Zeit geregnet, ist der Boden wassergesättigt. Das Wasser
sammelt sich dann an der Oberfläche, bildet in Mulden Pfützen und fließt schließlich
oberflächlich ab. So führen lang andauernde starke Regenfälle auch in der Naturlandschaft
irgendwann zu Hochwasser. Gleiches geschieht, wenn Niederschlag auf gefrorenen Boden
fällt. Dieser kann dann ebenso wenig Wasser aufnehmen wie eine Asphaltfläche. Daher ist
die Gefahr von Hochwasser im Winter erhöht. Generell kommt im Winter durch die höhere
Vorfeuchte des Bodens ein höherer Anteil des Niederschlags zum Abfluss als im Sommer.
Problematisch sind außerdem sehr starke Niederschläge innerhalb kurzer Zeit: das Wasser
kann dann nicht schnell genug in den Untergrund einsickern und fließt ab, obwohl die
Speicherfähigkeit des Bodens noch nicht ausgeschöpft ist; dies ist häufig bei Sturzfluten der
Fall. (70/80)

6
2.1.2.2 Bewuchs
Der Bewuchs trägt über die verschiedenen Teilprozesse des Wasserhaushalts erheblich zum
Wasserrückhalt bei. Ein Teil des Niederschlags bleibt, ehe er den Boden erreicht, zunächst
an Pflanzen hängen. Grasland speichert zwei, Wald bis zu fünf Liter Niederschlag pro
Quadratmeter (35). Nach dem Regenereignis verdunstet das an den Pflanzen haftende
Wasser, so dass dieses gar nicht erst den Boden erreicht. Außerdem nehmen Pflanzen über
ihre Wurzeln Wasser aus dem Boden auf. Überdies verbessert der Pflanzenbewuchs die
Speichereigenschaft des Bodens dadurch, dass die Wurzeln Hohlräume schaffen, in denen
sich das Wasser sammeln kann. Auf bewachsenen Flächen dringt das auftreffende Wasser
schneller und tiefer in den Boden ein. Der beste Wasserspeicher sind dichte Waldbestände.
Innerhalb einer Stunde versickern auf ebenem Waldboden 60 bis 75 l/m², auf einer
Weidefläche hingegen nur etwa 20 l/m² (35).
2.1.2.3 Geländestruktur
Auch die Geländeform spielt eine Rolle für den Gebietsrückhalt. Das Gelände trägt umso
mehr zur Versickerung und zum Wasserrückhalt bei, je flacher es ist. In bergigen
Landschaften fließt Niederschlagswasser schneller in den Tälern zusammen und es hat
weniger Zeit zu versickern. Dadurch können die Pegel der Flüsse im Bergland naturgemäß
sehr schnell ansteigen. Im Flachland dagegen kann mehr Wasser gespeichert werden:
einerseits im Boden und auf den Flächen, andererseits in den Gewässern und ihren Auen
selbst. Steigt der Wasserspiegel so stark an, dass der Fluss über die Ufer tritt, bieten
naturnahe Auen im Flachland ausgedehnte Überflutungsflächen. Durch die Ausuferung wird
auch die Fließgeschwindigkeit reduziert. So kommt es im Flachland seltener zum Aufbau
großer Hochwasserwellen. Voraussetzung ist allerdings, dass sich der Fluss bei steigendem
Wasserstand ungehindert ausdehnen kann und die Auen als Retentionsräume wirken.
(9/31/70/80/102)
2.1.2.4 Gewässernetz und Auen
Auch die Fließgewässer selbst und ihre begleitenden Auen haben mit ihrer
Retentionswirkung eine wichtige Funktion für den Ablauf von Hochwasserwellen. Im
Flachland und bei ausgedehnten Überflutungsauen ist die Speicherkapazität des
Gewässernetzes am größten. Sie ist umso wirkungsvoller, je früher das Gewässer in die Aue
ausufert. Mit dem Abklingen des Hochwassers läuft der Gewässerspeicher wieder leer. Die
Beschaffenheit des Gewässernetzes bestimmt die Höhe und vor allem die Laufzeit des
Hochwassers und damit das Zusammentreffen der Hochwasserwellen aus Haupt- und
Nebenflüssen. (9/35)
Naturnahe Flüsse und die dazu gehörigen Auen sind durch eine ständige Dynamik von
Hoch- und Niedrigwasser geprägt. Auen und ihre Biozönosen benötigen die regelmäßig
wiederkehrenden Hochwasser für den Erhalt ihrer Artenzusammensetzung, denn die
Lebensgemeinschaft der Aue ist an den Wechsel von Hoch- und Niedrigwasserständen
angepasst. Damit wirken Auen als natürliche Retentionsflächen für Hochwasser, denn in den
Auen wird das Wasser zurück gehalten, der Wasserabfluss gebremst und erst entschärft an
die stromabwärts liegenden Flussbereiche weiter gegeben. (9/35/70/80)
2.2
Anthropogene Einflussfaktoren
Durch die in den letzten Jahren festgestellte Zunahme von Hochwasserereignissen und den
damit verbundenen Folgeschäden wurde eine Diskussion über die Entstehungsursachen
entfacht. Im Vordergrund der Diskussion steht dabei die Frage, wie der anthropogene
Einfluss auf das Hochwassergeschehen zu bewerten ist. (9)
Anthropogene Eingriffe in das Abflussregime haben zu einer Zunahme von
Hochwasserereignissen geführt. In den vergangenen Jahrhunderten haben die Menschen
die Naturlandschaft Mitteleuropas großflächig zu einer Kulturlandschaft umgewandelt.

7
Wälder wurden gerodet, Sümpfe und Feuchtwiesen weiträumig trockengelegt, Acker- und
Weideflächen angelegt, Flüsse begradigt und kanalisiert. Der Landschaftsverbrauch durch
Städte- und Straßenbau nimmt noch immer täglich zu. Naheliegend, dass die vielfältigen
anthropogenen Eingriffe in Landschaft und Naturhaushalt auch einen Einfluss auf das
Hochwassergeschehen haben. Dabei können sich alle Eingriffe in die natürlichen Speicher
Boden, Bewuchs und Gewässer auswirken. (9 / 35)
Besonders bedeutend waren in diesem Sinne Gewässerausbauten, wie Flussbegradigungen
und Staustufenbau unter gleichzeitigem Verlust der natürlichen Überschwemmungsflächen,
der Auen. Durch diese Eingriffe kommt es zu einer Beschleunigung des Abflusses und zu
einer Verstärkung der Abflussspitzen. Häufig treten auch Überlagerungen der
Hochwasserscheitel von Haupt- und Nebenflüssen auf. Eingriffe in die Landschaft, die die
Abflussbereitschaft der Niederschläge im Einzugsbereich erhöhen bzw. die
Speicherkapazität von Boden, Vegetation und Fließgewässern vermindern, können regional
zum Hochwassergeschehen beitragen. Schwierig ist die quantitative Bewertung der
Auswirkungen des Gewässerausbaus im Verhältnis zu Maßnahmen, die das
Wasserrückhaltevermögen im jeweiligen Flusseinzugsgebiet beeinflussen, wie
beispielsweise künstliche Flächenversiegelung und Intensivierung der Landwirtschaft, da
diese sich in verschiedenen Regionen bzw. Gewässerabschnitten unterschiedlich stark
auswirken können. Jedoch dürften sich Veränderungen im Umland stärker in Gewässern mit
sehr kleinem Einzugsgebiet auswirken, während in Flüssen mit größerem Einzugsgebiet der
Einfluss wasserbaulicher Maßnahmen stärker nachweisbar ist. Aus Berechnungen des
Institutes für Landeskultur der Justus-Liebig-Universität Gießen geht beispielsweise hervor,
daß nur durch eine großflächige Veränderung der Landnutzung (siehe Kapitel 2.2.1 ­ 2.2.3)
im gesamten Einzugsgebiet Auswirkungen auf den Wasserabfluss zu erreichen wären. An
größeren Flüssen ließe sich eine quantitative Schätzung des anthropogenen Einflusses auf
Hochwasserereignisse insofern vornehmen, als kontinuierliche Messungen der Abflüsse und
Wasserstände vorliegen und Beschleunigungen des Abflusses sowie Verluste an
Retentionsflächen bekannt sind bzw. beizubringen wären. Eine solche Modellierung ist
bisher allerdings an großen Flüssen nicht durchgeführt worden. (3/70)
2.2.1 Landwirtschaftliche Nutzung
Vor allem seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Agrarlandschaft ­ vor allem durch
Flurbereinigungsmaßnahmen zur Errichtung großer, einheitlich zu bewirtschaftender
landwirtschaftlicher Nutzflächen - grundlegend verändert worden. Dabei sind kleinräumige
Landschaftsstrukturen, die den Oberflächenabfluss zurückhalten können und als zusätzlicher
Wasserspeicher wirken, wie Bodensenken, Kleinstgewässer, Hecken, Feldgehölze und
hanggliedernde Strukturen wie Wegraine und Geländekanten, entfernt worden. Vielerorts,
auch in Hanglagen, wurde Dauergrünland in Ackerland umgewandelt. Große Flächen
wurden drainiert, Feucht- und Moorgebiete entwässert, kleine Flüsse begradigt und das
landwirtschaftliche Wegenetz stark erweitert und meist wasserundurchlässig befestigt. Die
Wirtschaftswege wurden oft mit großem Gefälle angelegt und wirken so wie Dachrinnen in
der Landschaft.
Durch landwirtschaftliche Nutzung werden die Bodeneigenschaften und der
Pflanzenbewuchs verändert, was sich direkt oder indirekt auf das Hochwassergeschehen
auswirkt: So vermindert die Umwandlung von Grünland in Ackerland den Bewuchsspeicher
ebenso wie Kulturen und Bewirtschaftungsformen, bei denen der Boden ganz oder teilweise
unbewachsen bleibt. Auch die Art der Bodenbearbeitung kann sich sehr stark auswirken. Ein
aufgelockerter Boden kann sehr viel Wasser aufnehmen. Schwere Maschinen hingegen
verdichten den Boden, so dass dessen Wasseraufnahmefähigkeit stark abnimmt.
Bedeutsam sind Drainagen, die Staunässe auf landwirtschaftlichen Flächen verhindern
sollen. Sie waren oftmals überhaupt die Voraussetzung für eine ertragreiche Bewirtschaftung
bestimmter Flächen wie Auen oder Feuchtwiesen und auch Niedermooren. Durch diese
Entwicklung in der Landwirtschaft haben sich Infiltration und Grundwasserneubildung

8
vielerorts verringert, die Bodenerosion verstärkt sowie der flächenhafte Abfluss von Regen-
und Schmelzwasser vergrößert und beschleunigt und somit die Hochwassertendenz
verstärkt. Durch die Eindeichungen wurden die Auen von den Flüssen abgetrennt und
wurden so nutzbar für Landwirtschaft, Siedlungsbau und Verkehrsinfrastruktur. Diese
Nutzungen verstärken einerseits den schnellen Abfluss des Wassers und sind andererseits
als erstes der Hochwassergefahr ausgesetzt, und sie führen damit zu den immens hohen
volkswirtschaftlichen Kosten von Hochwasserereignissen. (3/5/9/35/70)
2.2.2 Forstwirtschaft
Knapp ein Drittel der Fläche Deutschlands ist bewaldet. Neben ihren sonstigen Nutz- und
Schutzfunktionen wirken Wälder stark ausgleichend auf den Gebietswasserhaushalt. Die tief
und intensiv durchwurzelten Waldböden ökologisch gesunder, standortgerechter
Laubmischwälder in den Einzugsgebieten der Flüsse sind in der Lage, große Mengen
Niederschlags schnell aufzunehmen, zu speichern und langsam wieder abzugeben. So
werden Abflussspitzen verzögert und Trockenzeiten durch relativ höhere Abflussspenden
überbrückt. Im Nationalen Forstprogramm Deutschland (NFD) der Bundesregierung ist zu
lesen: ,,Wälder mindern Hochwasserspitzen und geben die gespeicherten Wassermengen
zeitlich verzögert und gleichmäßig wieder ab". Ein einziger Hektar Wald könne ,,bei günstiger
Struktur bis zu zwei Millionen Liter Wasser" zurückhalten (12). Während Brachland 12 %,
Weideland 30 % und Ackerland gar 35 % der Niederschläge ungebremst abfließen lässt,
schlucken gesunde Wälder nahezu alle Niederschläge; lediglich ein Rest von 5 % fließt
oberflächlich ab. (3) Zwar sind dies Mittelwerte; im Einzelfall wirken verschiedene Parameter
wie der geologische Untergrung, die Bodenart und ­dichte, die Zusammensetzung und das
Alter des Waldes, wie auch dessen Vitalität. Aber letztendlich gilt, dass gesunde Wälder
abflussausgleichend wirken und so einen Beitrag zur Verminderung der Hochwassergefahr
leisten. (31)
Trotz einer geringen Zunahme der Waldfläche in den letzten Jahrzehnten ist die Funktion
des Waldes für Wasserspeicherung und ­ausgleich eingeschränkt worden. Die
Hauptursachen dafür sind Rodung, Einsatz schwerer Maschinen, Forstwege mit befestigter
Oberfläche und ohne Vegetationsdecke, Schädlingsbefall, Verlust geschlossener
Waldgebiete infolge Verkehrswegebau und Bau von Fernleitungen für Gas und Öl sowie die
Auswirkungen von Schadstoffeinträgen. Die weit verbreitete Bodenversauerung durch
Schwefel- und Stickstoffeinträge bleibt über längere Zeit wirksam und führt zur
physiologischen Schwächung der Bäume, wodurch Sekundärschäden begünstigt werden.
Direkte Waldschäden durch Schwefel- und Stickstoffverbindungen in der Luft treten im
Elbeeinzugsgebiet besonders in den Mittelgebirgen im Grenzbereich zwischen Deutschland,
Polen und der Tschechischen Republik auf. Die durch Kronenverlichtung erhöhte
Sonneneinstrahlung führt zur Mineralisierung der Kohlenstoffvorräte im Waldboden, zum
Humusschwund und dadurch zur Verringerung der Wasserspeicherkapazität des
Waldbodens und zu dementsprechend schnelleren Abflüssen. Außerdem führt
Kronenausdünnung zu einer Verringerung der Interzeptionsverdunstung und damit zu
verstärkten Auftreffen von Regentropfen am Boden. Verringerte Nadel-/Laubdichte bewirkt
darüber hinaus eine Abnahme der Transpiration. Dies führt auf Stauwasserböden zu einer
verstärkten Vernässung und bei Niederschlag zu einem erhöhten Oberflächenabfluss. Die
Situation wird weiter verschärft dadurch, dass die Wurzeln kranker Bäume weniger Wasser
aufnehmen und damit zurückhalten können. Vielfach spielen auch gravierende waldbauliche
Fehler eine große Rolle, z.B. der Anbau von Altersklassen-Monokulturen nicht
standortgerechter Baumarten. (3)
Fachleute wie der Dresdner Landschaftsökologe Jochen Schanze warnen zwar vor der
Annahme, intakte Bergwälder allein könnten ein Extremereignis wie die Elbflut im August
verhindern. Bei vielen kleineren Ereignissen aber, könnten die Art der Bodennutzung und der
Zustand des Bewuchses das Überschwemmungsrisiko durchaus eindämmen. (4)

9
Besonders in den Hochlagen unserer Mittelgebirge ist das Schadensniveau der Wälder nach
wie vor hoch. So ist die Wasserretentionsfunktion unserer Wälder insbesondere in den
Hochlagen großflächig vermindert, was zur Verschärfung der Hochwassersituation beiträgt.
Die Flutkatastrophe in Sachsen im August 2002 wurde zu Beginn vor allem durch die
extremen Niederschläge und Wassermengen aus dem Erzgebirge hervor gerufen. Das
Erzgebirge ist einer der ,,Hotspots" des Waldsterbens in Deutschland. In den dortigen
Hochlagen sind vielerorts nur noch Kahlflächen vorhanden, ein Umstand, der zu einer
zusätzlichen Verschärfung des jetzigen Hochwasserabflusses geführt hat. Eine neue
Energie- und Verkehrspolitik sowie eine Reduzierung des Schadstoffausstoßes ist daher
auch für den Hochwasserschutz wichtig. (15)
2.2.3 Flächenversiegelung und Bebauung
Deutschland ist eines der am dichtesten besiedelten Länder der Welt. Die Entwicklung der
Flächennutzung ist wesentlich geprägt durch eine stetige Zunahme der Siedlungs- und
Verkehrsflächen und - vor allem im Umland städtischer Verdichtungsräume - eine Abnahme
der landwirtschaftlich genutzten Flächen. In der Bundesrepublik Deutschland beanspruchen
die Siedlungs- und Verkehrsflächen 40.170 km² der Gesamtfläche von insgesamt 356.970
km² (3). Das entspricht einem Flächenanteil von 12 %. (4). Derzeit werden als
Verkehrsflächen (Straßen, Wege, Plätze, Eisenbahnanlagen und Flughäfen) insgesamt 4,6
% des Bundesgebietes (Stand 1993) statistisch ausgewiesen - allein die Streckenlänge der
Straßen nahm von 1970 (430.000 km) bis Mitte der neunziger Jahre (640.000 km) um fast
50% zu (19) - der Anteil der Bauflächen beträgt 5,8 %. Hierbei handelt es sich nicht
ausschließlich um versiegelte Flächen, es werden auch unbebaute Flächen wie Innenhöfe
und Gärten, bei den Verkehrsflächen z.B. auch Böschungen, unbefestigte Wege oder
Lärmschutzwälle mit erfasst. In Verdichtungsräumen, in denen die Hälfte der deutschen
Bevölkerung lebt, erreicht die Siedlungs- und Verkehrsfläche heute schon im Durchschnitt
einen Anteil von über 50 %, in Einzelfällen bis zu 75 % (19). Stadterweiterung stößt in diesen
Städten an ihre ,,natürlichen" Grenzen. Schaut man sich die Entwicklung der
Siedlungsflächen an, so kamen 1930 nur 80 m² auf jeden Einwohner, Mitte der neunziger
Jahre ist dieser Wert dreimal so hoch. Die Siedlungs- und Verkehrsflächen in Deutschland
haben sich seit 1900 von 3 % auf 12 % der Fläche vervierfacht, dabei seit 1950 fast
verdoppelt (4/69). Die tägliche Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland
beträgt derzeit 130 ha ­ eine Fläche von der Größe von etwa 200 Fußballfeldern - wovon
laut Georg Rast, Gewässerexperte vom Aueninstitut des WWF, etwa 50 ha für den
Hochwasserschutz relevant sind (92).Von diesen 130 ha wird etwa die Hälfte versiegelt; (19).
Dabei wird das Niederschlagswasser meist direkt über die Kanalisation abgeleitet.
In welchem Ausmaß Versiegelung und Bebauung das Hochwassergeschehen im konkreten
Fall beeinflussen, ist abhängig vom Einzugsgebiet. In Verdichtungsräumen ist er höher als in
ländlichen geprägten Einzugsgebieten. Deichbau, Baugebiete und Verkehrsflächen in
Überschwemmungsgebieten haben die natürlichen Retentionsflächen reduziert und den
Hochwasserabfluss weiter beschleunigt. Nach einer Studie der Universität Karlsruhe liegen
die Hochwasserstände allein durch die gewachsenen Siedlungs-, Gewerbe- und
Verkehrsflächen am Rhein um 15 bis 20 Zentimeter höher als noch 1950. Diese Zentimeter
entscheiden darüber, ob z.B. die Kölner Altstadt überflutet wird oder nicht. Daher ist eines
der vordringlichsten Ziele des Hochwasserschutzes eine Umkehr im Flächenverbrauch. Die
Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung hat das Ziel vorgegeben, den
Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 ha pro Tag zu reduzieren. Nun sind Strategien, Konzepte
und Instrumente zu erarbeiten, die dieses Ziel möglichst rasch realisieren lassen. (15)
2.2.4 Gewässerausbau
Der Verlauf eines Hochwasserereignisses in einem Fließgewässer wird entscheidend von
der Struktur des Gewässers und der Wechselwirkung mit dessen Umland bestimmt. Infolge
des zunehmenden Ausbaus der Hauptfliessgewässer sowie auch der kleineren Zuflüsse ging

10
durch flussnahe Eindeichung, Kanalisierung und Regulierung und die Errichtung von
Staustufen ein Großteil der natürlichen Überschwemmungsflächen verloren: Der Rhein
büßte etwa 80 % seiner Auen ein, am deutschen Elbabschnitt sind nur noch ca. 13 % der
natürlichen Überschwemmungsflächen erhalten (60). Durch den Ausbau der Flüsse wurde
eine Einengung des Hochwasserprofils und dadurch eine Beschleunigung der
Hochwasserwelle und eine Verstärkung der Abflussspitzen bewirkt. Speziell der
Staustufenbau, der überwiegend in diesem Jahrhundert meist zur Energiegewinnung und für
die Schifffahrt erfolgte, führte zwangsläufig zu einem erheblichen Verlust der an zeitweise
Überschwemmungen angepassten - und darauf angewiesenen - Auenvegetation.
Beispielsweise hat sich durch den Verlust natürlicher Überschwemmungsgebiete am
Oberrhein in einer Größenordnung von 130 km² als Folge des Ausbaus mit Staustufen
zwischen 1955 und 1977 die Laufzeit einer Hochwasserwelle von Basel bis Karlsruhe
von
zwei Tagen auf einen Tag halbiert (3). Das Problem wird zusätzlich verschärft durch die
oftmals gleichzeitig eintreffenden Hochwasser der Nebenflüsse. Um durch die Überlagerung
der Hochwasserwellen auftretende Wassermassen auffangen zu können, müssten daher
zusätzliche Retentionsräume geschaffen werden. Flussbegradigungen führten zu einer
Verkürzung der Lauflänge und damit ebenfalls zu einer Abflussbeschleunigung. So wurde
der Elbelauf durch die Ausbaumaßnahmen der Vergangenheit, primär Mäanderdurchstiche
sowie Abtrennung und Ausdeichung von Flussschlingen, um 135 km verkürzt (88). So
fließen die Hochwasserwellen nicht nur schneller, sondern auch steiler und mit größeren
Volumina pro Zeiteinheit ab. Auch die schrittweise Errichtung einer zusammenhängenden
Staustufenkette in der böhmischen Elbe und an der unteren Moldau seit der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts mit dem Ziel der Schiffbarmachung führte zu maßgeblichen
Verkürzungen der Laufzeiten von Hochwasserwellen, die heute erheblich schneller, steiler
und mit höheren Volumina pro Zeiteinheit abfließen. Dadurch wird in den flussabwärts
liegenden Abschnitten die Hochwassergefahr stark erhöht. Weitere Verkürzungen des
Flusslaufes durch flussbauliche Maßnahmen der jüngeren Vergangenheit mit dem Ziel der
beschleunigten Hochwasserabführung auf möglichst kurzem Wege sowie der Mittel- und
Niedrigwasserregulierung zur Verbesserung der Schiffbarkeit in den letzten 100 Jahren
verursachten eine Vergrößerung des Sohlengefälles, eine Zunahme der Sohlenerosion und
des Feststofftransports sowie eine Vergrößerung und Beschleunigung des
Hochwasserscheitels. (3/21/60/70)
2.2.5 Anthropogene Klimaänderungen und Luftverschmutzung
Viele Fachleute schrieben die extremen und zahlreichen Hochwasser der neunziger Jahre
erst dem statistischen Zufall zu. Neuere Forschungen ergaben jedoch, dass sich seit den
siebziger Jahren das Wettergeschehen deutlich verändert hat. Die Klimaforschung hat
Veränderungen in der Entwicklung der Niederschläge festgestellt, die insgesamt auf mehr
und größere Hochwasser hinweisen. Die neue Entwicklung:
-
zunehmende Niederschläge, wobei saisonale Unterschiede und Änderungen beim
Ereignisverlauf zu beachten sind;
-
zunehmende Wetteranomalien (Extremniederschläge), wobei hier die regionalen
Unterschiede entscheidend sind;
-
zunehmende Häufigkeit und Persistenz von zyklonalen Westlagen in Mitteleuropa,
die für großflächige und lang anhaltende Starkregen verantwortlich sind. (101)
Trotz einiger noch offener Fragen der Forschung ist der Zusammenhang von häufigerem und
stärkerem Hochwasser und Treibhauseffekt nicht mehr abzustreiten. Besonders in den
nördlichen und östlichen Teilen Europas deuten sich gravierende Veränderungen an. Die
Erwärmung der Erde durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe und andere Abgase führt in
mittleren und nördlichen Breiten der Nordhemisphäre zu erhöhten Niederschlägen; in der
Folge steigt das Hochwasserrisiko.
Der Meteorologe Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom Institut für Klimafolgenforschung in
Potsdam ist der Meinung, man könne aus einem Einzelereignis nicht auf eine

11
Klimakatastrophe schließen, aber im Blick auf die weltweite Entwicklung der Extreme in ihrer
Häufigkeit stelle man eine Vervierfachung der Extremereignisse zwischen 1950 und 2000
fest. ,,Die Klimatologen wissen, dass der Übergang von einem Klimazustand in einen neuen
eine instabile Phase mit sich bringt", so Gerstengarbe (33). Zum Beispiel trat beim Übergang
vom wärmeren Klima im Hochmittelalter zur ,,Kleinen Eiszeit" ab 1450 auch eine Häufung
von Extremen auf. Die Änderung unseres heutigen Klimas geht auf die globale Erwärmung
zurück, die größtenteils anthropogen verursacht ist (33). ,,Im vergangenen Jahrhundert
erwärmte sich die Erde um 0,6° C. Bis Ende dieses Jahrhunderts wird ein Anstieg des
globalen Mittelwertes der Erdoberflächentemperatur um 1,4 bis 5,8° C angenommen", so
Schellnhuber, Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung. Schellnhuber
bezieht sich auf die Analysen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) aus
dem Jahre 2000, welche neben der oben genannten Erderwärmung einen
Meeresspiegelanstieg um 9 bis 88 cm bis zum Jahre 2100 prognostizieren (103). Es ist eine
allgemein anerkannte Tatsache, dass ein Temperaturanstieg zu einer Intensivierung des
Wasserkreislaufes führt, was sich in erhöhten Niederschlägen und Verdunstungsraten
äußern kann (18). Die Auswirkungen einer Klimaänderung im regionalen und lokalen
Maßstab sind für Deutschland bislang nur teilweise quantifizierbar. Eine entscheidende Rolle
für das Ausmaß klimabedingter Veränderungen spielt die räumlich-zeitliche Verteilung der
einzelnen Prozesse. Der Bericht der Bundesregierung konstatiert weiter: ,,...ist bei im
Mittelwert unveränderten, in den Extremen aber ausgeprägten Niederschlagsabfolgen eine
Zunahme von Ausmaß und Häufigkeit für Hochwassereignisse zu erwarten. (...) Heute läßt
sich feststellen, daß schon ein geringfügig verstärktes Auftreten von extremen
Witterungssituationen mit Starkregen und Tauwetterperioden deutlich verstärkte
Hochwasserabflüsse nach sich ziehen kann." (18) Auch die Bundesregierung sieht in ihrem
Bericht die in den letzten Jahren verstärkt auftretenden Hochwasserereignisse im
Zusammenhang mit einer Zunahme von Starkregenereignissen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass ein wärmeres und feuchteres Klima in Mitteleuropa
die hochwasserrelevanten meteorologischen Faktoren insgesamt in Richtung einer
Hochwasserbegünstigung verändern würde. Allerdings besteht weiterhin ein erheblicher
Klärungsbedarf hinsichtlich der Auswirkungen der allgemeinen Klimaszenarien auf das
regionale, sehr spezifische Abflussregime der größeren Flusssysteme. (12)
2.2.7 Ist der Mensch Schuld am Hochwasser?
Diese häufig gestellte Frage ist nicht eindeutig zu beantworten, da wie beschrieben
zahlreiche ineinandergreifende Faktoren für die Bildung von Hochwasser verantwortlich sind.
Primäre Ursache für außergewöhnliche Hochwasser sind immer außergewöhnlich starke
Niederschläge. Ist der Boden bereits wassergesättigt oder steht gar unter Frosteinwirkung,
kommt dies einer ,,natürlichen Versiegelung" gleich. So ist Hochwasser zunächst ein
natürliches Ereignis. Doch kann durch menschlichen Einfluss ein Hochwasser erheblich
verstärkt werden, sei es durch Veränderung der Landschaft, durch das Roden von Wäldern,
durch Flächenversiegelung oder durch Gewässerausbau. Selbst Schutzmaßnahmen können
das Gegenteil bewirken und an anderer Stelle ­ flussabwärts ­ das Hochwasser verstärken.
So wird, wie bereits geschildert, durch massiven Deichbau oder großräumige
Flussbegradigungen eine Abflusswelle entscheidend beschleunigt. Außerdem kann
menschliches oder technisches Versagen bei der Bedienung und Wartung von
Schutzeinrichtungen zu einer Verschärfung beitragen. Hochwasserschäden entstehen durch
Nutzung von Flächen, die eigentlich dem Fluss gehören sollten. Als global bedeutsamster
negativer Einfluss jedoch wirkt der weltweite Klimawandel infolge des so genannten
Treibhauseffekts, an dem der Mensch einen wesentlichen Anteil hat. Vieles spricht dafür,
dass die Klimaerwärmung die indirekte Ursache für zunehmende Überschwemmungen als
Folge zunehmender Niederschläge sowie des Meeresspiegelanstiegs ist. Insgesamt trägt
der Mensch durch seine Eingriffe in den Naturhaushalt maßgeblich zu einer Verschärfung
der Hochwasserproblematik und damit zu einer Verschlimmerung der Schäden bei. (9)

12
3
Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser
Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser lassen sich untergliedern in
1. Maßnahmen am Gewässer und in Überschwemmungsgebieten,
2. Maßnahmen im Freiraum zum dezentralen Wasserrückhalt und
3. Maßnahmen im Siedlungsbereich zum dezentralen Wasserrückhalt.
Maßnahmen am Gewässer und Überschwemmungsgebieten umfassen sowohl technische -
Deiche und Mauern, Hochwasserrückhaltebecken, Talsperren und Polder ­ als auch
vorbeugende Maßnahmen ­ Erhöhung der Retentionswirkung der Einzugsgebietsfläche
durch Gewässerrenaturierung und Rückgewinnung natürlicher Retentionsflächen. Im
Freiraum lässt sich der dezentrale Wasserrückhalt durch verschiedene land- und
forstwirtschaftliche Maßnahmen erhöhen. Auch in Siedlungsgebieten bestehen diverse
Möglichkeiten zur Erhöhung der Retentionswirkung, wie Förderung der
Niederschlagsversickerung und des Wasserrückhalts, Entsiegelung von Flächen und
Dachbegrünungen. Im Folgenden sollen diese verschiedenen möglichen Maßnahmen zum
Hochwasserschutz und zur Hochwasserprävention erörtert werden. Anschließend wird auf
die rechtlichen Grundlagen zum Hochwasserschutz in Deutschland eingegangen.
3.1
Maßnahmen am Gewässer und in Überschwemmungsgebieten
Hochwasserschutz am Gewässer lässt sich wie eingangs erwähnt durch technische oder
vorbeugende Maßnahmen erreichen. Bis heute hat in allen Bundesländern in erster Linie der
technische Hochwasserschutz eine hohe Priorität. Besonders an den großen Flüssen wird
hauptsächlich die Sanierung, Verstärkung und Erhöhung von Deichen und Dämmen
praktiziert, wobei in jüngerer Zeit eine teilweise Rückgewinnung von
Überschwemmungsgebieten durch Rückverlegung von Deichen angestrebt wird. Im
Folgenden werden die möglichen technischen und vorbeugenden Maßnahmen näher
erläutert.
3.1.1 Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes
Für eine nachhaltige Hochwasservorsorge sind Maßnahmen zur Erhaltung und
Reaktivierung der natürlichen Wasserspeicherung im gesamten Flusseinzugsgebiet
unerlässlich. Es muss so viel Wasser wie möglich so lange wie möglich auf der Fläche
gehalten werden. Die natürliche Speicherung in Gewässern und Auen muss gefördert
werden. Ein solches ,,Hochwasserflächenmanagement" sollte bei der Hochwasservorsorge,
dort wo es möglich ist, Vorrang vor einem ,,Hochwassermanagement" haben, das unter
anderem die Vergrößerung der Gewässernetzkapazität, den weiteren Deichbau und neue
Hochwasserrückhaltebecken einschließt. (3)
Viele - im Folgenden näher zu erläuternden - Einzelmaßnahmen auf lokaler und regionaler
Ebene tragen zur Erhöhung des Wasserrückhalts in der Landschaft, zur Begrenzung des
oberflächlich abfließenden Niederschlagswassers und zur Vermeidung einer beschleunigten
Wasserableitung bei. Die Summe dieser Einzelmaßnahmen wirkt hochwasserdämpfend.
Selbstverständlich sind diese Maßnahmen nicht nur auf hochwassergefährdeten Flächen,
sondern auf der gesamten Flusseinzugsgebietsfläche durchzuführen.
Wirksamer Hochwasserschutz beinhaltet in erster Linie den Verzicht auf
Ausbaumaßnahmen, die nachhaltig in das Abflussregime eingreifen, wie
Flussbegradigungen, Kanalisierungen, Entfernung des Uferbewuchses und Abtrennung der
Auen vom Fluss. Daher sollten alle geplanten Ausbaumaßnahmen hinsichtlich der
genannten Aspekte geprüft werden. Maßnahmen, die eine Verstärkung der
Hochwassergefahr erwarten lassen, sollten zurückgestellt und erneut diskutiert oder gänzlich
unterlassen werden. (3)

13
In zweiter Linie kommt es auf eine möglichst umfassende Wiedergewinnung von
Überschwemmungsgebieten an; sie können zur Abflachung der Hochwasserabflussspitzen
beitragen. Dabei ist der Rückverlegung von flussnahen Deichen der Vorzug zu geben, weil
das zum Fluss hin wieder geöffnete Gelände auch schon geringeren Hochwasserereignissen
ausgesetzt ist und sich auf diese Weise Auen reaktivieren können. Dieser Vorgang bedarf
keiner Steuerung. Polder (siehe Kap. 3.1.2) hingegen dienen der gezielten Rückhaltung bei
Hochwasserereignissen; sie werden in der Regel anderweitig, vor allem landwirtschaftlich
genutzt, woraus Interessenkonflikte entstehen können.
Bei der Rückgewinnung natürlicher Überschwemmungsgebiete haben Lösungen mit
möglichst geringen Eingriffen in den Naturhaushalt Vorrang. In diesem Zusammenhang sind
folgende Maßnahmen möglich:
-
Naturnaher Gewässerausbau,
-
Beseitigung oder Rückverlegung von Deichen und Dämmen,
-
Änderung der Betriebsweise vorhandener Hochwasserrückhaltebecken und
Talsperren, ökologische Flutungen.
Weiterhin können ohne den langwierigen Verfahrensgang dieser Maßnahmen ,,kleinere"
Maßnahmen angewendet werden, wie beispielsweise der Einbau von Sohlschwellen in das
Gewässer und die Anpflanzung von Uferbewuchs zur Erhöhung der Rauigkeit. Über letzteres
jedoch besteht unter den Experten Uneinigkeit bezüglich der Auswirkung von Auwäldern auf
den Hochwasserabfluss. So betonen die einen, dass Auwälder im Deichvorland auf lokaler
Ebene ein Problem für die Deichverteidigung im Hochwasserfall darstellen, wenn man
mangels Deichverteidigungswegen mit Booten zum Deich gelangen muss, und dass
Auwälder den Eisversatz erhöhen. Andere Fachleute bestätigen dies, betonen jedoch die
überregional positive hydraulische Wirkung von Auwäldern.
Erhaltung und Wiederherstellung naturnaher Gewässer, Uferrandstreifen und Auen
Nachdem in der Vergangenheit alle größeren Fließgewässer auf weiten Strecken technisch
ausgebaut wurden ­ Begradigungen, Kanalisation, Anlage eines regelmäßigen und
befestigten Profils, Entfernung des Uferbewuchses, technisch orientierte
Gewässerunterhaltung, Abtrennung und Nutzung der Auen ­ fand in den letzten Jahren eine
Trendumkehr hin zur Erhaltung der noch natürlichen Gewässerstrecken und zum naturnahen
Aus- und Rückbau der Gewässer statt. (70)
Bei natürlichen Fließgewässern und ihren Auen ist die Speicherfähigkeit des
Gewässernetzes durch ihr vielgestaltiges und hindernisreiches Bett und eine meist
krümmungsreiche Laufentwicklung gegenüber ausgebauten Gewässern wesentlich
ausgeprägter. Diese Beschaffenheit des Gewässerbetts und der bach- oder flussbegleitende
Bewuchs sorgen für einen langsamen Abfluss und eine frühzeitige Ausuferung in die
umliegende Talaue. Dadurch wird ein Teil des Hochwasserabflusses im Gebiet
zurückgehalten. Durch die in naturnahen Fließgewässern gegenüber technisch ausgebauten
Gewässern geringeren Fließgeschwindigkeiten bei Hochwasser wird der Hochwasserscheitel
zugunsten der Unterlieger gedämpft.. Die durch die langsamere Fließgeschwindigkeit
bedingte Anhebung des Wasserspiegels führt zu einem frühen Ausufern bei Hochwasser.
Damit können vorhandene Retentionsräume wieder genutzt und der Hochwasserabfluss
reduziert werden. Die genannten Wirkungen werden erreicht durch krümmungsreiche
Laufentwicklung, größere Profilquerschnitte, geringeres Gefälle, raue Gewässersohle,
Uferbewuchs und Anbindung des Gewässers an die Aue. (9)
Die durch die Erhöhung des Wasserspiegels bedingten häufigeren Überflutungen wirken sich
auf die Nutzungen in der Aue bzw. im Überschwemmungsgebiet aus. Jedoch ist immer eine
hydrologische Betrachtung des jeweiligen Gewässers erforderlich, da auch hier gilt, dass
Hochwasserschutz durch Wasserrückhalt dort, wo das Wasser zurückgehalten wird, höhere
Wasserstände als vorher bringt. (70)

14
Einschränkung des technischen Gewässerausbaus
Sofern Gewässer als Wasserstraßen für die Schifffahrt weiterhin genutzt werden sollen,
lassen sich Renaturierungsmaßnahmen nur bis zu einem gewissen Grad durchführen, ohne
die verkehrliche Nutzung bedeutend einzuschränken. Um eine Verschärfung der
Hochwassersituation als Folge der verkehrlichen Nutzung der Gewässer weitgehend
verhindern zu können, müssen sich die Bemühungen vorrangig auf den vorsorgenden
Hochwasserschutz konzentrieren, verbunden mit dem Ziel, so weit wie nur möglich auf
jegliche weitere Ausbaumaßnahmen zu verzichten.
Für Wasserstraßen, auf denen zukünftig ein Transportaufkommen erwartet wird, das einen
Infrastrukturausbau erforderlich macht, müssen folgende Aspekte berücksichtigt werden:
-
Ausbaumaßnahmen an Wasserstraßen sollten nur zugelassen werden, wenn auf den
Infrastrukturausbau der anderen Verkehrsträger (Schiene, Straße), die die gleichen
Transportrelationen bedienen, verzichtet sowie keine zusätzliche Konkurrenzsituation
zum Schienentransport geschaffen wird;
-
der Umfang der Ausbaumaßnahmen muss auf das notwendige Minimum beschränkt
werden;
-
die ökologische Verträglichkeit von Gewässerausbaumaßnahmen ist durch
Ausgleichsmaßnahmen zu sichern;
-
der Einfluss der Ausbaumaßnahmen auf die Hochwasserentwicklung sollte genau
geprüft werden und als wesentliches Entscheidungskriterium für oder gegen den
Ausbau gelten;
-
entsprechend dem Ausbauniveau sollten Wegekostenabgaben eingeführt werden,
die gestaffelt nach Schiffsgröße (z. B. max. Abladetiefe) erhoben werden, mit dem
Ziel, die Benutzer der ausgebauten Wasserstraßen im Verhältnis zu ihrem
Nutzenvorteil zu belasten;
-
wenn durch einen weiteren Ausbau ökologische Schäden zu erwarten sind, die auch
mittels Ausgleichsmaßnahmen kaum kompensiert werden können, muss ein Verzicht
auf den Ausbau - trotz nachgewiesener verkehrlicher Notwendigkeit - erwogen
werden. (3)
Aktuell: Ausbau von Elbe und Saale
Der bis 2012 geplante Ausbau von Elbe und Saale wurde nach der Flutkatastrophe im
August 2002 durch die Bundesregierung vorläufig gestoppt. (94)
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat nachgewiesen, dass die
beabsichtigte Verlagerung des Güterverkehrs auf die Wasserstraßen in den alten
Bundesländern gescheitert ist. Der Umfang der deutschen Binnenschifffahrt hat trotz des
Ausbaus des westdeutschen Wasserstraßennetzes auf ganzjährige Fahrwassertiefen von 2
bis 3 m stark abgenommen. Ernst-Paul Dörfler, Elbexperte des BUND, weist auf eine
Statistik der Bundesanstalt für Gewässerkunde hin, aus der hervorgehe, dass die deutsche
Binnenschifffahrt zwischen 1978 und 1998 33 % ihrer Schiffe und 25 % ihrer Tragfähigkeit
eingebüßt habe. (34) ,,Nach einer dpa-Meldung legte der Güterverkehr auf der Elbe zwischen
Hamburg und Magdeburg von 2000 auf 2001 um 7,5 % auf 9,4 Millionen Tonnen zu" (24).
Dörfler teilte dazu mit, diese Zahlen seien falsch: ,,Von den 9,4 Millionen Tonnen gehen rund
7 Millionen Tonnen über den Elbe-Seitenkanal, eine Million Tonnen über den Elbe-Lübeck-
Kanal und nur der Rest von gerade mal 1,4 Millionen Tonnen über die Elbe." Diese Zahlen
zeigen, dass bereits heute schon ein Schiffsverkehr zwischen Hamburg und Magdeburg über
die Strecke Elbe-Seitenkanal ­ Mittellandkanal möglich und offenbar wirtschaftlich ist - womit
ein weiterer Ausbau der Elbe nicht notwendig ist. (24). In Anbetracht dessen drängt sich die
Frage auf, ob ein weiterer Ausbau der Elbe die große Wende für die Schifffahrt bringen
würde, und ob der geplante Saaleausbau für Schiffe mit 1.000 bis 1.350 Tonnen sinnvoll ist,
wenn auf der Elbe die Schiffe in den Jahren 1999 und 2000 wegen Wassermangels nur 300
Tonnen laden konnten. Der geplante Ausbau von Elbe und Saale wird laut Dörfler ,,keine
Zunahme der Binnenschifffahrt hervorrufen, zumal die Großschifffahrt nicht mehr eine
Fahrwassertiefe von 1,60 m (Ausbauziel der Elbe), sondern 2,80 m verlangt (BUND

15
Magdeburg)". Auf einem typischen Niedrigwasserfluss wie der Elbe sei dies nicht
realisierbar, ohne den Fluss vollständig zu kanalisieren und ihn in eine Kette von Staustufen
zu verwandeln. Der BUND verweise weiterhin darauf, dass das ostdeutsche Schienennetz
mehr Gütertransporte benötige, um auf Dauer bestehen zu können. Daher sei es
verkehrspolitisch günstiger, den Zuwachs an Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern.
Dörfler hat errechnet, dass ,,bereits heute jedes Güterschiff, das ausschließlich auf der Elbe
verkehrt, pro Jahr vom Steuerzahler mit fast einer Million Mark subventioniert wird". Dieses
Geld ließe sich besser einsetzen für die Rückgewinnung von Retentionsraum. (30/34)
Anstatt die Elbe weiter auszubaggern, sollten die Binnenschiffe an den Fluss angepasst
werden. So wurde durch den Erfinder und Bauunternehmer Dieter Grimmig ein neuartiges
Schubschiff mit Schaufelradantrieb entwickelt, welches auch bei extrem niedrigem
Wasserstand fahren könne. Dieser neuartige Schiffsantrieb würde viele der bereits
durchgeführten Ausbaumaßnahmen der Elbe überflüssig machen. (34)
Sicherung und Wiederherstellung von Retentionsräumen und
Überschwemmungsgebieten
Natürliche Überschwemmungsgebiete bewirken eine Verlangsamung des
Hochwasserabflusses und eine Verminderung der Hochwasserspitzenabflüsse. Hier besteht
kein Versagensrisiko wie bei technischen Rückhaltemaßnahmen. Jedoch ist der
Flächenbedarf für die Verminderung der Hochwasserspitzen bei natürlichen
Überschwemmungsgebieten in der Regel höher als bei technischen Maßnahmen, was in den
wesentlich geringeren Einstauhöhen begründet ist. Außerdem kann man hier nicht durch
Steuerung in den Hochwasserablauf eingreifen. Dagegen sind technische
Rückhaltemaßnahmen mit erheblich höheren Kosten verbunden.
Nutzungskonflikte bestehen vor allem mit Siedlungs- und Gewerbeflächen sowie mit der
Verkehrsinfrastruktur; aber auch mit der Landwirtschaft, wenn hochwasserempfindliche
Kulturen angebaut werden. Bei an gelegentliche Überflutungen angepassten
landwirtschaftlichen Kulturen, wie beispielsweise Grünland, besteht kaum eine
Beeinträchtigung. (10)
Im Rahmen des Ziels langfristiger Hochwasservorsorgeplanung gilt es, noch vorhandene
Überschwemmungsgebiete zu sichern und zu erhalten, und verlorengegangene
Retentionsräume soweit wie möglich zurückzugewinnen. Dazu bestehen verschiedene
Möglichkeiten, wie nachfolgend beschrieben werden. (10)
Auf die Wiedergewinnung von Retentionsräumen in Form von Deichrückverlegungen sowie
durch die Einrichtung von Entlastungspoldern wird in Kapitel 3.1.2 eingegangen.
3.1.2 Maßnahmen des technischen Hochwasserschutzes
Auch nach allen Maßnahmen zur Verbesserung des natürlichen Wasserrückhalts bleibt eine
natürliche Hochwassergefahr im Gewässer. Sollen vorhandene höherwertige Nutzungen
weiterhin ermöglicht werden, kommt eine Risikominderung durch Maßnahmen des
technischen Hochwasserschutzes in Betracht. Diese Minderung ist jedoch nur bis zum
vorher bestimmten Schutzziel, dem Bemessungshochwasser, wirksam. Technischer
Hochwasserschutz ist öffentliche Infrastruktur zum Nutzen der Bürger, ohne eine
hundertprozentige Sicherheit vor Hochwasser zu garantieren. Auch nach dem Bau einer
Hochwasserschutzeinrichtung bleibt der dahinter liegende Raum dem Grunde nach
Bestandteil des natürlichen Überschwemmungsgebietes, wenn auch bis zum
Bemessungshochwasser für den Einzelnen verbesserte Nutzungsmöglichkeiten gegeben
sind. In Siedlungsgebieten wird meist ein Schutz vor 100jährlichen Hochwasserereignissen
angestrebt. Für darüber hinausgehende Hochwasser ist auch weiterhin das volle Risiko
vorhanden. Landwirtschaftlich genutzte Gebiete haben bei einer standortgerechten
Bewirtschaftung keinen Schutzbedarf. (70)

16
Technischer Hochwasserschutz ist teuer; der Schutzgewinn muss den Aufwand
rechtfertigen. Diese Rechtfertigung ist umso schwieriger, je höher das Schutzziel gesteckt
wird. Gleichzeitig ist immer auch Rechenschaft abzulegen, wie sich der Eingriff auf die
jeweiligen Ober- und Unterlieger auswirkt.
3.1.2.1
Hochwasserschutz durch Deiche und Polder
Schon immer hat der Mensch versucht, sich vor Hochwasser zu schützen. Besonders
entlang der großen und mittleren Gewässern wurden und werden zum Schutz von
Nutzungen (Siedlungen, Verkehr, landwirtschaftliche Flächen) vor Hochwasser Deiche,
Dämme und Schutzmauern gebaut. Man unterscheidet die niedrigeren Sommer- und die
höheren Winterdeiche. Sommerdeiche sollen landwirtschaftlich genutzte Flächen während
der Vegetationsperiode vor Sommerhochwassern schützen; im Winter können sie überströmt
werden, dann übernimmt der Winterdeich die Schutzfunktion für die höherwertigen
Nutzungen (Siedlungen).
Die Schutzwirkung durch Deiche ist begrenzt, da sie nur bis zu einem so genannten
Bemessungshochwasser einen Schutz bieten. Nach jedem höheren Hochwasser wurden die
Deiche und Dämme weiter erhöht und verstärkt. Im Vertrauen in die Deiche sind die
Nutzungen in den durch sie geschützten Gebieten bis heute immer weiter intensiviert
worden. Insbesondere in den letzten Jahrzehnten haben sich Baugebiete und
Gewerbeansiedlungen in die Flussniederungen vorgeschoben. Bei diesem Verhalten werden
die geschützten Gebiete zu den eigentlich gefährdeten Gebieten.
Das Überströmen von Deichen und die damit verbundene Erosion des Deichmaterials führt
in kurzer Zeit zum Bruch ganzer Deichabschnitte, woraufhin das geschützte Gebiet hinter
den Deichen schlagartig geflutet wird. Jedoch kann es auch bei ausreichender Deichhöhe zu
Deichbrüchen kommen, denn Deiche unterliegen einem natürlichen Alterungsprozess. Die
Gefahr eines Deichbruchs wächst mit der Höhe und Dauer des Einstaus, zumal die Deiche
durch die Einsickerung von Wasser allmählich durchweichen. (70).
Deichsanierung und Deichneubau
Alle Deiche müssen als technische Bauwerke unterhalten werden. Jedoch wird auch bei
regelmäßiger Unterhaltung nach einer bestimmten Zeitpanne eine Grundinstandsetzung
notwendig. Die Deichsanierung (Verstärkung, Erhöhung) hat in allen Bundesländern eine
hohe Priorität und erfordert heute den größten Anteil der Investitionen in den
Hochwasserschutz.
Bei der notwendigen Deichsanierung können folgende Maßnahmen zur Erhöhung des
Wasserrückhalts Anwendung finden:
-
Deichrückverlegung oder Beseitigung von Sommerdeichen zur teilweisen
Rückgewinnung von Überschwemmungsgebieten,
-
Deichneutrassierungen und Deichlinienverkürzung zur Aufweitung hydraulisch
ungünstiger Abflussquerschnitte, Rücknahme schar (d.h. direkt an der Strömung)
liegender Deichabschnitte sowie Vermeidung von Deichabschnitten, die senkrecht
zur Strömung liegen
-
Schaffung von gesteuerten oder ungesteuerten Poldern zur Hochwasserretention,
Unter dem Eindruck von Hochwassern werden oft kurzfristig Deiche erneuert, erhöht,
verstärkt, abgespundet und Schutzwege angelegt. Für derartige Maßnahmen, durch die das
Grundproblem nicht gelöst wird, wurden in den letzten Jahren Hunderte Millionen Euro
ausgegeben. Natürlich spricht nichts gegen eine Deicherneuerung, wenn eine unmittelbare
Gefahr droht. Aber die konservative Deichpolitik der Vergangenheit sollte nur noch dort
angewandt werden, wo es unabdingbar ist. Die Deicherneuerung oder ­erhöhung mit
Hinterwegebau zerstört ökologisch wertvolle Flächen oder lässt sie verarmen. Außerdem
zerstört die Abspundung die Wasserstandsdynamik der Aue. Daher sollte der Schwerpunkt
auf die Rückverlegung der Deiche gesetzt werden. (9)

17
Deichrückverlegung und Beseitigung von Sommerdeichen
Vorbeugender, ökologischer Hochwasserschutz gewährt dem Fluss den Raum, den er
braucht und ermöglicht so das Leben in den Auen. Die Funktion der Auen als
Überschwemmungsgebiet sollte überall dort wieder hergestellt werden, wo es hinsichtlich der
Topographie und der vorhandenen Nutzung möglich ist. Dies kann durch großräumige
Deichrückverlegungen sowie die Beseitigung von Sommerdeichen erfolgen. Durch gezielte
Rückverlegungen von Deichen werden die Erfordernisse hinsichtlich der auentypischen
Standorte gegenüber der Lösung mittels sporadischem Poldereinstau (siehe unten) im
wesentlichen erfüllt. Wenn auch nur ein gewisser Teilbereich der Altaue durch die
Maßnahme in die Gewässerdynamik einbezogen wird, werden die wichtigsten ökologischen
Grundlagen für Erhaltung, Reaktivierung und Erweiterung auetypischer Standorte und
nachfolgender Lebensgemeinschaften gelegt, da auch kleinere Hochwässer in die dadurch
gewonnene Fläche einfließen können. Eine Rückverlegung mit funktionaler und ökologischer
Effektivität orientiert sich an den historischen Überschwemmungsgebieten. Die gesamten
Talauen der Flüsse müssen in die Planung mit einbezogen werden, da viele Flächen am
Fluss im Siedlungsbereich nicht mehr zur Verfügung stehen. Dafür sollte, wo möglich, ein
Ausgleich geschaffen werden. Für bereits bebaute Auenflächen müssen an anderer Stelle
zum Ausgleich neue Rückhalteflächen ausgewiesen werden, um das Schadenspotenzial zu
senken.
Aus ökologischer Sicht sollte die Rückverlegung von Deichen nicht den vollständigen Abbau
der alten Deiche bedeuten, sondern ihre Substanz erhalten und an verschiedenen Stellen
den Durchfluss ermöglichen, denn Deiche sind wertvolle Ersatzlebensräume in den Auen.
Sie ersetzen die Kiesaufschüttungen und zum Teil auch Hochufer des ursprünglichen
natürlichen Flusses. (9)
Die Planung und Umsetzung von umfangreichen Deichrückverlegungen erfordert Zeit. Damit
während dessen keine weiteren Hindernisse für einen ökologischen Hochwasserschutz
entstehen und Renaturierungsmöglichkeiten eingeschränkt werden, sollten Auen-Biotope
und potenzielle Überschwemmungsflächen auch außerhalb der bestehenden Deiche überall
konsequent geschützt werden. (9)
Anlegen von Poldern
Unter Poldern versteht man Rückhaltebecken, die nicht vom Gewässer durchflossen werden.
Die Polderbewirtschaftung stellt in vielen Hochwasserschutzkonzeptionen einen zentralen
Punkt dar. In der Regel wird ein gewisses Volumen der Hochwasserwelle in zeitweilige
Speicherräume, also Polderflächen mit definierten Volumina, eingeleitet,
zwischengespeichert, und nach dem Durchlauf des reduzierten Hochwasserscheitels wieder
in den Fluss zurück geleitet. Entlang der Mittelelbe stehen mehrere eingedeichte
Niederungen als Polderflächen zur Verfügung. Dabei handelt es sich um Sommerpolder
(Dornburger Niederung, Garbeniederung, Havelpolder etc.), die in der Regel ­ mit
Ausnahme der Garbe ­ nicht gezielt geflutet werden, sondern sich ungesteuert füllen.
Gegebenenfalls besteht die Möglichkeit der Flutung über Siele, welche jedoch
normalerweise zur Entwässerung vorgesehen sind. Des weiteren bestehen einzelne
Möglichkeiten einer gezielten Flutung, wie zum Beispiel in der Magdeburger Elbumflut. Im
Bereich der Havel stehen sechs Havelpolder für den Fall von extremen
Katastrophenhochwässern zur Verfügung, die durch Sprengung der Deiche geflutet werden
können, wie dies im August 2002 erstmals geschehen ist. In diesem Sinne kann hier laut
Jährling (54) ,,nicht von einer Polderbewirtschaftung, sondern eher von einem ungesteuerten
Poldereinstau gesprochen werden".
Sowohl die Sommerpolder an der Elbe als auch die gesteuerten Taschen- und Fließpolder
mit Querriegeln, wie sie am Rhein zu finden sind, weisen aus ökologischer Sicht ernst zu
nehmende Mängel auf, da durch das Fehlen regelmäßiger kleinerer Überschwemmungen
(Flutung nur bei Spitzenhochwasser) die eigentlich notwendige Anpassung der
Lebensgemeinschaften an die Überflutungen nicht stattfinden kann. Polderflächen werden

18
auf Grund der Zielstellung nur sporadisch überflutet, wodurch sich in den Poldern
aueuntypische Biozönosen entwickeln können. Nach der Flutung dieser Polder bei
Spitzenhochwässern kommt es hier jedes Mal zum Zusammenbruch ganzer
Lebensgemeinschaften, wie dies den Flächen in den Havelpoldern widerfahren ist. Weiterhin
verläuft laut Jährling (54) ,,die einströmende Welle völlig untypisch, ohne Gewährleistung der
eigentlichen Dynamik bis hin zum Grundwasser. Die hydraulischen Wirkungen bleiben
begrenzt, es kommt zum einfachen Einstau mit stehendem Wasser", eine ökologisch aktive
Verbindung der Flächen mit dem Fluss ist nicht vorhanden. Durch die zum Teil ungeeigneten
Landnutzungsformen (Mähwiesen, teilweise Ackernutzung und Flächenumbruch) sind
Auswirkungen auf die Wasserqualität nicht auszuschließen.
Mit so genannten ,,ökologischen Flutungen" bei niedrigeren Hochwassern wird nun versucht,
eine Auen-Situation und die Anpassung von Tieren und Pflanzen annähernd wieder
herzustellen. Der plötzliche, starke und nicht fließende Stau eines Taschen-Polders hat
wenig gemeinsam mit dem Flut-Polder der zurück verlegten Deiche, in welchem das Wasser
in der Bewegung mit dem Fluss bleibt. Letzteres ist eine naturnähere Lösung, die eindeutig
Vorrang vor technisch-funktionalen Ansätzen haben sollte.
Als Beispiel für den Beitrag von Entlastungspoldern zum Hochwasserschutz durch Kappung
des Hochwasserscheitels, aber auch für die negativen ökologischen Folgen der seltenen
Flutung von Taschenpoldern im Falle eines Extremhochwassers soll hier die erstmalige
Flutung der Havelpolder heran gezogen werden.
Um bei Elbehochwassern einen Havelrückstau zu verhindern, wurde zu Beginn des vorigen
Jahrhunderts die Havelmündung unterhalb von Havelberg durch einen parallel zur Elbe
verlaufenden Kanal, den Gnevsdorfer Vorfluter, weiter elbabwärts verlegt. Aus dem Wissen
heraus, dass Elbe und Havel selten gleichzeitig Hochwasser führen, wurde ein System zur
Zwischenspeicherung des Hochwasserscheitels der Elbe in der Havelniederung eingerichtet.
Kernpunkte dieses Systems sind die 1936 gebauten Quitzöbeler Wehre, die nach dem
Zweiten Weltkrieg noch durch die Wehre Neuwerben und Gnevsdorf ergänzt wurden. Bis
zum August 2002 wurde dieses System nie zur Hochwasserregulierung eingesetzt.
Sobald sich in der Elbe ein Hochwasser aufbaut, wird die Havelmündung am Wehr Quitzöbel
verschlossen und die Havel beginnt sich hinter den Wehren Quitzöbel und Neuwerben
aufzustauen. Bei einem extremen Elbehochwasser wie im August 2002 kann der Stauraum
des Havelschlauchs genutzt werden, um den Hochwasserscheitel der Elbe zu kappen und
so die Unterlieger vor größeren Überflutungen zu schützen. Die Havel kann bis zu einem
festgelegten maximalen Wasserstand am Pegel Havelberg bis zu 140 Mio. m³ Wasser
zurück halten. (67)
Kurz bevor der Hochwasserscheitel der Elbe die Havelmündung erreicht, wird das
Neuwerbener Wehr geöffnet, so dass Elbwasser in die Havel strömt und sich der
vorgesehene Stauraum füllt. Nach Ablauf der Hochwasserwelle der Elbe kann das Wasser
aus der Havel über das Wehr Quitzöbel und über den Gnevsdorfer Vorfluter wieder in die
Elbe abgeleitet werden. (32)
1955 wurden für extreme Hochwasser rechts und links der Havel Polder errichtet und später
als Überschwemmungsgebiete rechtlich festgesetzt. Durch diese Flächen wird der
Pufferraum für den Hochwasserfall in der unteren Havel nochmals um 110 Mio. m³,
insgesamt also auf 250 Mio. m³ Wasser erhöht. Um diese Polder schnell fluten zu können,
müssen bei einem möglichst hohen Wasserstand in der Havel kurzfristig große Öffnungen in
den Polderdeichen geschaffen werden; dann füllen sich die Polder und die Wasserstände
der Havel sinken. Im August 2002 wurden diese Havelpolder durch Sprengung der
Polderdeiche erstmals genutzt und dadurch der Hochwasserscheitel der Elbe um 41 cm
gekappt. So wurde die Überschwemmungsgefahr für alle Unterlieger spürbar gesenkt. (67)

19
Abb. 2: Schematische Darstellung der Havelmündung
Quelle: Koll, C.: Havelpolder schaffen Platz für Hochwasser in der Elbe. Landesumweltamt
Brandenburg, Ref. 71, bearbeitet
Die negativen ökologischen Folgen der Polderflutungen jedoch waren immens: auf den
hauptsächlich landwirtschaftlich genutzten Polderflächen begannen Mais und Saatgrasland
im sich erwärmenden, stehenden Wasser zu faulen, der Sauerstoffgehalt sank vielerorts auf
Null, Schwefelwasserstoff bildete sich, Fische und Wirbellose gingen ein. Als das Wasser
aus diesen Flächen in Havel, Dosse und Gülper See zurück strömte, kam es dort zu
massivem Fischsterben. Der ökologische Schaden ist enorm; die ökonomischen Verluste für
die Fischerei summierten sich auf einen Millionenbetrag. Daraus ergibt sich die
Notwendigkeit, die Landnutzung in Flutungspoldern anzupassen; Ackerbau auf diesen
Flächen ist nicht angemessen. Eine extensive Grünlandnutzung ist wesentlich sinnvoller.
Dafür müssen neue Betriebskonzepte erstellt werden, den betroffenen Landwirten sind
Umstellungshilfen zu geben. Weiterhin sollten mittels geeigneter Steuerungseinrichtungen
regelmäßige ökologische Flutungen erfolgen, damit sich auf den Flächen eine auenähnliche
Landschaft entwickeln kann, die eine Überstauung mit Wasser verträgt. (32)
3.1.2.2
Hochwasserrückhaltebecken und Talsperren
Eine weitere Möglichkeit des technischen Hochwasserschutzes ist die Verminderung des
Abflusses durch Hochwasserrückhaltebecken und Talsperren.
Hochwasserrückhaltebecken haben die Aufgabe, bei seltenen Hochwassern zumindest
einen Teil des Hochwasserabflusses zwischenzuspeichern und langsam wieder abzugeben.
Im Gegensatz zu Poldern werden Rückhaltebecken in der Regel im Gewässerlauf errichtet
und sind nicht ständig mit Wasser gefüllt, so dass die Fläche landwirtschaftlich genutzt
werden kann (Grünland). Beim Betrieb von Rückhaltebecken wird das Wasser innerhalb des
Hochwasserzeitraumes lediglich zeitlich verlagert. Entscheidend für die Wirkung der
Retention ist die Dauer der Rückhaltung. Je größer die Entfernung zum Schutzobjekt, desto
länger muss das Wasser zurückgehalten werden. Damit stehen sich Interessen im
Fernbereich an dauernder Rückhaltung und Interessen im Nahbereich an kurzfristiger

20
Speicherung mit sofortiger anschließender Leerung entgegen. Daher muss schon bei der
Planung jeder Rückhaltung entschieden werden, ob deren Wirkung im Nah- oder
Fernbereich erreicht werden soll. Der vorhersagegesteuerte Einsatz von Rückhaltesystemen
ist dabei auf Laufzeiten der Hochwasserwelle im Rahmen der verfügbaren Vorhersagezeiten
beschränkt. Die Einrichtung von Rückhalteräumen ist kostspielig. Je kleiner die
Rückhaltebecken, desto höher sind die Baukosten je Kubikmeter Retentionsraum.
Realistisch sind Kosten zwischen 6 Euro pro Kubikmeter bei großen Becken bis zu 30 Euro
je Kubikmeter bei kleinen Becken. (70)
Talsperren sind dauerhaft mehr oder weniger wassergefüllte Täler, die z. B. für die
Trinkwasserversorgung, die Stromerzeugung oder die Niedrigwasseraufhöhung
bewirtschaftet werden. (2/68). Die in Talsperren vorgehaltenen Hochwasserschutzräume
werden für gewöhnlich wie Hochwasserrückhaltebecken betrieben. Das im
Bewirtschaftungsraum der Talsperre zwischengespeicherte Wasser wird dem Hochwasser
entzogen; so tragen Talsperren immer wieder zur Entlastung von Hochwassersituationen
bei. Die verschiedenen Aufgaben des Talsperrenbetriebs schränken die
Hochwasserrückhaltung jedoch ein. So birgt die Niedrigwasseraufhöhung, also die Abgabe
des zurückgehaltenen Wassers zu Niedrigwasserzeiten ­ hauptsächlich zur Verbesserung
der Schifffahrtsverhältnisse - eine gewisse Problematik, denn normalerweise folgen
Niedrigwasserperioden nicht unmittelbar einem Hochwasser. Das Rückhaltebecken bleibt
über einige Zeit gefüllt und steht während dieser Zeit nicht oder nur in beschränktem Maße
für die Hochwasserretention zur Verfügung. Das gleiche gilt für die Anreicherung oder
Speicherung von Grundwasser. Da das Versickern des Wassers in den Untergrund Zeit
erfordert, der Zufluss des Hochwassers aber in relativ kurzer Zeit erfolgt, müsste ein
Hochwasserrückhaltebecken, das zu einer unterirdischen Wasserspeicherung beitragen soll,
zumindest zeitweise teilgefüllt sein. Ein bereits gefülltes Becken jedoch kann keine
Retentionsfunktion ausüben. Wären die vorhandenen Talsperren zu Beginn des
Elbehochwassers im August 2002 nicht bereits so voll gewesen, hätten sie einen großen Teil
des Hochwassers auffangen können. Sofern also bei ausreichendem Beckenvolumen
verschiedene wasserwirtschaftliche Aufgaben erfüllt werden sollen, bedarf es eines genau
vorausberechneten Betriebsplanes und einer umfassenden Steuerung des Beckens. (2/9/70)
Weiterhin führen Staustufen bei Stauhaltungen über Gelände der ehemaligen
Mäanderstrecken zwangsläufig zu einem Verlust der natürlichen Überschwemmungsgebiete.
Daher ist der Neubau von Staustufen und Teilaufstauungen zur Anpassung an immer
größere Schiffe an den wenigen noch freifließenden Abschnitten der größeren Flüsse aus
heutiger Sicht nicht mehr zu vertreten. (99)
Die Bundesanstalt für Gewässerkunde hat für den Rhein nachgewiesen, dass die am
Oberrhein gebauten Staustufen den Scheitelabfluss erhöht haben. Selbst durch die
geplanten umfangreichen Retentionsmaßnahmen, die das Hochwasser zurückhalten sollen,
kann dieser nicht mehr vollständig ausgeglichen werden. (71)
Die ökologischen Nachteile von Hochwasserrückhaltebecken haben zu der Suche nach
Alternativen zum Bau derartiger Anlagen geführt. Beispielsweise lässt sich der Bau von
neuen Hochwasserrückhaltebecken vermeiden, indem die Nutzung der vorhandenen Becken
mittels Steuerung verbessert wird. Durch ,,ökologische" Steuerung, das heißt, dass kleinere
Hochwasser zugelassen werden, lässt sich die Beeinflussung des Gewässerregimes
vermindern. Indem man mehrere kleinere Becken errichtet (dezentrale Lösungen), lässt sich
der Bau großer Hochwasserrückhaltebecken vermeiden. Weiterhin können vorhandene
Wege-, Straßen- und Eisenbahndämme für die Errichtung kleinerer Becken genutzt werden.

21
3.1.2.3 Mobiler Hochwasserschutz
In Siedlungsgebieten mit begrenztem Raum werden auch häufig Hochwasserschutzmauern
errichtet, ergänzt durch bewegliche Verschlüsse oder Aufbauten. In jüngerer Zeit werden
auch über große Schutzlängen mobile Wände eingesetzt, wobei der Umfang des Einsatzes
von der Vorwarnzeit und der verfügbaren Kapazität für Lagerung, Transport und Aufbau
abhängt. (70)
Der Schweizer Hochwasser-Forscher Hans Helmut Bernhard hat den Hochwasserschutz
auf Knopfdruck entwickelt: einen hochklappbaren Gehsteig, der bei niedrigem Pegel freie
Sicht auf den Fluss gewährt und sich bei Hochwasser zu einer ein bis zwei Meter hohen
Mauer aufklappen lässt. In Locarno am Lago Maggiore sind diese mobilen Hochwasser-
Schutz-Wände erstmals gebaut worden. Sie schützen dort auf einer Länge von ca. 400
Metern ein Altersheim. In Deutschland hat die baden-württembergische Stadt Sinsheim 55
Meter Klappweg als Teil eines Damms um den Segelflughafen bauen lassen. Normalerweise
liegt dieser Damm flach, bei einer Flut schützt er die Flugzeuge vor dem Wasser. Die Start-
und Landebahn dient dann als Überflutungsbecken (Polder) für den kleinen Fluss Elsenz.
(87)
Abb. 3: Hochklappbarer Gehweg
Quelle: RAUNER, M.: Notfalls ein Quick-Damm. In: Die ZEIT, 35/2002
Selbst die Experten sind von dieser Technik überzeugt. Rainer Römer von der
Gewässerdirektion Heidelberg meint, damit ließen sich nicht nur einzelne Gebäude, sondern
ganze Stadtteile schützen. Theoretisch ließe sich auf diese Weise ein Fluss sogar zehn
Meter hoch aufstauen, doch derart hohe Barrieren sind zu riskant: Sollten sie an einer Stelle
aus der Verankerung reißen, würde das Wasser mit noch größerer Wucht in die Straßen
rauschen. (87)
Der große Durchbruch blieb der Klapptechnik aus ökonomischen Gründen jedoch bislang
verwehrt. Die Sinsheimer Anlage kostet eine halbe Million Euro. Viele Städte bevorzugen
preiswertere Platten aus Aluminium oder schlicht Holzbalken, die bei Hochwasser einfach in

22
senkrechte Ständer eingeschoben werden. Oder sie kaufen mobile Dämme wie die
schwedischen ,,Aqua Barriers", bei denen Paletten, Stahlstützen und Kunststoffplanen zu
einem Damm verbunden werden. Weiterhin gibt es den ,,Quick-Damm" eines hessischen
Erfinders, der Wannen aus Lkw-Planen und Stahlrohren mit Sand oder Wasser füllt. Dieser
Damm kostet 250 Euro pro Meter. (87)
Weiterhin wurden die so genannten ,,Beaver" entwickelt, das sind fünf Meter lange
Kunststoffschläuche, die miteinander verbunden und mit Wasser gefüllt werden und im
Hochwasserfall die altbewährten Sandsäcke ersetzen könnten. Um einen 500 Meter langen
Damm aus Sandsäcken zu errichten, müssen 700 Tonnen Sand in Säcke abgefüllt und in
Knochenarbeit ausgelegt werden. Dem gegenüber haben die Beaver den Vorteil, dass
weniger Material benötigt wird und ein schnellerer Einsatz gewährleistet ist. Im Ernstfall
müssen sich die Beaver jedoch erst bewähren. (105)
3.2
Maßnahmen im Freiraum zum dezentralen Wasserrückhalt
Etwa 85% der Gesamtfläche Deutschlands entfallen auf Landwirtschafts- und Waldflächen.
Im Folgenden werden die verschiedenen Maßnahmen, die der Landwirtschaft und der
Forstwirtschaft zur Erhöhung des Wasserrückhaltes und somit für einen vorbeugenden
Hochwasserschutz zur Verfügung stehen.
3.2.1 Erhöhung der Retentionswirkung durch landwirtschaftliche Maßnahmen
Standortgerechte landwirtschaftliche Flächennutzung dient dem nachhaltigen Schutz des
Bodens und zugleich dem Wasserrückhalt im Einzugsgebiet. Die landwirtschaftliche
Bewirtschaftung des Bodens muss die Belange des Natur- und Hochwasserschutzes
berücksichtigen.
Im Zuge der Flurbereinigung wurden vielerorts kleine Ackerparzellen zu großen Flächen
zusammengelegt, Feuchtstandorte wurden durch Drainagen entwässert,
abflussvermindernde Landschaftselemente wie Hecken und Gehölzpflanzungen,
Böschungen und Geländekanten, Raine und Feldgehölze entfernt, große landwirtschaftliche
Flächen durch den Einsatz schwerer Maschinen verdichtet, Wirtschaftswege angelegt. Hier
verbinden sich Versiegelung und Abflussbeschleunigung, vor allem wenn der seitliche
Abfluss nicht versickert, sondern in Gräben abgeführt wird. Daher besteht hauptsächlich dort
Handlungsbedarf im Sinne des vorbeugenden Hochwasserschutzes, wo infolge der
Flurbereinigung solche ausgeräumten Agrarlandschaften entstanden sind. Diese sollten
wieder mit abflusshemmenden und landschaftsgliedernden Strukturelementen angereichert
werden. Gleichzeitig sollten solche Agrarlandschaften, in denen noch kleinteilige Strukturen
mit Hecken, Feldgehölzen, Obstwiesen und einem höheren Grünlandanteil vorherrschen,
gesichert und erhalten werden. Im Folgenden werden Maßnahmen aufgezeigt, die einen
positiven Einfluss auf die Wasserspeichereigenschaften von land- und forstwirtschaftlichen
Böden und den Gebietsrückhalt haben. Grundsätzlich kommen im Zusammenhang mit der
Schaffung bzw. dem Erhalt wasserspeichernder und abflusshemmender Landschafts- und
Bewuchsstrukturen folgende Maßnahmenarten in Betracht:
-
Verbesserung und zeitliche Ausdehnung der Bodenbedeckung, Vermeidung von
Schwarzbrachen;
-
Hangparallele Bodenbearbeitung, Anlage von hanggliedernden Strukturen;
-
Vermeidung des Anbaus erosions- und oberflächenabflussfördernder Kulturen wie
Mais und Zuckerrüben in Hanglagen;
-
Verringerung der Bodenverdichtung durch schwere landwirtschaftliche Maschinen;
-
Verbesserung der Bodenstruktur zur Erhöhung der Infiltration durch geeignete
agrotechnische Maßnahmen, die zu einem erhöhten Humusgehalt und einem
höheren Durchwurzelungsgrad führen;

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832475239
ISBN (Paperback)
9783838675237
Dateigröße
6.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen – Geowissenschaften 16, Geographie
Note
1,7
Schlagworte
hochwasser überflutungsgebiet elbe retentionsfläche hochwasserschutz
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Titel: Untersuchung der Mittelelbe hinsichtlich potenzieller Polderflächen für den Hochwasserschutz
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