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Chancen und Risiken alternativer Abwicklungsmodelle für die Vereinheitlichung des europäischen Zahlungsverkehrs

Eine vergleichende Analyse

©2003 Diplomarbeit 128 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Im europäischen Massenzahlungsverkehr werden derzeit vorwiegend Korrespondenzbankbeziehungen oder darauf basierende Clublösungen zur Zahlungsabwicklung eingesetzt. Aufgrund unterschiedlicher nationaler Standards ist eine automatische Verarbeitung in den meisten Fällen unmöglich, was zu hohen Kosten sowie langen Abwicklungszeiten führt.
Die hohen Kosten von Auslandsüberweisungen sowie die zeitaufwendigen Abwicklungswege stellen eine erhebliche Barriere für den europäischen Binnenmarkt dar. Hierdurch wird der freie und ungehinderte Austausch von Waren und Dienstleistungen beeinträchtigt. Um den Finanzbinnenmarkt endlich Realität werden zu lassen, erließen der Ministerrat und das Parlament der EU im Dezember 2001 eine Verordnung über grenzüberschreitende Zahlungen in Euro. Diese verpflichtet die europäischen Banken, bis Juli 2003 die Preise für Auslandsüberweisungen denen für Inlandsüberweisungen anzugleichen. Die Verordnung setzt die Banken unter starken Kostensenkungsdruck, da Auslandsüberweisungen sonst nicht mehr kostendeckend angeboten werden können.
Auch im Großzahlungsverkehr, der heute vom gemeinsamen TARGET-System des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) dominiert wird und bei dem nur geringe Kostendifferenzen zwischen inländischen und grenzüberschreitenden Zahlungen existieren, gibt es noch zahlreiche Ineffizienzen und damit erhebliches Reformpotential. So läßt der TARGET-Verbund aus heterogenen nationalen Systemen keinen einheitlichen Servicelevel zu. Außerdem können viele nationale Systeme aufgrund von geringen Abwicklungsstückzahlen nicht wirtschaftlich arbeiten. Eine Reform ist besonders im Hinblick auf die anstehende EU-Osterweiterung dringend vonnöten, da sonst bis zu zehn neue Systeme dem TARGET-Verbund angeschlossen werden müßten, was bestehende Ineffizienzen noch verstärken würde. Ein leistungsfähiges Großzahlungsverkehrssystem ist essentiell wichtig, da nur so die Integration des Euro-Geldmarkts und damit auch die Effizienz der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank gewährleistet werden kann.
Da sowohl im grenzüberschreitenden Groß- als auch im Massenzahlungsverkehr Reformen unausweichlich sind, stellt sich die Frage nach alternativen Abwicklungsmodellen zur Lösung der Probleme im jeweiligen Bereich. Die vorliegende Diplomarbeit geht dieser Frage nach. Die Problemstellung umfaßt vier konkrete Fragenkomplexe:
- Wie ist die derzeitige Situation im grenzüberschreitenden Groß- und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7178
Thiel, Andreas: Chancen und Risiken alternativer Abwicklungsmodelle für die
Vereinheitlichung des europäischen Zahlungsverkehrs - Eine vergleichende Analyse
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: EUROPEAN BUSINESS SCHOOL, Hochschule, Diplomarbeit, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

-I-
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ... IV
Tabellenverzeichnis ...V
Abkürzungsverzeichnis... VI
1 Einleitung ...1
1.1 Europäische Finanzmarktintegration...1
1.2 Problemstellung und Eingrenzung des Themenfeldes ...2
1.3 Gang der Untersuchung...3
2 Grundlagen des Zahlungsverkehrs...4
2.1 Groß- und Massenzahlungsverkehr...4
2.2 Zahlungsverkehrsinstrumente...4
2.3 Der Zahlungsverkehrsprozeß...5
2.3.1 Informationsübermittlung...5
2.3.2 Zahlungsverarbeitung oder Clearing ...6
2.3.3 Abwicklung ...6
2.4 Arten von Abwicklungssystemen...7
3 Aktuelle Situation und Probleme des länderübergreifenden Zahlungsverkehrs ...8
3.1 Großzahlungsverkehr ...8
3.1.1 Das privatwirtschaftliche Nettoabwicklungssystem EURO1...8
3.1.2 Das Echtzeitbruttoabwicklungssystem TARGET ...10
3.1.3 Reformbedarf im TARGET-Verbund ...12
3.2 Massenzahlungsverkehr ...14
3.2.1 Aktuelle Situation des Massenzahlungsverkehrs im EU-Raum...14
3.2.1.1 Korrespondenzbankbeziehungen...14
3.2.1.2 TIPANET, S-InterPay und Eurogiro ...15
3.2.1.3 STEP1...17
3.2.2 Probleme im Massenzahlungsverkehr...18
3.2.2.1 Hohe Kosten ...18
3.2.2.2 Mangelnde Transparenz ...19
3.2.2.3 Lange Abwicklungsdauer...20
3.2.3 Ursachen der bestehenden Probleme...20
3.2.4 Die Europäische Union schafft Handlungszwang...22

-II-
4 Konzepte zur Vereinheitlichung des europäischen Zahlungsverkehrs ...24
4.1 Modelle zur Modernisierung des TARGET-Verbundes ...24
4.2 Die Single Euro Payment Area Initiative als Maßnahme zur Steigerung der
Effizienz im europäischen Massenzahlungsverkehr...26
4.2.1 Der European Payment Council ...26
4.2.2 Ziele der Single Euro Payment Area Initiative ...26
4.2.3 Straight-Through-Processing-Standards ...28
4.2.4 Im Rahmen der SEPA-Initiative diskutierte Abwicklungsmodelle ...30
4.2.5 Konkrete Initiative: STEP2 ...31
5 Vergleichende Analyse alternativer Abwicklungsmodelle im Groß- und
Massenzahlungsverkehr...32
5.1 Bewertungskriterien ...32
5.2 Bewertung der dargestellten Verbesserungskonzepte des TARGET-Verbundes .34
5.2.1 Zentrale Plattform...34
5.2.2 Beibehaltung eines dezentralen Systems...35
5.2.3 TARGET2 als Kompromißlösung...36
5.2.4 Gegenüberstellung der alternativen TARGET-Modelle ...37
5.2.5 Chancen und Risiken für die Beteiligten...37
5.2.5.1 Geschäftsbanken...37
5.2.5.2 Nationale Notenbanken ...37
5.2.6 Die Zukunft von TARGET...38
5.3 Bewertung der dargestellten Massenzahlungsverkehrsabwicklungsmodelle...39
5.3.1 Einzelnes europäisches Automated Clearing House für den Euro...39
5.3.2 Pan-europäisches Automated Clearing House ...40
5.3.3 Verbund nationaler Automated Clearing Houses...41
5.3.4 Kombination zwischen pan-europäischem Automated Clearing House und
Verbund nationaler Automated Clearing Houses (Hybridmodell) ...41
5.3.5 Korrespondenzbankbeziehungen unter Verwendung von Straight-Through-
Processing-Standards ...42
5.3.6 Nutzung der bestehenden Kreditkartennetzwerke...43
5.3.7 Gegenüberstellung der Alternativen für den europäischen
Massenzahlungsverkehr...43
5.3.8 Chancen und Risiken für die Beteiligten...44
5.3.8.1 Banken...44

-III-
5.3.8.2 Bankkunden...45
5.3.8.3 Sonstige Beteiligte...45
5.3.9 Implementierungschancen...46
6 Analyse des Zahlungsverkehrsprozesses unter Kostengesichtspunkten...49
6.1 Prozeßgruppen und Einzelprozesse im Massenzahlungsverkehr ...49
6.2 Zuordnung der Kosten auf die Einzelprozesse...52
6.3 Handlungsempfehlung...55
7 Fazit ...57
7.1 Ergebniszusammenfassung...57
7.2 Ausblick...59
Anhang ...61
Literaturverzeichnis...107

-IV-
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Informationsübermittlung, Zahlungsverarbeitung und Abwicklung... 7
Abbildung 2 Infrastrukturkomponenten in TARGET... 11
Abbildung 3 Prozeßgruppen und Einzelprozesse im Gesamtprozeß der Zahlungsver-
kehrsabwicklung... 46
Abbildung 4 Einzelprozesse im Auslandszahlungsverkehr der Sparkassen-
Finanzgruppe... 47
Abbildung 5 Detailbetrachtung Zahlungsverarbeitung und Liquiditätsmanagement... 50
Abbildung 6 bis Abbildung 20 sind im Verzeichnis des Anhangs aufgeführt... 61

-V-
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Informationsübermittlung, Zahlungsverarbeitung und Abwicklung... 8
Tabelle 2 Infrastrukturkomponenten in TARGET... 16
Tabelle 3 Prozeßgruppen und Einzelprozesse im Gesamtprozeß der Zahlungsver-
kehrsabwicklung... 46
Tabelle 4 bis Tabelle 17 sind im Verzeichnis des Anhangs aufgeführt... 61

-VI-
Abkürzungsverzeichnis
ACH
Automated Clearing House
AZV Auslandszahlungsverkehr
BBAN
Basic Bank Account Number
BdB
Bundesverband deutscher Banken e. V.
BEUC
Bureau Européen des Unions de Consommateurs
BIC
Bank Identifier Code
BIS
Bank for International Settlements
BVR
Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisen-
banken e. V.
BZS
Bank für Zahlungssysteme
CLS
Continuous Linked Settlement
CPSS
Committee on Payment and Settlement Systems
DNS
Designated-time Net Settlement
DRR
Daily Reconciliation Report
DSGV
Deutscher Sparkassen- und Giroverband
DTA Datenträgeraustausch
EACB
European Association of Cooperative Banks
EBA
Euro Banking Association
ECBS
European Committee for Banking Standards
ECU
European Currency Unit
EDV-System Elektronisches
Datenverarbeitungssystem
EMZ Elektronischer
Massenzahlungsverkehr
e-payment
Electronic Payment (Elektronisches Zahlungsmittel)
EPC
European Payment Council
EPM
European Payment Mechanism
ERP
Euro Retail Payment
ESBG
European Savings Banks Group
ESZB
Europäisches System der Zentralbanken
EU Europäische
Union
Euro-ACH
Einzelnes europäisches Automated Clearing House für den Euro

-VII-
EZB Europäische
Zentralbank
FBE
Fédération Bancaire de l'Union Européenne, European Banking
Federation
FVR
File Validation Report
GZS
Gesellschaft für Zahlungssysteme
IBAN
International Bank Account Number
IPF
Input Payment File
IPI
International Payment Instruction
ISO
International Organization for Standardization
IZV Inlandszahlungsverkehr
MEZ Mitteleuropäische
Zeit
MIF
Multilateral Interbank Fee
m-payment
Mobile Payment (Mobiles Zahlungsmittel)
NIK Nationale
Interlinking-Komponente
NZB Nationale
Zentralbank
PEACH
Pan-European Automated Clearing House
PNB
Potential Net Balance
RTGS
Real Time Gross Settlement
S.W.I.F.T.
Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication
SEPA
Single Euro Payment Area
SPF
Settled Payment File
STEP1/STEP2
Straight Through Euro Payments (Massenzahlungsverkehrssys-
teme der EBA)
STP Straight-Through-Processing
TARGET
Trans-European Automated Real-Time Gross Settlement Ex-
press Transfer System
TIPANET
Transferts Interbancaires de Paiements Automatisés (Netzwerk)
TIS TARGET-Informationssystem
WATCH
Worldwide Automated Transaction Clearing House
WWU
Wirtschafts- und Währungsunion
XML
Extended Markup Language
ZKA Zentraler
Kreditausschuß

-1-
1 Einleitung
1.1 Europäische Finanzmarktintegration
Wesentlicher Bestandteil der europäischen Integrationspolitik ist die Schaffung eines
einheitlichen Binnenmarktes, in dem sich sowohl Güter als auch Personen, Dienstlei-
stungen und Kapital frei zwischen den Mitgliedsstaaten bewegen können. Vor allem die
Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte
1
im Jahre 1986 und der 1991 in
Maastricht unterzeichnete Vertrag über die Europäische Union (EU)
2
trieben die Schaf-
fung des Binnenmarkts verstärkt voran. Seither wurden erhebliche Erfolge erzielt, die
schließlich in der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) gipfelten.
3
Während der Binnenmarkt in den Bereichen des Güter-, Dienstleistungs- und Personen-
verkehrs weitgehend Realität ist, gibt es beim Kapitalverkehr noch erhebliche Defizite.
Zwar wurden Bargeldtransaktionen am 1. Januar 2002 durch die Einführung des Euro-
Bargelds im gesamten Euro-Raum ohne Umtauschkosten möglich, jedoch kommen
länderübergreifende bargeldlose Zahlungen die EU-Bürger oft teuer zu stehen. Die
hohen Kosten von Auslandsüberweisungen sowie die zeitaufwendigen Abwicklungs-
wege stellen eine erhebliche Barriere für den europäischen Binnenmarkt dar. Hierdurch
wird der freie und ungehinderte Austausch von Waren und Dienstleistungen beeinträch-
tigt.
4
Um den Finanzbinnenmarkt endlich Realität werden zu lassen, erließen der Mini-
sterrat und das Parlament der EU im Dezember 2001 eine Verordnung über
grenzüberschreitende Zahlungen in Euro. Diese verpflichtet die europäischen Banken,
bis Juli 2003 die Preise für Auslandsüberweisungen denen für Inlandsüberweisungen
anzugleichen.
5
Die Verordnung setzt die Banken unter starken Kostensenkungsdruck,
da Auslandsüberweisungen sonst nicht mehr kostendeckend angeboten werden können.
6
Auch im Großzahlungsverkehr, der heute vom gemeinsamen Trans-European Automa-
ted Real-Time Gross Settlement Express Transfer (TARGET)-System des Europäischen
Systems der Zentralbanken (ESZB) dominiert wird
7
und bei dem nur geringe Kostendif-
1
Vgl. Europäische Gemeinschaften (1986).
2
Vgl. Europäische Gemeinschaften (1992).
3
Zur Geschichte der europäischen Integration vgl. Wiegand (2002) und Petkovic (2002).
4
Vgl. Karasu/Goralczyk (2002b), S. 442.
5
Vgl. Kapitel 3.2.4 und Europäisches Parlament/Rat der europäischen Union (2001).
6
Vgl. Otto (2002), S. 22.
7
Vgl. Abbildung 6, Tabelle 6 und Tabelle 7 im Anhang sowie Fabritius (1999), S. 659.

-2-
ferenzen zwischen inländischen und grenzüberschreitenden Zahlungen existieren
8
, gibt
es noch zahlreiche Ineffizienzen und damit erhebliches Reformpotential. Eine Reform
ist besonders aufgrund der anstehenden EU-Osterweiterung dringend vonnöten, da sonst
bis zu zehn neue Systeme dem TARGET-Verbund angeschlossen werden müßten, was
bestehende Ineffizienzen noch verstärken würde.
9
Für das ESZB ist ein leistungsfähiges
Großzahlungsverkehrssystem essentiell wichtig, da nur so die Integration des Euro-
Geldmarkts und damit auch die Effizienz der Geldpolitik gewährleistet werden kann.
10
1.2 Problemstellung und Eingrenzung des Themenfeldes
Da sowohl im grenzüberschreitenden Groß- als auch im Massenzahlungsverkehr Re-
formen unausweichlich sind, stellt sich die Frage nach alternativen Abwicklungsmodel-
len zur Lösung der Probleme im jeweiligen Bereich. Die vorliegende Diplomarbeit soll
dieser Frage nachgehen. Die Problemstellung umfaßt vier konkrete Fragenkomplexe:
1. Wie ist die derzeitige Situation im grenzüberschreitenden Groß- und Massenzah-
lungsverkehr, welche Probleme existieren, und wo liegen deren Ursachen?
2. Welche alternativen Abwicklungsmodelle können implementiert werden, um die
Defizite im Groß- und Massenzahlungsverkehr zu beseitigen, und wo liegen ihre
spezifischen Stärken und Schwächen?
3. Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus diesen Abwicklungsmodellen für die
Beteiligten, und wie sind die Implementierungschancen einzuschätzen?
4. Wo liegen die höchsten Kostensenkungspotentiale im grenzüberschreitenden Mas-
senzahlungsverkehr, und welchen Stellenwert haben in diesem Zusammenhang die
diskutierten Abwicklungsmodelle?
Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf dem europäischen Massenzahlungsverkehr, da
hier wesentlich größere Defizite zu beobachten sind als im Großzahlungsverkehr. Dem-
entsprechend sind auch die angedachten Reformen im Massenzahlungsverkehr weitrei-
chender und erfordern eine genauere Analyse. Des weiteren ist zu beachten, daß sowohl
beim Groß- als auch beim Massenzahlungsverkehr in dieser Arbeit im Hinblick auf den
gemeinsamen Binnenmarkt nur der grenzüberschreitende Zahlungsverkehr in Euro
innerhalb der EU untersucht wird. Im Zentrum der Betrachtung steht hier die Überwei-
8
TARGET-Entgelte sind zwar z. B. höher als die Entgelte des inländischen deutschen Großzahlungsver-
kehrssystems RTGS
plus
(vgl. Tabelle 4 und Tabelle 5 im Anhang), jedoch ist diese Differenz im Ver-
gleich zu den Kostendifferenzen im Massenzahlungsverkehr sehr gering.
9
Vgl. Kapitel 3.1.3 und Fabritius (2001), S. 1212f.
10
Vgl. EZB (2001a), S. 15, 29.

-3-
sung, da sie im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr derzeit das einzige Instrument
ist, das sowohl für Interbankzahlungen als auch für Zahlungen zwischen Unternehmen,
Privatleuten sowie Unternehmen und Privatleuten eingesetzt werden kann.
11
Da Verbes-
serungen auf fast allen Stufen des Zahlungsverkehrsprozesses möglich sind, kann sich
diese Arbeit nicht auf die Betrachtung der Abwicklung im engeren Sinne
12
beschränken,
sondern muß die Zahlungsverkehrsabwicklung im weiteren Sinne
13
analysieren. Diese
umfaßt den gesamten Zahlungsverkehrsprozeß vom Auftragseingang bis zur endgülti-
gen Gutschrift auf dem Konto des Empfängers.
1.3 Gang der Untersuchung
Nach einer Klärung der Grundlagen in Kapitel 2 beschäftigt sich Kapitel 3 mit der
aktuellen Situation im grenzüberschreitenden Groß- und Massenzahlungsverkehr, in-
dem es sowohl bestehende Systeme beschreibt als auch auf gegenwärtige Probleme und
deren Ursachen eingeht. Obwohl mit dem EURO1-System der Euro Banking Associati-
on (EBA) neben TARGET noch ein weiteres bedeutendes Großzahlungsverkehrssystem
existiert, steht im Bereich Großzahlungsverkehr die Betrachtung von TARGET im
Vordergrund, da bei EURO1 kein wesentlicher Reformbedarf auszumachen ist. Eine
kurze Darstellung von EURO1 ist aber auf jeden Fall notwendig, denn dieses System ist
ein wichtiges Beispiel für ein zeitdiskretes Nettozahlungsverkehrssystem und zugleich
technische Plattform für die europäischen Massenzahlungsverkehrssysteme STEP1 und
STEP2. Da im Bereich Massenzahlungsverkehr mehrere Ansätze zur Abwicklung von
Auslandszahlungen im Euro-Raum existieren, werden nur die Systeme diskutiert, die
sowohl von deutschen Banken genutzt werden als auch von europaweiter Bedeutung
sind. Bei der Auswahl dieser Systeme wurde darauf geachtet, daß Systeme aller drei
Bankengruppen
14
berücksichtigt werden.
Kapitel 4 betrachtet alternative Abwicklungsmodelle zur Verbesserung des TARGET-
Verbundes und zur Schaffung einer Single Euro Payment Area (SEPA). Anschließend
analysiert Kapitel 5 diese alternativen Abwicklungsmodelle ausführlich auf ihre Stärken
und Schwächen, Chancen und Risiken für die Beteiligten sowie Implementierungschan-
cen hin. In Kapitel 6 findet eine detaillierte Kostenanalyse des Zahlungsverkehrsprozes-
11
Die in Deutschland sehr gebräuchliche Lastschrift spielt bei grenzüberschreitenden Transaktionen noch
keine Rolle (vgl. Abbildung 7 im Anhang) und stellt letztlich nur eine umgekehrte Überweisung dar.
12
Zur Abwicklung im engeren Sinne vgl. Kapitel 2.3.3.
13
Vgl. zu dieser Verwendung des Begriffs ,,Zahlungsverkehrsabwicklung" Riedl (2002), S. 408.
14
Genossenschaftliche Banken, Sparkassen sowie private Banken.

-4-
ses statt. Daraus werden Handlungsempfehlungen abgeleitet, wie die Kostensituation im
Massenzahlungsverkehr verbessert werden kann. Dabei wird u. a. analysiert, welche
Rolle die Wahl eines alternativen Abwicklungsmodells für potentielle Kostensenkungen
spielt. In Kapitel 5 und 6 fließen neben der einschlägigen Fachliteratur und eigenen
Gedanken auch Informationen aus Interviews ein, die der Autor mit verschiedenen
Unternehmensvertretern durchführte, die in den aktuellen Veränderungsprozeß invol-
viert sind. Kapitel 7 faßt die Ergebnisse zusammen und gibt einen kurzen Ausblick, der
auch globale Aspekte einbezieht.
2 Grundlagen des Zahlungsverkehrs
2.1 Groß- und Massenzahlungsverkehr
Unter Zahlungsverkehr versteht man die Gesamtheit der Übertragung von Zahlungsmit-
teln von Geldschuldnern zu Geldgläubigern. Dazu zählen sowohl Bargeld als auch
Buchgeld, elektronisches Geld und Geldersatzmittel.
15
Für bargeldlose Transaktionen
werden Zahlungsverkehrssysteme benötigt, die in Klein- oder Massenzahlungsverkehrs-
systeme und Groß(betrags)zahlungsverkehrssysteme unterteilt werden können. Ein
Zahlungsverkehrssystem ist eine ,,Einheit von Instrumenten, Prozessen und Vorschrif-
ten für Geldtransfers zwischen den Systemteilnehmern"
16
.
Über Großzahlungsverkehrssysteme werden eine vergleichsweise geringe Anzahl von
Transaktionen ,,mit hohem Einzelbetragswert abgewickelt, die sich in erster Linie aus
Wertpapierhandels-, Devisenhandels- und Geldmarktgeschäften der Banken sowie aus
auf hohe Beträge lautenden (Firmen-) Kundentransaktionen"
17
ergeben. Vor allem
wegen der Geldmarktgeschäfte sind Transaktionen im Großzahlungsverkehr gewöhn-
lich zeitkritisch.
18
Massenzahlungsverkehrssysteme wickeln hingegen normalerweise
eine sehr große Zahl von Transaktionen mit relativ geringem Transaktionswert ab, die
aus Girokonten-, Scheck- und Point-of-Sale-Transaktionen resultieren.
2.2 Zahlungsverkehrsinstrumente
Zahlungsverkehrstransaktionen können überweisungs- oder einzugsbasiert sein und
entweder in Zentralbankgeld oder Geschäftsbankengeld abgewickelt werden. Großzah-
15
Vgl. Riedl (2002), S. 25.
16
Committee on Payment and Settlement Systems (CPSS), Bank for International Settlements (BIS)
(2001), S. 95.
17
Riedl (2002), S. 21.
18
Vgl. CPSS, BIS (1997), S. 3.

-5-
lungsverkehrssysteme sind praktisch immer überweisungsbasiert und wickeln alle
Transaktionen (z. B. TARGET) oder zumindest die Tagesendabwicklung (z. B. EU-
RO1) in Zentralbankgeld ab.
19
Im Massenzahlungsverkehr kommen dagegen auch
einzugsbasierte Systeme und Abwicklung in Geschäftsbankgeld vor.
20
Während folglich
im Großzahlungsverkehr die Überweisung überwiegt, existiert im Massenzahlungsver-
kehr eine Vielzahl von Instrumenten. Zu ihnen zählen Überweisungen, Lastschriften,
Debit- und Kreditkarten, Schecks und neuere Erscheinungen wie z. B. elektronisches
Geld.
21
Die Überweisung ist jedoch auch hier das bedeutendste Instrument.
22
2.3 Der Zahlungsverkehrsprozeß
Der Gesamtprozeß des Zahlungsverkehrs bei Interbankzahlungen kann in die drei zen-
tralen Prozeßtypen Informationsübermittlung, Zahlungsverarbeitung und Abwicklung
unterteilt werden
23
. Bei Kundenzahlungen kommen noch vorgelagerte Prozesse, ein
erweiterter Zentralprozeß sowie nachgelagerte Prozesse hinzu.
24
2.3.1 Informationsübermittlung
Da mit der sendenden und der empfangenden Bank sowie eventuellen Abwicklungs-
agenten mehrere Teilnehmer am Zahlungsverkehrsprozeß beteiligt sind, müssen Infor-
mationen über die zu verarbeitenden Zahlungen zwischen den Teilnehmern
ausgetauscht werden. Dies geschieht über Zahlungsnachrichten, für die unterschiedliche
nationale Standards
25
existieren. Da diese Standards im grenzüberschreitenden Zah-
lungsverkehr nicht verwendbar sind, kommen dort meist die Standards der Society for
Worldwide Interbank Financial Telecommunication (S.W.I.F.T.) zur Anwendung.
26
Als
Infrastruktur für die elektronische Datenübertragung werden im Inlandszahlungsverkehr
(IZV) die verschiedenen Interbanknetzwerke
27
und im Auslandszahlungsverkehr (AZV)
bei unverbundenen Instituten das S.W.I.F.T.-Netzwerk genutzt.
28
19
Vgl. Riedl (2002), S. 21.
20
Vgl. CPSS, BIS (2000), S. 6.
21
Vgl. CPSS, BIS (2000), S. 2.
22
Vgl. Abbildung 8 im Anhang.
23
Vgl. Riedl (2002), S.15.
24
Eine genauere Betrachtung der Einzelprozesse bei Kundenzahlungen aus Sicht der sendenden Bank
erfolgt in Kapitel 6.
25
Z. B. der deutsche Datenträgeraustausch (DTA)-Standard.
26
Vgl. Mesterom (2001), S. 271.
27
In Deutschland sind das die fünf Gironetze der vier Großbanken und Regionalbanken, der Sparkassen
und Landesbanken, der Genossenschaftsbanken, der Postbank sowie das der Deutschen Bundesbank,
das als Bindeglied zwischen den anderen Netzen und als wettbewerbsneutrales Zugangsmedium für
Banken ohne eigenes Gironetz fungiert. Vgl. Riedl (2002), S. 40f.
28
Vgl. Riedl (2002), S.16.

-6-
2.3.2 Zahlungsverarbeitung oder Clearing
Die Zahlungsverarbeitung, auch Processing oder Clearing
29
genannt, umfaßt ,,alle Vor-
gänge der Generierung und Interpretation von Zahlungs- und Bestätigungsnachrich-
ten"
30
sowie der Zahlungsabstimmung. Da verschiedene Abwicklungsmodelle ­ wie
z. B. Korrespondenzbankbeziehungen oder Abwicklungsagenten ­ für die Weiterverar-
beitung und Weiterleitung eines Zahlungsauftrags verwendet werden können, ist die
Leitwegsteuerung ein wichtiger Bestandteil der Zahlungsverarbeitung. ,,Leitwegsteue-
rung beschreibt die Vorgänge bei Auswahl eines bestimmten Zahlungsverkehrssystems
für eine gegebene Zahlung."
31
Bei Nettozahlungsverkehrssystemen
32
gehört zusätzlich
die Aufrechnung der einzelnen Positionen zum Clearingprozeß.
33
Am Ende der Zah-
lungsverarbeitung steht also eine vollständig verarbeitete Zahlungstransaktion sowie
eine Forderung der Bank des Begünstigten gegenüber der Bank des Auftraggebers.
2.3.3 Abwicklung
Unter Abwicklung oder Settlement im engeren Sinne versteht man den eigentlichen
Geldtransfer zwischen der sendenden und der empfangenden Bank. Die Abwicklung im
engeren Sinne besteht also aus den abschließenden Buchungen, welche die Forderungen
des Gläubigers ausgleichen. Sie erfordert ausreichende Liquidität und damit ein effi-
zientes Liquiditätsmanagement. Ist die Abwicklung unbedingt und unwiderruflich, so ist
der Mitteltransfer final. Die Übertragung der Kontoguthaben kann über die Bücher einer
Zentralbank (also in Zentralbankgeld) oder von Geschäftsbanken sowie Clearinghäusern
(also in Geschäftsbankgeld) stattfinden.
34
Bei der Abwicklung in Geschäftsbankgeld
besteht potentiell ein Ausfallrisiko durch eine mögliche Insolvenz des Abwicklungs-
agenten. Bei Abwicklung in Zentralbankgeld ist dies nicht der Fall, da eine Zentralbank
wegen der Möglichkeit zur unbegrenzten Geldschöpfung nicht ausfallen kann.
35
Die
Rolle des Abwicklungsagenten fällt oft mit der des Systembetreibers zusammen, der
den technischen Ablauf von Zahlungsverarbeitung und Abwicklung sicherstellt.
36
29
Der Begriff Clearing wird in der Literatur unterschiedlich verwendet. Riedl trennt z. B. die Begriffe
Clearing und Zahlungsverarbeitung. Andere Autoren verwenden den Begriff Clearing als Sammelbe-
griff für Informationsübermittlung, Processing und Abwicklung. Vgl. Riedl (2002), S. 17.
30
Riedl (2002), S. 17.
31
Riedl (2002), S. 423.
32
Vgl. Kapitel 2.4.
33
Vgl. CPSS, BIS (1997), S. 3.
34
Vgl. CPSS, BIS (1997), S. 3.
35
Vgl. Riedl (2002), S. 18f.
36
Vgl. Riedl (2002), S. 19

-7-
Abbildung 1 gibt einen Überblick über den Gesamtablauf von Informationsübermitt-
lung, Zahlungsverarbeitung und Abwicklung, wobei S die Bank des Auftraggebers, E
die Bank des Begünstigten und Z der Abwicklungsagent ist.
Abbildung 1 Informationsübermittlung, Zahlungsverarbeitung und Abwicklung
Quelle: Riedl (2002), S. 19.
2.4 Arten von Abwicklungssystemen
Abwicklungssysteme lassen sich nach dem Abwicklungsmodus in Brutto- und Netto-
abwicklungssysteme sowie nach der Abwicklungsfrequenz in zeitdiskrete und kontinu-
ierliche Systeme einteilen. Bruttoabwicklungssysteme sind vorwiegend kontinuierlich
und wickeln jede Transaktion einzeln und in Echtzeit ab.
37
Für ein effizientes Liquidi-
tätsmanagement benötigen Teilnehmer dieser Systeme daher Echtzeitinformationen
über Höhe und untertägige Verteilung der Zahlungen.
38
Nettoabwicklungssysteme
addieren dagegen die Soll- und Habenpositionen gegenläufiger Zahlungen auf und
nehmen die finale Abwicklung der Nettopositionen zu einem oder mehreren diskreten
Zeitpunkten am Tag vor. Die Nettoposition einer Bank errechnet sich entweder auf
bilateraler (mit jedem anderen Teilnehmer einzeln) oder multilateraler (mit der Gesamt-
heit aller Teilnehmer) Basis als die Summe aller bis zu einem bestimmten Zeitpunkt
erhaltenen Zahlungen abzüglich der bis zu diesem Zeitpunkt getätigten Zahlungen.
39
Nettoabwicklungssysteme verlangen bei der Abwicklung der eingereichten Transaktio-
nen aufgrund des Nettings eine geringere Liquidität als Bruttoabwicklungssysteme.
Durch die Reduktion liquiditätshaltungsbedingter Opportunitätskosten können sich für
die Banken beträchtliche finanzielle Vorteile ergeben.
40
Diesen Vorteilen stehen auf der
37
Vgl. CPSS, BIS (1997), S. 4f.
38
Vgl. Riedl (2002), S. 85.
39
Vgl. CPSS, BIS (1997), S. 4f.
40
Vgl. o. V. (2001), S. 20.

-8-
anderen Seite höhere Risiken infolge potentieller Teilnehmerausfälle gegenüber.
41
Die
Abwicklung im Massenzahlungsverkehr findet fast immer auf Nettobasis statt
42
, wäh-
rend im Großzahlungsverkehr sowohl Brutto- als auch Nettosysteme vorkommen.
Tabelle 1 gibt einen Überblick über die verschiedenen Kombinationen von Abwick-
lungsmodi und Abwicklungsfrequenzen von Abwicklungssystemen.
Tabelle 1 Typen von Abwicklungssystemen
Abwicklungsmodus
Brutto Netto
zeitdiskret/
designated-time
zeitdiskrete Bruttoabwicklung/
designated-time gross settle-
ment
zeitdiskrete Nettoabwicklung/
designated-time net settlement
(DNS)
1
Abwicklung
sf
requenz
kontinuierlich/
real-time
Echtzeitbruttoabwicklungs-
systeme/ Real-time gross
settlement systems (RTGS)
2
Nicht anwendbar
3
1, 2
DNS- und RTGS-Systeme stellen die Standardtypen von Interbankzahlungsverkehrssystemen dar.
3
Netting beinhaltet per definitionem die Kumulierung von gegenläufigen Wertübertragungen, um sie
nach Ablauf einer bestimmten Zeit zur Aufrechnung zu bringen. Der Begriff des Netting ist damit
grundsätzlich zu einer kontinuierlichen Abwicklung inkompatibel.
Quelle: Riedl (2002), S. 24.
3 Aktuelle Situation und Probleme des länderübergreifenden
Zahlungsverkehrs
3.1 Großzahlungsverkehr
3.1.1 Das privatwirtschaftliche Nettoabwicklungssystem EURO1
Das Großzahlungssystem EURO1 der EBA ist ein zeitdiskretes multilaterales Nettoab-
wicklungssystem. Es ging aus dem von europäischen Geschäftsbanken 1985 gegründe-
ten European Currency Unit (ECU) Clearing and Settlement System hervor, über das
Transaktionen in privaten ECU abgewickelt wurden. Zu Beginn der Währungsunion
stellte die EBA das System auf Verarbeitung des Euro um.
43
Aufgrund einer im De-
zember 1998 geschlossenen Vereinbarung steht die Europäische Zentralbank (EZB)
EURO1 als Settlement-Dienstleister zur Verfügung.
44
Sie übt außerdem Aufsichtsfunk-
41
Vgl. Riedl (2002), S. 64f.
42
Vgl. CPSS, BIS (2000), S. 8.
43
Vgl. Riedl (2002) S. 184.
44
Vgl. EBA (1998), o. S.

-9-
tionen aus und betreut den Liquiditätspool des Systems, in dem die Haftungsmasse für
Verzugsfälle gehalten wird.
45
EURO1 konzentriert sich auf das kommerzielle Zahlungsgeschäft der Mitgliedsbanken
und beruht auf der S.W.I.F.T.-Infrastruktur.
46
Die Teilnahme erfordert die Entrichtung
einer Eintrittsprämie, den Erwerb eines Aktienanteils an der EBA Clearing Company
sowie die kostenpflichtige Mitgliedschaft in der EBA Association (ca. 65.000 /Jahr).
47
Jedem Teilnehmer werden von den anderen Clearing-Banken bilaterale Kreditlinien
eingeräumt, die dem einzelnen Mitgliedsinstitut aggregiert zur Verfügung stehen. Um
die Risiken zu begrenzen, müssen daher die derzeit 74 Teilnehmer
48
mit einem Mindest-
Rating und dem Nachweis von ausreichenden Eigenmitteln strenge Bonitätskriterien
erfüllen. EURO1 ist somit eine Clublösung. Banken, die nicht die Zugangskriterien
erfüllen, können nur teilnehmen, wenn sie sich bei einem Club-Mitglied anbinden.
49
Der Zahlungstransfer bei EURO1 erfolgt in zwei Phasen. In der Clearing-Phase werden
die eingestellten Zahlungsnachrichten kontinuierlich auf Einzeltransaktionsbasis verar-
beitet und multilateral verrechnet. Bei der Verarbeitung einer Zahlung prüft das System
die multilaterale Nettoposition der Senderbank und der Empfängerbank. Jede teilneh-
mende Bank hat ein Nettokredit- und ein Nettodebitlimit. Diese legen fest, wie hoch der
Innertageskredit maximal ist, den sie der Gesamtheit der übrigen Teilnehmer einräumt
bzw. gegenüber der Gesamtheit der übrigen Teilnehmer in Anspruch nehmen darf. Nur
wenn durch die Zahlung kein Limit verletzt wird, geht sie in den multilateralen Ver-
rechnungsprozeß ein. Anderenfalls wird sie in eine Warteschlange eingestellt. Das
System überprüft kontinuierlich, ob sich durch Zahlungen Veränderungen der Nettopo-
sitionen der Teilnehmer ergeben, die eine Verarbeitung von auf Ausführung wartenden
Zahlungen zulassen. Nach erfolgreicher Verarbeitung gilt die Zahlung als final
50
, und
erst dann wird die Zahlungsnachricht an die Empfängerbank ausgelöst.
51
In der Settlement-Phase ermittelt das System am Ende des Geschäftstages für jeden
Teilnehmer eine Nettodebit- bzw. Nettokreditposition. Um den Positionsausgleich
45
Vgl. Riedl (2002), S. 186, 195.
46
Vgl. Riedl (2002), S. 185f.
47
Vgl. Riedl (2002), S. 191.
48
Vgl. EBA (2002b), o. S.
49
Vgl. o. V. (2001), S. 20.
50
Die Finalität wird durch die Rechtskonstruktion ,,Single Obligation Structure" erreicht. Für weitere
Informationen vgl. Riedl (2002), S. 199.
51
Vgl. Riedl (2002), S. 187f.

-10-
herbeizuführen, erteilen die Nettoschuldner ihrer nationalen Zentralbank (NZB) einen
Zahlungsauftrag zugunsten des zentralen EURO1-Abwicklungskontos bei der EZB. Die
Konten der Nettoschuldner werden nun von den NZBen belastet und die entsprechenden
Zahlungen über TARGET an die EZB transferiert. Im Gegenzug erhalten die
Nettogläubiger aufgrund entsprechender Zahlungsaufträge der EBA Clearing über das
EURO1-Abwicklungskonto bei der EZB eine ihrer multilateralen Nettokreditposition
entsprechende TARGET-Zahlung auf ihrem Konto bei ihrer NZB gutgeschrieben.
52
Erst
bei der Tagesendabwicklung wird somit Zentralbankgeld benötigt.
3.1.2 Das Echtzeitbruttoabwicklungssystem TARGET
Die Durchführung geldpolitischer Maßnahmen erfordert einen einheitlichen Geldmarkt.
Um diesen im europäischen Wirtschaftsraum zu gewährleisten, bedarf es eines lei-
stungsfähigen Großzahlungsverkehrssystems für den Euro, das schnelle Liquiditätsver-
lagerungen und effiziente Arbitrageoperationen der Kreditinstitute ermöglicht.
53
Aus
diesem Grund entwickelte das ESZB das Großzahlungsverkehrssystem TARGET, das
im Gegensatz zum DNS-System EURO1 als Verbund von RTGS-Systemen Zahlungs-
transaktionen in Echtzeit und auf Bruttobasis einzeln abwickelt. TARGET-Zahlungen
erreichen normalerweise innerhalb weniger Sekunden oder Minuten Finalität, wodurch
sich TARGET besonders gut für zeitkritische Transaktionen eignet.
54
TARGET wurde zu Beginn der dritten Stufe der WWU am 04.01.1999 von den Zen-
tralbanken der EU sowie von der EZB zur Verwirklichung der Euro-Geldpolitik in
Betrieb genommen. Es setzt sich aus den 15 nationalen RTGS-Systemen der NZBen
und dem Zahlungsverkehrsmechanismus European Payment Mechanism (EPM) der
EZB zusammen. Die einzelnen Systeme sind untereinander über sogenannte Interlin-
king-Komponenten verbunden.
55
Diese Infrastruktur ist in Abbildung 2 dargestellt. Für
die Datenübertragung wird das S.W.I.F.T.-Telekommunikationsnetzwerk und der
S.W.I.F.T.-Dienst FIN genutzt, auf den jedes RTGS-System über seine nationale Inter-
linking-Komponente (NIK) zugreift. Hauptaufgabe der NIK ist die Konvertierung des
jeweiligen nationalen Datenformats in den Interlinking-Standard und umgekehrt.
56
52
Vgl. Riedl (2002), S. 189f.
53
Vgl. Riedl (2002), S. 153.
54
Vgl. EZB (2001c), S. 4.
55
Vgl. EZB (2001c), S. 4.
56
Vgl. Riedl (2002), S. 158.

-11-
Abbildung 2 Infrastrukturkomponenten in TARGET
Quelle: EZB/Deutsche Bundesbank (2000), S. 12.
Neben Großbetragszahlungen zwischen Banken laufen auch sämtliche geldpolitischen
Operationen der EZB sowie die Tagesendabwicklung des EURO1-Systems über TAR-
GET.
57
Künftig soll es außerdem zur Abwicklung von Euro-Zahlungen im weltweiten
Devisenabwicklungssystem Continuous Linked Settlement (CLS) dienen.
58
Da keine
Ober- oder Untergrenzen für Zahlungen existieren, wird TARGET auch für kleinere
Beträge genutzt. Für eine generelle Nutzung im Massenzahlungsverkehr ist TARGET
jedoch zu kostspielig, da das System die im Massenzahlungsverkehr übliche dateiorien-
tierte Stapelverarbeitung nicht unterstützt, sondern transaktionsorientiert arbeitet.
59
Der Zugang zu TARGET erfolgt über die nationalen RTGS-Systeme. Auch der Fernzu-
gang, d. h. der direkte Anschluß an ein anderes als das eigene nationale RTGS-System,
ist möglich.
60
Hierzu unterhält die Bank ein Abwicklungskonto bei der NZB eines
anderen EU-Landes, ohne daß sie eine Zweigstelle in diesem Land besitzen muß.
61
Abbildung 9 im Anhang veranschaulicht die Zugangsmöglichkeiten zu TARGET. Ende
2001 waren über 37000 Banken (inklusive Filialen und Töchter) über TARGET er-
reichbar. Der wertmäßige Marktanteil bei Großbetragszahlungen belief sich auf 75 %.
57
Vgl. EZB (2001c), S. 6f.
58
Die Tagesendabwicklung von EURO1 wird über den EPM durchgeführt. Vgl. EZB (2000a), S. 6. Auch
für Euro-Zahlungen im CLS wird der EPM zur Abwicklung genutzt. Vgl. EZB (2003), S. 62.
59
Vgl. EZB (2001b), S. 61 und Friederich (2000), S. 752.
60
Vgl. EZB (2000b), S. 12f.
61
Vgl. EZB (1998), S. 2. Von dieser Möglichkeit wird jedoch kaum Gebrauch gemacht. Vgl. Interview
mit Dr. Hans-Jürgen Friederich, Deutsche Bundesbank, 18.02.2003, Anhang S. 96-98.

-12-
Wertmäßig waren 39 % der über TARGET abgewickelten Zahlungen grenzüberschrei-
tend, wovon 96,5 % Interbankzahlungen waren.
62
Sowohl die Zahlungsausführung als auch die Führung der Girokonten der TARGET-
Teilnehmer erfolgen dezentral bei den NZBen. Zahlungsnachrichten werden ohne Ein-
schaltung der EZB direkt zwischen den NZBen ausgetauscht und über deren wechsel-
seitige Verrechnungskonten abgewickelt.
63
Die EZB übernimmt außer der
Überwachung und Tagesendabstimmung kaum Aufgaben.
64
Die Zahlungsabwicklung
erfordert ausreichende Liquidität der sendenden Bank. Da TARGET ein RTGS-
Verbund mit Überziehungsmöglichkeit ist, setzt sich die Innertagesliquidität eines
teilnehmenden Instituts aus den Guthaben auf Zentralbankkonten (einschließlich Min-
destreserveguthaben), eingehenden TARGET-Zahlungen, aufgenommenen Geldmarkt-
krediten sowie möglichen vollbesicherten Innertageskrediten der jeweiligen NZB
zusammen.
65
Das sendende RTGS-System erhebt das Entgelt, das alle Bearbeitungs-
und Abwicklungskosten der Transaktion abdeckt.
66
Im Gegensatz zum Massenzahlungsverkehr
67
funktioniert das sogenannte Straight-
Through-Processing (STP) im TARGET-Verbund sehr gut. Das Interlinking-System
verwendet die S.W.I.F.T.-Nachrichtenformate MT
202 (Interbankzahlung) und
MT 103/103+ (Kundenzahlung), die in eine Nachricht des Typs MT 198
68
eingebettet
werden. Dadurch werden sehr wenige Transaktionen zurückgewiesen. Im Jahr 2001
konnten nur 0,28 % der Transaktionen nicht ausgeführt werden, was vor allem an nicht
mehr aktuellen Adressen im TARGET-Verzeichnis lag, das nur einmal pro Quartal
aktualisiert wird.
69
3.1.3 Reformbedarf im TARGET-Verbund
TARGET hat sich zum dominierenden Großzahlungsverkehrssystem in Europa entwik-
kelt und seine Zielsetzungen weitgehend erreicht. Liquiditätsengpässe treten nur spora-
disch auf, und die Geschwindigkeit der Zahlungsausführung ist mit 1,5 bis 6 Minuten
62
Vgl. EZB (2002g), S. 6-11. Für die über TARGET abgewickelten Zahlungen vom dritten Quartal 2001
bis zum dritten Quartal 2002 vgl. Tabelle 6 und Tabelle 7 im Anhang.
63
Vgl. EZB (2000b), S. 10.
64
Vgl. Riedl (2002), S. 155.
65
Vgl. hierzu und zur Bedeutung der Mindestreserveguthaben Riedl (2002), S. 164-167.
66
Vgl. Hartmann (1998), S. 6. Für die Kosten von TARGET-Transaktionen vgl. Tabelle 4 im Anhang.
67
Vgl. Kapitel 3.2.2.
68
Für genauere Informationen über die bei TARGET verwendeten S.W.I.F.T.-Nachrichtenformate vgl.
EZB (2002h), S. 11-36.
69
Vgl. EZB (2002g), S. 21.

-13-
recht beachtlich.
70
Der Vorteil dieses dezentralen Ansatzes war vor allem die kosten-
günstige und schnelle Implementierung eines EU-weiten Großzahlungsverkehrssystems
auf Basis der bestehenden nationalen RTGS-Systeme. Obwohl TARGET insgesamt als
ausgesprochen erfolgreich angesehen werden kann, bringen das dezentrale Design und
die unterschiedlichen nationalen Plattformen aber auch etliche Nachteile mit sich. Die
Verfügbarkeit von TARGET war bisher prinzipiell hoch.
71
Jedoch ist TARGET anfällig
gegenüber Störungen der nationalen RTGS-Systeme und NIKs. Allein im Jahr 2001 gab
es 115 solcher Störfälle, von denen 63 die Verfügbarkeit beeinflußten.
72
Diese Störfälle
können das Liquiditätsmanagement der Banken beeinflussen und hohe Kosten (z. B. für
kurzfristige Kredite) mit sich bringen. Durch die Dezentralität kam es auch immer
wieder zu Informationsasymmetrien, da direkte Teilnehmer eines von einer Störung
betroffenen Systems schneller darüber informiert wurden als andere TARGET-
Teilnehmer.
73
Dem wurde zwar im Oktober 2000 durch die Einführung des zentralen
TARGET-Informationssystems (TIS) abgeholfen
74
, jedoch bleibt das Problem kosten-
trächtiger Zeitverzögerungen bei der Abwicklung bestehen.
75
Da TARGET nur ein Minimum gemeinsamer Leistungsmerkmale der angeschlossenen
RTGS-Systeme fordert
76
, bleiben die Leistungscharakteristika aufgrund dieser Hetero-
genität und nicht harmonisierter Schnittstellen hinter dem Servicelevel einiger großer
und neuerer nationaler RTGS-Systeme zurück. So können Teilnehmer z. B. nicht die
Zahlungswarteschlangen
77
anderer Teilnehmer einsehen, da die Information über die zu
erwartende Zahlung erst sichtbar wird, wenn die Zahlungsnachricht über das Interlin-
king gesendet wird. Folglich können auch keine liquiditätssparenden Mechanismen zur
Auflösung von Warteschlangen durch bilaterale oder multilaterale Aufrechnung gegen-
überstehender Zahlungen implementiert werden
78
, wie sie z. B. im deutschen RTGS
plus
existieren
79
. Darüber hinaus haben einige Systeme im TARGET-Verbund nur ein gerin-
ges Zahlungsaufkommen und können deshalb nicht kostendeckend arbeiten. So wickeln
70
Vgl. Riedl (2002), S. 177f.
71
Im Jahr 2001 lag sie bei 99,75 %. Vgl. EZB (2002g), S. 18.
72
Vgl. EZB (2002g), S. 18.
73
Vgl. Riedl (2002), S. 179f.
74
Vgl. EZB (2001c), S. 12.
75
Vgl. EZB (1999a), S. 9f.
76
Vgl. EZB (1999a), S. 6.
77
Wegen mangelnder Liquidität eines Teilnehmers nicht ausgeführte Zahlungen werden in Warteschlan-
gen eingestellt und ausgeführt, sobald genügend Liquidität vorhanden ist.
78
Vgl. Bank of England (1999), S. 67.
79
Für genauere Informationen über die liquiditätssparenden Merkmale von RTGS
plus
vgl. Deutsche
Bundesbank (2002b), S. 63.

-14-
Schweden und Dänemark nicht einmal 500 Zahlungen pro Tag ab.
80
Auch die Kostenef-
fizienz des gesamten TARGET-Verbundes wird als problematisch angesehen.
81
Von
Skaleneffekten profitieren nur wenige Systeme wie das deutsche RTGS
plus
.
82
Die Hauptprobleme von TARGET sind also auf das heutige dezentrale Design und die
Heterogenität der angeschlossenen RTGS-Systeme zurückzuführen. Besonders wenn
man TARGET an Performance und Serviceumfang moderner und leistungsstarker
nationaler RTGS-Systeme mißt, bleibt es hinter diesen zurück. Diese Probleme werden
sich bei der anstehenden EU-Osterweiterung beträchtlich verschärfen, da sich der Teil-
nehmerkreis von TARGET bei Fortbestehen des heutigen Ansatzes schlagartig von 16
83
auf 26 Systeme und NIKs erweitert würde. Diese große Zahl von Systemen wäre
nachteilig für die Gesamtstabilität und die Verfügbarkeit des Systems und würde die
Betriebskosten deutlich ansteigen lassen.
84
Abgesehen davon müßten die Beitrittsländer
ihre RTGS-Systeme anpassen oder gar ­ wie Zypern oder Litauen
85
­ solche erst neu
entwickeln, was mit hohen Investitionskosten verbunden wäre. Folglich wird der beste-
hende Reformbedarf durch die Osterweiterung sehr akut.
86
Kapitel 4.1 zeigt die momen-
tan diskutierten Ansätze zur Beseitigung der heutigen Defizite.
3.2 Massenzahlungsverkehr
3.2.1 Aktuelle Situation des Massenzahlungsverkehrs im EU-Raum
3.2.1.1 Korrespondenzbankbeziehungen
Da in Europa keine adäquate Infrastruktur zur Zahlungsverarbeitung und Abwicklung
im grenzüberschreitenden Massenzahlungsverkehr existiert, ist bilateraler Austausch
noch immer das Standardverfahren. Solche Korrespondenzbankbeziehungen beruhen
auf bilateralen Übereinkünften zwischen Kreditinstituten, in denen sich die Partner auf
Datenaustauschformate und Formatierungsregeln zur Zahlungsverarbeitung einigen. Für
die Abwicklung unterhalten die Korrespondenten wechselseitige Kontenbeziehungen,
meist mit Überziehungsmöglichkeiten, deren Höhe von der Bonität des Korresponden-
ten abhängt.
87
Unterhält eine Bank A ein Korrespondenzkonto bei einer Partnerbank B,
80
Vgl. Deutsche Bundesbank (2002c), S. 5.
81
Vgl. EZB (2002e), S. 1.
82
Abbildung 10 im Anhang zeigt die unausgewogene Verteilung der TARGET-Zahlungen auf die natio-
nalen RTGS Systeme.
83
15 nationale Systeme plus der EPM der EZB.
84
Vgl. Friederich (2000), S. 752.
85
Zypern und Litauen verfügen derzeit über kein RTGS-System. Vgl. EZB (2002f), S. 52, 194.
86
Vgl. Fabritius (2001), S. 1212f.
87
Vgl. Riedl (2002), S. 286-288.

-15-
so wird das Konto aus Sicht der Bank A als Nostrokonto, aus Sicht der Bank B aber als
Lorokonto bezeichnet.
88
Bei einem grenzüberschreitenden Transfer belastet die Bank
des Auftraggebers dessen Konto und schreibt die Zahlung auf dem Lorokonto einer
Korrespondenzbank mit Sitz im Land des Begünstigten gut. Die Empfängerbank, deren
Forderungen gegenüber der Senderbank dadurch zunehmen, belastet das bei ihr geführte
Nostrokonto der Auftraggeberbank und schreibt den Betrag dem Konto des Begünstig-
ten gut. Unterhält der Empfänger kein Konto bei der Korrespondenzbank, leitet diese
die Zahlung entweder über ein nationales Gironetz oder Zahlungsverkehrssystem an
dessen Bank weiter.
89
Die meisten Banken unterhalten mehrere Korrespondenzbankbe-
ziehungen pro Land oder Währungsraum. Zahlungen werden über das Korrespondenz-
bankennetz so nah wie möglich an die Bank des Begünstigten transferiert.
90
Großbanken mit Auslandstöchtern nutzen außerdem ihre internen Systeme und Netz-
werke, um Zahlungen mit den Töchtern zu verrechnen, die diese dann gegebenenfalls
über die lokalen Zahlungsverkehrssysteme zum Begünstigten weiterleiten.
91
3.2.1.2 TIPANET, S-InterPay und Eurogiro
Eine besondere Form von Korrespondenzbankbeziehungen stellen das Transferts Inter-
bancaires de Paiements Automatisés Netzwerk (TIPANET) der Genossenschaftsbanken,
S-InterPay der Sparkassen und Eurogiro der Postbanken dar. Wegen des beschränkten
Teilnehmerkreises werden diese Netzwerke als Clublösungen bezeichnet. Während an
S-InterPay nur europäische Banken teilnehmen, haben Eurogiro und TIPANET auch
Teilnehmer in Übersee.
92
Wie bei normalen Korrespondenzbankbeziehungen wurden, hier allerdings multilateral
zwischen allen Teilnehmern, gemeinsame Datenaustauschstandards und Abwicklungs-
verfahren sowie Abkommen über die Verteilung der Erlöse festgelegt. Grenzüberschrei-
tende Überweisungen werden an einen der Teilnehmer im Land des Begünstigten
geleitet, der die Nachrichten in das jeweilige lokale Format konvertiert, um die Zahlung
durch die lokalen Zahlungsverkehrssysteme zum endgültigen Empfänger weiterzuleiten.
Da sich der Club-Partner zur Weiterleitung verpflichtet, wird nur ein Korrespondent pro
Land benötigt, was die Korrespondenzkontenzahl wesentlich reduziert und damit zu
88
Vgl. CPSS, BIS (2000), S. 6.
89
Vgl. Riedl (2002), S. 42.
90
Vgl. Mesterom (2001), S. 272.
91
Vgl. CPSS, BIS (2000), S. 18.
92
Vgl. EZB (2001a), S. 42-44.

-16-
Effizienzgewinnen führt.
93
Die Datenaustauschformate aller drei Netzwerke basieren
auf den S.W.I.F.T.-Nachrichtenstandards und ermöglichen relativ hohe STP-Quoten.
Dies führt dazu, daß alle drei Netzwerke grenzüberschreitende Zahlungen zu Kosten
unter dem EU-Durchschnitt verarbeiten und abwickeln können. Nichtsdestoweniger
sind in allen drei Netzwerken noch erhebliche Ineffizienzen festzustellen. Die Preise für
Auslandsüberweisungen unterscheiden sich innerhalb der verschiedenen Länder des
gemeinsamen Währungsraumes erheblich und selbst im gleichen Land verlangen ein-
zelne Banken eines Netzwerks zum Teil unterschiedliche Gebühren. Positive Ausnahme
ist lediglich TIPANET, wo alle Zahlungen zum Einheitspreis beim Auftraggeber abge-
rechnet werden.
94
Obwohl die Netzwerke alle auf dem gleichen Grundprinzip beruhen,
unterscheiden sie sich doch in einigen Details. So wickeln TIPANET und S-InterPay
ihre Zahlungen über Korrespondenzkonten bzw. TARGET oder EURO1 ab, während
Eurogiro neben den Korrespondenzkonten einen zentralen Settlement-Provider für
Euro-Zahlungen eingeführt hat.
95
Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Unterschiede
zwischen TIPANET, S-InterPay und Eurogiro.
Tabelle 2 Vergleich zwischen TIPANET, S-InterPay und Eurogiro
TIPANET
S-InterPay
Eurogiro
Zahlungsverkehrs-
instrumente
Überweisung, Last-
schrift, Schecks
Überweisung
Überweisung und
Nachnahme
Durchschnittliche
Zeit bis zur Gut-
schrift
2 Tage
5 Tage
3 Tage für Überweisun-
gen, 2 Tage für Eil-
überweisungen, 5 Tage
für Nachnahme
Datenaustausch
Bilaterale Überein-
künfte, S.W.I.F.T.-
Standards
S.W.I.F.T.-Standards
Bilaterale Übereinkünf-
te, S.W.I.F.T.-
Standards
Abwicklung
Bilaterale
Übereinkünfte,
Korrespondenzkonten
Abwicklung über
TARGET oder EURO1
Korrespondenzkonten,
zentraler Abwickler für
Eurozahlungen
Gebührenstruktur
7,50 unabhängig
von Empfängerland
und Zahlungshöhe
7-8 + Auslandsent-
gelt (vgl. Tabelle 9 im
Anhang)
Uneinheitlich (vgl.
Tabelle 10 im Anhang)
Beschränkungen
Höchstbeträge abhän-
gig vom Zielland (vgl.
Tabelle 8 im Anhang)
Höchstbeträge abhän-
gig vom Zielland (vgl.
Tabelle 9 im Anhang)
Keine
Quelle: Eigene Darstellung. Tabelleninhalt vgl. EZB (2001a), S. 42-44; Norddeutsche Landesbank
(2002), S. 16; Volksbank Kreis Bergstraße e. G. (2002), S. 1f.; Deutsche Post (2002), o. S.; Jeon (2002),
S. 8.
93
Vgl. Mesterom (2001), S. 272.
94
Vgl. Mainz (2002), o. S.
95
Vgl. EZB (2001a), S. 42-44 und Jeon (2002), S. 8.

-17-
3.2.1.3 STEP1
Auf der technischen Plattform ihres Nettoabwicklungssystems EURO1
96
entwickelte
die EBA das Straight Through Euro Payments (STEP1)-System für den europäischen
Massenzahlungsverkehr, das im November 2001 seinen Betrieb aufnahm.
97
Dies sparte
Investitionskosten und Zeit.
98
Im Gegensatz zu EURO1 steht das System allen Banken
offen, die technisch zur Teilnahme in der Lage sind.
99
Nicht an EURO1 teilnehmende
Banken (im folgenden STEP1-Banken genannt) müssen ein Abwicklungsabkommen
mit einer EURO1-Bank abschließen.
100
Die EBA verlangt von STEP1-Teilnehmern
neben Clearingkosten von 0,48 je Zahlungsnachricht eine Pauschalgebühr von 1000
im Jahr und eine einmalige Anschlußgebühr von 5000 . EURO1-Teilnehmer sind von
der Pauschalgebühr ausgenommen.
101
Zu diesen Gebühren kommen für reine STEP1-
Banken noch die Kosten für die Dienstleistung der EURO1-Abwicklungsbank. Inzwi-
schen sind über 200 Banken direkt an STEP1 angeschlossen, die insgesamt über 400
sogenannte Sub-Participants mit in das System einbringen.
102
Sub-Participants sind von
Teilnehmern kontrollierte Institute, die einzeln adressierbar sind, aber keine eigenen
Teilnahmegebühren entrichten müssen.
103
Banken können bei STEP1 nicht die sonst im Massenzahlungsverkehr üblichen Verar-
beitungsstapel in das System einstellen, da es wie EURO1 transaktionsbasiert arbei-
tet.
104
Außerdem können STEP1-Zahlungen nur an andere STEP1/EURO1-Teilnehmer
gerichtet werden. Um STEP1- von EURO1-Zahlungen zu unterscheiden, erhalten diese
im Header der Zahlungsnachricht das Kürzel ERP für Euro Retail Payment.
Durch STEP1 sind grenzüberschreitende Überweisungen mit taggleicher Gutschrift
möglich. Zahlungsanweisungen und -stornierungen können bis 9:30 Uhr mitteleuropäi-
scher Zeit (MEZ) am Ausführungstag abgegeben werden. Kurze Zeit später informiert
S.W.I.F.T. die STEP1-Bank und ihre Abwicklungsbank über ihren potentiellen Netto-
saldo (Potential Net Balance, PNB) am Ende des Tages. Da STEP1-Banken kein zusätz-
96
EURO1 und STEP1 arbeiten auf der Basis des S.W.I.F.T. Services FIN. Vgl. Mesterom (2001), S. 272.
97
Vgl. Lichter (2001), S. 3.
98
Vgl. Europäisches Parlament (2001), S. 3.
99
Die Teilnahme setzt vor allem die Anwendung der S.W.I.F.T.-Nachrichtentypen MT 102, MT 100 und
MT 103 voraus, wobei MT 100 wegen seiner mangelnden STP-Eigenschaften nur für eine Über-
gangszeit unterstützt werden soll. Vgl. Mesterom (2001), S. 272f.
100
Vgl. EBA (2002c), S. 6.
101
Vgl. EBA (2002a), o. S.
102
Vgl. EBA (2002b), o. S.
103
Vgl. EBA (o. J. b), o. S.
104
Vgl. EZB (2001a), S. 45.

-18-
liches Risiko in EURO1 einbringen sollen, muß ihre potentiell ausfallgefährdete multi-
laterale Nettoposition nach der Verarbeitung aller ein- und ausgehenden Zahlungen Null
betragen.
105
Eine negative PNB muß somit durch einen sogenannten Capacity Transfer
der Abwicklungsbank zur STEP1-Bank durch eine STEP1-Zahlung in entsprechender
Höhe ausgeglichen werden.
106
Dies ist im Grunde nichts anderes als eine Bereitstellung
der nötigen Liquidität im EURO1-System durch die Abwicklungsbank. Dadurch ent-
steht ein Zahlungsanspruch der Abwicklungsbank gegenüber der STEP1-Bank, der
außerhalb von STEP1 durch eine Zahlung über ein nationales Clearingsystem oder
TARGET vorgenommen wird.
107
Um 10:30 Uhr MEZ beginnt die Zahlungsverarbei-
tung. Zahlungen von STEP1-Banken mit negativer PNB werden so lange in Warte-
schlangen eingestellt, bis die entsprechenden Capacity Transfers durchgeführt wurden.
Am Ende des Verarbeitungszyklus, der normalerweise früh am Tag abgeschlossen wird,
haben alle STEP1-Banken eine PNB von Null.
108
Abbildung 11 im Anhang gibt einen
Überblick über den STEP1-Verarbeitungsprozeß.
3.2.2 Probleme im Massenzahlungsverkehr
3.2.2.1 Hohe Kosten
In einer modernen Volkswirtschaft sollte mit Ausnahme von sehr kleinen Beträgen die
Wahl, ob Transaktionen mit Bargeld oder Sichteinlagen durchgeführt werden, nur von
den Bedürfnissen der Nutzer und nicht von Kostengesichtspunkten abhängen. Damit
nach Einführung des Euro dieses im Inland weitgehend gültige Indifferenzprinzip auch
für ganz Euroland anwendbar ist, müssen die Kosten für grenzüberschreitende Überwei-
sungen auf Inlandsniveau gesenkt werden.
109
Mehrere Studien haben jedoch gezeigt,
daß dies bei weitem noch nicht der Fall ist.
Eine Ende 1999 durchgeführte Studie der EU-Kommission ergab dem Auftraggeber
berechnete Durchschnittskosten von 15,51 für eine grenzüberschreitende Überwei-
sung in der Euro-Zone von 100 . Zusätzlich wurden dem Begünstigten durchschnittlich
1,59 belastet.
110
Auch in einer Folgestudie von 2001 konnte keine Verbesserung fest-
gestellt werden. Die durchschnittlichen Gebühren für entsprechende Überweisungen
105
Vgl. Riedl (2002), S. 300f.
106
Vgl. EBA (2002d), S. 5-7.
107
Vgl. Riedl (2002), S. 301.
108
Vgl. EBA (2002d), S. 7f.
109
Vgl. EZB (2001d), S. 6.
110
Vgl. Europäische Kommission (2000), S. 11-13.

-19-
lagen bei 14,26 für den Auftraggeber und 3,10 für den Begünstigten.
111
Betrachtet
man die Daten für neun untersuchte EU-Länder einer Studie der Kommission von 1994,
dann wurden die Kosten seither zwar um 25,4 % gesenkt
112
, sie liegen in der Euro-Zone
aber immer noch bei durchschnittlich 17,36 % des Auftragswertes von 100
113
. Damit
sind grenzüberschreitende Überweisungen derzeit noch immer rund 100mal so teuer wie
Inlandsüberweisungen, die selten mehr als 0,10-0,20 kosten.
114
Eine Studie von 2000
aus Österreich kommt zu ähnlichen Ergebnissen.
115
Hier lagen die Durchschnittskosten
für eine grenzüberschreitende Überweisung von 40 für Auftraggeber und Empfänger
bei 12,83 oder 32 % des Auftragswertes.
116
Entgelte dieser Größenordnung sind laut EZB für den grenzüberschreitenden Handel
und Dienstleistungsverkehr untragbar.
117
Auch die Kommission ist der Meinung, daß
ein höheres Kostenniveau für grenzüberschreitende Überweisungen gegenüber Inlands-
überweisungen den grenzüberschreitenden Handel hemmt und somit das Funktionieren
des Binnenmarkts sowie das Vertrauen in den Euro beeinträchtigt.
118
3.2.2.2 Mangelnde Transparenz
Bereits am 27.01.1997 erließen der Rat der Europäischen Union und das europäische
Parlament die Richtlinie 97/5 über grenzüberschreitende Überweisungen
119
mit dem
Ziel, die Transparenz im europäischen Massenzahlungsverkehr zu erhöhen. Die Richtli-
nie schreibt neben umfangreichen Informationspflichten der Banken bei Auslandsüber-
weisungen die Nutzung der sogenannten ,,OUR"-Option als Standardoption vor, bei der
dem Empfänger der Zahlung keinerlei Kosten entstehen.
120
Die Studie der Kommission
von 2001 hat gezeigt, daß die Richtlinie 97/5 jedoch immer noch verletzt wird. Insge-
samt wurden dem Empfänger in 37,82 % der Fälle Gebühren belastet, ohne daß dies
vom Kunden gewünscht wurde.
121
111
Vgl. Europäische Kommission (2001), S. 10f. Die Ergebnisse der Studien von 1999 und 2001 sind in
Abbildung 12 und Abbildung 13 im Anhang dargestellt.
112
Eigene Berechnungen, vgl. Tabelle 11 im Anhang.
113
Vgl. Europäische Kommission (2001), S. 32.
114
EZB (2001b), S. 59f.
115
Hier wurden allerdings nur Überweisungen zwischen Österreich und den Ländern Deutschland, Italien,
Belgien, Finnland und Spanien untersucht. Vgl. Ritter (2000), S. 6.
116
Vgl. Ritter (2000), S. 45.
117
Vgl. EZB (2001b), S. 60.
118
Vgl. Europäisches Parlament/Rat der europäischen Union (2001), S. 13.
119
Vgl. Europäisches Parlament/Rat der europäischen Union (1997).
120
Ohne ausdrückliche Weisung des Kunden ist somit die Nutzung der Gebührenmodelle ,,SHARE"
(Gebührenteilung) und ,,BEN" (Empfänger trägt alle Gebühren) untersagt. Vgl. Europäische Kom-
mission (2000), S. 47.
121
Vgl. Europäische Kommission (2001), S. 39.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832471781
ISBN (Paperback)
9783838671789
DOI
10.3239/9783832471781
Dateigröße
1.7 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
European Business School - Internationale Universität Schloß Reichartshausen Oestrich-Winkel – unbekannt
Erscheinungsdatum
2003 (September)
Note
1,3
Schlagworte
transaction banking zahlungssysteme target single euro payment area sepa europäische union
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Titel: Chancen und Risiken alternativer Abwicklungsmodelle für die Vereinheitlichung des europäischen Zahlungsverkehrs
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