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Lieferantenvorauswahl

Von der Beschaffungsmarktforschung zur Vertragsverhandlung

©2002 Studienarbeit 40 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Ziel dieser Arbeit ist es unter zu Hilfenahme aktueller Literatur sowie Informationen aus der betrieblichen Praxis deutscher Industrieunternehmen die Vorgehensweise von der Identifikation potenzieller Anbieter bis hin zur Eingrenzung auf zwei bis drei Lieferanten, mit denen Vertragsverhandlungen geführt werden sollen, zu beschreiben.
Die Notwendigkeit dieser Eingrenzung ergibt sich aus den hohen Kosten und dem hohen Zeitaufwand, die mit der Führung solcher Verhandlungen verbunden sind. Als Instrumente der Vorauswahl werden die Lieferantenselbstauskunft sowie das Lieferantenaudit exemplarisch beschrieben. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Kriterien, die der Beurteilung der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft eines Anbieters dienen.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
InhaltsverzeichnisII
AbbildungsverzeichnisIII
AnlagenverzeichnisIV
1.Einführung1
1.1Zielsetzung1
1.2Problemstellung1
2.Identifikation potenzieller Lieferanten5
2.1Traditionelle Beschaffungsmarktforschung5
2.2Lieferantenforschung mittels E-Procurement7
3.Kriterien - Gewichtung und Bewertung8
3.1Kriterien der Vorauswahl8
3.2Gewichtung und Bewertung10
3.2.1Allgemein10
3.2.2Noten- und Punktbewertungsverfahren10
3.2.3Scoring - Modell11
3.2.4Jahresabschlussanalyse12
4.Instrumente der Lieferantenvorauswahl14
4.1Lieferantenselbstauskunft14
4.1.1Grundlagen14
4.1.2Fragebogen zur Selbstauskunft16
4.2Auditierung von Lieferanten19
5.Fazit22
Anhang23
Literaturverzeichnis33
Ehrenwörtliche Erklärung35

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anlagenverzeichnis

1. Einführung
1.1 Zielsetzung
1.2 Problemstellung

2. Identifikation potenzieller Lieferanten
2.1 Traditionelle Beschaffungsmarktforschung
2.2 Lieferantenforschung mittels E-Procurement

3. Kriterien - Gewichtung und Bewertung
3.1 Kriterien der Vorauswahl
3.2 Gewichtung und Bewertung
3.2.1 Allgemein
3.2.2 Noten- und Punktbewertungsverfahren
3.2.3 Scoring - Modell
3.2.4 Jahresabschlussanalyse

4. Instrumente der Lieferantenvorauswahl
4.1 Lieferantenselbstauskunft
4.1.1 Grundlagen
4.1.2 Fragebogen zur Selbstauskunft
4.2 Auditierung von Lieferanten

5. Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Ehrenwörtliche Erklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Trichtermodell der Lieferantenauswahl

Abbildung 2: Das Lieferantenmanagementsystem der Siemens AG

Abbildung 3: Das Siemens Kriterienset

Abbildung 4: Ablauf des Scoring-Modells

Abbildung 5: Bilanzanalyse

Abbildung 6: Anzahl der in der Vorauswahl berücksichtigten Lieferanten nach Branchen

Abbildung 7: Checkliste für ein Lieferantenaudit

Anlagenverzeichnis

Anlage 1: Branchendurchschnittliche Anzahl genutzter Informationsquellen

Anlage 2: Nutzung von Informationsquellen zur Beschaffungsmarktforschung

Anlage 3: Anforderungskriterien zur Lieferantenbewertung

Anlage 4: Bekanntheit und Nutzung von Lieferantenbewertungsverfahren

Anlage 5: Zufriedenheit hinsichtlich der bisher genutzten Verfahren

Anlage 6: Struktur eines Selbstauskunftsfragebogens

Anlage 7: Lieferantenselbstauskunft

1. Einführung

1.1 Zielsetzung

Ziel dieser Arbeit ist es unter zu Hilfenahme aktueller Literatur sowie Informationen aus der betrieblichen Praxis deutscher Industrieunternehmen die Vorgehensweise von der Identifikation potenzieller Anbieter bis hin zur Eingrenzung auf zwei bis drei Lieferanten, mit denen Vertragsverhandlungen geführt werden sollen, zu beschreiben. Die Notwendigkeit dieser Eingrenzung ergibt sich aus den hohen Kosten und dem hohen Zeitaufwand, die mit der Führung solcher Verhandlungen verbunden sind. Als Instrumente der Vorauswahl werden die Lieferantenselbstauskunft sowie das Lieferantenaudit exemplarisch beschrieben. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Kriterien, die der Beurteilung der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft eines Anbieters dienen.

1.2 Problemstellung

„In jeder Unternehmung werden Einsatzgüter beschafft, um die Funktion der Wertschöpfung zu erfüllen“.[1] Aufgrund der Tendenz abnehmender Fertigungs-tiefen wächst der Anteil fremdbezogener Teile, innerhalb des gesamten Einsatz-güterspektrums. Dies führt dazu, dass bei vielen Industrieunternehmungen der Materialeinsatz bereits den größten Anteil der Aufwendungen ausmacht[2], was es für Unternehmungen als unumgänglich erscheinen lässt sich mit der Suche nach verlässlichen Lieferanten auseinander zu setzen, um sich in Zukunft auf diese stützen zu können.

Aufgrund der Fülle der am Markt befindlichen potenziellen Anbieter ist ein funktionierendes System zur Entscheidungsfindung essenziell. Die Lieferanten-auswahl erfolgt dabei in einem trichterförmigen Prozess (Abbildung 1, S.2). Sie stellt die Vorgehensweise dar, wie aus der Vielfalt an Ergebnissen der originären Marktforschung die Konzentration auf wenige Lieferanten zur Aufnahme von Vertragsverhandlungen erfolgt.[3]

In der Praxis wird die Entscheidung über die Auswahl des Lieferanten häufig erst dann getroffen, wenn die Beschaffungsobjekte, die bezogen werden sollen, genau feststehen, denn „nur so könne ein Angebotsvergleich für alle Teile durchgeführt [...] werden“.[4] Dieses Verfahren birgt allerdings die Gefahr, dass Zeitdruck eine effiziente Vorauswahl unmöglich macht. Folglich durchlaufen Neulieferanten kein geordnetes System der strategischen Suche, Beurteilung und Auswahl, wodurch in aller Regel „fairly wild structures“[5] in der Lieferantenstruktur entstehen. In einer Befragung von 45 Beschaffungsführungskräften durch Carter und Narasimhan nach besonders wichtig einzustufenden, gegenwärtigen Trends im Beschaffungsmanagement wurde u.a. der strategischen Lieferantenvorauswahl höchste Bedeutung zugemessen.[6]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Trichtermodell der Lieferantenauswahl Quelle: Eigene Erstellung, in Anlehnung an Müller, René (2000), S. 91

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass die Beschaffungsfunktion in der Vergangenheit lediglich als operative Unterstützungsfunktion der Produktions- und Absatzaktivitäten einer Unternehmung gesehen wurde. Heute dagegen ist sie als strategischer Erfolgsfaktor mit beträchtlichem Einfluss auf das Betriebs-ergebnis anerkannt.

Im Sinne dieser strategischen Ausrichtung der Beschaffung unterscheidet man zwei Stufen der Lieferantenvorauswahl. Die erste Stufe ist der Entscheidungs-prozess über die Aufnahme neuer Lieferanten in das Lieferanten-Portfolio, was bedeutet, dass ein Lieferant für eine definierte Produktgruppe freigegeben werden soll. Dieser Prozess kennzeichnet die strategische Lieferantenvorauswahl an sich. Die zweite Stufe beschreibt die operative Auswahl zur Erfüllung eines konkreten Beschaffungsbedarfes.[7]

Die Abbildung 2 zeigt die Bausteine des strategischen Lieferantenmanagements am Beispiel der Siemens AG. Aus dieser Darstellung lässt sich die besondere Bedeutung ableiten, die der Lieferantenvorauswahl im System des Lieferantenmanagements zukommt. Es werden hier die Grundsteine für die später folgenden Lieferantenbewertungs- und Entwicklungsphasen gelegt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Das Lieferantenmanagementsystem der Siemens AG Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Haag, Rainer (2002), S.3

Dennoch wird die Lieferantenvorauswahl häufig auf der Basis subjektiver Meinungen und Vorurteile durchgeführt. Speziell im Mittelstand, so Hartmann, ist mancher Unternehmer stolz darauf den Lieferanten selbst ausgewählt zu haben. Hierbei hat weder eine Prüfung der Mindestkriterien noch ein Wettbewerb unter mehreren Anbietern stattgefunden.[8] Augrund dessen nutzen viele global aktive Unternehmungen einen cross-funktionalen Ansatz, der neben dem Einkauf die Funktionen Qualität, Fertigung, Logistik und Entwicklung einbindet, um solchen Profilierungsgedanken einzelner Manager entgegenzuwirken. Überlässt man die Lieferantenvorauswahl stattdessen dem Zufall, so kann sie zu einem Risiko für das Unternehmen werden, insbesondere hinsichtlich der Zielerreichung.

„Wie jedes Instrument im Einkauf ist die Lieferantenauswahl an den Zielen „Kostenminimierung“ und „Sicherheit der Versorgung“ orientiert.“[9] Daraus lassen sich die Hauptziele der strategischen Lieferantenvorauswahl ableiten: Das Produktqualitätsziel (Bedarfsdeckungsziel), das Preis-, Kosten- und Erfolgsziel (Einstandspreis, bestellfixe Kosten, Lagerkosten, Fehlmengenkosten) und das Liquiditäts- oder Beschaffungsrisikoziel (Einhaltung des Beschaffungsbudgets).[10] Fehler können sich auch in der Unzufriedenheit der Kunden oder an hohen Produktionsausschüssen aufgrund qualitativ schlechter Lieferteile darstellen. Wichtig zu beachten ist, dass eine nachträgliche Verbesserung eines Misserfolgslieferanten meist überhaupt nicht oder nur unter sehr hohem Aufwand durch Maßnahmen der Lieferantensteuerung oder -förderung möglich ist.[11]

2. Identifikation potenzieller Lieferanten

2.1 Traditionelle Beschaffungsmarktforschung

Die Menge potenzieller Anbieter, die einer Unternehmung zur Befriedigung des Beschaffungsbedarfes zur Verfügung stehen, ist prinzipiell unbegrenzt. Um den Kreis der möglichen Zulieferunternehmungen zu beschränken, bedient man sich der „systematischen Gewinnung und Auswertung von Informationen über die Gegebenheiten und Beeinflussungsmöglichkeiten von Märkten“[12], der Beschaffungsmarktforschung, denn „Beschaffungsentscheidungen ohne genügend Informationen können nur zufällig richtig sein.“[13]

Als ersten Schritt der traditionellen Beschaffungsmarktforschung bezeichnet Large die Zuordnung des gesuchten Anforderungsprofils eines Beschaffungs-objektes zu einem relevanten Beschaffungsmarkt,[14] so werden z.B. Gussteile nicht auf dem Markt für Kunststoffteile zu finden sein. Durch diese Abgrenzung wird die Anzahl der möglichen Lieferanten auf diejenigen beschränkt, deren Produktportfolio dem gesuchten Beschaffungsobjekt entspricht. Eine weitere grund-legende Entscheidung betrifft dabei die räumliche Ausdehnung des Beschaffungs-marktes. Diese Sourcing-Entscheidung sollte in Kohärenz zu den strategischen Unternehmenszielen stehen. Eine Beschaffung, die sich auf Anbieter im Heimatland und insbesondere in der Heimatregion konzentriert (local sourcing), verfolgt meist das Ziel der Aufrechterhaltung der Strukturstärke in der betreffenden Region.[15] Für eine solche Strategie sprechen außerdem aus Unternehmenssicht kurze Transportwege, die zu niedrigen Transportkosten und verbesserten Lieferzeiten führen sowie die gemeinsame Sprache und Mentalität, die eine einfache Realisierung interorganisatorischer Teambildung fördert. Ein Risiko der lokalen Beschaffung ist möglicherweise die künstliche Verengung des Beschaffungs-marktes, welche den Ausschluss wertvoller Potenziale nach sich zieht. Ein weiteres Problem, das von Beschaffungsmanagern angeführt wird, ist die durch langjährige Beziehungen gewachsene moralische Verpflichtung zur weiteren Zusammenarbeit, trotz schlechter Erfolgspotentiale und besserer Alternativen. Gleiche Auswirkungen können enge persönliche Bindungen wie Freundschaft oder Verwandtschaft nach sich ziehen, wobei die Gefahr von Voreingenommenheit und Vorteilnahme in diesem Fall gewichtiger sein dürfte.[16] Auf Basis dieser erheblichen Probleme darf eine Entscheidung für local-sourcing nicht rein aus Bequemlichkeit oder Tradition getroffen werden.

Neben dem local-sourcing hat die Beschaffung in fremden Ländern, das global-sourcing, in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen.[17] Ausschlaggebend hierfür waren die Weiterentwicklungen der Kommunikationstechnologien, sowie die Öffnung des osteuropäischen Marktes. Die Vorteile des global-sourcing liegen auf der Hand: Die Zahl der Anbieter erhöht sich zwangsläufig und dadurch auch deren qualitative Potenziale. Diese zusätzlichen Lieferanten können nun dazu dienen inländische Monopol- bzw. Oligopolstellungen auszugleichen, um der Preis- und Konditionendiktatur zu begegnen.

Besonders für Unternehmungen mit international aktivem Marketing dient die internationale Beschaffung in entsprechenden Ländern zum Ausgleich von Währungsrisiken (Hedging). Trotz dieser Chancen werden Inputfaktoren aus dem Ausland vor allem bei klein- und mittelständischen Betrieben häufig vernach-lässigt. Gründe dafür sind die komplizierte Abwicklung von Importgeschäften sowie spezifische Risiken wie poltisch-gesellschaftliche Instabilität, unsichere wirtschaftliche Entwicklung, Qualitäts- und Logistikrisiken, hohe Reisekosten und mangelnde Sprachkenntnisse.[18] Aber der Zusammenschluss der einzelnen Binnenräume zu einem großen, gesamteuropäischen Markt, und dessen immer weiter vorangetriebene Expansion beseitigt viele dieser Probleme und lässt den internationalen Beschaffungsmarkt in Europa zukünftig zu einem neuen nationalen Markt zusammenschmelzen. Als Folge dieser Entwicklung wird es auch für klein- und mittelständische Unternehmungen möglich werden sich auf neuen Märkten neue Potenziale zu erschließen.

Zur Bewältigung dieser Aufgabe steht den Einkäufern eine Fülle an Informations-quellen zur Verfügung. Da die Art der Informationsquelle abhängig ist von der Erhebungsmethode, können beide Aspekte gemeinsam behandelt werden. In der Primärforschung werden bisher nicht vorhandene Daten mit Hilfe der Befragung von Personen oder durch direkte Beobachtung der Realität erhoben.[19] Die beiden weitest verbreiteten Methoden, die Lieferantenselbstauskunft und das Lieferanten-audit, werden dabei zu einem späteren Zeitpunkt genauer behandelt. Als weitere Quellen der Primärforschung können auch die Befragung eigener Mitarbeiter, anderer Nachfrager oder Anbieter genannt werden.

Die Sekundärforschung zeichnet sich dadurch aus, dass bereits vorhandene Daten neu aufbereitet werden. Wie Anlage 1 zeigt, ist dabei in erster Linie das Internet von Bedeutung. Ferner Veröffentlichungen von Marktteilnehmern und Daten von Dritten, wie Fachpublikationen oder Referenzen. Eine generelle Beurteilung der Eignung verschiedener Quellen ist allerdings problematisch, da diese sehr stark von der Art der gewünschten Informationen abhängt sind. In der Praxis wird ohnehin nicht eine Informationsquelle isoliert betrachtet, sondern mehrere Quellen miteinander verglichen (Anlage 2), um die Aussagekraft der erzielten Ergebnisse zu erhöhen.

2.2 Lieferantenforschung mittels E-Procurement

Wie Anlage 2 zeigt, ist das Internet das wichtigste Medium der Sekundär-forschung und soll daher eine kurze, gezielte Beobachtung erfahren. „Electronic Procurement oder E-Procurement bezeichnen Einkaufsaktivitäten über das Internet im B2B Bereich“. Dabei handelt es sich meist um die Beschaffung sogenannter C-Artikel, deren einzelne Beschaffungstransaktion im Vergleich zum Warenwert relativ hohe Kosten verursacht.

Trotz seiner offensichtlichen Vorteile, wie erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit und Leistungsfähigkeit kann sich das E-Procurement nur zögerlich durchsetzen. Gründe sind die Angst vor unzureichender Datensicherheit und mangelnde Information von Seiten der Anbieter. Da sich viele Methoden der traditionellen Beschaffungsmarktforschung auf das E-Procurement übertragen lassen, besteht der wichtigste Unterschied in der zeitlichen Effizienz des Informationsflusses. So sind viele Nachschlagewerke durch ein Online-Register im Internet vertreten, das unter Eingabe eines einfachen Schlagwortes geeignete Ergebnisse liefert, während in der herkömmlichen Beschaffungsmarktforschung stundenlanges Recherchieren alltäglich ist. Trotz ähnlicher Methoden, wie die Lieferantenselbstauskunft, die Namen der Nachschlagewerke, und zusätzlicher Entwicklung vertrauensbildender Maßnahmen wie die Beurteilung durch bisherige Handelspartner, professionelle Einkaufsagenten oder Lieferantenpools, fehlen bei reinen Internetunternehmen noch immer entscheidende Faktoren wie die physische Präsenz und die Bekanntheit von Markennamen zur Etablierung eines Vertrauensverhältnisses.[20] Auch wenn sich diese Einstellung mit dem wachsenden Fortschritt der Elektronik-industrie ändern, und das E-Procurement an Bedeutung gewinnen wird, soll es nicht Thema dieser Arbeit sein. Dennoch lassen sich die hier erbrachten Erkenntnisse unter geringfügigen Modifikation auch auf das E-Procurement übertragen. So nutzen viele Industrieunternehmen ihre Firma, um interessierten Anbietern die Möglichkeit zu bieten über eine Homepage und eine darauf bereitgestellte Lieferantenselbstauskunft Kontakt aufzunehmen.[21]

3. Kriterien - Gewichtung und Bewertung

3.1 Kriterien der Vorauswahl

Vergleichbare und aussagefähige Ergebnisse kommen nur dann zustande, wenn die Bewertung auf Basis eines standardisierten Prozesses erfolgt.[22] Um diese Standardisierung zu gewährleisten ist es notwendig, relevante Auswahl- oder Bewertungskriterien zu definieren, die, zumindest auf ein Beschaffungsobjekt bezogen, alle Anbieter untereinander vergleichbar machen. Die Anzahl möglicher Anforderungskriterien ist allerdings überaus umfangreich (Anlage 3), und die Forderung möglichst viele Indikatoren zu berücksichtigen, scheint auf den ersten Blick einleuchtend. Dem scheinbaren Vorteil der Erhöhung der Aussagefähigkeit steht allerdings der Nachteil entgegen, dass durch steigende Informations-, Mess- und Bewertungsprobleme eine höhere Qualität der Bewertungsergebnisse nicht unbedingt zu erwarten ist. Dennoch gehören reine Preis-, Lieferzeit- oder Qualitätsvergleiche, sogenannte Einfaktorenvergleiche, eher der Vergangenheit an. In der Automobilindustrie, der deutschen Vorreiterindustrie, werden in der Praxis nur noch in Ausnahmesituationen, d.h. im Falle einer Identität aller weiteren Faktoren, reine Preisvergleiche durchgeführt.[23] Dabei sollte allerdings bedacht werden, dass Boni und Rabatte aus marketingpolitischer Sicht meist in den Angebotspreis mit einkalkuliert sind, und daher nur zur beiderseitigen Ästhetik dienen.

Die Praxis unterscheidet zwei Arten von Bewertungskriterien. Zum einen die quantitativen Merkmale, die i.d.R. durch einfache Soll-Ist-Abweichungen, oder durch Kennzahlen ermittelt werden. Diese sind zur Beurteilung insbesondere dadurch hervorragend geeignet, dass sie mit einfache EDV-technische Anwendungen errechnet werden können, und demzufolge ein Höchstmaß an Objektivität gewährleisten. Als zweite Art der Anforderungskriterien gelten qualitative Merkmale. Diese werden oft durch die subjektive Einschätzung des Bewertenden beeinflusst. Dennoch sollte auch hier eine möglichst hohe Objektivität angestrebt werden. So kann z.B. das Merkmal Know-how durch das Geschäftsalter der potenziellen Partnerunternehmung objektiviert werden.[24]

Durch eine empirische Untersuchung von 236 Industrieunternehmungen in den USA, Schweden, Frankreich und verschiedenen asiatischen Ländern durch Mattson und Salehi-Sangari wurden die technologische Qualität und Zuverlässigkeit, die Lieferzuverlässigkeit, der Preis und die technischen Fähigkeiten der Mitarbeiter des Lieferanten als wichtigste Kriterien eingestuft.[25] Zukünftig werden aber auch Faktoren wie Umwelt und Entsorgung bzw. Recycling einen hohen Stellenwert in der Vorauswahl geeigneter Anbieter einnehmen.[26] Wie der Geschäfts-bericht der Volkswagen AG des Jahres 1997 ausweist, werden auch die Faktoren Know-how, Innovation, Qualität, Termintreue und internationale Logistikkompetenz immer wichtiger und drängen den reinen Preisvergleich, wie er trotz allem in klein- und mittelständischen Betrieben noch immer praktiziert wird, weiter zurück.

Um aus der Fülle der möglichen Merkmale die relevantesten herauszufinden, trennt die Siemens AG ihre Anforderungskriterien in die vier Cluster Einkauf, Logistik, Qualität und Technologie (Abbildung 3). Jede dieser Kategorien ist wiederum von vier Kriterien beschrieben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Das Siemens Kriterienset Quelle: Hoffman, Rainer/Lumbe, Hans-Joachim (2001), S.8

Diese 16 Kriterien können im Wesentlichen in drei Gruppen eingeteilt werden. Die erste Gruppe sind Kriterien, wie z.B. die Qualitäts- oder die Logistikleistung, welche die aktuelle Leistungsposition des Lieferanten wiederspiegeln. Die zweite Gruppe beurteilt wichtige Aspekte der zukünftigen Leistungsfähigkeit des Lieferanten, z.B. die Bewertung des Qualitätssystems oder die Initiative zur Kostensenkung. Die dritte Gruppe zeigt die Kooperationsbereitschaft sowie das Service- und Supportverhalten des Anbieters. Auf dieser übergeordneten Ebene sind aufgrund einheitlicher Kriterien alle Lieferanten vergleichbar. Geschäfts-bereichsspezifische Eigenschaften können auf der Ebene der Subkriterien festgelegt werden.[27] Um sich wieder von Siemens zu lösen, können Anpassungen, an differierende Beschaffungsobjektgruppen vorgenommen werden, um die Vergleichbarkeit der Anbieter zu gewährleisten, und dennoch den unterschiedlichen Anforderungen Rechnung zu tragen. Die Erstellung und Bewertung dieser Anforderungskriterien sollte dabei in funktionsübergreifenden Teams erfolgen, denn nur so kann zum einen das volle Commitment aller Beteiligten eingeholt und zum anderen die Lieferleistung aus den verschiedensten Blickwinkeln adäquat beurteilt werden.

3.2 Gewichtung und Bewertung

3.2.1 Allgemein

Um die unterschiedlichen Bedeutungen der oben angeführten Merkmale zu verdeutlichen, behilft man sich einer Gewichtung der Anforderungskriterien. Es stellt sich allerdings die Frage nach welchen Gesichtspunkten die Differenzierung vorzunehmen ist, da eine unsystematische Vergabe der Gewichtung den subjektiven Ermessungsspielraum zu stark ausweitet.[28] Um dies zu vermeiden ist es notwendig, die Unterschiede im Erfüllungsgrad der Kriterien und deren Einfluss auf die Bewertung klar zu definieren. Dies gewährleistet gleichzeitig die Nachvollziehbarkeit der Bewertung. Sie bildet die Grundlage der Erklärung gegenüber dem Lieferanten. Die Praxis kennt eine Vielzahl von Bewertungs-systemen mit unterschiedlichen Ausprägungen und Erfolgspotenzialen, wie Anlage 4 und Anlage 5 zu entnehmen ist. Nachstehend werden nur einige dieser Systeme exemplarisch beschrieben.

3.2.2 Noten- und Punktbewertungsverfahren

Diese Verfahren sind in praxi am weitesten verbreitet. Das Drei-Notensystem gilt dabei als einfachstes Verfahren. Die Bewertung der Anforderungskriterien erfolgt mittels Attributen: „immer – häufig - selten“, „gut – durchschnittlich - schlecht“ oder „problemlos - einige Probleme - überwiegend Probleme“. Aufgrund geringer Differenzierungsmöglichkeiten ist dieses System allerdings nur bedingt zur qualitativen Beurteilung einsetzbar. Das qualifizierte Notensystem arbeitet dagegen mit abgestuften Notenskalen, um eine Differenzierung zu ermöglichen. Aber auch diesem System mangelt es, aufgrund fehlender Gewichtung an ausreichender Objektivität.

Um diesen Mängeln der Notensysteme entgegenzuwirken, werden in praxi verschiedene Methoden der Punktbewertungsverfahren angewandt. Beim Höchstpunktzahlverfahren erhalten die Kriterien eine ihrer Bedeutung entsprechende Höchstpunktzahl. Je nach Leistungsunterschieden sind davon Abschläge vorzunehmen. Ein guter Anbieter sollte bei dieser Methode etwa 80% der Gesamtpunktzahl erreichen. Das Prozentbewertungsverfahren beinhaltet die Möglichkeit die Gewichtungsfaktoren durch Multiplikation mit dem Erfüllungsgrad zu „relativieren“. I.d.R. dienen zur Ermittlung des Erfüllungsgrades bei quantifizierbaren Kriterien Kennzahlen, wie die Beanstandungsquote oder der Servicegrad. Bei qualitativen Merkmalen wird der Erfüllungsgrad durch den Quotienten aus erreichter Punktzahl und maximaler Punktzahl errechnet. Durch eine zusätzliche Variation des Gewichtungsfaktors ist es möglich verschiedene Schwerpunkte zu setzen, um so eine Anpassung an verschiedene Bedarfsobjekte vorzunehmen.[29]

3.2.3 Scoring - Modell

Scoring - Modelle sind eine weitere Art von Punktbewertungsverfahren, die aufgrund ihrer praktischen Relevanz allerdings gesondert zu betrachten sind. Es handelt sich dabei um die Bewertung von Entscheidungsalternativen auf der Grundlage von Testurteilen, den sogenannten „scores“, welche bislang über-wiegend im Absatzbereich eingesetzt werden. Aber auch im Einkauf finden Scoring - Modelle zur Lieferantenvorauswahl oder -bewertung immer weitere Verbreitung. Dabei wird nach folgenden Schritten vorgegangen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Ablauf des Scoring-Modells Quelle: Eigene Erstellung, in Anlehnung an Harting, Detlef (1994), S.57

Wie aus Abbildung 4 abzuleiten ist, sind die Vorteile des Scoring - Modells vor allem in der Möglichkeit einer geordneten Aufstellung entscheidungsrelevanter quantitativer und qualitativer Kriterien, sowie der Komparabilität der qualitativen Kriterien zu sehen.[30]

[...]


[1] Vgl. Large, Rudolf (1999), S.2

[2] Vgl. Kuhn (2002), S.5

[3] Vgl. Koppelmann, Udo Prof. Dr. (1993) S.244

[4] Vgl. Large, Rudolf (1999), S.144

[5] Gadde/Håkansson (1994), S.30

[6] Vgl. Carter Joseph R./Narasimham, Ram (1996a), S.20-28

[7] Vgl. Müller, René (2000), S.90-91

[8] Vgl. Hartmann, Horst/Pahl, Hans Joachim/Spohrer, Hans (1992), S.37

[9] Hartmann, Horst/Pahl, Hans-Joachim/Spohrer, Hans (1992), S.19

[10] Vgl hierzu: Hartmann, Horst/Pahl, Hans-Joachim/Spohrer, Hans (1992), S.19; Harting, Detlef (1994), S.13; Lasch, Rainer/Janker, Christian G./Friedrich, Christian (2002), S.22

[11] Vgl. Large, Rudolf (1999), S.143

[12] Large, Rudolf (1999), S.81

[13] Koppelmann, Udo Prof. Dr. (1993), S.213

[14] Vgl. Large, Rudolf (1999), S.147

[15] Vgl. Hirsch, Stefan (2001), S.2

[16] Vgl. Large, Rudolf (1999), S.147

[17] Kuhn (2002), S.6

[18] Vgl. Large, Rudolf (1999), S.148

[19] Vgl. Large, Rudolf (1999), S.92

[20] Vgl. Universität Osnabrück (2002), S.13

[21] siehe hierzu www.nestle.de, www.daimlerchrysler.de

[22] Vgl. Müller, René (2000), S.92

[23] Vgl. Hartmann, Horst/Pahl, Hans-Joachim/Spohrer, Hans (1999), S.26

[24] Vgl. Hartmann, Horst/Pahl, Hans-Joachim, Spohrer, Hans (1992) S.63

[25] Vgl. Large, Rudolf (1999), S.41

[26] Vgl. Hartmann, Horst/Pahl, Hans-Joachim, Spohrer, Hans (1992) S.31

[27] Vgl. Hoffman, Rainer/Lumbe, Hans-Joachim (2001), S.8 f

[28] Vgl. Hartmann, Horst/Pahl, Hans-Joachim/Spohrer, Hans (1999), S.33

[29] Vgl. Hartmann, Horst/Pahl, Hans.Joachim/Spohrer, Hans (1999), S.68 ff

[30] Vgl. hierzu: Harting, Detlef (1994), S.57; Hartmann, Horst/Pahl, Hans.Joachim/Spohrer, Hans (1999), S.68 ff

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832471187
ISBN (Paperback)
9783838671185
DOI
10.3239/9783832471187
Dateigröße
3.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Duale Hochschule Baden-Württemberg, Lörrach, früher: Berufsakademie Lörrach – Wirtschaft
Erscheinungsdatum
2003 (August)
Note
2,2
Schlagworte
lieferantenselbstauskunft audic lieferant materialwirschaft einkauf
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Titel: Lieferantenvorauswahl
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