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Die Rolle des Antisemitismus im transatlantischen Netzwerk des neuen Rechtsextremismus und seine Verbindungen zu islamistischen Extremisten

©2003 Diplomarbeit 119 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Am 11. September 2001 schien Hitlers wahnsinniger Alptraum wahr zu werden, als Terroristen mit zwei entführten Passagierflugzeugen die Twin Towers in New York City zerstörten und dabei 3000 Menschen ermordeten. Aber es waren keine Nazis, die den schlimmsten Terroranschlag in der Geschichte der USA ausgeführt hatten, sondern islamistische Fundamentalisten aus der arabischen Welt.
Und doch: In den Tagen, Wochen und Monaten nach den Massakern von New York und Washington überschlugen sich Rechtsextremisten und (Neo-) Nazis in den USA und in Europa in Applaus für die Selbstmordattentäter und Lobgesängen auf deren Anführer Osama bin Laden. In den USA ließ zum Beispiel Tom Metzgers White Aryan Resistance (WAR) verlautbaren, „That was a great sacrifice of great warriors and of their families. Whoever they were and whoever their surviving families may be, our deepest condolences and appreciation.” Und William Pierce, der kürzlich verstorbene Anführer der National Alliance (NA), nannte die Attentäter bewundernd „people with a sense of pride“. Sie hatten die apokalyptischen Szenen verwirklicht, die sich Pierce 1978 in seinem Roman „The Turner Diaries“ lustvoll ausgemalt hatte. Dort lässt er einen rechtsextremen Terroristen mit einem Flugzeug in das Pentagon hinunter- und New York City samt seiner Wolkenkratzer zusammenstürzen.
Auch in Deutschland lösten die Terroranschläge gegen die USA innerhalb der rechten Szene in Deutschland unterschiedliche Reaktionen aus und reichten von entschiedener Verurteilung bis hin zu uneingeschränkter Zustimmung.
In den Reihen der „Republikaner“ (REP) und Deutschen Volksunion (DVU) wurden die Anschläge als „barbarische Akte“ verurteilt und mit fremdenfeindlichen Forderungen verknüpft. Da einige der mutmaßlichen Attentäter in Deutschland gelebt hatten, trügen die etablierten Politiker die Verantwortung dafür, dass deutsche Städte „durch den ungezügelten Ausländerzustrom (...) zu ‚Terrornestern‘ und zu ‚Stützpunkten ausländischer Fanatiker‘ geworden“ seien. Den Parteien der „klassischen“ radikalen Rechten in Deutschland erschienen die Anschläge also in erster Linie als Bestätigung ihres Rassismus’. Es sind diese Positionen, die in den folgenden Wochen und Monaten nach dem 11. September 2001 zu Aufrufen der liberalen Öffentlichkeit für Toleranz und gegen Islamophobie führten.
Ignoriert wurde dabei zum einen die Zielrichtung mancher „Zusätze” wie zum Beispiel von Rolf Schlierer von den „Republikanern”, […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Zur Vorgehensweise

2. Antisemitismus global – eine theoretische Einführung
2.1 Antisemitismus jenseits nationaler Besonderheiten
2.2 Im Hass vereint
2.3 Die Symbole des 11. September 2001

3. Die NPD
3.1 Der Antisemitismus der NPD
3.2 Befreiungsnationalismus und Antisemitismus

4. Horst Mahlers Wahn
4.1 Mahlers „Anstand“

5. Reaktionen auf den 11. September 2001
5.1 Freudige Erwartung
5.2 Die eigene Rolle im weltweiten Befreiungskrieg
5.3 Für das Bündnis mit Islamisten
5.4 Mahlers totaler Krieg

6. Die Vermittler
6.1 Jürgen Graf
6.2 Ahmed Rami
6.2.1 Ramis Reisen
6.3 Ahmed Huber
6.3.1 Der Brückenbauer
6.3.2 Überzeugungsarbeit
6.3.3 Der Konvertit
6.3.4 Francois Genoud – „Ein Leben zwischen Hitler und Carlos“
6.3.5 Spekulationen
6.3.6 Hubers Way of Life

7. Arabischer Antisemitismus
7.1 Der Kontakt mit dem Nationalsozialismus
7.2 Nazis im Nahen Osten
7.3 Die Verbreitung der „Protokolle der Weisen von Zion“
7.4 Holocaustleugnung
7.5 Westliche Holocaustleugner
7.5.1 Der Fall Garaudy

8. Die Internationalisten aus den USA
8.1 Gary Rex „Gerhard“ Lauck
8.2 Das Institute for Historical Review (IHR)
8.3 David Duke
8.3.1 David Duke und der politische Anspruch der NPD
8.4 William Pierce
8.4.1 Die internationalen Verbindungen
8.4.2 National Alliance und NPD
8.4.2.1Gemeinsamkeiten

9. Ende
9.1 Fazit
9.2 Schlusswort

Literatur/Quellen

1. Einleitung

„Wie hatte ich immer den Schnee geliebt, eigentlich nur den Schnee und das Wasser! Und beim Sinnieren fragte ich mich tatsächlich, ob es Temperamente gäbe, die einem bestimmten Element zugeordnet seien. Wenn das stimmt, würde ich im Falle Hitlers keinen Augenblick zögern, ihn dem Feuer als seinem eigensten Element zuzuweisen. Allerdings liebte er daran nicht den prometheischen Charakter, sondern die zerstörerische Kraft. Daß er eine Welt in Flammen setzte und den Kontinent mit Feuer überzog: das mögen nur Sprachbilder sein. Aber es war ganz unmittelbar das Feuer, das ihn stets in tiefe Erregung versetzte. Ich erinnere mich, wie er sich in der Reichskanzlei die Filme vom brennenden London, vom Feuermeer über Warschau, von explodierenden Geleitzügen vorführen ließ und welche Gier ihn dann jedesmal erfaßte.

Nie aber habe ich ihn so außer sich gesehen wie gegen Ende des Krieges, als er wie in einem Delirium sich und uns den Untergang New Yorks in Flammenstürmen ausmalte. Er beschrieb, wie sich die Wolkenkratzer in riesige, brennende Fackeln verwandelten, wie sie durcheinanderstürzten, wie der Widerschein der berstenden Stadt am dunklen Himmel stand, und meinte, wie aus einer Ekstase zurückfindend, Saur solle den Entwurf Messerschmidts für einen vierstrahligen Fernbomber sofort in die Wirklichkeit umsetzen. Mit seiner Reichweite könnten wir in Amerika tausendfache Vergeltung für den Untergang unserer Städte üben.

Den Schnee haßte er.“ [1]

Am 11. September 2001 schien Hitlers wahnsinniger Alptraum wahr zu werden, als Terroristen mit zwei entführten Passagierflugzeugen die Twin Towers in New York City zerstörten und dabei 3000 Menschen ermordeten. Aber es waren keine Nazis, die den schlimmsten Terroranschlag in der Geschichte der USA ausgeführt hatten, sondern islamistische Fundamentalisten aus der arabischen Welt.

Und doch: In den Tagen, Wochen und Monaten nach den Massakern von New York und Washington überschlugen sich Rechtsextremisten und (Neo-) Nazis in den USA und in Europa in Applaus für die Selbstmordattentäter und Lobgesängen auf deren Anführer Osama bin Laden.[2] In den USA ließ zum Beispiel Tom Metzgers White Aryan Resistance (WAR) verlautbaren, „ That was a great sacrifice of great warriors and of their families. Whoever they were and whoever their surviving families may be, our deepest condolences and appreciation.”[3] Und William Pierce, der kürzlich verstorbene Anführer der National Alliance (NA), nannte die Attentäter bewundernd „ people with a sense of pride “.[4] Sie hatten die apokalyptischen Szenen verwirklicht, die sich Pierce 1978 in seinem Roman „The Turner Diaries“ lustvoll ausgemalt hatte.[5] Dort lässt er einen rechtsextremen Terroristen mit einem Flugzeug in das Pentagon hinunter- und New York City samt seiner Wolkenkratzer zusammenstürzen.

Auch in Deutschland lösten die Terroranschläge gegen die USA innerhalb der rechten Szene in Deutschland unterschiedliche Reaktionen aus und reichten von entschiedener Verurteilung bis hin zu uneingeschränkter Zustimmung.[6]

In den Reihen der „Republikaner“ (REP) und Deutschen Volksunion (DVU) wurden die Anschläge als „ barbarische Akte “ verurteilt und mit fremdenfeindlichen Forderungen verknüpft.[7] Da einige der mutmaßlichen Attentäter in Deutschland gelebt hatten, trügen die etablierten Politiker die Verantwortung dafür, dass deutsche Städte „ durch den ungezügelten Ausländerzustrom (...) zu ‚Terrornestern‘ und zu ‚Stützpunkten ausländischer Fanatiker‘ geword en“ seien.[8] Den Parteien der „klassischen“ radikalen Rechten in Deutschland erschienen die Anschläge also in erster Linie als Bestätigung ihres Rassismus’.[9] Es sind diese Positionen, die in den folgenden Wochen und Monaten nach dem 11. September 2001 zu Aufrufen der liberalen Öffentlichkeit für Toleranz und gegen Islamophobie führten.

Ignoriert wurde dabei zum einen die Zielrichtung mancher „Zusätze” wie zum Beispiel von Rolf Schlierer von den „Republikanern”, der behauptete, sich für die „Interessen der arabischen Völker“ einzusetzen[10], und zum anderen die Reaktionen aus dem rechtsextremen Lager, in denen die Anschläge sogar begrüßt wurden.[11]

Auf den ersten Blick stellt sich hier die Frage, warum Rechtsextremisten, die normalerweise Jagd auf Menschen mit dunkler Hautfarbe machen, sich solidarisch mit islamistischen Terroristen erklären. Die Antwort: Beide haben das gleiche Feindbild, die Vereinigten Staaten von Amerika, die sie als von Juden kontrolliert halluzinieren.

Aus diesem Grund sieht der Hamburger Verfassungsschutz „die Möglichkeit einer Solidarisierung von Neonazis mit militanten Islamisten im Kampf gegen die USA.“ Obwohl man gegen die in Deutschland lebenden Muslime hetzt, würden „sich viele Rechtsextremisten grundsätzlich mit den militanten islamistischen Gruppen und ihrem weltweiten Kampf gegen den gemeinsamen Feind USA und das ‚Weltjudentum‘ verbunden fühlen“[12].

Im Zentrum dieser Arbeit soll nun die Frage stehen, ob das Fazit der Verfassungsschützer zutrifft, dass „über diese Solidarisierung hinaus (...) aus grundsätzlichen Erwägungen heraus (nationalistische, teilweise rassistische Vorbehalte) keinerlei Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Gruppen in Deutschland zu erwarten“ sei.[13]

Die Angst vor einem Bündnis ist da. So warnte Paul Spiegel, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, vor der möglichen Gefahr einer derartigen Zusammenarbeit. „Ich befürchte eine solche Kooperation”, sagte er. Wenn dies geschehe, „dann haben wir ein ganz großes Problem und Anlass zur Sorge.”[14]

Derweil beobachten Rechtsextremismusforscher wie Anton Maegerle und NGO’s wie die Anti-Defamation League[15] und das Southern Poverty Law Center intensive Bemühungen von Rechtsextremisten auf beiden Seiten des Atlantiks miteinander zu arbeiten, aber auch in verstärktem Maße Islamisten als Bündnispartner aufzusuchen.[16]

1.1 Zur Vorgehensweise

Wenn wir es mit einer sich formierenden globalen Koalition der Antisemiten zu tun haben sollten, dann funktioniert ihr Antisemitismus nach gemeinsamen ideologischen Mustern und greift auf Stereotypen und Projektionen zurück, deren Botschaften auf der ganzen Welt von Menschen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund verstanden werden können, das heisst von Rechtsextremisten wie islamistischen Fundamentalisten. Im ersten Kapitel werde ich daher auf die ideologischen Grundlagen des gemeinsamen Antisemtismus und den antisemitischen Charakter der Anschläge vom 11. September 2001 eingehen. (2. Antisemitismus global – eine theoretische Einführung) In dieser Definition betone ich die Aspekte, die weniger mit nationalen oder regionalen Besonderheiten zu tun haben, sondern mit übergeordneten Zusammenhängen. Zu diesem Zweck wende ich die Ergebnisse der Antisemitismusforschung der Kritischen Theorie auf das Thema an. Dabei wird deutlich, dass die sozialpsychologischen Bedingungen der antisemitischen Ideologie eine internationale Kooperation der Antisemiten begünstigen können.

Im darauf folgenden Kapitel soll die praktische Umsetzung der Theorie schrittweise nachgezeichnet werden. Da sich diese Arbeit dem laufenden Verbotsverfahren gegen die NPD verpflichtet fühlt, soll in diesem Kapitel der Frage nachgegangen werden, in wie weit in der Ideologie der NPD ein Antisemitismus vertreten wird, der sie zu Bündnissen befähigen würde. (3. Die NPD sowie 4. Horst Mahlers Wahn)

Im darauf anschließenden Abschnitt soll anhand der Reaktionen von Horst Mahler und Reinhold Oberlercher auf die Anschläge vom 11.9. bestätigt werden, dass die NPD die politische Zielsetzung der Massaker, deren anti-amerikanische und besonders antisemitische Bedeutung, erfasst hat und befürwortet. (5. Die Reaktionen auf den 11.9.) Über diese Begeisterung hinaus setzen die beiden „Chefideologen“ der NPD offenbar ganz bestimmte Hoffnungen auf ein Bündnis mit arabischen Antisemiten. Doch was beinhalten und begründen diese Hoffnungen?

Dieser Frage, in welchem Verhältnis der Antisemitismus der westlichen mit dem der arabischen Welt steht, wie Rechtsextremisten und (Neo-) Nationalsozialisten dort Anschlußmöglichkeiten finden, bzw. auf welche Art und Weise dies schon geschehen ist, wird nachzugehen sein. Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, wird in den folgenden Kapiteln die Arbeit derjenigen Akteure beleuchtet, die bereits eben diese Zusammenarbeit vorantreiben. (6. Die Vermittler)

Im Zentrum dieser Ausführungen stehen drei ausgewählte Vermittler zwischen westlichem Rechtsextremismus und islamistischem Fundamentalismus, bzw. Terrorismus. Diese Kontaktpersonen führen vor allem Holocaustleugner, aber auch Neonazis aus aller Welt zusammen und sind dabei selber recht reiselustig: der Justizflüchtling Jürgen Graf (6.1) , der schwedische Muslime Ahmed Rami (6.2) sowie der Konvertit Ahmed Huber. (6.3) Besondere Aufmerksamkeit widme ich dabei letzterem. Vom Simon Wiesenthal Center und Southern Poverty Law Center sowie der Washington Post und der Financial Times wird Huber als einer der wichtigsten Drahtzieher im sich verdichtenden Netzwerk militanter Rechtsextremisten und Islamisten genannt.[17] Nach ihren Informationen hat der US-Geheimdienst Huber und seine Al Taqwa Bankgesellschaft „im Visier”, da sie im Verdacht stehen, das Terrornetzwerk Al Kaida finanziell zu unterstützen.[18] Da in diesem Abschnitt zu Ahmed Huber die historischen Verbindungen zwischen Nationalsozialisten und arabischen Antisemiten schon anklingen, soll im folgenden Kapitel auf dieses Zusammenwirken und seine Ergebnisse heute näher eingegangen werden. (7. Arabischer Antisemitismus)

Nach den allgemeinen aktuellen Einschätzungen der wichtigsten NGO’s, die sich mit dem Thema beschäftigen und einer Einführung in die historischen Verbindungen (7.1 und 7.2), werde ich anschließend auf die beiden Kernelemente des Antisemitismus in der arabischen Welt, die halluzinierte jüdische Weltverschwörung (7.3) und die Leugnung des Holocaust (7.4), eingehen, um nach den personellen Kontakten den direkten Bezug zum Nationalsozialismus und die Auswirkungen heute aufzuzeigen. Dies geschieht anhand der Verbreitung und Verarbeitung, bzw. Rezeption der sog. Protokolle der Weisen von Zion sowie anhand des Umgangs mit heute aktiven Holocaustleugnern wie zum Beispiel Roger Garaudy aus Frankreich. (7.5)

Die von mir gewählten Texte und Beispiele aus arabischen Medien sind in diesem Zusammenhang nur besonders prägnante aus einer größeren ständig aktualisierten Sammlung repräsentativer Dokumente und Nachrichten des Middel East Media Research Instituts (MEMRI), das diese übersetzt, kommentiert und online veröffentlicht.[19]

Da die gemeinsamen Feindbilder der westlichen Rechtsextremisten wie arabischen Islamisten „jüdisch kontrolliertes” USA und Israel heissen, da in den USA die Menschen leben, die Horst Mahler und Osama bin Laden auffordern, die eigene Regierung zu stürzen[20], soll im letzten Kapitel auf ausgewählte Akteure der US-amerikanischen Rechtsextremisten eingegangen werden. (8. Die Internationalisten) Neonazis in den USA teilen nicht nur den antisemitischen Wahn, sondern stellen die fanatische Gegnerschaft zu ihrer – wie sie sie nennen – Zionist Occupied Government (ZOG) heute in den Mittelpunkt ihrer Ideologie, die sie aufgrund der verfassungsmäßigen Garantie der „Free Speech” auch offen propagieren. Sehr wichtige Impulse der Internationalisierung des Rechtsextremismus und Antisemitismus kommen aus den USA selber.

Damit schließt sich dann sozusagen das Dreieck, denn mit den Kontakten US-amerikanischer Rechtsextremisten wie Gary Lauck, David Duke und vor allem William Pierce (8.4) nach Deutschland kommen wir zurück zur NPD, deren intensiver Kontakt zur National Alliance hier näher beleuchtet werden soll, da diese Kooperation viel über die tatsächliche Programmatik der NPD aussagt. (8.4.2) In der Zusammenfassung soll daher – vor dem Hintergrund des laufenden Verbotsverfahrens – auch die Position der NPD in der von mir nachgezeichneten Internationale der Antisemiten reflektiert werden, um die erste Einschätzung des Hamburger Verfassungsschutzes beurteilen. (9. Ende)

2. Antisemitismus global – eine theoretische Einführung

Wenn Antisemitismus zur gleichen Zeit in unterschiedlichen Regionen, Kontinenten, Kulturen, mit verschiedenen historischen Hintergründen und politischen und sozialen Strukturen auftritt sowie unterschiedliche Akteure miteinander kooperieren lässt, dann muss der Antisemitismus eine allgemeine ideologische Struktur aufweisen, der sich alle anderen Unterschiede der beteiligten Akteure unterordnen.

In diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse der Kritischen Theorie zu sehen, weil ihre Beschreibungen und Erklärungsversuche des Antisemitismus im Zentrum einer allgemeinen Gesellschaftstheorie stehen, die dieser Arbeit eine Basis liefert, aus der heraus die Konsequenzen und Gefahren des sich internationalisierenden Antisemitismus verständlich werden und eine besondere Kraft erhalten.

2.1 Antisemitismus jenseits nationaler Besonderheiten

In ihrem Beitrag „Elemente des Antisemitismus“ arbeiten Horkheimer und Adorno den Zusammenhang von moderner Vergesellschaftung, Autoritarismus und antisemitischer Ideologie heraus. Antisemitismus wird von ihnen in erster Linie aus der kapitalistischen und nationalstaatlichen Verfasstheit der Moderne erklärt und beschrieben. Innerhalb dieser stellt die Kritische Theorie ihre sozialpsychologische Erklärung der Ich-Schwäche des autoritären Charakters als Regression des Denkens dar, dem das Durchschauen der abstrakten Verwertung innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft unmöglich ist und daher diese abstrakte Vergesellschaftung personifiziert und auf die Juden projiziert.

Ein zentrales Moment des modernen Antisemitismus ist somit der Hass auf die abstrakte Seite der kapitalistischen Warenproduktion, die in den Juden biologisiert wird. Am deutlichsten wurde das bei der im Nationalsozialismus vorgenommenen Trennung in deutsches „schaffendes Kapital“ und jüdisches „raffendes“ Kapital.

Die Wahl des Hassobjekts hat dabei keinen zufälligen Charakter, sondern entspringt der Tatsache, dass Juden traditionell eine besondere Beziehung zum Geld nachgesagt wird, die sich im Christentum bis in das Neue Testament und im Islam bis in den Koran zurückverfolgen läßt.[21]

Die Ursachen des modernen Antisemitismus alleine auf die Projektion der abstrakten Seite des Kapitalismus zu beschränken, würde allerdings nicht erklären, warum Juden von Antisemiten auch mit dem Kommunismus, und generell allen Übeln in der Welt identifiziert wurden und immer noch werden.

Daher möchte ich als Definition für den modernen Antisemitismus eine Erweiterung der Kritischen Theorie heranziehen, wie sie von Moishe Postone vertreten wird.[22] Aus seiner wertkritischen Sicht kommt er zum dem Schluß, dass der moderne Antisemitismus „eine umfassende Weltanschauung liefert, die verschiedene Arten antikapitalistischer Unzufriedenheit scheinbar erklärt und ihnen Ausdruck verleiht.“[23]

Dieses Muster von pseudokonkreter und abgetrennt abstrakter Seite des Kapitalismus, „deutscher Arbeit“ und „jüdischem Geld“, tritt in ähnlicher Art und Weise auch auf anderen Ebenen wieder auf, wenn „der Jude“ dem Antisemiten für das ihm unheimliche, abstrakte und reflexive Denken der (selbst-) kritischen Intellektuellen gegenüber der von ihm verehrten instrumentell-technischen Vernunft einerseits und romantischen „Tiefe“ andrerseits steht. Auf dieser Personifizierung fußt die Verschwörungstheorie, Kultur und Medien wären in jüdischer Hand.

„ ‚Das internationale Judentum‘ wird darüber hinaus als das wahrgenommen, was hinter dem ‚Asphaltdschungel‘ der wuchernden Metropolen, hinter der ‚vulgären, materialistischen, modernen Kultur‘ und, generell, hinter allen Kräften, die zum Niedergang altherrgebrachter sozialer Zusammenhänge, Werte und Institutionen führen, steht.“[24]

Nach Postone verkörpert die moderne Demokratie mit ihren Institutionen neben der „Gesellschaft“ eine zweite allgemeine Abstraktheit, die den Menschen als Warensubjekten den Bezugsrahmen ihrer Konkurrenz im Kapitalismus vorgibt, sie als abstrakte Staatsbürger und Rechtssubjekte einander gleichsetzt. Die antisemitische Personifizierung dieser Abstraktion ist der „bindungslose“ Jude, der im Gegensatz zu Angehörigen eines anderen „Volkes“ keine „Heimat“ hat und nur als abstrakter Staatsbürger Mitbürger sein kann. Nach Postone hat sich die Idee der Trennung von politischem Staat und bürgerlicher Gesellschaft, die sich im Individuum als abstraktem Staatsbürger und konkreter Privatperson ausdrückt, in Europa nie wirklich durchgesetzt.

„Die Nation war nicht nur eine politische Entität, sie war auch konkret, durch eine gemeinsame Sprache, Geschichte, Traditionen und Religion bestimmt. In diesem Sinne erfüllten die Juden nach ihrer politischen Emanzipation als einzige Gruppe in Europa die Bestimmung von Staatsbürgerschaft als rein politischer Abstraktion. Sie waren deutsche oder französische Staatsbürger, aber keine richtigen Deutschen oder Franzosen. Sie gehörten abstrakt zur Nation aber nur selten konkret.”[25] Sie sind dem völkischen Antisemiten die „Volksfremden”.

2.2 Im Hass vereint

Angewendet auf die in dieser Arbeit thematisierte Internationalisierung des Antisemitismus bedeutet das: Über allen Religionen und ethnozentrischen Nationalismen und über allen Rassismen, die Rechtsextremismus aus dem Westen und islamistischen Fundamentalismus aus dem Osten voneinander trennen mögen, liefert der Hass auf das Abstrakte – dies sei hier eine mögliche, auf den Punkt gebrachte Definition des modernen Antisemitismus – das grundlegende Weltbild, das gemeinsame Fundament für die Kooperation von Rechtsextremisten und islamistischen Fundamentalisten. Er umfasst, umschließt die Kontrahenten und Konkurrenten, er vereint sie im Hass.

Sein Wahn ist nicht Teil oder Ergebnis eines Weltverständnisses, sondern eine übergeordnete Welterklärung selber, die – auf einer anderen Ebene – miteinander unter anderen Umständen konkurrierende Akteure integrieren kann. So wie der Kapitalismus im abstrakten Verwertungsprozess auf einer politisch-ökonomischen Ebene ist der Antisemitismus als Hass auf das Abstrakte als eine Art psycho-soziale Reaktion selber eine Art Abstraktion von politischer Ideologie und Religion und kann deshalb auch Rechtsextremismus und islamistischen Fundamentalismus verbinden.

Für Antisemiten stellt das Moment der Verkörperung die Schlüsselfrage dar. Es geht ihnen darum, das Abstrakte, das ihnen Unheimliche, das Unbekannte zu personifizieren. Diese Rolle wird den Juden zugedacht – doch gespielt wird sie von den Antisemiten[26], die sich nun zusammentun, um die gemeinsam halluzinierte Übermacht zu vernichten.

Dieses tatsächlich unerreichbare Ziel ist in ihrem Bewußtsein nur zu erreichen, wenn sie permanent vernichten. Der moderne Antisemitismus kennt kein Ende seines Vernichtungswillens. Das Ziel seiner Angriffe ist einerseits physisch so real wie andrerseits Produkt eines Wahns, der mit der Vernichtung nicht nachlässt, sondern sogar noch wächst. Das Abstrakte lässt sich nicht als solches vernichten, sondern nur seine Träger.

Da die Fähigkeit zur Abstraktion eine genuin menschliche Eigenschaft ist, die den Menschen vom Tier trennt, ist der Antisemitismus letzten Endes als eine besondere Form des Hasses auf das Menschliche an sich zu bezeichnen, der in seiner totalitären Form erst mit der völligen Vernichtung endet.

„Mit einem Wort, der Antisemitismus ist die Furcht vor dem Menschsein. Der Antisemit ist der Mensch, der ein unbarmherziger Felsen, ein rasender Sturzbach, ein vernichtender Blitz sein will: alles, nur kein Mensch.”[27]

2.3 Die Symbole des 11. September 2001

Das Prinzip der Verkörperung als Voraussetzung des Antisemitismus findet sich auch in den Anschläge vom 11. September 2001 wieder.

Denn die Attentate haben weder der Eroberung eines Territoriums noch sonst einem erkennbaren konventionellen Kriegsziel gedient. Die Ziele – die beiden Türme des World Trade Centers und das Pentagon – waren vielmehr als Symbole getroffen worden, weil sie im Bewußtsein der Attentäter Bestandteile eines Sinnbildes waren, das auch in der Nazi-Ideologie als antisemitische Verkörperung der US-amerikanischen „Ostküste“ funktioniert.

Das antisemitische Symbol der „Ostküste“, vor allem New York City, bezieht sich in erster Linie auf die in New York beheimateten jüdischen Organisationen und die Wallstreet. Mit dem WTC und seinen dort arbeitenden Menschen hat man die halluzinierte Personalisierung der Zentrale des globalisierten Kapitalismus getroffen. Das WTC war für die Attentäter die Verkörperung der Macht des Geldes, das Pentagon das Symbol des militärischen Imperialismus der USA.

Europäische Rechtsextremisten wie z.B. Jörg Haider von der österreichischen FPÖ sprechen von der „Ostküste“[28] und meinen wie Hitler in „Mein Kampf“: „Juden sind die Regenten der Börsenkräfte der amerikanischen Union.“ [29]

„Kurz, ‚Ostküste‘ ist ein Kampfwort des metaphorischen Antisemitismus. Es ist die Schnittstelle von Antisemitismus und Antiamerikanismus.“[30]

Dementsprechend fällt die Reaktion und Interpretation, d.h. Entschlüsselung der antisemitischen Symbolik angesichts der Anschläge von Horst Mahler, NPD, aus: „Die militärischen Angriffe auf die Symbole der mammonistischen Weltherrschaft sind - weil sie vermittelt durch die Medien den Widerstandsgeist der Völker beleben und auf den Hauptfeind ausrichten - eminent wirksam und deshalb rechtens“.[31]

3. Die NPD

Die NPD hat seit ihrer Gründung 1964 verschiedene ideologische und strukturelle Phasen durchgemacht. Zunächst funktionierte sie als eine Art Sammelbecken ehemaliger NS-Täter, die aus der 1952 verbotenen Sozialistischen Reichspartei (SRP) kamen. Im Verlaufe der nächsten Jahre machte sie Hoch- und Tiefphasen durch[32], bis sie sich Anfang der 90er Jahre vor allem als legaler Arm einer „sozialen Bewegung“[33] von rechts etablieren konnte. Dies machte den besonderen Erfolg der NPD aus und ließ ab Mitte der 90er Jahre in Ostdeutschland die Mitgliederzahlen wachsen.[34]

Die NPD erfährt ihre herausragende Qualität weniger als Wahlpartei – in dieser Hinsicht ist sie bislang relativ erfolglos geblieben – sondern in ihrer Funktion, das rechtsextreme Spektrum zusammenzuführen und zu organisieren.[35] Hier spielt die Jugendorganisation der Jungen Nationaldemokraten (JN) eine wichtige Rolle, da sie als Schnittstellenorganisation für militante Neonazis und rechte Skinheads fungiert.[36] Außerdem wurden in der Vergangenheit die Kontakte zu den „Freien Nationalisten“ der rechtsextremen militanten Freien Kameradschaften, Kadergruppen und gewaltbereiten Skinheads intensiviert.[37]

Die ideologische Ausrichtung der NPD stand in der Vergangenheit immer im direkten Zusammenhang mit dem jeweiligen Vorsitzenden – zunächst Günther Deckert, seit 1996 Udo Voigt. Grundsätzlich war die Programmatik der Partei von „einer rechtsextremen Weltanschauung mit einem politischen Fundamentalismus (...), der an die naturalistischen, sozialdarwinistischen Grundprinzipien wie ‚Volk‘ und ‚Natur‘, ‚Nation‘ und ‚Gemeinschaft‘ gebunden ist“[38], geprägt. Sie äußerte sich in traditionellem Rassismus und völkischem Gedankengut. Hierzu zählen die Propagierung einer nationalen Volksgemeinschaft sowie die Unterordnung des Individuums in einem völkischen Kollektivismus, die Ablehnung von Verfassungsgrundsätzen (Unantastbarkeit der Menschenwürde, freie Entfaltung der Persönlichkeit), die Diffamierung rechtsstaatlicher und demokratischer Institutionen und ihrer Repräsentanten sowie der „Systemparteien“ und schließlich „revisionistisches“[39] Gedankengut. Letzteres wurde vor allem durch den früheren Vorsitzenden Günther Deckert in den Mittelpunkt der Propaganda gestellt.

Mit der Übernahme des Parteivorsitzes durch Udo Voigt verschoben sich die Schwerpunkte der NPD-Politik – natürlich ohne von dem oben genannten etwas aufzugeben – angesichts der Zielgruppen militanter Neonazis und Nationalrevolutionäre insbesondere im Osten Deutschlands auf zunehmend nationalrevolutionäre und neonazistische Positionen. Hajo Funke bestimmt in diesem Zusammenhang „die NPD als eine neonationalsozialistische Bewegungspartei im Kontext der ostdeutschen rechtsextremen Bewegung.“[40]

3.1 Der Antisemitismus der NPD

Der Antisemitismus der NPD besteht nach einer aktuellen Studie des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin vornehmlich aus „allgemeinen Vorurteilen“ und einem „rassistischen Antisemitismus, wie er vom NS-Regime propagiert und praktiziert worden ist.“[41] Diese Aussage ist meiner Meinung nach zu allgemein gehalten und soll hier vertieft werden.

Mit Hajo Funke gesprochen, ist der Antisemitismus der NPD fester Bestandteil ihres „neonationalsozialistischen Profils“[42], welches sich in einer Volksgemeinschaftsideologie ausdrückt, deren Ziel „die Wiedererrichtung des Nationalsozialismus zur Durchsetzung der Herrschaft der vermeintlichen weißen Rasse“[43] ist.

Der Antisemitismus der NPD tritt innerhalb dieser Ideologie grob skizziert in zwei Formen auf:

Sekundärer Antisemitismus findet sich in Gestalt der Abwehr der Erinnerung an die NS-Verbrechen, was die Zusammenarbeit mit international tätigen und verurteilten Holocaustleugnern wie David Irving erklärt. Dieser „Revisionismus“ soll dem von der NPD propagierten Nationalsozialismus seinen „Makel“ des Holocaust nehmen. Deutlich wird dies im Parteiprogramm der NPD von 1997:

„Deutschland braucht um seiner Zukunft willen ein nationales Geschichtsbild, das die Kontinuität unseres Volkes in den Mittelpunkt stellt.

Wir wehren uns gegen die moralische Selbstvernichtung unserer Nation durch die einseitige Schuldzuweisung zu Lasten Deutschlands, die Aufwertung des Landesverrats und die Verherrlichung der alliierten Kriegsverbrecher. Wir fordern deshalb zum Schutz der Ehre des deutschen Volkes: Die Ächtung der Geschichtsklitterung zum Nachteil Deutschlands. (...) Kein Ersatz der Freiheit von Forschung und Lehre durch ein stattlich verordnetes, von politischer Justiz überwachtes Geschichtsbild zu Lasten Deutschlands.“[44]

Verschiedene Formen der Holocaustleugnung fanden sich in den 90er Jahren auch bei einem der wichtigsten Autoren antisemitischer Propaganda innerhalb des bundesweit erscheinenden Parteiorgan Deutsche Stimme und Deutsche Zukunft des Landesverbandes NRW, Wolfgang Frenz. Frenz war von 1961 bis 1995 als V-Mann für den Verfassungsschutz tätig, von seiner persönlichen Verpflichtung aber überzeugter Rechtsextremist.[45] In den Anträgen der Prozessbevollmächtigten an das Bundesverfassungsgericht vom 8. Februar 2002 dienen Zitate aus seinen Publikationen als Beleg für den Antisemitismus der NPD.[46]

So spricht er beispielsweise von der „Holocaustlegende“[47], um mit diesem Begriff die Judenvernichtung in den Bereich der weit zurückliegenden, nicht nachweisbaren Erzählungen und Sagen, zu verlegen. Immer wieder wählt er dabei das antisemitische Motiv, „die Juden“ bereicherten sich am Holocaust bzw. an der Erinnerung.

„Hitler mit seinen Antisemitismus war genau gesehen ein Glücksfall für die Juden. Aus diesem hitlerischen Antisemitismus entstand die euphorisch stimmende semitische Massenhysterie, die zur Gründung des Staates Israel führte, dessen nationalistischer Größenwahn bisher die Welt in Atem hält. So war nach Verständnis vieler Juden der letzte Weltkrieg eine Religions- und Rassenkrieg. Es ging darum, die arisch-nordische Rasse zu vernichten, die noch über die Kraft verfügte, sich gegen eine Weltherrschaft durch Juden zu wehren. Andere Völker ließ man weiterhin weiterleben, wenn sie sich der jüdischen Heilswelt beugten. (...) Wenn es Auschwitz nicht gegeben hätte, müßte es für die Juden von heute erfunden werden. Denn Auschwitz ist die Machtergreifung durch das vernetzte Judentum.“ [48]

Der letzte Satz macht es schon deutlich: Analog zum Nationalsozialismus finden sich bei der NPD Formen des Antisemitismus in Gestalt der eingangs geschilderten politischen Paranoia, deren Hauptelement die halluzinierte jüdische Weltverschwörung darstellt. Dieser Antisemitismus agiert im Hier und Jetzt, greift aber „zum Beweis“ gerne auf „Quellen“ wie die als Fälschung bekannten „Protokolle der Weisen von Zion“ oder auf „Belege“ angeblicher Weltherrschaftsbestrebungen in der römischen Antike zurück.[49]

„Wer noch nicht an die ‚Protokolle der Weisen von Zion‘ glaubt, kann leicht eines anderen belehrt werden. Dabei sind die Bestrebungen der Juden zur Weltherrschaft nicht neu. Der griechische Geograph und Historiker Strabo, der zur Zeit des Kaisers Augustus lebte, schrieb bereits damals: ‚Es gibt in der gesamten bewohnten Welt kaum einen Platz, wo sich nicht die Macht der Juden bemerkbar macht!‘ und Tacitus, ebenfalls ein römischer Historiker, wird in den ‚Jüdischen Altertümern‘ des Josephus Flavius, ein Zeitgenosse der römischen Kaiser Vespasian und Titus, der als jüdischer Widerstandskämpfer zu den Römern überlief, wie folgt zitiert: ‚Die Juden strebten das Erbe des römischen Reiches an, denn von Judäa gehen Bestrebungen aus, sich der Weltherrschaft zu bemächtigen; denn nach jüdischer Auffassung war die Römerherrschaft identisch mit der Herrschaft des Bösen und des Teufels!‘ Heute – zweitausend Jahre später – hat sich am Drang des international organisierten Judentums zur Erlangung der Weltherrschaft offensichtlich kaum etwas geändert.“ [50]

Der Antisemitismus ist in der NPD unmittelbarer Bestandteil ihrer neonationalsozialistischen Programmatik. Im folgenden Zitat aus der Parteizeitung der NPD unterstellt der Autor, dass eine vermeintliche jüdische Weltverschwörung die „deutsche Rasse“ tödlich gefährde und zerstöre, weil sie für die Migration Nicht-Deutscher verantwortlich sei:

„Das, was zu Beginn des Weltkrieges die beiden US-Liberalen Morgenthau und Kaufman, beide Volksgenossen von Ignatz Bubis, mit Deutschland nach dessen Niederwerfung vorhatten, nämlich die Liquidierung des deutschen Volkes durch Massenverschleppungen, Aushungern, Ausmordungen, Sterilisation der verbliebenen Männer und Masseneinwanderung raumfremder Ausländer mit dem Ziel der ‚Durchrassung‘ des deutschen Restvolkes, wird heute im Zeitalter der ‚Menschenrechte‘ von interessierter Seite erfolgreich mit etwas ‚humaneren‘ Mitteln umgesetzt.“ [51]

Der Antisemitismus in der NPD läßt sich also auf zwei Ebenen, die miteinander im ständigen Wechselspiel und ohne einander nicht zu denken wären, zusammenfassen: im Kontext der Holocaustleugnung und der vermeintlichen jüdischen Verschwörung gegen die eigene „Rasse“ und/oder Nation, bzw. gegen alle „Rassen“ und alle Nationen, gegen die ganze Welt.

Beide – Holocaustleugnung und Verschwörungstheorie – gehören zusammen. Denn wenn man leugnet, dass der Massenmord an sechs Millionen Juden die logische Folge des Antisemitismus im NS-Staat war, werden der Antisemitismus alter und neuer Nazis sowie der NS-Staat selbst nicht mehr als Verbrechen kompromittiert. Auf diese Weise macht man Antisemitismus salonfähig.

3.2 Befreiungsnationalismus und Antisemitismus

Der Antisemitismus in der NPD ist außerdem im Kontext einer besonderen Entwicklung innerhalb der NPD seit den 90er Jahren zu berücksichtigen: Nationalrevolutionäre Positionen sind innerhalb der NPD seit den 90er Jahren immer einflußreicher geworden.[52]

Ideologisch in der Tradition der nach eigenem Verständnis antikapitalistischen Fraktion innerhalb der NSDAP, personifiziert und symbolisiert durch die Brüder Gregor und Otto Strasser, wird ein „aggressiven ‚Befreiungsnationalismus‘“[53] propagiert. Der Antisemitismus, der hier auftritt, ist in sofern im Zusammenhang mit der ideologischen Erneuerung der NPD wichtig, da die nationalrevolutionäre Ideologie nach der Definition des Antisemitismus als Hass auf das Abstrakte sich gegen die westlichen Werte der Moderne insgesamt, gegen deren „Dekadenz“ und „Zersetzung“ richtet und im deutschen Bezugsrahmen für „wahres Deutschsein“ eintritt. Dem zu folge richtet man sich gegen diejenigen, die diese ihnen verhassten Werte verkörpern. Als diese halluziniert man in erster Linie Juden sowie die von ihnen vermeintlich okkupierten USA und internationalen Institutionen wie die EU, NATO und die UNO. Ihr Antikapitalismus richtet sich dementsprechend in der gleichen antisemitischen Manier des Personalisierens gegen multinationale Konzerne und gegen die USA insbesondere.

Die nationalrevolutionäre „Erneuerung“ der NPD unter Udo Voigt zeichnet sich neben der systematischen Integration und Organisation einer sozialen Gewaltbewegung wie sie im Osten Deutschlands zu finden ist sowie durch eine Radikalisierung ihrer Ideologie, insbesondere ihres Antisemitismus‘ aus. Zahlreiche szenebekannte, namhafte Neonazis, Rechtsextremisten und Antisemiten wurden daher aufgenommen.[54] Unter ihnen Horst Mahler.

4. Horst Mahlers Wahn

Die besten Beweise, die treffendsten und schockierendsten Belege für den nationalrevolutionären Antisemitismus in der NPD liefert Horst Mahler.

Der Mitbegründer der RAF – 1970 verhaftet, 1971 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt und bis mitte der 80er Jahre von Gerhard Schröder insbesondere in der Frage der Wiederzulassung als Rechtsanwalt anwaltlich vertreten – wechselte nach der Entlassung aus dem Gefängnis die Fronten von linksextrem nach rechtsextrem. Aus seinem als Antizionismus verdeckten ist mittlerweile offener Antisemitismus geworden.

Führte Mahler 1972 in seinem RAF-Prozess noch aus: „Die mutige Kommandoaktion der Opferbereiten des „Schwarzen September“ gegen die israelische Olympiamannschaft im besonderen und gegen die Olympiade als imperialistische KdF-Show (Kraft durch Freude) im allgemeinen ist vollendeter Ausdruck (einer) strategischen Linie“ [55], so hat sich sein Antikapitalismus und Antiimperialismus konsequenterweise personalisierend antisemitisch gewandelt.

„Die sich auf Geldkapitalbesitz gründende Macht

ist unsichtbar,

nur sie ist Juden in der Zerstreuung zugänglich;

nur sie ist tendenziell unendlich;

sie macht das Bereicherungsstreben zur Gier. [56] (Hervh. im Original)

Für Mahler, seit August 2000 offiziell Parteimitglied und im laufenden Verbotsverfahren Prozessbevollmächtigter der NPD, stellt das Grundgesetz ein „ Provisorium für die Übergangszeit bis zur Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches“ dar.[57] Um diese zu erreichen, bedarf es seiner Meinung nach einer nationalrevolutionären Sammlungsbewegung.[58]

Es verwundert angesichts meiner Ausführungen zum Antisemitismus im Kontext neonationalsozialistischer und nationalrevolutionärer Positionen nicht, dass Mahlers Antisemitismus eine besondere Qualität besitzt. Seine Vorträge, Flugschriften und offenen Briefe sowie seine Veröffentlichungen im Internet auf den Seiten des Deutschen Kollegs, das er mit dem ehemaligen SDS-Aktivisten und „Radikalantisemiten“[59] Reinhold Oberlercher betreibt, sind unverhüllt rassistisch, antisemitisch und ausländerfeindlich.[60]

Im Zentrum von Mahlers Weltbild steht die Paranoia einer jüdischen Weltverschwörung. Sie funktioniert ihm als das Erklärungsmodell, als die ursächliche Quelle allen Übels auf der Welt, dessen schlimmste Ausformung für ihn die „jüdische Zersetzung“ des „Deutschen Reiches“ darstellt. Mahlers pathologischer Antisemitismus wird in der von ihm sowie Reinhold Oberlercher und Uwe Meenen verantworteten Erklärung des Deutschen Kollegs vom 15. Oktober 2000, der „Ausrufung des Aufstandes der Anständigen “, besonders deutlich[61] und soll anhand dieser Quelle hier exemplarisch dargestellt werden. Der Text war im Juni 2001 Anlaß für Polizeirazzien und Hausdurchsuchungen bei allen drei Autoren.[62]

4.1 Mahlers „Anstand”

Anläßlich eines Anschlags auf eine Synagaoge in Düsseldorf in der Nacht zum 3. Oktober 2000, dem „Tag der Deutschen Einheit, hatte Bundeskanzler Schröder alle Deutschen zu mehr Engagement gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aufgefordert. Er rief dabei zu einem „Aufstand der Anständigen“ auf.

Horst Mahler verharmlost nicht nur den Anschlag, sondern verdreht seine Bedeutung als „Zündelei, (...) durch die jüdische Interessen befördert werden.“ Er propagiert nun – auf letzteres bezug nehmend – auch einen Aufstand „ zur Befreiung vom Judaismus (...) mit dem Ziel, eine Deutsche Nationalversammlung zu berufen, die durch Einsetzung einer provisorischen Reichsregierung und mit der Inkraftsetzung einer neuen Reichsordnung die Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches wiederherstellen wird.“

Nach Mahler verhindern also Juden die „Souveränität“ Deutschlands. In seinem antisemitischen Wahn will er mit seinen Kollegen „ mit großen Anstrengungen in Erfahrung gebracht (haben), daß die beiden Weltkriege gegen das Deutsche Reich unter maßgeblicher Beteiligung jüdischer Bankiers und jüdischer Medien organisiert wurden in der Absicht, das Deutsche Reich für immer zu zerstören.“

Obwohl nun zerstört, ist der Konflikt für Mahler jedoch noch nicht zu ende, im Gegenteil: „ Der Krieg der jüdischen Organisationen gegen das Deutsche Volk dauert an.“

Mahler und Co unterstellen Juden einen biblischen „Deutschenhass“ und eine ewige Rachsucht, da „ (w)ir wissen, daß für orthodoxe Juden das Deutsche Volk Amalek ist, ein Volk, das in biblischer Zeit gegen die Juden Krieg führte. Dieses hatte durch feige Angriffe auf das auserwählte Volk Jahwe herausgefordert, so daß er Samuel befahl: Schlag Amalek und vollstrecke den Bann an ihm und an allem, was es hat; verschone sie nicht, sondern töte Mann und Frau, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel.‘ (1. Sam 15,3)“ (Hervh. im Original)

Dieser Projektion der eigenen unendlichen Vernichtungswut auf die Juden folgt als Rechtfertigung eine Entmenschlichung, da die „ in die Welt gesetzten Lügen über uns [die Deutschen, US.] (...) so groß und so gewaltig sind, daß Uneingeweihte es nicht wagen, sie anzuzweifeln, weil sie keinem menschlichen Wesen die Verruchtheit zutrauen, die für solche Phantasien nicht groß genug sein kann.“

In Mahlers paranoidem Weltbild stellen die Juden das absolut Böse dar. Und da das absolut Böse nach dieser Verschwörungstheorie allumfassend und universell ist, wird es für alles, was man als Bedrohung für das „deutsche Volk“ halluziniert, verantwortlich gemacht. Aber nicht nur dies.

„Die auf diesem Wege entstehende rassisch, völkisch und kulturell durchmischte Weltbevölkerung ist der jüdischen Welthirtschaft wehrunfähig preisgegeben.“

Zur antisemitischen Mobilisierung der „Völker der Welt“ und Rechtfertigung des Wahns, will Mahler wissen, dass nicht nur der Hass auf die Deutschen biblischer Natur ist, sondern auf alle „Völker“, deren Antisemitismus daher nur zu verständlich sei, weil „ die durch Thora und Talmud geprägte Persönlichkeit in den Völkern eine Abwehrhaltung gegen Juden provoziert.“

Die eigene Vernichtungswut wird nicht nur auf den anderen projiziert. Sie halluziniert sich auch als bloße Reaktion auf die vorausgegangene Projektion. Der eigene Hass erweist sich dabei als so unendlich wie die biblische Projektion.

„Wir haben erkannt, daß der Judaismus die Wiege und Gegenwart des Rassismus in seiner schrecklichsten Gestalt, der Ausrottungswut, ist (Jes. 34,2 – 3 Hes 31,18 und 32,18.19; 5.Mose 7,1-2; 5.Mose 12,28-31). (...) Wir wissen aus den heiligen Büchern der Juden, daß deren Feindschaft gegen die Völker die Wurzel des Antisemitismus ist und deshalb schon im Altertum der persische Großkönig Artaxerxes die vollständige Ausrottung der in seinem Reiche lebenden Juden befohlen hatte (StzuEst 1,2-4).“

Diesem Wahn eines absolut Bösem, das man selber ist, wird die grenzenlose, internationale Solidarität der angeblich von den Juden bedrohten, bzw. bereits beherrschten Völker der Welt entgegengestellt.

Mahler und das Deutsche Kolleg rufen daher auf zu einem weltweiten „Aufstand der Anständigen“, allerdings nicht gegen Antisemiten und Rassisten, sondern gegen „die Agenturen der jüdischen Macht“ wie er (der Aufstand, US) „ zur Zeit von Palästinensern (...) organisiert“ werde. „ Weil diese nicht nur in Palästina, sondern überall auf der Welt zu finden sind, ist dieser Aufstand gegen die Unanständigen ein grundsätzlich weltweiter Aufstand, zumindest aber auch ein solcher, der in den deutschen Staaten stattfindet. (...) Das Deutsche Kolleg verlangt das Verbot der jüdischen Gemeinden“ (...) sowie „ aller vom jüdischen Volksgeist beeinflußten Vereinigungen und Einrichtungen, weil sie Völkervertreibungen und Völkermorde unterstützen. In biblischer Zeit waren die Kanaaniter die Opfer, heute sind es - am gleichen Ort - die Palästinenser.

Der Judaismus ist eine tödliche Gefahr für die Völker.“ (Hervh. im Original)

Der Kampf gegen den „Judaismus“ muss also ein weltweiter sein:

„Der Kulturkampf gegen den Judaismus ist das Mittelpunktgeschehen, das der Welt eine neue Gestalt gibt.“

Die „ Unterjochung der Völker“ äußert sich Mahler zufolge auch im „fast weltweit durchgesetzten Verbot“ durch „ jüdische Organisationen“ aller bisher erbrachten „Beweise“ für die Wahnvorstellung der jüdischen Weltverschwörung, z.B. die als Fälschung bekannten „Protokolle der Weisen von Zion“.

„Wir gedenken der unbekannten Verfasser der ‚Protokolle der Weisen von Zion‘, die hellsichtige Betrachtungen über die Mittel und Wege für die Begründung der jüdischen Weltherrschaft angestellt haben, die uns zur Warnung dienen sollen.“

Antisemitismus in den USA und in anderen Ländern erscheinen Mahler und Co als weiterer „Beweis“ für den eigenen Wahn einer seit biblischen Zeiten existierenden jüdischen Weltverschwörung. Dies gilt vor allem, wenn die Antisemiten berühmte Staatsmänner waren:

„Wir haben mit Staunen dem Bericht von Cornel Faltin im Hamburger Abendblatt vom 29.08.00 entnommen, daß George Washington, der Vater der Vereinigten Staaten von Amerika, die Juden als ‚Pest‘ bezeichnete und schrieb: ‚Die Juden arbeiten effektiver gegen uns, als jede feindliche Armee. Sie sind hundertmal gefährlicher für unsere Freiheit.‘ Der gleichen Quelle zufolge pflichtete Benjamin Franklin ihm bei mit der Forderung: ‚Wir müssen unsere junge Nation vor den Juden schützen, sie sind die größte Gefahr.‘

Der Umstand, daß die USA heute von jüdischen Kreisen vollkommen beherrscht werden, belegt, daß diese Warnung vergeblich, aber berechtigt war.“

Damit befindet man sich auf einer Linie mit US-amerikanischen Rechtsextremisten, die von ihrer eigenen Regierung als Zionist Occupied Government (ZOG ) sprechen, und Antisemiten in der arabischen Welt. Als nun islamistische Selbstmordattentäter am 11. September 2001 in New York City und Washington ein Massaker mit 3000 Toten verüben, werden Horst Mahlers Forderungen nach einer internationalen Zusammenarbeit noch lauter.

5. Reaktionen auf den 11. September 2001

Auf welche Art und Weise die Anschläge von New York und Washington von Mahler, Oberlercher und der NPD verarbeitet wurden, demonstrierten ihre folgenden Reaktionen. Dabei fällt auf, dass sich vor allem Mahler und Oberlercher in den Wochen danach in ihre Wahnvorstellungen mehr und mehr hineinsteigern und gegenseitig zu überbieten versuchen.

5.1 Freudige Erwartung

Bereits einen Tag nach den Anschlägen auf das WTC und das Pentagon veröffentlicht Mahler für das Deutsche Kolleg auf ihren Internetseiten eine umfangreiche antisemtische Erklärung, die den eigenen Wahn spezifiziert: „Independence-Day live“[63]. Ohne Umschweife leitet Mahler ein, dass die Terroranschläge „ das Ende des Amerikanischen Jahrhunderts“ markieren würden, „ das Ende des globalen Kapitalismus und damit das Ende des weltlichen Jahwe-Kults, des Mammonismus.“

Horst Mahler stellt – „ voller Mitgefühl für die Toten von Manhattan und ihre Angehörigen“ – klar, dass die „ One-World-Strategen die edelsten Gefühle der ahnungslosen Gutmenschen“ mißbrauchen würden und das „ Geschehene zu einem Rauchvorhang aufzupeitschen, hinter dem die Zusammenhänge unsichtbar bleiben sollen (...).“

Daher sieht sich Mahler genötigt, diese „Zusammenhänge“, d.h. seine Paranoia eines Krieges des „Judaismus“ gegen die „Völker“ der Welt zu erneuern und zuzuspitzen. Für ihn stellen die Anschläge auf das WTC und das Pentagon die logische Konsequenz einer historischen Entwicklung dar, die er nur als einen „ an unsichtbaren Fronten weltweit“ geführten Krieg denken kann. Dieser Krieg geht seiner Meinung nach „seit 1917 (...) von den Finanz-Eliten der USA“ aus und habe mit der „ militärische(n) Niederlage des Deutschen Reiches 1945 (...) die Völker Europas und die übrige Welt schutzlos der US-amerikanischen Militärmacht und den Ausplünderungsfeldzügen der US-Ostküste ausgeliefert.“

Da Mahler zufolge nun „ der Feind der Völker die Welt beherrscht“, sei das „ Recht der Staaten, zur Herstellung oder Bewahrung ihrer Selbstbeherrschung Krieg zu führen, (...) an die Völker in ihrem wieder oder immer noch vorstaatlichen Zustand als Recht zum Klein- und Volkskrieg gegen den Feind der Völker zurückgefallen.“

Die Terroranschläge erscheinen Mahler demzufolge als zu Recht durchgeführte „ Luftangriffe“ eines „ Befreiungskrieges“, der „ als solcher ein Weltkrieg“ sei. Trotz des angeblichen Mitgefühls für die Opfer und Angehörigen bewertet Mahler die Anschläge durchaus positiv, hielten sich die Toten doch als Repräsentanten der „auf Heuchelei gegründeten westlichen Zivilisation im Herz(en) dieses Ungeheuers“ auf.

Horst Mahler projiziert in seiner ersten Erklärung am 12. September 2001 seine eigenen Vernichtungsgelüste auf die „ Globalisten“, die angeblich einen „ Vernichtungskrieg (...) gegen die Kulturen der Völker“ führen. „ Die Macht des Bösen“ könne aber nicht mit militärischen Mitteln bezwungen werden, da „ der Krieg der westlichen Zivilisation, die die Barbarei ist, gegen die Kulturen der Völker“ ein „ geistiger Kampf“ sei. Mahler kritisiert aber den Anschlag weder aus strategisch-militärischen Gründen, noch versteht er unter einem „geistigem Kampf“ die demokratische Arena des offenen Meinungsaustausches und der Diskussion im Wettstreit der überzeugenden Argumente.

Der „geistige Kampf“ werde „ jetzt zu(r) materiellen Gewalt, (...) indem er die Völker ergreift.“ Aus diesem Grund heisst Mahler „ die militärischen Angriffe auf die Symbole der mammonistischen Weltherrschaft“ auch „ eminent wirksam und deshalb rechtens“, da „ sie den Widerstandsgeist der Völker beleben und auf den Hauptfeind ausrichten.“

Und dieser Hauptfeind ist Mahler „ Israel, der biblische Völkermörder.“

So schlägt Mahler einen Bogen vom Mitgefühl für die Opfer über die seinem Wahn entsprungenen „wahren Zusammenhänge“ und kommt am Ende wieder zu einer jüdischen Weltverschwörung, der zu Folge die Anschläge vom 11.9. im gleichen Kontext zu sehen seien wie die Gründung des Staates Israel, der nicht etwa der von Deutschen durchgeführte Mord an den europäischen Juden, sondern die planmäßige „ Vernichtung des Deutschen Reichs“ und der „ Mord am palästinensischen Volk“ vorausgegangen seien. Das Massaker von New York als logische Konsequenz einer unheilvollen, in die mysteriösen Untiefen der Geschichte zurückreichenden Verschwörung:

„Es ist der die gläubigen Juden auf die Erlangung der Weltherrschaft durch Geldleihe ausrichtende Jahwe-Kult, der dem kapitalistischen System gegenwärtig seine tödliche Dynamik verleiht.“

In Mahlers fortgeschrittener Paranoia geht es um den Kampf gegen dieses System, das der Teufel schuf, um Leben und Tod. Doch er sieht sich nicht alleine, und die Massaker vom Vortag in New York und Washington stimmen ihn optimistisch.

[...]


[1] Speer (1975) S.126

[2] Vergl. dazu ausführlich ADL, Terrorism Strikes America: What They are Saying, www.adl.org/

[3] WAR BULLETIN, 16. September 2001, www.resist.com

[4] zitiert nach ADL, www.adl.org/terrorism_america/saying_112901.asp

[5] Vergl. dazu die „Turner Diaries“ in deutscher Übersetzung als Download auf der Homepage der National Alliance unter www.natall.com/german-turner/

[6] Vergl. dazu www.hamburg.de/Behoerden/LfV/aufgaben/rechts/rechts2.htm

[7] vergl. ebd.

[8] Zitiert nach ebd.

[9] So erklärte Rolf Schlierer, der Bundesvorsitzende der „Republikaner“: „Die multikulturelle Illusion ist mit dem World Trade Center untergegangen.“ in: www.rep.de/aktuell/akindex21.htm

[10] ebd.

[11] Vergl.www.hamburg.de/Behoerden/LfV/aufgaben/rechts/rechts2.htm

[12] Vergl. ebd.

[13] Vergl. dazu Frank Jansen u. Lars von Törne: Brüder im Ungeist, Radikale Islamisten und deutsche Rechtsextreme verbindet der Hass auf Juden. Zusammenarbeit gibt es kaum, Tagesspiegel, 8.12.00, www2.tagesspiegel.de/archiv/2000/12/08/ak-th-16173.html+Eisenecker+NPD+Vision+einer+Internationale&hl=de&ie=UTF-8

[14] Spiegel warnt vor Bündnis Neonazis-Islamisten, Tagesspiegel vom 8. Januar 2001

[15] ADL, www.adl.org/anti_semitism/anti_semitism_global.asp

[16] vergl. Maegerle, Anton: Die unheilige Allianz zwischen Hakenkreuz und Halbmond, Neonazis und fundamentalistische Islamisten, www.idgr.de/texte-1/rechtsextremismus/neonazi-arab/unheilige-allianz.html, ADL www.adl.org/anti_semitism/anti_semitism_global.asp sowie Martin A. Lee www.splcenter.org/intelligenceproject/ip-4u3.html

[17] Vergl. Simon Wiesenthal Center, Press Information, 27.2.02 www.wiesenthal.com; SPLC, The Intelligence Report, Spring 2002, www.splcenter.org/intelligenceproject/ip-index.html; Peter Finn in: The Washington Post, 30.04.02; Hugh Williamson/Philipp Jaklin in: Financial Times, 08.11.01.

[18] vergl. dazu auch Spiegel Nr. 46/2001, S.110.

[19] www.memri.de

[20] vergl. Mahler, „ Das Recht und die ‚große metallene Bestie‘ – Die Vereinigten Staaten von Amerika als das Dasein der Unsittlichkei“, 26.11.01 auf www.deutsches-kolleg.org sowie bin Laden im Interview mit John Miller, ABC, Mai 1998. Das Gespräch wurde anläßlich der Anschläge vom 11. September 2001 zwei Tage später vom Fernsehsender PBS im Internet veröffentlicht: http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/binladen/who/interview.html#video

[21] Vergl. Scheit, Gerhard: Verteufelung der Juden, Auferstehung des Blutes, in: Weg und Ziel; http://contextxxi.mediaweb.at/texte/archiv/wuz980231.html Scheit interpretiert Mt 26, 14f. und Mt 27, 9 dahingehend, dass in der Gestalt von Judas die von Jesus vertriebenen Händler in den Tempel zurückkehren und mit ihren ureigenen Mitteln Rache an Jesus üben – mit Geld. Die jüdischen Händler haben demnach also schon Jesus auf dem Gewissen.

Zum Verhältnis der Muslime zum Judentum, siehe Khoury, Adel Theodor: Der Islam und die westliche Welt, Darmstadt 2001; S.29f. Nach Khoury finden sich im Koran Elemente eines Judenhasses, die durchaus kompatibel mit dem modernen Antisemitismus des geldgierigen, „raffenden“ Juden sind. So lieben die Juden angeblich den Reichtum und „verzehren das Vermögen der Menschen durch Betrug“ (Sure 9,32).

Sowie: „Das ist der religiöse Ursprung des Antisemitismus. Die Anhänger der Varerreligion werden von denen des Sohnes gehaßt als die, welche es besser wissen. Es ist die Feindschaft des sich als Heil verhärtenden Geistes gegen den Geist.“ Adorno/Horkheimer (1987) S.205ff. Zitat S.209.

[22] Postone, Moishe (1991) Zitate aus der Internetfassung: www.krisis.org/m-postone_nationalsozialismus-und-antisemitismus.html

[23] ebd.

[24] ebd.

[25] ebd.

[26] „Sie (die Juden; US) werden vom absolut Bösen als das absolut Böse gebrandmarkt.“ Adorno/Horkheimer (1987) S.254.

[27] Sartre (1944), zitiert nach: http://antisemitismus.juden-in-europa.de/europa/sartre.htm

[28] „Der Häupl (Wiener SPÖ Bürgermeister) hat einen Wahlkampfstrategen, der heisst Greenberg. Den hat er sich von der Ostküste einfliegen lassen! Liebe Freunde, ihr habt die Wahl zwischen Spindoctor Greenberg von der Ostküste oder dem Wienerherz zu entscheiden! „

„Wir brauchen keine Zurufe von der Ostküste. Jetzt ist es einmal genug. Jetzt geht es um einen anderen Teil der Geschichte, die Wiedergutmachung für die Heimatvertriebenen.” In: Wien Oberlaa 21.2.2001, zitiert nach: http://www.smoc.net/haiderwatch/

[29] Hitler (1944) S.723; zitiert nach Heller: Kampf gegen die „Ostküste“ unter http://www.idgr.de/texte-1/rechtsextremismus/symbole/ostkueste/ostkueste.html

[30] Heller ebd.

[31] Mahler: Independence-Day live, 12.09.01,www.deutsches-kolleg.org/erklaerungen/independence.shtml

[32] Vergl. Hafenegger (1999) S.41ff.

[33] Wagner (1998) S.44.

[34] nach Hafenegger (1999) S.50 auf 4300 ende der 90er Jahre.

[35] Wagner (1998) S.46.

[36] ebd. S.52

[37] vergl. Antifaschistisches Info-Blatt (AIB) Nr.42 1998.

[38] Hafenegger (1999) S.46.

[39] Der Begriff des Revisionismus wird von Holocaust-Leugnern benutzt, um ihren Lügen den Anschein von Wissenschaftlichkeit zu verleihen. Vergl. dazu Lipstadt (1994) S.7

[40] Funke (2002) S.84

[41] „Zum Antisemitismus der NPD“ (2002), www.gruene-fraktion.de/rsvgn/rs_datei/0..501.00.pdf

[42] Funke (2002) S.84ff

[43] ebd. S.87

[44] NPD-Parteiprogramm: www.npd.net/npd-pv/programm/ Punkt 11, „Ein Volk ohne Vergangenheit hat keine Zukunft“

[45] vergl. Dietzsch/Schobert (2002) S.6

[46] zitiert nach www.bundesregierung.de/Anlage250079/NPD-Verbotsantrag+ohne+Anlagen.pdf

[47] „Deutsche Zukunft“ April/Mai 1993, zitiert nach Dietzsch/Schobert (2002), S.23.

[48] zitiert nach www.bundesregierung.de/Anlage250079/NPD-Verbotsantrag+ohne+Anlagen.pdf

[49] Vergl. Cohn (1988) sowie Hagemeister (2001)

[50] Deutsche Zukunft 6/95, zitiert nach Dietzsch/Schobert (2002), S.27.

[51] Deutsche Stimme 1/99, zitiert nach ww.bundesregierung.de/Anlage250079/NPD-Verbotsantrag+ohne+Anlagen.pdf

[52] vergl. Funke (2002) S.94ff

[53] Wagner (1994) S.134ff; zitiert nach Funke (2002) S.94

[54] Vergl. dazu Funke (2002) S.101

[55] zitiert nach Heller, www.idgr.de/lexikon/bio/m/mahler-horst/mahler-antisemitismus.html

[56] Deutsches Kolleg, 15.10.00, „Ausrufung des Aufstandes der Anständigen“, www.deutsches-kolleg.org/

[57] „Das vorausgeschickt, frage ich bei Udo Voigt an, ob mich die Nationaldemokratische Partei Deutschlands als ihr Mitglied aufnehmen will.“ Erklärung vom12.08.00: „Was sind die Tatsachen? Wie ist die Lage? Was ist zu tun?“ siehe unter: www.deutsches-kolleg.org/hm/

[58] Vergl. Mahler Kurzbio.: www.idgr.de/lexikon/bio/m/mahler-horst/mahler.html

[59] Funke (2002) S.129

[60] Im Januar 2001 schließt die Vereinigung Berliner Strafverteidiger Mahler aus ihrem Berufsverband aus. Mahler habe „mit seinen antisemitischen und faschistischen programmatischen Äußerungen die Basis eines selbstverständlichen menschlichen Grundkonsens verlassen“, heißt es in der am 19. Januar 2001 verbreiteten Erklärung. In der Begründung wird ausserdem Mahlers Befürworten standrechtlicher Erschießungen von Drogenbesitzern und die Umkehr der Beweispflicht bei Strafverfahren gegen das organisierte Verbrechen angeführt. Vergl. AP 19.1.01 Mahler aus Strafverteidiger-Vereinigung ausgeschlossen, zitiert nach Mahler Kurzbio.: www.idgr.de/lexikon/bio/m/mahler-horst/mahler.html

[61] Alle folgenden Zitate aus „Ausrufung des Aufstandes der Anständigen“, www.deutsches-kolleg.org/

[62] vergl. „Neonazismus und rechtsextremistische Gewalt“, Bayrisches Staatsministerium des Innern/Bayrischer Verfassungsschutz (Hg.), Juni 2001, S.11.

[63] Deutsches Kolleg, „Independence-Day live“, 12.09.01 www.deutsches-kolleg.org/

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832472948
ISBN (Paperback)
9783838672946
Dateigröße
830 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Freie Universität Berlin – Politische Wissenschaft, Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaften
Note
1,5
Schlagworte
fundamentalismus terrorismus judenhass september
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Titel: Die Rolle des Antisemitismus im transatlantischen Netzwerk des neuen Rechtsextremismus und seine Verbindungen zu islamistischen Extremisten
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