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Verlagerung des innerdeutschen Luftverkehrs auf die Schiene

Anforderungen und Chancen

©2002 Diplomarbeit 150 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Zum Sommerfahrplan 1991 führte die Deutsche Bahn mit dem InterCityExpress (nachfolgend ICE genannt) den Hochgeschwindigkeitsverkehr in Deutschland ein. Auf den Neubaustrecken Mannheim – Stuttgart und Hannover – Würzburg erreichten die ICE-Züge erstmals eine Reisegeschwindigkeit von 280 km/h. Inzwischen sind diese Strecken Bestandteil eines Hochgeschwindigkeitsnetzes, das sowohl Neu- und Ausbaustrecken als auch Altstrecken des Bestandsnetzes umfasst, jedoch in den nächsten Jahren umfassend erweitert werden soll, wie zum Beispiel mit der Neubaustrecke Köln – Rhein/Main ab August 2002. Weiterhin spielt das deutsche Hochgeschwindigkeitsnetz aufgrund der zentralen Lage des Landes eine Kernrolle im europäischen Hochgeschwindigkeitsnetz.
Bei der Planung neuer ICE-Strecken wird zunehmend auch die Einbindung der Verkehrsflughäfen in das Fernverkehrsnetz der Bahn berücksichtigt. Vorreiter in Deutschland ist hier der Flughafen Frankfurt, der bereits 1972 einen S-Bahnhof erhielt und inzwischen mit dem 1999 eröffneten Fernbahnhof sehr gute Verknüpfungsmöglichkeiten zwischen Schienen- und Luftverkehr eröffnet, zumal dieser Bahnhof direkt an die Neubaustrecke Köln – Rhein/Main angeschlossen sein wird. Auch der Flughafen Düsseldorf erhielt im Mai 2000 mit dem Fernbahnhof Düsseldorf Flughafen einen hochwertigen direkten Anschluss an den Schienenfernverkehr.
Da in Zukunft weitere Flughäfen an die Bahn angeschlossen bzw. eine Verbesserung der derzeitigen Anbindung erfahren werden, wird es zunächst möglich sein, den derzeitigen Anteil des Schienenverkehrs bei der Anreise zum Flughafen erhöhen zu können. Dies ist insofern erforderlich, als dass das erwartete Wachstum des Luftverkehrs nicht nur die Terminalkapazitäten und die Start- und Landebahnsysteme zur Anpassung zwingen wird, sondern auch die landseitige Anbindung: eine „wesentliche Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Luftverkehrssystems“ ist die zuverlässige und zeitlich kalkulierbare Erreichbarkeit [der Flughäfen; Anm. d. Verf.]. Wie in einem Fachartikel für das Beispiel Nordrhein-Westfalen dargestellt wird und auch die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) ausgeführt hat, kann dieser zusätzliche Verkehr nicht nur durch den Straßenverkehr aufgenommen werden, da neben einer begrenzten Kapazität des Straßensystems auch Anwohnerbelange (Lärm- und Abgasbelastung) zu berücksichtigen sind. Eine Aufnahme des Wachstums im Anreiseverkehr durch die Bahn hat neben einer […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7376
Chromy, Alexander: Verlagerung des innerdeutschen Luftverkehrs auf die Schiene -
Anforderungen und Chancen
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Fachhochschule Karlsruhe, Fachhochschule, Diplomarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis ... IV
Abbildungsverzeichnis ... V
Abkürzungsverzeichnis ... VI
Verzeichnis der verwendeten Internet-Quellen ... VII
1 Einleitung... 1
2 Beispiele von Verlagerungen im europäischen Ausland... 6
2.1 TGV (Frankreich)...6
2.2 AVE (Spanien) ...9
2.3 Eurostar (Kanaltunnel) ...10
2.4 Thalys (PBKA-Konzept)...11
2.5 Hochgeschwindigkeitsverkehr in Deutschland (ICE)...11
2.6 Übertragung auf deutsche Verhältnisse...12
3 Rahmenbedingungen in Deutschland ... 15
3.1 Konzeptionen des BMVBW ...15
3.2 Verkehrsentwicklung in Deutschland...17
3.3 Definition einiger wichtiger Begriffe ...18
3.4 Zurückliegende Entwicklung des deutschen Luftverkehrs...20
3.5 Zukünftige Entwicklung und Prognosen...22
4 Ermittlung verlagerungsfähiger Verbindungen... 26
4.1 Verlagerung von Flügen im Rahmen von AIRail ...27
4.1.1 Stuttgart ­ Frankfurt...27
4.1.2 Köln/Bonn ­ Frankfurt...28
4.1.3 Nürnberg ­ Frankfurt ...29
4.1.4 Düsseldorf ­ Frankfurt ...30
4.2 Weitere Verbindungen nach Frankfurt ...32
4.2.1 Berlin ­ Frankfurt ...32
4.2.2 Bremen ­ Frankfurt...33
4.2.3 Hamburg ­ Frankfurt ...34
4.2.4 Hannover ­ Frankfurt...35
4.2.5 München ­ Frankfurt ...35
4.3 Verlagerung von Flügen der Zweiten Kategorie...36
4.3.1 Bereits erfolgte Verlagerungen ...37
4.3.2 Verbindungen mit hohem Verkehrsaufkommen ...38
4.3.3 Verbindungen in Norddeutschland...41

Inhaltsverzeichnis - II -
4.3.4 Nord-Süd-Verbindungen mit geringem Verkehrsaufkommen...42
4.3.5 Verbindungen zum Flughafen München mit Bahnreisezeiten
unter drei Stunden ...45
4.3.6 Verbindungen vom Flughafen Dresden ...46
4.3.7 Verbindungen vom Flughafen Leipzig/Halle...47
4.3.8 Verbindungen vom Flughafen Münster/Osnabrück ...48
4.4 Zusammenfassung...49
4.4.1 Flugstrecken mit hohen Umsteigeranteilen (Erste Kategorie) ...50
4.4.2 Zukünftige Verlagerung von Flugstrecken mit hohen Umsteigeranteilen..
... 51
4.4.3 Zukünftige Verlagerung von Flugstrecken nach München mit hohen
Umsteigeranteilen...51
4.4.4 Verlagerung von Flugstrecken im Quell-Ziel-Verkehr...51
4.4.5 Flugstrecken, die nicht für eine Verlagerung in Frage kommen ...52
5 Qualitative Voraussetzungen für eine Zubringerfunktion der Bahn ... 54
5.1 Gemeinsames Zug-Flug-Ticket ...55
5.2 Integrierte Gepäckbeförderung...56
5.3 Weitere Aspekte...57
6 Allgemeine Voraussetzungen der Verlagerung... 60
6.1 Merkmale der Kundengruppen ...60
6.2 Konzepte für eine kundenorientierte Tarifgestaltung...61
6.3 Anforderungen an Komfort und Service...62
6.4 Merkmale des Metropolitan-Zuges ...65
6.5 Reisezeiten und Fahrplangestaltung ...66
6.6 Pünktlichkeit ...70
7 Aspekte der Verlagerung in Hinblick auf Vernetzung und Energie ... 74
7.1 Vernetzung der Verkehrsträger ...74
7.1.1 Flughafen Frankfurt ...74
7.1.2 Flughafen Düsseldorf ...75
7.1.3 Flughafen Berlin/Schönefeld...76
7.1.4 Flughafen Leipzig/Halle ...76
7.1.5 Flughafen Köln/Bonn ...77
7.1.6 Flughafen Stuttgart ...78
7.2 Verschiebungen im Modal Split zugunsten der Bahn...80
7.3 Ökologische Zielsetzungen ...81
7.3.1 Energieverbrauch ...81
7.3.2 Emissionen...83
7.3.3 Energieverbrauch/Schadstoffausstoß zwischen Stuttgart und Frankfurt
...86
8 Zusammenfassung... 88

Inhaltsverzeichnis - III -
Anlagenverzeichnis... 90
Anlagen ... 91
Literaturverzeichnis ... 134

Tabellenverzeichnis
Tab. 1:
Vergleich der Modal Splits vor und nach Einführung des TGV ... 7
Tab. 2: Zu- und Abnahme des Bahnanteils am Modal Split
im Vergleich vor und nach Einführung des TGV-Atlantique... 8
Tab. 3:
Modal-Split-Verteilung auf der Strecke Madrid-Sevilla ... 9
Tab. 4:
Verkehrsleistungen und Modal-Split im Personenverkehr ... 17
Tab. 5:
Prozentuale Veränderungen zwischen den Szenarien der Jahre
1997 und 2015... 18
Tab. 6:
Wachstumsraten der Passagierzahlen im deutschen Luftverkehr ... 20
Tab. 7:
Prozentuale Anteile von Inlands- und Auslandsluftverkehr am
Gesamtluftverkehr... 20
Tab. 8:
Flugbewegungsaufkommen an deutschen Flughäfen in den
jeweiligen Szenarien ... 23
Tab. 9:
Verkehrsaufkommen auf den wichtigsten Flugstrecken der
Zweiten Kategorie im Jahr 2001... 39
Tab. 10: Verkehrsaufkommen auf aufkommensschwachen
Flugstrecken im Jahr 2001... 41
Tab. 11: Verkehrsaufkommen auf Flügen von Stuttgart und Nürnberg
nach München im Jahr 2001... 45
Tab. 12: Verlagerungspotential innerdeutscher Flugverbindungen 2001... 52
Tab. 13: Preise für das Rail&Fly-Ticket ... 55
Tab. 14:
Verkehrsleistungsdaten der Bahn ... 81
Tab. 15:
Spezifische Emissionen im Personenverkehr 1996... 83
Tab. 16: Absolute Emissionswerte im innerdeutschen Verkehr... 84

Abbildungsverzeichnis
Abb. 1:
Zusammenhang zwischen Einsteigern, Reisenden
und Umsteigern ... 19
Abb. 2:
Einsteiger, Reisende und Umsteiger zwischen Stuttgart
und Frankfurt ... 26
Abb. 3:
Einsteiger, Reisende und Umsteiger zwischen Köln/Bonn
und Frankfurt ... 27
Abb. 4:
Einsteiger, Reisende und Umsteiger zwischen Nürnberg
und Frankfurt ... 29
Abb. 5:
Einsteiger, Reisende und Umsteiger
zwischen Düsseldorf und Frankfurt ... 30
Abb. 6:
Weitere Flugverbindungen nach Frankfurt 1996 ... 33
Abb. 7:
Weitere Flugverbindungen nach Frankfurt 2001 ... 33
Abb. 8:
Flugverbindungen mit Einfluß des Zeitkriteriums 1996... 38
Abb. 9:
Flugverbindungen mit Einfluß des Zeitkriteriums 2001... 38
Abb. 10:
Einsteiger, Reisende und Umsteiger auf Flugverbindungen
ab Dresden ... 46
Abb. 11:
Einsteiger, Reisende und Umsteiger auf Flugverbindungen
ab Leipzig/Halle ... 47
Abb. 12: Einsteiger, Reisende und Umsteiger auf Flugverbindungen
ab Münster/Osnabrück... 49
Abb. 13:
Struktur des verlagerten Luftverkehrsaufkommens ... 60
Abb. 14: Ergebnisse der Befragung in Schweden ... 63
Abb. 15: Ergebnisse der Befragung in Spanien... 64
Abb. 16: Pünktlichkeit der Lufthansa ... 70
Abb. 17: Verspätungen im Nah- und Fernverkehr der Deutschen Bahn AG ... 71

Abkürzungsverzeichnis
ADV
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen
AVE
Alta Velocidad Española; spanischer Hochgeschwindigkeitszug
BDLR
Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie
BMVBW
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
BVWP Bundesverkehrswegeplan
DLR
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
ICE
InterCityExpress
IFEU
Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH
NS
Nederlandse Spoorwegen; niederländische Eisenbahngesellschaft
PBKA
Paris-Brüssel-Köln-Amsterdam; Bezeichnung für den nordwest-
europäischen Hochgeschwindigkeitskorridor
Pkm
Personenkilometer, Einheit der Verkehrsleistung im Personenverkehr
RENFE spanische
Eisenbahngesellschaft
SNCB
Société Nationale des Chemins de Fer Belge; belgische Eisenbahnge-
sellschaft
SNCF
Société Nationale des Chemins de Fer; französische Eisenbahngesell-
schaft
SPFV
Schienenpersonenfernverkehr
SPNV Schienenpersonennahverkehr
TGV
Train à Grande Vitesse; französischer Hochgeschwindigkeitszug

Verzeichnis der verwendeten Internet-Quellen
·
=
http://195.170.124.152/archiv/2000/09/13/ak-be-st-19118.html
Nachricht im Tagesspiegel vom 14. Sep. 2000
·
=
www.airport-dresden.de
Homepage des Flughafens Dresden
·
=
www.airport-nürnberg.de
Homepage des Flughafens Nürnberg
·
=
www.ausbau.flughafen-frankfurt.com
Informationen der Fraport AG zum Ausbau des Frankfurter Flughafens
·
=
www.bahn.de
Allgemeine Informationen zur Deutschen Bahn AG
·
=
www.bahn-net.de
Presseinformationen der Deutschen Bahn AG
·
=
www.bahn-net.de/presse/fakten/fakten_klimaschutz.htm
Angaben zum Klimaschutz
·
=
www.bahn.de/pv/fahrplan/umchk/die_bahn_flugz_bahn.shtml
Informationen zum Software-Tool ,,Reisen und Umwelt"
·
=
www.berlin-airport.de/bbi/
Informationen zum geplanten Flughafen Berlin Brandenburg International
·
=
www.berlin-international.de/planfest/pro_vorstell.html
Informationen zum geplanten Flughafen Berlin International Stendal
·
=
www.flughafen-leipzig.de
Homepage des Flughafens Leipzig/Halle
·
=
www.eurostar.com
Informationen zur Hochgeschwindigkeitsstrecke durch den Kanaltunnel
·
=
www.gruene.landtag-bw.de/downloads/Stuttgart%2021.pdf
Position zum Projekt Stuttgart 21
·
=
www.ifeu.de/verkehr/nav_seit/fr_dow.htm
Seite zum Herunterladen des Software-Tools ,,Reisen und Umwelt"

·
=
www.ig-oekoflughafen.de/Verschiedenes_45.htm
Informationen zur Konkurrenz zwischen Air France und TGV
·
=
www.lufthansa.com
Homepage der Fluggesellschaft
·
=
www.lufthansa.com/dlh/de/htm/fokus/infrastruktur/vernetzt/
Informationen der Lufthansa zum Vernetzten Verkehr
·
=
www.lufthansa.com/dlh/de/htm/fokus/infrastruktur/vernetzt/intermodalitaet.html
Erläuterungen zur Intermodalität
·
=
www.lufthansa.com/dlh/de/htm/fokus/infrastruktur/drehscheibe/index.html
Erläuterungen zur Drehscheibenfunktion von Hub-Flughäfen
·
=
http://mercurio.iet.unipi.it/tgv/thalys.html
Informationen zum Thalys
·
=
www.met.de
Informationen zum Metropolitan-Zug
·
=
www.renfe.es/ingles/muy_interesante/estadisticas8.html
Pünktlichkeit im Eisenbahnverkehr der RENFE
·
=
www.vcd.org
Homepage des Verkehrsclubs Deutschland
·
=
www.vrsinfo.de
Homepage des Verkehrsverbunds Rhein-Sieg

1 Einleitung
Zum Sommerfahrplan 1991 führte die Deutsche Bahn mit dem InterCityExpress (nach-
folgend ICE genannt) den Hochgeschwindigkeitsverkehr in Deutschland ein. Auf den
Neubaustrecken Mannheim ­ Stuttgart und Hannover ­ Würzburg erreichten die ICE-
Züge erstmals eine Reisegeschwindigkeit von 280 km/h. Inzwischen sind diese Stre-
cken Bestandteil eines Hochgeschwindigkeitsnetzes, das sowohl Neu- und Ausbau-
strecken als auch Altstrecken des Bestandsnetzes umfasst, jedoch in den nächsten
Jahren umfassend erweitert werden soll, wie zum Beispiel mit der Neubaustrecke Köln
­ Rhein/Main ab August 2002. Weiterhin spielt das deutsche Hochgeschwindigkeits-
netz aufgrund der zentralen Lage des Landes eine Kernrolle im europäischen Hochge-
schwindigkeitsnetz
1
.
Bei der Planung neuer ICE-Strecken wird zunehmend auch die Einbindung der Ver-
kehrsflughäfen in das Fernverkehrsnetz der Bahn berücksichtigt. Vorreiter in Deutsch-
land ist hier der Flughafen Frankfurt, der bereits 1972 einen S-Bahnhof erhielt und in-
zwischen mit dem 1999 eröffneten Fernbahnhof sehr gute Verknüpfungsmöglichkeiten
zwischen Schienen- und Luftverkehr eröffnet, zumal dieser Bahnhof direkt an die Neu-
baustrecke Köln ­ Rhein/Main angeschlossen sein wird. Auch der Flughafen Düssel-
dorf erhielt im Mai 2000 mit dem Fernbahnhof Düsseldorf Flughafen einen hochwerti-
gen direkten Anschluss an den Schienenfernverkehr
2
.
Da in Zukunft weitere Flughäfen an die Bahn angeschlossen bzw. eine Verbesserung
der derzeitigen Anbindung erfahren werden, wird es zunächst möglich sein, den derzei-
tigen Anteil des Schienenverkehrs bei der Anreise zum Flughafen erhöhen zu können.
Dies ist insofern erforderlich, als dass das erwartete Wachstum des Luftverkehrs nicht
nur die Terminalkapazitäten und die Start- und Landebahnsysteme zur Anpassung
zwingen wird, sondern auch die landseitige Anbindung: eine ,,wesentliche Vorausset-
zung für die Funktionsfähigkeit des Luftverkehrssytems"
3
ist die zuverlässige und zeit-
lich kalkulierbare Erreichbarkeit
4
[der Flughäfen; Anm. d. Verf.]. Wie in einem Facharti-
kel
5
für das Beispiel Nordrhein-Westfalen dargestellt wird und auch die Arbeitsgemein-
schaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) ausgeführt hat
6
, kann dieser zusätzliche
Verkehr nicht nur durch den Straßenverkehr aufgenommen werden, da neben einer
begrenzten Kapazität des Straßensystems auch Anwohnerbelange (Lärm- und Abgas-
belastung) zu berücksichtigen sind. Eine Aufnahme des Wachstums im Anreiseverkehr
durch die Bahn hat neben einer Entlastung im Straßensystem zwei weitere Vorteile:
auch Mitarbeiter und Beschäftigte der Flughäfen können von einer Schienenanbindung
1
V.a. in Nord-Süd-Richtung; vgl. Ebeling, K.; Kirsch, K. D., Eisenbahnnetz, 2000.
2
Vgl. ADV, Schienenanbindung, S. 19 sowie Egerer, A.; Graichen, R., Integration, 2001.
3
Zitiert in Egerer, A.; Graichen, R., Integration, 2001, S. 146.
4
Vgl. Egerer, A.; Graichen, R., Integration, 2001.
5
Egerer, A.; Graichen, R., Integration, 2001.
6
Vgl. ADV, Schienenanbindung, S. 19.

1 Einleitung -2-
profitieren, und dem im Modal Split zurückgehenden Straßenverkehr muss weniger
Parkraum bereitgestellt werden.
7
Doch nicht nur der Anreiseverkehr, sondern auch die Verkehrsströme zwischen den
Flughäfen können durch eine Vernetzung zwischen Luft- und Schienenverkehr auf die
Bahn verlagert werden. Die Einbindung der Flughäfen in Hochgeschwindigkeitsstre-
cken der Bahn eröffnet zusammen mit der Verkürzung der Reisezeiten neue Möglich-
keiten, wirtschaftlich unrentable und besonders umweltschädigende
8
Kurzstreckenflüge
einzustellen und durch Züge zu ersetzen. Neben ökonomischen und ökologischen Ge-
sichtspunkten sprechen dafür auch Kapazitätsprobleme der Flughäfen: Innerdeutscher
Luftverkehr belegt die Kapazitäten, die für internationale Flüge nachgefragt werden
9
.
Zwei verschiedene Flugverbindungs-,,arten" gilt es bei einer Verlagerung innerdeut-
scher Flüge zu unterscheiden: In einer ersten Gruppe können Strecken zusammenge-
fasst werden, die eine Zubringerfunktion zu den internationalen Flügen an den großen
Drehkreuzflughäfen haben (in Deutschland vorrangig Frankfurt, aber auch München).
Die zweite Gruppe enthält dagegen Strecken mit überwiegendem Quell-Ziel-Verkehr.
Während bei letztgenannten Verbindungen bislang keine Kooperationsabkommen zwi-
schen Fluggesellschaften und der Bahn abgeschlossen wurden, existiert bereits seit
Sommer 1998 eine Vereinbarung zwischen der Deutschen Lufthansa AG und der
Deutschen Bahn AG, deren Inhalt der Ersatz von Zubringerflügen nach Frankfurt durch
ICE-Züge ist
10
. Inzwischen bestehe zwischen beiden Partnern Einigkeit darüber, ,,dass
Entfernungen bis 400 Kilometern von der Bahn überbrückt werden müssten."
11
Eine erste Umsetzung der Verlagerungsvereinbarung von 1998 erfolgte Anfang 2001
mit dem sogenannten AIRail-Projekt. Dieses Projekt, bei dem es u.a. darum geht,
Luft- und Schienenverkehr besser miteinander zu verknüpfen und zu ergänzen, erhielt
im vergangenen Jahr den European Intermodal Award, der für beispielhafte Lösungen
einer Vernetzung verschiedener Verkehrsträger und Verkehrstechniken vergeben wird.
Passagiere der Lufthansa können auf der Fluglinie zwischen Stuttgart und dem Frank-
furter Flughafen als wichtigstem Flughafen im Netz der Lufthansa zwischen konventio-
nellen Zubringerflügen und dem AIRail-Service wählen. Hierbei übernehmen ICE-Züge
der Bahn die Zubringerfunktion. Die Fahrzeit ist mit 73 Minuten der Flugzeit in etwa
vergleichbar. Um in Frankfurt einen schnellen und nahtlosen Übergang zu gewährleis-
ten, findet das Check-In bereits am Stuttgarter Hauptbahnhof kurz vor der Abfahrt des
Zuges statt; die Passagiere erhalten die Tickets für die gesamte Reise und können e-
benso ihr Gepäck bis zum Endflughafen aufgeben lassen, so dass ein Kofferschleppen
beim Umsteigen in Frankfurt entfällt. Das Gepäck wird dabei unter Zollverschluss in
7
Vgl. Egerer, A.; Graichen, R., Integration, 2001, S. 147.
8
Auf Kurzstrecken ist der Schadstoffausstoß besonders hoch, da hier der Reiseflug im Vergleich mit
energie- und emissionsintensiven Start- und Landephasen einen geringeren Anteil des Fluges aumacht
als bei Mittel- und Langstrecken.
9
Vgl. Ungefug, H.-G., Luftverkehrsanalyse, 1998, S. 65.
10
Vgl. Deutsches Verkehrsforum, Optimaler Zugverkehr und Verlagerung, 1998.
11
BDLR, Vernetzung der Verkehrsträger, 2002.

1 Einleitung -3-
speziellen Containern zum Flughafen transportiert, und zwar im selben Zug, in dem die
AIRail-Passagiere befördert werden.
Im ICE erhalten die Passagiere in einem eigens reservierten Wagen die der Lufthansa
Business Class entsprechenden Serviceleistungen, ohne dafür einen Aufpreis entrich-
ten zu müssen. Insgesamt verkehren in beiden Richtungen täglich sieben Zugpaare im
Zwei-Stunden­Takt. Die Züge fahren sowohl mit der normalen Zugnummer als auch
unter Lufthansa-Flugnummer und sind somit auch durch Reservierungssysteme in Rei-
sebüros innerhalb einer Reisekette weltweit buchbar.
In oben angeführtem Beispiel sind schon viele Voraussetzungen für eine intermodale
Luft-Schiene-Verknüpfung erfüllt, wie die Benutzung eines gemeinsamen Tickets,
durchgehendes Check-In und durchgehender Gepäcktransport sowie vergleichbare
Reisezeiten von Flug und Zug. Dieses Projekt dient somit als Modell für weitere ge-
plante Verlagerungen innerdeutscher Flüge auf die Schiene. So wird der AIRail-Service
zum 15. Januar 2003 auf die Strecke Köln ­ Frankfurt/Flughafen ausgeweitet
12
.
Gegenwärtig scheint es jedoch so, dass es Zeit braucht, bis der AIRail-Service von den
Passagieren akzeptiert wird und sich alte Verhaltensmuster ändern: ,,Verrückt ist aller-
dings, dass bisher nur 30 Prozent
13
der Passagiere das Angebot annehmen [...]. Das
ist aber wohl noch eine Gewohnheitsfrage in Deutschland."
14
Für den Lufthansa-
Vorstandsvorsitzenden Jürgen Weber sind ,,[vielleicht] mehr Strecken, wo diese Zu-
sammenarbeit als positiv erkannt wird", notwendig
15
. Wenn zum August 2002 die Neu-
baustrecke Köln-Rhein/Main eröffnet wird (mit direkter Einbindung des Frankfurter
Flughafens), könnte sich diese Möglichkeit ergeben. Bei einer Fahrzeit von knapp einer
Stunde zwischen Köln und dem Frankfurter Flughafen haben Flugverbindungen dann
keine Vorteile mehr gegenüber der Bahn.
Bei den beiden erwähnten Strecken ­ Stuttgart-Frankfurt/Flughafen sowie Köln-
Frankfurt/Flughafen ­ kann noch auf ein in der Vergangenheit bereits angebotenes
Produkt für den Zubringerverkehr auf der Schiene hingewiesen werden: den Lufthansa
Airport Express. Zunächst ab März 1982 auf der Strecke Düsseldorf ­ Köln ­ Bonn ­
Frankfurt/Flughafen, ab Mai 1990 auch auf der Strecke Stuttgart ­ Frankfurt/Flughafen,
fuhren diese Züge als exklusive Zubringer für Lufthansa-Pasagiere. Schon damals
konnte das Gepäck durchgehend aufgegeben werden
16
. 1993 wurden die Dienste teils
aus Wirtschaftlichkeitsgründen, teils aufgrund zu hoher Fahrzeiten, die nicht konkur-
renzfähig mit den kurzen Flugzeiten waren, eingestellt, jedoch auch, weil die Bahn an-
12
Quelle: Fakiner, H. (Fraport AG), persönliche eMail vom 21. Jun. 2002.
13
Im März 2002 waren es bereits knapp 40 Prozent [Weinert, W. in einem Gespräch am
04. Apr. 2002].
14
Jahr Top Special Verlag (Hrsg.), Verkehrssysteme, 2002, S. 22.
15
Deutsche Bahn AG Kommunikation (Hrsg.), DB-mobil 03/02, 2002, S. 38.
16
Vgl. Bahn Special 2/92, Der Lufthansa Airport Express, 2002.

1 Einleitung -4-
geblich zu hohe Trassenbenutzungsgebühren verlangte
17
(die Züge befanden sich im
Eigentum der Fluggesellschaft).
Die erwähnten Beispiele machen deutlich, dass verschiedene Ansätze für einen inter-
modalen Verkehr zwischen Flugzeug und Bahn schon bestanden und nun neu am ent-
stehen sind. Das noch unzureichend angenommene AIRail-Projekt lässt jedoch die
Vermutung aufkommen, dass für viele Passagiere ein Umstieg auf die Bahn noch zu
unattraktiv ist. Es stellt sich deshalb die Frage, welche Faktoren berücksichtigt und
welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Verlagerung von Kurzstre-
ckenflügen auf schnelle Schienenverbindungen erfolgen kann. Die Erläuterung dieser
Faktoren soll Inhalt dieser Arbeit sein.
Hierzu werden zunächst erfolgreiche Beispiele von Flug-Zug-Verlagerungen aus dem
europäischen Ausland, wie der französische Train à Grande Vitesse (TGV), vorgestellt
und auf ihre Übertragungseignung auf deutsche Verhältnisse untersucht. Daran
schließt sich eine Beschreibung der relevanten Rahmenbedingungen in Deutschland
an. Aufgrund seiner Gesetzgebungskompetenz und seiner Leitlinien in Bezug auf eine
integrierte Verkehrspolitik kommt hier dem Bund eine sehr große Rolle zu.
Auf diesen Abschnitt folgt eine Analyse des innerdeutschen Luftverkehrs. Die zurück-
liegende und zukünftige statistische Entwicklung bilden den Rahmen für die Untersu-
chung einzelner Flugstrecken hinsichtlich einer Verlagerungsfähigkeit auf die Schiene,
wobei die relevanten Bahnreisezeiten mit berücksichtigt wurden. Die vom Statistischen
Bundesamt zur Verfügung gestellten Daten aus dem Jahr 2001 stellten dabei die wich-
tigste Quelle für die Untersuchung dar. Daneben wurde auf eine bereits im Jahre 1998
zu diesem Thema veröffentlichten Studie
18
zurückgegriffen, die für einige Flugstrecken
die Referenzdaten zum Jahr 1996 enthält. Ergebnis der Flugstreckenuntersuchung ist
schließlich eine Abschätzung, welche Strecken gegenwärtig oder zukünftig verlage-
rungsfähig sind und bei welchen Strecken von einer Flug-Zug-Verlagerung abgesehen
werden muss.
Anschließend werden die zu treffenden Maßnahmen auf Seiten der Bahn, um eine Ver-
lagerung des Luftverkehrs auf den Schienenverkehr zu ermöglichen und zu unterstüt-
zen, behandelt; wichtigste Datenquelle war dafür eine Studie der Europäischen Komis-
sion
19
. In einem ersten Abschnitt werden hierzu zunächst die qualitativen Vorausset-
zungen erläutert. Dabei ist wie im Luftverkehr eine Unterscheidung der Fahrgäste vor-
zunehmen: Einerseits ergibt sich eine Einteilung in zum Flughafen fahrende Passagie-
re, die zuvor von Zubringerflügen Gebrauch machten, sowie in im innerdeutschen Ver-
kehr fahrende Fahrgäste im Quell-Ziel-Verkehr. Andererseits lässt sich feststellen,
dass im Flughafenzubringerverkehr überwiegend Privatreisende unterwegs sind, wäh-
rend sich die Klientel des Quell-Ziel-Verkehrs zum Großteil aus Geschäftsreisenden
zusammensetzt. Beide Kundengruppen (Privatreisende im Zubringerverkehr und Ge-
17
Ungefug, H.-G., Luftverkehrsanalyse, 1998, S. 24.
18
Ungefug, H.-G., Luftverkehrsanalyse, 1998.
19
European Comission Directorate Transport, COST 318, 1998.

1 Einleitung -5-
schäftsreisende im Quell-Ziel-Verkehr) haben zum Teil verschiedene, jedoch auch
gleiche Anforderungen an die Qualität einer Bahnreise. Im Zubringerverkehr können
zusammenfassend sämtliche Maßnahmen unter dem Begriff ,,seamless travel" zu-
sammengefasst werden, was soviel wie ,,nahtloses Reisen" bedeutet und zum Aus-
druck bringt, dass zwischen Bahn und Flug so wenig Unterschiede wie möglich beste-
hen sollen
20
.
Das Ziel einer Verlagerung von innerdeutschen Flugstrecken auf die Schiene erfordert
nicht nur qualitative Verbesserungen, sondern zieht auch betriebliche Anforderungen
nach sich. Eine hohe Geschwindigkeit der Bahn bzw. geringe Reisezeiten, die in der
Lage sind, mit dem Flugzeug zu konkurrieren, und die dafür notwendigen Hochge-
schwindigkeitsstrecken bilden die Grundlage für die Gestaltung von kundenorientierten
Fahrplänen. Gleichzeitig erhöhen diese Strecken die Pünktlichkeit des Schienenfern-
verkehrs. Fahrplanaspekte und Ausführungen zur Pünktlichkeit werden im zweiten Ab-
schnitt behandelt.
Die Flughafenbahnhöfe stellen die Schnittstellen von Luft- und Schienenverkehr dar.
Im dritten Abschnitt, der sich mit den Aspekten von Vernetzung und Energie befasst,
wird beschrieben, wie die bestehenden und zukünftigen Flughafenbahnhöfe in das
Fernverkehrsnetz der Bahn eingegliedert sind und werden. Auf Seiten der Ökologie
sind Einsparungen bei Emissionen und Reduzierung der Immissionsbelastungen wich-
tig. Dazu tragen der umweltfreundlichere Betrieb des Hochgeschwindigkeitsverkehrs
gegenüber dem Luftverkehr sowie Modal-Split-Veränderungen zugunsten der Bahn
bei. Anhand eines Beispiels werden abschließend charakteristische Umweltwirkungen
beider Verkehrsträger gegenübergestellt.
20
Vgl. www.lufthansa.com/dlh/de/htm/fokus/infrastruktur/vernetzt/intermodalitaet.html am 29. Jul. 2002.

2
Beispiele von Verlagerungen im europäischen Ausland
21
Im folgenden wird aufgezeigt, dass in anderen europäischen Ländern die Einführung
der Hochgeschwindigkeit auf der Schiene zu Veränderungen des Modal Split geführt
hat, und zwar zugunsten des Schienenverkehrs. Der französische TGV nimmt hier eine
Vorreiterrolle ein. Weiterhin wird der spanische Hochgeschwindigkeitszug AVE be-
schrieben und auf die international verkehrenden Eurostar- und Thalys-Züge einge-
gangen. Schließlich rundet ein Blick auf die ersten deutschen Erfahrungen mit dem ICE
den Abschnitt ab.
Fasst man die Ergebnisse der europäischen Studien zusammen, so kann festgestellt
werden, dass eine Verlagerung von Luft- auf Schienenverkehr immer dann stattfand,
wenn die Fahrzeiten bei der Bahn nicht höher liegen als bei etwa drei Stunden. Diese
Zeitangabe setzt sich aus dem charakteristischen Zeitbedarf einer Flugreise zusam-
men, die neben der reinen Flugdauer an sich auch die für das Einchecken, Warten und
evtl. Gepäckrückgabe erforderlichen Zeiten umfasst. Zusätzliche Untersuchungen auf
Verbindungen zwischen 25 europäischen Städtepaaren bestätigen die Festlegung von
drei bis dreieinhalb Stunden als konkurrenzfähige Fahrzeit
22
.
2.1 TGV
(Frankreich)
Als erste französische TGV-Hochgeschwindigkeitsstrecke wurde eine neue Trasse
zwischen Paris und Lyon gebaut. In den ersten Jahren nach der Einführung des TGV
Sud-Est (Süd-Ost) im Jahr 1981 verhalf er der französischen Staatsbahn SNCF zu
neuem Aufschwung, wo vorher die Konkurrenz von Individualverkehr und Inlandsluft-
verkehr (auf längeren Strecken) übermächtig schien
23
. Der TGV braucht für die 500 km
lange Strecke bei einer Höchstgeschwindigkeit von 270 km/h lediglich zwei Stunden.
Die nachfolgende Tabelle 1 dokumentiert die Auswirkung des TGVs auf die Modal-
Split-Anteile der verschiedenen Verkehrsträger zwischen Paris und Lyon.
Im Vergleich der Jahre 1981 und 1984, d.h. vor und nach der Einführung der TGV-
Dienste, wuchs der Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen von 40 auf 72 Prozent, wo-
hingegen der des Luftverkehrs auf 7 Prozent zurückging. Selbst im Straßenverkehr
kam es zu einem Rückgang. Der TGV trat in erster Linie in Konkurrenz mit dem Luft-
verkehr der innerfranzösisch operierenden Fluggesellschaft Air Inter zwischen Paris
und Lyon. Durch diese Konkurrenzsituation ging das Verkehrsaufkommen im Luftver-
kehr auf das Niveau von 1972 zurück, während es ohne den TGV 1984 den dreifachen
Wert erreicht hätte
24
.
21
Vgl. European Comission Directorate General Transport, COST 318, 1998.
22
Vgl. European Comission Directorate General Transport, COST 318, 1998, S. 39f.
23
Vgl. Duret, E., Intermodaler Verkehr, 1998, S. 188.
24
Vgl. Rochet, P.-L., Komplementarität, 1998, S. 191.

2 Beispiele von Verlagerungen im europäischen Ausland -7-
Modal Split [%]
1981
1984
Luftverkehr
31 7
Schienenverkehr
40 72
Auto+Bus
29 21
Tab. 1: Vergleich der Modal Split Anteile vor und nach
Einführung des TGV [Quelle: European Comission
Directorate General Transport, COST 318, 1998]
Studien haben gezeigt, dass ein Großteil der ursprünglichen Fluggäste auf den TGV
umgestiegen ist und damit zu dessen Erfolg beigetragen hat. Dies hat einen entschei-
denden Grund: Die Fahrzeit zwischen den beiden Städten Paris und Lyon ist mit zwei
Stunden der Gesamtreisedauer bei Benutzung des Flugzeugs in etwa vergleichbar und
erlaubt es Geschäftsleuten, innerhalb eines Tages Termine in der jeweils anderen
Stadt wahrzunehmen und noch am gleichen Tag zu ihrem Heimatort zurückzufahren ­
ein Faktor, den bislang nur das Flugzeug aufgrund seiner hohen Reisegeschwindigkeit
und den damit geringen Reisezeiten möglich machte. Wie sensibel die Fahrgäste auf
diesen Zeitaspekt reagieren, lässt sich daran ablesen, dass der Anteil des TGV am
Modal Split schwindet, je weiter Start- und Zielpunkt der Reise von den Stadtzentren
und damit den meisten TGV-Bahnhöfen entfernt sind. Aufgrund der längeren Anfahrt
zum Bahnhof verringert sich der Zeitvorteil des TGV, während die meist außerhalb der
Städte liegenden Flughäfen schneller erreichbar sind.
Diese Schlussfolgerungen werden von den Erfahrungen unterstrichen, die ab
1989/1990 mit dem TGV-Atlantique gemacht wurden. Der Hochgeschwindigkeitsab-
schnitt mit einer Länge von 282 km verbindet hier zum einen Nantes, zum anderen
Südwest-frankreich mit der französischen Hauptstadt (s. Anlage 5). Es zeigt sich, wie
der Einfluss der Züge mit zunehmender Distanz abnimmt und deren Anteil am Modal
Split um so geringer wird, je höher die Reisezeit ist. Nach Rennes, Nantes und Bor-
deaux fährt der TGV in Konkurrenz zum Luftverkehr, der hier im Vergleichszeitraum
um die 20 Prozent Anteil verloren hat (s. Tabelle 2).
Die größten Veränderungen sind im Geschäftsreiseverkehr zu beobachten; auf der
Verbindung von Paris nach Nantes verlor der Luftverkehr etwa 70 Prozent Anteil, wäh-
rend durch die nur zwei Stunden dauernde Fahrzeit mit dem TGV der Bahnanteil um
160 Prozent anstieg. Dieses Wachstum rührt zum einen zwar durch induzierten Ver-
kehr her, andererseits sind viele neue TGV-Benutzer frühere Flugpassagiere, die nun-
mehr eine Alternative zum Flugzeug haben, um innerhalb eines Tages eine Geschäfts-
reise durchführen zu können
25
.
25
Vgl. European Comission Directorate General Transport, COST 318, 1998, S.51.

2 Beispiele von Verlagerungen im europäischen Ausland -8-
Zu-/Abnahme des
Bahnanteils am Modal Split
zwischen 09/89 und 09/93 [%]
Werktage
Wochenenden
Kurzstrecke
(Konkurrenz zum Individualverkehr)
-13 -9
Strecken in Konkurrenz
zum Flugverkehr (t < 3h)
+20 +20
Strecken t > 3h
-7 -15
Tab. 2: Zu- und Abnahme des Bahnanteils am Modal Split im Vergleich vor und nach
Einführung des TGV-Atlantique (t = Fahrzeit TGV)
[Quelle: European Comission Directorate General Transport COST 318, S. 196]
Hingegen ist der Bahnverkehr auf kurzen Routen, auf denen auch keine Flugverbin-
dungen angeboten werden, aufgrund der Vorteile des Individualverkehrs auf solch kur-
zen Strecken für Reisende eher uninteressant
26
.
Nachdem 1993 das französische Hochgeschwindigkeitsnetz mit dem TGV-Nord nach
Lille und in Richtung Brüssel/Köln ausgeweitet wurde (s. Thalys S. 11) und seit 1994
über diese Strecke der Schienenverkehr durch den Eurotunnel Richtung London ge-
führt wird (s. Eurostar S. 10), wurde ebenfalls im Jahr 1994 der TGV-Bahnhof am Pa-
riser Großflughafen Roissy - Charles de Gaulle eröffnet. Dieser Flughafenbahnhof liegt
an der alle TGV-Strecken miteinander verbindenden Umfahrung von Paris und macht
den Flughafen zum europaweit ersten, der direkt an ein Hochgeschwindigkeitsnetz an-
gebunden ist und damit einen wichtigen Aspekt der Intermodalität erfüllt. Hintergrund
für dessen Bau waren Überlegungen, die in der Bahn und dem Flugzeug nicht mehr
Konkurrenten, sondern Bestandteil eines einzigen Verkehrssystems sahen. Angesichts
zunehmender Kapazitätsengpässe und Überlastungen der Flughäfen, sowohl luftseitig,
d.h. bei der Abfertigung der Flugzeuge, als auch landseitig bei der Straßenanbindung,
sowie aufgrund von Umweltauflagen, die die Flughafenkapazität weiter beschränken
27
,
soll die Bahn zu einem komplementären Partner zur Bewältigung der Verkehrsströme
werden
28
. Die Konsequenz aus Kapazitätsengpässen einerseits und der möglichen
Verknüpfung des Flugverkehrs mit dem Hochgeschwindigkeitsschienenverkehr ande-
rerseits ist eine Ablösung des ,,Gesetzes von Angebot und Nachfrage" durch eine
,,[...]Hierarchisierung der Flugdienste und eine Verlagerung von einigen von ihnen auf
andere Flughäfen und andere Verkehrsträger, insbesondere [auf] die Eisenbahn"
29
.
26
Bei diesen Zahlen und deren Interpretation ist jedoch Vorsicht geboten. Die Erhebung 1989 fand in einer
Zeit des Wirtschaftswachstums statt, die Ergebnisse der Erhebung vier Jahre später dagegen waren be-
einflusst von Wirtschaftskrisen. Nichtdestotrotz behalten die Kernthesen ihre Gültigkeit [vgl. European
Comission Directorate General Transport, COST 318, 1998, S. 196].
27
Zum Beispiel genehmigen die Behörden auf dem Pariser Flughafen Orly jährlich nur 250.000 Flugbewe-
gungen [vgl. Duret, E., Intermodaler Verkehr, 1998, S. 188].
28
Vgl. Rochet, P.-L., Komplementarität, 1998.
29
Duret, E., Intermodaler Verkehr, 1998, S. 188.

2 Beispiele von Verlagerungen im europäischen Ausland -9-
Diesem Konzept folgt der Flughafenbahnhof in Roissy. Doch obwohl 1997 bereits eine
Million Fahrgäste am Bahnhof gezählt wurden, davon 60 Prozent Fluggäste, liegt das
Potential höher. Es zeigt sich eine ähnliche Problematik wie beim deutschen AIRail-
Projekt, nämlich dass der Bekanntheitsgrad von Flug-Zug-Kooperationen eher gering
ist und deshalb verstärkt Werbung dafür gemacht werden muss, um diese Zusammen-
arbeit nicht mangels Resonanz und Rentabilität aufgeben zu müssen. Auch sind Ver-
besserungen beim Gepäcktransport und bei der Integration in Reservierungssysteme
notwendig.
2.2 AVE
(Spanien)
Der spanische Hochgeschwindigkeitszug AVE (Alta Velocidad Española; ,,spanische
Hochgeschwindigkeit"), der auf Basis des TGV entwickelt wurde, fährt seit April 1992
auf der 471 km langen Strecke zwischen Madrid und Sevilla. Die Neubaustrecke ließ
die Fahrzeit von einst mehr als sechs Stunden auf nunmehr zweieinhalb Stunden zu-
rückgehen ­ mit den entsprechenden Auswirkungen in der Verkehrsverteilung auf die-
ser Strecke (vgl. Tabelle 3).
Modal Split [%]
Madrid-Sevilla
1990
1994
Luftverkehr
14 9
Schienenverkehr
13 41
Auto
61 42
Tab. 3: Modal-Split-Verteilung auf der Strecke Madrid-Sevilla
[Quelle: BB&J Consult, Spanien; in: European Comission Directorate
General Transport, COST 318, 1998, S. 51]
Während die Luft- und Autoverkehrsanteile sich jeweils verringert haben, wuchs der
Bahnanteil um mehr als das Doppelte auf 41 Prozent
30
. Der AVE zog dabei vornehm-
lich neue Fahrgäste vom Flugzeug und vom Autoverkehr ab (etwa zwei Drittel des
AVE-Fahrgastaufkommens) und macht damit deutlich, welcher Einfluss bei zum Flug-
zeug konkurrenzfähiger Reisedauer auf das Reiseverhalten möglich ist. Gleichzeitig ist
auch der Einfluss der Drei-Stunden-Grenze auf die Modal-Split-Verteilung und die
Konkurrenzfähigkeit der Bahn nicht zu übersehen, wenn auf der Fortsetzung der
Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Málaga (Fahrzeit von Madrid: vier Stunden und
zehn Minuten) die Passagierzahlen im Luftverkehr zunächst leicht zurückgingen, 1995
jedoch einen Stand erreichten, der höher lag als vor Aufnahme des AVE-Verkehrs
1992. Ausschlaggebend ist hier zusätzlich die fehlende Anbindung des Madrider Flug-
hafens an die AVE-Strecke, was dazu führt, dass umsteigende Passagiere weiterhin
Zubringerflüge benutzen müssen.
30
Vgl. European Comission Directorate General Transport, COST 318, 1998, S. 34ff.

2 Beispiele von Verlagerungen im europäischen Ausland -10-
2.3 Eurostar
(Kanaltunnel)
Die Verbindung von Frankreich und Belgien durch den Kanaltunnel nach London hat
sich nach sieben Jahren des Regelbetriebs ihren festen Platz im europäischen Ver-
kehrsnetz gesichert. Nicht nur, dass die gegenüber dem Fährbetrieb dominierenden
Flugverbindungen nun eine ernstzunehmende Konkurrenz durch den Hochge-
schwindigkeitszug Eurostar bekamen; die relativ kurze Reisedauer zwischen Paris und
London induzierte auch neuen Verkehr
31
. Und dies, obschon diese Strecke schon eine
der höchstbelasteten Verkehrsströme Europas ist. Welche Bedeutung der Eurostar
heute hat, belegen Zahlen des Jahres 2001:
Gegenüber dem Luftverkehr besitzt die Eurostar-Verbindung zwischen Paris und Lon-
don einen Anteil von 60 Prozent am Gesamtmarkt des Luft- und Schienenverkehrs so-
wie von etwa 45 Prozent zwischen Brüssel und London. Dies entspricht einem Zu-
wachs von 1,6 bzw. 0,9 Prozent gegenüber dem vorangegangenen Jahr
32
.
Wie beim TGV wurden auch beim Eurostar Vorher-Nachher-Studien angestellt, um die
Veränderungen beim Modal Split dokumentieren zu können. Es wurden das Jahr un-
mittelbar vor Eröffnung des Eurostar-Verkehrs und unmittelbar danach zur Auswertung
herangezogen. Darin zeigte sich, dass sich der Luftverkehrsanteil am Gesamtverkehr
von 72 auf 39 Prozent fast halbierte, während der Schienenverkehr, der vorher prak-
tisch keine Rolle spielte, sich einen Anteil von 32,5 Prozent sichern konnte
33
. Wie oben
bereits erwähnt, geschah dies überwiegend durch die Induzierung neuer Verkehrs-
ströme; der Luftverkehr nahm in der Menge nur um 5 Prozent ab.
Ein Großteil der Eurostar-Benutzer des ersten Jahres wechselte vom Flugzeug auf die
Schiene. Berücksichtigt man noch die Fahrzeiten, die auf der Strecke Paris ­ London
bei drei Stunden, zwischen Brüssel und London bei inzwischen zwei Stunden und vier-
zig Minuten liegt, ergibt sich ein weiterer Beleg für die These, die Bahn sei unter drei
Stunden Fahrzeit gegenüber dem Luftverkehr größtenteils konkurrenzfähig.
Die Verlagerung auf die Schiene beschränkt sich auf das reine Quell-Ziel-
Verkehrsaufkommen. Theoretisch könnte der Flughafen Paris ­ Charles de Gaulle von
London aus angefahren werden, doch besitzt London selbst ebenso wie Paris über
zwei Verkehrsflughäfen, die überdies international sehr bedeutend sind (Heathrow und
Gatwick). Für Londoner Flugreisende besteht deswegen keine Notwendigkeit auf Eu-
rostar-Zubringerdienste nach Paris mit entsprechendem Weiterflug. Gleiches gilt um-
gekehrt für Flugreisende aus dem Pariser Raum.
31
Vgl. European Comission Directorate General Transport, COST 318, 1998, S. 197.
32
Vgl. www.eurostar.com am 28. Jun. 2002.
33
Vgl. European Comission Directorate General Transport, COST 318, 1998, S. 197.

2 Beispiele von Verlagerungen im europäischen Ausland -11-
2.4 Thalys
(PBKA-Konzept)
Der von vier verschiedenen Bahnen (Deutsche Bahn AG, SNCF, SNCB, und NS) be-
triebene Thalys, ein wie der AVE vom TGV abgeleiteter Hochgeschwindigkeitszug, ist
Teil des europäischen PBKA-Konzeptes, in dem die Städte Paris, Brüssel, Köln und
Amsterdam (sowie London) durch ein Hochgeschwindigkeitsnetz vebunden werden
sollen bzw. wie zwischen Paris und Brüssel bereits miteinander verbunden sind. Auf
dieser Strecke sind die größten Auswirkungen auf den Luftverkehr deutlich. Air France
stellte im April 2001 die Bedienung dieser Flugverbindung ein, da die Fahrzeit von
knapp eineinhalb Stunden hinsichtlich der Gesamtreisezeit selbst vom Flugzeug nicht
zu unterbieten ist
34
, wenn man An- und Abreise an den Flughäfen, Check-In und Si-
cherheitskontrollen sowie Verspätungen berücksichtigt. Die Betrachtung des Ver-
kehrsaufkommens zu diesem Zeitpunkt ­ 450 Passagiere täglich bei der Air France
gegenüber 13.700 Fahrgästen beim Thalys ­ wird noch deutlicher, wie sich die Ver-
kehrsanteile durch den Hochgeschwindigkeitsverkehr auf der Schiene verschoben ha-
ben
35
.
2.5
Hochgeschwindigkeitsverkehr in Deutschland (ICE)
Die ICE-Angebote waren zunächst als ergänzendes Instrument zu sonstigen parallel
verkehrenden Fernverkehrszügen und v.a. als Konkurrenz zum Individualverkehr ge-
dacht. Nach drei Jahren zeigte sich jedoch, dass ebenso wie beim Eurostar der Groß-
teil des Verkehrs neu erzeugt wurde. Der Anteil des Individualverkehrs veränderte sich
nur unwesentlich, wohingegen zur Überraschung vieler dem Luftverkehr Anteile abge-
nommen wurden
36
. Im Jahr 2000 entfielen im Fernverkehr der Deutschen Bahn etwa
32,5 Prozent der Zugkilometer auf ICE-Züge, jedoch 42,1 Prozent der Reisendenkilo-
meter, d.h. in den ICE-Zügen fahren durchschnittlich mehr Fahrgäste als in den ande-
ren Zügen des Fernverkehrs.
Die Auswirkung auf den innerdeutschen Luftverkehr läßt sich am besten anhand der
Strecke Hannover ­ Nürnberg dokumentieren. Vor Aufnahme des ICE-Verkehrs betrieb
die Deutsche Lufthansa regelmäßige Flugverbindungen, die nach Aufkommen der
Bahnkonkurrenz nach und nach eingestellt wurden. Die übriggebliebenen Flugverbin-
dungen wiesen 1996 pro Flug durchschnittlich nur noch sieben Fluggäste auf
37
. Das
Aufkommen an Flugpassagieren, das zwischen 1990 und 1996 verlorenging, entspricht
etwa dem Zugewinn an Bahnfahrgästen zwischen 1991 und 1995, wobei die Verände-
rungen im Modal Split hier nicht im Einzelnen berücksichtigt sind
38
.
34
Vgl. Tagliabue, J., Fast Trains, 2001.
35
Vgl. http://mercurio.iet.unipi.it/tgv/thalys.html am 28. Jun. 2002.
36
Vgl. Jänsch, E., Die schnellen Züge haben sich bewährt, IV-Internationales Verkehrswesen 44
(1992), Heft 4, S. 136-140, in: Jänsch, E., Hochgeschwindigkeit, 2001.
37
Vgl. statistische Angaben zu dieser Verbindung im Anhang.
38
Vgl. Ungefug, H.-G., Luftverkehrsanalyse, 1998, S. 48.

2 Beispiele von Verlagerungen im europäischen Ausland -12-
Die angesprochene Untersuchung von Verbindungen zwischen 25 Städtepaaren (s.S.
6) enthielt auch die Strecken jeweils von Stuttgart, München, Hamburg und Hannover
nach Frankfurt, wobei die Verkehrsaufkommen der Jahre 1991 und 1993 herangezo-
gen wurden. Bei allen Verbindungen wuchs der Schienenverkehr nach Angaben der
Deutschen Bahn um 21 bis 40 Prozent an. Dennoch ergaben sich Unterschiede, was
das Umsteigen von Flugpassagieren auf den ICE betrifft. Im Falle der Verbindung
Stuttgart ­ Frankfurt wechselten lediglich 3,6 Prozent vom Flug zum Zug, während es
von Hannover bzw. Hamburg nach Frankfurt jeweils 25 Prozent waren, obwohl bei
Hamburg ­ Frankfurt die kritische Marke von drei Stunden Bahnfahrzeit bereits über-
schritten ist. Auf längeren Bahnstrecken wie Hamburg ­ München, auf denen die Fahr-
zeit auch mit ICE-Zügen weit über drei Stunden liegt, lässt sich jedoch aufzeigen, dass
beim Modal Split keine Veränderungen stattfanden, die auf eine Verlagerung von Flug-
verkehr auf die Bahn schließen lassen könnten.
2.6
Übertragung auf deutsche Verhältnisse
Zusammen mit den Beispielen aus Frankreich und Spanien, dem Eurostar und dem
Thalys lässt sich für eine mögliche Verlagerung innerdeutscher Flüge auf die Schiene
also feststellen, dass ein Potential vorhanden ist. Unterschiedliche Studien führten zum
selben Ergebnis: Unterhalb einer Fahrzeit von drei Stunden ist prinzipiell und abhängig
von der Zusammensetzung des Flugpassagieraufkommens (Reisende oder Umsteiger)
eine Verlagerung möglich. In manchen Fällen entspricht diese Fahrzeit gegenwärtig
bereits einer reinen Flugzeit von einer Stunde, da hier noch die meist längere Anfahrt
zum Flughafen als zum Bahnhof hinzukommt, auf alle Fälle aber Sicherheitskontrollen
und Wartezeiten bei Abflug und Ankunft, Gepäckaufgabe und ­rückgabe sowie teilwei-
se auch Verspätungen (vgl. S. 69). Selbst wenn sich bei Benutzung der Bahn die Rei-
sezeit gegenüber dem Flugzeug geringfügig verlängert, ergaben sich in der Vergan-
genheit Abwanderungen von Passagieren vom Flug zum Zug, wenn die erwähnte Drei-
Stunden-Marke nicht wesentlich überschritten wird.
Der Hinzugewinn der Bahn bei der Modal-Split-Verteilung auf einigen Strecken hat bis-
lang aber noch nicht dazu geführt, dass die Fluggesellschaften die entsprechenden
Flüge eingestellt haben. Immer noch wählen so viele Passagiere das Flugzeug als
Reiseverkehrsmittel, dass ein wirtschaftlicher Betrieb möglich ist, oder die Fluggesell-
schaften versuchen mit günstigen Preisen ein weiteres Abwandern von Passagieren zu
verhindern, auch wenn aus betrieblicher Sicht ein wirtschaftliches Betreiben dieser
Flugverbindungen nicht mehr möglich ist. Dazu zwei Beispiele:
·
=
Die Air France unterbietet regelmäßig die Tarife der SNCF für den TGV, wie erst im
März dieses Jahres
39
. Damit versucht die Fluggesellschaft, gegenüber dem TGV
konkurrenzfähig zu bleiben, obwohl dieser z.B. zwischen Paris und der Mittelmeer-
39
Vgl. Kampf der Systeme ­ Zug gegen Flieger; in: www.ig-oekoflughafen.de/
Verschiedenes_45.htm am 18. Jul. 2002.

2 Beispiele von Verlagerungen im europäischen Ausland -13-
region länger unterwegs ist als das Flugzeug. Ob der Betrieb dieser Flüge durch
solche Niedrigpreise finanzierbar ist, sei dahingestellt. Es zeigt jedoch, unter wel-
chem Druck die Air France bzw. der innerfranzösiche Luftverkehr durch den TGV
auf einigen Strecken zu stehen scheint.
·
=
Bei der Deutschen Lufthansa sind die innerdeutschen Flüge von und nach Frank-
furt bzw. München teilweise zu über 50 Prozent mit umsteigenden Passagieren be-
setzt. Diese Passagiere zahlen für den innerdeutschen Anschlussflug meist den-
selben Preis wie Direktpassagiere ab Frankfurt/München ohne Anschlussflug. In
diesen Fällen, in denen weniger als die Hälfte der Kunden den ,,regulären" Flug-
preis zahlt, kann kein wirtschaftlicher Flugverkehr mehr betrieben werden
40
.
Die deutsche Flugline ist u.a. aus diesem Grund sehr daran interessiert, diese defizitä-
ren Zubringerflüge der Bahn zu überlassen, sofern dabei keine Pasasagiere bei den in-
ternationalen Flügen verlorengingen
41
. Um bei den eigenen Kunden die Akzeptanz der
Bahn als ,,Zubringerflug auf Flughöhe Null"
42
zu sichern, fordert die Lufthansa von der
Bahn jedoch eine Angleichung des Service- und Komfortstandards an den des Luftver-
kehrs, wie es annähernd beim derzeitigen AIRail-Service zwischen Stuttgart und dem
Frankfurter Flughafen schon der Fall ist
43
.
Bezüglich der festgestellten Marke von drei Stunden Fahrzeit, bis zu der der Hochge-
schwindigkeitsschienenverkehr zum Luftverkehr konkurrenzfähig sein kann, existieren
auch andere Ansätze. Pierre-Louis Rochet, Präsident der SNCF International (1998),
setzt als untere Begrenzung dreieinhalb Stunden an, entsprechend einer Reiseentfer-
nung von etwa 500 km, und geht davon aus, dass auch bei Bahnfahrten bis zu sechs
Stunden Dauer noch Konkurrenz zwischen Flug und Zug besteht ­ falls der Unter-
schied zwischen Flugzeit und Fahrzeit der Bahn nicht mehr als zwei bis vier Stunden
beträgt
44
.
Für den innerdeutschen Flugverkehr dürften diese Annahmen obere Grenzwerte dar-
stellen. Beim Vergleich des deutschen und des französischen Hochgeschwindig-
keitsnetzes (das ja eine Art Modellcharakter für Europa hat) werden die größeren Ent-
fernungen zwischen den französischen Ballungsräumen deutlich (s. Anlagen 4 und 5).
Dies führt dazu, dass der TGV aufgrund weniger Unterwegshalte seinen Geschwindig-
keitsvorteil voll zur Anwendung bringen kann, während der deutsche ICE durch relativ
viele Halte die Durchschnittsgeschwindigkeit auf einigen Strecken zwar erhöhen konn-
te, diese aber im Vergleich zur Höchstgeschwindigkeit sehr niedrig ist
45
. Erst wenige
Züge fahren auf aufkommensstarken Verbindungen nonstop: zwischen Berlin bzw.
40
Vgl. Ungefug, H.-G., Luftverkehrsanalyse, 1998, S. 30.
41
Vgl. Ungefug, H.-G., Luftverkehrsanalyse, 1998, S. 19.
42
Vgl. www.lufthansa.com/dlh/de/htm/fokus/infrastruktur/vernetzt/ am 18. Jul. 2002.
43
Vgl. Deutsches Verkehrsforum, Optimaler Zugverkehr und Verlagerung, 1998.
44
Vgl. Rochet, P.-L., Komplementarität, 1998, S. 191.
45
Auf der Strecken von Berlin nach Frankfurt, die über zwei Hochgeschwindigkeitstrecken führt und etwa
570 km lang ist, erhöhte sich die Durchschnittsgeschwindigkeit von 97 km/h auf 140 km/h [vgl. Jänsch,
E., Hochgeschwindigkeit, 2001, S. 63].

2 Beispiele von Verlagerungen im europäischen Ausland -14-
München und Frankfurt Hauptbahnhof die ICE-Sprinter-Züge sowie zwischen
Köln/Ruhrgebiet und Hamburg die Metropolitan-Züge mit völlig neuem Komfortstan-
dard, jedoch nicht mit Hochgeschwindigkeit. Für eine realistische Betrachtung des Ver-
lagerungspotentials in Deutschland wird demnach von einer maximalen Bahnfahrzeit
von drei Stunden ausgegangen
46
.
46
Bei der Lufthansa setzt man hier eine Zeitmarke von maximal 75 Minuten, bis zu der Fluggäste bereit
seien, auf die Bahn umzusteigen [Quelle: Weinert, W. in einem Gespräch am 04. Apr. 2002].

3
Rahmenbedingungen in Deutschland
Die Entwicklung der Verkehrsvolumina des Luftverkehrs ist abhängig von vielerlei Fak-
toren. Seit seinen Anfangsjahren war der Luftverkehr stets international ausgerichtet. In
heutiger Zeit ist er einer der Voraussetzungen für die Globalisierung und somit sehr
stark von der Entwicklung der Weltwirtschaft wie auch von den wirtschaftlichen Ver-
hältnissen im Inland abhängig. Der Rückgang der Verkehrsleistungen im Luftverkehr
während des Golfkrieges und danach sowie während der Wirtschaftskrise auf dem asi-
atischen Markt zeigten die Empfindlichkeit gegenüber Schwankungen der Wirtschaft.
Neuestes Beispiel sind die Auswirkungen der Anschläge des 11. Septembers 2001 in
den USA auf die gesamte Luftverkehrsbranche. Weitere Einflussfaktoren auf den Luft-
verkehr sind die zunehmende Mobilität der Menschen in den Industrienationen und die
damit einhergehende Umweltbelastung. Ausgehend von diesen Faktoren werden ein-
leitend zu diesem Kapitel zunächst die Rahmenbedingungen in Deutschland für inner-
deutschen Luftverkehr aufgezeigt.
3.1
Konzeptionen des BMVBW
Das Anwachsen des Luftverkehrs in Deutschland lässt sich auf zwei Hauptursachen
zurückführen: Zunächst führten ein wachsendes Angebot und deutlich gesunkene
Preise dazu, dass mehr und mehr Urlaubsreisende das Flugzeug als Verkehrsmittel
wählen. Und zweitens ist die Zahl der Geschäftsreisen mit der Globalisierung der Wirt-
schaft gestiegen, wobei diese Reisen größtenteils mit dem Flugzeug durchgeführt wer-
den
47
, da die Möglichkeit gegeben ist, am selben Tag zum Geschäftstermin zu fliegen
und am Abend wieder zu Hause zu sein.
Gleichzeitig mit dem Anwachsen des Luftverkehrs ging der Bestand des Schienen-
netzes zurück, indem nachfrageschwache Nebenstrecken v.a. in den neuen Bundes-
ländern stillgelegt wurden. Der Anteil des Schienenpersonenfernverkehrs (SPFV) am
Modal Split der gesamten Verkehrsleistungen verzeichnete in den letzten Jahren eben-
falls einen Rückgang, trotz der 1994 eingeleiteten Bahnreform, deren wesentliche Ziele
u.a. die Schaffung von Voraussetzungen und Anreizen für eine Verlagerung eines grö-
ßeren Verkehrsanteils auf die Schiene ist
48
. Dass insgesamt der Anteil des Schienen-
verkehrs in etwa konstant blieb, liegt am Anstieg der Verkehrsleistungen im Schienen-
personennahverkehr (SPNV). Zwischen 1991 und 1999 liegt hier die Zuwachsrate bei
40 Prozent.
In vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) in Auf-
trag gegebenen Gutachten ergibt sich bis zum Jahr 2015 ein Wachstum des Perso-
nenverkehrs von 20 Prozent (Stand: November 2000). Um dieses Verkehrswachstum
aufnehmen zu können und nicht an die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Verkehrs-
47
Vgl. BMVBW, Verkehrsbericht 2000, S. 7f.
48
Vgl. BMVBW, Verkehrsbericht 2000, S. 22f.

3 Rahmenbedingungen in Deutschland -16-
systems in Deutschland zu geraten, ist es Ziel des BMVBW, u.a. die Position der
Schiene zu stärken und Engpässe z.B. im Schienennetz und an den Flughäfen zu be-
seitigen. Weiterhin soll die Integration der Verkehrsträger durch Maßnahmen an den
Schnittstellen (Flughafenbahnhöfe) verbessert werden. Dazu ist geplant, zunächst die
Investitionen in das Schienennetz zu erhöhen, um es für die Bewältigung des erwarte-
ten Verkehrs der Zukunft zu ertüchtigen. Besonders das Bestandsnetz bedarf einer Er-
neuerung und Modernisierung
49
.
Die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn gegenüber dem Luftverkehr ist im Augenblick noch
nicht gegeben, da Flugbenzin (Kerosin) von der Mineralölsteuer befreit ist
50
. Die Besei-
tigung dieser steuerlichen Vorteile steht somit ebenfalls an vorderster Stelle, kann aber
nicht im Alleingang der Bundesregierung gelöst werden, sondern ist auf EU-Ebene an-
zugehen.
Der Ausbau der Flughäfen soll weiterhin betrieben werden, um die Stellung Deutsch-
lands im internationalen Markt zu sichern. Dies soll aber unter der Maßgabe eines ,,ef-
fizienten und umweltschonenden Gesamtverkehrssystems"
51
erfolgen. U.a. gehören
dazu folgende Punkte:
·
=
Verlagerung von Kurzstreckenluftverkehr auf die Schiene
·
=
Verringerung der Schadstoffbelastungen durch den Luftverkehr
·
=
Integration der Flughäfen in den Bundesverkehrswegeplan (BVWP)
Die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Bahn ist ein Beispiel für die Vernet-
zung verschiedener Verkehrsträger. Zwei Aspekte kommen hier zum Tragen
52
:
·
=
Intermodalität:
Optimierung der Schnittstellen zwischen den
Verkehrsträgern
·
=
Interoperabilität:
Angleichung der Betriebsbedingungen zwischen den
jeweiligen Netzen der einzelnen Verkehrsträger
Ziel ist es, im Verlauf einer Reisekette auf jedem Teilabschnitt diejenigen Verkehrsmit-
tel zum Einsatz kommen zu lassen, welche aufgrund ihrer Leistungscharakteristiken für
diese Strecke am besten geeignet sind.
Doch obwohl es also erklärter Wille der Bundesregierung ist, innerdeutschen Luftver-
kehr auf die Schiene zu verlagern, reichen die dadurch auf den Flughäfen frei werden-
den Kapazitäten nicht aus, um das Wachstum der nächsten Jahre aufnehmen zu kön-
nen. Dazu kommt das Bestreben gerade der überfüllten Flughäfen wie in Frankfurt, die
49
Vgl. BMVBW, Verkehrsbericht 2000, S. 10f.
50
Vgl. BMVBW, Verkehrsbericht 2000, S. 38.
51
Vgl. BMVBW, Verkehrsbericht 2000, S. 30.
52
Vgl. BMVBW, Verkehrsbericht 2000, S. 34.

3 Rahmenbedingungen in Deutschland -17-
freigewordenen Kapazitäten mit internationalen (Langstrecken-)Flügen zu belegen
(s.S. 81). Es bleibt also die Notwendigkeit des Flughafenausbaus.
3.2
Verkehrsentwicklung in Deutschland
Im Rahmen von Zukunftsprognosen für die Entwicklung des Verkehrs in Deutschland
enstanden drei Szenarien, die nachfolgend kurz umrissen werden
53
. Die sich im einzel-
nen ergebenden Veränderungen im Modal Split gibt Tabelle 4 wieder.
Im ,,Laisser-faire"-Szenario werden von Seiten der Bundesregierung keine Maß-
nahmen unternommen, auf die Verkehrsentwicklung verändernd einzugreifen.
Demgegenüber steht ein Szenario der ,,Überforderung". Erhebliche Kosten-
belastungen des Straßenverkehrs (road pricing) sowie des Luftverkehrs (evtl. Kero-
sinsteuer) lassen es hier schwierig erscheinen, einen Kompromiss zwischen allen Ver-
kehrsteilnehmern herzustellen.
Als drittes Szenario wurde ein Zukunftsbild entwickelt, das die extremen Annahmen der
beiden vorhergehenden Prognosen vermeidet und in dem sowohl soziale wie auch ö-
konomische und ökologische Gesichtspunkte miteinander vereint werden sollen. Die-
ses ,,Integrationsszenario" dient als Grundlage für die Überarbeitung des Bundes-
verkehrswegeplanes.
1997
Laisser-faire
Integration
Überforderung
[Mrd. Pkm]
[%]
[Mrd. Pkm]
[%]
[Mrd. Pkm]
[%]
[Mrd. Pkm]
[%]
Straße
750 79,6 915 79,2 873 77,3 768 72,8
Schiene
74 7,8 87 7,5 98 8,7 123 11,7
ÖSPV
83 8,8 76 6,6 86 7,6 93 8,8
Luft
36 3,8 78 6,7 73 6,5 71 6,7
Summe
943 100,0
1156 100,0
1130 100,0 1055 100,0
Tab. 4: Verkehrsleistungen und Modal-Split im Personenverkehr [Quelle: BMVBW, Verkehrsbericht 2000;
Hugo, J.; Ress, B., Verkehrspolitik, 2001]
Ein Vergleich der Modal-Split-Anteile des Luftverkehrs zwischen 1997 und dem Prog-
nosejahr 2015 lässt kaum einen Unterschied zwischen den einzelnen Szenarien er-
kennen: sowohl im Integrationsmodell wie auch bei den Laisser-faire- und Überforde-
rungsmodellen erhöht sich der Anteil des Luftverkehrs an der Gesamtverkehrsleistung
auf 6,5 bzw. 6,7 Prozent. Absolut gesehen entsprichst dies etwa einer Verdoppelung
des Luftverkehrs, wie dies auch für den internationalen Luftverkehr vorhergesagt wird
(s. S. 22).
53
Vgl. BMVBW, Verkehrsbericht 2000, S. 58ff.

3 Rahmenbedingungen in Deutschland -18-
Unterschied zum
Refrenzszenario [%]
Laisser-faire
Integration
Überforderung
Straße
22,0 16,4 2,4
Schiene
17,6 32,4 66,2
ÖSPV
-8,4 3,6 12,0
Luft
116,7 102,8 97,2
gesamt
22,6 19,8 11,8
Tab. 5: Prozentuale Veränderungen der Verkehrsleitungen zwischen den Szenarien
der Jahre 1997 und 2015 [Quelle: eigene Auswertung von Tabelle 4]
Die Zuwächse im Schienenverkehr bleiben unterhalb dieser Zahlen. Im Laisser-faire-
Szenario geht der Modal-Split-Anteil von 7,8 auf 7,5 Prozent zurück, bei der Integration
der Verkehrsträger steigt er auf 8,7 Prozent, was einem Plus der Verkehrsleistung von
32,4 Prozent entspricht (s. Tabelle 5). Berücksichtigt man hierbei noch den Zuwachs
der Gesamtverkehrsleistung, der zwischen 1997 und 2015 im Integrationsszenario bei
19,8 Prozent liegt, wird deutlich, dass hier eine Verlagerung auf die Bahn stattfindet.
Dennoch müssen außer den szenarieneigenen Maßnahmen noch weitere Investitionen
in die Modernisierung des Schienennetzes getätigt werden, damit die erwarteten Ver-
kehrsmengen bewältigt werden können.
Die Voraussetzungen für eine Verlagerung eines Anteils des deutschen Luftverkehrs
auf die Schiene sind also von Seiten des Bundes gegeben. Das Integrationsszenario
als Leitlinie für die zukünftige Verkehrspolitik beschreibt dabei die durchzuführenden
Maßnahmen auf dem Weg zu einer Stärkung der Bahn im deutschen Verkehrssystem.
3.3
Definition einiger wichtiger Begriffe
Bevor auf zurückliegende und zukünftige Entwicklungen im innerdeutschen Luftverkehr
eingegangen wird, sollen zunächst die in diesem Abschnitt vorkommenden und für den
ganzen Themenkomplex wichtigen Begriffe definiert und erläutert werden.
Bei der Betrachtung von Passagieraufkommen auf einzelnen Strecken ist es notwen-
dig, die Fluggäste in zwei Kategorien einzuteilen, da diese unterschiedliche Anforde-
rungen an eine Flugreise stellen. Zusammengenommen ergeben diese beiden Katego-
rien die Gesamtzahl der Passagiere. Sie werden im folgenden mit Reisende und Um-
steiger bezeichnet, das Gesamtaufkommen mit Einsteiger
54
.
·
=
Einsteiger
Alle auf einen Flug gebuchten Fluggäste werden als Einsteiger definiert. Dabei
kann jeder einzelne Passagier am Startflughafen von einem anderen Flug ange-
kommen sein, d.h. er ist dort umgestiegen, und/oder er kann am Zielflughafen wie-
derum in einen anderen Flug umsteigen.

3 Rahmenbedingungen in Deutschland -19-
·
=
Reisende
Das Aufkommen der Reisenden auf einer Flugverbindung stellt den tatsächlich
vorhandenen Quell-Ziel-Verkehr dar. Der Fluggast beginnt seine Reise am Start-
flughafen, ohne dort umgestiegen zu sein, und beendet sie am Zielflughafen ohne
Weiterflug zu einem anderen Ort. Im Verlauf der Reise ist ein Umsteigen theore-
tisch möglich; innerhalb Deutschlands wird der Passagier aber von Ausnahmen
abgesehen direkt von einem Ort zum anderen fliegen.
·
=
Umsteiger
Die Differenz aus der Zahl der Einsteiger und der Reisenden ergibt in dieser Be-
trachtung die Zahl der Passagiere, die einen Inlandsflug zu einem Dreh-
kreuzflughafen gebucht haben und von dort ins Ausland weiterfliegen
55
. In Deutsch-
land sind die Flughäfen Frankfurt und München als Drehkreuzflughäfen mit beson-
ders hohen Umsteigeanteilen zu bezeichnen.
Mit diesen drei Begriffen können die innerdeutschen Flugverbindungen ebenfalls in
zwei Kategorien eingeteilt werden (wie dies auch die Lufthansa vornimmt
56
).
Bei nahezu allen Flügen zum Drehkreuzflughafen Frankfurt und in zunehmendem Maß
auch zum Flughafen München, den die Lufthansa zu ihrem zweiten Hub
57
ausbaut,
handelt es sich um Flüge der ersten Kategorie, bei denen der Umsteigeranteil bei den
Passagieren sehr hoch ist (z.T. über 80 Prozent). Diese Flüge dienen überwiegend als
Zubringer zu den internationalen (Langstrecken-)Flügen.
Die Flüge der sogenannten zweiten Kategorie finden dagegen weitgehend unter Um-
gehung der großen Drehkreuze Frankfurt und München statt. Hier überwiegt der reine
Quell-Ziel-Verkehr. Meist handelt sich um Verbindungen, bei denen die Bahn aufgrund
zu hoher Fahrzeiten keine Konkurrenz darstellt, oder es sind regionale Verbindungen,
die mit kleinerem Fluggerät wirtschaftlich betrieben werden können.
Abb. 1: Zusammenhang zwischen Einsteigern, Reisenden und Umsteigern
54
Vgl. Ungefug, H.-G., Luftverkehrsanalyse, 1998, S. 12.
55
Dieses Vorgehensweise ist mit dem Statistischen Bundesamt abgesprochen.
56
Quelle: Weinert, W. in einem Gespräch am 04. Apr. 2002.
57
Hub (engl.) = Nabe; internationale Bezeichnung für einen Drehkreuzflughafen.
Luftverkehrsaufkommen:
Einsteiger
Reisende
Umsteiger
Erste Kategorie
Erste Kategorie
Zweite Kategorie
Zweite Kategorie

3 Rahmenbedingungen in Deutschland -20-
Die erläuterten Begriffe sind in Abbildung 1 zusammengefasst. Auf Basis der vorge-
nommenen Einteilungen sind die Analysen des deutschen Luftverkehrs zu betrachten.
3.4
Zurückliegende Entwicklung des deutschen Luftverkehrs
Zwischen den Jahren 1991 und 2001 hat das Volumen des Luftverkehrs in Deutsch-
land (Inlands- und Auslandsflüge) gemessen an den Passagierzahlen um nahezu 80
Prozent zugenommen, wobei dem Auslandsluftverkehr größere Wachstumsraten zuge-
rechnet werden können als dem Inlandsluftverkehr, der seit 1991 teilweise in Konkur-
renz zu den Hochgeschwindigkeitsangeboten der Bahn steht. Die genauen Werte sind
in Tabelle 6 dargestellt.
Inland
Ausland
Gesamt
Wachstums-
raten [%]
gesamt
durch-
schnittlich
gesamt
durch-
schnittlich
gesamt
durch-
schnittlich
1995-2000
24,1 4,4 34,5 6,1 31,2 5,6
1995-2001
18,4 2,9 33,5 4,9 28,7 4,3
1991-2000
- - - -
83,1
7,0
1991-2001
- - - -
79,6
6,0
Tab. 6: Wachstumsraten der Passagierzahlen im deutschen Luftverkehr
[Quelle: ADV, Statistik 1991 ­ 2000 und Statistik 2001]
Für den Zeitraum von 1995 bis 2001 ergab sich ein Wachstum von insgesamt 28,7
Prozent. Aufgeteilt in Inlands- und Auslandsflugverkehr wird die tragende Rolle der
Auslandsflüge deutlich: 33,5 Prozent betrug das Wachstum in diesem Segment, wäh-
rend im Inland ,,lediglich" 18,4 Prozent zu verzeichnen sind. Die geringer werdende
Bedeutung des Inlandsluftverkehrs findet auch Ausdruck in dem schwindenden prozen-
tualen Anteil am deutschen Gesamtluftverkehr. Er ging von 32,1 Prozent im Jahr 1995
auf 29,5 Prozent im vergangenen Jahr zurück (30,3 Prozent im Jahr 2000). Genauen
Aufschluss über diese Entwicklung gibt Tabelle 7. Weiterhin wurde für 16 deutsche
Flughäfen die Entwicklung des Inlands- und Auslandsluftverkehrs untersucht. Die zu-
gehörigen Daten finden sich im Anlage 7.
Anteil an Gesamt-
luftverkehr [%]
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
Inland
32,1 30,8 30,8 31,1 30,6 30,3 29,5
Ausland
67,9 69,2 69,2 68,9 69,4 69,7 70,5
Tab. 7: Prozentuale Anteile von Inlands- und Auslandsluftverkehr am Gesamtluftverkehr
[Quelle: eigene Auswertung]

3 Rahmenbedingungen in Deutschland -21-
Berücksichtigt man nur den Zeitraum von 1995 bis 2000, also ohne das Jahr 2001, in
dem die Terroranschläge in den USA zu einer Krise in der gesamten Luftfahrtindustrie
führten und folglich zu einer Abschwächung des Wachstums im Luftverkehr, ergeben
sich höhere jährliche Wachstumsraten, wie Tabelle 6 zu entnehmen ist
58
. Das durch-
schnittliche jährliche Wachstum von 6,0 Prozent bzw. 7,0 Prozent ließ die Zahl der
Fluggäste von ca. 77 Millionen im Jahr 1991 auf mehr als 142 Millionen im Jahr 2000
anwachsen, ging dann aber aufgrund der erwähnten Ereignisse auf unter 140 Millionen
im Jahr 2001 zurück
59
.
Ein besonderes Merkmal der zurückliegenden Entwicklung ist das unterschiedliche
Wachstum von Passagierzahlen und Flugbewegungen. Letzere entwickelten sich nicht
in dem Maße wie das Passagieraufkommen und lassen so den Schluss zu, dass ins-
gesamt auf den Flugstrecken größeres Fluggerät eingesetzt wird, und dies auch und
gerade im deutschen Inlandsflugverkehr (s. Einsteigerzahlen je Flugverbindung im An-
lage 6). Der Grund hierfür liegt darin, dass sich durch den Einsatz größerer Flugzeuge
Kosten einsparen lassen
60
; diese liegen bei größeren Flugzeugen pro Passagier niedri-
ger als bei kleinen Flugzeugen, bei denen ebenso eine Crew bezahlt und Gebühren an
Flugsicherung und Flughafenbetreiber abgeführt werden müssen. Der Zwang zur Kos-
tenreduzierung durch Einsatz größerer Flugzeuge verstärkt sich dann, wenn zusätzli-
che Konkurrenz durch ICE-Verbindungen parallel zu den Flugstrecken besteht
61
.
Durch einen 1998 erstmals veröffentlichten direkten Vergleich zwischen Flug- und
Fahrgästen in Flug und Zug erwies sich die Bahn tatsächlich als Konkurrent des Luft-
verkehrs, der imstande ist, dem Modal Split zu seinen Gunsten zu verändern. Auf die-
sen sogenannten ,,Bahn-Konkurrenz-Strecken" ging das Reisendenaufkommen zwi-
schen 1990 und 1996 um 10 Prozent zurück, bei Bahnstrecken unter drei Stunden
Fahrzeit sogar um 44 Prozent
62
. Zu solchen Strecken gehören die Verbindungen von
Stuttgart, Köln und Düsseldorf zum Frankfurter Flughafen, Verbindungen also, auf de-
nen das AIRail-Angebot von Lufthansa und Deutscher Bahn schon existiert oder noch
zur Einführung geplant ist.
58
Konkret zeigt sich die Empfindlichkeit des Luftverkehrs an einer Statistik des Flughafens München: im
Zeitraum 01. Jan. 2001-11. Sep. 2001 konnten die Passagierzahlen im Vergleich zum Vorjahr um 7,6
Prozent gesteigert werden; dagegen führten die Anschläge vom 11. September 2001 für die verblei-
benden Monate des Jahres zu einem Rückgang von 9,7 Prozent [Quelle: Pressemitteilung der
Flughafen München AG].
59
Dabei ist jedoch festzuhalten, dass ein Passagier bei Start und Landung jeweils einmal gezählt wird.
[vgl. Schallaböck, K.-O., Demo, 2002.]
60
In Ungefug, H.-G., Luftverkehrsanalyse, 1998, S. 28ff. wird diese Entwicklung als ,,Großraumgerä-
teeffekt" bezeichnet.
61
Vgl. Ungefug, H.-G., Luftverkehrsanalyse, 1998, S. 28.
62
Vgl. Ungefug, H.-G., Luftverkehrsanalyse, 1998, S. 13.

3 Rahmenbedingungen in Deutschland -22-
3.5
Zukünftige Entwicklung und Prognosen
In der Vergangenheit wies der Luftverkehr insgesamt ein relativ konstantes Wachstum
von etwa 6 Prozent
63
auf, wie es auch die statistische Auswertung in Tabelle 6 erge-
ben hat. Dabei ist zwischen dem Verkehrsaufkommen (Anzahl der Passagiere, Menge
der Flugbewegungen, Fracht) sowie den Verkehrsleistungen, die in den Maßeinheiten
Passagierkilometer, Tonnenkilometer und Flugzeugkilometer angegeben werden, zu
unterscheiden. Die Verkehrsleistung ist im Vergleich stärker angestiegen als das Ver-
kehrsaufkommen, da die Fluggäste das Flugzeug zu immer weiter entfernten Zielen
nutzen
64
. Bis zum Jahr 2015 wird erwartet, dass sich der Luftverkehr in etwa verdop-
peln wird, was einem jährlichen Zuwachs von etwa 5 Prozent
65
entspräche. Allerdings
befindet sich bereits das heutige Flughafen- und Luftverkehrssystem in Deutschland
am Rande der Kapazitätsgrenze, besonders was die größeren und damit wichtigeren
Flughäfen betrifft. Dies lässt sich zum einen an der Zunahme von Verspätungen able-
sen (vgl. Abschnitt 6.6), zum anderen an ständigen Erweiterungs- und Ausbauplanun-
gen auf den Flughäfen, um die jährlich steigenden Verkehrsströme bewältigen zu kön-
nen
66
.
Die Planungen für Flughafenausbau, die von den jeweiligen Ländern betrieben werden,
stützen sich ebenso wie z.B. die Bundesverkehrswegeplanung des BMVBW auf Prog-
nosen des DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V.), die im Abstand von
fünf Jahren fortgeschrieben wird
67
. Sie beinhaltet folgende Punkte:
·
=
Prognose der Nachfrage (Flugreisen und Fracht)
·
=
Prognose der Passagierströme im Quell-Ziel-Verkehr
·
=
Zuordnung der Passagierströme zu den beflogenen Strecken
Bei der zuletzt herausgegebenen Prognose
68
wurden auf Basis des Prognosejahres
1995 die drei folgenden Szenarien erarbeitet:
Zunächst wurde in einem engpassfreien Referenzszenario die Entwicklung ohne ka-
pazitätsbeschränkende Randbedingungen aufgezeigt, d.h. der Zuwachs im Luft-
verkehr kann sich so wie vorhergesagt entwickeln, da die sich erforderlichen Kapazitä-
ten bei der Flughafenabfertigung und im Luftraum (Luftraumkontrolle) dem Wachstum
anpassen.
63
Vgl. Schesky, E.; Zernick, O., Vergleich, 1997, S. 557.
64
Vgl. Urbatzka, E.; Wilken, D., Kapazitätsengpässe, 2000, S. 492.
65
Vgl. Becker, A. u.a., Flight Unlimited 2015, 2001, S. 203.
66
Beispielsweise wurde der erst 1992 eröffnete neue Flughafen München für eine Kapazität von 12 Millio-
nen Passagieren geplant, die jedoch wenige Jahre später schon erreicht und überstiegen wurde. Im
Jahr 2001 wurden mit mehr als 23 Millionen Passagieren bereits nahezu das doppelte Passagierauf-
kommen der ursprünglichen Planungen abgefertigt (s. Flughafenstatistik im Anlage 7).
67
Vgl. Urbatzka, E.; Wilken, D., Kapazitätsengpässe, 2000, S. 492.
68
Urbatzka, E. u.a.: Szenarien des Luftverkehrs Deutschlands im Jahre 2010 vor dem Hintergrund kapa-
zitätsbeengter Flughafeninfrastruktur, DLR, FB 1999 ­ 42, Köln, 1999; in: Urbatzka, E.; Wilken, D.,
Kapazitätsengpässe, 2000.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832473761
ISBN (Paperback)
9783838673769
DOI
10.3239/9783832473761
Dateigröße
3.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft – Architektur und Bauwesen
Erscheinungsdatum
2003 (November)
Note
1,0
Schlagworte
luftverkehr bahn verlagerung flughafen schienenverkehr
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Titel: Verlagerung des innerdeutschen Luftverkehrs auf die Schiene
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