Lade Inhalt...

Die Zahnarztpraxis der Zukunft

Im Spannungsdreieck Patient, gesetzliche Krankenkasse und Praxisorganisation

©2003 Diplomarbeit 111 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Das auf dem Solidaritätsprinzip basierende Gesundheitssystem in Deutschland galt über Jahrzehnte weltweit als Vorzeigemodell. Nur wenige Länder bieten ihrer Bevölkerung einen vergleichbaren hohen Standard an Versorgungsqualität, Versorgungsdichte und sozialer Absicherung. Der Sozialstaat hat jedoch zu Sicht- und Verhaltensweisen sowie zu Strukturen in Deutschland beigetragen, die unter den veränderten demographischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen keinen längeren Bestand mehr haben können. Die Finanzierung eines solch aufgeblähten Gesundheitssystems ist in dieser Form heute nicht mehr möglich. Seit Beginn der 90er Jahre haben sich die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen schrittweise restriktiver entwickelt. Infolge dieser Umstände müssen die Leistungsanbieter des Gesundheitsmarktes sich an verschärften Bedarfs-, Markt- und Wettbewerbsbedingungen orientieren.
Die Konsequenzen aus dieser Entwicklung verspüren auch Zahnärzte deutlich, besonders in den letzten Jahren. Der Anstieg der vertragszahnärztlichen Dichte ist dafür beispielhaft. Im Jahr 1970 kamen auf einen Zahnarzt noch 1941 Einwohner, Ende 2001 waren es nur noch 1291. Bemerkbar wird diese Entwicklung am Realwert des Einnahmen-Überschusses der Zahnarztpraxen, der sich innerhalb von 24 Jahren fast halbiert hat. Im Jahr 2000 betrug der Überschuss in den alten Bundesländern nur noch rund 52 % des Wertes von 1976. Unterdessen wurden in diesem Jahr die Höchstpreise für Zahnersatz im Vergleich zum Jahr 2002 um 5 % abgesenkt, während die Laborkosten kontinuierlich angestiegen sind und außerdem die Mehrwertsteuer auf zahntechnische Leistungen zum Jahreswechsel von 7 auf 16 % erhöht wurde.
Die Auswirkungen der sich verhärtenden Marktbedingungen lassen sich am Zahnersatz-Skandal der Firma Globudent O.Dent.O Dentalhandelsgesellschaft verdeutlichen. Das Zahntechniklabor Globudent lieferte nach Absprache mit den kooperierenden Zahnärzten Billigzahnersatz wie z. B. Gebisse, Brücken und Kronen aus dem Ausland. Den Patienten und den Krankenkassen wurde jedoch der in Deutschland durchschnittlich fünfmal so hohe Höchstpreis für Zahnersatz in Rechnung gestellt. Experten schätzen den Schaden dieses größten Abrechnungsbetrugs im Gesundheitswesen der deutschen Nachkriegszeit auf mindestens fünfzig Millionen Euro. Nun stellt sich die Frage warum mehr als 2000 Zahnärzte den betrügerischen Machenschaften nicht widerstehen konnten. Den Grund sieht der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7397
Basedow, Sigrid: Die Zahnarztpraxis der Zukunft - Im Spannungsdreieck Patient,
gesetzliche Krankenkasse und Praxisorganisation
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: International School of Management (ISM) Dortmund, Fachhochschule,
Diplomarbeit, 2003
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

- I -
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis... III
Abkürzungsverzeichnis ... IV
Symbolverzeichnis...VII
1. Einleitung...1
1.1.
Problemstellung und Zielsetzung...1
1.2.
Gang der Untersuchung ...3
2. Grundlagen und Merkmale des Dienstleistungsmarketing ...4
2.1.
Begriffliche Abgrenzung des Marketing...4
2.2. Der
Marketing-Mix ...6
2.3.
Definitorische Erfassung des Dienstleistungsbegriffs ...8
2.4.
Die konstitutiven Merkmale einer Dienstleistung...9
2.5. Das
Dienstleistungsmarketing...12
2.6.
Aktivitätsbereiche im Dienstleistungsmarketing ...14
2.7.
Konsequenzen für eine wirksame Anwendung des
Dienstleistungsmarketing...16
3. Die Bedeutung des Dienstleistungsmarketing für die Zahnarztpraxis in einem
sich verändertem Spannungsdreieck ...18
3.1.
Dienstleistungsmarketing in der Zahnarztpraxis...18
3.2.
Einflussfaktoren auf die Zahnarztpraxis: Der Gesundheitsmarkt im
Wandel ...20
3.3.
Die gesetzliche Krankenkasse...24

-
II
-
3.4. Der
Patient...25
3.5. Die
Praxisorganisation ...28
4. Die Repositionierung der Zahnarztpraxis der Zukunft ...31
4.1.
Strategie der Kostenführerschaft oder Differenzierung ...31
4.2.
Profilierungspotentiale durch Zusatzleistungen: Die Mehrwert-Praxis der
Zukunft...35
4.3.
Gesetzliche Rahmenbedingungen des zahnärztlichen Praxismarketing ...38
4.4. Das
Kommunikationsmix
der Zahnarztpraxis ...42
4.4.1 Corporate
Identity ...45
4.4.2 Persönliche
Kommunikation...48
4.4.3
Public Relation und Veranstaltungsmanagement...51
4.4.4 Gedruckte
Praxisinformation ...53
4.4.5 Multimediale
Kommunikationsmedien...57
4.4.6
Das Dentallabor als Kommunikationspartner ...59
5. Schlussbemerkung und Ausblick...63
Verzeichnis des Anhangs ...67
Anhang ...68
Literaturverzeichnis...88
Eidesstattliche Erklärung...102

- III -
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Bewertungsschema für materielle Güter und Dienstleistungen...18
Abbildung 2: Das Spannungsdreieck der Zahnarztpraxis...24
Abbildung 3: Positionierungsstrategien einer Zahnarztpraxis ...31
Abbildung 4: Abgrenzung des zahnärztlichen Leistungsangebots...35
Abbildung 5: Das Kommunikationsmix der Zahnarztpraxis ...45
Abbildung 6: Das ,,erlebte" Makroumfeld der Zahnarztpraxen ...81
Abbildung 7: Positionierungen der Zahnarztpraxen ...81
Abbildung 8: Angewandte Kommunikationsinstrumente der Zahnarztpraxen...82

- IV -
Abkürzungsverzeichnis
A
Abs. Absatz
Anm. Anmerkung
Aufl. Auflage
B
BÄK Bundesärztekammer
BEMA Bundeseinheitlicher
Bewertungsmaßstab
BGB Bürgerliches
Gesetzbuch
BverfG Bundesverfassungsgericht
BZÄK Bundeszahnärztekammer
bzw. beziehungsweise
C
CD Compact
Disc
D
d.h. das
heißt
DGZPW Deutsche
Gesellschaft
für
Zahnärztliche Prothetik und Werkstoff-
kunde e.V.
DVD
Digital Versatile Disc
DZW
Die Zahnarzt Woche
E
e.V. eingetragener
Verein
EDV Elektronische
Datenverarbeitung
Email Electronic
Mail
et al.
et alii

- V -
FAZ Frankfurter
Allgemeine
Zeitung
FTD
Financial
Times
Deutschland
G
GKV Gesetzliche
Krankenversicherung
GmbH Gesellschaft
mit
beschränkter Haftung
H
HKP
Heil- und Kostenplan
Hrsg.
Herausgeber
I
IDS Internationale
Dental-Schau
IDZ
Institut der Deutschen Zahnärzte
INFAS
Institut für angewandte Sozialwissenschaft
J
Jhrg.
Jahrgang
K
KZBV
Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung
M
MBO
Musterberufsordnung
MBO-Ä
Musterberufsordnung für Ärzte
N
Nr. Nummer

- VI -
O
o.V. ohne
Verfasser
o.J. ohne
Jahr
P
PC Personal
Computer
PR Public
Relation
R
ROI
Return on Investment
S
SZ Süddeutsche
Zeitung
V
VDDI
Verband der Deutschen Dental- Industrie e.V.
vgl.
vergleiche
W
WHO
World Health Organisation
WWW
World Wide Web
Z
ZAHN PRAX
ZAHNARZT & PRAXIS international
zm Zahnärztliche
Mitteilungen
ZMK
Magazin für Zahnheilkunde, Management und Kultur

- VII -
Symbolverzeichnis
Euro
§ Paragraf
§§ Paragrafen
% Prozent
& Und

- 1 -
1.
Einleitung
1.1.
Problemstellung und Zielsetzung
Das auf dem Solidaritätsprinzip basierende Gesundheitssystem in Deutschland galt über
Jahrzehnte weltweit als Vorzeigemodell. Nur wenige Länder bieten ihrer Bevölkerung
einen vergleichbaren hohen Standard an Versorgungsqualität, Versorgungsdichte und
sozialer Absicherung.
1
Der Sozialstaat hat jedoch zu Sicht- und Verhaltensweisen sowie
zu Strukturen in Deutschland beigetragen, die unter den veränderten demographischen,
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen keinen längeren Bestand mehr
haben können. Die Finanzierung eines solch aufgeblähten Gesundheitssystems ist in
dieser Form heute nicht mehr möglich.
2
Seit Beginn der 90er Jahre haben sich die
gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen schrittweise restriktiver entwickelt. Infolge
dieser Umstände müssen die Leistungsanbieter des Gesundheitsmarktes sich an
verschärften Bedarfs-, Markt- und Wettbewerbsbedingungen orientieren.
3
Die Konsequenzen aus dieser Entwicklung verspüren auch Zahnärzte deutlich,
besonders in den letzten Jahren. Der Anstieg der vertragszahnärztlichen Dichte ist dafür
beispielhaft. Im Jahr 1970 kamen auf einen Zahnarzt noch 1941 Einwohner, Ende 2001
waren es nur noch 1291.
4
Bemerkbar wird diese Entwicklung am Realwert des
Einnahmen-Überschusses der Zahnarztpraxen, der sich innerhalb von 24 Jahren fast
halbiert hat. Im Jahr 2000 betrug der Überschuss in den alten Bundesländern nur noch
rund 52 % des Wertes von 1976.
5
Unterdessen wurden in diesem Jahr die Höchstpreise
für Zahnersatz im Vergleich zum Jahr 2002 um 5 % abgesenkt, während die Labor-
kosten kontinuierlich angestiegen sind und außerdem die Mehrwertsteuer auf
zahntechnische Leistungen zum Jahreswechsel von 7 auf 16 % erhöht wurde.
6
Die Auswirkungen der sich verhärtenden Marktbedingungen lassen sich am Zahnersatz-
Skandal der Firma Globudent O.Dent.O Dentalhandelsgesellschaft verdeutlichen. Das
1
Vgl. ARTHUR ANDERSEN (2000): Krankenhaus 2015, S. 2.
2
Vgl. MIEGEL, M. (2002): Die deformierte Gesellschaft, S. 272.
3
Vgl. AMON, U. et al. (2000): Status quo des Qualitätsmanagements im deutschen Gesundheits-
wesen, S. 1.
4
Vgl. KZBV (2003): Entwicklung der Zahnärztedichte 1968-2001.
5
Vgl. KZBV (2002): Betriebswirtschaftliche Daten der Zahnarztpraxis, S. 30 f.
6
Vgl. TRÖMEL, A. (2002): Schmerzhafte Revolution im Dental-Labor, S. 14.

- 2 -
Zahntechniklabor Globudent lieferte nach Absprache mit den kooperierenden
Zahnärzten Billigzahnersatz wie z. B. Gebisse, Brücken und Kronen aus dem Ausland.
Den Patienten und den Krankenkassen wurde jedoch der in Deutschland
durchschnittlich fünfmal so hohe Höchstpreis für Zahnersatz in Rechnung gestellt.
Experten schätzen den Schaden dieses größten Abrechnungsbetrugs im
Gesundheitswesen der deutschen Nachkriegszeit auf mindestens fünfzig Millionen
Euro.
7
Nun stellt sich die Frage warum mehr als 2000 Zahnärzte den betrügerischen
Machenschaften nicht widerstehen konnten.
8
Den Grund sieht der Vorstand der
Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) in der straffen Preisgestaltung der
gesetzlichen Krankenkassen und dem stetig steigenden Kostendruck, mit dem Zahnärzte
zu kämpfen haben. Dieses Klima, so die KZBV, fördere kriminelle Machenschaften und
verleite zur Ausnutzung finanzieller Anreize über dem Erlaubten hinaus.
9
Ziel dieser Arbeit ist es, ein ganzheitliches, praktikables und umsetzbares
Lösungskonzept für das Dienstleistungsunternehmen Zahnarztpraxis zu erstellen,
welches auf aktuelle und zukünftige Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen
eingeht. Durch proaktive strategische Schritte sollen unternehmerische Risiken gesenkt
und der wirtschaftliche Praxiserfolg langfristig gesichert werden.
10
Gerade vor dem
Hintergrund der Folgen gesundheitspolitischer Entscheidungen und struktureller
Veränderungen der letzten Jahre muss der Arzt als Praxisinhaber mehr denn je
unternehmerisch denken und eigenverantwortlich handeln.
11
Die fachliche Kompetenz
des Zahnarztes muss dabei mit professionellem und strategischem Praxismarketing
verbunden werden. Die Bereitschaft des Zahnarztes, eine markt- und dienstleistungs-
orientierte Betrachtungsweise anzunehmen und umzusetzen, ist in Zukunft für den
wirtschaftlichen Erfolg der Praxis ausschlaggebend.
12
Inwieweit der Zahnarzt durch die
7
Vgl. NOTZ, A. et al. (2002): Zahnersatz-Skandal: Lücken im System, S. 33.
8
Vgl. FRÖHLINGSDORF, M. et al. (2002): Millionenschaden durch Schmu mit billigem Zahnersatz
aus Fernost, S. 92 f.
9
Vgl. BRAUN, L. (2002): KZBV zu den Medienberichten über Betrug bei Abrechnung von
Zahnersatz.
10
Vgl. BRICKAU, R. (2002): Strategisches Benchmarketing in der Zahnarztpraxis durch digitalen
Praxis-Check, S. 812.
11
Vgl. FRODL, A. (1999): Organisation der Arztpraxis, S. 3.
12
Vgl. KRIENS, J. et al. (2002): Ziele ­ Die Schlüssel zum Erfolg, S. 84.

- 3 -
Nutzung der richtigen Marketinginstrumente aktiv agieren kann, wird in der
vorliegenden Arbeit dargelegt.
1.2.
Gang der Untersuchung
Eingeleitet wird die Untersuchung der Problemstellung durch die Erläuterung der
theoretischen Grundlagen des Marketing. In Kapitel 2 wird insbesondere auf die
Abgrenzung von Dienstleistungen gegenüber Sachleistungen eingegangen. Darüber
hinaus wird der allgemeine Begriff des Marketing hin zum Dienstleistungsmarketing
weiterentwickelt. Im Kapitel 3 wird die Relevanz des Dienstleistungsmarketing für die
Zahnarztpraxis dargestellt. Ferner wird der Wandel auf dem Gesundheitsmarkt
eingehend diskutiert. Die daraus folgenden Konsequenzen für die Zahnarztpraxis
werden anhand des Spannungsdreiecks Patient, gesetzliche Krankenkasse und
Praxisorganisation verdeutlicht. Kapitel 4 geht auf die für eine Zahnarztpraxis
denkbaren Positionierungsmöglichkeiten ein und erläutert die zukunftsgerechte
Strategie für eine ,,Mehrwert-Praxis" sowie die daraus resultierenden Marketing-
maßnahmen. Darauf aufbauend wird der Kommunikationsmix einer modernen
Zahnarztpraxis unter standesrechtlichen Vorraussetzungen diskutiert und ausgewählte
Instrumente zu seiner Weiterentwicklung werden näher dargestellt.
In Rahmen der Untersuchung wurden 20 Tiefeninterviews mit selbständig tätigen
Zahnärzten durchgeführt. Die Untersuchung soll qualitative Erkenntnisse bringen und
die Möglichkeiten und praktische Anwendung von Marketing- und Kommunikations-
instrumenten einer Zahnarztpraxis aufzeigen. Unterstützend dafür wurde ein Frage-
bogen als Leitfaden für die Interviews entwickelt, dessen relevanten Ergebnisse
graphisch im Anhang dargestellt sind. Zudem werden ausgewählte Informationen aus
den Tiefeninterviews in Form von Protokollen beigefügt.

- 4 -
2.
Grundlagen und Merkmale des Dienstleistungsmarketing
2.1.
Begriffliche Abgrenzung des Marketing
Der Begriff Marketing wurde nach dem zweiten Weltkrieg aus dem amerikanischen
Sprachraum in die deutsche Fachsprache übernommen. Ursprünglich hat man
Marketing als ein absatzpolitisches Instrumentarium definiert, bei dem die
gewinnbringende Vermarktung von Gütern im Vordergrund stand.
13
Im Laufe der
Entwicklung und Veränderung der technologischen, wirtschaftlichen sowie politisch-
gesellschaftlichen Einflussfaktoren wandelte sich der Begriff Marketing von einer
funktionsorientierten Sichtweise zu einer unternehmensbezogenen Denkhaltung, welche
das Marketing als integralen Bestandteil der Unternehmensphilosophie auffasste.
14
Die heutige Wirtschaft muss sich besonders den Herausforderungen einer
Überflussgesellschaft stellen. Während die meisten Produkte und Dienstleistungen sich
immer mehr angleichen, verhärtet sich der Wettbewerb auf dem Käufermarkt, bei dem
nicht mehr das Produkt, sondern der Kunde den Engpass darstellt.
15
Demzufolge rückt
in der modernen Marketinginterpretation die Sichtweise der Kundenorientierung
vermehrt in den Mittelpunkt.
16
Dabei wird unter Kundenorientierung die gezielte
Erfüllung von Käuferbedürfnissen und die Schaffung eines spezifischen Kundennutzens
verstanden.
17
Die beständige Identifikation und Analyse der Kundenerwartungen, sowie
deren interne und externe Umsetzung in unternehmerische Leistungen oder
Interaktionen, verfolgt insbesondere das Ziel einer langfristigen und ertragreichen
Kundenbindungen.
18
Durch eine nachhaltige Marktfokussierung und
Kundenorientierung muss ein Wertangebot für den Zielmarkt konzipiert und durch
ganzheitlich koordinierte Marketingaktivitäten kommuniziert werden. Wird dieses
Wertangebot wirksamer und wirtschaftlicher verwirklicht als das der Wettbewerber,
wird eine Gewinnerzielung aufgrund der hohen Kundenzufriedenheit und ­treue
erreicht.
19
13
Vgl. DICHTL, E. et al. (1997): Marketing, S. 12-13.
14
Vgl. MEFFERT, H. (1999): Marktorientierte Unternehmensführung im Wandel, S. 5 f.
15
Vgl. JAIN, D. et al. (2002): Marketing der Zukunft, S. 11-12.
16
Vgl. KOTLER, P. (1999): Marketing, S. 39-41.
17
Vgl. BRUHN, M. (1999): Kundenorientierung, S. 7.
18
Vgl. JENDROSCH, T. (2001): Kundenzentrierte Unternehmensführung, S. 28.
19
Vgl. BLIEMEL, F. et al. (2001): Marketing Management, S. 34-40.

- 5 -
Bei der Umsetzung des Marketingkonzepts als Bestandteil der Unternehmensstrategie
und -philosophie muss deren Entwicklung innerbetrieblich alle Hierarchien und
Funktionsbereiche umfassen sowie Lieferanten oder Geschäftspartner in den
Unternehmensablauf mit einbeziehen.
20
Dabei ist es die Aufgabe des Marketing-
managements, durch bewusstes Bemühen und eine durchdachte Vorgehensweise das
Niveau, den zeitlichen Ablauf und das Wesen der Nachfrage so zu beeinflussen, dass
die am Austauschprozess beteiligten Parteien zufriedengestellt und die
Unternehmensziele verwirklicht werden.
21
Marketingmanagement impliziert folglich
die Phasen der Konzipierung eines Planungs- und Durchführungsprozesses, der
Preisfindung und der Förderung und Verbreitung von Ideen, Waren oder
Dienstleistungen, mit dem Ziel Austauschprozesse zur Zufriedenstellung individueller
und organisatorischer Ziele herbeizuführen.
22
Das Verständnis des klassischen Marketingmodells entwickelte sich somit zu einem
ganzheitlichen Konzept markt- und kundenorientierter Unternehmensführung, bei dem
die konsequente Ausrichtung aller unmittelbar und mittelbar den Markt berührenden
Unternehmensentscheidungen und Betriebsaktivitäten an die Erfordernissen und
Bedürfnissen der Kunden im Vordergrund steht.
23
Eine solche unternehmerische
Denkhaltung spiegelt sich in der Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle aller
interner und externer Unternehmensaktivitäten wider.
24
Die Orientierung des
Unternehmens am Kundennutzen im Sinne einer konsequenten Kundenorientierung
bildet heutzutage die Voraussetzung für das erfolgreiche Erreichen von
absatzmarktorientierten Unternehmenszielen sowie für eine dauerhafte Existenz auf
dem Markt.
25
20
Vgl. JAIN, D. et al. (2002): Marketing der Zukunft, S. 11-15.
21
Vgl. BLIEMEL, F. et al. (2001): Marketing Management, S. 24-27.
22
Vgl. BENETT, P. (1988): Marketing, S. 255 f.
23
Vgl. KAMENZ, U. (2001): Marktforschung, S. 5-10.
24
Vgl. BRUHN, M. (2002): Marketing, Wiesbaden, S. 14.
25
Vgl. UHE, G. (2002): Strategisches Marketing, S. 8-11.

- 6 -
2.2.
Der Marketing-Mix
Um definierte Marketingziele und gewünschte Reaktionen auf dem Zielmarkt zu
erreichen, werden von den meisten Unternehmen klassische Marketinginstrumente
angewendet, welche aktiv und gezielt auf die Gestaltung des Absatzmarktes Einfluss
nehmen.
26
Diese können in die auf McCarthy zurückzuführenden 4 P`s ,,product",
,,price", ,,place" und ,,promotion" eingeteilt werden.
27
Die zielgerichtete Kombination
der einzelnen Marketinginstrumente ­ auf deutsch Produkt, Preis, Vertrieb und
Kommunikation ­ wird als Marketing-Mix bezeichnet.
28
Die Produktpolitik umschließt alle Entscheidungen des Unternehmens in Bezug auf das
gesamten Leistungsprogramm, das auf dem Zielmarkt angeboten wird. Das beinhaltet
die Entwicklung neuer Produkte und Leistungen, die Ausgestaltung von
Produkteigenschaften, die Produktqualität, das Markenimage sowie die Auswahl und
Festlegung eines Produktsortiments. Bei einem weiteren Begriffsverständnis bezieht
sich der Ausdruck Produkt nicht nur auf produktbezogene Sachleistungen, sondern auch
auf produktbegleitende immaterielle Dienstleistungen.
29
Die Preispolitik umfasst die Empfehlung, Festlegung, Änderung und Differenzierung
von Preisen, sowie die Gestaltungsmöglichkeiten von Zahlungskonditionen wie
Rabatte, Kreditgewährung oder Leasing.
30
Grundlegend für die Preisempfehlung sollte
ein angemessenes Preis/Leistungs-Verhältnis sein. Übersteigt der zu zahlende Geldwert
den entsprechenden Nutzwert für den Kunden, wird sich dieser in der Regel für das
Produkt der Konkurrenz entscheiden.
31
Die Vertriebspolitik beinhaltet die Wahl und das Management der Absatz- und
Vertriebswege, welche die physische Distribution der Leistung vom Hersteller bis hin
zum Endverbraucher darstellen.
32
Wichtig ist dabei der Aufbau eines effizienten
26
Vgl. PEPELS, W. (2000): Marketing, S. 358 f.
27
Vgl. MAC CARTHY, E. (1984): Basic marketing, S. 46-49.
28
Vgl. BRUHN, M. (2002): Marketing, Wiesbaden, S. 28 f.
29
Vgl. WEIS, C. (2001): Marketing, S. 99.
30
Vgl. DICHTL, E. et al. (1997): Marketing, S. 21.
31
Vgl. BLIEMEL, F. et al. (2001): Marketing Management, S. 151.
32
Vgl. PEPELS, W. (2002): Moderne Marketingpraxis, S. 248.

- 7 -
Distributionssystems, so dass die Produkte für den Zielmarkt schnellstmöglich und
ubiquitär verfügbar sind.
33
Die Kommunikationspolitik, auch schwerpunktmäßig als Absatzförderung verstanden,
umfasst die Vermittlung relevanter Kommunikationsziele an ausgewählten Zielgruppen,
um den Absatz der Leistungen des Unternehmens zu fördern. Produktvorzüge
gegenüber denen der Wettbewerber müssen verdeutlicht werden, aktuelle und
potenzielle Abnehmer über das Leistungsangebot und die Leistungsfähigkeit eines
Unternehmens informiert und dadurch aktiv zum gewünschten Verhalten bewegt
werden.
34
Kommunikationsinstrumente können bei Zielgruppen eine langfristige
Einstellung prägen, Bedürfnisse beeinflussen, Wünsche wecken oder Wissen über das
Produkt und das Angebot vermitteln.
35
Besonders der immaterielle Nutzen, der
sogenannte Erlebnis- und Vorstellungsraum eines Produktes, muss dem Kunden
kommuniziert werden.
36
Dabei muss zwischen sachorientierter und zweckorientierter
Kommunikation unterschieden werden. Bei der sachorientierten Kommunikation steht
die Informationskomponente im Vordergrund. Inhalte werden folglich gewissermaßen
wertfrei, neutral und ohne Manipulation dem Kunden vermittelt. Die zweckorientierte
Kommunikation hingegen zielt auf eine suggestive Werbewirkung ab, bei der die
Rezipienten mit der Abgabe von Information hinsichtlich ihrer Meinung bewusst oder
unbewusst beeinflusst werden. Das ist allgemein bei der Gestaltungsform Werbung der
Fall.
37
Kommunikation im Marketing kann auch als Prozess der akquisitorischen Nachrichten-
bzw. Informationsübermittlung bezeichnet werden und findet in mehreren Phasen statt.
Vom Werbungstreibenden wird eine kommunikationsgerecht codierte Botschaft als
Signal mittels Schrift, Bild, Zeichen und Wort an seine Zielgruppe gesendet. Für die
eigentliche Übertragung wird ein Sendekanal benötigt, wie der Spot, das Plakat oder die
Anzeige. Auf der Adressatenseiten wird die verschlüsselte Werbebotschaft von dem
33
Vgl. BLIEMEL, F. et al. (2001): Marketing Management, S. 152.
34
Vgl. DICHTL, E. et al. (1997): Marketing, S. 21.
35
Vgl. BARTH, D. (1999): Mediziner-Marketing, S. 388.
36
Vgl. KAMENZ, U. (2001): Marktforschung, S. 46 f.
37
Vgl. PEPELS, W. (2001): Kommunikations-Management, S. 16.

- 8 -
Empfänger über die fünf Sinnesorgane aufgenommen, in subjektiv zu bewältigende
Informationseinheiten decodiert und verarbeitet.
38
Hierzu stehen den Unternehmen eine Vielzahl von Kommunikationsinstrumenten zur
Verfügung, die in klassische und moderne Instrumente eingeteilt werden können. Zu
den klassischen Werbemitteln zählen die verschiedenen Formen gedruckter Medien,
Spots im Fernsehen, Rundfunk oder Kino sowie Plakate.
39
Unter nicht-klassische
Werbemittel fallen die heterogenen Kommunikationsmedien, wie Multimedia,
Ausstellungen, Events, Sponsoring, Produktausstattung, Verkaufsförderung,
verschiedene Formen von Direktwerbung, Öffentlichkeitsarbeit, persönliche
Kommunikation sowie Verkaufsliteratur.
40
In der Praxis beinhaltet das
Kommunikationsmix des Marketing nahezu immer klassische sowie auch moderne
Kommunikations-Instrumente, die auf die Marktsituation adäquat angepasst und
kombiniert werden müssen, um eine optimale Werbewirkungen zu erreichen.
41
2.3.
Definitorische Erfassung des Dienstleistungsbegriffs
Die große Heterogenität des Dienstleistungssektors und das Vorhandensein von
verschiedenen Betrachtungsebenen erschwert eine allgemein anerkannte betriebswirt-
schaftliche Definition des Begriffs von Dienstleistungen. Dennoch wird eine defini-
torische Abgrenzung durch eine kombinierte Sichtweise der konstitutiven Merkmale
von Dienstleistungen möglich. Die phasenbezogene Integration der potential-, prozess-
und ergebnisorientierten Betrachtung
42
sowie der Interpretation einer Dienstleistung
selbst, lässt den Charakter derselben erfassen. Als konzeptionelle Grundidee, weist sie
die zentralen Besonderheiten von Dienstleistungen und deren Auswirkungen auf das
Marketing auf.
43
Folglich werden Dienstleistungen als selbständige, marktfähige
Leistungen, die mit der Bereitstellung und gegebenenfalls dem Einsatz von
Leistungsfähigkeiten verbunden sind, definiert (Potentialorientierung). Interne und
38
Vgl. HALLER, S. (2002): Dienstleistungsmanagement, S. 165.
39
Vgl. HOMBURG, C. (2003): Marketingmanagement, S. 649-652.
40
Vgl. PEPELS, W. (2001): Kommunikations-Management, S. 537.
41
Vgl. WEIS, C. (2001): Marketing, S. 529 f.
42
Zur Vertiefung vgl. BIEBERSTEIN, I. (1998): Dienstleistungs-Marketing, S. 29-35; BRUHN, M. et
al. (2000): Dienstleistungsmarketing, S. 27-29.
43
Vgl. BIEBERSTEIN, I. (1998): Dienstleistungs-Marketing, S. 26-36.

- 9 -
externe Faktoren werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert
(Prozessorientierung). Diese Faktorenkombination des Dienstleistungsanbieters wird
mit dem Ziel eingesetzt an Menschen oder Objekten nutzenstiftende Wirkungen zu
erzielen (Ergebnisorientierung).
44
Eine Dienstleistung ist folglich eine jemand anderem
angebotene immaterielle Tätigkeit oder Leistung, die mit einem Sachgut verbunden sein
kann, eine direkte Besitz- oder Eigentumsveränderungen jedoch nicht mit sich bringt.
45
Auf die spezifischen Merkmale einer Dienstleistung wir im folgenden Kapitel näher
eingegangen.
Weiterhin wird unter primären und sekundären Dienstleistungen unterschieden.
Primärdienstleistungen bilden die Kernleistung eines institutionellen Dienstleisters und
werden im Hauptgeschäft einer betrieblichen Unternehmung erbracht und angeboten.
Daneben existiert kein materielles Produkt.
46
Sekundärdienstleistungen hingegen
ergänzen im produzierenden Gewerbe ein geliefertes Sachgut oder in einem
dienstleistenden Unternehmen die erbrachte Primärleistung. Diese produktbegleitenden
Dienstleistungen können einer Kernleistung vorangehen, sie als Zusatzleistung
wirkungsvoll unterstützen oder ihr folgen.
47
2.4.
Die konstitutiven Merkmale einer Dienstleistung
Basierend auf den konstitutiven Besonderheiten einer Dienstleistung sind die
spezifischen Dienstleistungsmerkmale Immaterialität, Integrativität, Qualitätsschwan-
kungen und fehlende Lagerfähigkeit hervorzuheben, welche einen großen Einfluss auf
das Dienstleistungsmarketing haben.
48
Die Immaterialität der Dienstleistung spielt eine entscheidende Rolle für den
Interaktionsprozess zwischen Dienstleistungsanbieter und Dienstleistungsnachfrager.
Im Gegensatz zu physischen Produkten hat die eigentliche Kernleistung für den
Nachfrager einen abstrakten und intangiblen Charakter und wird maßgeblich durch die
44
Vgl. BRUHN, M. et al. (2000): Dienstleistungsmarketing, S. 30.
45
Vgl. BLIEMEL, F. et al. (2001): Marketing Management, S. 772-775.
46
Vgl. PEPELS, W. (1995): Einführung in das Dienstleistungsmarketing, S. 13.
47
Vgl. BIEHAL, F. (1994): Dienstleistungsmanagement und die schlanke Organisation, S. 29-32.
48
Vgl. BLIEMEL, F. et al. (2001): Marketing-Management, S. 775.

- 10 -
Leistungsfähigkeit eines Anbieters, sprich durch dessen interne Faktoren, geprägt.
49
Bezogen auf den Erwerb einer Dienstleistung resultiert für den potenziellen Nachfrager
daraus ein Kaufrisiko, da er sich vor der Inanspruchnahme zwar an den materiellen
Potentialfaktoren des Anbieters orientieren kann, die Leistung und Qualität vor der
Erstellung jedoch nur bedingt sinnlich wahrnehmbar ist. Die Kaufentscheidung muss
somit auf der Basis eines immateriellen Leistungsversprechens getroffen werden.
50
Dementsprechend werden Dienstleistungen oftmals zu Vertrauensgütern gezählt.
51
Die Integrativität bildet ein weiteres konstitutives Merkmal einer Dienstleistung. Die
zwingende Notwendigkeit einer integrativen Leistungserstellung resultiert aus dem
immateriellen Charakter der Dienstleistung. Für den Leistungserstellungsprozesses wird
folglich die Mitwirkung des Leistungsempfängers sowie die Kombination interner und
externer Produktionsfaktoren benötigt.
52
Die Art der Integration externer Faktoren kann
sehr unterschiedliche Ausprägung annehmen. Die Erbringung von Dienstleistungen
erfordert zwangsläufig den direkten Kontakt zwischen Leistungsbringer und
Leistungsempfänger sowie die zumindest passive Integration der externen Faktoren in
den betrieblichen Prozess einer Unternehmung. Der externe Faktor kann aber auch sehr
intensiv an der Leistungserstellung mitwirken und über sein Engagement und seine
Potentiale die Qualität der Dienstleistungen maßgeblich mit beeinflussen.
53
Unter
externen Faktoren können sowohl lebende Objekte als auch materielle oder immaterielle
Objekte verstanden werden, die außerhalb des Verfügungsbereichs der leistungs-
anbietenden Unternehmung stehen und in den Dienstleistungsprozess integriert werden
müssen.
54
Im Gegensatz zu den unternehmensinternen und leistungserbringenden
Faktoren entzieht sich der externe leistungsempfangende Faktor der autonomen
Disponierbarkeit durch den Dienstleistungsanbieter. Er wird nur temporär begrenzt zur
49
Vgl. FISCHER, T. et al. (2001): Vertrauen & Commitment in der Dienstleistungsinteraktion, S. 305.
50
Vgl. MALERI, R. (1997): Grundlagen der Dienstleistungsproduktion, S. 39.
51
Vgl. BIEBERSTEIN, I. (1998): Dienstleistungs-Marketing, S. 53.
52
Vgl. RECKENFELDERBÄUMER, M. (2002): Die Lehre von den Unternehmerfunktionen als theo-
retische Grundlage der Integrativität und des Dienstleistungs-Management, S. 226 f.
53
Vgl. BLÜMELHUBER, C. et al. (2000): Der Kunde als Co-Produzent und Co-Designer, S. 53 f.
54
Vgl. FISCHER, T. et al. (2001): Vertrauen & Commitment in der Dienstleistungsinteraktion, S. 306.

- 11 -
Verfügung gestellt, wirkt aber auf den Erstellungsprozess ein und beeinflusst das
Leistungsergebnis.
55
Das Merkmal der Qualitätsschwankungen kann als weiteres konstitutives Element jeder
Dienstleistung gesehen werden.
Aufgrund der Integration des externen Faktors in den
Dienstleistungsprozess befriedigt diese Dienstleistung nur die konkreten Bedürfnisse
eines individuellen Kunden.
56
Die Dienstleistung wird von unterschiedlichen Personen,
zu unterschiedlichen Zeiten und an verschiedenen Orten erstellt, und sie muss
angemessen auf die Ansprüche der Nachfrager abgestimmt werden. Folglich können
gleichartige Dienstleistungen und deren Qualität stark variieren, da sie keine
uneingeschränkte Reproduzierbarkeit haben können.
57
Aufgrund der ständig wechseln-
den Schnittstelle zwischen Kunde und Kontaktpersonal kann eine konstante Qualität der
Leistung weder vorab festgestellt noch garantieren werden. Der Erfolg einer Dienst-
leistung entscheidet sich somit erst während oder nach dem Verrichtungsprozess.
Aufgrund der Abhängigkeit zwischen der Dienstleistungsqualität und den sowohl
internen als auch externen personellen Einsatzfaktoren wird die kunden- und
mitarbeiterorientierte Gestaltung in einem Dienstleistungsunternehmen als wesentlicher
Bestandteil der Angebotspolitik angesehen.
58
Aufgrund der Immaterialität von Dienstleistung und Ihrer Abhängigkeit von externen
Faktoren, lässt sich die fehlende Lagerfähigkeit als weiteres charakteristisches Merkmal
von Dienstleistungen aufweisen. Der Leistungsprozess wird individuell auf die
unterschiedlichen Bedürfnisse der Nachfrager zugeschnitten. Eine Dienstleistung ist
somit weder im Voraus zu erstellen, noch kann sie für einen späteren Verkauf oder eine
spätere Nutzung gelagert werden.
59
Der Dienstleistungsprozess wird somit zu einem
zweiseitigen Interaktionsprozess, welcher die simultane Produktion und den Konsum
der Dienstleistung impliziert. Dieses konstitutive Merkmal wird auch als das Uno-Actu-
55
Vgl. MEYER, A. et al. (1994).: Interdependenzen zwischen Absatz und Produktion in Dienst-
leistungsunternehmen und ihre Auswirkungen auf konzeptionelle Fragen des Absatzmarketing, S. 9.
56
Vgl. ARMSTRONG, G. et al. (2002): Grundlagen des Marketing, S. 582.
57
Vgl. CORSTEN, H. (2000): Der Integrationsgrad des externen Faktors als Gestaltungsparameter in
Dienstleistungsunternehmungen, S. 147 f.
58
Vgl. BIEBERSTEIN, I. (1998): Dienstleistungs-Marketing, S. 59.
59
Vgl. PEPELS, W. (1995): Einführung in das Dienstleistungsmarketing, S. 23 f.

- 12 -
Prinzip bezeichnet, welches folglich eine synchrone Interaktionsbereitschaft und
Interaktionsfähigkeit des Leistungsproduzenten und Leistungskonsumenten erfordert.
Die Vergänglichkeit bezieht sich auf die Dienstleistung an sich, jedoch nicht unbedingt
auf das Ergebnis und die Wirkung derselben.
60
2.5.
Das Dienstleistungsmarketing
Das Dienstleistungsmarketing ist aufgrund der konstitutiven Merkmale vom traditio-
nellen Marketing abzugrenzen und somit getrennt zu erläutern. Der bereits festgelegte
Begriffsinhalt des Marketing bildet dabei den Ausgangspunkt, und nur die Besonder-
heiten der Dienstleistung gilt es in die Marketingdefinition mit einzubeziehen.
61
In der Dienstleistungswirtschaft wird der Kunde nicht mehr als reiner Abnehmer der
Leistungen, sondern als integrierter Bestandteil der ganzen Organisation verstanden.
62
Daraus ergeben sich weitere Ressourcen, die während der Erstellung einer
Dienstleistung auf die Beziehung zwischen Leistungsgeber und Leistungsnehmer
Einfluss nehmen können.
63
Das herkömmliche Marketing-Mix bei Sachgütern muss
demzufolge im Dienstleitungsbereich ergänzt werden. Dabei ergibt sich eine
Erweiterung der schon zuvor erläuterten vier klassischen Instrumentalbereiche
,,product", ,,price", ,,place" und ,,promotion" um die drei dienstleistungsspezifischen
Marketing-Instrumente ,,people", ,,physical evidence" und ,,process" zu den
sogenannten 7 P´s.
64
Bei der eigentlichen Leistungserstellung kann ein
Dienstleistungsanbieter sich durch diese drei weiteren Schlüsselkriterien ­ auf deutsch
Personen, physisches Umfeld und Prozessabläufe ­ profilieren und von der Konkurrenz
abheben.
65
60
Vgl. ENGELHARDT, W. et al. (2001): Entwicklungstendenzen des Dienstleistungsmanagements aus
Sicht der Wirtschaft, S. 923.
61
Vgl. BIEBERSTEIN, I. (1998): Dienstleistungs-Marketing, S. 45.
62
Vgl. LEHMANN, A. (1998): Dienstleistungsbeziehungen zwischen Kunden und Unternehmen,
S. 30.
63
Vgl. BRUHN, M. (2000): Dienstleistungsmarketing, S. 278.
64
Vgl. BITNER, M. et al. (1981): Marketing Strategies and Organizational Structures for Service
Firms, S. 47 f.
65
Vgl. ARMSTRONG, G. et al. (2002): Grundlagen des Marketing, S. 589 f.

- 13 -
Die Bindung der Tätigkeit an eine konkrete Person ist ein marketingrelevantes Merkmal
einer Dienstleistung. Die Qualität der Interaktion zwischen Kunde und Mitarbeiter
entscheidet maßgeblich über die Beurteilung der Dienstleistungsqualität.
66
Der Moment
des Kontaktes zwischen Kunde und dem Kontaktpersonal wird in der Literatur auch als
,,Moment der Wahrheit" bezeichnet. Während dieses Zusammentreffens entscheidet
sich, ob der Dienstleistungsanbieter in der Lage ist, die Qualitätserwartungen des
Kunden zu erfüllen oder gar zu überschreiten. Das Unternehmen übt in dem Moment
jedoch keinen direkten Einfluss mehr aus, und der Mitarbeiter entscheidet alleinig über
die Qualität der Dienstleistung.
67
Auf diese Weise wird der Mitarbeiter zu einer
bedeutenden Größe im Marketinginstrumentarium. Das Unternehmen muss demnach
Vorarbeit leisten, und durch ein entsprechendes, personalwirtschaftlich ausgerichtetes
internes Marketing die Voraussetzung für ein effizientes und kundengerechtes
Marketing schaffen.
68
Die Demonstration der Dienstleistungsqualitäten eines Unternehmens durch sein
physisches Umfeld spielt eine entscheidende Rolle.
69
Aufgrund der eingeschränkten
Bewertungsmöglichkeit der Leistungsmerkmale einer Dienstleistung orientieren sich
Kunden vermehrt an Indikatoren die in der Ausgestaltung der Leistungspotentiale
liegen, wie eine ansprechende und leistungsfähige Inneneinrichtung und Ausstattung
eines Gebäudes, das dortige Ambiente oder die Uniformen der Mitarbeiter. Darüber
hinaus kann durch eine übersichtlich gestaltete Dienstleistungsinfrastruktur der Kauf-
entscheidungsprozess des Kunden zugunsten des Anbieters beeinflusst werden, indem
der Kunde sich schnell zurechtfinden und sich problemlos einen Überblick über das
Dienstleistungsangebot des Anbieters verschaffen kann.
70
Während des Leistungsprozesses stellt die Steuerung und Motivierung der Mitarbeiter,
die Integration des externen Faktors und die Anpassung an Beschäftigungs-
schwankungen die wichtigsten Engpässe hinsichtlich der Qualitätssicherung dar.
Mitarbeiter müssen gezielt die Bedürfnisse des einzelnen Kunden herausfinden und
66
Vgl. BERRY, L. (1999) et al.: Dienstleistungsmarketing fängt beim Mitarbeiter an, S. 71
67
Vgl. BIEGER, T. (2002): Dienstleistungsmanagement, S. 304 f.
68
Vgl. BIEBERSTEIN, I. (1998): Dienstleistungs-Marketing, S. 36.
69
Vgl. BLIEMEL, F. et al. (2001): Marketing Management, S. 781.
70
Vgl. HOMBURG, C. (3003): Marketingmanagement, S. 840-843.

- 14 -
fehlerfrei zu dessen Zufriedenheit erfüllen.
71
Dabei wird die Qualitätsbeurteilung des
Dienstleistungsprozesses durch den Kunden dann positiv beeinflusst, wenn dieser ein
Verständnis für die Leistungserstellung und eventuell auftretende Probleme dank einer
hohen Prozesstransparenz gewinnt.
72
2.6.
Aktivitätsbereiche im Dienstleistungsmarketing
Zur zielorientierten und erfolgreichen Gestaltung von Austauschprozessen mit externen
und internen Partnern ist im Dienstleistungsmarketing nicht nur das externe Marketing
erforderlich, sondern auch die zwei Komponenten des internen und interaktiven
Marketing. Das externe Marketing, welches anhand der klassischen Marketing-
instrumente im vorigen Kapitel weitgehend beschrieben wurde, beschäftigt sich mit den
Unternehmensaktivitäten, die sich auf die Bereitstellung, Preisfindung, Distribution
sowie Absatzförderung von Dienstleistungen beziehen.
Es richtet sich somit auf
Personen und Organisationen außerhalb des Unternehmens.
73
Um ein ganzheitliches
und effizientes Marketing wiederum von Dienstleistungsunternehmen zu sichern,
müssen alle Abteilungen eines Unternehmens bestrebt sind, im Interesse der Kunden zu
wirken und diese zufrieden zu stellen. Zudem muss in der zeitlichen Abfolge das interne
Marketing vor dem Externen stehen, damit personelle und organisatorische
Vorraussetzungen für ein effizientes externes Marketing geschaffen werden und die
Mitarbeiter die entsprechenden Dienstleistungen optimal bereitstellen können.
74
Internes Marketing verfolgt das Ziel der systematischen Optimierung
unternehmensinterner Prozesse mit Hilfe der Instrumente des Marketing- und
Personalmanagements, um marktgerichtete Unternehmensziele effizient zu erreichen.
Das Marketing soll durch eine konsequente Kunden- und Mitarbeiterorientierung als
interne Denkhaltung durchgesetzt werden.
75
Das interne Marketing verfolgt somit
gleichzeitig zwei Ziele, denn erreicht das Unternehmen durch interne Bemühungen eine
hohe Mitarbeiterzufriedenheit, wird sich diese auf die Servicequalität und somit auch
71
Vgl. KAAS, K. (2001): Zur ,,Theorie des Dienstleistungsmanagements", S. 109.
72
Vgl. HOMBURG, C. (2003): Marketingmanagement, S. 844.
73
Vgl. BLIEMEL, F. et al. (2001): Marketing Management, S. 781.
74
Vgl. BERRY, L. et al. (1999): Dienstleistungsmarketing fängt beim Mitarbeiter an, S. 89 f.
75
Vgl. BRUHN, M. (2001): Notwendigkeit eines Internen Marketing für Dienstleistungsunternehmen,
S. 709.

- 15 -
auf die Kundenzufriedenheit transferieren und dem Dienstleistungsunternehmen die
Möglichkeit geben, sich positiv von der Konkurrenz abzuheben.
76
Um Letzteres zu
erreichen muss der Dienstleistungsanbieter in die Leistungsfähigkeit und
Überzeugungskraft seiner Mitarbeiter investieren, da diese maßgeblich die Erbringung
der Leistung und die Dienstleistungsqualität beeinflussen. Zum internen Marketing
gehören Anwerbungen, effiziente und intensive Schulungen sowie die Motivation
fähiger Mitarbeiter, die mit den Käufer in Kontakt kommen.
77
Alle Mitarbeiter des
Unternehmens müssen als Team arbeiten, damit der Kunde optimal zufriedengestellt
werden kann. Die Bereitschaft zur Käuferorientierung und zu einem kundenorientierten
Marketing muss dabei auf allen Ebenen der Unternehmenshierarchie bestehen.
78
Das
interaktive Marketing befasst sich mit der Professionalität des
Kundenkontaktpersonals während der Dienstleistungsproduktion. Die Qualität der
Interaktion zwischen dem Kunden und dem internen Faktor Personal ist essentiell und
prägt nicht nur das Leistungsergebnis und die wahrgenommene Dienstleistungsqualität,
sondern auch das Unternehmensimage, welches der Kunde vom Anbieter erhält.
79
Wie
die Dienstleistung erbracht wird und unter welchen Umständen und Empfindungen der
Kunde das Produkt in Empfang nimmt, spielt insbesondere bei freiberufliche
Leistungen, wie die der Ärzte oder Rechtsanwälte, welche ja auf den hervorgehobenen
Qualifikationen des Dienstleisters beruhen und über einen hohen Grad an Intangibilität
verfügen, eine entscheidende Rolle. Der Kunde beurteilt die Qualität der Dienstleistung
nicht nur nach den schwierig zu quantifizierenden technischen Kriterien, sondern auch
nach funktionalen und emotionalen Kriterien. Das interaktiven Marketing verfolgt somit
das weitreichende Ziel, beim Kunden die Überzeugung aufzubauen, mit der
Inanspruchnahme dieser Dienstleistung auch das Richtige getan zu haben.
80
76
Vgl. STAUSS, B. (2000): Internes Marketing als personalorientierte Qualitätspolitik, S. 218.
77
Vgl. PEPELS, W. (1995): Einführung in das Dienstleistungsmarketing, S. 58 f.
78
Vgl. ARMSTRONG, G. et al. (2002): Grundlagen des Marketing, S. 586.
79
Vgl. HALLER, S. (1998): Beurteilung von Dienstleistungsqualität, S. 53.
80
Vgl. ARMSTRONG, G. et al. (2002): Grundlagen des Marketing, S. 586 f.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832473976
ISBN (Paperback)
9783838673974
DOI
10.3239/9783832473976
Dateigröße
768 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
International School of Management, Standort Dortmund – Internationale Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2003 (November)
Note
1,5
Schlagworte
dienstleistungsmarketing marketing-mix gesundheitsmarkt dental zahnarzt
Zurück

Titel: Die Zahnarztpraxis der Zukunft
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
111 Seiten
Cookie-Einstellungen