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Einsatzmöglichkeiten von B2B-Lösungen im Beschaffungsbereich eines mittelständischen Unternehmens

©2003 Diplomarbeit 58 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Während zu Beginn des Internethypes Ende des letzten Jahrtausends das Augenmerk auf die Nutzungsmöglichkeiten des neuen Mediums im Marketing- und Absatzbereich von Unternehmungen gerichtet war, so sind in letzter Zeit zunehmend die Beschaffungsmöglichkeiten zwischen Unternehmen, die sogenannten B2B-Beziehungen, ins Blickfeld gerückt. Dieser Bereich ist besonders interessant, da in der Beschaffung eines Unternehmens üblicherweise die größten Gewinnsteigerungspotentiale liegen, wie ein vereinfachtes Beispiel verdeutlicht: Will ein Unternehmen mit 100 Mio. Euro Umsatz und Materialkosten in Höhe von 50 Mio. seinen Gewinn von 5 Mio. auf 10 Mio. Euro steigern, so müsste es bei gleichbleibender Kostenstruktur den Umsatz verdoppeln. Eine Senkung der Materialkosten um nur 10% aber hätte den gleichen Effekt.
Nach einer anfänglich übertriebenen Euphorie über mögliche Einsparungspotentiale durch Online-Beschaffung, verbunden mit immensen Kurssteigerungen der Aktien von B2B-Softwareanbietern und Marktplatzbetreibern, hat sich insbesondere in den letzten 2-3 Jahren, nachdem die ersten Marktplätze Konkurs anmelden mussten und die Kurse der B2B-Aktien in sich zusammenfielen, Ernüchterung breit gemacht. Diese Entwicklung führte gerade bei vielen mittelständischen Unternehmen, die im Gegensatz zu den Großunternehmen vielfach noch keine Online-Beschaffung betrieben, dazu, dass geplante Investitionen und Systemeinführungen im Bereich der B2B-Technologie verschoben und auf Eis gelegt wurden. Bei vielen dieser Unternehmen herrscht Unsicherheit, ob der Einsatz von Online-Beschaffung für sie denn nun überhaupt ein Nutzenpotential birgt und welches der verschiedenen Modelle für sie das richtige darstellen könnte.
Da es sich bei der B2B-Beschaffung um ein entschieden zu umfangreiches Thema handelt, um im gegebenen Rahmen dieser Arbeit alle Aspekte in ausreichendem Maße zu würdigen, soll eine Beschränkung auf einige ausgewählte Aspekte erfolgen.
Ziel dieser Arbeit ist es, zu analysieren, welche B2B-Lösungen für mittelständische Unternehmen prinzipiell bestehen und für welche Materialien sich hierbei welche Verfahren anbieten. Wo das aufgrund der Charakteristika eines Modells möglich ist, soll zudem aufgezeigt werden, inwieweit es für mittelständische Unternehmen besonders gut oder schlecht geeignet ist. Ein Hauptaugenmerk soll dabei auf den Bereich der B2B-Marktplätze gerichtet werden, da sie aufgrund der Existenz von mehreren Teilnehmern […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1. Einleitung

1.1. Problemstellung und Zielsetzung

Während zu Beginn des Internethypes Ende des letzten Jahrtausends das Augenmerk auf die Nutzungsmöglichkeiten des neuen Mediums im Marketing- und Absatzbereich von Unternehmungen gerichtet war, so sind in letzter Zeit zunehmend die Beschaffungsmöglichkeiten zwischen Unternehmen, die sogenannten B2B-Beziehungen, ins Blickfeld gerückt. Dieser Bereich ist besonders interessant, da in der Beschaffung eines Unternehmens üblicherweise die größten Gewinnsteigerungspotentiale liegen, wie ein vereinfachtes Beispiel verdeutlicht: Will ein Unternehmen mit 100 Mio. Euro Umsatz und Materialkosten in Höhe von 50 Mio. seinen Gewinn von 5 Mio. auf 10 Mio. Euro steigern, so müsste es bei gleichbleibender Kostenstruktur den Umsatz verdoppeln. Eine Senkung der Materialkosten um nur 10% aber hätte den gleichen Effekt.

Nach einer anfänglich übertriebenen Euphorie über mögliche Einsparungspotentiale durch Online-Beschaffung, verbunden mit immensen Kurssteigerungen der Aktien von B2B-Softwareanbietern und Marktplatzbetreibern, hat sich insbesondere in den letzten 2-3 Jahren, nachdem die ersten Marktplätze Konkurs anmelden mussten und die Kurse der B2B-Aktien in sich zusammenfielen, Ernüchterung breit gemacht. Diese Entwicklung führte gerade bei vielen mittelständischen Unternehmen, die im Gegensatz zu den Großunternehmen vielfach noch keine Online-Beschaffung betrieben, dazu, dass geplante Investitionen und Systemeinführungen im Bereich der B2B-Technologie verschoben und auf Eis gelegt wurden. Bei vielen dieser Unternehmen herrscht Unsicherheit, ob der Einsatz von Online-Beschaffung für sie denn nun überhaupt ein Nutzenpotential birgt und welches der verschiedenen Modelle für sie das richtige darstellen könnte.

Da es sich bei der B2B-Beschaffung um ein entschieden zu umfangreiches Thema handelt, um im gegebenen Rahmen dieser Arbeit alle Aspekte in ausreichendem Maße zu würdigen, soll eine Beschränkung auf einige ausgewählte Aspekte erfolgen.

Ziel dieser Arbeit ist es, zu analysieren, welche B2B-Lösungen für mittelständische Unternehmen prinzipiell bestehen und für welche Materialien sich hierbei welche Verfahren anbieten. Wo das aufgrund der Charakteristika eines Modells möglich ist, soll zudem aufgezeigt werden, inwieweit es für mittelständische Unternehmen besonders gut oder schlecht geeignet ist. Ein Hauptaugenmerk soll dabei auf den Bereich der B2B-Marktplätze gerichtet werden, da sie aufgrund der Existenz von mehreren Teilnehmern auf beiden Marktseiten und der Vielzahl verschiedener Modelle und Ausprägungen sicherlich die spannendste und facettenreichste Variante der B2B-Beschaffung darstellen. Auf die quantitative Analyse von Einsparungsmöglichkeiten soll weitestgehend verzichtet werden, da die individuelle Aussagekraft von pauschalen Werten und Prozentsätzen für ein Unternehmen vor dem Hintergrund von unterschiedlichen Befragungsgruppen, verschiedenen Optimierungsgraden von Unternehmen vor der Einführung eines B2B-Systems, branchenspezifischen Gegebenheiten etc. als eher gering einzuschätzen ist.

Weiterhin sollen die (externen) Risiken der Online-Beschaffung, die von Unternehmen als die schwerwiegendsten eingeschätzt werden, aufgezeigt und daraufhin untersucht werden, inwiefern Bevor ein abschließendes Fazit über Chancen, Risiken und günstige Modelle für den Mittelstand erfolgt, soll in einer Fallstudie eine erfolgreiche B2B-Lösung aus der Praxis vorgestellt und anhand der zuvor erarbeiteten Begrifflichkeiten und Unterscheidungsmerkmale der verschiedenen B2B-Modelle erklärt und eingeordnet werden.

Problem und Herausforderung wird bei allen Teilbereichen der Arbeit sein, eine Brücke zu schlagen (d.h. keine inhaltlichen Unstimmigkeiten innerhalb der Arbeit aufkommen zu lassen) zwischen den zahlreichen verschiedenen Ansichten, Definitionen und Modellerklärungen zu identischen Themen in den verwendeten Literaturquellen. Diese dürften sich hier u.a. darin begründen, dass es sich um ein recht „junges“ Thema handelt, zu dem sich erst wenige „Standardlehrbuchmeinungen“ etabliert haben.

1.2 Aufbau der Arbeit

Im folgenden Punkt 2 der Arbeit soll dem Leser mit Erklärungen und Definitionen grundlegender Begriffe und „Bausteine“ aus dem Bereich der B2B-Geschäfte das nötige „Rüstzeug“ für den weiteren Verlauf der Arbeit mit auf den Weg gegeben werden. Punkt 2.1 beschäftigt sich mit dem Begriff des mittelständischen Unternehmens, während in Punkt 2.2 entscheidende und häufig benutzte Begriffe der B2B-Beschaffung definiert werden, um für Eindeutigkeit zu sorgen und Missverständnisse zu vermeiden. In Punkt 2.3 werden Softwarekomponenten die den Einkaufsvorgang direkt mit den unternehmensinternen Prozessen verknüpfen angesprochen und ihre Eignung für mittelständische Unternehmen bewertet. Punkt 2.4 befasst sich mit den vorherrschenden Standardformaten, ihren Anwendungsbereichen und zeigt auf, warum sie für Unternehmen die E-Business betreiben eine so große Rolle spielen.

In Punkt 3 werden dann die unterschiedlichen Möglichkeiten der Online-Beschaffung mit ihren Unterscheidungsmerkmalen und ihren spezifischen Vor- und Nachteilen unter die Lupe genommen. In Punkt 3.1 dient die Anzahl der Beteiligten als Abgrenzungsmerkmal zwischen den einzelnen Modellen. Hierbei liegt besonderes Augenmerk auf ihren Anwendungsmöglichkeiten für mittelständische Unternehmen. In Punkt 3.2 dient der Weg zur Ermittlung des Kaufpreises als Unterscheidungsmerkmal.

In Punkt 4 sollen Sicherheitsrisiken denen mittelständische Unternehmen bei einer Online-Beschaffung begegnen können (und die sie möglicherweise davon abhalten) auf ihr tatsächliches Gefährdungspotential hin untersucht werden.

Die Fallstudie in Punkt 5 stellt den erfolgreichen Internetmarktplatz PBSeasy vor. Dafür wird zunächst die PBS-Branche mit ihren typischen Merkmalen näher erklärt. Im Folgenden werden das Marktplatzmodell und die verschiedenen angeboten Lösungen beschrieben. Der anschließenden Darstellung der chronologischen Entwicklung von PBSeasy folgt eine Beurteilung des Marktplatzes.

Im abschließenden Punkt 6 der Arbeit werden im Rahmen eines Fazits wesentliche Erkenntnisse der Arbeit resümiert, einige neue Gedanken formuliert und eine Einschätzung über die zukünftige Entwicklung abgegeben.

2. Grundlegende Bestandteile und Begriffe

Bei einem dermaßen von neuen Trend- und Spezialbegriffen, technischen Komponenten und Innovationen geprägten Thema wie der B2B-Beschaffung fällt es nicht direkt involvierten Personen für gewöhnlich schwer, den Überblick zu behalten und alle Aspekte zu verstehen. Zudem werden viele Begriffe nicht von allen mit einheitlicher Bedeutung benutzt. Dieser Punkt der Arbeit dient im Wesentlichen dazu, diesen Problemen „vorzubeugen“ und zu verdeutlichen in welchem Sinne der Autor sie, insbesondere in Abgrenzung zueinander, benutzt. Dabei soll allerdings auch der althergebrachte (aber deswegen nicht weniger problematische) Begriff des mittelständischen Unternehmens nicht fehlen.

2.1 Eigenschaften eines mittelständischen Unternehmens

Bei der Aufgabenstellung dieser Arbeit stellt sich zwangsläufig die Frage: Wie genau ist eigentlich ein mittelständisches Unternehmen definiert? Bei der Antwort möchte ich mich an die Erklärung des Bundeskartellamtes halten. Demnach ist ein mittelständisches Unternehmen ein kleines oder mittleres Unternehmen. Was ein kleines oder mittleres Unternehmen ist lässt sich jedoch nicht anhand von absoluten Größenzahlen bestimmen, sondern hängt von der Relation der Unternehmensgrößen im jeweiligen Wirtschaftszweig ab, insbesondere vom Verhältnis des betrachteten Unternehmens zu den Branchengrößten.[1] Im Folgenden soll uns also bezüglich der Größe eines mittelständischen Unternehmens der Gedanke genügen, dass es im Vergleich zu den Großen der Branche deutlich kleiner ist.

Mittelständische Unternehmen sind üblicherweise inhabergeführt und ein Erhalt der Selbstständigkeit ist ein wesentliches Ziel der Unternehmung.[2] Das verringert natürlich die Möglichkeiten der Kapitalaufnahme. Unternehmen, die an der Börse notiert sind, Beteiligungen von großen Investoren zulassen oder unter dem Dach eines mächtigen Mutterkonzerns wirtschaften, fällt die Kapitalbeschaffung in der Regel deutlich leichter. Das geschieht allerdings um den Preis der Selbstständigkeit des Unternehmens. Somit haben die um Selbstständigkeit bemühten mittelständischen Unternehmen regelmäßig mit ihren eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten zu kämpfen. Die Führungskräfte in mittelständischen Unternehmen sind vielfach noch stark in operative Arbeitsaufgaben eingebunden, so dass ihnen wenig Zeit bleibt, sich den strategischen Aufgaben und Überlegungen zu widmen.[3]

Weitere generelle Aussagen über mittelständische Unternehmen zu treffen ist kaum möglich, da einzelne Branchen viele individuelle Merkmale aufweisen und sie sich auch innerhalb einer Branche nach Größe, Neigung zu Kooperationen, Unternehmensorganisation, Spezialisierungsmuster etc. zu sehr unterscheiden, um allgemein gültige Merkmale von mittelständischen Unternehmen festlegen zu können.[4]

2.2 Begriffliche Grundlagen bei B2B-Geschäften

2.2.1 Typische Begriffe der Online-Beschaffung

Gerade für viele der „E-Terms“, die im Zusammenhang mit der Online-Beschaffung genannt werden, existieren keine einheitlich festgelegten Definitionen, sondern diverse mehr oder weniger sinngleiche Erklärungsansätze. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die Begriffe wie folgt verstanden und benutzt:

E-Business ist der zusammenfassende Begriff für alle Formen der betrieblichen Nutzung von elektronischen Kommunikations- und Informationsformen, umfasst also z.B. auch firmeninterne Prozesse.[5]

E-Commerce betrifft nur den Teilbereich des elektronischen Handels, stellt also eine „Untermenge“ des E-Business dar.[6]

E-Procurement steht für die operative Abwicklung einer, zumeist automatisierten und für geringpreisige Massenartikel erfolgenden, Bestellung über Katalogsysteme.[7]

E-Sourcing umfasst die langfristige Beschaffungsplanung und ihre verhandlungsintensiven Komponenten, ist also strategisch ausgelegt. So beinhaltet E-Sourcing z.B. die Lieferantenrecherche, -auswahl, Ausschreibungen und Kontraktverhandlungen.[8]

2.2.2 Verschiedene Kostenarten

Wenn über die Einsparungspotentiale verschiedenener Verfahren der Online-Beschaffung gesprochen wird, so werden zwangsläufig einzelne betroffene Kostenarten genannt. Die wichtigsten sollen im Folgenden kurz beschrieben und voneinander abgegrenzt werden, da sie auch im weiteren Verlauf der Arbeit wiederholt bei der Beurteilung einzelner Verfahren herangezogen werden.

Materialkosten: Unter Materialkosten sollen hier der individuelle Einkaufspreis eines Unternehmens für eine Summe von Gütern verstanden werden.

Transaktionskosten: Hierunter versteht man die Kosten der Informationsbeschaffung und Kommunikation einschließlich der Opportunitätskosten der Zeit, die für Anbahnung und Abwicklung eines Leistungsaustausches aufgewandt werden müssen.[9] Sie entstehen, wenn Unternehmen nicht interne Ressourcen nutzen, sondern Produkte und Dienstleistungen vom Markt beziehen.[10] Sie werden nicht durch den Artikel verursacht, sondern durch die Transaktion selbst und sind somit unabhängig vom Wert des Artikels.

Zu den Transaktionskosten zählen insbesondere Anbahnungskosten (z.B. für die Ermittlung von potenziellen Transaktionspartnern und Informationsbeschaffung zu ihnen), Vereinbarungskosten (abhängig von Intensität und zeitlicher Dauer von Verhandlungen, Einigung und Vertragsformulierung), Kontrollkosten (für die Sicherstellung der Einhaltung von vereinbarten Mengen, Preisen, Terminen etc.) und Anpassungskosten (Aufwendungen für die Modifikation von vereinbarten Punkten aufgrund veränderter Bedingungen während der Laufzeit der Vereinbarung).[11]

Prozesskosten: Im Rahmen der Beschaffung fallen Prozesskosten intern in der operativen Abwicklung des Einkaufs an. Sie werden oft als „interne Transaktionskosten“ bezeichnet.[12] Der Hauptkostenpunkt liegt hier ebenso wie bei den Transaktionskosten in den Opportunitätskosten der aufzuwendenden Zeit. Zu den Prozesskosten zählen im Wesentlichen administrative Routinetätigkeiten wie das Ausfüllen von Bestellformularen, Genehmigungsverfahren, Angebotseinholungen und das Schreiben von Bestellungen. Kosten, die durch Übertragungsfehler (z.B. Tippfehler beim Übertragen einer Bedarfsmeldung) entstehen, zählen ebenfalls dazu. Prozesskosten sind unabhängig vom Warenwert des eingekauften Artikels, spielen daher besonders bei den geringpreisigen C-Gütern eine entscheidende Rolle.

2.3 Software für das E-Business

Will man eine höchstmögliche Effizienz in der Online-Beschaffung erreichen, ist es entscheidend eine Anbindung der unternehmensinternen Prozesse an den Einkaufsvorgang zu schaffen. Dann ist das größte Einsparungspotential im Bereich der Prozess- und Transaktionskosten gegeben. Im Folgenden sollen Softwarelösungen die eine solche Anbindung schaffen vorgestellt und ihre Nutzen und Probleme erläutert werden.

2.3.1 ERP-Systeme

ERP (Enterprise Ressource Planning)-Systeme sind komplexe Softwarelösungen, die zur unternehmensweiten Steuerung und Auswertung von Prozessen in Bereichen wie Produktion, Vertrieb, Logistik, Finanzen etc. genutzt werden.[13] Unter die Finanzkomponente fallen z.B. eine Übersicht über alle Transaktionen, Kredite, Abschreibungen, Forderungen etc. mitVergleichsmöglichkeiten zu den Planzahlen und die automatische Ausführung von Zahlungen, Daueraufträgen und Bankeinzügen.[14]

In der Praxis wird der Online-Einkauf oft als „Front Office“ bezeichnet und das ERP-System (bzw. das Warenwirtschaftssystem) des Unternehmens als „Back Office“.[15] Wenn keine Verknüpfung zwischen Front Office und Back Office besteht, so führt das zu einer Vielzahl an sich unnötiger Arbeitschritte und das vorhandene Einsparungspotential bei den Transaktions- und Prozesskosten kann nicht nachhaltig ausgenutzt werden. So müssen z.B. im eigenen ERP-System geschriebene und erfasste Bestellungen nochmals auf der entsprechenden B2B-Einkaufsplattform eingegeben werden, anstatt direkt aus dem ERP-System übertragen zu werden.[16] Daher ist es besonders bei der Teilnahme an B2B-Geschäftsmodellen, die häufig genutzt werden (z.B. der katalogbasierte Einkauf über ein Desktop Purchasing System), wichtig, eine Integration zu den firmeninternen Prozessen zu erreichen.[17] Bei einer Einkaufsplattform über die pro Jahr 2 Ausschreibungen durchgeführt werden, lässt sich eine fehlende ERP-Anbindung sicher eher verschmerzen.

Das Problem von ERP-Systemen und deren Anbindung an Online-Beschaffungsprozesse besteht allerdings, insbesondere für die kleineren der mittelständischen Unternehmen, in den immensen Kosten, die damit verbunden sind. Das belegt eine internationale Studie aus Brüssel (vgl. Abb. 1+2). So ist gerade bei Firmen unter 250 Mitarbeitern die Nutzung von ERP-Systemen die Ausnahme, ebenso wie eine arbeitssparende Anbindung zwischen Front Office und Back Office der im E-Commerce tätigen Unternehmen, da viele von ihnen kein ERP-System bzw. keine Anbindungsmöglichkeit besitzen. Der Finanz- und Implementierungsaufwand solcher Softwarelösungen ist für viele kleine Firmen selbst bei abgespeckten Versionen einfach noch zu hoch.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dazu kommt, dass die erforderlichen strategischen Aufgaben (insbesondere Planung und Organisation), die mit einer so hohen Investition verbunden sind, üblicherweise von den Führungskräften des Unternehmens durchgeführt werden. Wie bereits erläutert wurde (vgl. 2.1), sind diese aber in mittelständischen Unternehmen oftmals noch stark in bedeutende operative Aufgaben (wie etwa der Betreuung der Key-Kunden) eingebunden. Für die Dauer der Abwicklung einer Softwareimplementierung können sie diese Aufgaben nicht mehr im selben Maße wahrnehmen, wodurch die „Schlagkraft“ des Unternehmens wesentlich geschwächt werden kann.

2.3.2 Desktop-Purchasing-Systeme

Desktop-Purchasing-Systeme fassen Produkt- und Anbieterinformationen mehrerer Lieferanten in einem Multi-Lieferanten-Produktkatalog zusammen und ermöglichen gleichzeitig den Zugriff auf die betroffenen Daten im firmeninternen ERP-System.[18]

Sollte eine dezentrale Beschaffung direkt durch die Bedarfsträger geplant sein, so müssen die Befugnisse bezüglich der Bestellhöhe und Lieferantenauswahl für die einzelnen dezentralen Besteller in einem individuellen Profil festgelegt werden. Auf diese Weise kann dann eine Einhaltung von Budgets und festgelegten Genehmigungswegen sichergestellt werden.[19]

Der Bedarfsträger kann dann direkt über seinen Browser in dem Katalog die benötigten Artikel auswählen und je nach Befugnis entweder direkt bestellen oder zumindest die Bestellvorlage für die Genehmigung durch den Entscheidungsbefugten erstellen.[20] Die Produktpalette innerhalb der Kataloge und die Preise werden oft vorab in Rahmenverträgen vereinbart.

Das Einsparungspotenzial für den Käufer liegt hier im Wesentlichen nicht in einer Senkung des Einkaufspreises, sondern in einer Senkung der Prozesskosten. Daher bieten sich Desktop-Purchasing-Systeme insbesondere für C-Güter an. Deren Wert ist sehr gering und somit nehmen Prozesskosten für Disposition, Bestellung etc. einen wesentlich höheren Stellenwert ein. Einsparungen bei den Einkaufspreisen können sich aber nichtsdestotrotz dadurch ergeben, dass ein noch größerer Anteil bei den Hauptlieferanten bestellt wird, mit denen man längerfristige Rahmenverträge (und somit für gewöhnlich bessere Konditionen) ausgehandelt hat. Für diese sind normalerweise am ehesten bereits Lösungen zur vereinfachten Internetbestellung vorhanden. Somit werden die besseren Konditionen intensiver genutzt und durch die gestiegene Beschaffungsmenge bei diesen Lieferanten lassen sich ggf. nochmals Konditionsverbesserungen erzielen.[21] Bei Einrichtung eines Desktop-Purchasing-Systems für Mitarbeiter mehrerer Abteilungen liegt ein weiterer Vorteil in der Entlastung des Einkaufs, dem somit mehr Zeit für strategische Aufgaben zur Verfügung steht. Außerdem können so die Bestellvorlaufzeiten aufgrund der beschleunigten und automatisierten internen Abwicklung deutlich reduziert werden. Es besteht die Chance über Automatisierungen eine höhere Prozesssicherheit und langfristig auch eine höhere Effizienz und Mitarbeiterproduktivität zu erreichen.

Nachteile liegen darin, dass in den meisten Fällen Investitionen für eine zur Umsetzung erforderliche Software anfallen. Der finanzielle und zeitliche Aufwand der internen Implementierung, insbesondere bei der Anbindung vieler Besteller außerhalb des Einkaufs, und der Lieferantenanbindung kann Ausmaße annehmen, die die durch das Katalogsystem geschaffenen Vorteile aufwiegen bzw. überwiegen.[22]

Gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen muss das Kosten-/Nutzen-Verhältnis und die daraus resultierende Amortisationsdauer kritisch geprüft werden, da sich ein Desktop-Purchasing-System beim Kauf nicht proportional verbilligt, wenn es beispielsweise von einem kleinen Händler für 5 Lieferantenkataloge à 500 Artikel benutzt wird statt von einem Konzern wie Siemens für möglicherweise 1000 Lieferantenkataloge à 500 Artikel. Zudem stellt sich das Problem der Belastung der Führungskräfte in ähnlichem Maße wie bei der Einführung eines ERP-Systems (vgl. 2.3.1).

2.3.3 Application Service Provider – Alternative für den Mittelstand?

Während sich in den vergangenen Jahrzehnten für Unternehmen hauptsächlich die Frage stellte, ob man Softwarelösungen kaufen oder selbst erstellen soll, so lautet sie heute vielmehr: Kaufen oder mieten?[23] Eine Alternative zur Anschaffung teurer Software-Lösungen, insbesondere im Bereich der ERP- oder Desktop-Purchasing-Systeme, kann nämlich die Nutzung der Angebote eines sogenannten Application Service Providers (ASP) sein. Dieser verwaltet eine Vielzahl von Software-/IT-Anwendungen auf einem oder mehreren zentralen Servern. Gegen eine meist monatliche Gebühr können andere Unternehmen dann über das Internet oder ein privates Netzwerk auf die benötigte Software zugreifen.[24]

Vorteile für Unternehmen gegenüber dem Kauf von Softwarelösungen bestehen in den deutlich geringeren „Einstiegsinvestitionen“, geringen Hard- und Softwareanforderungen an die Komponenten des Unternehmens, den Einsparungen von Personal und Kosten für die Implementierung, Updates etc. und der konstanten Kalkulierbarkeit der Kosten (während die Kosten einer neu erworbenen Software durch Verzögerungen, Probleme und notwendige Individualisierungen bei der Einrichtung im Unternehmen schon mal unerwartet in die Höhe schießen können).[25] Bei einigen ASP´s wird die zu zahlende Mietgebühr exakt nach Nutzung des Systems berechnet. Hier wären die Kosten für die Nutzung eines Desktop-Purchasing-Systems mit nur wenigen Lieferanten dann wirklich proportional geringer als bei einer intensiven Nutzung (vgl. 2.3.2). Besonders für mittelständische Firmen, die ja im Vergleich zu Großunternehmen meist über wesentlich weniger Lieferanten verfügen, die überhaupt für ein Desktop-Purchasing-System in Frage kommen, ist das ein schlagkräftiges Argument für die Nutzung von ASP´s. Zudem lässt ihr verfügbares Budget kostspielige Investitionen wie z.B. den Kauf eines teuren ERP-Systems oft nicht oder nur schwerlich zu, so dass die Nutzung der Angebote eines ASP´s eine attraktive Ausweichmöglichkeit darstellt. Positiv ist auch, dass technische Neuentwicklungen/Verbesserungen ohne gesonderten Aufwand im eigenen Haus direkt zur Verfügung stehen. Zudem besitzt das Unternehmen eine wesentlich höhere Flexibilität, da es keine versunkenen Kosten durch hohe getätigte Anfangsinvestitionen fürchten muss, wenn es sich doch für ein anderes Modell entscheiden möchte. Dem Risiko aufs „falsche Pferd“ gesetzt zu haben, insbesondere vor dem Hintergrund des Gedanken der Entwicklung von Standards (vgl. 2.4), wird so ein Großteil der Bedrohlichkeit genommen, da ein „Umschwenken“ auf ein anderes System leichter fällt.

Einige ASP´s bieten zudem die Möglichkeit an, dass alle Stufen entlang der Handelskette auf Bereiche eines Datenstamms zugreifen können (vgl. Abb. 3). Dieses Feature bietet sich insbesondere für Produktdaten an.

Abbildung 3: Die ASP-Trade-Core-Technologie von Onventis, Quelle: Kiefer (2003), S. 9

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

So kann z.B. der über ein gemietetes Desktop-Purchasing-System aus dem Herstellerkatalog des E einkaufende Großhändler D seinem Kunden C einen modifizierten Zugriff auf die Produktdaten gewähren (wobei Angaben wie die Einkaufspreise des D oder ggf. auch der Name des Vorlieferanten natürlich für C unsichtbar bleiben würden). Das verspricht Transaktionskostenersparnis für alle Beteiligten, so muss D beispielsweise keine Zeit darauf verwenden von C angeforderte Produktinformationen aufzubereiten.

Ein Nachteil bei der Nutzung von ASP´s liegt in erster Linie darin, dass man von der Verfügbarkeit der Verbindung zu der genutzten Software abhängig ist. Bei einem Serverausfall kommen auch die betroffenen internen Prozesse zum Erliegen, was gerade im Falle eines komplexen unternehmensweiten Moduls, wie eines ERP-Systems, enorme Konsequenzen auf den Geschäftsbetrieb hätte.

Zudem stellt sich die Frage der Datensicherheit bzw. nach der Vertrauenswürdigkeit des ASP´s. Da vertrauliche Informationen wie Kunden-, Bank- oder Finanzdaten auf Servern des Dienstleisters abgelegt werden, könnte dieser theoretisch darauf zugreifen.[26] Der Nutzer eines ASP-Angebots kann zudem nicht 100%-ig beurteilen, wie gut seine Daten auf den Servern des Providers vor unbefugtem Zugriff durch Dritte aus dem Internet geschützt sind. Hier ist allerdings davon auszugehen, dass in der Regel ein mindestens ebenso guter, wenn nicht ein besserer, Schutz der Daten als im eigenen Unternehmen gewährleistet ist. Schließlich ist es für den ASP grundlegender Leistungsbestandteil seines Geschäftes und Teil seiner Kernkompetenz, die Daten seiner Kunden zu schützen. Ein mittelständisches Unternehmen wird kaum über gleichwertiges Equipment zur Gewährleistung von Datensicherheit (vgl. 4.1) verfügen.

[...]


[1] vgl. Bundeskartellamt (1998), S. 2f

[2] vgl. Reichling (o.A.)

[3] vgl. Krey (o.A.)

[4] vgl. Lagemann (2002), S. 101

[5] vgl. o.V. (o.A.), S. 1

[6] vgl. o.V. (o.A.), S. 1

[7] vgl. Gartmann/Wojciechowski (2001), S. 50

[8] vgl. Merz (2002), S. 785

[9] vgl. Arbeitsgruppe Digitale Medien (2001), S. 6

[10] vgl. Kalakota/Robinson (2001), S. 18

[11] vgl. Helberger (o.A.)

[12] vgl. Merz (2002), S. 612

[13] vgl. Wirtz (2001), S. 321

[14] vgl. Morath (2000), S. 154f

[15] vgl. Kalakota/Robinson (2001), S. 318

[16] vgl. Kalakota/Robinson (2001), S. 320f

[17] vgl. o.V. (o.A.), S. 5f

[18] vgl. Zlabinger (o.A.), S. 227

[19] vgl. o.V. (o.A.), S. 2

[20] vgl. o.V. (2003a), S. 1

[21] vgl. Aust et al. (2000), S. 41f.

[22] vgl. Aust et al. (2000), S. 42f.

[23] vgl. Kalakota/Robinson, S. 105

[24] vgl. Microsoft AG (2003)

[25] vgl. Kiefer (2003), S. 8f

[26] vgl. Merz (2002), S. 835

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832473426
ISBN (Paperback)
9783838673424
DOI
10.3239/9783832473426
Dateigröße
1.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie Bochum gGmbH – unbekannt
Erscheinungsdatum
2003 (Oktober)
Note
2,0
Schlagworte
eprocurement mittelstand e-business internetbeschaffung
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