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Kommunikation und Entfremdung: Fördert virtuelle Kommunikation die Entfremdung?

©2002 Diplomarbeit 170 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Um den Begriff Entfremdung sinnvoll verwenden zu können, muß man ihn zunächst allgemein beschreiben. Dabei wird anfangs die Entfremdung von der Arbeit aus den verschiedenen Arten der Entfremdung herausisoliert und auf die Telearbeit angewandt. In diesem Zusammenhang wird deutlich, daß es bei der Telearbeit zu einer entfremdeten Kooperation kommen kann, welche anscheinend durch Kommunikationsmedien und damit zentral auch durch Kommunikation selbst verursacht wird. Daraus ergibt sich ein neues Entfremdungsfeld: Die Entfremdung der Kommunikation.
Im folgenden fasse ich die einzelnen Kapitel der Diplomarbeit inhaltlich zusammen.
Im ersten Kapitel definiere ich zunächst das Wort Entfremdung. Dabei gehe ich zuerst auf die Weitläufigkeit des Begriffes ein und danach auf die verschiedenen Formen von Entfremdung. Es folgt eine Definition von Entfremdung, welche sich an M. SEEMANN anlehnt. Mit ihrer Hilfe bearbeite ich anschließend einen ausführlichen Entfremdungsbeispielstext von ZUREK, welcher als Muster für den späteren Umgang mit dem Thema Telearbeit dienen soll.
Im zweiten Kapitel geht es um die Telearbeit, und es wird zunächst die Entstehungsgeschichte des Begiffs Telearbeit beschrieben. Danach wird die Telearbeit in Zahlen dargestellt, was einen allgemeinen Überblick über die Dimension des Arbeitsfeldes vermittelt. Dabei wird allerdings deutlich, daß auch der Begriff „Telearbeit“ relativ ungenau ist. Deshalb werden im Anschluß die verschiedenen Formen von Telearbeit beschrieben. Berücksichtigt werden dabei die Aspekte von Arbeitszeit, Arbeitsort, Ausstattung der Arbeitsstätte außerhalb der Firma mit Informations- und Kommunikationstechnik und die Rechtsform des Arbeitsverhältnisses.
Das dritte Kapitel handelt von der Entfremdung (von Arbeit) im Tätigkeitsbereich der Telearbeit, und der Entfremdungsbegriff nach SEEMANN wird auf das Arbeitsfeld übertragen. Dazu wird mit Textquellen verfahren wie im Beispielsentfremdungstext von ZUREK im Kapitel 1.4.1. , d.h. es wird überprüft, ob sich die Begriffe Normlosigkeit, Machtlosigkeit, Selbstentfremdung, Sinnlosigkeit und Isolation in der Literatur direkt oder indirekt wiederfinden lassen. Im Verlauf dieser Überprüfung zeigt sich ein ganz neues Entfremdungsfeld: Die Entfremdung der Kommunikation. Aus diesem neuen Entfremdungsfeld ergibt sich schließlich die Forschungsfrage: Fördert virtuelle Kommunikation die Entfremdung?
Zur Klärung dieser Frage wird zunächst das Wort „virtuell“ […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7483
Kolja, Karl: Kommunikation und Entfremdung: Fördert virtuelle Kommunikation die
Entfremdung?
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Universität Bremen, Universität, Diplomarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany


0) Vorwort
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I
Vorwort
Das Thema dieser Diplomarbeit ergab sich aus folgender Überlegung:
Welches Thema ist so modern, daß man als Psychologiestudent (mit
medienpsychologischem Interesse) eine Diplomarbeit darüber schreiben kann und
es auch später im Berufsleben weiterhin aktuell bleibt?
Zu den interessanten Themen gehörten die virtuelle Kommunikation bzw.
Telekommunikation und Telekooperation. Die Wahl fiel auf die virtuelle
Kommunikation, da Kommunikation bzw. Computer vermittelte Kommunikation
(CvK) ein Thema war, mit dem ich mich auch schon im Rahmen meines
Halbjahrespraktikums beschäftigt hatte.
In diesem Zusammenhang wurden mir die qualitativen Unterschiede der
verschiedenen Kommunikationsmedien erstmals bewußt, welche im modernen
Berufsalltag die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht nach und nach
ersetzen. Besonders drastisch ist dies im Arbeitsfeld der Telearbeit, welches ohne
die elektronischen Kommunikationsmedien niemals entstanden währe.
Diese Erkenntnis aus meinem Halbjahrespraktikum brachten mich zu der
Überlegung, ob Kommunikationsmedien die Kommunikation insgesamt nicht
stark beeinflussen, verändern oder gar entfremden.
Ich faßte daher virtuelle Kommunikation, Telearbeit und Entfremdung zu der
Fragestellung zusammen: Fördert virtuelle Kommunikation die Entfremdung? Als
modernes Arbeitsfeld bot sich die Telearbeit geradezu an.
Meine ersten Überlegungen zu dieser Fragestellung beruhten auf der Aussage
eines Wirtschaftsunternehmers auf dem Fernsehsender N-TV.
Es ging um SMS-Botschaften, geschriebene Kurzbotschaften, die auf dem
Display eines Handys erscheinen und zum damaligen Zeitpunkt auf 160 Zeichen
beschränkt waren. Das führte dazu, daß die Nutzer von SMS dazu übergingen,
ihre Botschaften abzukürzen. Die Folge war eine Verstümmelungen von Worten,
Missachtung der Grammatik und Spezialabkürzungen, die nur Eingeweihte
kannten. Im Laufe der Zeit setzte dann ein gewisser Gewöhnungseffekt bei den
SMS-Anwendern ein. Der Unternehmer beklagte in diesem Zusammenhang
sinngemäß, daß die meisten seiner Mitarbeiter zwar ausgezeichnete Techniker
seien, aber nicht mehr in der Lage seien, einen "geraden deutschen Satz" zu
schreiben. Leider war das Thema so modern, daß ich keine Literatur oder
Forschungsergebnisse dazu finden konnte.

0) Vorwort
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II
Die neueste Erfindung aus Japan, ein Handy mit Bildtelephonfunktion, mit
welchem man dem anderen Handybenutzer theoretisch direkt in die Augen sehen
kann, habe ich unberücksichtigt gelassen, da meine Diplomarbeit in erster Linie
auf Text beruhen sollte.
Nun durchforschte ich die vorhandene Literatur und entschloß mich zum
"Modernsten, was vorhanden war": die Videokonferenz bzw. die Multipoint-
Videokonferenz, anhand derer ich meine Forschungsfrage bearbeitete. Außerdem
stellte ich fest, daß der Forschungsstand zur Entfremdung der Kommunikation im
allgemeinen und zur CvK im besonderen noch gänzlich ungenügend war. Dies
veranlaßte mich dazu, mein eigenes Modell der Entfremdung von Kommunikation
zu entwickeln: Das Modell der perfekten (unentfremdeten) Kommunikation.
Aus der Fachliteratur gewinnt man schnell den Eindruck, daß jedem klar ist, daß
die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht die beste ist und nicht durch
virtuelle Kommunikation ersetzt werden kann. Dies ist jedoch nicht zwangsläufig
ein Abbild der Realität, sondern spiegelt lediglich die Erkenntnis von Autoren
wider, die sich mit diesem Thema auseinander gesetzt haben.
In meiner Diplomarbeit verwende ich aus Gründen der Übersichtlichkeit nur
männliche Formen wie der Kommunikationspartner, der User usw. Damit sind
aber auch alle Kommunikationspartnerinnen, Userinnen usw. gemeint. Bei der
Lektüre von DÖRINGS Text (DÖRING 1999) wurde mir klar, daß dies auf
manche Leserinnen befremdlich wirken könne. Sie hat nämlich überwiegend
weibliche Formen verwendet. Ich habe als Mann aber trotzdem viele Erkenntnisse
aus ihrem Text gewinnen können.
Ganz besonders dankbar bin ich Herrn Dr. Adam Zurek für seine kontinuierliche
inhaltliche Beratung und Betreuung, Prof. Dr. Thomas Leithäuser für sein
fachliches Interesse am Thema, Dr. Silke Meyerhuber für formale und inhaltliche
Hinweise zur Gestaltung dieser Diplomarbeit sowie Margareta Weitzig und
Hansjoachim Räther für das Korrekturlesen.

Inhaltsverzeichnis
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III
Inhaltsverzeichnis:
1) Einleitung... 1
2) Die Entfremdung... 6
2.1) Das Problem der Definition des Begriffs der Entfremdung... 6
2.2) Formen der Entfremdung (E.)... 7
2.3) Formen des wissenschaftlichen Erforschens von Entfremdung ... 8
2.3.1) Objektive Entfremdung ... 8
2.3.2) Subjektive Entfremdung ... 9
2.4) Definition von Entfremdung... 9
2.4.1) Die Bedeutung der Entfremdung nach Seemann (unterstützt durch die Definition von
Hamberger) ... 9
3) Die Telearbeit ... 15
3.1) Die Entstehungsgeschichte des Begriffs Telearbeit... 15
3.2) Telearbeit in Zahlen... 16
3.3) Formen der Telearbeit ... 17
3.3.1) Aspekt der Arbeitszeit ... 17
3.3.2) Aspekt des Arbeitsortes ... 18
3.3.3) Aspekt der Ausstattung der Arbeitsstätte außerhalb der Firma mit IuK-Technik... 21
3.3.4) Aspekt der Rechtsform des Arbeitsverhältnisses bei Telearbeit... 21
4) Entfremdung (von Arbeit) im Feld der Telearbeit... 23
4.1) Die Anwendung des Entfremdungsbegriffs nach Seemann auf die Telearbeit... 23
4.2) Begriffsdefinition: Virtuell ... 31
5) Kommunikation ... 34
5.1) Die menschliche Kommunikation nach Paul Watzlawick... 34
5.2) Psychologische Vorgänge in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Das
Kommunikationsmodell von Friedemann Schulz von Thun... 38
5.3) Computervermittelte Kommunikationsmodelle ... 40
5.3.1) Kanalreduktionsmodell... 42
5.3.2) Filtertheorien ... 45
5.3.3) Das Modell der rationalen Medienwahl... 46
5.3.4) Normative Medienwahl ... 46
5.3.5) Das Modell der sozialen Informationsverarbeitung... 47
5.3.6) Die Modelle der Imagination und der Konstruktion... 48
5.3.7) Die Theorie der sozialen Präsenz... 49
5.4) Zusammenfassung ... 49
6) Videokonferenzen... 52
6.1) Technische Eigenschaften von (ISDN-basierten) Videokonferenz-systemen ... 53
6.2) (Offizielle) Vorteile von Videokonferenzen... 68
6.3) Vorläufiges Fazit zum Thema Videokonferenz... 72
6.4) Vorläufiger Ausblick zum Thema Videokonferenzen... 74
7) Das Modell der perfekten (unentfremdeten) Kommunikation ... 76
7.1) Zur Ungenauigkeit des Begriffs der Kommunikation ... 76
7.2) Die Entfremdung der Kommunikation ­ Einleitung... 78
7.3) Die Verdinglichung des Dialogs... 79
7.4) Die ideale Sprechsituation ... 81
7.5) Das Modell der perfekten (unentfremdeten) Kommunikation... 85
7.5.1) Entfremdungssymptome in der Kommunikation... 88
7.5.2) Das Modell der perfekten (unentfremdeten) Kommunikation und die Verdinglichung96
7.5.3) Das Modell der perfekten (unentfremdeten) Kommunikation und die Verdinglichung
des Dialoges von Kleining ... 99
7.5.4) Die Pathologie der Normalität ... 100
7.5.5) Das Modell der perfekten (unentfremdeten) Kommunikation und die ideale
Sprechsituation... 104
7.5.6) Theoretische inhaltliche Überschneidungen zwischen Fromms Theorie des nekrophilen
Charakters und dem Modell der perfekten (unentfremdeten) Kommunikation ... 105
7.5.7) Fazit zum Modell der perfekten (unentfremdeten) Kommunikation ... 106
8) Anmerkungen zu und Kritik an den computervermittelten
Kommunikationsmodellen ... 109

Inhaltsverzeichnis
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IV
8.1) Das Kanalreduktionsmodell ... 109
8.2) Filtertheorien ... 110
8.3) Das Modell der rationellen Medienwahl ... 110
8.4) Normative Medienwahl ... 112
8.5) Das Modell der sozialen Informationsverarbeitung... 112
8.6) Die Modelle der Imagination und der Konstruktion... 113
8.7) Die Theorie der sozialen Präsenz ... 113
9) Fallvignette ... 115
9.1) Gedankengänge der Geschäftsleitung zum Praktikumthema (zu Beginn des Praktikums) 116
9.2) Erstellung des Einzelinterviewleitfadens und Auswertung ... 116
9.3) Hintergrund der Verbesserungsvorschläge (4) A und B... 117
9.3.1) Vorschlag 4 A) ... 117
9.3.2) Vorschlag 4 B)... 118
9.4) Vorschlag 5... 118
D) Wie sollte in Konfliktsituationen miteinander umgegangen werden? (Schlüsselfrage) ... 118
D1) Wie kann man Konflikte produktiv umsetzen? (Unterfrage)... 118
E) Was wäre ein für Sie akzeptabler Rahmen, in dem man Kritik formulieren und annehmen
kann? (Schlüsselfrage)... 118
E1) Wie kann man Kritik positiv nutzen/umsetzen? (Unterfrage)... 119
9.4.1) Hintergrund des Verbesserungsvorschlages 5 ... 119
Vorschlag A) Inhalt der Datei: (Bekommen die Mitarbeiter als Handout) ... 119
10) Mitarbeitergespräche ... 123
10.1) Unterschiedliche Gesprächsanlässe ... 123
10.2) Gezielt vorbereitetes Mitarbeitergespräch ... 124
10.2.1) Inhalte des Mitarbeitergesprächs ... 125
10.3) Das Modell des "Mitarbeitergespräches" ... 127
10.4) Das Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräch: ... 128
10.4.1) Zielvereinbarungsgespräche ... 130
10.4.2) Das Kooperationsgespräch ... 133
10.4.3) Das Personalentwicklungsgespräch... 133
10.4.4) Varianten des Mitarbeitergesprächs... 134
10.5) Wo werden Mitarbeitergespräche am meisten benötigt?... 135
11) Schlußwort in Bezug auf den Beispieltext zur Entfremdungs von Zurek
... 137
12) AUSBLICK ... 138
13) Literaturverzeichnis ... 139
14) Anhang... 146
14.1) Anhang A - Notfalldatei ... 146
14.2) Anhang B - Beispieltranscript eines vollständigen Interviews ... 148
14.3)Anhang C - Transkription zu Erstellung des Einzelinterviewleitfadens Frage B1 ... 152
14.4) Anhang D - Transcription zur Notfalldatei... 154
Abbildung/Tabelle/Schema:
(1): Die vier Seiten (Aspekte) der Nachricht ­ ein psychologisches Modell der
zwischenmenschlichen Kommunikation. S. 39
(2): Zusammenfassung der CvK-Modelle: S. 50
(3): Die Beeinflussung der sechs Kommunikationskanäle durch die bei
Videokonferenzen verwendete Technik. S. 60
(4): Face-to-face- und Videokonferenzen: Gemeinsamkeiten und Unters. S. 65
(5): Schematische Darstellung des Modells der perfekten (unentfremdeten)
Kommunikation. S. 86
(6): Welches Medium ist für welche Kommunikationsaufgabe geeignet? S. 111
Verwendete Abkürzungen:
F-T-F-K = Face-to-Face-Kommunikation
CvK = Computer vermittelte Kommunikation

1) Einleitung
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1
1) Einleitung
Um den Begriff Entfremdung sinnvoll verwenden zu können, muß man ihn
zunächst allgemein beschreiben. Dabei wird anfangs die Entfremdung von der
Arbeit aus den verschiedenen Arten der Entfremdung herausisoliert und auf die
Telearbeit angewandt. In diesem Zusammenhang wird deutlich, daß es bei der
Telearbeit zu einer entfremdeten Kooperation kommen kann, welche anscheinend
durch Kommunikationsmedien und damit zentral auch durch Kommunikation
selbst verursacht wird. Daraus ergibt sich ein neues Entfremdungsfeld: Die
Entfremdung der Kommunikation.
Im folgenden fasse ich die einzelnen Kapitel der Diplomarbeit inhaltlich
zusammen.
Im ersten Kapitel definiere ich zunächst das Wort Entfremdung. Dabei gehe ich
zuerst auf die Weitläufigkeit des Begriffes ein und danach auf die verschiedenen
Formen von Entfremdung. Es folgt eine Definition von Entfremdung, welche sich
an M. SEEMANN anlehnt. Mit ihrer Hilfe bearbeite ich anschließend einen
ausführlichen Entfremdungsbeispielstext von ZUREK, welcher als Muster für den
späteren Umgang mit dem Thema Telearbeit dienen soll.
Im zweiten Kapitel geht es um die Telearbeit, und es wird zunächst die
Entstehungsgeschichte des Begiffs Telearbeit beschrieben. Danach wird die
Telearbeit in Zahlen dargestellt, was einen allgemeinen Überblick über die
Dimension des Arbeitsfeldes vermittelt. Dabei wird allerdings deutlich, daß auch
der Begriff "Telearbeit" relativ ungenau ist. Deshalb werden im Anschluß die
verschiedenen Formen von Telearbeit beschrieben. Berücksichtigt werden dabei
die Aspekte von Arbeitszeit, Arbeitsort, Ausstattung der Arbeitsstätte außerhalb
der Firma mit Informations- und Kommunikationstechnik und die Rechtsform des
Arbeitsverhältnisses.
Das dritte Kapitel handelt von der Entfremdung (von Arbeit) im Tätigkeitsbereich
der Telearbeit, und der Entfremdungsbegriff nach SEEMANN wird auf das
Arbeitsfeld übertragen. Dazu wird mit Textquellen verfahren wie im
Beispielsentfremdungstext von ZUREK im Kapitel 1.4.1. , d. h. es wird überprüft,
ob sich die Begriffe Normlosigkeit, Machtlosigkeit, Selbstentfremdung,
Sinnlosigkeit und Isolation in der Literatur direkt oder indirekt wiederfinden
lassen. Im Verlauf dieser Überprüfung zeigt sich ein ganz neues

1) Einleitung
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2
Entfremdungsfeld: Die Entfremdung der Kommunikation. Aus diesem neuen
Entfremdungsfeld ergibt sich schließlich die Forschungsfrage: Fördert virtuelle
Kommunikation die Entfremdung?
Zur Klärung dieser Frage wird zunächst das Wort "virtuell" erklärt. Dann wird die
Videokonferenz bzw. die Multipointvideokonferenz als Medium ausgewählt, auf
die sich die Forschungsfrage in erster Linie beziehen wird. Denn die
Videokonferenz ist GODEHARDTS Angaben zufolge dem direkten, persönlichen
Gespräch sehr ähnlich.
Beim vierten Kapitel werden zunächst zwei Modelle der Kommunikation von
Angesicht zu Angesicht bzw. Face-to-Face-Kommunikation (F-T-F-K) von
WATZLAWICK und SCHULZ VON THUN vorgestellt und danach insgesamt
sieben verschiedene Modelle der Computervermittelten Kommunikation (CvK):
das Kanalreduktionsmodell, die Filtertheorien, das Modell der rationalen
Medienwahl, die normative Medienwahl, das Modell der sozialen
Informationsverarbeitung, die Modelle der Imagination und der Konstruktion,
sowie die Theorie der sozialen Präsenz. Die Darstellung dieser Modelle soll einen
ersten Eindruck von den Unterschieden zwischen F-T-F-K und CvK vermitteln.
Das fünfte Kapitel behandelt zunächst die technischen Eigenschaften und Tücken
(ISDN-basierter) Videokonferenzsysteme. Dabei zeigt es sich, daß
GODEHARDS Behauptung, die Videokonferenz sei dem direkten, persönlichen
Gespräch sehr ähnlich (drittes Kapitel), so nicht haltbar ist. Sie ist vielmehr, wie
MEIER feststellt, eine neue Form der Kommunikation mit ihren ganz eigenen
Eigenschaften. Dann werden die von verschiedenen Autoren genannten Vorteile
der Videokonferenz gegenüber der F-T-F-K näher betrachtet. Dabei stellt sich
heraus, daß diese ebenfalls nicht haltbar sind.
Im vorläufigen Fazit zum Thema Videokonferenz wird deutlich, daß die
Teilnehmer dieser neuen Art von Kommunikation besonders geschult werden
müssen, um einen Erfolg der Videokonferenzen zu ermöglichen. Die
Videokonferenzteilnehmer müssen ihre Kommunikation sogar der jeweils
entsprechenden Videokonferenztechnik anpassen. Außerdem werden erste
Überlegungen zur Entfremdung der Kommunikation bei Videokonferenzen
angestellt.
Beim vorläufigen Ausblick zum Thema Videokonferenzen zeigt sich, daß der
Einsatz von Videokonferenzen in dem Maße steigen wird, in dem ihre

1) Einleitung
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3
Verfügbarkeit steigt bzw. ihre Kosten günstiger werden. In Zukunft ist deshalb ein
bewußterer Umgang mit der CvK als Ergänzungsmittel zur F-T-F-K
wünschenswert, nicht aber ein vollständiger Ersatz der F-T-F-K durch die CvK.
Da sich das im dritten Kapitel ergebende Entfremdungsfeld ­ die Entfremdung
der Kommunikation - in der Literatur als relativ unerforscht und wenig behandelt
herausgestellt hat, wird im sechsten Kapitel ein eigenes
Kommunikationsentfremdungsmodell entworfen: Das Modell der perfekten
(unentfremdeten) Kommunikation.
Dazu wird zunächst die Ungenauigkeit des Begriffs der Kommunikation
herausgearbeitet. Dann werden Beispiele zur Entfremdung der Kommunikation
aus der Literatur aufgeführt. Die Überlegungen von Autoren auf diesem Gebiet
blenden jedoch die CvK fast vollständig aus. Eine Ausnahme bildet die
Verdinglichung des Dialoges in der Mensch-Maschine-Kommunikation von
KLEINING, die im Kapitel 6.3 behandelt wird. Dabei wird schnell deutlich, daß
es sich lediglich um ein spezielles Alltagsphänomen in bestimmten
Dialogsituationen handelt. Allerdings beziehen sich die Beispiele, abgesehen von
der bereits erwähnten Mensch-Maschine-Kommunikation, nur auf F-T-F-
Situationen. Das Kapitel 6.4 erläutert die ideale Sprechsituation von
HABERMAS. Aber auch hier geht es wieder nur um ein bestimmtes Phänomen ­
eben die Sprechsituation.
Im Anschluß daran wird das Modell der perfekten (unentfremdeten)
Kommunikation entwickwelt, was den Begriff der entfremdeten Kommunikation
genauer definiert. Es wird die Entfremdung der Gesamtheit von Botschaften vom
Gehirn des Senders zum Gehirn des Empfängers umfassend behandelt und nicht
nur einzelne Alltagsphänomene. Dabei werden zunächst Entfremdungssymptome
in der Kommunikation besprochen. Danach wird noch einmal speziell auf die
Verdinglichung eingegangen.
Abschließend geht es um die Pathologie der Normalität. Wie der Name des
Modells schon aussagt, geht es bei der perfekten (unentfremdeten)
Kommunikation um ein Ideal , welches man in der Realität nur versuchen kann zu
erreichen. Die Entfremdung der Kommunikation ist deshalb der Normalzustand.
Das sechste Kapitel schließt mit einem Fazit zum Modell der perfekten
(unentfremdeten) Kommunikation ab. Das Modell wird zunächst anhand eines auf
Texten basierenden Gedankengebäudes dargestellt.Um eine noch bessere und

1) Einleitung
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praktischere Darstellung geht es im siebten Kapitel mit (zum Teil kritischen)
Anmerkungen zu den im fünften Kapitel dargestellten (computervermittelten)
Kommunikationsmodellen, das Medium der Videokonferenz betreffen.
Im achten Kapitel wird eine Fallvignette aus dem Halbjahrespraktikum des Autors
vorgestellt. Da es in dem Halbjahrespraktikum jedoch nicht gezielt um die
Erforschung der Entfremdung der Kommunikation ging, ist hier nur ein gezielter
Auszug sinnvoll. Es geht um den Versuch, spezielle Maßnahmen für eine
Verbesserung der Kommunikation zu erarbeiten. Die Ideen für die drei folgenden
Verbesserungsvorschläge stammen in erster Linie aus Einzelinterviews der
Mitarbeiter des Betriebes, in dem das Halbjahrespraktikum stattfand.
1. Betriebsinterne Kritik sollte nicht per E-Mail zu besprochen werden.
2. Beschwerden und Kritik von außerhalb sollten weder per E-Mail besprochen
noch einseitig inhaltlich mitgeteilt werden.
3. Eine "Notfalldatei" sollte den Mitarbeitern zur Verfügung stehen, welche kurz
davor stehen, ein Streit- oder Konfliktgespräch zu führen, und die sich vor diesem
Gespräch noch ein paar Ratschläge holen möchten. Dabei ist es das Ziel,
Mitarbeitern, die emotional "geladen" sind, eine Möglichkeit an die Hand zu
geben, nicht alle Kommunikationsregeln "im Affekt" unberücksichtigt zu lassen.
Ob und wie diese Vorschläge in der Praxis angewendet wurden, ist dem Autor
unbekannt.
Das 9. Kapitel behandelt Wege aus der Entfremdung. Wie diese in der
praktischen Umsetzung aussehen, ist natürlich von Fall zu Fall verschieden. Um
(Entfremdungs-) Probleme zu erkennen und zu ihrer Lösung zu kommen, müssen
Gespräche geführt werden. Es geht deshalb in diesem Kapitel um
Mitarbeitergespräche, und zwar zunächst um die unterschiedlichen Anlässe von
Mitarbeitergesprächen und dann um den Unterschied von unvorbereiteten,
unstrukturierten, alltäglichen und gezielt vorbereiteten, strukturierten
Mitarbeitergesprächen. Danach wird das Mitarbeiter-Vorgesezen-Gespräch (M-V-
G) vorgestellt, was inhaltlich hauptsächlich aus Zielvereinbarungsgesprächen,
Kooperationsgesprächen und Personalentwicklungsgesprächen besteht. Es ist eine
Mischung aus Modell und Leitfaden. Rein theoretisch besitzt es ein großes
positives Potential, die Motivation von Mitarbeitern zu verbessern,
Mitarbeiterunzufriedenheit (Entfremdung von Arbeit) ausfindig zu machen und zu
versuchen, diesen Zustand zu ändern. Außerdem besteht so die Möglichkeit zur

1) Einleitung
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5
Weiterentwicklung von Mitarbeitern und im Zuge all dieser positiven Dinge auch
für eine Verminderung der Entfremdung von Kommunikation. Das M-V-G ist in
der Praxis jedoch sehr umfangreich und hat daher auch Züge eines Idealmodells.
Seine Umsetzung verlangt von den Vorgesetzten viel Know-how und
Menschenkenntnis. Dies wird im Normalfall vermutlich aber erst im Laufe einer
jahrelangen Praxis erreicht. Ferner verlangt auch die Einbindung des M-V-G in
die Unternehmenskultur viel Arbeit.
Das zehnte Kapitel enthält ein Schlußwort zu ZUREKS Entfremdungsbeispieltext.
Zum Abschluß bringt das elfte Kapitel einen Ausblick auf künftige, theoretische
Forschungsfragen.

2) Die Entfremdung
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2) Die Entfremdung
2.1) Das Problem der Definition des Begriffs der Entfremdung
Die menschliche Sprache und die in ihr verwendeten Symbolzeichen haben oft
den Charakter von Allgemeindefinitionen (MEAD 1973, S. 188-189).
Dies führt nicht selten dazu, daß für Worte wie beispielsweise "Führung", wie bei
SCHETTGEN geschehen, Sammlungen von 130 Definitionen entstehen
(SCHETTGEN 1991, S. 17).
Auf diese Problematik komme ich noch einmal zurück, wenn es um die
Ungenauigkeit des Begriffs der Kommunikation geht.
Während es sich bei dem Wort "Kommunikation" trotz aller Ungenauigkeit noch
um einen verhältnismäßig eingegrenzten Begriff handelt, ufert dies bei dem
Ausdruck "Entfremdung" geradezu ins Bodenlose aus. Ich werde mich daher auf
einige Definitionen des Begriffs beschränken. Es geht insgesamt um einen
diffusen Zustand, welcher in seiner Übersteigerung meist mit negativen
psychischen Erscheinungen einhergeht. Mit diesem Zustand im Zusammenhang
stehen jedoch wiederum sehr viele ungenaue Wörter wie Führung,
Kommunikation usw., was zu der zuvor genannten "Bodenlosigkeit" des
Begriffes führt.
Es ist daher auch nicht möglich, diesen Begriff im Rahmen dieses einzelnen
Kapitels ausführlich zu erläutern.
Eine von vielen Definitionen ist die 1972 von RITZ gemachte: ,,`Entfremdung´
bedeutet so Trennung, Entfernung, Verschwinden aus oder Entgegensetzung zu
heimischer Umwelt, Eigentum, Gemeinschaft, Religion oder eigenem Selbst."
(ZUREK 1998, S. 11)
Ursprünglich stammt der Begriff Entfremdung von HEGEL,
,,Sein Verständnis von Entfremdung bezieht sich darauf, daß Institutionen
durch zunehmende Maschinisierung und Mechanisierung der Arbeit den
Menschen so weit in die Sachzwänge der Produktion einbeziehen, daß seine
eigentlichen Antriebe und Bedürfnisse nicht mehr zum Zuge kommen. Marx
hat diesen Aspekt aufgegriffen und ihn zu einer umfassenden
Entfremdungstheorie verarbeitet." (BECKERATH 1981, S. 147)
WISWEDES Ansicht nach ist der Begriff der Entfremdung auch ,,...ideologisch
oder zumindest normativ vorbelastet, da er irgendwelchen Vorstellungen von

2) Die Entfremdung
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Selbstverwirklichung oder der eigentlichen ,,Natur" des Menschen (das, wovon
man sich entfremdet) voraussetzt." (ebenda, S. 147)
Tatsächlich ist der unentfremdete Zustand meist ein unerreichbares Ideal, und
man kann in der Realität nur versuchen sich ihm anzunähern.
So schreibt ETZIONI denn auch: ,, Das heißt, es gibt kein Leben in Gesellschaft
ohne ein gewisses Maß an Entfremdung; was wichtig ist, ist Ausmaß und
Verteilung dieser Entfremdung." (ETZIONI 1975, S. 633)
Begibt man sich auf eine konkretere Ebene der Entfremdung, auf welcher
eindeutige Entfremdungssymptome und Fallgeschichten beschrieben werden, so
handelt es sich meist um Alltagsphänomene in einer oft vom Menschen
geschaffenen, gesellschaftlich verankerten Realität.
ETZIONI meint, daß der unverwechselbare Kern aller Definitionen und
Diskussionen von Entfremdung: ,,die ,,Unsensibilität" der
[vom Menschen
geschaffenen
] Welt gegenüber dem Handelnden [sei], die ihn Zwängen unterwirft,
die er weder verstehen noch steuern kann". (ebenda, S. 625)
Das Phänomen der Entfremdung wird in erster Linie auf philosophischer,
soziologischer (gesellschaftstheoretischer) und psychologischer Ebene betrachtet,
was dem Wort natürlich eine beachtliche interpretative Bandbreite gibt.
2.2) Formen der Entfremdung (E.)
,,Wie Lukas, Popitz, Israel und insbesondere Fischer herausstellen, hat der
Entfremdungsbegriff bei Marx mindestens vier verschiedene Bedeutungen:
° E. vom Arbeitsprozeß;
° E. vom Arbeitsprodukt;
° E. von sich selbst;
° E. vom Mitmenschen." (BECKERATH 1981, S. 147).
Bei ZUREK finden sich dann noch:
E. von der Umwelt;
E. von Eigentum;
E. von Gemeinschaft;
E. von Religion (ZUREK 1998, S. 13).

2) Die Entfremdung
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Außerdem Entfremdung in Bezug auf Arbeitslosigkeit, gesellschaftliche E. (E. des
Menschen vom Menschen), Sinnerosion, Bedeutungsentfremdung, Ziel-Mittel-
Entfremdung usw., was sich z. T. auf die in BECKRATH aufgelisteten Begriffe
bezieht (ebenda, S. 13).
Zudem gibt es Entfremdung im Zusammenhang mit Xenologie bzw. in Beziehung
auf Fremdenhaß und Rassismus (vgl. ZUREK 1999), Sexualität (vgl. GÖRGENS
1992), und speziell in Bezug auf die Perversion (vgl. KHAN 1983).
Was fehlt, ist die Entfremdung in Bezug auf die Kommunikation, welche im
Laufe der Diplomarbeit erarbeitet wird.
2.3) Formen des wissenschaftlichen Erforschens von Entfremdung
2.3.1) Objektive Entfremdung
WISWEDE meint:
,,Die Anhänger einer objektiven Definition müssen genaue Kriterien
entwickeln, an denen das tatsächliche Ausmaß der Entfremdung abgelesen
werden kann. Die Schwierigkeit ist, daß solche Kriterien weitgehend beliebig
gesetzt, daß Bezugspunkte der Beurteilung willkürlich gewählt sein können.
Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß die Plattform der Einstufung fragwürdig
ist und ein bestimmtes Menschenbild voraussetzt, auf dessen Basis dann
normativ geurteilt wird." (BECKERATH 1981, S. 148)
Die Messungen finden mit Hilfe quantitativer Methoden statt. Ein Großteil, so
ZUREK, der in den psychological Abstracts zu findenden über 530 Titel für den
Zeitraum von 1978 bis 1988, welche sich auf das Stichwort "Alienation" finden
lassen, arbeitet mit dem klassisch empiristischen Variablenschema (ZUREK 1998,
S. 8).
ZUREK meint jedoch zusammenfassend, daß die quantitative Forschung am
Begriff der E. gescheitert sei. ,,Ich schätze es so ein, daß vor allem die
empiristisch orientierte, auf Messung über Einstellungsskalen reduzierte
Entfremdungsforschung an der Diffizilität, dem Prozeßcharakter und der
Subjektivität des Entfremdungsgeschehens gescheitert ist." (ebenda S. 8)
Angesichts des zuvor beschriebenen diffusen Zustandes den der Begriff der E.
darstellt ist diese Einschätzung nachvollziehbar.

2) Die Entfremdung
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2.3.2) Subjektive Entfremdung
Sozialpsychologen, so WISWEDE, interessieren sich in Bezug auf die E. weniger
für die gesellschaftlichen Ausgangsbedingungen. Sie machen auch so gut wie
keine gesellschaftskritischen Aussagen, sondern beschäftigen sich größtenteils mit
bestimmten Formen des Erlebens.
Hier lassen sich, so WISWEDE weiter, die Arten der Entfremdung thematisieren,
welche nicht in erster Linie gesellschaftlich verursachter Natur sind, sondern
beispielsweise allein deshalb auftreten, da manchen Menschen ihre Arbeit mit der
Zeit keinen Spaß mehr macht oder weil Veränderungen des Bezugs- oder
Vergleichsniveaus auftauchen, welche die Einstellung zur Arbeit beeinflussen
(BECKERATH 1981, S. 149).
Einer dieser sozialpsychologisch orientierten Autoren ist SEEMANN, auf dessen
Definition von Entfremdung nun genauer eingegangen wird.
2.4) Definition von Entfremdung
2.4.1) Die Bedeutung der Entfremdung nach Seemann (unterstützt durch die
Definition von Hamberger)
Der Soziologe MELVIN SEEMANN ist einer der klassischen Primärautoren im
Zusammenhang mit dem Begriff der E. .
SEEMANN erörtert die Entfremdung vom persönlichen Standpunkt des
Handelnden aus bzw. vom sozialpsychologischen Gesichtspunkt (FISCHER 1970,
S. 180).
Dabei lassen sich die Formen der E. thematisieren, welche nicht in erster Linie
gesellschaftlich verursacht sind, wie im vorhergegangenen Unterkapitel bereits
erwähnt wurde. Insgesamt definiert SEEMANN fünf Begriffe zur Erklärung des
Begriffs der Entfremdung: Machtlosigkeit, Bedeutungslosigkeit, Normlosigkeit,
Isolierung, und Selbstentfremdung. Bei diesen Definitionen betont er die Worte
Erwartung und Wert (FISCHER 1970, S. 360).
Das Gefühl der Machtlosigkeit: Das Resultat des Verhaltens wird nicht vom
einzelnen selbst, sondern von äußeren Kräften bestimmt (BECKERATH 1981, S.
149).

2) Die Entfremdung
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HAMBERGER definiert den Begriff in Bezug auf (österreichische)
Führungskräfte etwas konkreter. Machtlosigkeit ist hier gleichbedeutend mit
Mangel an Einflußmöglichkeit auf geschäftspolitische Beschlüsse, Mangel an
Kontrolle über die Arbeitsverhältnisse sowie den direkten Arbeitsverlauf
(HAMBERGER 1995, S. 116).
Die Erfahrung der Sinnlosigkeit: Der Mensch kann die Auswirkungen seines
Wirkens nicht mehr nachvollziehen und versteht den Kontext seiner
Arbeitstätigkeit im Zusammenhang mit dem Ganzen nicht mehr (BECKERATH
1981, S. 149).
HAMBERGER erläutert: ,,Meaninglessness
[Sinnlosigkeit] - definiert als
mangelndes Verständnis der Bedeutung der eigenen Arbeit und der Arbeit
anderer im Gesamtzusammenhang der Organisation und ihren Zielen."
(HAMBERGER 1995, S. 116)
Das Erlebnis der Normlosigkeit: Die Werktätigen weichen von verpflichtenden
Normen (Arbeitsmoral, Pflichterfüllung) immer weiter ab, so daß ein Zustand sich
auflösender gesellschaftlicher Integration (nach E. DURKHEIM) entsteht.
(BECKERATH 1981, S. 149).
Dazu gibt HAMBERGER leider keine beispielhaftere Definition.
Das Empfinden von Isolation: Der Mensch distanziert sich immer stärker von
grundlegenden Werten oder Zielen, welche zuvor integrierende Funktion
innehatten (BECKERATH 1981, S. 149).
HAMBERGER schreibt abweichend vom Wortgebrauch Seemanns dazu:
,,Isolation ­ definiert als fehlendes Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen
[Corporate Identity] und mangelnde normative Integration innerhalb der
Organisation." (HAMBERGER 1995, S. 116).
Die Erfahrung der Selbstentfremdung: Personen spielen lediglich noch eine von
außen auferlegte soziale Rolle, welche als fremd und für das eigene "Selbst" als
unannehmbar angesehen wird (BECKERATH 1981, S. 149).
HAMBERGER definiert ,,Selbstentfremdung ­ als Folge mangelnder Bestätigung
des Selbstwertes durch die in der Arbeit liegende innere Befriedigung einerseits
und von anderen erhaltene Wertschätzung und Anerkennung andererseits."
(HAMBERGER 1995, S. 116)
Einige Kritiker haben beanstandet, so WISWEDE, daß mit der Auffächerung des
Entfremdungsbegriffs durch SEEMANN so gut wie kein wissenschaftlicher

2) Die Entfremdung
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Fortschritt verbunden sei, da lediglich ein unklarer Ausdruck durch fünf weitere
unklare ersetzt wurde. (BECKERATH 1981, S. 149)
Trotz vieler Kritik wurde SEEMANNS Grundkonzept dieser Auffächerung von
vielen Autoren in ähnlicher Weise aufgegriffen. Einige dieser Autoren arbeiten
quantitativ, andere arbeiten qualitativ.
Zum qualitativen arbeiten benutzen Wissenschaftler u. a. narrative Interviews,
welche Brinkmann 1996, z. B. sowohl kognitivproblemanalytisch als auch
tiefenhermeneutisch ausgewertet hat (ZUREK 1998, S. 6).
Da ich WISWEDES Konzept der Darstellung des Entfremdungsbegriffs z. T.
gefolgt bin, soll nun auch sein Schlußkommentar folgen:
,,Obgleich die vorliegende Skizzierung
[der ich z. T. gefolgt bin] der
wichtigsten Entfremdungskonzepte zeigte, daß es sich offensichtlich um
einen höchst problematischen und ideologisch sicherlich überfrachteten
Begriff handelt
[der Begriff ist oft im Zusammenhang mit Sozialismus und
Kommunismus verwendet worden bzw. mit "irgendwelchen"
Vorstellungen von Selbstverwirklichung
], scheint man sich jedoch nicht
entschließen zu können, ihn aufzugeben (...), weil man zu spüren glaubt,
daß sich hier ein fundamentaler Aspekt unserer industriellen
["modernen",
"kapitalistischen"
] Arbeitswelt äußert, dessen genauere Erfassung noch
besonderer Anstrengung bedarf." (BECKERATH 1981, S. 149)
Aus ZUREKS Äußerungen (vgl. ZUREK 1998 und 1999) läßt sich schließen, daß
diese Anstrengungen in erster Linie durch qualitative Methoden zum Erfolg
führen.
Um nun auf eine konkrete Ebene des Entfremdungsbegriffes zu kommen, folgt
eine Entfremdungsanalyse der psychologischen Beratungstätigkeit, welche
ZUREK auf Grundlage seines achtjährigen Wirkens in einer
schulpsychologischen Beratungsstelle durchführte. Grundlage waren seine
Berufstagebücher.
,,Es lassen sich dabei drei relevante Entfremdungsdimensionen im
schulpsychologischen Beratungsalltag finden und in den
Berufstagebüchern nachzeichnen:
(1)
Als erste Art der Entfremdung die zwischen PsychologIn und Bürokratie:
Die institutionellen Bedingungen der Beratungstätigkeit ragen ins
Psychologenbewußtsein hinein und erzeugen einen gewissen

2) Die Entfremdung
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Verdinglichungsdruck: - die ganze Arbeitsweise von Beratung
bürokratisiert und verdinglicht Menschen in Fälle und rationalisiert den
menschlichen Austausch am Streckbett Terminkalender; -,,Aktenpflege"
als Verdinglichung von Menschen, Schüler/Innen in Fälle; -
Bürokratismus im Verein mit Erfolgsdruck schaffen ein seltsames
Rationalisierungsdenken: Wartelistendruck und Stückzahlendenken führen
zu immer technischerem Vorgehen.
(2) Die Entfremdung zweiter Art handelt um die Beziehungsebene des
,,Berufs-Menschen" PsychologIn: Es handelt sich um die Entfremdung der
BeziehungsarbeiterIn zu ihrem Produkt, der professionellen Beziehung. Im
Zentrum der Analyse stehen hier Austauschprozesse, Geben und Nehmen
zwischen BeraterInnen und SchülerInnen mit der prinzipiellen
Asymmetrie der Beziehungen und ihrer zahlreichen ungleichen
Tauschrelationen (ZUREK 1992b, 80). Des weiteren die
Konfliktverdinglichung, d. h. : es findet kein freies Aushandeln im
Schulkonflikt statt, sondern die Beratung unterstützt nichts anderes als den
Gang der Dinge selbst, der freilich Angst macht. Schließlich die
Rückwirkung der verdinglichten Beziehung BeraterIn - KlientIn auf der
BeraterInnen selbst: Träume und Utopien gehen kaputt, stattdessen greift
potemkinsches Denken um sich.
(3) Die dritte Entfremdungsdimension umfaßt das veränderte Selbst der
PsychologIn: die Selbstentfremdung durch Berufsrollenidentifikation: Im
Zentrum steht hier die Auseinandersetzung mit dem Antagonismus
"Berufs-Mensch" sein zu müssen; der Konflikt zwischen Eigenem und
Fremden in der psychologischen Tätigkeit, wo das Leben der eigenen
Privatsphäre in seinen Bedürfnissen und Gefühlen gleichzeitig absolut
wichtig für die Arbeitssphäre und das dort geforderte Gefühlsmanagement
mit dem Resultat: Zweierlei Leben, Gefühle, zweierlei Menschsein einer
eigentlich nicht teilbaren Identität. (ZUREK 1993, 113) Die
Anpassungsidentifikation mit der Berufsrolle (PARIN 1978) löst das
Problem nicht wirklich oder eben konservativ verdinglichend, indem das
,,falsche Ideal" ins Ich hineingenommen wird. (ZUREK 1993, 112)
Dabei finden sich in den Berufstagebüchern gleichzeitig alle Phänomene:
die des Fremden, der Entfremdung und der Verdinglichung, Gefühle der

2) Die Entfremdung
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Empörung darüber bis hin zu Strategien der Veränderung: subversive von
nicht-mitspielen (ignorieren) bis zu Doppelstrategien ("so tun als ob..")
und Strategien der Entdinglichung (keine Aktenpflege mehr). Die
Probleme verteilen sich in den drei Entfremdungsdimensionen. Eine
Entwicklung der Entfremdung im Berufsalltag läßt sich etwa so
kennzeichnen: vom Praxisschock zu Beginn zum allmählichen
Ausbrennen (Burn Out) nach sechs bis sieben Jahren Tätigkeit. Der
Praxisschock zeigt eine vielfache Fremdheit bis zur Entfremdung des
Subjekts Psychologe insb. die anfangs stark erlebte Ziel-Mittel-
Entfremdung.
Man fühlt sich als bloßes Mittel funktionalisiert, eigene Ziele wie selbst
kleine spontane Aktionen sind nicht erlaubt.
Nach sechs Jahren werden Verkrustungen erkennbar, die schließlich zur
einsetzenden Selbst-Verdinglichung führen. Das Ganze der
psychologischen Beratung erscheint zwar technisch beherrschbar, aber der
Gesamtsinn ist verloren gegangen." (ZUREK 1999, S. 17 ­ 19)
Eine Kritik an dieser Vorgehensweise, mit der sich auch schon ETZIONI
auseinandersetzte, liegt darin, daß die von ZUREK vorgetragenen
Entfremdungsdimensionen die vollständige Erfindung, einer auf den Verstand
ausgerichteten Übertragung eines eigenen Gefühls (in diesem Falle das von
ZUREK) auf andere ist ("man fühlt sich...") (ETZIONI 1975, S. 636).
Um solcher Kritik entgegenzuwirken, müßten beispielsweise mehrere
Experteninterviews mit anderen Schulpsychologen geführt werden um zu
überprüfen, ob ZUREKS Wahrnehmungen mit denen anderer übereinstimmen.
Der von ZUREK beschriebene Burn Out oder der Verlust des Gesamtsinns wären
laut meiner eigenen Definition "Entfremdungssymptome". Diesen Begriff werde
ich bei der Darstellung meiner eigenen Entfremdungstheorie (von
Kommunikation) wieder aufgreifen.
Um den Begriff der Entfremdung am Beispiel der "Entfremdung von Arbeit" auf
eine aktuellere Ebene zu bringen, werde ich zunächst den Begriff der Telearbeit
erläutern. Im Anschluß daran werde ich die von SEEMANN entwickelten fünf
Begriffe auf die Telearbeit anwenden und mit Hilfe von Textquellen belegen.
SEEMANNS Begriffe werden deshalb benutzt, weil diese Ausdrücke auch von

2) Die Entfremdung
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14
anderen Autoren im Zusammenhang mit der Telearbeit direkt oder indirekt
verwendet werden.
Um ein Beispiel für diese Vorgehensweise zu geben, insbesondere in Bezug auf
die indirekt verwendeten Begriffe werde ich sie nun in ZUREKS Beispieltext
herausarbeiten.
Die Erfahrung der Sinnlosigkeit machte ZUREK nach sechs Jahren, als er den
Gesamtsinn seiner Tätigkeit verloren gegangen sah (ZUREK 1999, S. 19).
Das Gefühl der Machtlosigkeit ist im, von ZUREK beschriebenen,
Verdinglichungsdruck zu suchen. ,,Bürokratismus im Verein mit Erfolgsdruck
[äußere Kräfte] schaffen ein seltsames Rationalisierungsdenken [und damit
Verhalten
]..." (ebenda, S. 17) welchem sich auch ZUREK nicht entziehen konnte.
Das Empfinden von Isolation bei ZUREK geht einher mit der Tatsache, daß
eigene Ziele, wie selbst kleine spontane Aktionen, nicht erlaubt waren (ebenda, S.
19).
Die Erfahrungen der Selbstentfremdung machte ZUREK als er nur noch eine
äußerlich aufgelegte Rolle ­ die des "Berufs-Menschen" spielte und sich
zunehmend nur noch als bloßes Mittel funktionalisiert fühlte (ebenda, S. 19).
Der Sachzusammenhang des Erlebnisses der Normlosigkeit ist insgesamt
problematisch (auch in Bezug auf die Telearbeit). Das Problem ist, daß unklar ist,
ob die verpflichtenden Normen nach der Definition von Seemann in Zureks Fall
die Ausübung der durch Bürokratismus und Erfolgsdruck geprägten
"professionellen Berufsrolle" sind. Wenn ja, so sind diese jedoch gleichzeitig eine
Quelle für die anderen Entfremdungsbegriffe.
Im folgenden Kapitel erläutere ich nun eine (relativ) moderne Form der Arbeit ­
die Telearbeit.

3) Die Telearbeit
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3) Die Telearbeit
3.1) Die Entstehungsgeschichte des Begriffs Telearbeit
Das Wort "Tele" entstammt dem Griechischen und bedeutet "fern" (DUDEN,
1991). Telearbeit heißt in bezug darauf fernes Arbeiten.
UDO KONRADT & RENATE SCHMOOK schreiben: ,,Unter Telearbeit
(TA) wird eine Arbeitsorganisationsform verstanden, die ganz oder teilweise
außerhalb betrieblicher
[oder staatlicher] Arbeitsstätten unter Nutzung
moderner Informations- und Kommunikationstechnologien erbracht wird."
(KONRADT & SCHMOOK 1999, S. 40)
Dezentrale, ortsungebundene Arbeit entstand in den USA. Der Amerikaner
JACK NILLES beschreibt mit dem Begriff des Telecommuting 1976 erstmals
dezentrale Arbeitsplätze, welche hauptsächlich der Vermeidung verkehrs-,
energie- und raumpolitischer Probleme dienen sollten (ebenda, S. 41-42).
Der Ursprung für diese Idee war die Ölkrise von 1973. Mit Hilfe des
Telecommuting, was "Fernpendeln" bedeutet, wird die Möglichkeit
beschrieben, die Arbeit in Form von elektronischen Daten mit Hilfe moderner
Telekommunikationstechnologie zum Arbeitnehmer pendeln zu lassen und
nicht den Arbeitnehmer zum Ort der Arbeit. Damit wäre man im Zweifelsfall
unabhängiger von Verknappungen oder extremen Verteuerungen von
Benzinreserven gewesen. NILLES bezog sich dabei auf Informationsarbeit,
welche mit Hilfe der Computertechnologie auch von zu Hause erledigt
werden könnte. Das ließ die physische Anwesenheit des Beschäftigten im
Unternehmen immer weniger notwendig erscheinen. Der Beschäftigte würde
seine Fahrtwege zur Arbeit und damit auch den Benzinverbrauch und die
damit verbundenen Umweltbelastungen reduzieren (BRANDT 1999, S. 8-9;
GARHAMMER & MUNDORF 1997, S. 232)
In den 80er Jahren besaß die Telearbeit eher einen schlechten Ruf, da sie oft
mit der nicht selten ungeschützten, niedrig qualifizierten und schlecht
bezahlten Heimarbeit in einem Atemzug genannt wurde. Ein wichtiges

3) Die Telearbeit
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Hindernis für eine rasche Ausbreitung der Telearbeit waren die hohe Kosten
und technische Mängel in der IuK-Technik.
Durch verschiedene Ereignisse änderte sich in den 90er Jahren das Image der
Telearbeit in Deutschland. Laut BRANDT belegen verschiedene Studien, daß
der Bildungsgrad der Telearbeiter vergleichsweise hoch ist. Da die Politik
hohe Erwartungen an die IuK-Technologien stellte, um im globalen
Wettbewerb nicht den Anschluß zu verpassen, und die Preise in diesem
Sektor ständig fielen, hat die Telearbeit im Vergleich zu den 80er Jahren
einen starken Schub nach vorne bekommen (BRANDT 1999, S. 9-10; Vgl.
auch SPÄKER & WIEßBACH 1997, S.215).
Um eine ungefähre Vorstellung von dem Ausmaß der Telearbeit in der
Arbeitswelt zu bekommen, beschreibt das folgende Kapitel die Telearbeit in
Zahlen.
3.2) Telearbeit in Zahlen
In Europa, so BÜSSING, schätzt man, daß Telearbeit derzeit von ca. 1,25 bis
17 Mio. Arbeitnehmern praktiziert wird. In den auf dem Gebiet der Telearbeit
führenden USA liegen die Schätzungen bei 3 bis 20 Mio. (BÜSSING 1997, S.
195).
Vergleicht man beispielsweise speziell für Deutschland die Zahlen der
TELDET-Studie von 1994/95 von 150.000 Telearbeitern, das sind ca. 0,4 %
der Erwerbstätigen (GARHAMMER & MUNDORF 1997, S.233), mit
anderen Umfrageergebnissen, so zeigen sich ebenfalls sehr extreme
Schwankungen. So geht der Petersberg-Kreis des Bundeswirtschafts-
ministeriums von nur 3.000 Telearbeitsplätzen für Deutschland aus
(SCHÜTTE 1997, S.865). Zu wesentlich höheren Zahlen gelangte das
Frauenhofer Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation, das insgesamt
auf ca. 857.500 Telearbeitsplätze kommt. Diese teilen sich auf verschiedene
Formen der Telearbeit auf: Mobile Telearbeit 500.000, Alternierende
Telearbeit 35.000, Teleheimarbeit 22.000 und Kollektive Telearbeit
(Satelliten- und Nachbarschaftsbüros) 3.500 (BÜSSING 1997, S. 195).

3) Die Telearbeit
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An diesen Zahlenschwankungen läßt sich schon das Problem des Begriffs der
Telearbeit erahnen: Die jeweiligen Autoren definieren den Begriff der
Telearbeit sehr unterschiedlich, wodurch eine Abgrenzung zu ähnlichen
Arbeitsformen schwierig wird.
Diese Tatsache führt zum nächsten Kapitel, in dem die verschiedenen Formen
der Telearbeit erläutert werden.
3.3) Formen der Telearbeit
GLASER & GLASERS Definition von Telearbeit beruht auf vier
verschiedenen Merkmalen: Umfang der außerhalb der Arbeitszentrale
verbrachten Arbeitszeit, den Arbeitsort, die Ausstattung der Arbeitsstätte
außerhalb der Firma mit IuK-Technik und Rechtsform des
Arbeitsverhältnisses (GLASER & GLASER 1995, S.6 ff.).
Das erste von GLASER & GLASER genannte Merkmal betrifft den Umfang
der außerhalb der Arbeitszentrale verbrachten Arbeitszeit.
3.3.1) Aspekt der Arbeitszeit
Laut BÜSSING, gibt es zwei Arten der Telearbeitszeit: es wird andauernd
dezentral gearbeitet (beispielsweise in der Teleheimarbeit) oder die
Tätigkeiten am dezentralen (z. B. zu Hause) und am zentralen Arbeitsplatz
(Telezentrum, Büro etc.) wechseln sich ab (sogenannte alternierende
Telearbeit) (BÜSSING 1997, S. 195).
KONRADT & SCHMOOK gehen in Anlehnung an GLASER & GLASER
(1995) etwas weiter. Sie unterscheiden drei Gruppen: In der ersten Gruppe
sind die Teleheimarbeiter (THA) mit einem 100%igen Telearbeitsanteil.
Die zweite Gruppe besteht aus wohnungszentrierten, alternierenden Tele-
heimarbeitern (WAT) mit einem mindestens 50%igen Telearbeitsanteil. In der
dritten Gruppe befinden sich die bürozentrierten, alternierenden
Teleheimarbeiter (BAT), deren Telearbeitsanteil 49% nicht übersteigt.

3) Die Telearbeit
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Analysen von KONRADT & SCHMOOK zeigten, daß es in diesen Gruppen
demographische Unterschiede gibt. So sind in Gruppe 3 (BAT) Männer
überrepräsentiert, während in den Gruppen 1 (THA) und 2 (WAT) der
Frauenanteil überwiegt. Ebenfalls sind bei den THA und WAT häufiger
Eltern von Kindern im Vorschulalter zu finden (KONRADT & SCHMOOK
1999, S. 143).
Der nächste Abschnitt beschreibt die Merkmale des Arbeitsortes.
3.3.2) Aspekt des Arbeitsortes
Arbeitsplätze können, so REICHWALT et al, ausgelagert werden,
- in die Wohnung (Behausung) des Mitarbeiters (home-based Telework),
- in wohnort-, kunden- oder ressourcennah bestehende Telecentren (center-
based Telework),
- direkt zum Kunden, Lieferanten oder sogenannten Wertschöpfungspartnern
(on-site Telework) oder
- in räumliche Mobilität (mobile Telework) (REICHWALD ET AL 1997,
S.207).
Die einzelnen Arbeitsplätze sollen nun kurz näher erläutert werden:
Zunächst einmal sind da die dezentralen Gemeinschaftsbüros, welche bei
BÜSSING als kollektive Telearbeit bezeichnet werden. Diese heißen z. B.
Satellitenbüros. Das sind "Ableger" oder unter funktionalen Gesichtspunkten
ausgegliederte Organisationseinheiten eines Betriebes. Die Auslagerung
solcher Organisationseinheiten folgt der Idee von kunden- und wohnortnahem
Arbeiten (also dem on-site Telework) (Büssing 1997, S. 194; Vgl. auch
Brand 1999, S. 18).
HUBER bezeichnet Satellitenbüros (satellite Workcenters) auch ganz banal
als neumodisches Wort für Zweigstelle oder Filiale (HUBER 1987, S.20).
Des weiteren gibt es Nachbarschaftsbüros. Diese stellen wohnortnahe
Telearbeitsplätze für unterschiedliche Unternehmen bereit. Die
Telearbeitsplätze können, nach BÜSSING, von Betrieben oder einzelnen

3) Die Telearbeit
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Selbständigen angemietet und gemeinsam genutzt werden (BÜSSING 1997,
S. 194). Laut BRANDT ist dies das sogenannte center-based Telework
(Brandt 1999, S. 18).
Dann gibt es noch die Telezentren. Weitere Synonyme dafür sind, wie
BÜSSING & AUMANN berichten, Telehaus, Teleservicezentrum,
Telearbeitszentrum, Telecenter, Telecottage oder rural remote work center
(BÜSSING & AUMANN 1997, S. 241).
Ein Telezentrum bietet Unternehmen, laut BÜSSING, Telearbeitsplätze,
technologische Infrastruktur sowie Ausstattung, gleichzeitig jedoch auch
personelle Ressourcen, d. h. Arbeitnehmer, an. Ferner agiert es selbst als ein
Dienstleistungsunternehmen in der Sparte der modernen IuK-Technologie
(BÜSSING 1997, S. 194). Bei BRANDT fällt es ebenfalls unter center-based
Telework (BRANDT 1999, S. 18).
In mobilen Telearbeitsverhältnissen (mobile Telework) kann weitgehend
arbeitsortungebunden gearbeitet werden. BÜSSING berichtet, daß mobile
Telearbeit überwiegend in herkömmlichen Außendienstberufen, jedoch auch
im Management und Handwerk angesiedelt sind. Um ortsungebunden
arbeiten zu können, braucht man mobile IuK-Technologien wie
beispielsweise Notebook, mobiles Fax, mobiler Drucker, Modem etc.
(BÜSSING 1997, S. 194-195).
Von Teleheimarbeit spricht man, wenn überwiegend zu Hause gearbeitet wird
(ebenda, S.194). KONRADT & SCHMOOK berichten, daß in der von ihnen
besprochenen Untersuchung die Teleheimarbeit überwiegend im
Erziehungsurlaub von Frauen genutzt wurde, wobei die in Deutschland
gesetzlich festgelegte Grenze von 19 Stunden nicht überschritten werden darf
(KONRADT & SCHMOOK 1999 (b), S. 55).
KONRADT & SCHMOOK berichten weiter, daß die Teleheimarbeit nach
arbeitspsychologischen und arbeitswissenschaftlichen Gesichtspunkten
betrachtet weniger sogenannte Humanisierungspotentiale aufweist, als die im
Anschluß beschriebene alternierende Telearbeit. Konkret bedeutet dies, daß
die Teleheimarbeit einen Mangel an sozialen Kontakten und sozialer

3) Die Telearbeit
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Sicherung bietet, sowie keine Kontrolle über die Realisierung der
Vorschriften ergonomischer Art. Außerdem gäbe es eine größere Gefahr
anforderungs- und abwechslungsarmer Tätigkeiten, was zu einer niedrigeren
Persönlichkeitsförderung führe. Dazu gäbe es eine verminderte
Kooperationserfordernis (ebenda, S. 42-43).
Im Ergebnis ihrer Untersuchungen konnten KONRADT & SCHMOOK dies
jedoch nicht beweisen. Die Fehlbelastungen wie Unsicherheit,
arbeitsorganisatorische Probleme und Arbeitsunterbrechungen entfielen hier
auf die bürozentrierten, alternierenden Telearbeiter. Dies habe jedoch
vermutlich weniger mit der Telearbeit an sich, als um so mehr mit einer
höheren Gesamtarbeitsbelastung dieser Beschäftigungsgruppe zu tun (ebenda,
S. 56).
Bei alternierender Telearbeit handelt es sich, so meint HUBER, um den
gelegentlichen bis regelmäßigen Wechsel zwischen zwei oder mehreren
festen Arbeitsorten. Oftmals sind dies das Büro und das Zuhause des
Mitarbeiters (HUBER 1987, S.21).
1997 beschrieb SCHÜTTE die alternierende Telearbeit als das
zukunftsträchtigste Modell (SCHÜTTE 1997, S. 860). Jedoch schränkt er ein:
,, Wer nur zweimal in der Woche seinen Betrieb aufsuchen muß, wird
tendenziell dafür einen weiteren Weg in Kauf nehmen". (ebenda, 863) Damit
ist der ursprüngliche Gedanke, den Benzinverbrauch mit Hilfe der Telearbeit
zu verringern, auch schon wieder in Frage gestellt.
GLASER & GLASER kamen zu der Erkenntnis: ,,Der alternierende
Arbeitsort beseitigt, wie viele empirische Belege gezeigt haben, die
betrieblichen Kommunikationsprobleme, die bei ausschließlich häuslicher
Telearbeit nahezu unvermeidbar sind". (GLASER & GLASER 1999, S. 134)
Dies sei jedoch nur so lange problemlos, solange die magische Grenze von
zwei häuslichen Arbeitstagen nicht überschritten werde (ebenda, S. 140).
Als nächstes wird die von GLASER & GLASER 1995 erwähnte
Technikausstattung außerhalb der Firma beleuchtet.

3) Die Telearbeit
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3.3.3) Aspekt der Ausstattung der Arbeitsstätte außerhalb der Firma mit IuK-
Technik
Telearbeit kann im on line oder off line Betrieb durchgeführt werden. Konkret
bedeutet dies, eine technische Anbindung über eine direkte Übertragung von
Daten, wie beispielsweise Texte oder Grafiken, über eine Datenleitung (on
line) über ISDN o. ä. . Möglich ist jedoch auch, daß zum Austausch von
Daten Disketten, CD-Roms etc. eingesetzt werden (BÜSSING 1997, S. 195).
Auf weitere technische Details soll an dieser Stelle verzichtet werden.
Der letzte Punkt der Ausführung von GLASER & GLASER, ist der rechtliche
Aspekt des Arbeitsplatzverhältnisses.
3.3.4) Aspekt der Rechtsform des Arbeitsverhältnisses bei Telearbeit
Man unterscheidet, so BÜSSING, Telearbeit unter Aufrechterhaltung des
vertraglichen Arbeitnehmerstatus als ein Beschäftigungsverhältnis, das auf
dem Heimarbeitergesetz beruht sofern häusliche Erwerbsarbeit vorliegt, werk-
oder dienstvertraglich festgelegte Telearbeit und selbständige
Teleunternehmer (ebenda, S. 195).
Im folgenden Kapitel wird der Entfremdungsbegriff nach SEEMANN auf die
Telearbeit angewandt. Dabei wird ähnlich vorgegangen wie in ZUREKS
Entfremdungsbeispieltext aus dem Kapitel "Die Bedeutung der Entfremdung
nach Seemann".

3) Die Telearbeit
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4) Entfremdung (von Arbeit) im Feld der Telearbeit
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4) Entfremdung (von Arbeit) im Feld der Telearbeit
4.1) Die Anwendung des Entfremdungsbegriffs nach Seemann auf die
Telearbeit
In diesem Kapitel wende ich nun die Begriffe Normlosigkeit, Machtlosigkeit,
Selbstentfremdung, Sinnlosigkeit und Isolation auf die Telearbeit an. Im
folgenden versuche ich diese Begriffe anhand von Textquellen zu belegen,
ähnlich wie ich es in ZUREKS Beispieltext im Kapitel ,,Die Bedeutung der
Entfremdung nach Seemann" getan habe.
Es muß vorausgeschickt werden, daß die dazu verfügbaren Textquellen im
Verhältnis zu ZUREKS Beispieltext nur mäßig ergiebig sind, da sie sich
lediglich ansatzweise oder indirekt auf das Thema der Entfremdung beziehen.
Zwar lassen sich verschiedene negative Einflüsse der Telearbeit ausmachen,
wie diverse gesundheitliche Problematiken, Workaholismus von Heimtele-
arbeitern u. ä. Diese beziehen sich jedoch nicht auf die Entfremdung.
Zu den gefundenen Beispielen muß einschränkend vorausgeschickt werden,
daß sie von Mensch zu Mensch persönlichkeitsbedingt verschiedene
Auswirkungen haben. Was beim einen Entfremdung auslöst, wird beim
anderen durch entsprechende Kompetenzen, Auffassungen usw. wieder
ausgeglichen. Dies bedeutet jedoch auch gleichzeitig, daß nicht jeder Mensch
für die Telearbeit geeignet ist.
Bei LENK wird deutlich, daß die Bedeutung von Entfremdung auch stark mit
dem Begriff der "Arbeitsunzufriedenheit" zusammenhängt (LENK 1989, S.
89).
(4.1.1) Normlosigkeit: Der Begriff der Normlosigkeit muß in Bezug auf die
Telearbeit mit Teilen des Begriffs der Isolation verbunden werden. Es muß
unterstellt werden, daß wenn Telearbeiter bestimmte Merkmale
herkömmlicher Arbeit vermissen, diese für sie einstmals eine integrierende
Funktion innehatten.

4) Entfremdung (von Arbeit) im Feld der Telearbeit
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So ist bei GARHAMMER nachzulesen, daß 38% der Befragten zum Thema
Nachteile der Telearbeit in den USA, manchmal soziale Kontakte, welche bei
Büroarbeit durch Gespräche mit Kollegen entstehen, vermissen.
40% geben in der deutschen Version dieser Befragung an, daß für sie keine
Abgrenzung von Arbeit und Privatleben möglich ist. (Dies ist jedoch nur bei
5% der amerikanischen Befragten so). KONRADT & SCHMOOK erwähnen
in diesem Zusammenhang die Doppelbelastung von Teleheimarbeiterinnen
durch Familie und Beruf (KONRADT & SCHMOOK 1999, S. 149).
BÜSSING (Professor für Arbeitspsychologie) fügt an dieser Stelle ergänzend
hinzu:
"Mit der Aufgabe von mehr oder minder festen Arbeitszeiten gehen
gleichzeitig externe Regelsysteme verloren, die auch Entlastung bieten.
So steht der gewonnenen Freiheit zum selbstverantwortlichen Umgang
mit beruflicher, privater und sozialer Zeit der Zwang zur Übernahme von
Zeitverantwortung gegenüber." (BÜSSING 1997, S. 38)
Das Merkmal mit integrierender Funktion des herkömmlichen Arbeitsplatzes
ist also die geregelte Arbeitszeit.
Ebenfalls BÜSSING bringt ein Jahr zuvor ein Interviewbeispiel dazu:
"Früher, da bin ich halt in die Arbeit gegangen, von morgens bis
nachmittags meine acht Stunden und dann ging man heim, und dann ist
das erledigt. Aber wenn man daheim sitzt, dann denkt man irgendwie
schon öfters daran, jetzt solltest du noch was tun (Telearbeiterin, 24 Jahre,
2,5 Jahre alte Tochter)" (BÜSSING & AUMANN 1996, S. 227)
Dieses Zitat beinhaltet andeutungsweise auch schon den später erwähnten
Begriff der Selbstmotivation.
Bei der amerikanischen Umfrage monierten außerdem 14% der Befragten,
daß der Arbeitgeber glaube, sie seien als Arbeitnehmer jederzeit abrufbar
(GARHAMMER 1997, S. 237).

4) Entfremdung (von Arbeit) im Feld der Telearbeit
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43% haben Angst um ihre betriebliche Karriere aufgrund "eingeschränkter
Sichtbarkeit" (ebenda, S. 238).
BÜSSING & AUMANN zählen die Vorteile von Telezentren (als fast
herkömmliche Arbeitsplätze) gegenüber der Teleheimarbeit auf:
· "In die Arbeitsgestaltung können kooperations- und kommunikations-
orientierte Arbeitsaufgaben miteinbezogen werden;
· in täglicher face-to-face Kommunikation mit Kollegen und Kunden
können soziale Kompetenzen genutzt werden;
· der Informationsfluß bei der Arbeit wird aufrecht erhalten, speziell in
Bezug auf die Versorgung mit informellen Informationen;
· (symbolische) Grenzen zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit bleiben
erhalten, so daß der Übertragung von Belastungen zwischen Beruf und
Privatleben durch die Entprivatisierung des häuslichen Betriebes begegnet
werden kann." (BÜSSING & AUMANN 1997, S. 242)
Bei HEGNER findet sich noch ergänzend, daß durch Heimtelearbeit ein
Schwinden der Möglichkeiten zur Einflußnahme auf betriebliche Vorgänge,
die für die eigene Arbeit von Bedeutung sind, zu verzeichnen ist (HEGNER
1989, S. 41).
BÜSSING & BROOME merken noch an, daß Informationsmängel und ein
Manko an Transparenzerleben bezogen auf den eigenen Betrieb bei
Telearbeitern Unsicherheiten hervorrufen können (beispielsweise die
Unsicherheit über die Wahrnehmung der eigenen Arbeitsleistung usw.).
Das kann dann zu einer schlechteren Beziehung von Telearbeiter und Betrieb
führen, was gleichzeitig eine Verschlechterung der Corporate Identety
bedeutet (BÜSSING & BROOME 1999, S. 125).
Es kann passieren, daß nicht die Identifikation mit der Arbeit an sich leidet,
sondern daß eine Entfremdung gegenüber der Organisation stattfindet
(ebenda, S. 131).

4) Entfremdung (von Arbeit) im Feld der Telearbeit
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BUDDENDICK, LEO & HELL erfaßten 1997 per Fragebogen den Punkt, daß
einige Telearbeiter mangelnde Rückmeldung über ihre Arbeit als Belastung
empfinden (BUDDENDICK, LEO & HELL 1997, S. 168). Der grundlegende
"Wert" mit integrierender Funktion ist in diesem Falle also das Mitarbeiter-
Feedback.
Ein etwas schwierig einzuordnender Punkt ist das bei BUDDENDICK, LEO
& HELL erwähnte Problem der Notwendigkeit zur Selbstmotivation am
häuslichen Arbeitsplatz. (In diesem Falle sogar bei alternierender Telearbeit)
(Ebenda 1999, S. 169). Demnach muß der herkömmliche Arbeitsplatz
(dadurch, daß er eben im Empfinden der Telearbeiter ein Arbeitsplatz ist,)
eine Motivation zur Arbeit in sich haben.
Zu diesem Punkt schreibt DETER in Bezugnahme auf NERDINGER (1995),
daß das Wort Motivation auch mit dem Begriff "sozialer Anschluß" im
Zusammenhang stehen kann (DETER 2000, S. 15).
Dieses Motiv des sozialen Anschlusses um Arbeitsleistung zu erbringen ist
am häuslichen Arbeitsplatz zumindest stark eingeschränkt.
BRANDT schreibt in Bezugnahme auf GLASER & GLASER
"Weitere negative Auswirkungen der
[Heim-] Telearbeit werden darin
gesehen, daß Erfolge nicht spontan mit Kollegen geteilt werden können
und daß keine Ansprechpartner existieren, um z. B. spontane Fragen
klären zu können." (BRANDT 1999, S. 59)
Merkmal herkömmlicher Arbeit mit integrierender Funktion ist also der
spontane Austausch über die Arbeit, welcher mit unbeteiligten
Familienmitgliedern (falls vorhanden) sicherlich schwieriger oder gar nicht
herzustellen ist.
Ein letztes Beispiel für Normlosigkeit bei (Heim-) Telearbeit stammt von
HEGNER et al. Es geht um die 31jährige Teleheimarbeiterin Frau Z. :
"Sie fühlt sich "sehr stark gestreßt". Als besonders belastend empfindet
sie den Arbeitsanfall. Sie wagt es nicht, den Arbeitgeber um Veränderung
zu bitten
[der wöchentliche Arbeitszeitumfang, welcher normalerweise

4) Entfremdung (von Arbeit) im Feld der Telearbeit
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um 15 ­ 20 Stunden lag, tendierte bereits seit einem halben Jahr Richtung
30 ­ 35 Wochenstunden
], weil sie befürchtet, daß ihr Arbeitsvertrag dann
über kurz oder lang aufgelöst würde. Sie wünscht sich eine ,,geregelte
Arbeitszeit" und eine ,,Rückkehr zur früheren Arbeitsweise" als aushäusig
beschäftigte Verwaltungsangestellte. Ihrem Mann gegenüber versucht sie,
sowohl einen Teil ihres Stresses als auch ihren Wunsch nach einer
aushäusigen Erwerbstätigkeit zu verbergen, weil sie befürchtet, daß der
Mann ihr dann jedwede Erwerbstätigkeit verbietet." (HEGNER et al
1989, S. 145)
Das einstmalige Merkmal mit integrierender Wirkung ist die geregelte
Arbeitszeit, nach der sich Frau Z. offensichtlich zurücksehnt.
Gleichzeitig enthält dieses Beispiel jedoch auch (das einzig aufzufindende)
Beispiel für das Gefühl der (4.1.2) Machtlosigkeit. Ihr Verhalten ­ den
Arbeitgeber nicht um eine Änderung des Arbeitsverhältnisses zu bitten ­ wird
von der Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes (äußere Kräfte) bestimmt.
Verstärkt wird dies noch durch die Angst, ihr Mann könne ihr das Arbeiten
ganz verbieten.
Die Erfahrung der (4.1.3) Selbstentfremdung in der Telearbeit läßt sich aus
der Literatur nur schwer herausfiltern. Hierzu muß HAMBERGERS
Ergänzung zum Begriff der Selbstentfremdung noch einmal betrachtet
werden. Erst dann läßt sich erkennen, daß dieser Punkt latent in dem Aspekt
von BUDDENDICK, LEO und HELL enthalten ist, welcher unter dem
Begriff der Normlosigkeit aufgeführt.
Es ist der Aspekt, daß einige Telearbeiter mangelnde Rückmeldung über ihre
Arbeit als Belastung empfinden (vgl. BUDDENDICK, LEO & HELL 1997,
S. 168).
Denn wenn keine Rückmeldung über die Arbeit erfolgt, so kann auch keine
Wertschätzung und Anerkennung durch sie erfolgen.
Der Aspekt der (4.1.4) Sinnlosigkeit ließ sich nur angedeutet feststellen. So
meint BRANDT in Bezug auf ULICH, daß es durch den PC ermöglicht wird,
elektronische Daten am jeweiligen Arbeitsplatz zu verarbeiten. Dies bedeute

4) Entfremdung (von Arbeit) im Feld der Telearbeit
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jedoch nicht generell, daß sich diese Aufgaben auch durch Ganzheitlichkeit
auszeichnen.
Arbeitsaufgaben können nur in Fällen als ganzheitlich gelten, in denen sie
planende, ausführende und kontrollierende Anteile miteinander verbinden.
Ganzheitlichkeit bzw. Vollständigkeit einer Arbeitsaufgabe seien jedoch für
das Wohlsein und psychische Gesundheit, bei einer von innen heraus
motivierten Tätigkeit, wichtig. In Bezug auf Teleheimarbeit, bei der die
soziale Motivation vorwiegend fehlt, führen ganzheitliche Arbeitsaufgaben zu
mehr Sinnhaftigkeit.
Um mit ihren Aufgaben Schritt halten zu können, und um den
Gesamtüberblick zu behalten, müssen die Telearbeiter immer wieder geschult
werden. Die Ganzheitlichkeit bzw. Vollständigkeit einer Arbeitsaufgabe hat
auch in der arbeitspsychologisch orientierten Beurteilung einen zentralen
Platz.
Eine zentrale Rolle haben auch die modernen, ausgelagerten
Gestaltungsräume von Arbeitsaufgaben, welche sich durch die Technologien
eröffnen. Technik wird zum Mittel der Wahl, dadurch, daß durch sie auf der
einen Seite die Machbarkeit von steigender Zentralisierung und
Bürokratisierung, auf der anderen Seite aber auch die Machbarkeit für eine
steigende Dezentralisierung von Arbeitsaufgaben besteht (BRANDT 1999, S.
27).
Die Arbeitspsychologie ist sich diesem Aspekt der Entfremdung also in
gewisser Weise bewußt und hat auch theoretische Gegenmaßnahmen parat. Es
ist jedoch eine unternehmensphilosophische Frage von Arbeitgeberseite so
etwas Wahrnehmen zu wollen bzw. evtl. schon bei Einführung von Telearbeit
solche Aspekte zu berücksichtigen.
Das Empfinden von (4.1.5) Isolation muß im Falle der Telearbeit genauer
definiert werden durch den Begriff der sozialen Isolation. BRANDT berichtet,
daß das psychosoziale Wohlbefinden am Arbeitsplatz nur schwer objektiv
bzw. quantitativ feststellbar sei. Dazu gehörten u. a. depressive
Verstimmungen als Folge sozialer Isolation (BRANDT 1999, S. 34).

4) Entfremdung (von Arbeit) im Feld der Telearbeit
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Depressive Verstimmungen durch soziale Isolation wären im Sinne meiner
Interpretation (in Bezug auf das später vorgestellte Kommunikations-
entfremdungsmodell) ebenfalls ein Entfremdungssymptom.
BRANDT meint ebenfalls, daß sich bei Telearbeiterinnen im
Erziehungsurlaub ein subjektives Empfinden von sozialer Isolation dadurch
einstellt, daß es zu einer gravierenden Verringerung der beruflichen
Sozialkontakte kommt. Private Seitengespräche von Angesicht zu Angesicht
könnten jedoch nicht adäquat durch Telephon oder elektronische Medien
ersetzt werden (ebenda, S. 62).
BÜSSING ergänzt, daß durch die Verlagerung des Arbeitsplatzes nach Hause,
auch gleichzeitig die soziale Umgebung des Arbeitsplatzes mit ihren
informationalen, instrumentellen und emotionalen Beziehungsgeflechten
verlassen wird.
So klagten denn trotz alternierender Telearbeit bei IBM 18% der Befragten
über Isolationsgefühle, wenn sie zu Hause ihrer Arbeit nachgehen (BÜSSING
1998, S. 39).
BÜSSING vermutet, daß diese Isolationsgefühle in erster Linie von jenen
Telearbeitern geäußert wurden, welche mehr als drei Tage pro Woche zu
Hause arbeiten (BÜSSING & AUMANN 1996, S. 228).
MÄLECKE fügt zu diesem Thema hinzu, das Telearbeiter mit Vorgesetzten
und Kollegen "oft" bis "in der Regel" per elektronischer
Kommunikationsmedien kommunizieren. Dabei ist eine direkte Erreichbarkeit
nicht immer gegeben, was bedeutet, daß auf asynchrone
Kommunikationsmedien (E-Mail etc.) ausgewichen werden muß. Es kommt
also häufig zu einer Entkoppelung von Kommunikationsort und ­zeit.
MALÄCKE schreibt in Bezug auf GRANTHAM & PAUL: ,,Soziale Isolation
kann eine Folge dieser Entkoppelung sein". (MÄLECKE 1999, S. 35)
Teleheimarbeiter seien dadurch stärker gefährdet als alternierende Telearbei-
ter, da bei Teleheimarbeitern die Kommunikation mit anderen
Betriebsangehörigen geringer sei, als bei vor Ort Beschäftigten mit deren

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832474836
ISBN (Paperback)
9783838674834
DOI
10.3239/9783832474836
Dateigröße
849 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Bremen – Psychologie
Erscheinungsdatum
2003 (Dezember)
Note
1
Schlagworte
psychologie kommunikationswissenschaft medien kommunikationsfehler videokonferenz
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Titel: Kommunikation und Entfremdung: Fördert virtuelle Kommunikation die Entfremdung?
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