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Glottalisierung und Elision von [t] im modernen Englisch

Eine sozialphonetische Studie

©2002 Magisterarbeit 67 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die Arbeit setzt sich mit Estuary English und konkret dem Merkmal des T-Glottaling, also die lautliche Substitution von [t] durch einen Glottisschlag, auseinander, das immer mehr die englische Standardaussprache infiltriert.
Glottaling ist durchaus nicht neu und in bestimmten Lautkontexten sogar jetzt in der Standardaussprache vorzufinden, aber mit der Verbreitung von Estuary English hat es nun sogar Einzug bei den Medien gehalten. Gerade beim Hören von kommerziellen, jugendorientierten Sendern kann man den Eindruck bekommen, [?] sei die eigentlich korrekte Artikulation von /t/.
Diese Arbeit soll dieses Phänomen genauer beleuchten. Eingangs sollen die verschiedenen Akzente, die in der Debatte um einen Standard der englischen Aussprache eine Rolle spielen, aufgezeigt werden. Damit verknüpft sich schließlich die Frage nach Standardisierung und Sprachwandelprozessen in der Gesellschaft.
Zu Estuary English wurden gerade in den letzten Jahren verschiedene Arbeiten geschrieben und Untersuchungen durchgeführt: Sei es an verschiedenen Schulen, in denen die Aussprache von Schülern aufgenommen wurde, oder die Analyse von Nachrichtensendungen. All diese Arbeiten liefern rein statistische Auswertungen und nehmen Glottalisierungen ohne genauere Beschreibung des Phänomens hin.
Diese Arbeit versucht das soziolinguistische Phänomen des T-Glottaling zu beschreiben, doch ein besonderer Interessenschwerpunkt soll die genaue phonetische Analyse des T-Glottaling sein. Wird sonst Glottaling als Substitution von [t] durch [?] beschrieben und als Annahme vorrausgesetzt, soll diese Arbeit zeigen, ob dies tatsächlich ist, was artikulatorisch geleistet wird.
Im empirischen Teil wurde ein Corpus von Radio-Interviews aufgenommen, welches auf das Merkmal der Glottalisierung von [t] untersucht werden soll. Es sollen konkrete Beispiele für Glottalisierungen aufgezeigt werden. Ziel ist aber auch eine soziolinguistisch orientierte Untersuchung, die den Grad der Verbreitung des Phänomens bei unterschiedlichen Sendern der BBC darstellt. Da die Sprache des Rundfunk allgemein als korrekt empfunden wird, ließe dies Rückschlüsse über die Verbreitung und Akzeptanz des Merkmals in der Gesellschaft zu.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.EINLEITUNG2
2.VARIANTEN DES GESPROCHENEN ENGLISCH4
2.0VORBETRACHTUNG - STANDARD ENGLISH6
2.1RP - RECEIVED PRONUNCIATION8
2.2COCKNEY11
2.3ESTUARY ENGLISH14
3.SPRACHE IN DER GESELLSCHAFT19
4.ENGLISCH IM […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

1. Einleitung

2. Varianten des gesprochenen Englisch
2.0 Vorbetrachtung – Standard English
2.1 RP – Received Pronunciation
2.2 Cockney
2.3 Estuary English

3. Sprache in der Gesellschaft

4. Englisch im Rundfunk

5. Die Frage nach einem neuen Standard

6. Glottalisierung als Form der Assimilation
6.1 Allgemeine Assimilationserscheinungen
6.2 Die phonetische Erscheinung der Glottalisierung
6.2.1 Clipping
6.2.2 Zentralisierung

7. Estuary English in den Nachrichten

8. Empirische Corpusanalyse
8.1 Zusammenstellung des Corpus
8.2 Erwartete Ergebnisse
8.3 Gesamtgestalt des Corpus
8.4 Formen der Glottalisierung im Corpus
8.5 Verteilung nach Wörtern
8.6 Die unterschiedlichen Sender
8.7 Sprecherspezifische Betrachtung
8.8 Der Stellenwert von glottalisiertem /t/

9. Schlußbetrachtung

10. Anhang

11. Bibliographie

1. Einleitung

„John Major is slightly too old to do it. Despite his age, Lord Tebbit still does it, but he says radio and television presenters do it much more than he ever did. Ken Livingstone M.P. and Tony Banks M.P. are proud they both do it. It’s so common nowadays that even Dr. Carey, the Archbishop of Canterbury, does it, both in public as well as in private. Mrs. Thatcher certainly has never done it and nor has the Queen, though one of her son’s wives flirts with it. As Princess Diana was once heard saying: ‘There’s a lo(ʔ) of i(ʔ) abou(ʔ)’.“

(Rosewarne 1994a: 3)

London, die Hauptstadt des Vereinigten Königreich von Groß­britannien und Nordirland, ist Trendsetter in vielen Bereichen, wie Musik, Kunst und Kultur generell. Wie auch schon vormals, setzt der Großraum London nun einen neuen Standard in der Aussprache. Die Rede ist von Estuary English, dem englischen Akzent der Gegend Südenglands, der sich rapide ausbreitet und nur dort halt macht, wo er an stabile Dialektgrenzen oder das Ende der Landmasse stößt. (vgl. Coogle 1993a: 26)

Das akustisch wohl prominenteste Merkmal dieses Akzentes ist, was Rosewarne im obigen Zitat so treffend beschrieben hat: das sogenannte T-Glottaling, die lautliche Substitution von [t] durch einen Glottisschlag. So verbreitet wie dieses Merkmal inzwischen auch ist, so umstritten ist es auch und ruft Puristen auf den Plan, die den Verfall der englischen Sprache beklagen.

Glottaling ist durchaus nicht neu und in bestimmten Lautkontexten sogar in der Standardaussprache vorzufinden, aber mit der Verbreitung von Estuary English hat es nun sogar Einzug bei den Medien gehalten. Gerade beim Hören von kommerziellen, jugendorientierten Sendern kann man den Eindruck bekommen, [ʔ] sei die eigentlich korrekte Artikulation von /t/.

Diese Arbeit soll dieses Phänomen genauer beleuchten. Eingangs sollen die verschiedenen Akzente, die in der Debatte um einen Standard der englischen Aussprache eine Rolle spielen, aufgezeigt werden. Damit verknüpft sich schließlich die Frage nach Standardisierung und Sprachwandelprozessen in der Gesellschaft.

Zu Estuary English wurden gerade in den letzten Jahren verschiedene Arbeiten geschrieben und Untersuchungen durchgeführt: Sei es an verschiedenen Schulen, in denen die Aussprache von Schülern aufgenommen wurde, oder die Analyse von Nachrichtensendungen. All diese Arbeiten liefern rein statistische Auswertungen und nehmen Glottalisierungen ohne genauere Beschreibung des Phänomens hin.

Diese Arbeit versucht das soziolinguistische Phänomen des T-Glottaling zu beschreiben, doch ein besonderer Interessen­schwerpunkt soll die genaue phonetische Analyse des T-Glottaling sein. Wird sonst Glottaling als Substitution von [t] durch [ʔ] beschrieben und als Annahme vorrausgesetzt, soll diese Arbeit zeigen, ob dies tatsächlich ist, was artikulatorisch geleistet wird.

Im empirischen Teil wurde ein Corpus von Radio-Interviews aufgenommen, welches auf das Merkmal der Glottalisierung von [t] untersucht werden soll. Es sollen konkrete Beispiele für Glottalisierungen aufgezeigt werden. Ziel ist aber auch eine soziolinguistisch orientierte Untersuchung, die den Grad der Verbreitung des Phänomens bei unterschiedlichen Sendern der BBC darstellt. Da die Sprache des Rundfunk allgemein als korrekt empfunden wird, ließe dies Rückschlüsse über die Verbreitung und Akzeptanz des Merkmals in der Gesellschaft zu.

2. Varianten des gesprochenen Englisch

In Englisch wie in den meisten Sprachen gibt es regionale Varianten, die sich in Syntax, Semantik, aber auch der Aussprache widerspiegeln. Während jedoch in Deutschland lediglich die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sprachregion festgestellt werden kann, lassen Regionalismen im Englischen gleichzeitig Rückschlüsse auf die soziale Stellung zu: „As far as English is concerned, linguists have known for a long time that different dialects and accents are related to differences of social-class background.“ (Trudgill 1983: 40)

Im Zusammenhang mit den sozialen Schichten ist auffällig, daß mit Zunahme des sozialen Standes die Aussprache normgerechter wird. Während also in der working class starke regionale Akzente zu finden sind, sprechen Vertreter der upper middle class tendenziell ohne regionale Färbung. Spitze einer solchen Pyramide ist die Received Pronunciation oder RP, die zwar nur von ungefähr 3% der Bevölkerung tatsächlich gesprochen wird, aber die idealisierte Standardaussprache darstellt. RP ist die Sprache der Behörden, der Bildung und der BBC.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Received Pronunciation stehen verschiedene ländliche sowie städtische Dialekte gegenüber. Dabei kann der Akzent eines Sprechers mehr oder weniger stark ausgeprägt sein: gerade ältere Generationen sprechen oft Dialekt in seiner breitesten Ausprägung, während jüngere Generationen bereits standardnäher sprechen.

Lange Zeit war dieser Akzent unangefochten und als Standard anerkannt. Doch kommt diese Stellung zunehmend ins Wanken. Grund ist die fortschreitende Verbreitung von Estuary English und dessen Akzeptanz in der Bevölkerung. Estuary English, ein Akzent aus der Gegend um London, entstand ursprünglich aus Cockney, dem Londoner Dialekt, weist aber weniger dialektale Merkmale auf als Cockney.

Gerade in den Medien hat Estuary English in den letzten Jahren vermehrt Akzeptanz gefunden. Estuary English ist längst nicht mehr als dialektal verpönt, sondern selbst in Business-Kreisen salonfähig geworden und wird zunehmend von Personen des öffentlichen Interesses gesprochen.

Um Estuary English abzugrenzen, muß zunächst die Stellung der Received Pronunciation betrachtet werden und Cockney als Dialekt, aus dem Estuary English entstanden ist. Die Unterscheidung von Estuary English und Cockney ist insofern nötig, da Estuary English als modern gilt, Cockney hingegen noch immer als Dialekt der working class stigmatisiert und damit für öffentliche Belange tabuisiert ist.

2.0 Vorbetrachtung – Standard English

Die Verschriftung und damit einhergehende Notwendigkeit der Standardisierung des Englischen geht weit zurück. Das markanteste Datum ist sicherlich 1476 – das Jahr der Erfindung des Buchdrucks durch Caxton. Erstmals in der Geschichte war es möglich, ein und denselben Text in identischer Form Hunderten von Menschen zugänglich zu machen. Die Varietät, an der sich Caxton orientierte, war das Englisch der Gegend um Cambridge, London und Oxford aufgrund der Vormacht-Stellung der Hauptstadt:

„Für die soziale Anerkennung und Verbreitung des Londoner Englisch sorgte nicht nur die Bedeutung Londons als Regierungssitz und Handels- und Kulturzentrum, sondern vielleicht noch mehr die Tatsache, daß sowieso ein großer Teil der englischen Bevölkerung diesen Standard als heimischen Dialekt sprach.“

(Bähr 1974: 52)

Erste Ansätze der Kodifizierung der englischen Sprache waren Bullokars Pamphlet for Grammar von 1586 oder Ben Jonsons Grammar, die rund sechzig Jahre danach erschien. Es war jedoch erst später, daß sich Normierungs­bestrebungen tatsächlich durchsetzten. Ein Grund dafür war, daß lange in weiten Bereichen der Gesellschaft vornehmlich in Latein geschrieben wurde. So „vermochten sich derartige Bemühungen [der Normierung] endgültig erst im 18. Jahrhundert durchzusetzen.“ (Hansen 1996: 33)

Mit Herausgabe des Dictionnaire de l’Académie française 1694 in Frankreich wurden schließlich Stimmen laut, die auch für das Englische eine Standardisierung forderten. Wenn es auch nie zur Gründung einer Akademie in England kam, wurden doch maßgebende Wörterbücher publiziert. Es soll hier nur kurz an Johnsons Dictionary of the English Language erinnert werden, welches 1755 erschien und sieben Jahre später von Lowths Short Introduction to English gefolgt wurde. Lindley Murrays Grammatik schließlich orientierte sich zu einem großen Teil an Lowth und wurde lange Zeit als Referenzwerk angesehen.

Herrscht heutzutage in puncto Rechtschreibung und Grammatik des Englischen zwar weitgehend ein Konsens, so wird der Begriff Standard English selbst sehr vage definiert. Finegan schreibt sogar „Standard English is not invariant; it differs from situation to situation.“ (Finegan 1992: 118)

In Texten zur Phonetik wird Standard English häufig der Received Pronunciation, kurz RP gegenübergestellt. Was die RP auf phonetischer Ebene darstellt, entspricht Standard English im lexikalisch-grammatischen Bereich. Aber was genau ist nun Standard English?

Trudgill klassifiziert Standard English klar als einen Dialekt, genauer gesagt einen sozialen Dialekt, dem kein fester Akzent zugeordnet ist. Sozial meint hier, daß die Zuordnung des Dialektes keiner geographischen Region erfolgt, sondern vielmehr einer sozialen Klasse. Der Ursprung des heutigen Standard English geht auf die Oberschicht im Südosten Englands zurück, deren Dialekt als prestigereich angesehen und deshalb zur Kodifizierung ausgewählt wurde.

Will man zumindest für den Britischen Sprachraum Standard English einen Akzent zuordnen, wäre sicher die Received Pronunciation als gängiger Aussprachestandard heranzuziehen. Dennoch ist eine solche Zuordnung nicht ohne weiteres möglich:

„From a British perspective, we have to acknowledge that there is in Britain a high status and widely describe accent known as Received Pronunciation (RP). […] It is widely agreed, though, that while all RP speakers also speak Standard English, the reverse is not the case.“

(Trudgill 1994: 110)

Es liegt also zwar eine Korrelation zwischen Standard English und RP vor, jedoch ist sie nicht generell gültig. So sprechen laut Trudgill neben RP-Sprechern neun bis zwölf Prozent der Bevölkerung zwar Standard English, jedoch mit regionalem Akzent.

Wenn auch für den landesweit anerkannten Dialekt Standard English keine fest zuordenbare Aussprache existiert, ist die Frage nach einem Standard auf phonetischer Ebene dennoch präsent, gerade im Bereich der Rundfunks.

2.1 RP – Received Pronunciation

Unter Received Pronunciation wird die Aussprachevariante der Hochsprache Englands verstanden, die maßgeblich für den öffentlichen Gebrauch ist und als Standard für den Fremdsprachenunterricht dient.

Der Begriff ‚Received Pronunciation’, kurz RP, wurde nach 1869 von A. J. Ellis eingeführt und bezog sich in seiner heute archaischen Bedeutung ‚sozial anerkannt’ auf eine nicht-regionale Aussprachenorm, die mit der gebildeten Oberschicht in Verbindung gebracht wurde. (vgl. Honey 1985: 242)

Generelle Verbreitung erfuhr RP durch das englische Schulsystem der public schools und führte dazu, daß nach 1870 kaum ein Mitglied der upper class mit regionalem Akzent sprach und die Schulaussprache als Prestigevariante angesehen wurde. (vgl. Honey 1997: 94) Mit Einführung der generellen Schulpflicht 1880 erreichte RP auch breitere Bevölkerungsschichten.

Tatsächlich bezeichnete Daniel Jones in den ersten Ausgaben des English Pronouncing Dictionary’s die Standardaussprache, die dem Wörterbuch zugrunde lag, als ‚Public School Pronunciation’ oder PSP, übernimmt jedoch 1926 schließlich den Begriff ‚Received Pronunciation’. (vgl. Honey 1985: 244)

Dennoch blieb die Received Pronunciation lange Zeit der Akzent der upper class und somit ein sozial markierter Akzent. Schmid schreibt „Received Pronunciation may be considered a social rather than a regional accent, and is recognised as a class-related accent, usually equated with the highest socio-economic level of the English society“ (Schmid 1999: 70)

Einen weiteren großen Schub in ihrer Ausbreitung erfuhr RP 1922 mit der Einführung des Radios und später in den 50er Jahren durch das Fernsehen. Für die Moderation wurden unter Überwachung des ‚Advisory Committee on Spoken English’ vornehmlich RP-Sprecher ausgewählt, so daß der Akzent landesweit präsent wurde. Wenn auch mit Beginn der 60er Jahre eine Tendenz zu verzeichnen war, daß ein leichter Akzent toleriert bzw. sogar erwünscht war, steht die BBC trotzdem noch immer als eine maßgebende Instanz der standardisierten Aussprache.

Received Pronunciation stellte jedoch nicht nur eine Norm im Rundfunk dar, sondern hatte bis vor dem Zweiten Weltkrieg im alltäglichen Berufsleben enormen Einfluß. Personen, die eine der RP angenäherte Aussprache hatten, galten als gebildet und wurden daher bei Einstellungsgesprächen gegenüber Akzentsprechern bevorzugt. Das Beherrschen von RP konnte damit eine entscheidende Rolle einnehmen:

„In England, Standard English speakers are divided by an ‘accent-bar’, on one side which is R.P., and on the other side all the other accents. And very often the first judgement made on a stranger's speech is the answer to the question: which side of the accent-bar is he? […] There is no doubt that R.P. is a privileged accent; your social life, or your career, or both, may be affected by whether you possess it or do not.“

(Abercrombie 1965: 13)

Bei der Betrachtung der Received Pronunciation darf dennoch nicht vergessen werden, daß nur eine geringe Minderheit diesen Akzent tatsächlich spricht. Da es sich bei RP um ein idealisiertes Modell einer Aussprachenorm handelt, ist es sogar fraglich, ob RP als Akzent gesehen werden kann, der tatsächlich muttersprachlich gesprochen wird.

Vielmehr scheint sich RP in einem Kontinuum mit anderen Dialekten einzuordnen. Zurückgehend auf Stewart und Bickerton, bezeichnet Honey RP als acrolect, was der Normaussprache entspricht. Dieser steht auf einer Skala der basilect, die am stärksten vom Standard abweichende Aussprache, gegenüber. Eine mittlere Aussprachevariante bildet der mesolect. Acrolect und basilect sind dabei Konstrukte, denen sich Sprecher annähern.

Die Einordnung auf einer solchen Skala ist dabei nicht zwingend absolut. Zwar hat ein Sprecher einen bestimmten Akzent, der sich aus seiner geographischen Herkunft und sozialen Stellung ergibt, er kann sich aber auch im Sinne von code-switching einer bestimmten Situation sprachlich anpassen.

Geht man davon aus, daß RP die Standardaussprache darstellt, auf die in förmlichen Situationen zugegriffen wird, muß unter heutigen Gesichtspunkten das Ansehen und damit der Status von RP in Erwägung gezogen werden. Honey führt hier eine Unterteilung ein, die notwendig und nützlich scheint: marked und unmarked RP, was er definiert als „ unmarked RP is ‘talking proper’ while marked RP is ‘talking posh’“. (Honey 1985: 248) (Wells spricht hier von mainstream und U-RP, Gimson benutzt die Termini general und conservative RP.)

Während also unmarked RP als ordentliche Aussprache gilt, wird marked RP als gekünstelt und elitär empfunden. Beide RP-Varianten unterscheiden sich in verschiedenen phonetischen Merkmalen, wie beispielsweise die Aussprache von [ɒ] als [ɔː] in <often> bei der markierten Aussprache.

Die Relevanz einer solchen Unterscheidung wird klar, wenn die Einstellung verschiedener sozialer Gruppen zur Received Pronunciation betrachtet wird. Generell ist sicher zu sagen, daß während unmarked RP weitgehend als Aussprachenorm angesehen und akzeptiert ist, dürfte marked RP gerade bei jüngeren Generationen als gezierte Aussprache der upper class stigmatisiert sein.

Aber auch für unmarked RP ist ein rückläufiger Trend zugunsten dialektal beeinflußter Aussprachevarianten zu verzeichnen: „RP scheint also nicht mehr für den sozialen Aufstieg und für die Erlangung von Sozialprestige unbedingte Voraussetzung zu sein.“ (Barnickel 1982: 221)

War die Received Pronunciation schon immer eine idealisierte Aussprachenorm, gilt dies heute mehr denn je, v.a. da die Akzeptanz der RP als Standard in der Gesellschaft nicht mehr bedingungslos gegeben ist. Es zeichnete sich bereits in den siebziger Jahren ab, daß der Stand von RP in Großbritannien überdacht werden muß: „[…] there is not denying that we now have to revise our concept of a spoken standard and indeed examine the contemporary validity of the traditional RP.“ (Gimson 1977: 156)

2.2 Cockney

Cockney bezeichnet den in London gesprochenen Dialekt und ist vornehmlich in der Arbeiterklasse verbreitet. Bei Cockney handelt es sich um einen städtischen Akzent (urban accent), die in Großbritannien mehr noch als ländliche Akzente geringes Ansehen genießen: „rural dialects are regarded more favorably than urban ones. […] urban accents – such as those of London or Birmingham – are at the bottom of prestige rankings.“ (Algeo 1992: 168) D.h. Cockney wird also von Nicht-Cockney-Sprechern als unangenehm empfunden.

Im eigentlichen Sinne ist Cockney der Dialekt des östlichen Teils der Londoner City. Ursprünglich war nur ein echter Cockney, wer in Hörweite der Glocken der Kirche St. Mary-le-Bow geboren worden war, unweit von London Bridge oder dem Billingsgate Fischmarkt. „Die Bedeutung des Wortes wird mit me. coken-ey ‚Hahnenei’ und frz. coquin ‚Spitzbube, Faulenzer’ zusammengebracht.“ (Scherer 1989: 59) Als ein der working class zugeschriebener Dialekt, war und ist teilweise noch heute Cockney in hohem Maße stigmatisiert, wenn es auch durch Fernsehprogramme wie die erfolgreiche Soap East Enders durchaus Akzeptanz in der Bevölkerung gefunden hat.

Wells unterscheidet Cockney als per Definition breitesten, lokalen Dialekt Londons von ‚Popular London’, das zwar generelle Charakteristika von Cockney aufweist, auf einer Skala aber näher bei RP liegt. Merkmalsunterschiede seien Monophthongisierung in Wörtern wie ‚mouth’ und Glottalisierung von Frikativen (safer [ˈsaɪʔə]), die auf Cockney beschränkt bleiben. (Wells 1986: 302) Diese Unterscheidung ist zwar sicher gerechtfertig, soll aber in dieser Arbeit aus Gründen der Einfachheit einer Systematik keine weitere Berücksichtigung finden.

Es ist ohnehin schwierig einen Sprachraum für Cockney abzugrenzen. Bereits innerhalb Londons variiert der Dialekt aufgrund der Weitläufigkeit der Stadt stark und verschiedene Eigenarten von Cockney reichen auch über die Grenzen Londons hinaus. (vgl. Bähr 1974: 108)

Auf lexikalischer Ebene fällt Cockney durch reichhaltige Metaphern und ein Spiel mit dem Sprachklang auf. Eigene Wortbildungen weist Cockney vor allem im Register des Slang auf. Eine Besonderheit ist der sogenannte rhyming slang, der sich im frühen 19. Jahrhundert entwickelt hat. Dabei wird ein Wort durch einen reimenden Ausdruck substituiert, der meist einen beißenden Kommentar darstellt. Beispiele sind ‚trouble and strife’ für ‚wife’ oder ‚Gawd forbids’ für ‚kids’. (vgl. Bähr 1974: 112). Oft wird der reimende Teil schließlich weggelassen, so daß die Bedeutung für einen Außenstehenden nicht mehr erschließbar ist: so steht ‚bees’ für Geld (‚bees and honey’ – ‚money’). Für die Entstehung des rhyming slang liefert Hansen folgende Erklärung: „Ein wesentliches Motiv für die Bildung von Rhyming-Slang-Formen dürfte neben einem gewissen Bedürfnis nach Verschlüsselung des Gemeinten und Abschirmung gegenüber Außenstehenden von Anfang an die Freude am Spiel mit der Sprache gewesen sein.“ (Hansen 1996: 43)

In der Grammatik des Cockney finden sich mehrfache Verneinung, der Gebrauch von Adjektiven als Adverbien sowie irreguläre Steigerungen (z.B. ‚worser’) und Analogiebildungen (z.B. ‚theirselves’), die jedoch nicht alleinig typisch für Cockney sind, sondern in verschiedenen anderen Dialekten vorkommen. (vgl. Bähr 1974: 113)

Charakteristische Merkmale von Cockney sind vor allem auf phonetischer Ebene zu finden. Neben Substitution der Verschlußlaute [p, t, k] durch [ʔ] in silbenfinaler, aber auch intervokalischer Stellung, finden sich H-Dropping (Wegfall von [h] im Anlaut), th-Fronting (Aussprache von /θ/ als [f]), G-Dropping (Endung [ɪŋ] ausgesprochen als [ɪn]) sowie Vokalisierung des Dark-L [ɫ] zu [o~ʊ], um hier einige Beispiele anzuführen.

Am auffälligsten ist jedoch, „daß es [Cockney] im Bereich der Vokale gegenüber der auf etwa gleicher regionaler Basis entstandenen RP eine systematische Verschiebung der Qualität der geschlossenen langen Monophthonge und der verengenden Diphthonge aufweist.“ (Hansen 1996: 41)

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick der Vokalverschiebung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Vokalverschiebung im Cockney, nach Bähr 1974: 109

Für die Phonologie des Cockney ist diese Verschiebung jedoch nicht von Bedeutung: „Das Resultat dieser Verschiebung ist jedoch kein Unterschied im Phonemsystem, sondern lediglich eine andere lautliche Realisierung der Phonemopposition.“ (Hansen 1996: 41)

Im Konsonantensystem von Cockney ist neben den bereits erwähnten Erscheinungen v.a. die Glottalisierung von Verschlußlauten vorherrschend. Matthew sagt sogar: „[…] the chief consonantal feature of the dialect is the prevalence of the glottal stop.“ (Matthew 1938: 80)

In einer 1971 von Beaken durchgeführten Untersuchung an einer Schule im East End stellte sich heraus, daß Explosive in finaler Position fast ausnahmslos glottalisiert wurden. Vollständige Glottalisierung zu [ʔ] war vor allem für /t/ zu beobachten. (vgl. Wells 1986: 323)

Die soziale Stellung von Cockney ist, wenn auch immer noch umstritten, dennoch eine andere als zu Elisa Doolittles Zeiten. War der östliche und südliche Teil Londons damals zum großen Teil ein Arbeiter- und Armenviertel, so wurden in den letzten Jahrzehnten immer mehr luxuriöse Apartmenthäuser gebaut, die den Geschäftsleuten der City Wohnraum bieten. Cockney ist damit Ausgangspunkt für eine neue Varietät des Englischen, die immer mehr Verbreitung in Südengland findet und die etablierte Rolle von RP als Aussprachenorm in Frage stellt.

2.3 Estuary English

Der Begriff Estuary English wurde 1984 von David Rosewarne in einem Artikel im Times Educational Supplement geprägt und bezieht sich auf einen Akzent, dessen Ursprungsgebiet in Südengland im Mündungsgebiet der Themse zu suchen ist:

„[…] a variety of modified regional speech. It is a mixture of non–regional and local south-eastern English pronunciation and intonation. If one imagines a continuum with RP and London speech at either end, ‘Estuary English’ speakers are to be found grouped in the middle ground. “

(Rosewarne 1984: 29)

Frühere Dialektforschung hat vor allem die lokalen Akzente und Dialekte betrachtet, die der RP gegenüberstanden. Estuary English hingegen stellt vielmehr eine Übergangsform dar. Es bildet den Übergang von RP zu Cockney bzw. anderen lokalen Akzenten der Midlands: „It is a shift to the middle ground of pronunciation.“ (Rosewarne 1994a: 7)

Wenn auch Estuary English viele Merkmale von Cockney besitzt, so sind dennoch markante Unterschiede festzustellen. Die Glottalisierung von /t/ tritt in Estuary English in silbenfinaler Position auf, jedoch niemals intervokalisch, was in Cockney durchaus der Fall ist. Wells gibt für die Abgrenzung von Estuary English gegenüber Cockney folgende Merkmale an:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Merkmale von Cockney und Estuary English (Wells 1998, zitiert in Altendorf 1999: 2)

Auf nicht-phonetischer Ebene ist ein wichtiger Unterschied, daß Cockney agrammatische Formen aufweist, Estuary English hingegen nicht. Dies scheint evident, da es sich bei Estuary English vielmehr um einen Akzent handelt als um einen Dialekt. Es ist aber möglicherweise eine Erklärung, warum Estuary English sozial anerkannter ist als Cockney.

Wenn sich auch der Begriff inzwischen etabliert hat, so ist die Diskussion dennoch groß, ob es so etwas wie Estuary English tatsächlich gibt. Wissenschaftler argumentieren, daß es neben RP nur die verschiedenen lokale Akzente gäbe, die sich zwar einander annähern, ein Gebilde wie Estuary English sei jedoch nicht vorhanden, schon weil die lautlichen Eigenschaften zu sehr variieren.

In der Tat sind die Charakteristika von Estuary English sehr vage. So schreibt Coggle:

„It should now be clear that Estuary English couldn’t be pinned down to a rigid set of rules regarding specific features of pronunciation, grammar and special phrases. Between the two extremes [of Cockney and RP] is quite a wide range of possibilities, many of which, in isolation, would not enable us to identify a person as an EE speaker, but which when several are present together mark out EE distinctively.”

(Coggle 1993: 70)

Parsons geht sogar einen Schritt weiter: „EE is not linguistically different enough from RP to be excluded from a wider definition of RP, such as is common today.” (Parsons 1998: 64).

Diese Vagheit hinsichtlich charakteristischer Merkmale ist sicher vor allem durch den Übergangscharakter von Estuary English bedingt. Es muß bedacht werden, daß es keine klaren Grenzen gibt und der Übergang fließend ist zwischen RP, Estuary English und Cockney. Maidment liefert hier ein Modell, welches insofern hilfreich ist, als es ebenfalls stilistische Variation und Registerwechsel berücksichtigt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Verhältnis von Cockney, Estuary English und RP unter Berücksichtigung der Stilebene (Maidment 1994: 6)

F und I stehen hier für formelle bzw. informelle Situationen. Je nach Registerwahl entstehen Überlappungen zwischen den verschiedenen Akzenten. Maidment schreibt: „We can see that a model more in touch with the realities of accent variation must recognise that a speaker of a given accent has within his or her competence a range of styles from informal (I) to formal (F) and that any overlap between accents may well be as diagrammed.” (Maidment 1994: 6)

[...]

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832474928
ISBN (Paperback)
9783838674926
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena – Philosophische Fakultät
Note
1,7
Schlagworte
estuary english cockney received pronounciation soziolinguistik
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