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Integration von Versicherten-Daten in telematische Strukturen des Gesundheitssystems

Unter der Berücksichtigung des Akzeptanzproblems

©2003 Masterarbeit 115 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Gesundheitstelematik kann helfen, Informations- und Kommunikationsdefiziten im deutschen Gesundheitswesen entgegenzuwirken und gleichzeitig Kosten zu senken und die medizinische Versorgung zu verbessern. Die Nutzung telematischer Anwendungen kann den Beteiligten die Kontrolle über ihre Daten sichern und die Stellung der Akteure im Gesundheitssystem wesentlich beeinflussen. Wesentliche Interessenunterschiede zwischen den Akteuren und fehlende rechtliche und ökonomische Voraussetzungen haben die Einigung auf konkrete Lösungen bzw. Standards bisher verhindert. So ist die Akzeptanz für eine umfangreiche Nutzung telematischer Anwendungen noch nicht bei allen Beteiligten gegeben. Hiermit sind insbesondere die Versicherten gemeint, aber auch auf ärztlicher Seite bestehen viele Vorbehalte. Es wird aufgezeigt, wie die Akzeptanz erhöht werden kann, um das Potenzial der Telematik für das Gesundheitssystem zu erschließen.
Abstract:
Health telematics could help, to lower costs and at the same time to prevent medical information and communication deficits. For the persons concerned the use of telematic applications could ensure control over their data and could considerably influence the position of the actors in the health system. Important differences of opinion and conflicting interests as well as missing legal and economic conditions prevented up to now concrete solutions and/or new standards. So there is no general acceptance for an extensive use of telematic applications. That is in particular true for the insured persons, but physyicians, too, tend to be reluctant. The paper shows how acceptance could be increased in order to use the chances that telematics offer for the health system.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Einleitung und Begriffsbestimmung1
2.Gesundheitstelematik in Deutschland3
2.1Datenfluss im Gesundheitssystem3
2.2Ziele in der Gesundheitstelematik4
2.2.1Qualitätsverbesserung in der Behandlung4
2.2.2Kosteneinsparungen5
2.2.3Informationsgewinnung für die Planungsoptimierung und als Forschungsgrundlage6
2.3Akteure im Gesundheitswesen und ihre Interessen an telematischen Anwendungen6
2.3.1Politik6
2.3.2Leistungserbringer7
2.3.3Kostenträger7
2.3.4Rolle der Versicherten und Patienten7
2.3.5Interessenvertretung der Akteure und ihre Einflussmöglichkeiten auf die Ausgestaltung der telematischen Anwendungen10
2.4Entwicklung und Stand der Telematik in Deutschland15
3.Rechtliche […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7443
Balthasar, Dirk: Integration von Versicherten-Daten in telematische Strukturen des
Gesundheitssystems - Unter der Berücksichtigung des Akzeptanzproblems
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Universität Konstanz, Universität, MA-Thesis / Master, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

I
Abstract
Deutsch
Gesundheitstelematik kann helfen, Informations- und Kommunikationsdefiziten im
deutschen Gesundheitswesen entgegenzuwirken und gleichzeitig Kosten zu senken und die
medizinische Versorgung zu verbessern. Die Nutzung telematischer Anwendungen kann
den Beteiligten die Kontrolle über ihre Daten sichern und die Stellung der Akteure im
Gesundheitssystem wesentlich beeinflussen. Wesentliche Interessenunterschiede zwischen
den Akteuren und fehlende rechtliche und ökonomische Voraussetzungen haben die
Einigung auf konkrete Lösungen bzw. Standards bisher verhindert. So ist die Akzeptanz
für eine umfangreiche Nutzung telematischer Anwendungen noch nicht bei allen
Beteiligten gegeben. Hiermit sind insbesondere die Versicherten gemeint, aber auch auf
ärztlicher Seite bestehen viele Vorbehalte. Es wird aufgezeigt, wie die Akzeptanz erhöht
werden kann, um das Potenzial der Telematik für das Gesundheitssystem zu erschließen.
English
Health telematics could help, to lower costs and at the same time to prevent medical
information and communication deficits. For the persons concerned the use of telematic
applications could ensure control over their data and could considerably influence the
position of the actors in the health system. Important differences of opinion and conflicting
interests as well as missing legal and economic conditions prevented up to now concrete
solutions and/or new standards. So there is no general acceptance for an extensive use of
telematic applications. That is in particular true for the insured persons, but physyicians,
too, tend to be reluctant. The paper shows how acceptance could be increased in order to
use the chances that telematics offer for the health system.

II
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung und Begriffsbestimmung
1
2
Gesundheitstelematik in Deutschland
3
2.1
Datenfluss im Gesundheitssystem
3
2.2
Ziele in der Gesundheitstelematik
4
2.2.1
Qualitätsverbesserung in der Behandlung
4
2.2.2 Kosteneinsparungen
5
2.2.3
Informationsgewinnung für die Planungsoptimierung und als
Forschungsgrundlage
6
2.3
Akteure im Gesundheitswesen und ihre Interessen an telematischen
Anwendungen
6
2.3.1 Politik
6
2.3.2 Leistungserbringer
7
2.3.3 Kostenträger
7
2.3.4
Rolle der Versicherten und Patienten
7
2.3.5
Interessenvertretung der Akteure und ihre Einflussmöglichkeiten auf die
Ausgestaltung der telematischen Anwendungen
10
2.4
Entwicklung und Stand der Telematik in Deutschland
15
3
Rechtliche Rahmenbedingungen
17
3.1
Ärztliche Schweigepflicht und Dokumentationspflicht
17
3.2
Datenschutz 18
4
Datensicherheit und Datenstandards
20
4.1
Sicherheitsinfrastruktur / Kryptographie
20
4.1.1 Verschlüsselung
21
4.1.2 Elektronische
Signatur
23
4.1.3
Public-Key-Infrastruktur und Trusted Third Parties
25
4.1.4
Health Professional Card (HPC)
26
4.2
Anonymisierung und Pseudonymisierung
28

III
4.3
Kommunikationsschnittstellen und Datenformate im Gesundheits-wesen
und ihre Verwendbarkeit für telematische Anwendungen
29
4.3.1 xDT
Datenträger-Austausch-Formate
30
4.3.2
VCS ­ Standard für Arztpraxissoftware
31
4.3.3
HL7 und andere im stationären Sektor verbreitete Formate
32
4.3.4 XML-basierte
Formate
33
5
Telematische Anwendungen und ihre Ausgestaltungsmöglichkeiten
34
5.1
Elektronisches Rezept
34
5.2
Elektronischer Arztbrief
43
5.3
Elektronische Patientenakte (EPA)
46
5.3.1
Ausgangslage und Ziele der EPA-Einführung
47
5.3.2
Praxisdokumentation / Elektronische Krankenakte
49
5.3.3
Einrichtungsübergreifende Virtuelle elektronische Patientenakte (vEPA) 50
5.3.4 Elektronische
Gesundheitsakte
51
5.3.5
Datenhaltung und Datenschutzkonzept
52
5.3.6
Standards und benutzergerechte Darstellung
54
5.4
Elektronische Patientenkarte
56
5.4.1
Vorläufer: Krankenversichertenkarte (KVK)
57
5.4.2
Inhalte der elektronischen Patientenkarte
58
5.4.3 Speicherkarte
vs.
Zugriffskarte
60
5.4.4
Zugriffsrechte und -autorisierung
61
5.4.5
Rolle der Karte bei freiwilliger Nutzung
64
5.4.6 Modellprojekte
66
5.5
Arzneimittel-Risikocheck 68
6
Nutzung von personenbezogenen Daten im Rahmen von neuen Versorgungsformen
am Beispiel von Disease-Management-Programmen
71
7
Handlungsbedarf für Akzeptanz und Erfolg telematischer Anwendungen
76
7.1
Ökonomische Barrieren
76
7.1.1
Investitions- und Betriebskosten
76
7.1.2 Vergütung
telematischer
Leistungen
76

IV
7.1.3
Investitionssicherheit für die Wirtschaft
78
7.2
Rechtlicher Handlungsbedarf
78
7.3
Schulungsbedarf und berufliche Qualifikation
80
7.4
Mitwirkung von Versicherten (-Vertretern) bei der Ausgestaltung der
Gesundheitstelematik
81
8
Ausblick 82
8.1
Europäische und internationale Entwicklungen
82
8.2
Handlungsrahmen im Hinblick auf die anstehende Gesundheitsreform
84
9
Zusammenfassung 88
10
Anhang 90
11
Literaturverzeichnis 93

V
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Ausgestaltungsmöglichkeiten des eRezeptes ­ Chipkarten/Server-Lösungen ..38
Tabelle 2: Ausgestaltungsmöglichkeiten des eRezeptes ­ Hybride Verfahren ...38
Tabelle 3: Kommunikationsmatrix für das Gesundheitswesen...90
Tabelle 4: Kosten und Einsparungen bei eRezept-Varianten ...91
Tabelle 5: Berechnung des Break-Even für e-Rezept-Varianten...91
Tabelle 6: Kommunikationsmerkmale ausgewählter telematischer Anwendungen ...92

VI
Abkürzungsverzeichnis
ABDA
Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände
ADT
Abrechnungs-Daten-Träger
AMG
Arzneimittelgesetz
ATG
Aktionsforum Telematik im Gesundheitswesen
BDSG
Bundesdatenschutzgesetz
BDT
Behandlungs-Daten-Träger
BfD
Bundesbeauftragter für den Datenschutz
BIS
Basic Information Sheet
CDA
Clinical Document Architecture
DICOM
Digital Imaging and Communications in Medicine
DMP
Disease-Management-Programm
EDIFACT
Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport
EHTEL
European Health Telematics Association
EPA
Elektronische Patientenakte
GDT
Geräte-Daten-Träger
GKV
Gesetzliche Krankenversicherung
GMG
Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz
HL7
Health Level Seven
HPC
Health Professional Card
HPD
Health Professional Data
HTML
Hypertext Markup Language
ICD
International Statistical Classification of Diseases and Related
Health Problems
KBV
Kassenärztliche Bundesvereinigung
KK
Krankenkasse
KV
Kassenärztliche Vereinigung
KVDT
KV-Daten-Träger
KVK
Krankenversichertenkarte
LDT
Labor-Daten-Träger
MBO-Ä
Muster-Berufsordnung für Ärzte
PKI
Public Key Infrastruktur
RSA
Risikostrukturausgleich oder Rivest Shamir Adleman
SCIPHOX
Standardisation of Communication between Information Systems in
Physician's Offices and Hospitals using XML
SGB
Sozialgesetzbuch
SigG
Signaturgesetz
SigV
Signaturverordnung
StGB
Strafgesetzbuch
St
.
PO
Strafprozessordnung
VCS
VDAP Communication Standard
VDAP
Verband Deutscher Arztpraxissoftwarehersteller
vEPA
virtuelle Elektronische Patientenakte
xDT
Datenträger-Austausch-Formate
XML
eXtensible Markup Language
XSL
XML Style-Sheet Language

1
1 Einleitung und Begriffsbestimmung
Gesundheitstelematik (,,health telematics")
1
bezeichnet die Anwendung von
Telekommunikation und Informatik im Gesundheitswesen (vgl. Brenner u.a. 1998, S. 5).
Telematik besteht aus Komponenten der Information (wissensbasierte Anwendungen,
Leitlinien, Klassifikationen, medizinische Datenbanken) und Kommunikation (vgl.
Warda/Noelle 2002, S. 32). Die Telematik im Gesundheitswesen ,,umfasst alle Bereiche
der medizinischen Versorgung, Ausbildung, Information und Administration, in denen
durch Telekommunikationstechnologien über Absender und Empfänger trennende
Distanzen überwunden werden können" (Lauterbach/Lindlar 1999, S. 19).
Teilweise wird der Begriff Telemedizin als Synonym für die Gesundheitstelematik
verwendet. Die Telemedizin ist aber ein Teilbereich der Gesundheitstelematik (vgl.
Boeker/Pelikan 2001, S. 259). Telemedizin umfasst medizinische Anwendungen, bei
denen durch Telekommunikation trotz räumlicher Trennung zwischen Arzt und Patient
eine Behandlung (z.B. Teleoperation) oder eine Begutachtung (z.B. teleradiologische
Untersuchung) durchgeführt wird.
In Deutschland liegt der Schwerpunkt der Gesundheitstelematik-Projekte im Bereich der
Gesundheitsverwaltung (z.B. Patientenchipkarten) und der elektronischen Umsetzung
bisher papiergebundener Geschäftsabläufe (z.B. Patientenakte, elektronisches Rezept).
Warda/Noelle (2002, S. 48) unterscheidet im Rahmen des Aufbaus der Telematik-
Infrastruktur Anwendungen und Komponenten mit unterschiedlicher Priorität: Die
Basiskomponenten, die einen hohen Nutzen (ökonomisch/qualitativ) versprechen und sich
ohne Begleitung durch zentrale Maßnahmen bislang nicht etablieren konnten, haben
hierbei die höchste Priorität. Darauf aufbauenden Komponenten wird eine mittlere Priorität
zugemessen, da die Telematikplattform
2
auch bei späterer Realisierung bereits zu Beginn
betriebsfähig ist. Eine niedrige Priorität haben Anwendungen und Komponenten, die
zunächst eine nachgeordnete Rolle für den Aufbau spielen und/oder entweder bereits
vorhanden sind und/oder durch andere Maßnahmen begleitet werden. Nach dieser
1
International gebräuchlich ist auch der Begriff eHealth (vgl. Schug 2002, S. 302)
2
Mit dem Begriff Telematikplattform wird die Infrastruktur für die Anwendung von Telematik bezeichnet.
Sie setzt sich aus Basiskomponenten (z.B. Sicherheitsinfrastruktur) und den darauf aufbauenden
Anwendungen zusammen.

2
Definition können bereits vorhandene, zwingend notwendige Basiskomponenten eine
niedrige Priorität für den Aufbau einer Telematikplattform haben. Somit stellt diese
dreischichtige Einteilung keine qualitative, sondern eine aufgabenorientierte Einteilung
dar. Zu den Komponenten mit niedriger Priorität werden Gesundheitsinformationssysteme
für Patienten gezählt. ,,Die nichtindividuelle Patienteninformation ist keine primäre
Domäne der Telematik" (Warda/Noelle 2002, S. 50). Ungeachtet der Bedeutung von
Patienten-Informationssystemen ,,besteht hier kein Problem, welches mit einer
Telematikinfrastruktur zu lösen ist" (Warda/Noelle 2002, S. 54).
Anwendungen mittlerer Priorität sind vor allem Anwendungsbereiche, in die bereits hohe
Investitionen geflossen sind bzw. die (vor allem aufgrund unmittelbarer Einsparpotentiale)
schon zu Routineanwendungen geworden sind. Ein Beispiel stellt die Teleradiologie dar.
Hohe Priorität für das deutsche Gesundheitswesen haben dagegen ,,effiziente Methoden
zum Management einer zunehmend komplexen, vernetzten oder integrierten
Gesundheitsversorgung" (vgl. Schug 2002, S. 304): Daher werden primär Lösungen für
die Vernetzung und Informationsaustausch innerhalb des Kreises der Leistungserbringer
und für den Austausch administrativer Daten benötigt (z.B. Elektronisches Rezept,
Elektronische Patientenakte).
In dieser Arbeit werde ich Anwendungen analysieren, die die Integration von Versicherten-
bzw. Patientendaten voraussetzten. Die Integrationsmöglichkeiten werden dabei durch den
Datenschutz und andere Rechtsnormen vorgegeben. Die Interessensunterschiede und
Zielsetzungen der Akteure und deren Stellung im Gesundheitswesen hat Einfluss auf die
Gestaltung der telematischen Anwendungen und den Umgang mit Patientendaten. Daher
werde ich die Ziele und Interessen vor der eigentlichen Darstellung der Anwendungen
aufzeigen.
Akzeptanzfragen
3
stellen sich in allen Bereichen und bei allen Personengruppen des
Gesundheitswesens, wenn es um die Analyse und Bewertung von Interessen geht. Die
Akzeptanz rechtzeitig zu prüfen, ist wichtig, will man sich nicht der Gefahr des Scheiterns
oder des Widerspruchs aussetzen. Die Integration von Versichertendaten in telematische
Strukturen werde ich deshalb speziell unter dem Gesichtspunkt der Akzeptanz darstellen.
3
Akzeptanz ist immer ein unscharfer Begriff, seine Bedeutung reicht z.B. vom bejahenden Annehmen bis
zum reinen Sich-gefallen-lassen.

3
2 Gesundheitstelematik in Deutschland
2.1 Datenfluss im Gesundheitssystem
Die patientenbezogenen Informationen lassen sich in rein administrative Daten (z.B.
Namen, Adresse, Versicherung, Versichertennummer, Kassenzugehörigkeit) und in
medizinische Daten (z.B. Diagnose, Untersuchungsergebnisse, Therapien) aufteilen.
Leistungs- und Abrechnungsdaten stellen, solange sie personenbezogen verarbeitet
werden, eine Kombination aus administrativen und medizinischen Daten dar.
Ärzte rechnen die für die Patienten erbrachten Leistungen entweder direkt mit den
Patienten oder für die in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherten
Patienten indirekt über die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV)
4
mit den Krankenkassen
(KK) bzw. anderen Kostenträgern (z.B. Berufsgenossenschaften) ab.
5
Nach dem
Sozialgesetzbuch (SGB) dürfen die Kassenärzte neben Namen, Adresse, Geburtsdatum,
Krankenkasse und Versichertennummer auch ärztliche Leistungen einschließlich der
Diagnose an die KVen weitergeben.
Bis Anfang der 90er Jahre erfolgte die Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen
gegenüber den KVen ausschließlich in papiergebundener Form durch Einreichung der
ausgefüllten Krankenscheine. Mittlerweile nutzen die meisten Ärzte (ca. 80 %)
elektronische Datenträger (z.B. Disketten, CD-ROMs) zur Übermittlung der Daten (vgl.
KBV 2002a, S. 9). Gefördert wird die elektronische Abrechnung durch niedrigere
Gebührenzahlungen an die KV (vgl. Gerlof/Schlingensiepen 2002).
Der Informationsbedarf der einzelnen Akteure im Gesundheitswesen ist nur bedingt zu
befriedigen: So haben KKen nur einen sehr eingeschränkten Zugriff auf die Therapiedaten
ihrer Versicherten. Die erbrachten ärztlichen Leistungen werden fallgruppenbezogen und
nicht personenbezogen an die KKen übermittelt. Lediglich im Rahmen der
Wirtschaftlichkeitskontrolle können die Leistungen mit personenbezogenen Daten
verknüpft werden (Auffälligkeits- und Zufälligkeitsprüfungen nach SGB V, §§296-297).
Wenn Versicherte von ihrer KK Auskunft über die in Anspruch genommenen Leistungen
und deren Kosten haben wollen, müssen die patientenbezogenen Leistungen von der KV in
einer solchen Form an die KK übermittelt werden, dass eine Kenntnisnahme des Inhalts
4
Mit der Verwendung des Begriffs ,,Kassenärztliche Vereinigung" (KV) wird aus Vereinfachungsgründen
auf die Erwähnung der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen verzichtet.
5
Krankenhäuser rechnen direkt mit den Krankenkassen ab.

4
durch die KK ausgeschlossen ist (vgl. SGB V, § 305). Ein erweiterter Zugang zu
personenbezogenen Daten soll den KKen allerdings im Rahmen der so genannten Disease-
Management-Programme ermöglicht werden (vgl. Kapitel 6).
Apotheken rechnen die von den gesetzlich Krankenversicherten eingereichten Rezepte
entweder direkt mit den KKen ab oder schalten Apotheken-Rechenzentren zwischen. Die
in Rechenzentren gewonnenen Daten dürfen nicht zu anderen Zwecken außer der
Abrechnung verarbeitet und genutzt werden (§ vgl. SGB V, § 300, Abs. 2). Die
Weiterverarbeitung der Daten in anonymisierter Form für andere Zwecke ist gestattet,
nicht aber die Verwendung personenbezogener Daten.
6
2.2 Ziele in der Gesundheitstelematik
,,Das ,,eigentliche" Ziel der Gesundheitstelematik und Telemedizin kann als
gesellschaftlich übergeordnetes Ziel nur in der Verbesserung der individuellen
Versorgungsqualität bei gleichzeitiger Stabilisierung (oder gar Senkung) der
Ausgabenentwicklung im Gesundheitswesen gesehen werden" (Warda/Noelle 2002, S. 34).
Telematikanwendungen im Gesundheitswesen sollen zur Qualitätsoptimierung im
Gesundheitssystem, zur Kostensenkung und zur Planungsoptimierung und Verbesserung
der Entscheidungsprozesse der Akteure im Gesundheitswesen dienen (vgl.
Lauterbach/Lindlar 1999, S. 5).
2.2.1 Qualitätsverbesserung in der Behandlung
,,Die Leistungsfähigkeit eines Gesundheitsversorgungssystems hängt entscheidend von der
darin stattfindenden Informationsverarbeitung ab. Informationen werden auf jeder Ebene
erzeugt, gebraucht und verwertet" (Szathmary 1999, S. 67). Die Leistungsanbieter treten
dabei als Informationslieferanten auf und benötigen auch ihrerseits Informationen für die
Behandlung der Patienten. Die einzelnen Leistungsanbieter verfügen über isolierte
Datenbestände, die bisher häufig wegen fehlender Kompatibilität der Software (und
Hardware) nicht ausgetauscht werden können. Telematikeinsatz soll die Verbesserung des
6
Einige Datenschutzbehörden vertreten die Auffassung, dass bereits eine über den Abrechnungszweck
hinausgehende Datenverarbeitung mit Einwilligung des Patienten zulässig sei (vgl. ULD 2003)

5
Informationsaustausches und eine bessere Kooperation
7
zwischen den Leistungserbringern
ermöglichen.
Auch die Patienten und ihre Angehörigen benötigen Informationen, um bei der
Behandlung mitzuarbeiten (Compliance) und über Alternativen in der Behandlung
Entscheidungen treffen zu können. Wird dem Patienten im Rahmen von telematischen
Anwendungen (z.B. der elektronischen Patientenakte oder Patientenkarte) ein leichterer
Zugriff auf seine Gesundheitsdaten ermöglicht, kann die verbesserte Informationslage
seine Mitarbeit und damit auch die Ergebnisse der Behandlung verbessern.
Mängel in der Dokumentation der Ärzte könnten meiner Meinung nach in Zukunft bei
Einsatz der (patientengeführten) virtuellen elektronischen Patientenakten besser von Seiten
der Patienten erkannt werden, da sie einen leichteren Zugang zu den sie betreffenden
Gesundheitsdaten haben werden. Die dadurch gewonnene Transparenz kann eine
Qualitätsverbesserung der medizinischen Versorgung aufgrund besser geführter
Dokumentationen ermöglichen.
2.2.2 Kosteneinsparungen
Der gestörte bzw. nicht vorhandene Informationsfluss führt neben Qualitätseinbußen zu
Kostensteigerungen. Wichtige Informationen fehlen den Ärzten als
Entscheidungsgrundlage für Diagnose und Therapie und führen über
Doppeluntersuchungen und Folgekosten falscher bzw. nicht erfolgter Behandlungen zu
höheren Kosten im Gesundheitswesen. Folgekosten einer schlechten medizinischen
Versorgung können durch Telematikeinsatz reduziert werden. Dies ermöglicht auf längere
Sicht Einsparungen auf Seiten der Kostenträger
8
. Telematische Anwendungen ermöglichen
zudem Rationalisierungseffekte bei den Geschäftsabläufen im Gesundheitswesen.
7
Besonders Koordinierungsmängel beim Übergang zwischen stationärer und ambulanter Behandlung und die
Kooperationsdefizite zwischen niedergelassenen Ärzten werden in den Gutachten der Schlichtungsstellen
besonders häufig für die Erhebung von Behandlungsfehlervorwürfen und für tatsächliche Behandlungsfehler
mitverantwortlich gemacht (vgl. RKI 2001, S. 9f).
8
Die Hauptkostenträger sind die gesetzlichen Krankenkassen.

6
2.2.3 Informationsgewinnung für die Planungsoptimierung und als
Forschungsgrundlage
Die Akteure streben eine verbesserte Informationsverfügbarkeit als Planungsgrundlage
eines effizienteren Gesundheitsmanagements an. So benötigen z.B. die Kostenträger
Informationen als Planungsgrundlage (z.B. zur Beitragsfestlegung) und für die
Wirtschaftlichkeitskontrolle der von den Leistungserbringern abgerechneten Leistungen.
Die Politik wiederum braucht Informationen als Entscheidungsgrundlage für die
Ausgestaltung des Gesundheitssystems. Daten können durch Telematikeinsatz einfacher
zusammengeführt werden.
Die so gewonnenen Daten müssen allerdings von einer
unabhängigen Stelle kontrolliert werden, um eine unerwünschte Verwendung durch
einzelne Akteure des Gesundheitssystems zu verhindern. Eine mögliche Stelle, die diese
Aufgabe übernehmen könnte, wäre eine Einrichtung wie z.B. das geplante Institut für
Qualität in der Medizin.
Telematik ermöglicht auch eine bessere Informationslage für die Forschung. Die
gewonnenen Daten der laufenden Versorgung sind Alltagsdaten und werden nicht wie im
Rahmen von Studien erzeugten Daten durch eine Fragestellung vorgeprägt (vgl.
Warda/Noelle 2002, S. 180).
2.3 Akteure im Gesundheitswesen und ihre Interessen an telematischen
Anwendungen
Für die einzelnen Akteure ergeben sich unterschiedliche Gewichtungen bei den Zielen, die
mit telematischen Anwendungen erreicht werden sollen. Der Grad der Zielerreichung
bestimmt die Akzeptanz der Anwendungen aus der Sicht der Akteure.
2.3.1 Politik
Ziele der Gesundheitspolitik sind Sicherung des Zugangs zur angemessenen medizinischen
Versorgung für die Bürger, eine hohe Qualität der medizinischen Versorgung, stabile
Beitragssätze der GKV und die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung (vgl. Sauerland
2002, S. 349). Die Politik gibt den gesetzlichen Handlungsrahmen vor, innerhalb dessen
die Selbstverwaltungsorgane als Akteursgruppen handeln können. Die konkreten
Abrechnungsverfahren und Leistungskataloge werden direkt zwischen den Kostenträgern
und Leistungserbringern vereinbart und vertraglich festgeschrieben.

7
2.3.2 Leistungserbringer
Neben der Qualitätsverbesserung der Versorgung haben die Leistungserbringer
ökonomische Interessen. Ein Anliegen der KVen ist die "Kommunikation der
Leistungserbringer zwecks koordinierter Patientenversorgung" und die damit verbundene
Verbesserung der Datengrundlage (vgl. Hess 2000, S. 37f).
Die Ärzte haben aufgrund ihrer Schweigepflicht (und den damit verbundenen
Konsequenzen bei Verstößen) und wegen des Wunsches, ein ungestörtes Arzt-Patienten-
Verhältnis zu wahren, ein besonderes Interesse an der Einhaltung der des Datenschutzes
bzw. der Datensicherheit. Deswegen achten die Leistungserbringer bzw. ihre
Standesvertretung bei der Ausgestaltung der Telematikanwendungen auf eine (rechts-)
sichere Kommunikation. Ärzte haben dabei auch ein Interesse an Schutz von
Betriebsgeheimnissen (Stichwort: ,,gläserner Arzt").
Von Seiten der Ärzte werden Sammlungen von personenbezogenen Daten bei den KKen
kritisch gesehen (vgl. Hess 2000, S. 37).
2.3.3 Kostenträger
Die KKen sind ,,grundsätzlich an einer möglichst preisgünstigen Bereitstellung eines
umfassenden Angebots" an Gesundheitsleitungen interessiert. Kosten sollen reduziert
werden, dabei aber nicht auf notwendige Leistungen der Gesundheitsvorsorge verzichtet
werden, da ein Qualitätsverlust in der Gesundheitsversorgung langfristig zu höheren
Kosten führt (vgl. Bandelow 1998, S. 93). Das Interesse der KKen bezieht sich besonders
auf die ,,Möglichkeiten für die Abrechnungssystematik, die Transparenz und die
Steuerungsfähigkeit von Vertragssystemen" (Rebscher 2000, S. 33).
Die KKen als Kostenträger interessieren sich bei der Ausgestaltung der telematischen
Anwendungen für eine weitest mögliche Verbesserung ihrer Informationslage. Hier gibt es
Interessensunterschiede zu den Leistungserbringern und den Versicherten.
2.3.4 Rolle der Versicherten und Patienten
Die besondere Rolle der Versicherten im Gesundheitsmarkt ist durch die preisunabhängige
Nachfrage gekennzeichnet. Die Inanspruchnahme von Leistungen ist losgelöst vom Preis;
individuelles Handeln findet ohne direkte finanzielle Verantwortung statt (vgl.
Oberender/Hebborn/Zerth 2002, S. 38). ,,Die Situation der Verbraucher im deutschen
Gesundheitswesen ist ... sehr marktuntypisch, da keiner der Beteiligten eine richtige
Anbieter- oder Verbraucherposition innehat" (Szathmary 1999, S. 75).

8
Zwischen Arzt und Patient besteht eine Prinzipal-Agenten-Beziehung mit der typischen
asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Agenten (Leistungserbringer) und
Prinzipal (Patient) (vgl. Sauerland 2002, S. 75): Der Informationsvorsprung veranlasst den
Patienten sich der Dienste des Agenten (Arzt) zu bedienen. Sofern die Agenten den
Patienten die gleichen Leistungen vorschlagen, welche die Patienten bei gleichem
Informationsstand auch wählen würden, wirkt sich der Informationsvorsprung bei der
Auswahl der Leistungen nicht negativ aus. Der Arzt kann aber nicht immer ein perfekter
Agent sein, da z.B. ökonomische Interessen dem entgegenwirken. Zudem spielt für den
Patienten das Facework commitment der Zugangspersonen eine Rolle bei der
Vertrauensbildung: Die Akzeptanz abstrakter Systeme hängt im hohen Maß von dem
Verhalten der Systemrepräsentanten (z.B. der Professionalität der Ärzte) ab (vgl. Kuhlen
1999, S.96).
Die Erfahrung informationeller Defizite kann zu Unsicherheit der Anwender führen. Dabei
können Informationsleistungen, die eigentlich konzipiert worden sind, informationelle
Unsicherheit zu beseitigen, diese eher erhöhen (vgl. Kuhlen 1999, S.23).
Dem Patienten fehlen aufgrund der Informationsasymmetrie oft das nötige Wissen und die
Erfahrung bei der Nutzung von Gesundheitsdienstleistungen: Der Anbieter von
Leistungen weiß wesentlich mehr über deren Eigenschaften, über nutzen- oder
gefahrbringende Qualitäten, als der Patient. ,,Darüber hinaus sind viele in Anspruch
genommene Leistungen (z.B. bestimmte operative Eingriffe) einmalige, nicht
wiederholbare oder selten nachgefragte ,,Erfahrungsgüter". Der Patient kann somit kaum
eigenes Erfahrungswissen als Nutzer aufbauen" (Deutscher Bundestag 2003a, S. 87). In
dieser Situation der Informationsasymmetrie hat der Arzt die Möglichkeit, die fehlende
Konsumentensouveränität in seinen ökonomischen Vorteil umzuwandeln (vgl.
Oberender/Hebborn/Zerth 2002, S. 16). Sein Informationsvorsprung ermöglicht eine
Ausweitung der Nachfrage, ggf. über das medizinisch notwendige Maß hinaus
(,,angebotsinduzierte Nachfrage") (vgl. Oberender/Hebborn/Zerth 2002, S. 53ff).
Die Rolle der Patienten im Gesundheitswesen verändert sich allerdings. Die Interessen der
Patienten werden tendenziell nicht mehr allein durch die professionelle Wahrnehmung der
Leistungserbringer berücksichtigt, sondern auch durch die Einbeziehung der Sicht der
Patienten (vgl. Pitschas 2002, S. 108f): Patienten ,,beanspruchen inzwischen ein volles

9
Ausmaß ihrer Souveränität". Erweitere Informations- und Mitwirkungsmöglichkeiten
stärken die Kompetenz und Entscheidungsautonomie des Patienten (,,Patient
Empowerment") (vgl. Bund-Länder-AG Telematik 2002, S. 3). Der Patient alter Prägung
wird danach allmählich durch den informierten Patienten abgelöst, der als ,,Coproduzent"
mehr Eigenverantwortung übernehmen muss, ohne dass er überfordert und durch
Informationsüberflutung verunsichert werden darf (vgl. Hoc 2002, S. 1810). Ein
Überangebot an Informationen schafft bei den Anwendern Unsicherheit (vgl. Kuhlen 1999,
S.23).
Mit der verbesserten Verfügbarkeit von Informationen über das Internet oder andere
Medien verändert sich das Arzt-Patienten-Verhältnis. ,,Der Arzt verliert sein
Wissensmonopol aufgrund der universellen Verfügbarkeit von Informationen" (Hoc 2002,
S. 1810). Mit dem Internet wird dem Patienten ein wichtiges Werkzeug zur Information
und Kommunikation in die Hand gegeben. Patienten können über das Internet z.B. auf
evidenz-basierte Leitlinien zurückgreifen, leicht Zweitmeinungen einholen oder mit
Leistungserbringern oder mit anderen Patienten kommunizieren (vgl. Simmons 2001, S.
301).
Für Patienten können die telematischen Anwendungen ,,Elektronische Patientenkarte" und
,,Elektronische Patientenakete" einen besseren Zugriff auf Informationen zu den eigenen
Gesundheitsdaten schaffen. In ihrem Interesse steht somit auch die Schaffung einer
besseren Informationsgrundlage für seine Mitarbeit (Compliance). Der Patient hat durch
Einsatz der neuen Technologien im Gesundheitswesen die Möglichkeit, zeitnah
Informationen über seine Erkrankungen und die Behandlungsmöglichkeiten zu beziehen.
Die Verfügbarkeit von Patientendaten aus unterschiedlichen Quellen (insbesondere aus
Arztpraxen, Krankenhäusern und Apotheken) an einem Ort ermöglicht eine Verbesserung
der medizinischen Versorgung.
Als Ziel des Telematikeinsatzes im Gesundheitswesen wird oft die Vermeidung von
Doppeluntersuchungen angegeben. Aber Doppeluntersuchungen sind nicht immer
überflüssig, da Doppeluntersuchungen auch das Ziel haben können, Fehldiagnosen zu
wiederlegen. Doppeluntersuchungen können somit auch zur Qualitätsverbesserung
beitragen. Das Einholen einer zweiten Meinung vor allen wichtigen Entscheidungen (z.B.
Operationen oder schwierigen Diagnosen) wird von den Versicherten als eine wichtige

10
Maßnahme zur Verbesserung der Qualität der gesundheitlichen Versorgung angesehen
(vgl. Andersen 2002, S. 55).
9
Als Versicherte haben die Patienten das Interesse an niedrigen Beiträgen zur KK und
möglichst niedrigen Zuzahlungen zur Behandlung bzw. zu Heil- und Hilfsmitteln. Der
Kostenvorteil für Versicherte hängt nur indirekt von den telematischen Anwendungen ab:
10
Sie können bei den Kostenträgern zu Einsparungen führen, die eine weitere
Beitragssteigerung verhindern oder auch Beitragsreduzierungen ermöglichen können.
Die Integration von Versicherten-Daten in telematische Anwendungen bringt die Gefahr
der Kenntnisnahme (und auch Veränderung) der Daten durch Unbefugte mit sich.
Patienten werden den Nutzen der Informationsweitergabe abwägen. Wenn ein chronisch
kranker Patient durch die Integration seiner Daten in telematische Anwendungen Vorteile
für die Behandlung sieht, wird er eher einer Verarbeitung seiner Daten zustimmen als ein
Patient, für den sich zumindest aus seiner Sicht keine Notwendigkeit zur Übermittlung an
andere Ärzte erkennen lässt.
Die Interessen der Versicherten werden also durch die mögliche Qualitätsverbesserung der
Behandlung, durch mögliche Kosteneinsparungen und durch die Art und Weise der
Regelung des Datenschutzes bestimmt.
2.3.5 Interessenvertretung der Akteure und ihre Einflussmöglichkeiten auf
die Ausgestaltung der telematischen Anwendungen
Nachdem die Interessen der einzelnen Akteure beschreiben worden sind, möchte ich
anhand der Organisationsformen der Akteure und ihrer Interessenvertretung deren Einfluss
aufzeigen. Die Akteurskonstellation hat Einfluss auf die Realisierung der telematischen
Anwendungen. Die Möglichkeiten, die die Akteure haben, um ihre Interessen zu vertreten,
sollen abschließend durch den Erklärungsansatz des ,,Akteurszentrierten
Institutionalismus" verdeutlicht werden.
9
Laut dieser Befragung unter der Ersatzkassenversicherten halten 95,4 % diese Maßnahme im Rahmen von
,,neuen Formen" der Gesundheitsversorgung für wichtig und 65,1% für sehr wichtig. Die Zahlen dürften in
der Tendenz auch die Meinung der sonstigen in der Gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten
wiederspiegeln.
10
Eine Ausnahme stellen mögliche Bonus-Systeme dar.

11
Die wichtigsten Akteure bei der Ausgestaltung neuer Anwendungen im Gesundheitswesen
sind die Vertreter der Leistungserbringer (insbesondere die KVen), die KKen und die
Versicherten (-Vertreter), wobei der Einfluss der letzten Gruppe sehr gering ist (s.u.).
Von Seiten des Staates können neben der gesetzgeberischen Tätigkeit nur durch die
Förderung von Pilotprojekten Impulse gesetzt werden. Das deutsche Gesundheitswesen
beruht weitgehend auf Vertragskonsens von KKen und Leistungserbringern bzw. ihren
Spitzenverbänden (vgl. Brenner 2001a, S. 646f). Die Struktur des deutschen
Gesundheitswesens mit seinen verteilten Verantwortlichkeiten bedingt, dass die
Selbstverwaltungspartner (speziell die KKen und KVen) regelmäßig die Initiative ergreifen
müssen (vgl. Zipperer 2002, S. 39).
Die niedergelassenen Ärzte werden durch die KVen und die Landesärztekammern
vertreten. ,,Die KVs vertreten als ökonomische Organisation die geschäftlichen Belange
ihrer Mitglieder" (Bandelow 1998, S. 81). Als Anstalten des öffentlichen Rechts dürfen
die KVen keine radikalen Strategien, wie z.B. die Vorbereitung und Durchführung von
Ärztestreiks, unterstützen. Die niedergelassenen Ärzte wählen die Vertreter in den Organen
der KVen und der KBV. Die Ärztekammern befassen sich mit der Ausgestaltung und
Überwachung der ärztlichen Berufsordnung. Für die KVen und für die Kammern besteht
eine Pflichtmitgliedschaft der Ärzte. Neben den Kammern und KVen werden die
Interessen der Ärzte auch durch freie Ärzteverbände vertreten: Die mitgliederstärksten
Verbände sind der Marburger Bund
11
, der Hartmannbund, der Verband der
niedergelassenen Ärzte und der Hausärzteverband.
Da die Kassenärzte ein Versorgungsmonopol bei ambulanten ärztlichen Leistungen haben
und Krankenhäuser nur begrenzt ambulante Behandlungen durchführen dürfen, haben die
Kassenärzte eine starke Position, die durch die KVen umgesetzt wird (vgl. Bandelow 1998,
S. 54f). Ihre Monopolstellung ermöglicht es der Ärzteschaft, allein durch die Drohung,
,,bestimmte Leistungen nicht oder nur zu bestimmten Bedingungen anzubieten", ihre
Interessen wirkungsvoll in den politischen Prozess einzubringen (vgl. Bandelow 1998, S.
79).
11
Der Marburger Bund vertritt seine Mitglieder (hauptsächlich angestellte und beamtete Ärzte) auch im
Rahmen der Tarifgemeinschaft für Angestellte im öffentlichen Dienst gegenüber der Arbeitgeberseite (vgl.
Bandelow 1998, S. 80).

12
Zu den Leistungserbringern zählen auch die Apotheker. Die Interessenvertretung der
Apotheker gliedert sich wie bei den Ärzten in Kammern und in freie Verbände. Die
Landesapothekerkammern und die freien Verbände haben sich zur Bundesvereinigung der
Apothekerverbände (ABDA) zusammengeschlossen. Apotheker haben über ihre
Lobbyarbeit (und ihre Angebote am Markt) Einfluss auf das Gesundheitswesen. Sie zeigen
im Rahmen der Gesundheitstelematik besonders Interesse an der Entwicklung des
elektronischen Rezeptes, da sie sich Rationalisierungseffekte beim Handling und bei der
Abrechnung der Verordnungen erhoffen (vgl. Kapitel 5.1).
Die KKen werden politisch durch die Spitzenverbände der Krankenkassen vertreten. Die
Interessen der Versicherten werden in den Selbstverwaltungsgremien der KKen nur formal
repräsentiert (vgl. Bandelow 1998, S. 97 und S. 100): Die Versichertenvertretung wird bei
den meisten KKen mehrheitlich von Gewerkschaftsvertretern wahrgenommen. Zwischen
dieser Gruppe und den Vertretern der Arbeitgeber
12
bestehen in den Gremien
Interessenskonflikte. Dadurch dominieren die ,,Eigeninteressen der Tarifparteien". Dies
schwächt die Position der KKen gegenüber der Interessenvertretung der Ärzte. Die KKen
stehen im Wettbewerb um Mitglieder in Konkurrenz zueinander, was ,,von den
Leistungsanbietern bei Konflikten in der gemeinsamen Selbstverwaltung zur Durchsetzung
höherer Vergütungen genutzt werden kann" (vgl. Bandelow 1998, S. 98).
,,Krankenkassen, Ärztevereinigungen und sonstige ,,ökonomische Player" mobilisieren
Patienteninteressen zur Durchsetzung eigener politischer Ziele", sind aber wegen teilweise
entgegenstehender Interessen
13
,,als originäre Interessenwahrer der Patientenrechte"
völlig ungeeignet (vgl. Weichert 2003, S. 15).
Es gibt keine großen oder einflussreichen Patientenverbände. Während die Ärzte über
mitgliederstarke Verbände verfügen, sind Patienten und Versicherte nur selten in
Interessengruppen organisiert (vgl. Bandelow 1998, S 75). Die Größeren unter den
Patientenorganisationen sind Selbsthilfeorganisationen (z.B. Deutscher Diabetiker Bund).
Die ,,allgemeinen" Patienten- und Versichertenverbände haben kaum Mitglieder: Z.B. sind
im Verband der Krankenversicherten Deutschlands e.V. nur 6.000 der ca. 71 Mio.
12
Dies trifft nicht für Ersatzkassen zu, da in ihren Veraltungsräten nur Versichertenvertreter vertreten sind.
13
Einige Ziele, wie z.B. niedrige Krankenkassenbeiträge, haben Versicherte und Krankenkassen gemeinsam.
In anderen Fragen gibt es bedingt durch das Interesse der KKen an einer wirtschaftlichen
Leistungserbringung unterschiedliche Ansprüche.

13
gesetzlich Krankenversicherten organisiert (vgl. VKVD 2003, S. 1; VDAK/AEV 2002, S.
24). Der unterschiedliche Organisationsgrad hängt mit dem Nutzen, den der Versicherte
von der Existenz eines Versichertenverbandes hat, zusammen (vgl. Bandelow 1998, S. 75).
Der Nutzen für den einzelnen Versicherten ist nicht vergleichbar mit dem Nutzen, den
Ärzte aus dem Engagement in ihren Verbänden ziehen.
14
Den Verbänden fehlen wichtige finanzielle und personelle Ressourcen. Sie können keine
Druckmittel benutzen, um ihre Interessen durchzusetzen, da die Versicherten auf die
Inanspruchnahme der Leistungen der Gesundheitsversorgung nicht verzichten können.
Allerdings vertreten auch die Verbraucherverbände und Datenschützer (z.B. Bundes- und
Landesbeauftragte für Datenschutz; Datenschutzvereinigungen) Interessen der
Versicherten bzw. der Patienten.
15
Datenschützer sind ,,Interessenvertreter der
Patientinnen und Patienten, deren Stimme im Getöse der Lobbyvertreter sonst noch
weniger Gehör finden würde"; dem ,,Datenschutz" fällt dabei oft eine Moderatoren-Rolle
zu (vgl. Bäumler 2003, S. 45).
Um den Einfluss der aufgezeigten Akteurskonstellation auf die Entwicklung telematischer
Anwendungen zu verdeutlichen, möchte ich den Ansatz des akteurzentrierten
Institutionalismus aus der Politikfeldanalyse heranziehen. Der akteurzentrierte
Institutionalismus führt handlungstheoretische und institutionalistische/strukturalistische
Paradigmen zusammen, um eine größere Übereinstimmung zwischen den theoretischen
Perspektiven und der beobachteten Realität politischer Interaktionen zu gewinnen (vgl.
Scharpf, S. 73f). Dieser Ansatz betont den Einfluss von Institutionen auf die
Wahrnehmungen, Präferenzen und Fähigkeiten individueller und korporativer Akteure und
auf ihre Interaktionsformen (vgl. Scharpf 2000, S. 76). Die Strategien der handelnden
Akteure werden dabei zugleich ermöglicht und beschränkt. Die Realisierung subjektiver
Motive ist ,,immer in objektive Bedingungen und Zwänge eingebettet, die subjektive Ziele
restringieren und oftmals durchkreuzen" (vgl. Schneider/Mayntz 1995, S 112ff): ,,...
ökonomisch, politisch und möglicherweise auch kulturell begründete subjektive
14
Ökonomische Anreize und andere soziale und organisatorische Verbesserungen im Umfeld des
Berufsfeldes der Ärzte motivieren Ärzte zur aktiven und passiven Mitgliedschaft in Verbänden. Die
Verwirklichung der gesellschaftspolitischen Ziele der allgemeinen Versichertenverbände (z.B. Stärkung der
Rolle der Versicherten) ist dagegen kein direkt vom individuellen Mitglied spürbarer Vorteil.
15
Hinsichtlich der Wahrung der informationellen Selbstbestimmung liegt die Arbeit der
Datenschutzbehörden und ­verbände im Interesse der Verbraucher.

14
Entscheidungen realer Akteure bestimmen, in welche der möglichen Richtungen die
Entwicklung weiterläuft ...Die jeweiligen subjektiven Entscheidungen der Akteure sind
wiederum durch den institutionellen Kontext geprägt, in dem sie agieren".
Handlungsbedingungen, die auf die Akteure und ihr Handeln wirken, sind neben dem
technologischen Pool politische Institutionen, ökonomische Institutionen/ Marktstrukturen
und rechtliche und kulturelle Strukturen. Die Interaktion zwischen den Akteuren bestimmt
wesentlich die Handlungsergebnisse. Die Techniknutzung geschieht heute zunehmend im
Kontext integrierter technischer Anwendungssysteme, mehr oder weniger umfangreicher
und aus heterogenen sozialen und technischen Komponenten bestehenden sozio-
technischen Systemen ("großtechnische Systeme"). ,,Für die Entwicklung großtechnischer
Systeme sind korporative und kollektive Akteure (d.h. strategisch handlungsfähige
Organisationen und Quasigruppen von Nutzern) wichtiger als einzelne Erfinder,
Konstrukteure und Promotoren" (Schneider/Mayntz 1995, S. 115). Institutionelle Regeln
(z.B. Kompetenzen, Partizipationsrechte, Vetorechte oder das Recht zur autonome
Entscheidung) stellen wichtige Handlungsressourcen der Akteure dar (vgl. Scharpf 2000,
S. 86). Der institutionelle Kontext hat Einfluss auf die Interaktionsformen (vgl. Scharpf
2000, S. 91f): Netzwerke können durch Verhandlungen Konsenslösungen erreichen.
16
Nur
in Verbänden und Organisationen sind Mehrheitsentscheidungen möglich. Organisationen
können zudem durch hierarchische Steuerung interagieren.
Einseitiges Handeln ist dagegen immer möglich, was wohl auch einen Grund für die vielen
nicht-kompatiblen Lösungsansätze und Pilotprojekte im Bereich der Gesundheitstelematik
darstellt (vgl. Kapitel 2.4). Eine staatliche Institution hat im Vergleich zu den anderen
Formen (Verband, Netzwerk und ,,anarchisches Feld") die meisten Interaktionsmodi. Ein
zentrales Institut für Gesundheitstelematik könnte somit einen Beitrag zur Steuerung der
Telematik-Projekte bieten.
,,Die Anhänger des akteursbezogenen Ansatzes vertreten in der Regel die These, dass die
Produzenten von Gesundheitsleistungen (Leistungsanbieter) sowohl in den Organen der
Selbstverwaltung als auch bei der Aushandlung staatlicher Maßnahmen der
Nachfrageseite überlegen sind." (Bandelow 1998, S. 77). Zu den Anbietern gehören vor
allem die Ärzte und Zahnärzte, Apotheker, Pharmaindustrie, Pflegepersonal und sonstige
16
Die Interaktionsform ,,Verhandlung" findet im deutschen Gesundheitswesen besonders häufig
Anwendung: Die Spitzenverbände der Kostenträger und die Vertreter der Leistungserbringer müssen nach
dem SGB viele Bereiche durch Vertragskonsens ,,gemeinsam und einheitlich" regeln.

15
Heilberufe. Die Nachfrageseite wird im deutschen Gesundheitssystem vor allem durch die
KKen gebildet (vgl. Kapitel 2.3.4).
Die Stellung der KKen als Nachfrager könnte sich allerdings im Rahmen der geplanten
Gesundheitsreform verschieben: Der Regierungsentwurf sieht Änderungen der
Beziehungen zwischen Leistungsanbietern und Kostenträgern vor: Bisher werden die
Honorare der Kassenärzte kollektiv zwischen den KVen und den Krankenkassenverbänden
ausgehandelt. Nach dem Gesetzentwurf sollen die KKen mit den Ärzten Einzelverträge
abschließen können. Ärzte würden dann nicht durch ihre (bisher) starken
Berufsorganisationen (die KVen) vertreten und könnten bei Verhandlungen in übergangen
werden. Das Bundeskartellamt kritisiert in diesem Zusammenhang die Marktmacht der
KKen und den fehlenden Rechtsschutz nicht berücksichtigter Anbieter (vgl. FAZ vom
27.6.2003, S. 12).
2.4 Entwicklung und Stand der Telematik in Deutschland
Seit Anfang der neunziger Jahre wurden im Bereich Telematik verschiedene Projekte
durch nationale und europäische Förderprogramme gefördert. Dabei handelt es sich häufig
um den Chipkarteneinsatz für den Transport von Arztbriefen oder elektronischen Rezepten
oder um Nach- und Vorsorgekarten. Einige dieser Projekte wurden durch die Europäische
Union gefördert. Hier ist z.B. das Kartenprojekt Diabcard zur Speicherung von Diabetes-
Werten zu nennen (vgl. Kapitel 5.4.6).
Die einzelnen Projekte haben bisher keinen Markt für Gesundheitstelematik entstehen
lassen. Es ist zwar gezeigt worden, dass die Anwendungen mit der heute verfügbaren
Technik realisierbar sind, die Umsetzung in flächendeckende Anwendungen ist allerdings
bisher nicht gelungen. Gründe hierfür liegen in den vorhandenen rechtlichen
Rahmenbedingungen
17
, fehlenden Standards (Datensatzformate, Kommunikations-
schnittstellen) und fehlenden ökonomischen Anreizen für einzelne Akteursgruppen.
Besonders die bestehende sektorale Einteilung der GKV und die Vielzahl an
unterschiedlichen Softwarelösungen erschweren den Datenaustausch: Nicht nur die
17
Die Technik kann sich ,,im administrativen Markt des Gesundheitswesens" nicht autonom entwickeln, da
alle Organisations- und Kommunikationsabläufe durch Vertragskonsens festgelegt sind und nur im Rahmen
eines neuen Konsens vertraglich geändert werden können (vgl. Brenner 2001a, S. 646f). Wegen der hohen
Regelungsdichte innerhalb der einzelnen Versorgungssektoren können sich marktwirtschaftliche Lösungen
nicht frei entfalten (vgl. Brenner 2001b, S. 26).

16
einzelnen Akteure (Krankenhäuser, Arztpraxen, Kostenträger, Apotheken, etc.) benutzen
unterschiedliche Software, sondern auch innerhalb der Akteursgruppen finden sich die
unterschiedlichsten EDV-Systeme. ,,Die bisher im Gesundheitswesen eingesetzten Systeme
sind stark administrativ orientiert (Abrechnung, Patientenverwaltung) und zum Teil
veraltet" (Szathmary 1999, S. 74).
Auch fehlende Vergütungskriterien führen zu einer Investitionsbarriere (vgl. GMDS 2001,
S. 388f): Investitionen in Telematik-Projekte werden derzeit fast überall nur getätigt, wenn
Dritte das Projekt fördern. Mit dem Ende der Förderung werden die Projekte oftmals nicht
weitergeführt.
Bei einzelnen Geschäftsabläufen haben sich allerdings schon telematische Anwendungen
etabliert. Bei diesen Anwendungsbereichen handelt es sich meistens um eine Lösung
innerhalb einzelner Versorgungssektoren (also keine Kooperation zwischen ambulanten
und stationären Sektor). Der rechtliche Rahmen erlaubte die Realisierung oder schrieb sie
sogar vor: Aufgrund gesetzlicher Vorschriften hat sich z.B. der Datenaustausch zwischen
Leistungserbringern (Krankenhäuser, KVen als Vertreter der Kassenärzte) und den
Krankenkassen durchgesetzt (SGB V, §§ 301-302). Verbreitung hat auch der
Labordatenaustausch gefunden. Für die Anwendung konnten Schnittstellen definiert
werden, die innerhalb des ambulanten Sektors durch die Definitionsmacht der KVen bzw.
der KBV Verbreitung gefunden hat. Für die Akteure, die Investitionen getätigt haben, war
der unmittelbare Nutzen erkennbar (vgl. Kapitel 5.2), die Akzeptanz war also gegeben.
Für die flächendeckende Verbreitung telematischer Anwendungen ist die Errichtung einer
Telematikplattform als Infrastruktur notwendig: Die Zusammenarbeit zwischen den
Akteuren des Gesundheitswesens muss koordiniert werden. In Deutschland nimmt hierbei
das Aktionsforum für Telematik im Gesundheitswesen (ATG) eine zentrale Rolle ein. Das
ATG will durch Koordinierung des Austausches zwischen den einzelnen Initiativen und
beteiligten Interessengruppen das ,,unkoordinierte Nebeneinander von Insellösungen
verhindern" (Zipperer 2002, S. 40). Die Konsensfindung zwischen den
Mitgliedsverbänden (hauptsächlich Kostenträger und Leistungserbringer)
18
ist allerdings
18
Das ATG wird unter dem Dach der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung e.V.
(GVG) geführt. Neben Vertretern der Versicherungswirtschaft (Gesetzliche und private Krankenkassen) sind
auch Vertreter der Leistungserbringer und der Politik in dem Gremien repräsentiert.

17
aufgrund der Interessenunterschiede schwierig. Daher wurden bisherige durch das ATG
entwickelte Konzepte nicht umgesetzt.
3 Rechtliche Rahmenbedingungen
3.1 Ärztliche Schweigepflicht und Dokumentationspflicht
Wenn der Patient befürchten muss, dass vom Arzt Informationen an Dritte gelangen, wird
er auch nicht alle für die Behandlung nötigen Informationen offenbaren und (sehr) sensible
Daten eher verschweigen. Daher ist das Patientengeheimnis eine Grundbedingung für den
Heilerfolg (vgl. Weichert 2003, S. 5).
Ärzte und deren Mitarbeiter machen sich bei Weitergabe ohne Einwilligung durch den
Patienten strafbar.
19
,,Die ärztliche Schweigepflicht schützt Patientendaten in jeder Form
(Akte, Karteikarte, Computer-Datei) - auch gegenüber anderen Ärzten" (Menzel 1994, S.
6f). Bei nicht ausdrücklich erlaubter Weitergabe der Daten an andere Ärzte oder andere
Personen ist für die Übermittlung von Daten eine schriftliche Schweigepflichtentbindung
durch den Patienten erforderlich, wobei der Patient sein Einverständnis auf bestimmte
Daten und/oder Empfänger beschränken kann. An die ärztliche Schweigepflicht knüpft der
Gesetzgeber das Zeugnisverweigerungsrecht (StPO § 53 Abs. 1) und das damit verbundene
und es schützende Beschlagnahmeverbot für Patientendaten im ärztlichen Gewahrsam
(StPO § 97).
Im Rahmen von telematischen Anwendungen müssen die Ärzte besondere
Sicherheitsvorkehrungen treffen, um sich nicht strafbar zu machen: Die erfolgreiche
unbefugte Entschlüsselung der Daten durch Dritte kann für den Arzt strafrechtliche
Konsequenzen haben, da die Entschlüsselung gegenüber Dritten kausal mit der
Versendung der Daten zusammenhängt (vgl. Hermeler 2000, S. 144ff): Die Kausalität
führt dazu, dass sich die Ärzte strafbar machen, sofern ihnen die eingetretene Wirkung
(also die Offenbarung der Informationen gegenüber Dritten) objektiv und subjektiv
zurechenbar ist: Verwendet der Arzt ein Verschlüsselungsverfahren, das als sicher gilt und
somit die Wahrscheinlichkeit der Entschlüsselung gering ist oder hat der Arzt nicht
vorsätzlich gehandelt, da er z.B. das Verschlüsselungsverfahren aufgrund falscher
Informationen für sicher hielt, ist ihm die Kenntnisnahme der Patientendaten durch
19
Sofern sie von Gesetzwegen nicht dazu verpflichtet sind Daten (z.B. meldepflichtige Erkrankungen nach
dem Bundesseuchengesetz) weiterzugeben.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832474430
ISBN (Paperback)
9783838674438
DOI
10.3239/9783832474430
Dateigröße
786 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Konstanz – Informationswissenschaft
Erscheinungsdatum
2003 (November)
Note
2
Schlagworte
gesundheitstelematik telematik gesundheitswesen elektronisches rezept elektronische patientenakte gesundheitskarte
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Titel: Integration von Versicherten-Daten in telematische Strukturen des Gesundheitssystems
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