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Die Unterrichtungspflicht und das Widerspruchsrecht bei Betriebsübergang nach der Neuregelung des §613a BGB

©2003 Diplomarbeit 66 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Unternehmenszusammenschlüsse in all ihren Erscheinungsformen stehen seit Jahren im Zentrum der Aufmerksamkeit. Fusionen und Akquisitionen sind ein wichtiger strategischer Faktor und als externe Eintrittsstrategie ein Diversifikationsinstrument mit weltweit, wachsender Bedeutung. Die immer schneller voranschreitende technologische Entwicklung und eine damit verbundene internationale Vernetzung erzwingen einen Wandel zu transkontinentalen, globalen und grenzenlosen Unternehmens-, Wettbewerbs-, Produktions- und Kommunikationssystemen.
Viele Großunternehmen, aber auch immer mehr kleine und mittlere Unternehmen sehen in Fusionen ein probates Mittel, um neue Märkte zu erschließen, neue „institutionelle Fähigkeiten“ aufzubauen und somit ihre Wachstumschance und Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Besonders in den Branchen der Automobilindustrie, Investitionsgüterindustrie, Chemie- und Pharma -industrie, der Energieversorgung, der Banken und Versicherungen sowie der Informations-, Kommunikations- und High-Tech-Branche und nicht zuletzt auch im Transportwesen wird sich die Unternehmenslandschaft weiterhin durch Mergers & Acquisitons nachhaltig verändern.
Auch in den sogenannten „schlechten Zeiten“ der Wirtschaft, befinden sich die deutschen Unternehmen im Umbruch. Um den Anschluss in einer zunehmend globalisierten Wirtschaft nicht zu verlieren, sind sie nach wie vor von einer Umstrukturierungswelle erfasst, deren Ergebnis ihnen auch im verschärften internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichern soll. Allerdings erschweren gerade in Deutschland ein unflexibler Arbeitsmarkt, steuerpolitische Unklarheiten und die Position der Bundesregierung zum europäischen Übernahmerecht, noch die Suche nach Unternehmenskäufen.
Dennoch schärfen die sogenannten Elefantenhochzeiten und die bei ihnen zu bewältigenden nationalen und internationalen Integrationsaufgaben das Bewusstsein dafür, dass für den Erfolg der Zusammenschlüsse und Übernahmen nicht allein die sogenannten harten Transaktionsfaktoren, wie zum Beispiel Management, Organisation, Finanzen und Investitionen maßgebend sind, sondern gerade auch die weichen Faktoren, wie zum Beispiel die Personalfrage.
Wie soll es für die Mitarbeiter weitergehen? Drohen Kündigungen? Können oder müssen Mitarbeiter übernommen werden? Den rechtlichen Rahmen der notwendigen integrativen Maßnahmen bieten vor allem die europäischen und deutschen Schutzbestimmungen zugunsten der Arbeitnehmer. In […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7127
Schwab, Simona: Die Unterrichtungspflicht und das Widerspruchsrecht bei
Betriebsübergang nach der Neuregelung des §613a BGB
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Fachhochschule Mainz, Fachhochschule, Diplomarbeit, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

I
INHALTSVERZEICHNIS
Seite
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS I
I. EINLEITUNG
1
1. Umsetzung der EU-Richtlinie
4
1. 1. Europäischer Hintergrund
4
1. 2. Ziel der RL 2001/23/EG
5
1. 3. Alte Rechtslage in Deutschland
6
2. Umsetzung der EU-RL 2001/23/EG ins deutsche
Recht 7
II. DIE UNTERRICHTUNGSPFLICHT NACH DEM
§ 613A ABS. 5 BGB
8
1. Sinn und Zweck der Neuregelung
8
2. Inhalt der Unterrichtung
9
2. 1. Zeitpunkt
10
2. 2. Grund
10
2. 3. Folgen
12
2. 4. Parteien des Unterrichtungsanspruchs
15
2. 4. 1. Auskunftsanspruch und Anspruchsinhaber
15
2. 4. 1. 1. Anspruchsinhaber einer
Rechtspflicht oder Obliegenheit
15
2. 4. 1. 2. Geänderte Gegebenheiten
18
2. 4. 2. Anspruchsgegner
19
2. 4. 3. Keine vertragliche Vereinbarung
21
3. Form der Unterrichtung
23

II
III. WIDERSPRUCHSRECHT DES ARBEITNEHMERS
24
1.Anerkennung des Widerspruchsrechts
24
2. Rechtsnatur
25
3. Adressat des Widerspruchs
26
4. Form
26
4. 1. Schriftform
26
4. 2. Inhalt
26
5. Fristen
26
6. Verzicht auf das Widerspruchsrecht
27
7. Rechtsfolgen der Ausübung des Widerspruchsrechts 28
IV. RECHTSFOLGEN EINER FEHLENDEN ODER
FEHLERHAFTEN UNTERRICHTUNG
29
1. Kein Fristbeginn nach § 613a Abs. 6 BGB
29
2. Schadensersatzanspruch
31
2. 1. Schadensersatzforderung des Arbeitnehmers
gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber
31
2. 2 Schadensersatzforderung des Arbeitnehmers
gegenüber dem neuen Arbeitgeber
32
3. § 324 Umwandlungsgesetz
33
V. Zusammenfassung
33
LITERATURVERZEICHNIS 36
ANHANGVERZEICHNIS 43

1
I. Einleitung
Unternehmenszusammenschlüsse in all ihren Erscheinungs-
formen stehen seit Jahren im Zentrum der Aufmerksamkeit.
Fusionen und Akquisitionen sind ein wichtiger strategischer
Faktor und als externe Eintrittsstrategie ein Diversifikations-
instrument mit weltweit, wachsender Bedeutung.
Die immer schneller voranschreitende technologische
Entwicklung und eine damit verbundene internationale
Vernetzung erzwingen einen Wandel zu transkontinentalen,
globalen und grenzenlosen Unternehmens-, Wettbewerbs-,
Produktions- und Kommunikationssystemen.
Viele Großunternehmen aber auch immer mehr kleine und
mittlere Unternehmen sehen in Fusionen ein probates Mittel, um
neue Märkte zu erschließen, neue "institutionelle Fähigkeiten"
aufzubauen und somit ihre Wachstumschance und
Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Besonders in den
Branchen der Automobilindustrie, Investitionsgüterindustrie,
Chemie- und Pharma -industrie, der Energieversorgung, der
Banken und Versicherungen sowie der Informations-,
Kommunikations- und High-Tech-Branche und nicht zuletzt
auch im Transportwesen wird sich die Unternehmenslandschaft
weiterhin durch Mergers
1
& Acquisitons
2
nachhaltig verändern.
Auch in den sogenannten ,,schlechten Zeiten" der Wirtschaft,
befinden sich die deutschen Unternehmen im Umbruch.
Um den Anschluß in einer zunehmend globalisierten Wirtschaft
nicht zu verlieren, sind sie nach wie vor von einer
Umstrukturierungswelle erfasst, deren Ergebnis ihnen auch im
verschärften internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz
1
mergers = Verschmelzung durch Übernahme, jede Form des
Unternehmenszusammenschlusses von zwei oder mehreren
Unternehmen; so in Saízites S. 227 re Sp.
2
acquisitions = Unternehmensübernahme;in Schneck, S. 655

2
sichern soll. Allerdings erschweren gerade in Deutschland ein
unflexibler Arbeitsmarkt, steuerpolitische Unklarheiten und die
Position der Bundesregierung zum europäischen
Übernahmerecht, noch die Suche nach Unternehmenskäufen
3
.
Dennoch schärfen die sogenannten Elefantenhochzeiten
4
und
die bei ihnen zu bewältigenden nationalen und internationalen
Integrationsaufgaben das Bewußtsein dafür, daß für den Erfolg
der Zusammenschlüsse und Übernahmen nicht allein die
sogenannten harten Transaktionsfaktoren, wie zum Beispiel
Management, Organisation, Finanzen und Investitionen
maßgebend sind, sondern gerade auch die weichen Faktoren
5
,
wie zum Beispiel die Personalfrage.
Wie soll es für die Mitarbeiter weitergehen?
Drohen Kündigungen?
Können oder müssen Mitarbeiter übernommen werden?
Den rechtlichen Rahmen der notwendigen integrativen
Maßnahmen bieten vor allem die europäischen und deutschen
Schutzbestimmungen zugunsten der Arbeitnehmer
6
.
In Deutschland ist im bürgerlichen Gesetzbuch, der
§ 613a BGB, die Kernvorschrift zur Regelung der Rechte der
Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang.
Mit kurzem gesetzgeberischen Vorlauf und etwas ,,versteckt" im
Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer
3
Handelsblatt, Montag den 06.01.2003-Nr.3, Investmentbanking,
S.19
4
z. B. Beispiel Daimler & Chrysler; Mannesmann & Vodaphone; Hypobank
& Bayerische Vereinsbank, Degussa & Hüls AG; Thyssen & Krupp; Kamps &
Barilla etc.
5
z. B. Unternehmenskommunikation, -kultur, Selbstverständnis,
Sozialstruktur und Arbeitsklima
6
Handelsblatt vom 28./29.05.1999, S.K3; Teil 7: Der Betriebsübergang;
Herausgegeben von Prof. Dr. Gerhard Picot, Institute for Mergers &
Acquisitions (IMA)

3
Gesetze
7
vom 28. März 2002 sind zum 1. April 2002
weitreichende Neuregelungen über die Informationspflicht der
Arbeitgeber und das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers bei
einem Betriebsübergang in Kraft getreten. Für die Arbeitnehmer
bedeutet ein Betriebsübergang nicht nur, daß sie eventuell
einen neuen Arbeitgeber bekommen, sondern die
Betriebsveräußerungen und Unternehmensumwandlungen
wirken sich auch unmittelbar auf die Arbeitsverhältnisse und
Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer aus
8
. Neben sozialen
Spannungen, die durch große Differenzen in der
Unternehmenskultur hervorgerufen werden können, rufen auch
die Änderungen des persönlichen Umfeldes, der
unterschiedlichen Arbeitsweisen sowie der Wechsel des
Arbeitsplatzes und ein eventuell notwendiger Umzug,
Widerstand und Probleme bei den betroffenen Arbeitnehmern
hervor. Da die Neuregelung für jede Form der Übertragung von
Betrieben oder Betriebsteilen - also auch für das Outsourcing
von Dienstleistungen, sofern es in den Anwendungsbereich von
§ 613a BGB fällt ­ große Bedeutung hat, wird in dieser
Diplomarbeit zunächst die Umsetzung der Novellierung erörtert
und dann, die sich aus der Änderung und Ergänzung der
§§ 613a BGB, 324 UmwG ergebenden Anwendungsprobleme
aufgezeigt und - soweit möglich ­ eine angemessene Lösung
entwickelt.
Die Arbeit geht von den Voraussetzungen aus, daß die
betriebswirtschaftliche Entscheidung zur Übertragung bereits
7
Umfang der Gesetzesänderung: Seemannsgesetz, Umsetzung
von EU-Vorschriften zum Arbeitsschutz für Seeleute sowie der
Richtlinie zur Hafenstaatkontrolle, Regelung in Zusammenhang mit
der Aufhebung der Dampfkesselverordnung, Regelung der
Arbeitnehmerrechte bei Betriebsübergang sowie die
Rechtsbereinigung, Regelung für die Haftung der See- und
Berufsgenossenschaft; BT-Drucks 14/7760
8
Bundesarbeitsministerium-1. Quartal 2002 Seite 1 vom 28. März
2002; http://www.bma.bund.de ; 09.08.2002

4
gefallen ist, für eine bestimmte Arbeitnehmergruppe ein
Personalübergang bevorsteht und dieser als Betriebsübergang
im Sinne des § 613a BGB zu qualifizieren ist.
1. Umsetzung der EU-Richtlinie
9
1.1. Europäischer
Hintergrund
Am 12. Februar 1977 verabschiedete der damals aus neun
Mitgliedstaaten bestehende Rat der Europäischen
Gemeinschaft einstimmig die Betriebsübergang-RL
77/187/EWG
10
. Sie war eine der ersten arbeitsrechtlichen RL
der Gemeinschaft.
Vor dem Hintergrund zunehmender Unternehmens-
zusammenschlüsse im gemeinsamen Markt, zwischen 1962
und 1970 stieg die Zahl der Zusammenschlüsse in den sechs
Gründerstaaten von 173 auf 612. Aufgrund dieser Tatsache
glich die RL die bis dahin teilweise recht unterschiedlichen
nationalen Regelungen über den Schutz der Arbeitnehmer bei
Betriebsübergängen an
11
.
In Deutschland hat die RL 77/187/EWG zur Einführung des
§ 613a BGB geführt.
Am 29. Juni 1998 verabschiedete der Rat, also die
Regierungsvertreter der mittlerweile schon 15 Mitgliedstaaten,
eine weitere RL zur Änderung der Betriebsübergang-RL,
nämlich die RL 98/50/EG
12
. Schließlich faßte am 12. März 2001
der Rat die RL ,,zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der
9
künftig Richtlinie = RL
10
RL 77/187/EWG v. 14.2.1977 = EAS A 3040
11
Zur Entstehungsgeschichte v. Alvensleben S.87 ff., Willemsen Rdnr.1ff
12
die sogenannte RL zur Änderung der Richtlinie 77/187/EWG zur
Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von
Unternehmen, Betrieben und Betriebsteilen, RL 98/50/EG, Abl.EG
Nr. L 201 von 17.7.1998, S.88 = EAS A 3042

5
Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder
Unternehmens oder Betriebsteilen" neu
13
.
Darin werden die RL 77/187/EWG und die RL 98/50/EG
ausdrücklich aufgehoben, so daß seitdem nur noch eine
konsolidierte
Richtlinienfassung
gilt,
nämlich
die
RL 2001/23/EG.
1.2.
Ziel der RL 2001/23/EG
Ziel der RL ist in erster Linie der Schutz der von
Betriebsübergängen betroffenen Arbeitnehmern. Die
Unternehmensumstrukturierungen und -konzentrationen, die
durch den Binnenmarkt begünstigt werden, sollen sich nicht auf
Kosten des sozialen Schutzes der in den betreffenden
Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer auswirken.
Die RL stellt den Fortbestand der Arbeitsverhältnisse und der im
Rahmen dieser Verhältnisse erworbenen sozialen Rechte
dadurch sicher, daß die Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, ihr
Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Inhaber zu denselben
Bedingungen fortzusetzen, wie sie mit dem Veräußerer
vereinbart waren. Sie bestimmt, daß bei einem
Betriebsübergang die Rechte und Pflichten aus dem
Arbeitsvertrag mit dem Veräußerer einschließlich der
kollektivvertraglichen Regelungen auf den Erwerber
übergehen
14
und der Übergang nicht als Grund für eine
Kündigung herangezogen werden darf
15
.
Nach der Novellierung von Art.6 Abs.1, RL 77/187/EWG durch
RL 98/50/EG, die mit Art.7 Abs.6 RL 2001/23/EG
13
Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur
Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von
Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen,
ABl. EG Nr. L 82, S.16, siehe Anhang Ziffer I
14
Siehe Art. 3 RL 2001/23/EG
15
Siehe Art. 4 Ziff. 1 RL 2001/23/EG

6
wie oben beschrieben, fortgeschrieben wurde, ist der
Arbeitgeber jedenfalls in den Betrieben, in denen es unabhängig
von dem Willen der Arbeitnehmer keine Arbeitnehmervertretung
gibt, verpflichtet, Arbeitnehmer vor dem Übergang zu
informieren über:
·
den Zeitpunkt bzw. den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
·
den Grund für den Übergang
·
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des
Übergangs für die Arbeitnehmer
·
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen
Maßnahmen.
Gibt es eine Arbeitnehmervertretung, genügt es allerdings nach
Art. 7 Abs.1 RL/2001/23/EG, wenn die entsprechende
Unterrichtung gegenüber diesen, also vor allem gegenüber
Betriebsrat und Sprecherausschuss, vorgenommen wird.
1. 3.
Alte Rechtslage in Deutschland
Rechtsprechung und Literatur haben sich bislang nur mit der
Frage befaßt, ob der von einem Übergang seines
Arbeitsverhältnisses durch Betriebsübergang bzw. Umwandlung
betroffene Arbeitnehmer verlangen kann, über den Tatbestand
des Übergangs und die damit verbundenen Rechtsfolgen
unterrichtet zu werden
16
.
Eine allgemeine gesetzliche Regelung die dies ausdrücklich
festlegt, gab es mit Ausnahme von § 110 BetrVG bisher nicht.
Zumal sich die gesetzlichen Unterrichtungspflichten der
beteiligten Rechtsträger nur gegen Arbeitnehmervertreter
richten, nicht aber gegen den einzelnen Arbeitnehmer.
Soweit erkennbar, hatte nur § 14 Abs. 1 Satz 2 DBGrG im
16
Vgl. Moll, NJW 1993 S. 2016; Fischer DB 2001 S.331 (332)

7
Zusammenhang mit der Gründung der Deutschen Bahn AG die
Verpflichtung
des
übertragenden
Rechtsträgers
(hier: Vorstand des Bundeseisenbahnvermögens) zur
Unterrichtung der betroffenen Arbeitnehmer geschaffen.
2. Umsetzung der EU-RL 2001/23/EG ins deutsche Recht
Vor diesem Hintergrund war die nunmehr vorgenommene
Ergänzung des § 613a BGB dringend geboten.
Das deutsche Recht soll dadurch weiter an die EU-RL
2001/23/EG angepaßt werden.
Gemäß Art. 7 Abs. 6 der RL hat der deutsche Gesetzgeber
Ergänzungen vorgenommen. Durch den am 10.Oktober 2001
vom Bundeskabinett verabschiedeten Entwurf eines Gesetzes
zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze
17
wird neben Änderungen des Seemanns- und dem
Seeaufgabengesetzes, auch in § 613a Abs. 5 und 6 BGB eine
Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers über den
Betriebsübergang und das Recht des Arbeitnehmers zum
Widerspruch gegen den Betriebsübergang eingefügt.
Schließlich wurde das Umwandlungsrecht den neuen
Vorschriften angepasst und in § 324 UmwG die Angabe ,,§ 613a
Abs. 1 und 4" durch die Angabe ,,§ 613a Abs. 1, 4 bis 6"
ersetzt
18
.
Die Neuregelung wirkt auf den ersten Blick harmlos.
Die RL 2001/23/EG regelt allerdings nur die Informationspflicht
der Arbeitgeber. Über das Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer
findet sich keine Regelung. Die deutsche Gesetzgebung ist
folglich in vorliegender Form über die europarechtlichen
Anforderungen hinaus gegangen. Zumal diese auch nur die
Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung, soweit vorhanden,
17
BR-Drucks. 831/01; BT-Drucks. 14/7760, s. Anhang Ziffer IV & V
18
Vgl. dazu BT-Drucks. 14/7760 S.20

8
und nicht die jedes einzelnen Arbeitnehmers verlangt
19
.
Fraglich könnte sein, ob hierin nicht ein Verstoß des
Gesetzgebers in der Umsetzung gesehen werden könnte. Da
die Normierung allerdings günstigere Regelungen zugunsten
der Arbeitnehmer zuläßt, kann das Vorgehen des Gesetzgebers
europarechtlich nicht beanstandet werden
20
.
II. Die
Unterrichtungspflicht nach dem § 613a Abs. 5
BGB
Die in Abs. 5 vorgesehene Unterrichtungspflicht greift nach
ihrem Wortlaut unabhängig von der Betriebsgröße und
unabhängig vom Vorhandensein eines Betriebsrates ein
21
.
1. Sinn und Zweck der Neuregelung
Durch eine umfassende Information sollen die Beschäftigten die
Möglichkeit erhalten und in die Lage versetzt werden, eine
sachgerechte Entscheidung zu treffen. Zum Beispiel, ob sie
damit einverstanden sind ihr Arbeitsverhältnis unter dem neuen
Betriebsinhaber weiter zu führen.
Darüber hinaus können sich die beteiligten Arbeitgeber Klarheit
darüber verschaffen, mit welchen der betroffenen
Arbeitnehmern sie weiterhin rechnen können oder rechnen
müssen
22
. Das heißt, dem bisherigen und dem neuen
Arbeitgeber soll künftig mehr Planungssicherheit
19
vgl. Grobys, BB 2002, S. 726; Willemsen /Lembke, NJW 2002,
S. 1159
20
Holtkamp, AuA 2002, S. 404
21
Sie soll auch bestehen, wenn der Betriebsrat wegen einer
Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG zu informieren ist, vgl. BT-
Drucks. 14/7760, S. 19 li Spalte
22
BT-Drucks. 14/7760, S. 19 re Spalte

9
gegeben werden
23
.
Der Betriebserwerber weiß also frühzeitig, mit welchen
Arbeitnehmern er rechnen sollte und welche
Personalentscheidungen er gegebenenfalls unternehmen kann,
zum Beispiel ob er Neueinstellungen vornehmen muß.
Genauso hat der Veräußernde Klarheit darüber, welcher
Arbeitnehmer bei ihm beschäftigt bleibt, beziehungsweise
welche betriebsbedingten Entlassungen durch die Einhaltung
der kündigungsrechtlichen Regelungen vorgenommen werden
müssen.
Die Gesetzesbegründung führt insoweit aus, ein
Betriebsinhaberwechsel könne für den einzelnen Arbeitnehmer
mit wesentlichen Änderungen der Arbeitsbedingungen und der
beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten verbunden sein, die ihn
gegebenenfalls veranlassen, dem Übergang des
Arbeitsverhältnisses auf einen anderen Arbeitgeber zu
widersprechen
24
.
2. Inhalt der Unterrichtung
Der Inhalt der Unterrichtung wird übereinstimmend mit
Art. 7 Abs. 6 der RL 20001/23/ EG geregelt. Der § 613a Abs. 5
BGB sieht vor, daß Veräußerer oder Erwerber die Arbeitnehmer
zeitlich vor dem Betriebsübergang über Zeitpunkt oder
geplanten Zeitpunkt, Grund sowie die rechtlichen,
wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs
unterrichtet.
Nach der Neuregelung ist zwingend vorgesehen, daß
unabhängig von der Betriebsgröße und auch von dem
Vorhandensein eines Betriebsrates, die betroffenen
23
B. Gaul, das Arbeitsrecht der Betriebs- und
Unternehmensspaltung, S. 310 Rdnr. 12
24
BT-Drucksache 14/7760, S. 19

10
Beschäftigten vor dem Übergang, zu unterrichten sind.
2. 1.
Zeitpunkt
Es ist über den tatsächlich vorgesehenen Zeitpunkt des
Überganges, oder falls dieser nicht konkret feststeht,
weil beispielsweise die Zustimmung der Kartellbehörde oder die
Eintragung ins Handelsregister nicht genau vorhersehbar sind,
über den geplanten Zeitpunkt zu unterrichten. Die Arbeitnehmer
sollen nur erkennen können, ab wann sie, aller Voraussicht
nach, bei einem neuen Arbeitgeber angestellt sein werden.
Ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a Abs. 1 BGB liegt
vor, sobald der Betriebserwerber aufgrund rechtsgeschäftlicher
Übereinkunft in die Lage versetzt wird, die Leitungsmacht im
Betrieb mit dem Ziel der Betriebsfortführung auszuüben
25
.
Der Zeitpunkt muß nicht mit dem gesellschaftlichen Übergang
des Betriebs oder Betriebsteils einhergehen. Der
Betriebsübergang kann auch schon vorher oder erst später
erfolgen
26
. Da es laut Gesetzestext ausreicht, den ,,geplanten
Zeitpunkt" zu nennen, dürfte es ausreichen, die geplanten
Stichtage zu nennen.
2. 2.
Grund
Im Sinne des § 613a Abs. 5 Nr. 2 BGB ist der Grund für den
Übergang anzugeben.
Fraglich ist, ob bei der Benennung des Grundes für den
Übergang, ein Hinweis auf den Rechtsgrund der Übertragung
(z. B. Verkauf, Abschluß eines Betriebsführungsvertrags,
Umwandlung, etc.) genügt
27
. Dann würde eine schlagwortartige
Schilderung der dem Betriebsübergang zu Grunde liegenden
Transaktion ausreichen. Weitergehende Beweggründe, die
eventuell sogar ein tiefergehendes rechtliches beziehungsweise
25
BAG vom 26.03.1997, S. 94
26
BAG vom 25.05.2000 in NZA 2000 S. 1115
27
B.Gaul in DB 2002 S. 635

11
vertragliches Verständnis erfordern, müßten nicht genannt
werden.
Insgesamt dürften im Sinne des § 242 BGB keine zu großen
Anforderungen an die Unterrichtungspflicht gestellt werden, da
zu ausführliche und tiefgehende wirtschaftliche und rechtliche
Ausführungen dem jeweiligen Arbeitgeber kaum zumutbar sind
und für den Arbeitnehmer auch im Sinne der Verständlichkeit
nicht zweckdienlich
28
.
Auch angesichts der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
kann insbesondere keine detaillierte, mit betriebswirtschaftlichen
Kennzahlen unterlegte, Rechtfertigung des Betriebsübergangs
verlangt werden
29
. Denn aufgrund der Komplexität einer
unternehmerischen Entscheidung dürfte die Angabe der
wirtschaftlichen Ursachen, wie zum Beispiel drohende Insolvenz
des Veräußerers, oder gar eine Offenlegung vertraulicher
Geschäftsinhalte, wie zum Beispiel der Kaufpreis, nicht ratsam
sein
30
. Auch im Hinblick auf die Ausübung des
Widerspruchsrechts kann hierin kein schutzwürdiges Interesse
gesehen werden
31
. Das heißt also, daß weder tiefgehende
wirtschaftliche oder rechtliche Ausführungen den informierenden
Arbeitgebern zumutbar sind noch für die Arbeitnehmer von
Nutzen
32
, sondern der einfache Hinweis auf den Rechtsgrund
der Übertragung, wie zum Beispiel Verkauf oder Umwandlung
ausreichen.
28
so auch Willemsen /Lembke in NJW 2002, S. 1162
29
Bauer/ v.Steinau-Steinrück in ZIP 2002 S. 457 (462) ; Worzalla in NZA
2002 S. 353 (354)
30
Grobys in BB 2002 S. 726 (727)
31
Gaul, Aktuelles Arbeitsrecht 2001, S. 300 (319)
32
Willemsen/Lembke in NJW 2002, S. 1159 (1162)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832471279
ISBN (Paperback)
9783838671277
DOI
10.3239/9783832471279
Dateigröße
577 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Mainz – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2003 (August)
Note
1,3
Schlagworte
betriebsübergang outsourcing widerspruchsrecht unterrichtungspflicht mergers acquisitons
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