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Internet-gestützte Jugendberatung im ländlichen Raum

©2002 Diplomarbeit 93 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Lebensphase Jugend hat sich zum Lebensabschnitt voll widersprüchlicher Anforderungen und unwägbarer Risiken entwickelt. Die Notwendigkeit der Jugendberatung als Bewältigungshilfe ist allgemeine Einschätzung in der Fachliteratur; eine steigende Nachfrage geht aus den Berichten der Beratungsstellen hervor, aus den Statistiken sämtlicher Internet-Beratungsanbieter, die ich im Verlauf meiner Recherchen untersucht habe.
Die geringer werdende Anzahl Jugendlicher ist ein Faktor, der auf Seiten der Jugendlichen im Land Brandenburg die Situation zusätzlich verschärft, auf Seiten der Träger der Jugendhilfe den Unterhalt eines flächendeckenden, zeitlich und räumlich erreichbaren Beratungsangebotes erschwert. In diesem Zusammenhang ist der Gedanke an den Einsatz von Internet-Beratung zur Sicherung eines ausreichenden und rechtzeitigen Jugendberatungsangebotes naheliegend. Das Medium scheint wie kein anderes geeignet, das Problem der großen Entfernungen zu überwinden und gleichzeitig dem Inhalt ‚Beratung‘ seine attraktive Form zu verleihen.
Von diesem Gedanken ausgehend definiere ich zunächst den Begriff der Jugendberatung, um an diesem als Standard Internet-Beratung messen zu können. Ich untersuche die aus meiner Sicht notwendigen Leistungen der Jugendberatung und definiere den Bedarf, um feststellen zu können, inwiefern die Internet-Beratung geeignet ist, Aufgaben der Jugendberatung zu übernehmen und um welche Aufgaben es sich dabei handelt. Jugendberatung braucht besondere Räume und Bedingungen, sie muss sich inhaltlich dicht an der Lebenswelt orientieren und im Alltag der Betroffenen erreichbar sein. Die Optionen des Internet scheinen diese Bedingungen auf besonders vorteilhafte Weise – im Sinne eines jugendgemäßen und fachlich begründeten Angebotes - erfüllen zu können. Ich gehe der Frage nach, welche Voraussetzungen vorhanden sein oder geschaffen werden müssen, um ein nach fachlichen Standards qualifiziertes Internet-Beratungsangebot umsetzen zu können. Fachliche Standards wurden für die Jugendberatung bereits erarbeitet. Für die Internet-Beratung ist diese Arbeit noch zu leisten, Standards müssen übertragen oder entwickelt werden. Ich werde Kriterien für die Qualität und den Erfolg der Internet-Beratung beschreiben. Diese Kriterien sind erforderliche Prüfpunkte, um ein Beratungsangebot bewerten zu können. Ziel dieser Arbeit ist es, die notwendigen Bedingungen und Voraussetzungen zu prüfen und zu beschreiben,
unter denen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7505
Burchert, Eva-Maria: Internet-gestützte Jugendberatung im ländlichen Raum
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Fachhochschule Potsdam, Fachhochschule, Diplomarbeit, 2002
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Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
0
Einleitung
1
1
Vorstellung einer Auswahl von Internet-
Beratungsanbietern
1.1 Telefonseelsorge
1.2 Kummernetz
1.3 Jugendline
1.4 bke-sorgenchat.de
2
Jugendberatung
2.1 Zum Begriff der Jugendberatung
2.2 Ziele der Beratung
2.3 Definition des Bedarfs an Jugendberatung
2.4 Prävention und Öffentlichkeitsarbeit
2.5 Anonymes Beratungsangebot
2.6 Kooperation mit andere
n sozialen Einrichtungen
2.7 Arbeitsformen der Beratung
3 Internet-Beratung
3.1 Betrachtungen zur Medienentwicklung
3.1.1 Jugend und Internet
3.1.2 Gefahren der Internetnutzung

3.2 Grundlagen und Voraussetzungen der
Internet-Beratung
3.2.1 Funktionsweise von eMail, Chat und Forum
3.2.2 Spezifische Eigenschaften der Internetkommunikation
3.2.3 Aufbau der Website
3.2.4 Sicherung der Daten
3.2.5 Aufgabenbereich Administration
3.2.6 Qualifizierung der MitarbeiterInnen
3.2.7 Aufgaben der ModeratorInnen
3.3 Beratung und Kommunikation
3.3.1 Übertragung der Arbeitsformen der Jugendberatung auf
das Internet
3.3.2 Förderung der Kommunikation und Selbsthilfe
3.3.3 Beratungsanlässe bei der Internet-Beratung
3.4 Grenzen der Internet-Beratung
3.4.1 Kanalreduktion
3.4.2 Fehlerquellen
3.4.3 Transferprobleme
4
Die Internet-Beratung als Bestandteil der
Jugendberatung im ländlichen Raum
4.1 Lebenslagen Jugendlicher in Brandenburg
4.2 Einsatzmöglichkeiten der Internet-Beratung
4.2.1 räumliche Distanz
4.2.2 Niederschwelligkeit
4.2.3 Anonymität

4.2.4 Prävention
4.2.5 Krisenberatung
4.2.6 Örtliche Einbindung und Vernetzung
5
Qualität und Evaluation
5.1 Evaluation der Internet-Beratung
5.1.1 Fragenkatalog
5.1.2 Rückmeldung durch NutzerInnen
5.1.3 Dokumentation
5.1.4 Kollegiale Beratung
5.2 Kriterien für die Internetseite
5.2.1 Bekanntheit
5.2.2 Attraktivität
5.2.3 Informativität
5.2.4 Nutzerfreundlichkeit
5.3 Kriterien für das Beratungsangebot
5.3.1 Verbindlichkeit
5.3.2 Kontinuität und Transparenz
5.3.3 Besonderheiten im Kommunikationsprozess
6 Schlussbemerkungen

5
0 Einleitung
Die Lebensphase Jugend hat sich zum Lebensabschnitt voll
widersprüchlicher Anforderungen und unwägbarer Risiken
entwickelt. Die Notwendigkeit der Jugendberatung als
Bewältigungshilfe ist allgemeine Einschätzung in der Fachlite-
ratur; eine steigende Nachfrage geht aus den Berichten der
Beratungsstellen hervor, aus den Statistiken sämtlicher Internet-
Beratungsanbieter, die ich im Verlauf meiner Recherchen unter-
sucht habe.
Die geringer werdende Anzahl Jugendlicher ist ein Faktor, der
auf Seiten der Jugendlichen im Land Brandenburg die Situation
zusätzlich verschärft, auf Seiten der Träger der Jugendhilfe den
Unterhalt eines flächendeckenden, zeitlich und räumlich erreich-
baren Beratungsangebotes erschwert. In diesem Zusammenhang
ist der Gedanke an den Einsatz von Internet-Beratung zur Siche-
rung eines ausreichenden und rechtzeitigen Jugendberatungsan-
gebotes naheliegend. Das Medium scheint wie kein anderes
geeignet, das Problem der großen Entfernungen zu überwinden
und gleichzeitig dem Inhalt ,Beratung` seine attraktive Form zu
verleihen.
Von diesem Gedanken ausgehend definiere ich zunächst den
Begriff der Jugendberatung, um an diesem als Standard Internet-
Beratung messen zu können. Ich untersuche die aus meiner Sicht
notwendigen Leistungen der Jugendberatung und definiere den
Bedarf, um feststellen zu können, inwiefern die Internet-Bera-
tung geeignet ist, Aufgaben der Jugendberatung zu übernehmen
und um welche Aufgaben es sich dabei handelt. Jugendbera-
tung braucht besondere Räume und Bedingungen, sie muss sich
inhaltlich dicht an der Lebenswelt orientieren und im Alltag
der Betroffenen erreichbar sein. Die Optionen des Internet schei-

6
nen diese Bedingungen auf besonders vorteilhafte Weise ­ im
Sinne eines jugendgemäßen und fachlich begründeten Angebo-
tes - erfüllen zu können. Ich gehe der Frage nach, welche Voraus-
setzungen vorhanden sein oder geschaffen werden müssen, um
ein nach fachlichen Standards qualifiziertes Internet-Beratungs-
angebot umsetzen zu können. Fachliche Standards wurden für
die Jugendberatung bereits erarbeitet. Für die Internet-Beratung
ist diese Arbeit noch zu leisten, Standards müssen übertragen
oder entwickelt werden. Ich werde Kriterien für die Qualität und
den Erfolg der Internet-Beratung beschreiben. Diese Kriterien
sind erforderliche Prüfpunkte, um ein Beratungsangebot bewer-
ten zu können. Ziel dieser Arbeit ist es, die notwendigen Bedin-
gungen und Voraussetzungen zu prüfen und zu beschreiben,
unter denen Internet-Beratung ressourcenorientiert und effektiv
als Bestandteil der Jugendberatung im ländlichen Raum Einsatz
finden kann.
Erläuterungen
Zum besseren Verständnis von Formulierungen und evtl. unge-
wöhnlicher Wortwahl möchte ich einige Erläuterungen anfü-
gen. Die in meinem Sprachgebrauch gemischten weiblichen und
männlichen Formen habe ich verwendet, um meinem Bedürfnis
nach Präsenz der weiblichen Form gerecht zu werden, die Aus-
drucksweise aber nicht zu umständlich zu machen.
Die neu entwickelte Sprache zur Beschreibung der ,,Welt" des
Internet und zur Unterscheidung dieser von unserer ,,realen"
Welt kann ich zum Teil nur schwer annehmen, da die Begriffe
nach meinem Empfinden Wertungen implizieren, die ich nicht
teile. Die Beratung wird z.B. in Unterscheidung zur Beratung via
Internet als herkömmlich oder traditionell bezeichnet. Um das

7
zu vermeiden, nenne ich die Beratung Beratung und die Bera-
tung per Internet Internet-Beratung. Eine Begegnung mit einem
Menschen in einem realen Raum ist ,,face-to-face", eine Begeg-
nung im Internet ist virtuell. Die Begrifflichkeit ist stark durch
die englische Sprache geprägt. Englische Begriffe übernehme ich
zum Teil, ich ersetze sie aber auch, so weit es mir angemessen
erscheint, durch deutsche.
Wenn ich im Zusammenhang von Jugendberatung über Bera-
tungsstellen spreche, schließe ich in Jugendfreizeiteinrichtungen
integrierte Beratungsstellen ein.

8
1 Vorstellung einer Auswahl von
Internet-Beratungsanbietern
Um zu Anfang einen anschaulichen Einblick in die Internet-Bera-
tung zu geben, um einen Eindruck zu vermitteln von Arbeitswei-
sen und von der Nachfrage, stelle ich vier Angebote blitzlichthaft
vor, auf die ich im Verlauf meiner Ausführungen zurückgreifen
werde.
1.1 Telefonseelsorge
Die Telefonseelsorge in Deutschland bietet seit Dezember 1995
ihre psychologische Beratungsarbeit auch im Internet an.
Unter http://www.telefonseelsorge.de besuchten in den ersten
Jahren ca. 750 Menschen pro Monat die Seite, wobei 37,2 % des
Beratungsklientels durch Suchmaschinen, 43 % durch Links,
10,9 % durch Hinweise von Freunden und Bekannten und
8,1 % durch die Presse aufmerksam wurden.
Ich stelle dieses Beispiel vor allem deshalb vor, weil Frank van
Well ­ früher unter dem Namen Frank Christl ­ als Mitarbeiter

9
der Internet-Beratung der Telefonseelsorge in der Fachliteratur
mit seinen Veröffentlichungen eine wichtige Rolle spielt und mit
seiner Doktorarbeit ,,Vergleichende Untersuchung traditioneller
Beratungsangebote mit der Internet-Beratung ..." einen wesent-
lichen Beitrag der wissenschaftlichen Begleitung der Beratungs-
arbeit per eMail und Chat veröffentlicht hat, deren Ergebnisse
diese Arbeit beeinflussen.
1.2 www.kummernetz.de
Das Kummernetz bietet Beratung für Erwachsene, Jugendliche
und Kinder an, stellt die ehrenamtlichen BeraterInnen auf der
ersten Seite vor mit der Möglichkeit der Auswahl.
Unter dem Stichwort ,Konzept` findet sich eine ausführliche
Beschreibung der gesamten Beratungsarbeit. Für mich waren
vor allem die Informationen unter ,Akzeptanz` interessant. Hier
werden gut aufgearbeitetes Zahlenmaterial und eine Nutzerstati-
stik vorgelegt.
Bei meinen Besuchen im Chatroom des Kummernetz habe ich
festgestellt, dass dort reger Betrieb herrscht.

10
1.3 www.jugendline.de
Die Jugendline habe ich als Beispiel für eine peer-counselling
Einrichtung ausgewählt. Die Domaine bietet ein großes Rahmen-
programm und lädt Jugendliche zu einer Reihe von Aktivitäten
ein.
In einer Zeitschrift
1
findet sich ein sehr positiver Artikel.
Unter der Überschrift ,,Teens helfen Teens" wird die von
SozialpädagogInnen begleitete Beratungsarbeit vorgestellt. Leider
wird das positive Bild getrübt, indem die beraterische Tätigkeit
der ,,Mädchen von jugendline" als ,,auf einer Ebene" und somit
als ,,nicht von oben herab" beschrieben wird. Diese Aussage
bekräftigt meinen Eindruck,, dass das peer-counselling Konzept
auf unseriöse Art hervorgehoben wird in Abgrenzung zur Bera-
tung durch Erwachsene, statt die Vorzüge und Grenzen dieses
Angebotes zu benennen.
1
Heft 6/2001 der AOK/Brandenburg

11
Die Idee, Jugendliche auf diese Weise in die Beratungsarbeit
einzubeziehen, sie auszubilden, psychologisches Wissen zu ver-
mitteln und soziale Kompetenzen zu fördern ist nachahmens-
wert. Mit der Beratungsarbeit im Zentrum werden durch die
Kreativität der jugendlichen MitarbeiterInnen viele Aktivitäten
angeregt, die ein Engagement attraktiv machen können.

12
1.4 bke-sorgenchat.de
Die Bundeskonferenz für Erziehungsberatung hat ein Modellpro-
jekt durchgeführt und eine Auswertung über ,,ein Jahr Online-
Beratung"
2
veröffentlicht.
1
Informationen für Erziehungsberatungsstellen 3/01, S. 12

13
2. Jugendberatung
2.1 Zum Begriff der Jugendberatung
Im SGB VIII (§11(3)6) wird Jugendberatung als Schwerpunkt
der Jugendarbeit genannt, allerdings ohne den Begriff zu definie-
ren. Deshalb orientiere ich mich an der Definition von Spielberg
und Ott:
,,Beratung wird ... in Abgrenzung zur Psychotherapie beschrieben
als freiwillige personenbezogene Auseinandersetzung zwischen einem
ausgebildeten Berater und einem Ratsuchenden mit spezifischen
Erziehungs-, Ausbildungs-, Berufs- und sonstigen persönlichen Anpas-
sungsproblemen im alltäglichen Leben.
3
Als spezifisch für die sozialpädagogische Beratung sind darüber
hinaus folgende Merkmale zu nennen:
-Information und Bildung als präventive Formen
-Fallmanagement, wobei ich die SozialpädagogIn als kon-
tinuierliche Bezugsperson in einem entwicklungsbegleiten-
den Beratungsprozess sehe, der unter Einbeziehung von
Spezialdiensten stattfinden kann, der Vermittlung zwischen
Institutionen/Personen beinhalten kann
-die angemessene Beachtung der strukturellen Probleme in
den jeweiligen Lebenslagen der Ratsuchenden
Da sozialpädagogische Beratung auch andere Formen kennt, ist
hier hervorzuheben, dass ich in dieser Arbeit ausschließlich von
freiwilliger Beratung spreche.
Die Erfüllung dieser Aufgabe erfordert von den MitarbeiterInnen
in den Beratungsstellen einen adäquaten Grundberuf, eine für
die Beratung qualifizierende Weiterbildung, regelmäßige Fortbil-
dung und Supervision. Darüber hinaus formulieren das KJHG
und Förderrichtlinien der Länder ausdrücklich, dass in der Bera-
3
Spielberg, Ott, 1999, in psychomed 11/2, S. 125

14
tung Fachkräfte verschiedener Fachrichtungen zusammenwirken
sollen, die mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen ver-
traut sind.
Für die Internet-Beratung gehe ich von denselben Standards
aus. Zur Zeit werden die Standards der jeweiligen Institutionen
auf die Situation Internet übertragen, so dass die Teams sehr
unterschiedlich ausgebildet sein können. Bei der Bildung eines
interdisziplinären Teams kann die Vernetzung der verschiedenen
Fachkräfte durch Internetkontakt erleichtert werden. Sie können
des weiteren öffentlichkeitswirksame und präventive Internetprä-
senz gemeinsam verwirklichen.
2.2 Ziele der Jugendberatung
Zielstellung ist die ressourcenorientierte Unterstützung bei der
Suche nach Veränderungen und Lösungen in Fragen der allge-
meinen Lebensplanung, im Umgang mit Konflikten und Ent-
wicklungsproblemen. Beratungsarbeit geht davon aus, dass das
Leben einem Entwicklungsprozess unterworfen ist, bei dem die
Grenzen zwischen notwendigen Konflikten und Fehlentwick-
lungen fließend sind. Krisenhafte Erscheinungen sind Belastun-
gen, bieten aber auch die Chance zu Neuorientierung. Das
Verarbeiten und Entwickeln geeigneter Bewältigungsformen sind
wesentlicher Ansatzpunkt für Beratung. Der Prozess der Neuori-
entierung kann Irrtum und Scheitern beinhalten und dieses wird
als Bestandteil des Beratungsprozesses verstanden.

15
Ziele der Jugendberatung im Überblick:
- Informationsvermittlung
Informationen dienen als Grundlage für Entscheidungen.
Informierende Gesprächsführung sieht vor, bei der Formu-
lierung von Fragen und bei der Verwertung der Antworten
zu unterstützen.
- Ressourcenaktivierung
beinhaltet Ermutigung zu Artikulation, Klärung/Analyse,
Stärkung des Selbstvertrauens
Erschließung/Wiederbelebung von Fähigkeiten, Motivation
zur Selbsthilfe
- Entlastung
sorgt für Verringerung des Leidensdruckes, gibt Raum für
den Ausdruck belastender Gefühle: etwas von der Seele
reden/Dampf ablassen
- Umdeutung
Deutungen prüfen, neue Sichtweisen, neue Umgehensweise
erproben Verhaltensalternativen, -änderung,
- Erwerb von Kompetenzen
in Beziehung und Kommunikation, Erkenntnis über Selbst-
und Fremdwahrnehmung, über eigene Anteile und die
Beteiligung anderer an einem Problem/Konflikt gewinnen
- Vermittlung an Fachkräfte
Verweisungswissen, Erschließen und Aufzeigen von Partnern,
Hinführung zu vertiefenden/spezialisierten Hilfeformen
- Prävention

16
2.3 Definition des Bedarfs an Jugendberatung
Im Frankfurter Kommentar zum SGB VIII
heisst es zur Jugend-
beratung:
,,Dem Trend zur Subjektorientierung in der Jugendarbeit folgend, ist
das Angebot an personaler Begleitung und Orientierungshilfe durch
integrierte Beratungsfunktionen in Einrichtungen und Verbänden
der Jugendarbeit auszubauen. Die Aufnahme der Jugendberatung
in Abs. 3 Nr. 6 macht deutlich, daß die Beratung einerseits in
allen Angeboten der Jugendarbeit verankert sein muß, Jugendbera-
tung bietet andererseits aber auch die Grundlage für eigenständige
Jugendberatungseinrichtungen. In der Praxis wird hiervon zu wenig
Gebrauch gemacht."
4
Nicht nur durch das Gesetz wird die Wichtigkeit der Jugendbera-
tung hervorgehoben. Es ist allgemeine Einschätzung in der Fach-
literatur, dass die Anforderungen an die Lebensphase Jugend
in ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit Beratungsstellen
notwendig machen. Der Bedarf ergibt sich aus einer Analyse
der Sozialdaten und Problemlagen, aus der Kenntnisnahme der
zunehmend unzureichenden Bewältigungsstrategien, nicht aber
aus der Nachfrage nach Beratung. Diese Nachfrage zu wecken,
gehört bereits zu den Aufgaben der Jugendberatung. Wenn die
Nachfrage durch das jugendgemäße Angebot entsteht, ist dies
bereits ein Erfolg und spricht für die gute Arbeit der Beratungs-
stelle, die vorrangig präventiv wirken soll.
Der oben angeführten Aussage des Kommentars zum SGB VIII
folgend und meiner Erfahrung gemäß gehe ich davon aus, dass
Beratung Jugendlichen aller sozialen Schichten in ihrer Lebens-
welt zugänglich und zeitlich-räumlich erreichbar zur Verfügung
stehen muss und dass die Kostenfreiheit der Inanspruchnahme
(nach §§ 90, 91 KJHG) dabei gesichert ist. Diesen Anspruch
im ländlichen Raum, speziell in Brandenburg mit einer recht
4
Münder u.a.: Frankfurter Lehr- und Praxis-Kommentar zum KJHG/SGB VIII zum § 11
in Nr.25, S.167

17
dünnen Besiedelung, zu realisieren, erfordert die Überwindung
sozialraumspezifischer Schwierigkeiten. Welche Rolle die Inter-
net-Beratung bei der Gewährleistung eines flächendeckenden
Beratungsangebotes übernehmen kann, darauf werde ich in Kapi-
tel 4 eingehen.
Um Ratsuchende möglichst früh erreichen zu können, muss das
Beratungsangebot ihnen entgegenkommen und ihnen in ihrer
Lebenswelt mit ihren spezifischen Kommunikationsgewohnhei-
ten begegnen. Häufig suchen Jugendliche erst unter erheblichem
Leidensdruck nach Unterstützung. In Freizeiteinrichtungen inte-
grierte Beratungsstellen oder Jugendinfobörsen vermindern die
Hemmschwellen und geben Anlässe für einen unverbindlichen
Besuch, der in eine entwicklungsbegleitende Beratung münden
kann. Hinter den Informationsfragen, mit denen die Jugend-
lichen in die Beratungsstelle kommen, verbergen sich oft tie-
ferliegende Probleme. Entscheidungshilfen sind auch bei der
Berufsorientierung notwendig, wenn z.B. der Verbleib im
Freundeskreis das Hauptanliegen ist und sich dieses mit den
Anforderungen der Ausbildung nicht vereinbaren läßt. Diesen
Bedürfnissen und Ängsten Raum zu geben, gehört zur ,,Berufsbe-
ratung" dazu.
,,Es geht darum eine verlässliche neutrale Person an der Seite zu
haben, hier geht es um Kontinuität, um Unterstützung im Errei-
chen selbstgesetzter Ziele. JugendberaterInnen müssen sich jeweils
auf die spezifischen Möglichkeiten der einzelnen Ratsuchenden ein-
stellen und bei persönlichen Schwierigkeiten zuhören. Verständnis
zeigen, sich einfühlen und den Ratsuchenden vermitteln, dass sie
sich hier aussprechen und die JugendberaterInnen an ihren Kon-
flikten teilhaben lassen können, sind die wichtigsten Inhalte dieser
Arbeit."
5
5
von der Haar: Leitfaden Jugendberatung, 1992. S.22

18
2.4 Präventive Arbeit/Öffentlichkeitsarbeit
Die Tatsache, dass eine Reihe von Konflikten und Problemen immer
wieder Gegenstand von Beratung werden, verweist auf die Notwen-
digkeit vorbeugender Bildungs- und Öffentlichkeits-arbeit.
Um einen Einblick in die Charakteristik der Anliegen zu geben,
mit denen Jugendliche in die Beratungsstellen gehen, habe ich
aus den Jahresberichten einer Beratungsstelle in einer Jugendfrei-
zeiteinrichtung und in einer Gesamtschule in Potsdam-Mittel-
mark die Beratungsanlässe entnommen.
Beratungsanlässe im Jahr 2001
in der Jugendfreizeiteinrichtung bei insgesamt 208 Gesprächen
(Elterngespräche sind hier ausgenommen):
Straftaten
Partnerschaft, Freundschaft, Freundeskreis
Schule
Familienkonflikte
Drogen
Schulden
Berufsorientierung, Bewerbung
in der Gesamtschule bei ca. 200 Fällen:
SchülerInnen untereinander:
verbale Auseinandersetzungen
Erpressung und körperliche Gewalt
Mobbing
Familienkonflikte:
Gefühl der Vernachlässigung
Wunsch das Elternhaus zu verlassen
sexuelle Grenzverletzungen
Probleme mit Stiefeltern
Schulprobleme:
Schlechte Noten, Schulversagen
Konflikte mit LehrerInnen

19
Hier begegnen uns Themen, die die Jugendberatung prägen und
die auch in der Internet-Beratung, wie wir später sehen werden,
eine Rolle spielen. Die Öffentlichkeitsarbeit ist ein wichtiger
Schritt, um entwicklungsgefährdenden Tendenzen entgegenzu-
treten, um Ressourcen eines Sozialraumes zu aktivieren und zu
bündeln mit dem Ziel der Begleitung von Kindern und Jugend-
lichen im Sinne einer frühzeitigen und angemessenen Hilfestel-
lung. Öffentlichkeitsarbeit zielt auf politische Entscheidungen
und gesellschaftliche Entwicklungen, um die Möglichkeiten für
das Gelingen individueller Entwicklungen zu verbessern. Sie
zielt aber außerdem darauf, Jugendliche auf die Bildungs- und
Beratungsangebote aufmerksam zu machen und sie ihnen nahe-
zubringen. Das Internet bietet sich an zur Verbreitung und Dis-
kussion jugendrelevanter Themen überregional oder auf einen
Sozialraum bezogen. Informationen und Beiträge können als
Dateien zum Herunterladen zur Verfügung gestellt werden.
2.5 Anonymes Beratungsangebot
Neben der jugendgemäßen Werbung als Einladung zum
Beratungsgespräch sind anonyme Angebote wichtig, die vor
der gefürchteten Stigmatisierung schützen. Wenn schambesetzte
Themen Jugendliche daran hindern, sich ,,ihrer" Jugendarbei-
terIn in der Schule oder in der Jugendfreizeiteinrichtung anzuver-
trauen, suchen sie nach Personen, die in ihrem Alltag keine Rolle
spielen.
Für die Arbeit insitutioneller Beratung ist die Beziehung zwischen
BeraterIn und KlientIn konstitutiv. Die Beziehung zwischen
Ratsuchenden und Beratenden bedarf hierbei eines besonderen
Vertrauensschutzes . Zum Schutz der Privatsphäre und gegebenen-
falls der Anonymität der Ratsuchenden werden die einschlägigen
Datenschutzbestimmungen beachtet und weitere entsprechende

20
Vorkehrungen getroffen.
Die Jugendberatung steht vor der Aufgabe, die Hemmschwellen
zu verringern und gleichzeitig den Schutz durch Anonymität
zu wahren, was sich nicht unbedingt am gleichen Ort bewerk-
stelligen läßt. Da Internet-Beratung eine hohe Anonymität
ermöglicht, unterstützt sie die Erfüllung der Anforderungen.
2.6 Kooperation mit anderen sozialen Einrichtungen
Um eine professionelle Jugendberatung durchführen zu können,
ist die Kooperation mit anderen sozialen Einrichtungen unerläss-
lich.
,,Wichtig ist, dass Jugendliche schnell und ohne komplizierte Verwei-
sungssysteme in einen Beratungsprozeß einbezogen werden ... Sobald
sich die Beratungsstelle einen ersten Überblick über die Problemlage
eines Jugendlichen gemacht hat, wird über weitere Schritte gemein-
sam beraten. Dazu kann dann auch das Einschalten von spezialisier-
ten Institutionen gehören ... Ein wichtiges Prinzip ist dabei, daß an
Personen und nicht an Institutionen weitervermittelt wird."
6
Dies erfordert von der JugendberaterIn gute Beziehungen und
Zusammenarbeit mit den Personen in den Institutionen, idealer-
weise ein Vertrauensverhältnis, das nicht durch eine konkurrente
Situation behindert wird. Die Vernetzung der Beratungsstellen
hat mit Blick auf die Ratsuchenden zwei wesentliche Ziele,
nämlich dem Festhalten am Fall trotz Überforderung entgegen
zu steuern, ebenso wie dem haltlosen Umherwandern der
Jugendlichen zwischen den Institutionen und BeraterInnen. Die
ursprüngliche BeraterIn bleibt als kontinuierliche Bezugsperson
für die Jugendliche präsent.
Diese kontinuierliche BeraterIn muss mit der Lage der Jugend-
lichen vertraut sein, z.B. mit Problemen, die im Sozialraum
6
Hurrelmann in Hundsalz u.a.: Beratung für Jugendliche, 1995, S. 42

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832475055
ISBN (Paperback)
9783838675053
DOI
10.3239/9783832475055
Dateigröße
1.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Potsdam – Sozialwesen
Erscheinungsdatum
2003 (Dezember)
Note
1
Schlagworte
jugendarbeit qualitätssicherung evaluation beratung
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