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Defizite beruflicher Bildung und Ansätze zu ihrer Beseitigung

Dargestellt auf der Grundlage neuerer empirischer Untersuchungen

©2003 Diplomarbeit 96 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Wandels und den Veränderungen der Qualifikationsanforderungen in der Arbeitswelt beschäftigt sich diese Arbeit mit der Situation der beruflichen Bildung in Deutschland.
Es steht die Frage im Mittelpunkt, wie die berufliche Bildung, hier schwerpunktmäßig die duale Erstausbildung, auf die veränderten Anforderungen reagieren kann. Dabei werden anhand der aufgezählten Defizite zahlreiche Problemfelder deutlich, welche die aktuelle Diskussion bestimmen. So wird unter anderem eingegangen auf die Schaffung neuer und die Überarbeitung bestehender Ausbildungsberufe, mangelnde Lernortkooperation zwischen Schule und Betrieb, eine sinkende Attraktivität des dualen Systems bei Arbeitgebern und Schulabgängern sowie die zum Teil noch unzureichende Einbindung der Neuen Medien in den Unterricht.
Unter Einbeziehung von Ergebnissen aus der PISA-Studie sowie der Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zur Untersuchung des strukturellen Wandels der Arbeitswelt werden die mangelnde Vorbildung und große Heterogenität der Auszubildenden sowie die Problematik von Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten eingehender untersucht.
Bei der Darstellung von Lösungsansätzen für eine Verbesserung der beruflichen Bildung werden vielfach verwendete Begrifflichkeiten wie lebenslanges, selbstgesteuertes Lernen, Handlungsorientierung, Problemlösen und vernetztes Denken sowie Schlüsselqualifikationen kurz erläutert.
Schließlich werden Modularisierung, Lernfeldorientierter Unterricht, Lernortkooperation und rechtlich-organisatorische Maßnahmen als Ansätze zur Verbesserung der beruflichen Bildung vorgestellt. Einen größeren Raum nimmt die Untersuchung der Gestaltung von Lehr-Lern-Arrangements ein, wobei Ergebnisse aus dem Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Lehr-Lern-Prozesse in der kaufmännischen Erstausbildung“ mit einbezogen wurden.
Obwohl sowohl bei der Herausarbeitung der Defizite als auch bei der Vorstellung der Lösungsansätze natürlich kein Anspruch auf Vollzähligkeit gestellt werden kann, soll in dieser Arbeit ein möglichst guter Überblick über die aktuelle Diskussion gegeben werden und es können einige interessante Ansätze für Verbesserungen vorgestellt werden.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
InhaltsverzeichnisI
AbkürzungsverzeichnisIV
1.Einleitung
1.1Wirtschaftlicher Wandel und veränderte […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Wirtschaftlicher Wandel und veränderte Qualifikationsanforderungen
1.2 Problemstellung
1.3 Verwendete Studien

2. Defizite der beruflichen Bildung
2.1 Überblick
2.2 Rechtlich-organisatorische Defizite
2.3 Mangelnde Lernortkooperation
2.4 Auflösung des Berufsprinzips
2.5 Sinkende Attraktivität des dualen Systems
2.6 Mangelnde Einbindung der Neuen Medien in den Unterricht
2.7 Probleme in der Qualität der Ausbildung
2.8 Mangelnde Vorbildung und große Heterogenität der Auszubildenden
2.8.1 Ergebnisse aus der PISA-Studie
2.8.2 IAB/BiBB-Studie
2.8.3 OECD-Bildungsindikatorenprojekt
2.8.4 Ungenügende Vorbereitung auf das Berufsleben
2.9 Jugendliche mit Lernschwierigkeiten
2.9.1 Ergebnisse aus PISA- und IAB/BiBB-Studie
2.9.2 Bedeutung für die berufliche Ausbildung
2.10 Abschließende Bemerkungen zu Defiziten der beruflichen Bildung

3. Lösungsansätze
3.1. Allgemeine Aussagen
3.2 Erläuterung wichtiger Begriffe
3.2.1 Lebenslanges, selbstgesteuertes Lernen
3.2.2 Handlungsorientierung
3.2.3 Problemlösen und vernetztes Denken
3.2.4 Schlüsselqualifikationen
3.3 Möglichkeiten zur Verbesserung der beruflichen Bildung
3.3.1 Rechtlich-Organisatorische Maßnahmen
3.3.1.1 Attraktivitätssteigerung des dualen Systems
3.3.1.2 Neuordnung bestehender und Einführung neuer Ausbildungsberufe
3.3.1.3 Weiterentwicklung der Berufsschulen
3.3.1.4 Verbesserungen durch Verbundausbildung und neue Prüfungsordnungen
3.3.2 Modularisierung
3.3.2.1 Definition
3.3.2.2 Aktuelle Diskussion
3.3.2.3 Ansätze zur Verbesserung von Defiziten
3.3.3 Lernfeldorientierter Unterricht
3.3.4 Lernortkooperation
3.3.5 Gestaltung von Lehr-Lern-Arrangements
3.3.5.1 Einführende Bemerkungen
3.3.5.1.1 Die Theorie des Konstruktivismus
3.3.5.1.2 Beziehungen zu Schlüsselqualifikationen / Handlungsorientierung
3.3.5.1.3 Ergebnisse aus der PISA-Studie
3.3.5.1.4 Voraussetzungen für gute Lehr-Lern-Arrangements
3.3.5.2 DFG-Projekt „Lehr-Lern-Prozesse in der kaufmännischen
Erstausbildung
3.3.5.2.1 Überblick über das Projekt
3.3.5.2.2 Interesse und Motivation
3.3.5.2.3 Kompetenzentwicklung
3.3.5.2.4 Lehren und Lernen in komplexen Situationen
3.3.5.3 Abschließende Bemerkungen und nicht genannte Lösungsansätze

4. Zusammenfassung / Abschließende Bemerkungen

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Wirtschaftlicher Wandel und veränderte Qualifikationsanforderungen

Globalisierung, Kundenorientierung und Shareholder-Value führen zu einem weltweiten Konkurrenzkampf, einer höheren Flexibilität der Betriebe und auch zu der damit verbundenen Notwendigkeit einer höheren Flexibilität und Mobilität der Beschäftigten.[1]

Man spricht dabei auch von einer „Tertiärisierung“, d.h. einer wachsenden Bedeutung des Dienstleistungssektors beim Umbau und der Modernisierung der Wirtschaft. Auch innerhalb des Produktionssektors haben viele Arbeitsplätze mittlerweile Dienstleistungscharakter.[2]

Die Vielschichtigkeit und Geschwindigkeit des Umbruchs, der gleichzeitig alle gesellschaftlichen Bereiche umfasst, wird dabei als neu gegenüber früheren ökonomischen und gesellschaftlichen Phasen angesehen.[3]

So werden in gewissen Bereichen des Dienstleistungssektors schon wieder Sättigungstendenzen festgestellt, z.B. nimmt die Beschäftigung im Bürobereich wieder ab bzw. es wird ein Ende des Wachstums vorausgesagt.[4]

Die technologischen und organisatorischen Strukturveränderungen in den Betrieben sind dabei von großer personalpolitischer Bedeutung und bestimmen nachhaltig die Beschäftigungsentwicklung, den Fachkräftebedarf und somit letztendlich auch den Qualifikationsbedarf der Betriebe.[5]

Dabei sinkt die Halbwertszeit erworbener Qualifikationen, auch müssen in einem Berufsleben öfter die Tätigkeitsfelder gewechselt werden. [6] Mit steigender Komplexität der Anforderungen einher geht auch die steigende Zahl höherqualifizierter Arbeitskräfte.[7]

Dabei wird Bildung zum Standortfaktor und gewinnt an Bedeutung. Die Faktoren Ausbildung und Weiterbildung werden im globaler werdenden Wettbewerb zu aus- schlaggebenden Faktoren.[1]

Allerdings kann das Bildungssystem, v.a. die berufliche Erstausbildung, bei dem sich schnell wandelnden Qualifikationsbedarf, den Arbeitsmarkt nicht schnell genug versorgen.[2] Das Problem ist z.B., dass man nicht so recht weiß, für welche Berufspraxis die jungen Menschen ausgebildet werden und ob die heute nachgefragten Qualifika-

tionen nicht schnell wieder veralten.[3]

Eine praxisbezogene Erstausbildung stellt allerdings immer noch eine effektive Voraussetzung für eine systematische berufliche Weiterbildung dar. Eine Anpassung an die wandelnden Qualifikationsanforderungen ist daher besonders gut möglich.[4]

DIHT und ZDH sprechen daher vom Abschluss einer Berufsausbildung, die als Initialqualifikation für Weiterbildung fungiert und die eine zentrale Basisqualifikation darstellt.[5] Die duale Berufsausbildung fungiert also als Grundlage für Flexibilität und Weiterbildungsvermögen, dabei kann sie keine abgegrenzte berufliche Spezialisierung mehr bedeuten, sondern muss den Wechsel innerhalb von Tätigkeitsfeldern ermöglichen.[6]

Der dualen Berufsausbildung kommt also auch in Zukunft eine wichtige Rolle zu. So stellt sie für Betriebe ein wichtiges Instrument der Nachwuchsgewinnung dar. Für 33% der Betriebe ist die Berufsausbildung sehr wichtig für künftige Personalgewinnung, für weitere 53 % wichtig.7 Ein grundsätzlicher Bedeutungsrückgang ist in naher Zukunft nicht zu erwarten.[8]

Die Reaktionsfähigkeit des Bildungssystems ist allerdings begrenzt und reicht nicht aus, um schnell genug auf die Veränderungen zu reagieren. Zum einen deshalb, weil die Ausbildungszeit zwei bis drei Jahre (Lehre) oder sogar bis zu sechs Jahre (Studium) beträgt, zum anderen weil das Bildungssystem selbst nicht sofort ohne Zeitverzögerung auf die sich wandelnden Anforderungen reagiert. Der Generationenwechsel reicht allein nicht aus! Die Beschäftigten selbst müssen sich ändern und sich den veränderten Anforderungen anpassen. [1]

Ziel muss also die Vermittlung einer umfassenden beruflichen Handlungskompetenz sein. Die Ausbildung muss zudem auf ein lebenslanges, selbstgesteuertes Lernen vorbereiten. [2]

Gerade in der Berufsausbildung muss neben einer soliden fachlichen Erstausbildung das Schwergewicht auf die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen sowie Lern- und Arbeitskompetenzen gelegt werden. [3]

Fach- und Sozialkompetenzen sind nach wie vor wichtig, hinzu kommen aber Elemente wie Breitenqualität und Übersichtswissen, Phantasiefähigkeit, Organisationskönnen und Entscheidungsbereitschaft, Selbständigkeit und Verantwortlichkeit, Teamgeist und Kommunikationsfähigkeit sowie die Fähigkeit, komplexe Vorgänge und Zusammenhänge zu durchschauen. [4]

1.2 Problemstellung

Vor dem Hintergrund dieses wirtschaftlichen Wandels und den Veränderungen der Qualifikationsanforderungen in der Arbeitswelt, wie sie auf den ersten Seiten bereits angesprochen worden sind, beschäftigt sich diese Arbeit mit der Situation der beruflichen Bildung in Deutschland.

Es wird die Frage im Mittelpunkt stehen, wie die berufliche Bildung, hier schwerpunktmäßig die duale Erstausbildung, auf die veränderten Anforderungen reagiert. An zahlreichen aufzuzeigenden Defiziten wird schnell deutlich, dass es einige Problemfelder gibt, die zu Diskussionen Anlass geben und als verbesserungswürdig angesehen werden.

Schließlich sollen Überlegungen angestellt werden, welche Verbesserungsvorschläge und Ansätze zur Lösung dieser Defizite vorhanden sind. Hier kann auf bereits gemachte Erfahrungen und zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen aufgebaut werden, und es können viele positive Ansätze dargestellt werden.

Sowohl bei der Aufzählung der Defizite als auch bei der Vorstellung der Lösungsansätze wird dabei kein Anspruch auf Vollzähligkeit gestellt. Zu viele Vorschläge und Ansätze finden sich in der aktuellen wirtschaftspädagogischen Diskussion um die Zukunft und Ausgestaltung der beruflichen Bildung, als dass alle Ansätze im Rahmen dieser Diplomarbeit in der nötigen Länge vorgestellt werden können.

Auch wird es nicht gelingen, eine direkte Gegenüberstellung der jeweiligen Defizite mit einem genau dafür passenden Verbesserungsvorschlag darzustellen. Einige Lösungsansätze und Vorschläge greifen oftmals mehrere vorher genannte Defizite auf, auch gibt es Defizite, für die man bislang noch keine oder keine wirklich zufriedenstellenden Lösungen gefunden hat.

Daher soll, sowohl bei den Defiziten als auch bei den Lösungsansätzen, ein möglichst guter Überblick über die aktuellen Diskussionsthemen gegeben werden. Im Rahmen der Behandlung der Lösungsansätze kann dann immer wieder auf zuvor genannte Defizite Bezug genommen und eventuelle Verbesserungen aufgezeigt werden.

Sowohl bei der Herausarbeitung von Defiziten der beruflichen Bildung als auch bei der Erläuterung von Lösungsansätzen stützt sich diese Arbeit, neben zahlreichen Literaturquellen, auf einige empirische Studien, aus denen wichtige Ergebnisse herausgearbeitet wurden.

Zwei dieser Studien, auf die in der Arbeit des Öfteren eingegangen werden wird, sollen im folgenden Abschnitt kurz vorgestellt werden.

1.3 Verwendete Studien

Gerade bei der Untersuchung von Defiziten, vor allem im Bereich der Vorbildung der zukünftigen Ausbildungsabsolventen, liefert die PISA-Studie (Programme for International Student Assessment) viele wichtige Hinweise.

Diese im Jahr 2000 von der OECD durchgeführte Untersuchung, bei der in 32 Staaten jeweils zwischen 4.500 und 10.000 Schüler im Alter von 15 Jahren befragt wurden, soll Indikatoren aus den Bereichen Lesekompetenz, mathematische Grundbildung, naturwissenschaftliche Grundbildung sowie fächerübergreifende Kompetenz ermitteln. Den beteiligten Ländern sollen somit Grundlagen für politisch-administrative Entscheidungen zur Verbesserung der nationalen Bildungssysteme bereitgestellt werden. 1

Dabei wurde sich an einer lebensalterbasierten Populationsdefinition orientiert, d.h. es wurden Schüler eines gewissen Alters unabhängig von der besuchten Jahrgangsstufe oder Bildungseinrichtung untersucht. Somit ist eine Aussage über die Kompetenz einer eindeutig bestimmten Altersgruppe möglich.[2]

Gemäß dem Grundbildungskonzept von PISA sollen Basiskompetenzen in variierenden Anwendungssituationen erfasst werden, wobei sich ausdrücklich nicht an den schulischen Curricula orientiert wird. [3]

Man hofft, sich durch die Konzentration auf Lesekompetenz und mathematische Modellierungsfähigkeit, auf Basiskompetenzen zu konzentrieren, die wichtige Voraussetzungen für die Teilhabe an Kommunikation und damit auch für die Lernfähigkeit darstellen. Diese Basiskompetenzen sollten, im Gegensatz zu Fächern, nicht variabel sein. [4]

Weiterhin wurde die Untersuchung auf fächerübergreifende Kompetenzen erweitert. In der internationalen Option wurde der Bereich des selbstregulierten Lernens mit einbezogen, im nationalen Erhebungsprogramm Problemlösen und Aspekte von Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit. Selbstreguliertes Lernen sowie Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit stellen allerdings nur Teilaspekte von komplexen Handlungskompetenzen dar. Da die Erfassung komplexer Handlungskompetenz aber sehr schwierig ist, wird sich hier auf diese Teilbereiche konzentriert. [5]

Die zweite Studie ist eine repräsentative Erhebung des IAB in Zusammenarbeit mit dem BiBB, die Grundlage für Untersuchungen des strukturellen Wandels der Arbeitswelt und Auswirkungen auf die Beschäftigung ist.

Bei dieser Studie handelt es sich um eine 0,1-Prozent-Stichprobe der zum Befragungszeitpunkt Beschäftigten (ca. 34.000 Erwerbspersonen), deren Feldarbeit um die Jahreswende 1998/99 durchgeführt wurde. Die repräsentative Befragung zur Qualifikation und zum beruflichen Werdegang der erwerbstätigen Bevölkerung setzt den Schwerpunkt auf die sich aktuell vollziehenden Veränderungs- und Wandlungsprozesse der Arbeitswelt, wobei neben der aktuellen beruflichen Tätigkeit auch sämtliche Ausbildungsgänge erfasst werden. [1]

Gefragt wurde ferner, ob es in dem Betrieb Veränderungen gegeben hatte und ob man davon betroffen war sowie nach den subjektiv empfundenen Veränderungen der Arbeitsbedingungen. Auch individuelle Mobilitätsprozesse, wie z.B. der Zeitpunkt bestimmter Ereignisse im Berufsleben der Beschäftigten sowie das Weiterbildungsverhalten und der Weiterbildungsbedarf, wurden untersucht. [2]

Natürlich waren neben diesen beiden Studien weitere Untersuchungen und Studien Grundlage für die Herausarbeitung der Defizite bzw. der Lösungsansätze. Diese Literaturquellen finden dann jeweils im Text ihre Erwähnung. Auch wird im Abschnitt

der Lösungsansätze auf das DFG-Forschungsprojekt „Lehren und Lernen in der beruflichen Erstausbildung“ noch genauer eingegangen, welches Grundlage für die Vorstellung einiger Lösungsansätze zur Gestaltung von Lehr-Lern-Arrangements sein wird.

2. Defizite der beruflichen Bildung

2.1 Überblick

Nachdem im ersten Kapital auf Veränderungen im Wirtschaftsleben und in der Arbeitswelt eingegangen wurde, können nun zusammenfassend folgende Aussagen gemacht werden:

Die Arbeitswelt ist einem schnellen Wandel unterzogen. Dabei ändern sich für die im Erwerbsprozess Stehenden die Qualifikations- und Kompetenzanforderungen teilweise sehr schnell. Wer im Arbeitsleben bestehen will, muss folglich in der Lage sein, sich diesen Änderungen anzupassen und sie zu bewältigen.

Dazu ist eine solide Erstausbildung erforderlich, die über fachliche Aspekte hinaus Handlungskompetenzen und die Fähigkeit zu lebenslangem, selbstreguliertem Lernen vermitteln muss.

Gleichzeitig zeigt unter anderem die PISA-Studie, dass die Voraussetzungen der Schulabgänger nicht besonders positiv sind. Im internationalen Bereich liegen die Lese-, Mathematik- und Naturwissenschaftlichen Kompetenzen nur im Mittelfeld. Die Grundlage für die Bewältigung der beruflichen Anforderungen ist so, zumindest bei einem Teil der Jugendlichen, in Frage gestellt.

Vor diesem Hintergrund soll nunmehr die berufliche Bildung eingehender untersucht werden. Zunächst interessiert vor allem, welche Defizite der beruflichen Bildung auszumachen sind. Diese sollen in einem ersten Abschnitt aufgezeigt und erläutert werden. Wichtige Anhaltspunkte liefern die bereits genannten Studien des IAB/BiBB „Wandel der Arbeitswelt“ sowie die PISA-Studie. Aber auch weitere Literaturquellen werden mit einbezogen.

Dabei ist es nicht möglich, alle Defizite in der ihnen gebührenden Länge darzustellen. Einige können aus Platzgründen nur kurz erläutert werden. Es sollte aber ein guter Überblick über die aktuelle Problemlage der beruflichen Bildung, hier schwerpunktmäßig der beruflichen Erstausbildung, entstehen, so dass im weiteren Verlauf der Arbeit interessante Lösungsansätze für viele der genannten Defizite aufgezeigt werden können.

2.2 Rechtlich-organisatorische Defizite

Im Bereich der rechtlich-organisatorischen Defizite werden die ordnungspolitischen Verfahrensregeln als dringend Veränderungsbedürftig angesehen. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang, dass erhebliche Schwierigkeiten bestehen, die Bildungsgänge zügig auf ihre Funktionalität hin zu überprüfen und die Ausbildungsinhalte an die rapiden Veränderungen in Technik und Gesellschaft kontinuierlich anzupassen. Die Verfahren, nach denen bestehende Ausbildungsberufe reformiert sowie neue geschaffen werden, werden als zu langwierig und kompliziert angesehen.[1]

Das System der anerkannten Ausbildungsberufe gilt gelegentlich als überkommen, starr und nicht hinreichend bedarfsorientiert.[2]

So geben in einer repräsentativen Studie des BiBB bei Betrieben und Jugendlichen zur Wertschätzung der dualen Berufsausbildung und ihrer Einflussfaktoren sieben Prozent der Industriebetriebe, sechs Prozent aus dem Handwerk, elf Prozent aus dem Handel sowie 28% der sonstigen Dienstleister an, dass für die betrieblichen Aufgabenfelder passende Ausbildungsberufe fehlen bzw. zukünftig fehlen werden. Weiterhin wird in dieser Umfrage kritisiert, dass die Ausbildung nicht flexibel genug ist, um auf aktuelle Personalprobleme zu reagieren. Dies sagen neun Prozent in der Industrie, sieben Prozent im Handwerk, 21 % im Handel und acht Prozent der sonstigen Dienstleister.[3]

Es zeigt sich also, dass es Defizite bei der Schaffung neuer und der Umgestaltung bestehender Ausbildungsgänge gibt.

Einer der Kernvorwürfe an das duale System ist daher auch, dass überproportional in solchen Berufen ausgebildet wird, für die auf dem Arbeitsmarkt kein Bedarf besteht, und dass das duale System in zukunftsorientierten Branchen und Beschäftigungsfeldern nicht hinreichend repräsentiert ist. Ein Indikator, der diese These unterstützt, ist die Tatsache, dass das Verhältnis zwischen der Zahl der Ausbildungsberufe im Bereich Güterproduktion und Wartung gegenüber der Zahl im Bereich Dienstleistungen und Infrastruktur ca. 75 zu 25 beträgt, während das Verhältnis der Zahl der in diesem Bereich Tätigen mit ca. 27 zu 73 fast umgekehrt ist.[4]

Als Gründe für dieses ungleiche Verhältnis der Zahl der Ausbildungsplätze und der Zahl der Erwerbstätigen im jeweiligen Bereich werden angeführt, dass viele Betriebe ihren Bedarf an Fachkräften durch andere Formen der Personalrekrutierung decken, dass Betriebe über ihren Bedarf ausbilden, oder dass Qualifikationen nachgefragt werden, für die es im dualen System keine passenden Ausbildungsgänge gibt. Auch können die Ausbildungswünsche der Jugendlichen zu einer mangelnden Deckungsgleichheit der Ausbildungsstellenwahl mit den Beschäftigungsmöglichkeiten, sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite, führen.[1]

So wie die dynamischen Entwicklungen in der Arbeitswelt nachhaltig die Rahmenbedingungen für die duale Berufsausbildung verändern, so ergibt sich durch den Strukturwandel in den Branchen eine Neuschneidung von Betätigungsfeldern. Benötigt werden neben neuen Berufen auch neue Strukturmodelle für Ausbildungsberufe.[2]

Die duale Berufsausbildung muss also stärker auf die sich rasch verändernden Geschäfts- und Produktionsprozesse ausgerichtet werden. Dabei muss der Einzelne in die Lage versetzt werden, sich eigenständig, eigenverantwortlich und flexibel auf die neuen Anforderungen einzustellen.[3]

Kritisiert wird, dass das Erschließen der Dienstleistungsbranche für die duale Ausbildung zu langsam voran kommt.[4]

Eine Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft hat sich mit den Chancen und Problemen der Ausbildung im Bereich der Neuen Medien beschäftigt. Dazu wurden im September 2000 Betriebe aus der Multimedia-Branche, die zum Befragungszeitpunkt nicht ausbildeten, befragt Hier zeigte sich als ein wichtiger Grund für die mangelnde Ausbildungsbereitschaft die unzureichenden Kenntnisse über die duale Ausbildung in diesem Wirtschaftsbereich. So gaben nur 15 % der befragten Unternehmen an, sich sehr gut auszukennen, weitere 33% gaben an, sich „einigermaßen gut“ auszukennen. 37 % kennen sich zu wenig aus, um sich ein Urteil zu bilden, und 16 % räumten ein, keine Kenntnis zu haben.[5]

Ein Drittel aus der Gruppe der Ausbildungskenner sahen sich trotzdem nicht in der Lage, wenigstens einen existierenden Beruf im Bereich der multimediabezogenen Ausbildungsberufe zu nennen.[1]

Es zeigte sich allerdings auch, dass in diesem Bereich noch erhebliche Potentiale für die duale Berufsausbildung bestehen. So haben 73 % der Unternehmen immerhin darüber nachgedacht, einen Ausbildungsplatz einzurichten und 16 % werden in naher Zukunft mit der Ausbildung beginnen.[2]

Zu beachten ist allerdings meiner Ansicht nach, dass diese Umfrage aus dem Jahr 2000 stammt, in dem die Aussichten im Bereich der Multimedia-Branche allgemein noch als besonders positiv angesehen wurden. Auch in diesem Bereich haben sich die wirtschaftlichen Aussichten deutlich verschlechtert, was auch Auswirkungen auf die Ausbildungsbereitschaft haben dürfte.

Interessant ist in jedem Falle das Ergebnis, dass von 85 % der Betriebe, die an dieser Umfrage teilgenommen haben, strukturelle Gründe für mangelnde Ausbildungsbereitschaft angeführt werden. So wird genannt, der Betrieb sei zu klein, oder Personal, Zeit bzw. räumliche Voraussetzungen seien nicht gegeben. Bei nur sieben Prozent spielt die Bewertung des dualen Systems eine Rolle. Relevant ist allerdings das Argument fehlender Ausbildereignung bzw. Ausbilderbefugnis. Dieses Argument steht an zweiter Stelle für Gründe bisheriger Ausbildungsabstinenz.[3]

Diesem Argument hat die Politik allerdings die Grundlage entzogen, da die Ausbildereignungsverordnung vom Bundeskabinett für fünf Jahre, ab dem 1, August 2003, ausgesetzt wurde.[4]

Es zeigte sich in dieser Umfrage recht deutlich, dass doch noch teilweise erhebliche Informationsdefizite bestehen, die nicht zuletzt wichtige Ursache für eine unterentwickelte Ausbildungsbereitschaft in dieser Branche sein können. Gleichzeitig steckt hier mit Sicherheit noch weiteres Potential zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze.

Kritisiert wird im rechtlich-organisatorischen Zusammenhang auch das Prüfungswesen in der dualen Ausbildung. Eine moderne, an Arbeits- und Geschäftsprozessen orientierte Berufsausbildung erfordert eine moderne, stärker prozessual strukturierte Prüfung, deren Inhalte und Durchführung der Weiterentwicklung bedürfen durch mehr Strukturwissen, weniger Detailwissen, mehr Exemplarität und weniger Vollständigkeit.[1] Auch die Ineffizienz der Zwischenprüfungen sowie die hohen Kosten der Abschlussprüfungen geben Anlass zur Kritik.[2]

Ein häufig genannter Punkt für zahlreiche Defizite im rechtlich-organisatorischen Bereich ist das Konsensprinzip. Auf der einen Seite führt das Konsensprinzip durch die Partizipation der gesellschaftlichen Gruppen in Planung und Durchführung von Berufsbildung zu breit akzeptierten Qualitätsstandards und auch zu einem vergleichsweise hohen Stellenwert von Berufsbildungsfragen in Wirtschaft und Gesellschaft.[3]

Doch das Konsensprinzip hat auch negative Seiten. So finden sich als Kritikpunkte Schwerfälligkeit, Langwierigkeit und auch Blockierung bei der Anpassung der Ordnungsgrundlagen an veränderte Rahmenbedingungen. Die konsensuelle Entwicklung von Mindeststandards steht also im Konflikt mit der Forderung nach einer möglichst hohen Aktualität der Ausbildungsziele und –inhalte.[4]

Zum Abschluss der Behandlung der rechtlich-organisatorischen Defizite sollen noch einige Punkte genannt werden, die die schulische Seite betreffen.

So wird auch hier eine schwerfällige Organisationsstruktur und die Einbettung in die staatliche Verwaltungs- und Laufbahnhierarchie genannt. Die Schule sei dadurch nicht in der Lage, die durch die sozioökonomischen Megatrends für die Betriebe ausgelösten Probleme in der Berufsausbildung aufzunehmen und zu lösen. Weiterhin werden eine unzulängliche Ausstattung, personelle Überalterung, Unterrichtsausfall, mangelnder Praxisbezug sowie eine didaktisch-methodische Rückständigkeit als Kritikpunkte angeführt.[5]

In diesem Zusammenhang wird die Frage nach dem Umfang und der Organisation des Berufsschulunterrichts laut. Teilweise radikale Stimmen fordern die Abschaffung des zweiten Berufsschultages, moderater ansetzende Stimmen befürworten eine „Verdichtung“ bzw. „Flexibilisierung“ des Berufsschulunterrichts.[6]

Was man beobachten kann ist, dass der allgemeine Bildungsauftrag der Berufsschule, die politische und kulturelle Erziehung, stark zurückgeschraubt wurde und bis auf den heutigen Tag zur Randerscheinung degradiert ist. Es ist eine verhältnismäßig starke Determiniertheit des Berufsschulcurriculums durch die Betriebsausbildung gegeben. Ein Autonomie- und Funktionsverlust der Berufsschule ist, zumindest in curricularer Hinsicht, zu beobachten. [1]

Die Überwindung des herkömmlichen, auf die Betriebsausbildung fixierten Berufsschulunterrichts ist notwendig, um Schlüsselqualifikationen in verschiedenster Hinsicht, auch durch die Integration von beruflicher und allgemeiner Bildung auf der Grundlage einer zeitgemäßen kritischen Gesellschaftslehre, zu fördern. [2]

Im Zusammenhang mit der Beschäftigung mit rechtlich-organisatorischen Defiziten werden auch häufig Probleme im Bereich der Lernortkooperation, vor allem zwischen den Lernorten Schule und Betrieb, angesprochen. Diese Problematik soll im folgenden Abschnitt näher beleuchtet werden.

2.3 Mangelnde Lernortkooperation

Auf die Bedeutung des Zusammenwirkens der beiden Lernorte für den Erfolg des dualen Systems hat schon der Deutsche Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen im Jahre 1966 hingewiesen.[3]

Auch in den Rahmenvereinbarungen über die Berufsschule wird betont, dass die Berufsschule und der Ausbildungsbetrieb in der dualen Berufsausbildung einen gemeinsamen Bildungsauftrag erfüllen.[4] Als jeweils eigenständige Lernorte und gleichberechtigte Partner ist eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung beider Partner in inhaltlichen und organisatorischen Fragen wichtig für die Erfüllung des Bildungsauftrags.[5]

Unter kooperativem Handeln ist das gegenseitige Informieren über Erwartungen, Erfahrungen und Probleme im Ausbildungsalltag, das Abstimmen berufspädagogischen

Handelns zwischen Ausbildern und Berufsschullehrern, sowie das Zusammenwirken in dem Sinne, dass Lehrer und Ausbilder im Rahmen einer an pädagogischen Kriterien ausgerichteten Zusammenarbeit gemeinsam vereinbarte Vorlagen verfolgen, zu verstehen.[1]

Zu beachten ist, dass sich die Lernorte Betrieb und Schule hinsichtlich ihrer Zielausrichtung, Rechtsstellung und Arbeitssituation der Lehrenden deutlich unterscheiden.[2] Man kann allerdings nicht mehr davon ausgehen, dass der Betrieb die „Praxis“ und die Berufsschule die „Theorie“ vermittelt.[3] Die Lernorte Arbeitsplatz und Berufsschule verlieren vielmehr an Bedeutung, wenn an ihrer bisherigen Trennung und Isolierung festgehalten wird. Eine strikte Trennung zwischen theoretischen und praktischen Phasen der Ausbildung ist nicht mehr eindeutig möglich.[4]

Empirische Daten zeigen allerdings, dass die Zusammenarbeit noch keineswegs optimal verläuft. So pflegen ca. 60 % der Betriebe keine oder nur sporadische Kooperationsaktivitäten.[5]

In einer Untersuchung über potentielle Ausbildungsmängel wurde die fehlende

Abstimmung zwischen Schule und Betrieb bei Auszubildenden als größter Mangel im organisatorischen Bereich gesehen und von 58% mit „trifft zu“ und von 32 % mit „stört mich“ beantwortet.[6]

Es zeigte sich, dass nur 20 % der Betriebe, im kaufmännisch-verwaltenden Bereich sogar nur 16 %, kontinuierlich-fortgeschrittene Kooperationsaktivitäten in Form regelmäßiger Treffen zur Klärung zeitlich-organisatorischer und ansatzweise methodisch-didaktischer Fragen durchführen. Regelmäßige Treffen zur intensiven Erörterung organisatorischer und methodisch-didaktischer Fragen, d.h. kontinuierlich-konstruktive Kooperationsaktivitäten, haben sogar nur 16 % (im kaufmännisch-verwaltenden Bereich 11 %) der Betriebe.[7]

So verwundert es nicht, dass nur wenige der Auszubildenden die Abstimmung zwischen Schule und Betrieb für gelungen halten.[8] Eine Zusammenwirkung in didaktisch-methodischen Fragen zur Erhaltung oder Verbesserung der Ausbildungsqualität ist nur selten anzutreffen.[9]

Eine Kontaktaufnahme wird oftmals erst dann für notwendig erachtet, wenn der Auszubildende auffällig wird und den Leistungsanforderungen nicht genügt. Kooperation wird als Weg zur Behebung von Ausbildungsproblemen gesehen.[1]

Das duale System kann sein Potential erst entfalten, wenn die Lernprozesse in den Lernorten nicht zusammenhangslos nebeneinander stehen, sondern möglichst eng aufeinander bezogen sind. Die Theorie- und Praxisbezüge unterscheiden sich voneinander. So können in der Schule keine Ernstsituationen der betrieblichen Praxis und im Betrieb keine übergreifenden Theoriebezüge aufgenommen werden. Durch diese Unterschiedlichkeit der Lernorte und ihren je spezifischen Lernkulturen wird allerdings auch ein lernförderliches Potential geschaffen.[2]

Die unterschiedlichen Anwendungskontexte, d.h. in der Schule kontextenthobenes Fachwissen im Rahmen von Prüfungen reproduzieren, im Betrieb kontextbezogene Fertigkeiten an Standard- und Routineaufgaben reproduzieren, verhindern bei fehlender

Kooperation die Verknüpfung theoretischen Wissens mit den Alltagserfahrungen und betriebspraktischen Kenntnissen zu einer konsistenten und flexiblen, individuellen Handlungskompetenz.[3]

Das Verbinden der Erfahrungen aus betrieblicher und schulischer Ausbildung führt nicht selten zu Lernschwierigkeiten und Disziplinproblemen.[4] Die Auszubildenden können bei mangelnder Lernortkooperation oft nicht erkennen, inwieweit Theorie und praktische Anwendung, situatives Handeln und kritische Reflexion, aufeinander bezogen sind. Die Aufgabe, den notwendigen Transfer herzustellen, wird somit strukturell auf die Auszubildenden verlagert.[5]

Die Frage stellt sich allerdings, ob die Lehr-Lern-Prozesse in Schule und Betrieb überhaupt so miteinander verbunden werden können, dass Entscheidungs- und Handlungskompetenz, Persönlichkeitsentwicklung und Organisationsentwicklung erreichbar werden.[6]

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden bei der Behandlung von Lehr-Lern-Arrangements und dem Aufzeigen von Lösungsansätzen zur Verbesserung der beruflichen Bildung immer wieder Elemente einer engeren Verzahnung und Kooperation der Lernorte aufgezeigt werden.

So zeigt sich zum Beispiel durch die Einführung der Lernfelder und der damit verbundenen „Schneidung“ neuer Fächer, dass die herkömmliche „Arbeitsteilung“ zwischen betrieblicher und schulischer Ausbildung neu diskutiert werden muss.[1]

Auch zahlreiche Modellprojekte basieren zunehmend auf einer immer engeren Zusammenarbeit und Absprache zwischen Schule und Betrieb. Die Notwendigkeit und Bedeutung einer guten und engen Zusammenarbeit zwischen den an der Ausbildung beteiligten Lernorten wird gerade auch hier sehr deutlich.

2.4 Auflösung des Berufsprinzips

Das deutsche System von Arbeit und Berufsausbildung ist durch die Beruflichkeit als organisierendes Prinzip gekennzeichnet und unterscheidet sich dadurch von den Systemen anderer Länder.[2]

„Beruf, verstanden als eine spezifische Kombination von Arbeit, Erwerb und Qualifikation hat neben einer funktionalen immer auch eine soziale Dimension.“[3] Dabei kommt dem Beruf und der Beruflichkeit ein zentraler, normativer und regulativer Stellenwert für die gesellschaftliche Integration durch Bildungs-, Sozial-, und Arbeitsmarktpolitik, sowie im Spiel der korporatistischen Interessenaushandlung, insbesondere der Tarifpolitik, zu.[4]

Trotz des Wandels der Erwerbsarbeit ist in der deutschen Gesellschaft der Beruf nach wie vor als Organisationsprinzip für Ausbildung, Arbeitsvermögen, betriebliche Strukturen und Arbeitsabläufe sowie als Kristallisationspunkt sozialer Identität von großer Bedeutung.[5]

So sieht auch der DIHT in seinen „Leitlinien Ausbildungsreform“ das Prinzip der Berufsbezogenheit , der „Beruflichkeit“ von betrieblicher Ausbildung, als das Herzstück der Berufsbildung in Verantwortung der Wirtschaft an. Es wird auch klar gesagt, dass das Berufskonzept das Fundament der betrieblichen Ausbildung bleibt. Auch muss die Berufsausbildung zu voller Berufsfähigkeit führen und mit dem Abschluss der Ausbildung muss eine vollwertige Erwerbstätigkeit aufgenommen werden können, ohne zusätzliche stützende oder überleitende Qualifizierungen.[1]

Weiterhin findet sich in den KMK-Handreichungen der Hinweis, dass unter den Verantwortlichen für das duale System in Deutschland, also Bund, Länder, Wirtschaft und Gewerkschaften, Konsens besteht über die Ausrichtung der Berufsausbildung am Berufskonzept. Die anerkannten Ausbildungsberufe bleiben damit im dualen System der Berufsausbildung die Qualifizierungsebene für den Fachkräftebedarf der Wirtschaft.[2]

Es gibt jedoch auch zahlreiche kritische Stimmen zum Berufsprinzip.

Bereits seit Ende der siebziger Jahre wurde die Zukunft der Berufe grundlegend in Frage gestellt. Für eine Entberuflichung sprachen Aspekte wie die, dass eine durch Berufe strukturierte Arbeitswelt Bildungs- und Mobilitätshemmnisse sowie Technologiedefizite bzw. mangelnde Anpassungsfähigkeit an Veränderungen erzeuge.[3]

Auch heute wird argumentiert, dass, wenn die Arbeit einem beschleunigten Wandel unterworfen ist, sich die Diskrepanz zwischen betrieblicher Arbeit und der als statisch betrachteten Idee des Berufes vergrößere.[4]

Umbrüche im Beschäftigungssystem würden das Berufsprinzip fragwürdig oder gar überflüssig machen. Genannt werden zum Beispiel eine Flexibilisierung von Arbeitszeit- und Arbeitsort, die Entstehung nichtbetrieblicher und nichtberuflicher Beschäftigungsverhältnisse, Arbeitslosigkeit als verbreitete Sozialerfahrung in segmentierten Arbeitsmärkten , der Ausfall traditioneller Sozialbindungen und schließlich eine Relativierung des Berufsprinzips als neue Aufgabe für die Berufsbildung.[5]

Angesichts des raschen technischen und ökonomischen Wandels in vielen Branchen stellt ein lebenslang ausgeübter Beruf, auf den sich die Erstausbildung oder gar Lebensplanung richten könnte, keine realistische Perspektive mehr dar, sondern wird für die überwiegende Zahl der Beschäftigten eher unwahrscheinlich.[6]

Diese These wird auch durch die Aussage gestützt, dass die überwiegende Mehrheit der Betriebe eine Aufgabe des Prinzips der anerkannten Ausbildungsberufe ablehnt. Die Betriebe sehen zwar Flexibilisierungsnotwendigkeiten in der beruflichen Ausbildung, radikalen Veränderungen stehen sie aber eher skeptisch gegenüber.[1]

2.5 Sinkende Attraktivität des dualen Systems

Zu unterscheiden ist zunächst einmal zwischen einem Attraktivitätsverlust auf Seiten der ausbildenden Betriebe sowie auf der Seite der Schulabgänger. Zunächst soll ein eventueller Attraktivitätsverlust seitens der Betriebe untersucht werden.

So werden Ausbildungsaufwendungen zunehmend als Kostenfaktor eingeschätzt.[2] Die ungleiche Verteilung von Kosten und Nutzen der Berufsausbildung wird als Argument zum Abbau von Ausbildungsplätzen angeführt. So sind auch verhärtete Standpunkte zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften in der Frage der Finanzierung des dualen Systems zu verzeichnen.[3]

Als Indikator kann die Ausbildungsbetriebsquote herangezogen werden, d.h. der Anteil der Ausbildungsbetriebe an der Gesamtzahl der Betriebe. Hier ist ein Rückgang von 34,3 % in 1985 auf 23,8 % in 2001 zu verzeichnen. Besonders bei kleineren Betrieben ist der Rückgang sehr deutlich.[4] Auch die Ausbildungsquote, d.h. der Anteil der Auszubildenden an der Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist von 7,0 % in 1990 über 5,5 % in 1995 auf 4,6% in 2001 zurückgegangen.[5]

Ein weiteres Argument für den Rückgang der Ausbildungsbereitschaft wird darin gesehen, dass aufgrund gestiegener Qualifikationsanforderungen die Anforderungen mit betrieblich qualifizierten Fachkräften nicht mehr bewältigt werden können und dies ein Grund für die Einstellung von Hochschulabsolventen darstellt.[6]

Auch ein Konjunktureinbruch kann Grund für sinkende Ausbildungsbereitschaft sein. So schwankt die Bereitschaft zur Einstellung von Lehrlingen mit dem auf und ab von Produktion, Umsatz und Beschäftigung.[7]

Durch die Entwicklung neuer Ausbildungsgänge, die nicht mehr im Rahmen der Berufsbildungsgesetze stehen und die im Kern eine weitere Privatisierung der beruflichen Bildung bedeuten, wird der Attraktivitätsverlust der Berufsbildung klassischer Prägung auch von den Betrieben selbst vorangetrieben.[1]

Aber auch auf Seiten der Schulabgänger, und damit der potentiellen Interessenten für eine duale Ausbildung, gibt es Gründe für einen Attraktivitätsverlust der dualen Berufsausbildung.

Zu beobachten ist eine längerfristige Veränderung des Bildungsverhaltens der Jugendlichen.[2] Dies führt zu einer Expansion der Allgemeinbildung und einem Trend zu höherwertigen Abschlüssen.[3] Die Schulabsolventen streben in zunehmendem Maße in die individuell höchstmöglichen Schulabschlüsse. Dabei gilt das duale System traditionell als Einstieg in die mittleren Hierarchiegänge der betrieblichen Facharbeiter- und Fachangestelltenpositionen. In dem begrenzten Zugang zu Karrierechancen könnte ein Grund für die mangelnde Attraktivität des dualen Systems liegen.[4]

Von zentraler Bedeutung sind also die Berufs- und Aufstiegsperspektiven, die mit einer dualen Ausbildung erworben werden.[5] „Die Aufstiegsmöglichkeiten von beruflich qualifizierten Fachkräften im Betrieb haben sich aber eher negativ entwickelt. Die Aufstiegwege verlaufen heute vornehmlich über die Bildungswege der allgemeinbildenden Schulen und der Hochschulen.“ [6]

Dies zeigen auch Zahlen aus der IAB/BiBB-Studie. So werden die zunehmenden Arbeitsmarktrisiken an der zweiten Stelle, d.h. an der Schwelle von der Ausbildung in eine dauerhafte Beschäftigung, sichtbar. Die Übernahmechancen im Ausbildungsbetrieb sind im Laufe der letzten Jahrzehnte von 80 % in der sechziger Jahren auf 70% in den neunziger Jahren kontinuierlich zurückgegangen.[7]

Es zeigt sich, dass sich die Chancen für Erwerbstätige mit Lehrabschluss mittlerer und älterer Altersgruppen für eine ausbildungsadäquate Beschäftigung erheblich verschlechtert haben.[8] Auch ist die Beschäftigung von Facharbeitern in Un- und Angelerntenpositionen im letzten Jahrzehnt erheblich angestiegen.[9]

Schließlich zeigen die Daten aus der IAB/BiBB-Erhebung, dass in der (ehemaligen) Bundesrepublik deutliche Diskrepanzen zwischen Ausbildung und Beschäftigung bestehen und diese in den neunziger Jahren noch zugenommen haben. Eine generelle Verschlechterung der Verwertungschancen, am stärksten bei den älteren Arbeitsgruppen, ist zu verzeichnen.[1] Auch der Trend zur Höherqualifikation, auch für Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung, wird sich fortsetzen.[2]

Als letzter kritischer Punkt in diesem Zusammenhang ist die Schaffung immer neu improvisierter und staatlich finanzierter Auffangmaßnahmen zu nennen.[3] Dabei ergeben sich Probleme beim Übergang von außerbetrieblich Ausgebildeten in eine betriebliche Tätigkeit weniger in der Qualität dieser Ausbildung als vielmehr in der fehlenden Betriebsbindung.[4]

Wird die Überbrückungsfunktion der Berufsschule zwischen Schulabschluss und Einstieg in eine duale Ausbildung zur Daueraufgabe, dann stellt sich die Frage nach der Funktion und Qualität der schulischen Bildungsgänge. Eventuell wäre es sinnvoller, entsprechende vollschulische Bildungsgänge zu schaffen, die einer dualen Ausbildung gleichgestellt sind.[5]

Es gibt aber auch durchaus positive Stimmen zur Attraktivität des dualen Systems. So wird in nächster Zukunft weder von Anbieter- noch von Nachfragerseite ein grundsätzlicher Bedeutungsrückgang der dualen Berufsausbildung erwartet. Duale Ausbildung bleibt ein wichtiges Instrument betrieblicher Personalpolitik und die Lehre nimmt auch weiterhin bei der Mehrheit der Schulabgänger eine zentrale Rolle ihrer beruflichen Lebensplanung ein.[6]

2.6 Mangelnde Einbindung der Neuen Medien in den Unterricht

Die individuellen Zukunftschancen sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich werden wesentlich von der Fähigkeit mitbestimmt, die Möglichkeiten der weltweiten Datenangebote effektiv und verantwortlich zu nutzen, sowie die IuK-Techniken zur Bewältigung von Problemen einzusetzen.[7]

[...]


1.) Vgl. Jansen, R. 2002, S. 8.

2.) Vgl. Bildungskommission NRW 1995, S. 43

3.) Vgl. Bildungskommission NRW 1995, S. 42

4.) Vgl. Troll, L. 2000, S. 1

5.) Vgl. Berger, K. ; Brandes H.; Walden, G. 2000, S. 20.

6.) Vgl. Bildungskommission NRW 1995, S. 45

7.) Vgl. Bildungskommission NRW 1995, S. 43

1.) Vgl. Berger, K. ; Brandes H.; Walden, G. 2000, S. 20.

2.) Vgl. Jansen, R. 2002, S. 31.

3.) Vgl. Strasser, J. 2001, S. 230.

4.) Vgl. Bildungskommission NRW 1995, S. 257.

5.) Vgl. DIHT: Stellungnahme zum „Memorandum über lebenslanges Lernen , 2001, S. 3.

6.) Vgl. BLK 1999b, S. 94.

7.) Vgl. Berger, K. ; Brandes H.; Walden, G. 2000, S. 95.

8.) Vgl. Berger, K. ; Brandes H.; Walden, G. 2000, S. 213.

1.) Vgl. Jansen, R. 2002, S. 12.

2.) Vgl. BLK 2000, S. 6.

3.) Vgl. Bildungskommission NRW 1995, S. 55.

4.) Vgl. Bildungskommission NRW 1995, S. 261f.

1.) Vgl. Baumert, J. u.a. 2001, S. 15.

2.) Vgl. Baumert, J. u.a. 2001, S. 34f.

3.) Vgl. Baumert, J. u.a. 2001, S. 19.

4.) Vgl. Baumert, J. u.a. 2001, S. 21.

5.) Vgl. Baumert, J. u.a. 2001, S. 22.

1.) Vgl. Jansen, R. 2002, S. 9f.

2.) Vgl. Jansen, R. 2002, S. 10.

1.) Vgl. Bildungskommission NRW 1995, S. 260.

2.) Benner, H. 1997, S. 63.

3.) Vgl. Berger, K. ; Brandes H.; Walden, G. 2000, S. 98.

4.) BLK 1998, S. 61f.

1.) BLK 1998, S. 62f.

2.) Lennartz, D. 1998, S. 234.

3.) Fürstenau,B. 2000, S. 205.

4.) DIHT Jahresbericht 2001, S. 3.

5.) BMWi 2000, S. 24.

1.) BMWi 2000, S. 27.

2.) BMWi 2000, S. 27ff.

3.) BMWi 2000, S. 35.

4.) Gießener Anzeiger vom 22.05.2003.

5.) KMK 2000b, S. 5.

1.) KMK 2000b, S. 5.

2.) BMWi 1999, S. 6.

3.) BLK 1998, S. 43.

4.) BLK 1998, S. 44.

5.) BLK 1998, S. 132f.

6.) BLK 1998, S. 134f.

1.) Vgl. Pukas, D. 1991, S. 320f.

2.) Vgl. Pukas, D. 1991, S. 321.

3.) Vgl. BLK 1998, S. 118.

4.) Vgl. KMK Rahmenvereinbarung über die Berufsschule vom 14./15.3.1991, Punkt 1.1.1.

5.) Vgl. Hessisches Kultusministerium 1999, § 39.

1.) Vgl. Pätzold, G. 1997, S. 124.

2.) Vgl. BLK 1999a, S. 12.

3.) Vgl. Pätzold, G. 1997, S. 124.

4.) Vgl. Bildungskommission NRW 1995 S. 261.

5.) Vgl. BLK 1999a, S. 10.

6.) Vgl. BLK 1998, S. 115.

7.) Vgl. BLK 1998, S. 123.

8.) Vgl. BLK 1998, S. 122.

9.) Vgl. BLK 1998, S. 123.

1.) Vgl. Pätzold, G. 1997, S. 132.

2.) Vgl. BLK 1998, S. 41f.

3.) Vgl. Pätzold, G. 1997, S. 128.

4.) Vgl. BLK 1998, S 124.

5.) Vgl. Pätzold, G. 1997, S. 133.

6.) Vgl. Pätzold, G. 1997, S. 128.

1.) Vgl. Pätzold, G. 1997, S. 127.

2.) Vgl. Meyer, R. 2000, S. 148.

3.) Meyer, R. 2000, S. 149

4.) Vgl. Baethge, M. 2000, S. 375.

5.) Vgl. Behringer, F. 2002, S. 14.

1.) Vgl. DIHT 2001c , S. 3f.

2.) Vgl. KMK 2000a, S. 3.

3.) Vgl. Gonon, P. 2001, S. 405.

4.) Vgl. Gonon, P. 2001, S. 406.

5.) Vgl. BLK 1998, S. 51ff.

6.) Vgl. Bildungskommission NRW 1995, S. 51.

1.) Walden G. 2000, S. 410.

2.) Vgl. Bildungskommission NRW 1995, S. 258.

3.) Vgl. BLK 1998, S. 78.

4.) Vgl. BLK 1998, S. 70; BMBF 2003a, S. 191.

5.) Vgl. BLK 1998, S. 70f: BMBF 2003a, S. 180, Alte Länder.

6.) Vgl. Berger, K. ; Brandes H.; Walden, G. 2000, S. 88.

7.) Vgl. Kau, Winand 1995, S. 57.

1.) Vgl. Bildungskommission NRW 1995, S. 258.

2.) Vgl. Berger, K. ; Brandes H.; Walden, G. 2000, S. 10.

3.) Vgl. Bildungskommission NRW 1995, S. 260.

4.) Vgl. BLK 1998, S. 84.

5.) Vgl. Berger, K. ; Brandes H.; Walden, G. 2000, S. 10.

6.) Bildungskommission NRW 1995, S. 262.

7.) Vgl. Hecker, U. 2002, S. 54.

8.) Vgl. Alex, L. 2002, S. 35.

9.) Vgl. Alex, L. 2002, S. 38.

1.) Vgl. Alex, L. 2002, S. 40.

2.) Vgl. BLK 2001d, S. 4.

3.) Vgl. BLK 1998, S. 144.

4.) Vgl. BLK 1998, S. 143.

5.) Vgl. BLK 1998, S. 139.

6.) Vgl. Berger, K. ; Brandes H.; Walden, G. 2000, S. 213.

7.) Vgl. Sommer, K.-H.; Albers, H.-J. 1996, S. 290.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832472665
ISBN (Paperback)
9783838672663
DOI
10.3239/9783832472665
Dateigröße
643 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2003 (Oktober)
Note
2,0
Schlagworte
bildung pisa-studie duales system handlungskompetenz wirtschaftlicher wandel
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Titel: Defizite beruflicher Bildung und Ansätze zu ihrer Beseitigung
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