Lade Inhalt...

Geeignetheit der Tobin-Steuer zur Stabilisierung der internationalen Finanzmärkte

©2003 Diplomarbeit 90 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Diese Arbeit setzt sich mit der nach dem amerikanischen Ökonom und Nobelpreisträger Tobin benannten Steuer auf Devisentransaktionen, der sog. Tobin-Tax, auseinander. Das bemerkenswerte an diesem Steuervorschlag ist, dass er immer dann neu diskutiert wird, wenn es an den internationalen Finanzmärkten zu Krisen und Turbulenzen kommt. Eine Realisierung dieses Vorschlags ist auf den globalen Finanzplätzen bisher jedoch noch nicht erfolgt.
Im Jahre 1972 stellte Tobin seine Idee einer Devisentransaktionssteuer erstmals der Öffentlichkeit vor, nachdem er feststellen musste, dass es nach dem Zusammenbruch der Bretton Woods Ära im System flexibler Wechselkurse zu einer Differenz zwischen Anspruch und Realität gekommen war. Sechs Jahre später, im Jahre 1978, veröffentlichte er schließlich, nach genauerer Ausarbeitung, seinen Gedanken unter dem Titel „A Proposal for International Monetary Reform“. Zur Renaissance seines Vorschlages kam es, als dieser nach dem weltweiten Börsencrash von 1987 erstmals auf reges Interesse stieß. Besonders in den 90er Jahren, nach dem Zusammenbruch des Europäischen Währungssystems (1992/93) und den Finanzmarktkrisen in Mexiko (1994) und Asien (1997) fand eine Rückbesinnung statt.
Das Ziel der Tobin-Tax soll es sein, eine bessere Ausgangsbasis für den Einsatz von geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen zu schaffen, damit Regierungen und Zentralbanken die heimische Währungsstabilität besser gewährleisten können. Gleichzeitig würde es diesen Institutionen auch gelingen, über einen niedrigen und global einheitlichen Steuersatz in alle Devisentransaktionsgeschäfte lenkend einzugreifen. Die dadurch zurückgewonnene Autonomie der nationalen Währungspolitik, die im Zuge der weltweiten Liberalisierung der Finanz- und Kapitalmärkte verloren gegangenen war, soll nun den nationalen Bedürfnissen angepasst werden, ohne zu große Wechselkursschwankungen auszulösen. Dieses Ziel, die Stabilisierung der Währungsverhältnisse, erreicht die Tobin-Tax nur, wenn es ihr gelingen sollte, die kurzfristigen destabilisierenden Devisenspekulationen zu unterbinden. Auf der anderen Seite dürften dadurch der globale Handel und die langfristigen Direktinvestitionen so wenig wie möglich behindert werden.
Für das in den letzten Jahren wachsende Interesse an der Tobin-Tax zeichnen auch die Globalisierungsgegner verantwortlich, die, anders als Tobin, in erster Linie nicht an die Lenkungsfunktion der Devisensteuer denken, sondern die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7168
Füllhas, Patrick: Geeignetheit der Tobin-Steuer zur Stabilisierung der internationalen
Finanzmärkte
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Universität Passau, Universität, Diplomarbeit, 2003
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

i
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
i
Abkürzungsverzeichnis
iii
Abbildungsverzeichnis
vi
Tabellenverzeichnis
vii
1.
Problemstellung
1
2. James Tobin ­ Die Idee der Tobin-Tax erlebt eine
Renaissance
4
2.1
Die Idee von 1978
4
2.2
Die Tobin-Tax in der Literatur
6
2.2.1
Generelle
Aspekte
6
2.2.2 Spezielle Ansichten und Alternativen
8
2.2
Renaissance
der
Tobin-Tax 13
3. Aufbau und Funktionsweise von internationalen
Finanzmärkten
17
3.1
Abgrenzung
von
Finanzmärkten
18
3.2
Der
Kreditmarkt
20
3.3
Die
Internationale
Wertpapiermärkte
21
3.4
Die
Devisenmärkte
24
3.5
Die
Finanzmarkt-Akteure
28
3.5.1
Banken
28
3.5.2
Institutionelle
Anleger
29
3.6
Die
Offshore
Finanzmärkte 34

ii
4 Tobin-Tax: Analyse der Ziele, Probleme bei der
Implementierung und potenzielle Auswirkungen
37
4.1
Effizienz und Stabilität der Finanzmärkte
38
4.1.1
Transaktionskosten
38
4.1.2
Liquidität
40
4.1.3
Volatilität
41
4.1.3.1 Auftreten spekulativer Blasen
43
4.1.3.2 Problem
der
destabilisierenden Spekulation
44
4.2
Implementierungsprobleme und die technische
Durchführbarkeit
48
4.2.1
Internationaler
Koordinierungsbedarf
49
4.2.2
Steuereinnahmequelle
50
4.2.2.1
Steuerbasis 51
4.2.2.2
Steuersatz 52
4.2.2.3
Steuereinnahmen 55
4.2.3 Steuerverwaltung / -verwendung
58
4.3
Grad der Zielerreichung und mögliche Auswirkung auf
Finanzmärkte und Marktteilnehmer
60
4.4
Volkswirtschaftliche
Auswirkungen 65
5
Ausblick 69
Literaturverzeichnis
viii

iii
Abkürzungsverzeichnis
%
Prozent
A
Angebot
Abb.
Abbildung
AG
Aktiengesellschaft
ATTAC
Action pour une Tax Tobin d'Aide aux Citoyens
BIP
Bruttoinlandsprodukt
BIZ
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
BMF
Bundesministerium
für
Finanzen
BVI
Bundesverband
Deutscher
Investment-
Gesellschaften
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
CHAPS
Clearing House Automated Payment System
d.h.
das
heißt
Diss.
Dissertation
DIW
Deutsches
Institut
für
Wirtschaftsforschung
E
Erwartungswert
etc.
et
cetera
EU
Europäische
Union
EUR
gemeinsame
europäische
Währung
EURO
gemeinsame
europäische
Währung
EWS
Europäisches
Währungssystem
EZB
Europäische
Zentralbank
f folgende
FED
Federal
Reserve
Bank
FSF
Financial
Stability
Forum
G7
Gruppe der sieben größten Industrieländer
Hg
Herausgeber
i inländischer
Zins

iv
i*
ausländischer
Zins
IMF
International
Monetary
Fund
IT
Informationstechnik
IWF
Internationaler
Währungsfond
LTCM
Long-Term
Capital
Management
Mio.
Million
Mrd.
Milliarde
n Dauer
des
Auslandengagements
N
Nachfrage
Nasdaq
National association of securities dealers
automated
quotation
system
No.
Number
Nr.
Nummer
NYSE
New York Stock Exchange
o.J.
ohne
Jahr
o.O.
ohne
Ort
o.V.
ohne
Verfasser
OECD
Organization for Economic Cooperation and
Development
p Preis
p.a.
per
annum
PDS
Partei des Demokratischen Sozialismus
q Gütereinheiten
RIET
Real Interest Equalization Tax
s Swapsatz
S.
Seite
S.W.I.F.T.
Society for Worldwide Interbank Financial
Telecommunication
sog.
sogenannten
SPD
Sozialdemokratische
Partei
Deutschlands
STT
Securities
Transaction
Tax
t prozentualer
Steuersatz
T
A
Anlagensteuer

v
Tab.
Tabelle
TARGET
Trans-European Automated Real-time Gross
settlement
Express
Transfer
system
TK
Telekommunikation
ToT
Terms
of
Trade
T
T
Transaktionssteuer
T
Z
Zinsausgleichssteuer
u.a.
und
andere
UN
United
Nations
UNCTAD
United Nations Conference on Trade and
Development
UNDP
United
Nations
Development
Program
UNO
United
Nations
Organisation
US
United
States
USA
United States of America
USD
US-Dollar
v.
vom
vs.
versus
vgl.
vergleiche
Vol.
Volume
WTO
World
Trade
Organisation
z.B.
zum
Beispiel
s
e
erwartete
Wechselkursänderung

vi
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1:
Währungspolitische Reformvorschläge in einer
Systematik nach Eingriffsintensität und
Koordinationsbedarf 12
Abb. 2:
Binnendifferenzierung des Finanzmarktes
18
Abb. 3:
Teilsysteme der Finanzmärkte
19
Abb. 4:
Entwicklung der Weltwährungsreserven seit 1980
26
Abb. 5:
Entwicklung des täglichen Devisenhandels von
1979-2001
27
Abb. 6:
Anteil des Finanzvermögens Institutioneller
Investoren
(1996)
30
Abb. 7:
Vermögen der institutionellen Anleger auf
Herkunftsländer
(1996)
31
Abb. 8:
Verteilung des Vermögens von Hedge-Fonds
33
Abb. 9:
Charakteristika von Offshore-Zentren am Beispiel
der British Virgin Islands
35
Abb. 10:
Stabilisierende Spekulation
46
Abb. 11:
Destabilisierende Spekulation
47

vii
Tabellenverzeichnis
Tab. 1:
Charakteristika der Varianten der Tobin-Tax
9
Tab. 2:
Erzielung eines Nettoertrages von Null bei der
Kombination von In- und Auslandszinsen und
einer Tobin-Tax (t) von 0,5%
54
Tab. 3:
Einnahmen aus der Tobin-Tax nach David Felix
(Schätzwerte) 57

1
1 Problemstellung
Diese Arbeit setzt sich mit der nach dem amerikanischen Ökonom und
Nobelpreisträger Tobin
1
benannten Steuer auf Devisentransaktionen, der
sog. Tobin-Tax, auseinander. Das bemerkenswerte an diesem
Steuervorschlag ist, dass er immer dann neu diskutiert wird, wenn es an
den internationalen Finanzmärkten zu Krisen und Turbulenzen kommt.
Eine Realisierung dieses Vorschlags ist auf den globalen Finanzplätzen
bisher jedoch noch nicht erfolgt.
Im Jahre 1972 stellte Tobin seine Idee einer Devisentransaktionssteuer
erstmals der Öffentlichkeit vor, nachdem er feststellen musste, dass es
nach dem Zusammenbruch der Bretton Woods Ära im System flexibler
Wechselkurse zu einer Differenz zwischen Anspruch und Realität
gekommen war. Sechs Jahre später, im Jahre 1978, veröffentlichte er
schließlich, nach genauerer Ausarbeitung, seinen Gedanken unter dem
Titel ,,A Proposal for International Monetary Reform"
2
. Zur Renaissance
seines Vorschlages kam es, als dieser nach dem weltweiten Börsencrash
von 1987 erstmals auf reges Interesse stieß. Besonders in den 90er
Jahren, nach dem Zusammenbruch des Europäischen Währungssystems
(1992/93) und den Finanzmarktkrisen in Mexiko (1994) und Asien (1997)
fand eine Rückbesinnung statt.
3
Das Ziel der Tobin-Tax soll es sein, eine bessere Ausgangsbasis für den
Einsatz von geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen zu schaffen, damit
Regierungen und Zentralbanken die heimische Währungsstabilität besser
gewährleisten können. Gleichzeitig würde es diesen Institutionen auch
gelingen, über einen niedrigen und global einheitlichen Steuersatz in alle
Devisentransaktionsgeschäfte lenkend einzugreifen. Die dadurch
zurückgewonnene Autonomie der nationalen Währungspolitik, die im Zuge
der weltweiten Liberalisierung der Finanz- und Kapitalmärkte verloren
gegangenen war, soll nun den nationalen Bedürfnissen angepasst
1
im Frühjahr 2002 verstorben
2
abgedruckt in. Tobin (1982), S. 488-494
3
vgl. Wahl/Waldow (2001), S. 4; Bruns (2000)

2
werden, ohne zu große Wechselkursschwankungen auszulösen.
4
Dieses
Ziel, die Stabilisierung der Währungsverhältnisse, erreicht die Tobin-Tax
nur, wenn es ihr gelingen sollte, die kurzfristigen destabilisierenden
Devisenspekulationen zu unterbinden. Auf der anderen Seite dürften
dadurch der globale Handel und die langfristigen Direktinvestitionen so
wenig wie möglich behindert werden.
5
Für das in den letzten Jahren wachsende Interesse an der Tobin-Tax
zeichnen auch die Globalisierungsgegner verantwortlich, die, anders als
Tobin, in erster Linie nicht an die Lenkungsfunktion der Devisensteuer
denken, sondern die Steuer vielmehr als Mittel zum Zweck sehen, um den
internationalen Organisationen (UNO, IWF und Weltbank) finanzielle Mittel
zur Verfügung zu stellen.
6
Diese Behörden leiden einerseits unter der
schlechten Zahlungsmoral ihrer Mitglieder, müssen andererseits aber eine
wachsende Zahl an Aufgaben erfüllen.
Tobin selbst setzt den Schwerpunkt seiner Steuer auf die Eindämmung
der Wechselkursschwankungen und gerade nicht auf die Erzielung von
Einnahmen. Die mit der Tobin-Tax verbundenen Steuereinnahmen
betrachtet er lediglich als positiven Nebeneffekt.
7
Ziel dieser Arbeit soll es sein zu überprüfen, in wie weit die Tobin-Tax
überhaupt dazu geeignet ist, die internationalen Finanzmärkte zu
stabilisieren.
In Kapitel 2 dieser Arbeit wird zuerst der Originalvorschlag Tobins näher
betrachtet, bevor in der Literatur zu findende Abweichungen erläutert
werden. Im weiteren Verlauf wird dann auf die oben genannte
Renaissance der Idee Tobins eingegangen.
Um eine besseres Verständnis für die bei der Implementierung
auftretenden Probleme und Hindernisse zu haben, ermöglicht Kapitel 3 ein
Einblick in den Aufbau und die Funktionsweise von internationalen
Finanzmärkten.
4
vgl. Bruns (2000)
5
vgl. Spahn (2002), S. 2
6
vgl. Huffschmid (2000a), S. 11
7
vgl. Reiermann/Schießl (2001)

3
Auf Kapitel 4 liegt das Hauptaugenmerk dieser Arbeit, denn hier kommt es
zur Analyse der Ziele, den Problemen bei der Implementierung und den
potenziellen Auswirkungen einer solchen Steuer. Dabei geht es vorrangig
um die Frage, ob die Tobin-Tax in der Lage ist, die in sie gesteckten
Erwartungen und Ziele zu erreichen, um die Stabilität der globalen
Finanzmärkte sicher zustellen.

4
2
James Tobin ­ Die Idee der Tobin-Tax erlebt eine
Renaissance
Der am 11. März 2002
8
verstorbene amerikanische Ökonom und
Nobelpreisträger
9
James Tobin hat erstmals 1972 während seiner
,,Janeway Lectures" an der Princeton Universität sein Modell einer
Devisenumsatzsteuer vorgeschlagen. Diese Steuer ging später in die
Fachliteratur unter dem Namen ihres Erfinders als Tobin-Tax ein. Die
Tobin'sche Devisenumsatzsteuer stellt auf Währungsspekulationen ab
und soll auf alle Arten von Finanztransaktionen angewendet werden, mit
dem Ziel die Kursschwankungen von Devisen zu reduzieren.
2.1 Die Idee von 1978
Im Jahr 1978 griff Tobin in seiner presidential address
10
seinen Gedanken
von 1972 auf, denn ,,the idea fell like a stone in a deep well"
11
, wie Tobin
dies kommentierte.
Aus diesem Grunde wiederholte er seine Grundversion nochmals mit den
Worten, ,,there are two ways to go. One is toward a common currency,
common monetary and financial policy, and economic integration. The
other is toward greater financial segmentation between nations or
currency areas. [...] The first direction [...] is clearly not a viable option in
the foreseeable future [...]. I therefore regretfully recommend the second,
and my proposal is to throw some sand in the wheels of our excessively
efficient international money market."
12
. Der Hintergrund für diese
Argumentation liegt in der vollständigen Konvertibilität zwischen den
wichtigsten Währungen. Dessen Hauptproblem ist ,,[...] the exessive
international ­ or better, intercurrency ­ mobility of private financial
8
vgl. o.V. (2002): Trauer um Schöpfer der ,,Tobin Tax"
9
Erhielt 1981 den Nobelpreis für Ökonomie für seine Analyse der Finanzmärkte und deren
Beziehungen zu Investitionsentscheidungen, Beschäftigung, Produktion und Preisen
10
abgedruckt in Tobin (1982), S. 488-494
11
Tobin (1982), S. 490
12
Tobin (1982), S. 489

5
capital"
13
, welches durch Sand im Getriebe der Finanzmärkte gebremst
werden soll.
Damit diese Idee auch Erfolg hätte, sollten laut Tobin die führenden
Staaten der westlichen Welt (z.B. die G7-Staaten) eine Steuer auf alle
Devisentransaktionen erheben.
14
Tobin schlug damals einen einheitlichen
Steuersatz von 1% vor, der pro Transaktion erhoben werden sollte, was
zur Folge hätte, dass sich für eine nicht dauerhafte Fremdwährungsanlage
(d.h. die Hin- und Rücktransaktion) eine steuerliche Belastung von
insgesamt 2% ergeben würde. Die daraus resultierende Beschränkung
der Volatilität der Wechselkurse, würde ebenfalls eine viel stärkere
Wirkung bei kurzfristigen Anlagen haben, als bei langfristigen. Die durch
die Tobin-Tax eingeschränkte Volatilität hätte noch einen weiteren Effekt,
denn in Folge dessen würde die Autonomie der einzelnen nationalen
Geldpolitiken erhöht.
15
Die Tobin-Tax ließe sich auch formell widerspiegeln. Dabei müssen aber
in- und ausländische Anlagen bzgl. der erwarteten Renditen bei gleichen
Risiken und vollständiger Arbitrage übereinstimmen.
16
i
*
n
/
360
= i
*
*
n
/
360
+ s
*
n
/
360
­ 2t
17
wobei: i = inländischer Zins (in % p.a.)
i* = ausländischer Zins (in % p.a.)
t = prozentualer Steuersatz (Tobin-Tax)
n = Dauer des Auslandengagements (in Tagen)
s = Swapsatz
Zur Berechnung der Tobin-Tax wird aus Vereinfachungsgründen
angenommen, dass die erwartete Veränderungsrate des Wechselkurses
(= Swapsatz) gleich null sei.
Tobin war bewusst, dass durch die von ihm vorgeschlagene
Devisenumsatzsteuer nicht nur der Kapitalverkehr beeinflusst wird,
sondern auch der internationale Güter- und Dienstleistungshandel. Dass
13
Tobin (1982), S. 488
14
vgl. Schempp (1990), S. 1
15
vgl. Aschinger (1998), S. 10
16
vgl. Frankel (1996), S. 57
17
siehe Rübel (2002), S. 304

6
dem Handel Barrieren in den Weg gestellt werden, war aber nicht im
Sinne Tobins, doch sah er keine andere Möglichkeit zu verhindern, dass
Finanztransaktionen unter dem Deckmantel des Handels ablaufen.
18
Für ihn stand nicht die Gewinnung von finanziellen Mitteln im Vordergrund
seiner Devisensteuer, sondern die Beschränkung destabilisierender
Spekulationen und der damit verbundenen Volatilität. Obwohl die Tobin-
Tax von jedem Staat selbst verwaltet werden sollte, regte Tobin an, die
neu gewonnen finanziellen Ressourcen dem IWF oder der Weltbank zu
überlassen.
19
Nicht alle beteiligten Staaten würden ein identisches Steueraufkommen
haben, und um das Ungerechtigkeitsempfinden zu unterdrücken, scheint
die Einschaltung des IWF zur Umverteilung zwischen Industrie- und
Entwicklungsländer sinnvoll.
2.2 Die Tobin-Tax in der Literatur
Die Tobin-Tax fand in der Fachliteratur nur geringe Beachtung.
20
In den
wenigen Fällen, in denen die Tobin-Tax aufgegriffen wurde, kamen sehr
verschiedene Ansichten ins Spiel, so dass der Ausdruck ,,Tobin-Tax" für
etwas steht, dass in etwa dem Originalvorschlag entspricht.
21
2.2.1 Generelle Aspekte
Finanztransaktionssteuern, im speziellen die ,,Securities Transaction Tax"
(STT), wurden wesentlich intensiver behandelt, bedingt durch
entsprechende Vorschläge, die in den USA während der Bush und Clinton
Regierung
22
unterbreitet wurden.
23
Von allgemeinem Interesse
18
vgl. Tobin (1982), S. 494
19
vgl. Tobin (1982), S. 494
20
siehe Kapitel 2.1 - ,,the idea fell like a stone in a deep well" (Tobin 1982, S. 490)
21
vgl. Spahn (1995), S. 7
22
George Busch (1989-1993) und Bill Clinton (1993-2001)
23
vgl. Summers/Summers (1989), S. 261-286

7
­ abgesehen von der Wechselkursstabilität ­ sind folgende Aspekte bei
der Betrachtung von Finanztransaktionssteuern:
(1)
Alternative zur Besteuerung von Kapitalerträgen
Eine Verlagerung des Kapitals von internationalen auf nationale
Märkte und eine Senkung der heimischen Zinssätze wären die
Folge, wenn inländische Investoren neben Kapitalertragssteuern
zudem noch durch eine internationale Kapitaltransaktionssteuer
belastet würden. Da die Transaktionssteuer einer
Kapitalertragssteuer gleichkommt, könnte diese für die
Steuerverluste entschädigen, die durch Hinterziehung entstehen.
24
(2)
Besteuerung bzw. Quarantäne von Steuerparadiesen
Eine Finanztransaktionsteuer könnte zwar nicht die Kapitalflüsse
zwischen den Offshore-Zentren unterdrücken und ebenso wenig ist
eine ex-post Besteuerung des in den Zentren liegenden Kapitals
möglich.
25
Dennoch würde eine Steuer den Einflussfaktor dieser
Zentren reduzieren, indem Kapitalzu- und -abflüsse dieser
Steuerparadiese mit einem höheren Steuersatz belegt werden bzw.
Banken und Finanzinstitutionen mit Sanktionen rechnen müssen,
wenn sie mit in Offshore-Zentren Ansässigen Geschäften
abschließen.
26
Die Steuer würde folglich nicht nur präventiv gegen
zweifelhafte Kapitalflüsse wirken, sondern auch nicht kooperierende
Zentren von den internationalen Finanzmärkten abschneiden.
(3)
Effizienzsteigerung im Finanzsektor
Nicht nur Tobin, sondern auch andere Wissenschaftler sind der
Meinung, dass für Finanzspekulationen ­ im wesentlichen Null-
Summen Spiele ­ riesige Unternehmens- und Intelligenzressourcen
verschwendet werden.
27
Diese Annahme gilt nur, wenn man
24
vgl. Spahn (1995), S. 7
25
vgl. Spahn (1995), S. 8
26
vgl. Wahl u.a. (2000), S. 53
27
vgl. Tobin (1991), S. 18

8
unendlich schnelle Anpassungsprozesse unterstellt. So verdient nur
derjenige, der als erster in die Spekulation einsteigt und als erster
wieder herausgeht. Eine Finanztransaktionssteuer hätte die
Möglichkeit diese Verschwendung zu unterdrücken oder zu
stoppen, was einer Effizienzsteigerung gleich kommen würde.
(4)
Vorteile langfristiger Kapitalanlagen
An Hand einer Reihe von Steuern auf internationale
Finanztransaktionen konnte verdeutlicht werden, dass diese
Steuern durch Volatilitätsverringerung der inländischen Zinssätze
eine Unterfinanzierung verhindern können.
28
Denn oftmals
bevorzugen internationale Investoren liquide Mittel anstelle von
Realwerten ­ aufgrund des Problems der ,,sunk costs" ­, obgleich
diese profitabler, aber nicht rückwandelbar sein könnten. Diese
paradoxe Haltung ist besonders häufig bei Entwicklungsländern zu
beobachten, da die politische Sicherheit und Unfehlbarkeit nicht
gegeben ist, können sich liquide Mittel bezahlbar machen.
29
Allgemein formuliert könnte eine Transaktionssteuer die Investoren
von der Ineffizienz der kurzfristigen und den Vorzügen der
langfristigen Finanztransaktionen überzeugen.
30
Eine Kapitalflucht
wäre aber nach wie vor möglich, so z.B. durch ,,transfer pricing" bei
multinationalen Unternehmen.
2.2.2 Spezielle Ansichten und Alternativen
Dieser Abschnitt soll zwei spezifische Varianten und Alternativen aus dem
weiten Spektrum der Transaktionssteuer (T
T
) nach James Tobin, die in der
Literatur zu finden sind, näher veranschaulichen.
Die Grundlage für die Steuervarianten ist in dieser Anschauung die
ungedeckte Zinsparität ( i = i* + s
e
). Um ein Kapitalmarktgleichgewicht
28
vgl. Tornell (1990), S. 424
29
vgl. Spahn (1995), S. 8
30
vgl. Summers/Summers (1990), S. 882

9
zu erreichen, werden unterschiedliche Zinssätze durch erwartete
Wechselkursänderungen (s
e
) kompensiert. Im Fall der
Transaktionssteuer hat die Steuer den Charakter von Transaktionskosten
( i = (i* + s
e
) - T
T
), da diese wie Fixkosten einmalig anfallen.
31
Die wichtigsten Charakteristika der betrachteten Varianten und
Alternativen der Tobin-Tax sind in Tab. 1 zusammengefasst.
32
Tab. 1: Charakteristika der Varianten der Tobin-Tax
Tobin
1978
Dornbusch
1986
Eichengreen/
Wyplosz 1993
Steuerbasis
Alle Kassatrans-
aktionen von einer
Währung in eine
andere
Fremdwährungs-
transaktionen für
Zinsarbitrage-
geschäfte
Zinslose
Zentralbankeinlagen
im gleichen Umfang
zu Fremdwährungs-
transaktionen
Ausnahmen
Transaktionen auf
Grundlage von
Realinvestitionen
und Handel (falls
machbar)
Keine Keine
Steuersatz
Einheitlich,
proportional
Einheitlich,
proportional
Ungenau, variiert mit
dem Zinssatz
Umfang der
Einführung
International,
multilateral
National, unilateral
National, unilateral
Administration
Nationale
Regierungen
Nationale
Regierungen
Nationale
Zentralbanken
Koordination
IWF / Weltbank
Keine internationale
Koordination
Keine internationale
Koordination
Ertragszuweisung
IWF / Weltbank
Nationale
Regierungen
Zentralbanken
Politische
Zielsetzung
Verhinderung von
kurzfristiger
Spekulation und
Wechselkurs-
volatilität
Verhinderung von
kurzfristiger
Spekulation und
Wechselkurs-
volatilität
Verhinderung von
kurzfristiger
Spekulation und
Wechselkurs-
volatilität
Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Spahn (1994), S. 9
Dornbusch zielte bei seiner Variante der Tobin-Tax, die ebenso zur
Reduzierung von unerwünschten Währungsspekulationen dienen sollte,
auf den Ausgleich von Realzinsdifferenzen zwischen Anlagen in
31
vgl. Menkhoff/Michaelis (1995), S. 5
32
vgl. Spahn (1995), S. 9

10
verschiedenen Währungen ab. Zur Wahrung der Zinsparität hat die
Zinsausgleichsteuer (T
Z
) den Zweck der Reduzierung des ausländischen
Zinssatzes ( i = (i* - T
T
) + s
e
).
33
Mit dieser vorgeschlagenen Steuer, die auch ,,real interest equalization
tax" (RIET) genannt wird und Ähnlichkeit mit einem Vorschlag von Liviatan
aus dem Jahre 1980 hat, greift Dornbusch die 1963 in den USA für
mehrere Jahre eingeführte ,,Interest Equalization Tax" auf, die den
Kapitalabfluss zu Zeiten der Bretton Woods Ära zu verlangsamen
versuchte.
34
Während Wirkung und Ziel in einer Zeit von festen Wechselkursen in den
60er Jahren offensichtlich waren, gelingt Dornbusch nur eine adäquate,
aber keine detailgetreue Anpassung an die heutigen Gegebenheiten.
Dafür sprechen die Indizien, dass eine zeitliche Begrenzung vorgesehen
ist und die Auslegung als Realzinssteuer. Diese Modifikationen sind
notwendig, da in einem System flexibler Wechselkurse
Nominalzinsdifferenzen ­ da inflationsbedingt ­ unausweichlich sind und
daher auch nicht ausgeglichen werden sollen. Die zweite Anpassung zielt
auf die Kurzfristigkeit der internationalen Finanzmärkte und eventuelle
temporäre Spekulationswellen.
35
Dennoch wirken eine Transaktionssteuer nach Tobin und eine
Anlagensteuer nach Eichengreen / Wyplosz ­ trotz weiterer Modifikation
der Zinsausgleichsteuer in diese Richtung ­ stärker auf kurzfristige
Transaktionen, die die Ursache für destabilisierende
Währungsspekulationen sind.
36
Eichengreen und Wyplosz schlugen 1993 nach dem Ende der EWS-Krise
in einer Studie als Gegeninstrument zur destabilisierenden
Währungsspekulation eine Anlagensteuer (T
A
) vor, die von ihrer
Ausrichtung an obige Vorschläge erinnert. Diese Steuer ,,would require
financial institutions purchasing foreign exchange with domestic currency
33
vgl. Menkhoff/Michaelis (1994), S. 6
34
vgl. Spahn (1995), S. 40
35
vgl. Dornbusch (1986), S. 224f
36
vgl. Menkhoff/Michaelis (1994), S. 3

11
for their own account or on behalf of customers to make non-interest-
bearing deposits with the central bank"
37
. Die Anlagensteuer sieht eine
unverzinsliche Zwangseinlage bei der Zentralbank vor, die temporär
eingeführt werden kann, was die Ausrichtung hin zur Unterdrückung von
unerwünschten Abwertungsspekulationen gegenüber der inländischen
Währung zeigt.
38
Eine gleichlautende Alternative zum Vorschlag von
Eichengreen und Wyplosz findet sich 1994 im Bericht der UNCTAD, in
dem zinslose Bankeinlagen in gleicher Höhe zu offenen
Fremdwährungspositionen diskutiert werden.
39
Diese Form der Anlagensteuer wurde zuletzt in Spanien angewendet, wo
im gleichen Umfang zum Fremdwährungskauf bei der spanischen
Zentralbank eine zinslose Einlage mit einer einjährigen Laufzeit geleistet
werden musste.
40
In diesen Fällen würde das inländische Zinsniveau über die
Opportunitätskosten der unverzinslichen Einlage die Höhe der
Anlagensteuer ( (i x T
A
) = i* + s
e
) bestimmen.
41
Bei der Variante von
Eichengreen und Wyplosz ist es eindeutig, dass die Steuer die Kosten für
grenzüberschreitende Finanzströme erhöht, so dass kurzfristiges Kapital
stärker bestraft wird, als langfristige Investitionen.
Eichengreen und Wyplosz ignorieren die Tatsache, dass ihre Variante der
Tobin-Tax auf diesem internationalen Level einen internationalen
Koordinationsbedarf hat, obwohl diese unilateral eingeführt werden kann.
Sie bezeichnen ihren Vorschlag der Anlagensteuer zwar nicht als den
Besten der Welt, aber sie gehen davon aus, dass er ,,the best of all
possible worlds"
42
ist.
Ein Vergleich der drei in diesem Abschnitt behandelten Steuern mündet in
der anhaltenden Debatte um die Reform der Weltwährungsordnung. Um
einen groben Überblick zu bekommen, werden diese und weitere
37
Eichengreen/Wyplosz (1993), S. 72
38
vgl. Menkhoff/Michaelis (1994), S. 1+4
39
vgl. UNCTAD (1994), S. 112
40
vgl. Eichengreen/Wyplosz (1993), S. 72
41
vgl. Menkhoff/Michaelis (1994), S. 6
42
Eichengreen/Wyplosz (1993), S. 75

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832471682
ISBN (Paperback)
9783838671680
DOI
10.3239/9783832471682
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Passau – Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2003 (September)
Note
2,3
Schlagworte
james tobin internationale steuern finanzmärkte devisenmärkte hedge-fonds
Zurück

Titel: Geeignetheit der Tobin-Steuer zur Stabilisierung der internationalen Finanzmärkte
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
90 Seiten
Cookie-Einstellungen