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Informationseffizienz von Ratingsystemen

©2003 Diplomarbeit 108 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Das Kreditgeschäft einer Bank arbeitet wirtschaftlich, wenn sich die übernommenen Risiken gerecht vergütet werden lassen. Dennoch ist es für eine Bank nicht ausreichend, ein System implementiert zu haben, das auf der Basis von Bonitätsbewertungen (Ratings) für Schuldner Risikoprämien berechnet. Vielmehr ist die Qualität des verwendeten Ratingsystems von ausdrücklicher Bedeutung. Die Qualität entscheidet darüber, ob in dem System die qualitativen und quantitativen bonitätsrelevanten Faktoren gerade so aggregiert werden, dass eine Ausfallwahrscheinlichkeit mit hoher Prognosegenauigkeit resultiert.
Ein Beurteilungskriterium für die Qualität von Ratingsystemen in Banken und Ratingagenturen stellt das Kriterium der Informationseffizienz dar.
Bisher stand lediglich die Überprüfung dieser Effizienz-Eigenschaft für den Kapitalmarkt im Vordergrund der wissenschaftlichen Betrachtungen, dennoch können die Überlegungen zur Informationseffizienz des Kapitalmarktes auf Grund der Similarität des Bewertungsobjektes auf Ratings bzw. Ratingsysteme übertragen werden.
Die Kernaufgabe der vorliegenden Arbeit bestand in der Präsentation und Ausformulierung von Modellen, die geeignet erscheinen, die Effizienzeigenschaft in Ratingsystemen nachzuweisen. Zur detaillierteren Analyse wurde – angelehnt an Fama (1970) und derselbe (1991) – die Unterteilung des Informationseffizienzkriteriums in die schwache, die halbstrenge und die strenge Informationseffizienz übernommen. Die Arbeit schlägt folgende Modelle vor und bewertet außerdem kritisch deren Relevanz im praktischen Einsatz:
Schwache Informationseffizienz:
t-Test für Mittelwerte als Schätzer für aktuelle Ausfallwahrscheinlichkeiten von Ratingklassen.
Halbstrenge Informationseffizienz:
Volatilitäten und Beta-Faktoren von börsennotierten Unternehmen als Schätzer für halbstreng-informationseffiziente Ausfallwahrscheinlichkeiten von Unternehmen;
Fons-Modell (Anleihenbewertung) zur Ermittlung von halbstreng-informationseffizienten Ausfallwahrscheinlichkeiten für Anleihen von Unternehmen und Staaten;
Mertonsches-Fremdkapital-Options-Modell zur Ermittlung von halbstreng-informationseffizienten Risikoprämien für Unternehmen.
Strenge Informationseffizienz:
Autokorrelationskoeffizienten für Unternehmensratings und Ausfallwahrscheinlichkeiten von Ratingklassen;
Markoff-Eigenschaft für Unternehmensratings und Ausfallwahrscheinlichkeiten von Ratingklassen und Rating-Momentum für […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Rating und Ratingsysteme
2.1 Inhalt von Ratings
2.2 Ratings im Kontext von Basel II
2.3 Ausfallwahrscheinlichkeit und Ausfallkosten
2.4 Ratings und Ausfallwahrscheinlichkeiten

3 Informationseffizienz
3.1 Schwache Informationseffizienz
3.2 Halbstrenge Informationseffizienz
3.3 Strenge Informationseffizienz

4 Strenge Informationseffizienz von Ratings
4.1 Vergleich von ex-ante geschätzten und ex-post beobachteten Ausfallwahrscheinlichkeiten
4.2 Strenge Informationseffizienz am Beispiel des Standard & Poor’s-Ratingsystems für Emittenten

5 Halbstrenge Informationseffizienz von Ratings
5.1 Volatilitäten und Beta-Faktoren der Börse als Schätzer für die Ausfallwahrscheinlichkeit von börsennotierten Unternehmen
5.2 Ermittlung von Ausfallwahrscheinlichkeiten aus Marktpreisen von Anleihen
5.3 Bewertung von Fremdkapital als Option

6 Schwache Informationseffizienz von Ratings
6.1 Random Walk und historische Ausfallraten
6.2 Markoff-Eigenschaft und Rating-Momentum

7 Zusammenfassung

Anhang

Literaturverzeichnis

Eidesstattliche Versicherung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die Bestandteile der Zinskonditionen eines Bankkredits

Abbildung 2: Kreditkonditionen in Abhängigkeit der Ausfallwahrschein- lichkeit für Unternehmen mit dem Rating AAA bis BB+

Abbildung 3: Kreditkonditionen in Abhängigkeit der Ausfallwahrschein- lichkeit für Unternehmen mit dem Rating BB bis CCC

Abbildung 4: Testverteilung und kritischer Bereich

Abbildung 5: Prognosequalität der Mittelwerte im Vergleich

Abbildung 6: Dichtefunktion der Normalverteilung mit Ausfall- wahrscheinlichkeit der Untersuchungsobjekte

Abbildung 7: Zusammenhang von Ausfallwahrscheinlichkeit und Marktpreis am Beispiel der Dyckerhoff AG

Abbildung 8: Zusammenhang von Ausfallwahrscheinlichkeit und Recovery Rate am Beispiel der Dyckerhoff AG

Abbildung 9: Darstellung des Fremdkapitals als Option

Abbildung 10: Entwicklung der Risikoprämie für Fremdkapital bei zunehmender Restlaufzeit für V : B = 2 :

Abbildung 11: Entwicklung der Risikoprämie für Fremdkapital bei zunehmender Restlaufzeit für V : B = 4 : 3

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Empirische Untersuchungen zur Informationseffizienz des Kapitalmarktes

Tabelle 2: Ermittlung des t-Wertes für den Schätzer der Ausfallquote 2001 als Mittelwert aus den Jahren 1981 bis

Tabelle 3: Ermittlung des t-Wertes der Zehn- und Fünf-Jahres-Mittelwerte als Schätzer für die Ausfallquote des Jahres

Tabelle 4: Schätzung von idealisierten Ausfallwahrscheinlichkeiten für die Jahre 1991 bis 2000 aus Zehn-Jahres-Mittelwerten

Tabelle 5: Schätzung von idealisierten Ausfallwahrscheinlichkeiten für die Jahre 1991 bis 2000 aus Fünf-Jahres-Mittelwerten

Tabelle 6: 250-Tage-Volatilitäten ausgesuchter CDAX-Unternehmen und Indices

Tabelle 7: Kovarianzen ausgesuchter CDAX-Unternehmen

Tabelle 8: Beta-Faktoren ausgesuchter CDAX-Unternehmen

Tabelle 9: Renditeschätzungen ausgesuchter CDAX-Unternehmen

Tabelle 10: Ausfallwahrscheinlichkeiten ausgesuchter CDAX-Unternehmen

Tabelle 11: Ausfallwahrscheinlichkeiten ausgesuchter CDAX-Unternehmen im Vergleich mit S & P-Ratings

Tabelle 12: Wahrscheinlichkeitsverteilung einer Kuponanleihe

Tabelle 13: Ausstattung und Preis ausgewählter zweijähriger Kuponanleihen

Tabelle 14: Ausfallwahrscheinlichkeiten aus Marktpreisen ausgewählter Kuponanleihen

Tabelle 15: Bewertung des Ratingsystems für Emissionsratings von S &

Tabelle 16: Ermittlung des Neumann-Autokorrelationskoeffizienten für historische Ausfallraten von S &

Tabelle 17: Überprüfung der Abweichung des Neumann-Autokorrelations-koeffizienten S&P mittels t-Test

Tabelle 18: Einjährige Migrationsmatrix von S & P für das Jahr

Tabelle 19: Empirische Ergebnisse zur Untersuchung auf Vorliegen des Rating-Momentums

Tabelle 20: Historische Ausfallraten 1981 bis 2001 von S &

Tabelle 21: t-Test für den Zehn-Jahres-Mittelwert, Schätzer für die Jahre 1996 bis 2000

Tabelle 22: t-Test für den Zehn-Jahres-Mittelwert, Schätzer für die Jahre 1991 bis 1995

Tabelle 23: t-Test für den Fünf-Jahres-Mittelwert, Schätzer für die Jahre 1996 bis 2000

Tabelle 24: t-Test für den Fünf-Jahres-Mittelwert, Schätzer für die Jahre 1991 bis 1995

Tabelle 25: Ermittlung der Rendite potenzieller Marktportfolios

Tabelle 26: Ermittlung derjenigen Restlaufzeit, bei der die Risikoprämie maximal wird, für V : B = 2 : 1

Tabelle 27: Ermittlung derjenigen Restlaufzeit, bei der die Risikoprämie maximal wird, für V : B = 4 : 3

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Die Bonitätsbewertung von realwirtschaftlichen Unternehmen spielt nicht erst seit dem im Januar 2001 veröffentlichten zweiten Konsultationspapiers des Basler Ausschusses eine entscheidende Rolle, wenn es um Finanzierungsentscheidungen geht. Bei der Kreditaufnahme – sei es bei einer Bank oder am Kapitalmarkt – ist die Bonität des Schuldners eine entscheidende Größe.

Die Bonität eines Unternehmens gibt Aufschluss über seine zukünftige Fähigkeit, Verbindlichkeiten vollständig und termingerecht zu bedienen, im Gegensatz zur Liquidität, die die aktuelle Fähigkeit hierzu bewertet Die Bonitätsbewertung erfolgt häufig mit der Durchführung eines Ratingprozesses. Innerhalb dieses Prozesses versucht der Kreditnehmer diejenigen qualitativen und quantitativen Faktoren auszumachen, die die zukünftige Zahlungsfähigkeit des Schuldners determinieren. Das zentrale Ergebnis des Ratings stellt die Ausfallwahrscheinlichkeit dar.

Die Ausfallwahrscheinlichkeit ist nun eine Schätzung über die zukünftige Zahlungsfähigkeit des Unternehmens. Ein Kreditnehmer mit schlechter Bonität – also einer hohen Ausfallwahrscheinlichkeit – stellt ein höheres Risiko im Portfolio des Kreditgebers dar. Die Wahrscheinlichkeit, das verliehene Kapital nicht zurückzuerhalten, steigt. Aus diesem Grund wird der Kreditgeber eine höhere Risikoprämie verlangen, so dass er die Kosten im Falle eines Ausfalls decken kann. Die Risikoprämie ist somit ein variabler Bestandteil des Kreditzinssatzes.

Die Schätzungen von Ausfallwahrscheinlichkeiten von Schuldnern sind notwendige Inputparameter für die Preiskalkulation in Banken. Kredite sind Produkte einer Bank, die es gilt, profitabel zu verkaufen. Dies ist aber lediglich dann der Fall, wenn die Ausfallkosten erstens korrekt durch die Bonitätsbewertung approximiert wurden, und zweitens die Ausfallkosten durch die Einnahmen aus dem Kreditgeschäft mehr als gedeckt werden.

Ähnliches gilt für den Kapitalmarkt. Die Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten für Unternehmen durch Ratingagenturen für am Kapitalmarkt zu platzierende Anleihen ist ein deutliches Signal für potenzielle Käufer. Demnach hat die Veröffentlichung der Unternehmensbonität auch hier einen starken Einfluss auf die Preisbildung des Anleihekurses am Kapitalmarkt.

Werden z. B. Kreditkonditionen auf der Basis zu hoher Ausfallwahrscheinlichkeiten berechnet, sind die Kreditzinssätze tendenziell zu hoch. Die Kreditnehmer werden zu einem Kreditgeber mit gerechterem Pricing abwandern.[1] Bei unterschätzten Ausfallwahrscheinlichkeiten werden im Durchschnitt die Ausfallkosten nicht gedeckt, der Kreditgeber arbeitet dann unwirtschaftlich.

Ausdrückliches Ziel einer Bank sollte es demnach sein, die Ausfallwahrscheinlichkeiten korrekt zu ermitteln, um die daraus abgeleiteten Risikoprämien in den Zinskonditionen bei der Vergabe von Fremdkapital treffend zu bemessen.

Die Beurteilung von solchen zur Ausfallwahrscheinlichkeitsermittlung verwendeten Ratingsystemen kann durch das Informationseffizienzkriterium erfolgen. Das Kriterium der Informationseffizienz von Ratings zeigt nun, inwieweit die Schätzungen der Ausfallwahrscheinlichkeiten durch Bank oder Ratingagentur die tatsächliche Bonitätssituation der Schuldner widerzuspiegeln vermögen.

Ausdrückliche Forderung an ein Ratingsystem muss es demnach sein, dass es keine signifikanten Verzerrungen der Bonitätsprognosen liefert. Ein Ratingsystem ist nur dann nicht verzerrt, wenn alle Bonitätsinformationen umfassend und korrekt Eingang im Ratingurteil finden. Genau dann kann ein System als informationseffizient bezeichnet werden.

Die vorliegende Arbeit stellt zunächst in Kapital 2 das Rating vor, formalisiert die Berechnung von Ausfallwahrscheinlichkeiten für Unternehmen sowie Ratingklassen und stellt den Bezug zum institutionellen Rahmen für Kreditratings – dem zweiten Basler Akkord – her. Zudem wird anhand eines Beispiels verdeutlicht, in welchem Ausmaß der Zinssatz für Fremdkapitalpositionen von der im Rating ermittelten Ausfallwahrscheinlichkeit determiniert wird.

In Kapitel 3 erfolgt die Charakterisierung des Informationseffizienzkriteriums. Das Kriterium lässt sich in die drei Unterkriterien strenge, halbstrenge und schwache Informationseffizienz zerlegen. Es wird gezeigt, wie die bereits für die Informationseffizienz auf Kapitalmärkten verwendeten Kriterien auf die Einschätzung von Ratingsystemen übertragen werden können.

Die Kapitel 4 bis 6 schlagen für jedes dieser drei Kriterien, beginnend mit der strengen Informationseffizienz, Modelle vor, die die Bewertung von Ratingsystemen bezüglich der Informationseffizienz in Banken und Ratingagenturen ermöglichen.

Für alle drei Kriterien wurden eigene empirische Untersuchungen durchgeführt. Im Bereich der schwachen Informationseffizienz wird zusätzlich auf eine bereits vorhandene Untersuchung zurückgegriffen.

Die Zusammenfassung resümiert die zentralen Aussagen dieser Arbeit und gibt Anregung zu weiterer Forschungstätigkeit im Bereich der Informationseffizienz von Ratings.

2 Rating und Ratingsysteme

Die Durchführung eines Ratings hat ein vorrangiges Ziel. Es besteht in der Einschätzung, ob das entsprechende Unternehmen zukünftig in der Lage sein wird, seine Verbindlichkeiten umfassend und termingerecht zu bedienen. Diese Fähigkeit eines Schuldners wird als die Bonität bezeichnet.

Im Folgenden wird zunächst auf die betriebs- und volkswirtschaftlichen Faktoren eingegangen, die auf die Bildung eines solchen Werturteils Einfluss nehmen. Zudem soll der Zusammenhang zwischen der Ratingsymbolik[2] und dem eigentlichen Bonitätsurteil – in Form der Ausfallwahrscheinlichkeit – erörtert werden.

Schließlich wird auf die Aktualität des Unternehmensratings und die institutionellen Anforderungen und Bestimmungen durch das im Januar 2001 erschienene zweite Konsultationspapier des zweiten Basler Akkords – einer Bankenrichtlinie – aufgezeigt, um im Anschluss daran am Beispiel eines mittelständischen Kredits die Kalkulation der Zinskonditionen in Abhängigkeit des Bonitätsurteils auszurechnen.

2.1 Inhalt von Ratings

Bei der Durchführung von Ratings wird zwischen einem Emittentenrating und einem Emissionsrating unterschieden. Das Emittentenrating drückt die aktuelle Meinung der Ratingagentur oder der Bank über die allgemeine Finanzkraft – und damit die Kreditwürdigkeit – eines Schuldners aus.

Diese Finanzkraft bezieht sich zum großen Teil auf die Fähigkeit und die Bereitschaft des Schuldners, die finanziellen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu zahlen.[3] Dabei bleibt die Kreditwürdigkeit von Garantiegebern und Versicherern außer Acht. Die Verbindlichkeiten werden nicht als Einzelobjekte entsprechend des Bedienungsranges, sondern als Gesamtheit behandelt.[4]

Diese Bonitätseinschätzung eines Unternehmens basiert vorrangig auf einer Zukunftsbetrachtung. Schließlich sollen die bestehenden und zukünftig fälligen Verbindlichkeiten aus zukünftigen Cash-flows bedient werden. Die Analyse stützt sich zum einen auf quantitative und zum anderen auf qualitative Faktoren. Der Ratingprozess konzentriert sich auf die Bewertung folgender Faktoren:[5]

-Länderrisiko, in dem das Unternehmen agiert;
-Branchenrisiko (Einschätzung der Kernbranche, Wachstumschancen, Anfälligkeit bei Technologiewandel, staatliche Regulierungen);
-Wettbewerbsposition (Marktanteile, Marketing, Technologie und Entwicklung,
Forschung, Kosteneffizienz);
-Management (Industrieerfahrung, Führung, Glaubwürdigkeit, Risikobereitschaft);
-Finanzrisiko (Rechnungslegung, Rentabilität, Ertragskraft, aktuelle Vermögens- und Schuldensituation, Planzahlen und Cash-flow-Projektionen für die zukünftige Liquiditätslage, finanzielle Flexibilität).

Die Aggregation der analysierten Faktoren mündet dann in einer Ausfallwahrscheinlichkeit. Die Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit ist insbesondere für die Berechnung der Risikoprämie relevant. Ausfallwahrscheinlichkeiten bewegen sich im Hundertstel-Prozent-Bereich. Risikoprämien können somit detaillierter berechnet werden, als dies z. B. bei einer Bonitätsskala von sechs Stufen der Fall wäre.

Das Emissionsrating stellt die aktuelle Meinung über die Kreditwürdigkeit eines Schuldners in Bezug auf eine bestimmte Obligation dar. Dabei ist von ausdrücklicher Bedeutung, welchen Bedienungsstatus die Verbindlichkeit besitzt. Demnach spielt insbesondere die Kreditwürdigkeit von Garantiegebern eine wichtige Rolle.[6]

2.2 Ratings im Kontext von Basel II

Der zweite Basler Akkord (kurz: Basel II) stellt eine Richtlinie dar, die neben der aufsichtsrechtlichen Überprüfung und den Offenlegungsvorschriften für Banken vorrangig die Eigenkapitalunterlegung in denselben regelt. Kreditinstitute sind vorrangig finanzwirtschaftlichen Risiken ausgesetzt. Das können Kreditrisiken[7], Marktpreisrisiken[8] und operationelle Risiken[9] sein.

Um bei Immanentwerden dieser Risikofaktoren nicht insolvent zu werden, schreibt Basel II das Vorhandensein eines bestimmten Mindestprozentsatzes (bezogen auf den Gesamtwert vergebener Kredite) von regulatorischem Eigenkapital[10] in Banken vor, umso bei Ausfällen mit entsprechendem Haftungskapital zu dienen.

Dieser Mindestsatz war im ersten Basler Akkord (kurz: Basel I) für den Kreditbereich in Banken mit acht Prozent fixiert.[11] Mit der Weiterentwicklung des Absicherungsgedankens schlägt Basel II nun vor, diesen festen Mindest-Eigenkapitalsatz durch einen variablen Mindestsatz zu ersetzen. Dieser Unterlegungssatz soll dann vom Risikogehalt des Kreditportfolios abhängig sein.

Vergibt die Bank einen risikoreicheren Kredit – also einen Kredit an einen Kunden mit schlechterer Bonität – muss sie dafür zukünftig mehr Eigenkapital in der Bankbilanz aufweisen. Die Verbindung zum Rating liegt hierbei auf der Hand, denn die Bonitätseinschätzung der Kreditnehmer soll über ein anspruchsvolles Rating erfolgen. Möchte die Bank die Eigenkapitalunterlegung auf Portfolioebene ermitteln, benötigt sie die Bonitätseinschätzung jedes einzelnen Kreditkunden.

Basel II sagt nun weiterhin etwas über die Ausprägung des Ratings aus. Dazu schlägt der Basler Ausschuss für die Ermittlung eines Bonitätsurteils zwei Verfahren vor.[12] Das sind der so genannte Standardansatz und der Internal-Ratings-based-Ansatz[13] (kurz: IRB-Ansatz). Die Bank muss sich für einen dieser beiden Ansätze entscheiden.

Im Standardansatz sollen Banken auf externe Ratings zurückgreifen.[14] Externe Ratings werden von Ratingagenturen erstellt, die unabhängig von der Bank sind.[15] Bekannte Ratingagenturen sind Moody’s, FitchRatings und Standard & Poor’s. Dabei dürfen nur Ratings von denjenigen Ratingagenturen zur Ermittlung der Eigenkapitalunterlegung herangezogen werden, die von der Bundesfinanzaufsicht (kurz: BaFin) als External Credit Assesment Institution (ECAI) anerkannt sind.[16]

Entscheidet sich das Kreditinstitut für den IRB-Ansatz, darf sie das Rating – im Gegensatz zum Standardansatz – selbst durchführen.[17] Zum Aufbau eines Ratingsystems empfiehlt der Basler Ausschuss die Einrichtung von sechs bis maximal neun Kreditrisikoklassen für solvente Kreditnehmer und zwei Klassen für insolvente Kreditkunden.[18] Der Einsatz eines solchen Systems stützt sich auf folgende Vorgehensweise:

-Ermittlung von durchschnittlichen Ausfallwahrscheinlichkeiten für jede Ratingklasse, häufig: Intervallangaben;
-Rating des Kreditnehmers zur Ermittlung einer unternehmensspezifischen Ausfallwahrscheinlichkeit;
-Einordnung des Kreditnehmers über die unternehmensspezifische Ausfallwahrscheinlichkeit in die Ratingklasse, in deren Intervall die Ausfallwahrscheinlichkeit fällt (es zeigt sich, dass die unternehmensspezifische Ausfallwahrscheinlichkeit lediglich der Einordnung in die Ratingklasse dient);
-Bonitätsaufschläge auf den Kreditzinssatz werden entsprechend der durchschnittlichen Ausfallwahrscheinlichkeit der Ratingklasse berechnet.

Dabei ist es für die Bank von besonderer Bedeutung, die geschätzten Ausfallwahrscheinlichkeitsintervalle auf der Basis von historischen Ausfallwahrscheinlichkeiten zu aktualisieren. Schließlich soll die Ausfallwahrscheinlichkeit der Ratingklasse für alle dieser Klasse zugehörigen Unternehmen richtige Indikatoren für die aus der Ausfallwahrscheinlichkeit ermittelten Kreditkonditionen liefern.[19]

Bevor Basel II über die Europäische Union für die Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt wird – in Deutschland erfolgt dies gewöhnlich mit der Übertragung der Vorschriften in das Gesetz über das Kreditwesen (kurz: KWG) – bedarf es zunächst einer endgültigen Fassung der Richtlinien. Die vorher zur Stellungnahme für Wirtschaft und Politik veröffentlichten Konsultationspapiere stellen dafür die Grundlage dar. Die endgültige Fassung des zweiten Basler Akkords wird für das erste Quartal 2003 erwartet.

2.3 Ausfallwahrscheinlichkeit und Ausfallkosten

Parallel zur Veröffentlichung der Konsultationspapiere werden vom Basler Ausschuss Auswirkungsstudien (Quantitative Impact Studies; kurz: QIS) durchgeführt, die z. B. die Akzeptanz und Durchführbarkeit der geplanten Richtlinien in Banken untersuchen. Die Auswirkungsstudie QIS 2.5 zeigte, dass sich Banken mehrheitlich für den im zweiten Konsultationspapier von Basel II angebotenen IRB-Ansatz entscheiden werden.[20] Demnach werden Banken zur Beurteilung der Kreditnehmer auf eigene bankinterne Ratingsysteme zurückgreifen.

Diese Entscheidung unterstreicht, dass Banken ein starkes Eigeninteresse an der Ermittlung der kreditspezifischen Ausfallwahrscheinlichkeit und -kosten haben. Das im Folgenden aufgeführte Beispiel der Kalkulation der Kreditkondition eines Bankkredits in Abhängigkeit von der Ausfallwahrscheinlichkeit unterstreicht

-die Notwendigkeit, der bankinternen Ermittlung der spezifischen Ausfallkosten;
-warum die richtige Konditionengestaltung für Bankkredite unter dem Rentabilitätsgesichtspunkt besonderes Interesse verdient.

Die Zinskonditionen, die eine Bank für die Bereitstellung von Fremdkapital vom Schuldner fordert, setzen sich entsprechend Abbildung 1 aus fünf Bestandteilen zusammen. Das sind: -die Kosten für den Geldeinkauf,

-die Renditeforderung der Eigenkapitalgeber,
-die Ausfallkosten,
-die Kosten für operationelle Risiken,
-und die Betriebskosten der Bank, die über den Kreditzinssatz an den Kunden weitergegeben werden.

Abbildung 1: Die Bestandteile der Zinskonditionen eines Bankkredits

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die in der Abbildung 1 dargestellten grau-gepunkteten Flächen sind durch die spezifische Bonität des Kreditnehmers beeinflussbar. Die anteiligen Kosten für operationelle Risiken, die Ausfallkosten sowie die Renditeforderung der Eigenkapitalgeber fallen umso höher aus, je schlechter die Bonität des Bewertungsobjektes ist.

Für die nun folgende Berechnung der Kreditkonditionen werden für diese fünf Bestandteile die nachstehenden Annahmen getroffen:[21]

- A1: Die Fünf-Jahres-Eurorendite für den Geldeinkauf beträgt 5,1 Prozent.
- A2: Die Renditeforderung der Eigenkapitalgeber der Bank bezieht sich auf das bilanzielle Eigenkapital der Bank und beläuft sich auf 25 Prozent.
- A3: Die Ausfallkosten werden gemäß der Ausfallwahrscheinlichkeit und des Verlustbetrages bei Ausfall[22] (Loss-Given-Default) ermittelt.
- A4: Die Kosten für operationelle Risiken betragen 20 Prozent des Kreditzinssatzes.
- A5: Die Betriebskosten werden prozentual zur Kreditsumme berechnet und betragen 0,5 Prozent.
- A6: Die Kreditlaufzeit beträgt fünf Jahre.
- A7: Das regulatorische Eigenkapital enthält zu 30 Prozent bilanzielles Eigenkapital.
- A8: Der Verlustbetrag bei Ausfall beläuft sich auf 50 Prozent der Kreditsumme.

Mit Hilfe dieser Spezifikationen lassen sich die Kreditzinssätze in Abhängigkeit der Ausfallwahrscheinlichkeit berechnen. Die Berechnungen gestalten sich im Einzelnen wie folgt: Die Eigenkapitalkosten (in Prozent der Kreditsumme) ermitteln sich entsprechend Gleichung (1):

(1) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Eigenkapitalunterlegungspflicht ist in Basel II geregelt. Das dritte und letzte Konsultationspapier von Basel II mit den endgültigen Vorschriften und Formeln wird Anfang des Jahres 2003 erwartet. Der aktuellste Stand des Formelwerks zur Unterlegung wurde im November 2001 veröffentlicht.[23] Den aktuellen Stand der Berechnung der Eigenkapitalunterlegung zeigen die Gleichungen (2) bis (6):[24]

(2) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grundlage für den Zinssatz im Geldeinkauf stellt gemäß Annahme 1 die Fünf-Jahres-Eurorendite dar. Berücksichtig wird, dass sich bei erhöhtem Eigenkapital die Kosten für das Fremdkapital anteilig verringern. Die Ausfallkosten werden über ein Modell zur Ermittlung von Risikoprämien aus Anleihen errechnet.[25] Dieses Modell wird im Kapitel der halbstrengen Informationseffizienz detailliert vorgestellt. In diesem Beispiel wird für Anleihen mit einer Restlaufzeit von fünf Jahren der interne Zinsfuß aus den erwarteten Cash-flows, die in Abhängigkeit der Solvenzsituation an den Investor fließen, ermittelt.[26]

Die Kosten für das operationelle Risiko belaufen sich laut Annahme 4 auf 20 Prozent des Kreditzinssatzes (einschl. Geldeinkauf, Eigenkapital-, Ausfall- und Betriebskosten). Das für operationelle Ausfälle notwendig vorhandene Eigenkapital verursacht Kosten in Höhe der Renditeforderung der Eigenkapitalgeber. Die Berechnung der Kosten, die anteilig an den Kreditnehmer weitergegeben werden, auf Grund operationeller Risiken (OR-Kosten) lautet:

(7) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 zeigt die kumulierten Konditionen für die Gruppe von Unternehmen mit einem Kreditvolumen von über 1 Mio. Euro.[27]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Kreditkonditionen in abhängigkeit der Ausfallwahrscheinlichkeit

für Unternehmen mit dem Rating AAA bis BB+; Quelle: Reichling (2003)

Die höheren Bonitätsklassen in Abbildung 2 zeigen ein sehr ausgewogenes Bild.[28] Der Geldeinkauf bildet prozentual den größten Anteil am Zinssatz. Ein differenzierteres Bild ergibt sich für diejenigen Unternehmen, mit einer Ausfallwahrscheinlichkeit höher als ein Prozent. Deren Konditionenbestandteile sind in Abbildung 3 dargestellt.

Je schlechter die Bonität des Kreditnehmers, umso dominierender sind dessen Ausfallkosten. Auf der Basis dieser Rechnung erhält ein Kreditnehmer mit einer Ausfallwahrscheinlichkeit von zehn Prozent einen Fremdkapital-Zinssatz von circa 13 Prozent. Dabei ist ein Aufschlag von circa fünf Prozent lediglich auf das kreditnehmerspezifische Ausfallpotenzial zurückzuführen. Für Kreditnehmer mit Ausfallwahrscheinlichkeiten höher als zehn Prozent erweisen sich die Ausfallkosten als die dominierende Position im Kreditzinssatz.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Kreditkonditionen in abhängigkeit der Ausfallwahrscheinlichkeit

für Unternehmen mit dem Rating BB bis CCC; Quelle: Reichling (2003)

Typischerweise enthält ein Bankportfolio nur wenige Kreditnehmer mit Ausfallwahrscheinlichkeiten im Bereich AAA, AA und A. Diese Unternehmen finanzieren sich bei entsprechender Größe häufig bereits über den Kapitalmarkt, z. B. durch die Ausgabe von Anleihen oder über den Euromarkt.

Wenn nun die schuldnerspezifische Bonität die Fremdkapitalkonditionen determiniert, muss es für eine Bank von ausdrücklichem Interesse sein, diese Ausfallkosten zu berechnen.

Spiegelt die Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit – das Rating – die Risiko-Informationen umfassend und korrekt wider, dann können über das Rating die spezifischen Ausfallkosten und der damit verbundene Kreditzinssatz so bestimmt werden, dass der Kreditgeber profitabel wirtschaftet und ein tatsächlicher Ausfall mit den dafür geforderten Ausfallkosten gedeckt wäre.

2.4 Ratings und Ausfallwahrscheinlichkeiten

Bei der Ermittlung von Ausfallwahrscheinlichkeiten wird unterschieden, ob die Ausfallwahrscheinlichkeit für ein einzelnes Unternehmen oder für eine Ratingklasse bestimmt werden soll.

Zunächst wird die Darstellung der Ausfallwahrscheinlichkeit eines Unternehmens spezifiziert. Dazu gilt folgende Annahme über die betrachtete Zufallsvariable, die z. B. die Form einer Rendite, eines Gewinnes oder den Wert des Eigenkapitals annehmen kann:[29] Die Zufallsvariable ist normalvereilt.

Die Normalverteilung ist eine symmetrische Verteilung. Die Verteilungsfunktion wird abgeleitet aus der Dichtefunktion der Zufallsvariablen. Sie ist eindeutig durch die Parameter Standardabweichung σ und Erwartungswert μ definiert. Die Verteilungsfunktion ordnet einem bestimmten Zielwert die Wahrscheinlichkeit dafür zu, dass die Zufallsvariable diesen Wert nicht übersteigt.[30]

Diese Wahrscheinlichkeit ergibt sich als Summe der Wahrscheinlichkeiten derjenigen Werte, die kleiner oder gleich dem Zielwert sind. Die Verteilungsfunktion ist demnach als Integral definiert:[31]

(8) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Werte dieser Verteilungsfunktion mit variierenden Parametern der Volatilität und des Erwartungswertes können mit Hilfe von Standard-Softwarepaketen berechnet werden. Dennoch ist nicht immer ein Computer zur Hand. Dann kann auf die Standardisierung der Verteilungsfunktion zurückgegriffen werden. Für diese so genannte Standardnormalverteilung können die Ausprägungen der Funktion aus einer Tabelle abgelesen werden, die in jedem guten Statistikbuch vorhanden sind.[32]

Jede normalverteilte Zufallsvariable kann in eine standardnormalverteilte Zufallsvariable transformiert werden, die einen Erwartungswert von null und eine Varianz von eins besitzt.[33] Diese Zufallsvariable sei Z:

(9) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Standardnormalverteilung der Zufallsvariable Z schreibt sich dann so:[34]

(10) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach diesem kurzen statistischen Repetitorium soll die Verteilungsfunktion für die Berechnung der Ausfallwahrscheinlichkeit genutzt werden. Die Zufallsvariable stellt den Wert des Eigenkapitals eines Unternehmens dar, denn ein Ausfall kann als eine Situation, in der der Wert des unternehmerischen Eigenkapitals kleiner null ist, definiert werden. Genau dann sind die Ansprüche der Fremdkapitalgeber bedroht.

Die Verteilungsfunktion gibt an einer gewissen Stelle diejenige Wahrscheinlichkeit an, mit der der Wert des Eigenkapitals kleiner null wird. Das ist die Ausfallwahrscheinlichkeit.[35] Betrachtet wird zunächst die Entwicklung des Eigenkapitalwertes in einer Periode:

(11) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Wert des unternehmerischen Eigenkapitals am Periodenende ergibt sich aus dem Wert des Eigenkapitals am Periodenanfang zuzüglich der Verzinsung des Eigenkapitals über die Periode.

Das gesuchte negative Eigenkapital tritt bei einer Eigenkapitalrendite von kleiner -100 Prozent auf. Der Zielwert X für die Verteilungsfunktion ist demnach -1. Einsetzen des Zielwertes in die Funktion (10) ergibt:[36]

(12) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für jede beliebige Volatilitäts- und Erwartungswert-Kombination kann nun diejenige Wahrscheinlichkeit ermittelt werden, mit der das Eigenkapital negativ wird - das Unternehmen demnach als ausgefallen gilt. Die Ausfallwahrscheinlichkeit entspricht dem Lower-Partial-Moment nullter Ordnung.[37]

Die Ermittlung von Ausfallwahrscheinlichkeiten für Ratingklassen[38] baut auf der Ermittlung der unternehmensspezifischen Ausfallwahrscheinlichkeit auf. Sollen für vorgegebene Ratingklassen mittlere Ausfallwahrscheinlichkeiten geschätzt werden, wird zwischen der marginalen und der kumulativen Ausfallwahrscheinlichkeit differenziert. Zur Berechnung dieser dienen die Gegenwahrscheinlichkeiten. Das sind die marginale und die kumulative Überlebenswahrscheinlichkeit.

Die marginale Ausfallwahrscheinlichkeit einer Ratingklasse gibt die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit an, mit der dieser Ratingklasse zugehörige Unternehmen, die bisher noch nicht ausgefallen sind, innerhalb des kommenden Jahres ausfallen. Die Berechnungsvorschrift drückt sich wie folgt aus:[39] [40]

(13) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dabei stellt der Zähler der Gleichung (13) die Anzahl ausgefallener Unternehmen einer bestimmten Ratingklasse R bis zu einem bestimmten (einschließlich) Zeitpunkt t dar. Der Nenner beinhaltet die Anzahl ausgefallener und nicht-ausgefallener Unternehmen einer bestimmten Ratingklasse R bis zu einem bestimmten Zeitraum t – also aller vor der Betrachtungsperiode noch solventen Unternehmen der Ratingklasse R.

Die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass im t-ten Jahr kein Zahlungsausfall stattfindet, kennzeichnet dann die Gegenwahrscheinlichkeit – die marginale Überlebenswahrscheinlichkeit:[41]

(14) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die kumulative Überlebenswahrscheinlichkeit gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der ein Unternehmen, das zu Betrachtungsbeginn das Rating R trägt, bis einschließlich t nicht ausgefallen ist.[42] Sie wird demnach durch das Produkt der marginalen Überlebenswahrscheinlichkeiten beziffert:

(15) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die kumulative Ausfallwahrscheinlichkeit in Gleichung (16) ist diejenige Wahrscheinlichkeit, mit der das Unternehmen, das zu Betrachtungsbeginn das Rating R trägt, bis einschließlich t ausfällt:[43]

(16) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Betrachtung einer Datenreihe von Ausfallraten zeigt, dass kumulative Ausfallwahrscheinlichkeiten mit der Laufzeit zunehmen.[44] Es zeigt sich, dass je länger der Investitionshorizont, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls, denn der längere Zeitraum bietet einer Fehlentwicklung breiteres Potenzial.

Die Berechnung all dieser Wahrscheinlichkeiten beruht auf der Ermittlung der marginalen Ausfallwahrscheinlichkeit. Kann diese gemäß Formel (13) nicht berechnet werden, gilt dies ebenfalls für die marginale und kumulative Überlebenswahrscheinlichkeit sowie für die kumulative Ausfallwahrscheinlichkeit.

Kritisch sollte folgender Aspekt betrachtet werden: Wird nun die marginale Ausfallwahrscheinlichkeit als Quotient der Anzahl ausgefallener Unternehmen und aller Unternehmen der Ratingklasse – wie in Gleichung (13) vorgeschlagen – ermittelt, kommt es in Perioden mit hoher Ratingaktivität zu geringeren Ausfallwahrscheinlichkeiten für die Ratingklassen. Nur wenige Unternehmen fallen zu Beginn der Laufzeit aus. Das würde in Zeiten starker Ratingaktivitäten bedeuten, dass der Zähler der Berechnungsvorschrift beinahe konstant bleibt, der Nenner hingegen stark ansteigt.[45]

Es zeigt sich, dass die unternehmensspezifische Ausfallwahrscheinlichkeit, die Ausfallwahrscheinlichkeit von Ratingklassen, die institutionellen Vorgaben zum Rating, die Kenntnis der Zusammensetzung der Kreditkondition und die entsprechende Umsetzung der Bonitätsbewertung in der Risikoprämie des Kreditzinssatzes notwendiges Rüstzeug für das weitere Verständnis der Umsetzung des Informationseffizienzkriteriums für Ratings darstellen.

Es wurde argumentiert, dass das Informationseffizienzkriterium beurteilt, wann Ratingsysteme in der Lage sind, das Ausfallrisiko präzise zu approximieren. Nur informationseffiziente Ratingsysteme bepreisen Kredite risikogerecht und sorgen dann für effiziente Allokationen am Kapitalmarkt.

Im Folgenden soll die Informationseffizienz in drei Kriterien gesplittet werden, die mit der Aufzählung an Anspruch und damit gleichzeitig an Preiseffizienz gewinnen – und ausgehend von der Effizienztheorie der Kapitalmärkte auf Ratings übertragen werden. Das ist gleichzeitig Programm für den weiteren Verlauf der Arbeit.

3 Informationseffizienz

Die wissenschaftliche Arbeit im Bereich der Informationseffizienz geht zum großen Teil auf den amerikanischen Ökonomen Eugene F. Fama zurück. Dessen Veröffentlichungen „Efficent Capital Markets: A review of theory and empirical work“ aus dem Jahr 1970 und „Efficent Capital Marktes: II“ aus dem Jahr 1991 sind im Rahmen von Veröffentlichungen als State-of-the-Art im Bereich der Informationseffizienz anerkannt und gleichzeitig auch die Grundlage dieses dritten Kapitels. Dabei ist Fama (1991) als eine Aufarbeitung der in den vergangenen 20 Jahren, seit 1970, durchgeführten empirischen Untersuchungen zu diesem Thema zu betrachten.

Den Ursprung hat die Arbeit zur Informationseffizienz in den Kapitalmärkten. Ziel war und ist es heute noch, herauszufinden, inwieweit insbesondere Aktienmärkte informationseffizient sind.

Dazu sei folgende erste Definition der Informationseffizienz vorgestellt: Ein Markt ist informationseffizient, wenn er die richtigen Signale zur Allokation von Ressourcen liefert, was impliziert, dass die Preise auf diesen Märkten zu jeder Zeit alle verfügbaren Informationen enthalten und widerspiegeln. Dabei wird davon ausgegangen, dass keine Transaktionskosten und Steuern anfallen.[46] Diese Eigenschaft der Informationseffizienz ist wünschenswert, da lediglich effiziente Preise zur optimalen Allokation von gehandelten Gütern führen.[47]

Eine ökonomisch praktikablere Interpretation des informationseffizienten Marktes geht auf Jensen (1978) zurück, der das Vorhandensein von Kosten zur Informationserlangung nicht ausschließt. Jensen folgerte, dass Preise die verfügbaren Informationen bis zu dem Punkt widerspiegeln, an dem die Grenzerlöse, die aus der Informationsgelangung zufließen, nicht von den Grenzkosten (hier: Kosten der Informationsbeschaffung) überschritten werden.[48]

Zur Quantifizierung des Informationseffizienzkriteriums ist es notwendig zu definieren, wann genau die Preise die verfügbaren Informationen korrekt widerspiegeln. Im Bereich der Informationseffizienz von Wertpapieren werden Asset-Pricing-Modelle verwendet, die den gleichgewichteten erwarteten Ertrag als Funktion des Risikos des Wertpapiers darstellen. Dabei fließen die Informationen in den Ertrag ein, der als eine Komponente den Preis des Wertpapiers bestimmt und somit ein Allokationssignal setzt.

Die umfangreiche Arbeit über die Informationseffizienz auf Kapitalmärkten stellt ein großes Potenzial, auch für die Forschung im Bereich der Informationseffizienz von Ratingsystemen, dar. Insbesondere durch die Diskussion um den zweiten Basler Akkord ist es von besonderem Interesse, von welcher Qualität die verwendeten Ratingsysteme sind.

Eine Aktienbewertung am Kapitalmarkt bepreist den Marktwert des Eigenkapitals eines Unternehmens. Ein Rating hingegen bewertet implizit den Marktwert[49] des Fremdkapitals. Auch hier soll die Frage beantwortet werden, inwieweit das Ratingurteil – also die Ausfallwahrscheinlichkeit – die verfügbaren Bonitätsinformationen korrekt wiedergibt. Schließlich bildet die Ausfallwahrscheinlichkeit die Grundlage für die Kalkulation des Kreditpreises – den Kreditzinssatz. Also kann auch im Rating erörtert werden, ob und wann die ermittelten Bonitätsurteile zu einer effizienten Allokation führen.

Dabei soll, ähnlich der Informationseffizienz von gehandelten Wertpapieren, das Effizienzkriterium in drei Kategorien zerlegt werden. Die drei Unterbereiche sind die strenge Informationseffizienz, die halbstrenge Informationseffizienz und die schwache Informationseffizienz.[50] Die entsprechenden Informationsmengen sind die privaten Informationen, die öffentlichen Informationen und die historischen Informationen.

Diese Gruppierung ist nützlich, um nicht nur beurteilen zu können, ob alle Informationen im Rating korrekt verarbeitet wurden. Vielmehr dient sie der verfeinerten, detaillierteren Analyse. Schließlich soll auch der Umfang der einbezogenen Informationsmengen in der Einschätzung über die Qualität eines Ratingsystems Eingang finden.

Die Effizienzkriterien wurden bisher nur im Bereich der Informationseffizienz von Wertpapieren verwendet, können aber auf Grund der Ähnlichkeit des Bewertungsproblems auf das Rating und Ratingsysteme übertragen werden. Dazu soll im Folgenden für die drei Kriterien – schwache, halbstrenge und strenge Informationseffizienz – ausgehend von der Informationseffizienz auf Kapitalmärkten zur Informationseffizienz von Ratings übergeleitet werden. Aufbauend wird mit dem einfachsten Kriterium begonnen.

3.1 Schwache Informationseffizienz

Fama (1970) definiert, dass Aktienpreise dann schwach-informationseffizient sind, wenn vergangene Muster der Renditezeitreihen nicht zur Prognose der zukünftigen Kursentwicklung herangezogen werden können.[51] Das bedeutet, dass die heutigen Aktienkurse lediglich die heutigen Informationen enthalten, hingegen sind die Preisveränderungen vergangener Perioden für den Kurs der aktuellen Periode irrelevant. Praktisch impliziert diese Behauptung, dass es nicht möglich ist, mit der technischen Aktienanalyse überdurchschnittliche Gewinne zu erwirtschaften.[52]

Fama (1990) weitet diesen Effizienzbegriff noch aus. Demnach sind Preise dann schwach-informationseffizient, wenn nicht nur vergangene Renditen, sondern auch so genannte Cross-sectional-Vorhersagevariablen keinen Einfluss auf den aktuellen Preis haben.[53] Diese Vorhersagevariablen können z. B. Dividendenströme sein. Fama bezeichnete das Kriterium zuletzt als „tests for return predictability“.[54]

Die Anwendung dieses Informationseffizienzkriteriums ist für Ratings nahezu identisch. Es besagt dann nämlich, dass es nicht möglich ist, Veränderungen eines Ratings auf der Basis von Veränderungen von historischen Ratings eines Unternehmens zu schätzen. Das bedeutet, dass das Rating, das ein Unternehmen aktuell besitzt, lediglich von der Bonitätseinschätzung der Vorperiode abhängt. Historische Ratings ab der Periode t-2 enthalten keine zusätzlichen Informationen über die aktuelle Bonitätssituation.

Zu untersuchen gilt es demnach, ob die Elemente der Ratinghistorien im Zeitablauf autokorrelieren oder Muster aufweisen. Außerdem wird die damit verbundene Forderung nach Konsistenz von historischen Wanderungsmatrizen auf das Vorhandensein der Markoff-Eigenschaft überprüft werden. Dazu sollen Ratingmigrationsmatrizen daraufhin untersucht werden, ob die zukünftige Entwicklung eines Ratingkunden davon abhängt, ob er in jüngster Zeit ein Down-[55] oder ein Upgrading[56] erfahren hat. Ist dies der Fall, liegt das Rating-Momentum vor.

3.2 Halbstrenge Informationseffizienz

Am Kapitalmarkt stellt das Kriterium der halbstrengen Informationseffizienz die Bedingung, dass alle aktuell öffentlich zugänglichen Informationen über das Unternehmen im Wertpapierpreis enthalten bzw. verarbeitet sein sollen.[57] Somit kann entsprechend dieses Kriteriums auch aus der fundamentalen Aktienanalyse kein überdurchschnittlicher Gewinn verdient werden, weil die öffentlich zugänglichen Informationen unendlich schnell in die Preisbildung einfließen.[58]

Öffentliche Informationen sind wie folgt charakterisiert:

-Sie stehen jedem Marktteilnehmer zur Verfügung.
-Sie sind preisrelevant.

Öffentliche Informationen können z. B. die Ankündigung in Medien von Gewinnwarnungen, Ergebnisprognosen, Unternehmenskäufen oder einfach nur die regelmäßige Veröffentlichung von Jahres- oder Halbjahresabschlüssen sein.

Fama (1991) bezeichnet dieses Kriterium der halbstrengen Informationseffizienz als „event studies“, denn die Untersuchung des Einflusses von öffentlichen Informationen begann mit den gleichnamigen Untersuchungen an der New Yorker Börse in den siebziger Jahren.[59]

Dazu gab es diverse IT-Systeme, die auf riesigen Datenbänken basierten, mit Inhalten wie Börsenkurse, Volatilitäten, Kovarianzen und Renditen. Auf Basis dieser Informationen sollte ermittelt werden, wie diese Variablen auf die Ankündigung und Umsetzung von Investitions-, Finanzierungs- und Kontrollentscheidungen im Unternehmen reagieren.[60] Ziel war es demnach, den Einfluss und die Wirkungsweise von öffentlich zugänglichen Informationen auf die Preisbildung am Kapitalmarkt zu beschreiben.

Für die Einschätzung der halbstrengen Informationseffizienz von Ratings gestaltet sich die Interpretation differenzierter. In ein Ratingurteil fließen natürlicherweise öffentlich zugängliche Informationen über das Unternehmen ein. Dabei sollte jedoch berücksichtigt werden, dass im Gegensatz zur Aktieninformationseffizienz ein Großteil der im Rating betrachteten Unternehmen nicht an der Börse notiert ist. Die Publizitätsanforderungen sind für börsennotierte Unternehmen höher als bei nicht-notierten Unternehmen.[61]

Damit stehen für nicht-börsennotierte Unternehmen weniger öffentliche Informationen zur Verfügung, denn häufig geben Unternehmen aus Schutz der Unternehmenssphäre und aus Konkurrenzschutz nur diejenigen Informationen an die Öffentlichkeit, zu denen sie per Gesetz verpflichtet sind. In der Regel sind das Jahresabschlüsse sowie Branchen- und Markteinschätzungen.

Für die Untersuchung der halbstrengen Informationseffizienz von Ratingsystemen wird abermals der Kapitalmarkt benutzt. Vorrausetzung für die weitergehenden Untersuchungen im Bereich der öffentlichen Informationen ist die Annahme, dass der Kapitalmarkt selbst halbstreng-informationseffizient ist.[62] Das bedeutet, dass er die Fähigkeit besitzt, alle öffentlichen Informationen korrekt und sofort bei Bekanntwerden in den Preisen widerzuspiegeln. Arbitragemöglichkeiten bestehen demnach nicht.[63]

Diese These wurde insbesondere – wie bereits erwähnt - in den siebziger und achtziger Jahren intensiv untersucht. Die auf der folgenden Seite platzierte Tabelle 1 vermittelt eine Übersicht über empirische Arbeiten, die einen halbstreng-informationseffizienten Kapitalmarkt unterstützen:[64]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Empirische Untersuchungen zur Informationseffizienz des Kapitalmarktes [65] [66] [67] [68] [69]

Unter der Annahme des halbstreng-informationseffizienten Kapitalmarktes wird für börsennotierte Unternehmen aus den Marktdaten – genauer aus der Volatilität und der erwarteten Rendite – eine halbstreng-informationseffiziente Ausfallwahrscheinlichkeit berechnet. Diese wird dann dem von der Ratingagentur Standard & Poor’s ermittelten Bonitätsurteil gegenübergestellt, um das System zu bewerten.

Zudem wird die Schätzung von halbstreng-informationseffizienten Ausfallwahrscheinlichkeiten auf der Basis von Marktpreisen von Anleihen aufgebaut. Der Grundgedanke dieses Modells geht auf Fons (1994) zurück, der den Bonitätsspread einer Anleihe aus der Differenz des internen Zinsfußes einer risikobehafteten und einer risikolosen Anleihe ermittelt.

Die Nutzung von Marktinformationen zur Prognose von Insolvenzen besitzt den Vorteil, dass Ratingagenturen und Banken häufig langsam oder verspätet auf Veränderungen in Unternehmen reagieren, während Kapitalmärkte neue Informationen objektiver und schneller in den Preisen verarbeiten. Der Informationsgehalt von Marktdaten könnte somit als hochwertiger bezeichnet werden.[70]

Im dritten Modell zur halbschwachen Informationseffizienz wird gezeigt, wie halbstreng-informationseffiziente Risikoprämien[71] über ein Optionspreismodell ermittelt werden können.

3.3 Strenge Informationseffizienz

Eine strenge Informationseffizienz des Kapitalmarktes liegt genau dann vor, wenn sowohl alle öffentlich zugänglichen, als auch alle privaten Informationen eines Unternehmens in dessen Aktienkurs zunächst enthalten und korrekt verarbeitet sind.[72]

Private Informationen sind gekennzeichnet durch:

-nicht alle Marktteilnehmer haben Zugang,
-Zugang nur für Insider[73],
-Preisrelevanz.

Diese Art von Informationen können bevorstehende Akquisitionen oder Personalveränderungen im Vorstand des Unternehmens sein. Im Gegensatz zu den öffentlichen Informationen werden diese nicht bzw. erst später über die Medien publik gemacht.

Ein Rating ist demzufolge streng-informationseffizient, wenn alle öffentlichen und privaten Informationen korrekt enthalten und in der Ausfallwahrscheinlichkeit verarbeitet worden sind.

Die privaten Informationen nehmen im Rating eine besondere Rolle ein, denn gerade diese Informationen enthalten häufig die wichtigsten Determinanten zur Einschätzung der Unternehmensbonität. Es zeichnete sich bereits bei der Erörterung der halbstrengen Informationseffizienz ab, dass es bei nicht-börsennotierten Unternehmen zur Verschiebung der öffentlichen und privaten Informationsmengen kommen kann. Das bedeutet, dass bei nicht-gehandelten Unternehmen jene Informationen als privat bezeichnet werden, die bei gehandelten Unternehmen auf Grund der verstärkten Publikationsvorschriften noch zu den öffentlichen Informationen zählen.

Dennoch ist nicht auszuschließen, dass Banken oder Ratingagenturen private Informationen des Kreditgebers erlangen können. Im Verlauf eines Ratings werden zahlreiche Managementgespräche geführt. Dabei stehen der Vorstand bzw. die Geschäftsführer dem Kreditgeber oder der Ratingagentur Rede und Antwort. Das Vertragsverhältnis der beiden Parteien ist häufig langfristig angelegt, insbesondere dann, wenn weitere Finanzierungs- oder Platzierungsmaßnahmen geplant sind.

Damit besitzt die Agentur oder das Kreditinstitut einen dauerhaften Einblick in die unternehmensinternen Zusammenhänge.[74] Ein Rating zeichnet sich insbesondere durch einen engen persönlichen Kontakt – in Form von Telefonaten und Diskussionen – zwischen beiden Vertragsparteien aus. Um die Finanzierung so attraktiv wie möglich durchzuführen, werden Unternehmen bereit sein, der Bank oder Agentur Einblick z. B. in stille Reserven oder zukünftige Ausschüttungsmaßnahmen zu geben.

Nachdem Fama 1970 noch strenge Informationseffizienz titelte, entschloss er sich in seiner Veröffentlichung 1991 zum Titel „test for private information“.[75] Wir bezeichnen das Kriterium weiterhin als strenge Informationseffizienz. Dieser Ausdruck impliziert keine inhaltliche Distanzierung zu den Gedanken von Fama (1991), ist dennoch dem Titel dieser Arbeit dem Wortlaut nach enger verbunden.

Das Kriterium der strengen Informationseffizienz von Ratings ist demnach von größerer Bedeutung, als dies bei den Kapitalmärkten der Fall ist, denn ein Großteil der Bonitätsinformationen sind häufig nicht-öffentliche Informationen.

Sind also alle relevanten Informationsmengen in der Ausfallwahrscheinlichkeit enthalten, kann über sie der effiziente Preis – hier für den Kredit – ermittelt werden. Demnach soll untersucht werden, inwieweit die historischen Ausfallwahrscheinlichkeiten von Ratingsystemen mit den geschätzten Ausfallwahrscheinlichkeiten übereinstimmen.

Die Abhandlung der drei Effizienzkriterien beginnt im Gegensatz zu Kapital 3 mit der strengen Informationseffizienz, um zunächst Ratingsysteme auf die bestmögliche Qualität hin zu untersuchen. Bei Nichtvorhandensein der Eigenschaft, wird dann das weniger Bessere (halbstrenge Informationseffizienz) und zu aller Letzt das Kriterium mit den geringsten Ansprüchen an die Informationseffizienz (schwache Informationseffizienz) behandelt.

4 Strenge Informationseffizienz von Ratings

Die strenge Informationseffizienz drückt aus, dass im Ratingurteil alle öffentlichen und privaten Informationen korrekt Eingang finden. Das impliziert, dass die Preise (hier: der Kreditzinssatz) des Gutes (hier: das Fremdkapital) diese Informationsmengen hinreichend berücksichtigen.

Ideal wäre es nun, die Ex-ante-Schätzungen der Ausfallwahrscheinlichkeiten durch Banken und Agenturen mit den ex-post tatsächlich eingetretenen Ausfallwahrscheinlichkeiten zu vergleichen. Bei signifikantem Unterschied der Quoten würde die These der strengen Informationseffizienz abgelehnt. Dabei bleibt jedoch folgende Tatsache unberücksichtigt: Die tatsächliche Ausfallwahrscheinlichkeit eines Unternehmens kann nicht gemessen werden. Entweder ein Unternehmen fällt aus oder es bleibt solvent. Und jedes Unternehmen fällt in der Regel nur einmal aus.

Eine zusätzliche Hürde stellt das erforderliche Datenmaterial dar. Informationen zu geschätzten Ausfallwahrscheinlichkeiten von Banken oder Ratingagenturen sind nicht veröffentlicht und externen Personen nicht zugänglich, weil vermutlich Fehleinschätzungen einen erheblichen Imageschaden nach sich ziehen würden. Dennoch bieten sich für beide Probleme Lösungsansätze.

Wenn nun eine tatsächliche Ausfallwahrscheinlichkeit eines Unternehmens nicht geschätzt werden kann, so ist dies doch für Ratingklassen möglich. Gemäß Definitionsgleichung (13) ist die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Ratingklasse der Quotient aus ausgefallenen Unternehmen der Ratingklasse und der Gesamtanzahl aller Unternehmen in der Ratingklasse.

Die fehlenden Schätzungen der Ausfallwahrscheinlichkeiten des aktuellen Jahres 2002 von Agenturen und Banken können dennoch approximiert werden. Es liegt nahe, dass die Schätzungen der Ausfallwahrscheinlichkeiten für das folgende Jahr auch auf der Basis der historischen Ausfallquoten ermittelt werden. Denkbar wäre somit eine Berechnung von Mittelwerten der historischen Ausfallquoten als Schätzer für Ausfallwahrscheinlichkeiten.

Zeigt es sich, dass die Berechnung von Mittelwerten ein geeignetes Verfahren für die Schätzung darstellt, kann für diejenigen Ratingsysteme, die diese Mittelwert-Berechnung anwenden, impliziert werden, dass deren Schätzungen streng-informationseffizient sind.

Ziel wird es demnach sein, herauszufinden, ob und welche Mittelwertberechnung aus historischen Ausfallwahrscheinlichkeiten geeignete Schätzer für die Ausfallwahrscheinlichkeit des aktuellen Jahres ausbringen.

Im Folgenden soll eine praktische Beurteilungsmethode aufgezeigt werden, die untersucht inwieweit geschätzte Ausfallwahrscheinlichkeiten – als Mittelwerte von Ratingklassen (z. B. AAA oder BB) – mit den dann tatsächlich eingetretenen durchschnittlichen Ausfallwahrscheinlichkeiten der Ratingklassen übereinstimmen. Exemplarisch wird auf Datenmaterial der Ratingagentur Standard & Poor’s zurückgegriffen, Inputparameter könnten ebenfalls von einer Bank stammen.

Ist im Folgenden Abschnitt von Ausfallwahrscheinlichkeiten die Rede, sind Ausfallwahrscheinlichkeiten von Ratingklassen und nicht von Einzelunternehmen gemeint.

4.1 Vergleich von ex-ante geschätzten und ex-post beobachteten Ausfallwahrscheinlichkeiten

Für das aktuelle Jahr liegen der Bank oder der Agentur keine tatsächlichen Ausfallraten vor. Auf Grund der Dynamik der Raten können die tatsächlichen (historischen) Ausfallwahrscheinlichkeiten aus dem vergangenen Jahr nicht übernommen werden. Unter Berücksichtigung von Konjunktur- und Branchenfaktoren muss die Bank oder Agentur eine Schätzung von durchschnittlichen Ausfallwahrscheinlichkeiten der Ratingklassen vornehmen, um Unternehmen in diese einzuordnen. Die Schätzung wird häufig als idealisierte Ausfallwahrscheinlichkeit bezeichnet.[76]

Es soll nun untersucht werden, ob diese idealisierte Ausfallquote als Mittelwert der historischen Ausfallquoten geschätzt werden kann.

Für diese Untersuchungen werden Hypothesentests verwendet. Sie dienen in der Statistik dazu, bestimmte Aussagen über innerhalb eines Modells ermittelte Schätzer zu formulieren. Dazu werden Hypothesen aufgestellt, die dann auf ihre Gültigkeit anhand einer Hilfsverteilung überprüft werden.[77] Ziel ist es, die Qualität eines Schätzers zu bewerten. Die Möglichkeit der Testverfahren im Allgemeinen ist sehr groß, dennoch schränkt sich die Anwendung bei genauerer Spezifikation des zu testenden Objektes erheblich ein.

Für den hier vorliegenden Sachverhalt ist der t-Test ein geeignete Verfahren. Der t-Test hat seinen Namen von der dem Test zu Grunde liegenden t-Verteilung. Diese Verteilung wird mitunter auch als Studentverteilung bezeichnet.

[...]


[1] Vorraussetzung dafür ist, dass die Kreditnehmer ihre Bonität genau kennen.

[2] Meint die Ratingbuchstaben AAA bzw. A+ bzw. Aaa usw.

[3] Vgl. Standard and Poor’s (2001), S. 2.

[4] Vgl. ebenda, S. 3.

[5] Vgl. Kassberger, S./ Wentjes, P. (1999), S. 26ff.

[6] Vgl. Standard & Poor’s (2001), S. 1.

[7] Z. B. Adressenausfallrisiken.

[8] Z. B. Kursänderungsrisiken von Wertpapieren.

[9] Z. B. Risiken durch technische Defekte oder menschliches Fehlverhalten.

[10] Das regulatorische Eigenkapital enthält neben dem bilanziellen Eigenkapital – dem so genannten Kernkapital – auch Ergänzungskapital.

[11] Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (1988).

[12] Vgl. Deutsche Bundesbank (2001), S. 7ff. und S. 34ff.

[13] Der Basler Ausschuss unterscheidet weiter zwischen dem Basis-IRB-Ansatz und dem Advanced-IRB- Ansatz. Beide Ausprägungen unterscheiden sich durch die Schätzungen der Risikoparameter, welche die Bank intern selbst schätzen darf.

[14] Vgl. Deutsche Bundesbank (2001), S. 7.

[15] Vgl. Boos, K.-H./ Schulte-Mattler, H. (2001), S. 347.

[16] Vgl. Deutsche Bundesbank (2001), S. 13.

[17] Vgl. ebenda, S. 36.

[18] Vgl. ebenda, S. 49.

[19] Vgl. Elsas, R./Krahnen, J. P. (2001), S. 300ff.

[20] Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2002), S. 1ff.

[21] Vgl. Reichling, P. (2003), S. 14.

[22] (1 - Verlustbetrag bei Ausfall) = Vergleichsquote.

[23] Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2001).

[24] Vgl. ebenda, S. 5.

[25] Vgl. Fons, J. S. (1994).

[26] Bei einer Kuponanleihe mit Nennwert = Marktpreis entspricht der interne Zinsfuß dem Kupon.

[27] Kreditnehmer, deren Kreditbetrag 1 Mio. Euro nicht überschreitet gehören zur Gruppe der Retailkunden; hierfür gelten vereinfachte Eigenkapital-Unterlegungsvorschriften.

[28] Die entsprechende Zuordnung der Ratingsymbolik erfolgt auf Basis der idealisierten Ausfallquoten, vgl. Kreditanstalt für Wideraufbau (2001), S. 25.

[29] Vgl. Henne, A. (2003), S. 58.

[30] Vgl. ebenda, S. 59.

[31] Vgl. Poddig, T./ Dichtl, H./ Petersmaier, K. (2000), S. 73.

[32] Z. B. in Von Auer, L. (1999), S. 398.

[33] Dies zeigt ebenda, S. 72f.

[34] Vgl. Poddig, T./ Dichtl, H./ Petersmaier, K. (2000), S. 73.

[35] Diese Definition des Ausfalls ist eine vereinfachende Definition zum Rechnen. Es existieren weitere Insolvenzgründe, in denen das Eigenkapital noch positiv ist, z. B. Illiquidität.

[36] Vgl. Henne, A. (2003), S. 58.

[37] Vgl. Reichling, P. (1999), S. 232.

[38] Gruppen von bonitätsgleichen Kreditnehmern.

[39] Vgl. Reichling, P./ Schulmerich, M. (1999), S. 54.

[40] Z. B. m (5,2,AAA), Anzahl der Unternehmen, die im Jahr zwei das Rating AAA hatten und im Jahr fünf ausgefallen sind.

[41] Vgl. Reichling, P./ Schulmerich, M. (1999), S. 57.

[42] Vgl. Kassberger, S./ Wentjes, P. (1999), S. 31.

[43] Vgl. ebenda, S. 30.

[44] Vgl. Reichling, P./ Schulmerich, M. (1999), S. 55.

[45] Die Ratingagentur Standard & Poor’s versucht, diesen Effekt durch die Bildung von statistischen Pools zu vermeiden.

[46] Vgl. Fama, E. F. (1970), S. 383.

[47] Vgl. Weber, M./ Krahnen, J. P./ Vossmann, F. (1999), S. 126.

[48] Vgl. Jensen, M. (1978), S. 96.

[49] Marktwerte können nicht nur an der Börse ermittelt werden; der Begriff Märkte schließt jegliche Handelsplätze ein, an denen Angebot und Nachfrage zusammentreffen.

[50] Vgl. Fama, E. F. (1991) und derselbe (1970).

[51] Vgl. derselbe (1970), S. 384f.

[52] Vgl. Sapusek, A. (1998), S. 16.

[53] Vgl. Fama, E. F. (1991), S. 1576.

[54] Vgl. ebenda, S. 1576.

[55] Herabstufung in eine schlechtere Ratingklasse.

[56] Heraufstufung in eine bessere Ratingklasse.

[57] Vgl. Fama, E. F. (1991), S. 1577 und derselbe (1970), S. 388.

[58] Vgl. Sapusek, A. (1998), S. 16f.

[59] Vgl. Fama, E. F. (1991), S. 1577 und S. 1599.

[60] Vgl. ebenda, S. 1599f.

[61] Z. B. verlangt das Regelwerk des Neuen Marktes und des SMAX an der Frankfurter Wertpapierbörse von den index-zugehörigen Unternehmen eine quartalsweise Veröffentlichung der Finanz- und Ertragsdaten; vgl. Gruppe Deutsche Börse (2000), S. 4 und Gruppe Deutsche Börse (2002), S. 30ff.

[62] Diese These unterstützte auch Fama (1991), wie auch schon in derselbe (1970).

[63] Vgl. Reilly, F. K./ Drzycimiski, E. F. (1973), S. 57.

[64] Eine umfassende Übersicht über empirische Untersuchungen zur halbstrengen Informationseffizienz von Kapitalmärkten geben Reilly, F. K./ Brown, K. C. (1997), S. 212ff.

[65] Vgl. Jain, P. C. (1988).

[66] Vgl. Reilly, F. K./ Drzycimski, E. F. (1973).

[67] Vgl. Fama, E. F./ Fisher, L./ Jensen, M. C./ Roll, R. (1969).

[68] Vgl. Miller, R. E./ Reilly, F. K.(1987).

[69] Vgl. Beaver, W. H. (1968).

[70] Vgl. Kassberger, S./ Wentjes, P. (1999), S. 38.

[71] Denn Risikoprämien werden gerade auf Basis der Ausfallwahrscheinlichkeiten kalkuliert.

[72] Vgl. Fama, E. F. (1970), S. 383.

[73] Insider sind häufig Beschäftigte des Unternehmens in den gehobenen Führungsetagen, Verwandte oder Freunde des gehobenen Managements.

[74] Vgl. Heinke, V. G. (1998), S. 155.

[75] Vgl. Fama, E. F. (1991), S. 1603ff.

[76] Vgl. Kreditanstalt für Wiederaufbau (2001), S. 25.

[77] Vgl. Poddig, T./ Dichtl, H./ Petersmaier, K.(2000), S. 273.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832471316
ISBN (Paperback)
9783838671314
DOI
10.3239/9783832471316
Dateigröße
974 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2003 (August)
Note
1,3
Schlagworte
rating basel ausfallwahrscheinlichkeit gesamtbesteuerung kreditrisiko
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