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Die Rolle der institutionellen Investoren in der deutschen Corporate Governance

©2003 Diplomarbeit 126 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Einer der bedeutendsten Trends an den globalen Finanzmärkten ist die zunehmende Institutionalisierung der Kapitalanlage, d.h. die verstärkte Verwaltung privater Ersparnisse durch Pensionsfonds, Versicherungen und Investmentfonds. In Deutschland konnten in den letzten zehn Jahren insbesondere Kapitalanlagegesellschaften (KAG) eine stetige Zunahme ihres Anlagevolumens verzeichnen. Der Bedeutungszuwachs dieses Anlegersegments hat dazu geführt, dass professionelle Anleger sich verstärkt um die Gestaltung der Corporate Governance der Unternehmen ihrer Portfolios bemühen. Corporate Governance, verstanden als das System der Unternehmensleitung und -kontrolle einer Aktiengesellschaft, stellt für professionelle Anleger inzwischen ein eigenständiges Bewertungskriterium im Investmentprozess dar. Institutionelle Investoren gehen dabei von der Grundannahme aus, dass die Qualität der Unternehmenskontrolle einen wesentlichen Einfluss auf den ökonomischen Erfolg einer Aktiengesellschaft hat.
Die jüngsten Bilanzskandale großer US-amerikanischer Unternehmen haben jedoch das Vertrauen der Investoren in die internationalen Kapitalmärkte nachhaltig erschüttert. Auch in Deutschland gab es spektakuläre Unternehmenszusammenbrüche, die die Defizite im deutschen Corporate Governance-System aufzeigten. Corporate Governance gewann daraufhin in der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion an großer Bedeutung.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen verabschiedete der deutsche Gesetzgeber ein umfassendes Reformpaket zur Modernisierung des Finanzplatzes Deutschland. So beauftragte das Bundesministerium der Justiz im September 2001 eine Kommission unter der Leitung von Dr. Gerhard Cromme mit der Ausarbeitung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK). Der DCGK - nach angelsächsischem Vorbild konzipiert - enthält in Form eines sogenannten Code of Best Practice rechtlich unverbindliche Grundsätze guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung. Mit der Verabschiedung des Transparenz- und Publizitätsgesetzes (TransPuG) im Juli 2002 erfuhr der DCGK eine aktienrechtliche Einbindung in §161 Aktiengesetz (AktG), die alle börsennotierten Gesellschaften zu einer faktischen Anerkennung des Kodex verpflichtet. Insbesondere angelsächsische institutionelle Investoren drängten auf die Einführung eines deutschen Verhaltenskodex, da sie in der Regel ihre Investitionsentscheidungen an der Anerkennung eines Verhaltenskodex durch die jeweiligen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7111
Diekmann, Raimar: Die Rolle der institutionellen Investoren in der deutschen Corporate
Governance
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Fachhochschule Münster, Diplomarbeit, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ... I
Anhangsverzeichnis ... IV
Abkürzungsverzeichnis ... V
Abbildungsverzeichnis ...VII
Tabellenverzeichnis ... VIII
1. Einleitung
...1
1.1. Einführung in die Thematik ...1
1.2. Gang der Arbeit...3
2. Theoretische Grundlagen ...5
2.1. Begriffsabgrenzung...5
2.2. Grundlagen der Agency-Theorie...8
2.2.1. Einführung in die Agency-Theorie ...8
2.2.2. Agency-Theorie und Corporate Governance ...11
2.3. Corporate Governance-Systeme im Vergleich...14
2.3.1. Das angelsächsische Shareholder-System ...15
2.3.1.1. Shareholder Value-Orientierung ...15
2.3.1.2. Aktionärsstruktur ...16
2.3.1.3. One-Tier Modell ...17
2.3.1.4. Market for Corporate Control ...18
2.3.1.5. Bedeutung von Anreizsystemen...19
2.3.2. Das kontinentaleuropäische und japanische Stakeholder-System ...19
2.3.2.1. Stakeholder-Orientierung...20
2.3.2.2. Aktionärsstruktur ...21
2.3.2.3. Two-Tier Modell...21
2.3.2.4. Institutionenorientierung...22
2.3.2.5. Macht der Banken ...22
2.4. Anzeichen einer Konvergenz beider Systeme...23
3. Entwicklung der Corporate Governance in Deutschland ...26
3.1. Grundlagen...26
3.2. Kodifiziertes Recht als Basis deutscher Corporate Governance...28
3.3. Funktion der Verhaltenskodizes im angelsächsischen Rechtssystem...29
3.4. Bedeutung des KonTraG...30

3.5 Initiativen zur Entwicklung von Corporate Governance-Grundsätzen...33
3.5.1. OECD Principles of Corporate Governance ...34
3.5.2. Regierungskommission Corporate Governance...35
3.5.3. Deutscher Corporate Governance Kodex...36
3.6. Funktion des TransPuG...38
3.7. Bewertung des Entwicklungsstands...39
4. Einflussnahme institutioneller Investoren ...43
4.1. Institutionelle Investoren...43
4.1.1. Begriffsabgrenzung...43
4.1.2. Bedeutung institutioneller Investoren im internationalen Vergleich ...44
4.1.3. Veränderung der Rahmenbedingungen in Deutschland...47
4.1.3.1. Institutionalisierung der Kapitalanlage ...48
4.1.3.2. Bedeutungszunahme deutscher Investmentfonds ...49
4.2. Forderungen institutioneller Investoren ...50
4.2.1. CalPERS...51
4.2.2. DWS...53
4.3. Erklärungsansätze zur Einflussnahme institutioneller Investoren ...54
4.3.1. Exit versus Voice ...55
4.3.2. Monovariate Erklärungsansätze...55
4.3.2.1. Größe des Anteilsbesitzes und Agency-Kosten ...56
4.3.2.2. Diversifikation ...56
4.3.2.3. Rechtliche Rahmenbedingungen...57
4.3.2.4. Art des Portfoliomanagements...57
4.3.3. Multivariate Erklärungsansätze...59
4.3.4. Corporate Governance und Corporate Performance ...62
4.4. Restriktionen ...62
4.4.1. Legislative Restriktionen ...62
4.4.2. Free-Riding-Problematik...64
4.4.3. Langfrist- versus Kurzfristorientierung...65
4.4.4. Sekundärmarktliquidität...66
4.5. Zwischenbewertung ...66
4.6. Empirische Erkenntnisse...68
4.6.1. Methoden zur Bewertung von Corporate Governance...68
4.6.2. Bedeutung von Corporate Governance aus Investorensicht ...70
4.6.3. Bewertung einzelner Instrumente ...72
4.6.4. Corporate Governance als Anlagekriterium...73
4.6.5. Bedeutung von Corporate Governance aus Unternehmenssicht...74
II

5. Fallstudie: CalPERS und Corporate Governance ...76
5.1. Unternehmensprofil...76
5.2. Focus List...77
5.3. "CalPERS Effect" of Corporate Governance...78
5.4. Corporate Governance-Fonds ...78
5.5. Einflussnahme auf den Gesetzgeber ...79
6. Schlussbetrachtung ...82
Anhang
... IX
Literaturverzeichnis ... XXXII
Gesprächsverzeichnis ...XXXIX
III

Anhangsverzeichnis
Seite
Anhang I:
Aktionärsstruktur des deutschen Bankensektors
IX
Anhang II:
Gesprächsnotizen der Telefoninterviews
X
Anhang III: CalPERS German Market Principles
XXVII
IV

Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
AktG
Aktiengesetz
Aufl.
Auflage
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BIP
Bruttoinlandsprodukt
bspw.
beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
CalPERS
California Public Employees Retirement System
CEO
Chief
Executive
Officer
CEPS
Centre for European Policy Research
DAI
Deutsches
Aktieninstitut
DCGK
Deutscher Corporate Governance Kodex
DSW
Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz
DVFA
Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset
Management
e.V.
DWS
DWS Investment GmbH
ECGN
European Corporate Governance Network
ERISA
Employee Retirement Income Security Act
et al.
und andere
etc.
et
cetera
e. V.
eingetragener Verein
EVA
Economic Value Added
FMFG
Finanzmarktförderungsgesetz
FMRP
Financial Market Reform Principles
FTSE
The Financial Times Stock Exchange
Hermes
Hermes Focus Asset Management Europe Ltd.
HGB
Handelsgesetzbuch
Hrsg.
Herausgeber
KAAG
Gesetz für Kapitalanlagegesellschaften
KAG
Kapitalanlagegesellschaften
KapCoRiLiG
Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz
V

KapAEG Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz
KonTraG
Gesetz zur Transparenz und Kontrolle im Unternehmens
bereich
LSE
London Stock Exchange
MitbestG Mitbestimmungsgesetz
OECD
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
PU
Portfoliounternehmen
Scorecard
Scorecard for German Corporate Governance
SOC
Sarbanes-Oxley
Act
Tab.
Tabelle
TIAA-CREF
Teachers Insurance and Annuity Association College
Retirement Equities Funds
TransPuG
Transparenz- und Publizitätsgesetz
VAG
Versicherungsaufsichtsgesetz
WpÜG
Wertpapiererwerbs-
und
Übernahmegesetz
VI

Abbildungsverzeichnis
Seite
Abb. 1:
Dimensionen der Corporate Governance-Thematik
S. 7
Abb. 2:
Spannungsfelder der Corporate Governance
S. 12
Abb. 3:
Gegenüberstellung von Shareholder- und Stakeholder-System
S.14
Abb. 4:
Vergleich von Two-Tier und One-Tier-Modell
S. 17
Abb. 5:
Aktionärsstruktur des deutschen Bankensektors
S. IX
Abb. 6:
Entwicklung der Corporate Governance in Deutschland
S. 27
Abb. 7:
Begriffsabgrenzung institutionelle Investoren
S. 44
Abb. 8:
Bedeutung institutioneller Investoren im internationalen
Vergleich
S. 45
Abb. 9:
Fondsvermögen deutscher Investmentfonds
S. 50
Abb. 10:
Typologisierung des ECGN
S. 59
Abb. 11
Scorecard for German Corporate Governance der DVFA
S. 69
Abb. 12:
Bedeutung der Corporate Governance für Investoren und
Intensität der Anpassungen im PU
S. 71
Abb.13:
Effektivität der Instrumente einer Einflussnahme
S. 73
Abb. 14:
Kursprämien im internationalen Vergleich
S. 74
VII

Tabellenverzeichnis
Seite
Tab. 1:
Aktienbesitz im internationalen Vergleich
S. 16
Tab. 2:
Portfoliozusammensetzung nach Anlageklassen
S. 47
Tab. 3:
Aktionärsstruktur in Deutschland von 1991 bis 1998
S. 48
VIII

1. Einleitung
1.1.
Einführung in die Thematik
Einer der bedeutendsten Trends an den globalen Finanzmärkten ist die zunehmende
Institutionalisierung der Kapitalanlage, d.h. die verstärkte Verwaltung privater
Ersparnisse durch Pensionsfonds, Versicherungen und Investmentfonds.
1
In
Deutschland konnten in den letzten zehn Jahren insbesondere Kapitalanlage-
gesellschaften (KAG) eine stetige Zunahme ihres Anlagevolumens verzeichnen. Der
Bedeutungszuwachs dieses Anlegersegments hat dazu geführt, dass professionelle
Anleger sich verstärkt um die Gestaltung der Corporate Governance der Unternehmen
ihrer Portfolios bemühen. Corporate Governance, verstanden als das System der
Unternehmensleitung und ­kontrolle einer Aktiengesellschaft, stellt für professionelle
Anleger inzwischen ein eigenständiges Bewertungskriterium im Investmentprozess dar.
Institutionelle Investoren gehen dabei von der Grundannahme aus, dass die Qualität der
Unternehmenskontrolle einen wesentlichen Einfluss auf den ökonomischen Erfolg einer
Aktiengesellschaft hat. Die jüngsten Bilanzskandale großer US-amerikanischer
Unternehmen haben jedoch das Vertrauen der Investoren in die internationalen
Kapitalmärkte nachhaltig erschüttert. Auch in Deutschland gab es spektakuläre
Unternehmenszusammenbrüche, die die Defizite im deutschen Corporate Governance-
System aufzeigten. Corporate Governance gewann daraufhin in der öffentlichen und
wissenschaftlichen Diskussion an großer Bedeutung.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen verabschiedete der deutsche Gesetzgeber
ein umfassendes Reformpaket zur Modernisierung des Finanzplatzes Deutschland. So
beauftragte das Bundesministerium der Justiz im September 2001 eine Kommission
unter der Leitung von Dr. Gerhard Cromme mit der Ausarbeitung des Deutschen
Corporate Governance Kodex (DCGK). Der DCGK - nach angelsächsischem Vorbild
konzipiert - enthält in Form eines sogenannten Code of Best Practice rechtlich
unverbindliche Grundsätze guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung. Mit
der Verabschiedung des Transparenz- und Publizitätsgesetzes (TransPuG) im Juli 2002
erfuhr der DCGK eine aktienrechtliche Einbindung in § 161 Aktiengesetz (AktG), die
alle börsennotierten Gesellschaften zu einer faktischen Anerkennung des Kodex
1
1
Vgl. Steiger (2000), S. 22.

verpflichtet. Insbesondere angelsächsische institutionelle Investoren drängten auf die
Einführung eines deutschen Verhaltenskodex, da sie in der Regel ihre Investitions-
entscheidungen an der Anerkennung eines Verhaltenskodex durch die jeweiligen
Unternehmen ausrichten.
Zunehmend integrieren auch deutsche KAG Corporate Governance-Aspekte in ihre
Anlagepolitik. So formulierte die DWS Investments (DWS) bereits 1997 erstmalig
Empfehlungen zur Corporate Governance und veröffentlicht seit 2001 jährlich ein
Corporate Governance-Ranking der Gesellschaften des Dow Jones EURO STOXX 50.
Darüber hinaus plant die DWS im Frühjahr 2003 zum ersten Mal öffentlich auf den
Hauptversammlungen von Bayer, Deutsche Telekom und Volkswagen aufzutreten.
2
Es
vollzieht sich somit ein fundamentaler Wandel im System der deutschen
Unternehmenskontrolle, der einige Autoren sogar veranlasst, überspitzt von einer neuen
,,Macht der Fonds"
3
zu sprechen.
Das Ziel dieser Arbeit ist, die Rolle der institutionellen Investoren in der deutschen
Corporate Governance zu untersuchen. Sind institutionelle Investoren die treibenden
Kräfte des Wandels im deutschen Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht? Welche
Forderungen stellen professionelle Anleger an eine anspruchsvolle Corporate
Governance? Sind institutionelle Investoren in der Lage, eine wirksame Unternehmens-
überwachung auszuüben, die weitere spektakuläre Unternehmenszusammenbrüche à la
Enron vermeiden kann? Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich weiterhin aufzeigen,
welchen Stellenwert Corporate Governance aus Sicht der professionellen Anleger
einnimmt und mit welchen Instrumenten Investoren Einfluss auf Portfoliounternehmen
(PU) ausüben. In einer Fallstudie werde ich die Corporate Governance-Aktivitäten des
US-amerikanischen Pensionsfonds CalPERS
4
analysieren, weil dieser weltweit als
Vorreiter in Fragen der Corporate Governance gilt. In diesem Zusammenhang werde ich
vor allem darauf eingehen, inwieweit die Tätigkeiten von CalPERS Perspektiven für
deutsche institutionelle Anleger aufzeigen. Darüber hinaus werde ich analysieren, wie
deutsche Fondsgesellschaften die Rolle von CalPERS und die Entwicklung der
Corporate Governance in Deutschland beurteilen. Die hier aufgezeigten Fragestellungen
sollen im Rahmen dieser Arbeit dezidiert beantwortet werden, wobei die Bewertung der
2
Vgl. Gesprächsnotiz Richter vom 04.02.2003.
3
Dieser Begriff ist als Pendant zum Ausdruck ,,Macht der Banken" zu verstehen und beschreibt den
Machtzuwachs der Kapitalanlagegesellschaften. Vgl. Behrenwaldt (2000a), S. 1.
2
4
California Public Employees Retirement System.

Rolle der institutionellen Investoren im System der deutschen Corporate Governance
den Schwerpunkt meiner Analyse bildet.
1.2.
Gang der Arbeit
Den Ausgangspunkt meiner Arbeit bildet eine Einführung in die Agency-Theorie.
Untersuchungsgegenstand der Agency-Theorie sind die Interessenkonflikte zwischen
Managern und Anteilseignern, die aufgrund der Trennung von Eigentum und
Verfügungsgewalt in einer Publikumsgesellschaft zur Entstehung von Agency-Kosten
führen. Im deutschen und im angelsächsischen Corporate Governance-System stehen
verschiedene interne und externe Instrumente zur Verfügung, die eine Reduzierung der
Agency-Kosten anstreben. Während im angelsächsischen System die Kontrolle durch
Marktmechanismen im Vordergrund steht, überwiegen im deutschen Modell traditionell
die internen Mechanismen. Die jüngsten Reformen beider Corporate Governance-
Systeme bedeuten eine Annäherung beider Modelle aneinander. Ob diese
Entwicklungen eine Konvergenz beider Corporate Governance-Systeme bewirkt haben,
werde ich in Abschnitt 2.4. erörtern.
Im dritten Kapitel wird die Entwicklung der Corporate Governance in Deutschland seit
Einführung des Gesetzes zur Transparenz und Kontrolle im Unternehmensbereich
(KonTraG) im Mai 1998 untersucht. Zunächst werde ich auf die gesetzlichen
Grundlagen der deutschen Corporate Governance eingehen und die Rolle der
Verhaltenskodizes im angelsächsischen Rechtssystem behandeln. Den Schwerpunkt des
dritten Kapitels bildet eine Analyse des Reformpakets des deutschen Gesetzgebers zur
Modernisierung des Finanzplatzes Deutschland. Ein besonderes Augenmerk wird dabei
auf das KonTraG und auf den Deutschen Corporate Governance Kodex gelegt. Das
dritte Kapitel schließt mit einer Bewertung des deutschen Corporate Governance-
Systems.
3
Untersuchungsgegenstand des vierten Abschnitts ist die Rolle der institutionellen
Investoren in der Corporate Governance. In einem ersten Schritt werde ich die
Forderungen institutioneller Investoren an eine effiziente Corporate Governance
vorstellen. In einem zweiten Schritt werde ich versuchen, die Forderungen sowie die
Einflussnahme institutioneller Investoren auf Portfoliogesellschaften anhand
verschiedener theoretischer Erklärungsmodelle zu validieren. Weiterhin gilt es, die

Restriktionen einer potentiellen Einflussnahme auf PU aufzuzeigen und zu bewerten. In
Kapitel 4.6. werde ich den theoretischen Überlegungen empirische Erkenntnisse zur
Corporate Governance gegenüberstellen. Ich werde aufzeigen, welche Bedeutung
institutionelle Investoren Corporate Governance beimessen, mit welchen Instrumenten
sie Einfluss auf ein PU ausüben und wie die Qualität der Corporate Governance einer
Aktiengesellschaft gemessen werden kann. Weiterhin möchte ich anhand empirischer
Daten analysieren, ob institutionelle Investoren bereit sind, eine anspruchsvolle
Corporate Governance mit einer Kursprämie zu honorieren. Abschließend werde ich
einen Vergleich zwischen dem Corporate Governance-Verständnis der Investoren und
dem von börsennotierten Unternehmen ziehen.
Das fünfte Kapitel behandelt anhand eines Fallbeispiels die Corporate Governance-
Aktivitäten des weltweit drittgrößten Pensionfonds CalPERS. Das Fondsmanagement
von CalPERS geht von der Grundannahme aus, dass ein positiver Wirkungs-
zusammenhang zwischen der Einflussnahme auf eine Portfoliogesellschaft und der
erzielten Rendite eines Investments besteht. So verfolgt CalPERS verschiedene
Corporate Governance-Aktivitäten, die auf eine nachhaltige Steigerung der Rendite der
PU abzielen. Im Rahmen der Fallstudie werde ich die wichtigsten Instrumente von
CalPERS vorstellen, eine Bewertung dieser vornehmen und aufzeigen, ob die Ansätze
auf den deutschen Kapitalmarkt übertragbar sind. Die Arbeit schließe ich mit einer
Schlussbetrachtung im sechsten Kapitel ab.
4

2. Theoretische
Grundlagen
2.1. Begriffsabgrenzung
Der Begriff Corporate Governance wird in der Literatur in vielfältiger Weise
angewandt. So wurde er bisher weder einheitlich definiert, noch hat er eine Übersetzung
in die deutsche Sprache gefunden. Die englische Übersetzung von ,,to govern" mit
regieren bzw. lenken verdeutlicht jedoch, dass der Begriff Corporate Governance die
Kontroll- und Überwachungsmechanismen einer Unternehmung beschreibt.
5
Die
Vielzahl der aus der wissenschaftlichen Diskussion hervorgegangenen Definitionen von
Corporate Governance zeigt in erster Linie zwei Aspekte auf: Erstens kann die
Diskussion zur Corporate Governance noch lange nicht als abgeschlossen betrachtet
werden. Malik spricht sogar von einem ,,theoretischen Notstandsgebiet"
6
und Schmidt
behauptet, es existiere keine saubere Begriffsabgrenzung.
7
Zweitens sind die
Definitionen von nationalen Besonderheiten geprägt, die auf die jeweilige
landesspezifische Entwicklung eines Finanzsystems zurückgehen.
8
Eine einheitliche,
global akzeptierte Begriffsabgrenzung liegt somit nicht vor. Im Folgenden werden die
wichtigsten landesspezifischen Definitionen vorgestellt.
Das angelsächsische Verständnis von Corporate Governance beschreibt die
Beziehungen zwischen Kapitalgebern und Management. Corporate Governance wird als
Prozess definiert, ,,...that deals with the way in which suppliers of finance to
corporations assure themselves of getting a return on their investment".
9
In einer
engeren Auslegung wird sogar nur das Verhältnis zwischen Eigenkapitalgebern und
Management betrachtet. In dieser rein finanzwirtschaftlichen Perspektive des
Unternehmens
10
werden die Anteilseigner als die primäre Zielgruppe eines Corporate
Governance-Systems verstanden. Ihr soll die Möglichkeit gegeben werden, vom
Management eine wertorientierte Unternehmensführung einzufordern.
5
Vgl. Ruppen (2001), S.17, Steiger (2000), S. 63.
6
Malik (1997), S. 35.
7
Vgl. Schmidt et al. (1997), S. 15.
8
Vgl. Berrar (2001), S. 25; Vgl. Roe (1999), S. 1.
9
Shleifer/Vishny (1996), S. 2
5
10
Die Begriffe Unternehmung / Unternehmen werden synonym verwandt. Vgl. Gablers
Wirtschaftslexikon (2000), S. 3181.

In Kontinentaleuropa wird der Terminus hingegen in einem breiter gefassten Kontext
interpretiert. Corporate Governance wird als der Prozess der Unternehmenskontrolle
und ­überwachung unter Berücksichtigung von zwei weiteren Zielen verstanden: Zum
einen dient sie der Herstellung eines Interessenausgleiches zwischen den verschiedenen
Anspruchsgruppen der Unternehmung, zum anderen strebt sie die Implementierung
einer ressourcenoptimalen Unternehmensführung an.
11
Den Versuch eines Interessenausgleichs zwischen beiden Perspektiven unternimmt die
OECD. Sie definiert Corporate Governance als ,,...set of relationships between a
company´s management, its board, its shareholders and other stakeholders".
12
Diese
weit gefasste Abgrenzung kann als erste Annäherung zwischen dem angelsächsischen
und den kontinentaleuropäischen Corporate Governance-Systemen aufgefasst werden.
13
Eine Analyse dieser drei Definitionen zeigt auf, dass mit dem Terminus Corporate
Governance im Wesentlichen vier Themenfelder verbunden werden:
· Die Führung eines Unternehmens
· Die Überwachung eines Unternehmens
· Das Verhältnis der Spitzenorgane untereinander sowie zu den verschiedenen
Stakeholdern
14
· Die Publikumsgesellschaft als Untersuchungsgegenstand.
In Abbildung 1 wird der Versuch unternommen, die verschiedenen Perspektiven der
Corporate Governance-Debatte zu systematisieren, wobei eine Differenzierung nach
Unternehmensform und der Einflussnahme von verschiedenen Interessengruppen
vorgenommen wird. Auf der einen Seite sind die Autoren einzuordnen, die Corporate
Governance im originären, engen Sinne diskutieren, d.h. sie stellen die Beziehung von
Anteilseigner und Unternehmensleitung in den Vordergrund. Die Mehrzahl der
Begriffsabgrenzungen aus den angelsächsischen Ländern, wie zum Beispiel die von
Shleifer und Vishny
15
lassen sich hier einordnen. Auf der anderen Seite stehen die
umfassenderen Ansätze, die alle Interessengruppen des Unternehmens und alle im
11
Vgl. Witt (2002), S. 41, O´Sullivan (1998), S. 1.
12
OECD (1999), S.2.
13
ebd., S. 3.
14
Vgl. Ruppen (1999), S. 18.
6
15
Vgl. Shleifer / Vishny (1996), S. 2ff..

Wirtschaftsprozess involvierten Organisationen umfassen. Diese Sichtweise wird als
Totale Organizational Governance bzw. Corporate Governance im weiteren Sinne
bezeichnet. Umstritten ist jedoch, ob der Begriff Corporate Governance im weiteren
Sinne noch zutreffend ist, weil der ursprüngliche Begriff explizit an die Unternehmens-
verfassung der Publikumsgesellschaft gebunden wurde.
16
Börsennotierte
Unternehmen
Kapital-
Unternehmen
Privatwirt-
schaftliches
Unternehmen
Wirtschafts-
organisationen
Totale
Organizational
Governance
(CG i.w.S.)
Originäre
Corporate
Governance
(CG i.e.S.)
Direkte
Interessen
Jegliche
Interessen
Eigen-
kapital-
interessen
Kapital-
interessen
(EK+FK)
Abb. 1: Dimensionen der Corporate Governance-Thematik
Quelle: Nippa (2002), S. 9.
Im Rahmen dieser Arbeit ist Corporate Governance nicht nur als der Kontroll- und
Überwachungsmechanismus einer Unternehmung definiert, sondern umfasst auch die
aktive Gestaltung der Unternehmenskontrolle durch institutionelle Investoren.
7
16
Vgl. Nippa (2002), S. 9-10.

2.2.
Grundlagen der Agency-Theorie
2.2.1. Einführung in die Agency-Theorie
In der eng gefassten Definition von Corporate Governance steht das Verhältnis
zwischen Anteilseignern und Unternehmensführung im Vordergrund. Die Delegation
der Unternehmensführung an spezialisierte Manager ist insbesondere bei
Publikumsgesellschaften mit fragmentierter Aktionärsstruktur vorherrschend. Das
Kernproblem der Delegation der Verfügungsgewalt wird darin gesehen, Regeln und
Anreize zu bestimmen, um das ­ als opportunistisch unterstellte ­ Verhalten der
Manager an den Interessen der Anteilseigner auszurichten.
17
Die aus der Trennung von
Eigentum und Verfügungsgewalt resultierenden Motivations- und
Koordinationsprobleme zwischen Anteilseignern (Prinzipalen) und Managern
(Agenten) sind Untersuchungsgegenstand der Agency-Theorie. Diese ist zum
theoretischen Verständnis der Corporate Governance von grundlegender Bedeutung:
,,The problem of corporate governance is viewed as how to minimize the costs arising
from agency conflicts at the firm level".
18
Die Agency-Theorie gehört neben der
Transaktionskostentheorie und der Property Rights-Theorie zu der Neuen
Institutionenökonomie. Diese Theorie untersucht, wie die Verteilung von
Informationen, Eigentums-, Kontrollrechten sowie die Existenz von Transaktionskosten
ökonomisches Verhalten beeinflussen.
19
Schon 1932 haben Berle und Means in einer Untersuchung der größten US-
amerikanischen Unternehmen die Einflussmöglichkeiten des Managements auf die
Unternehmenskontrolle analysiert. Sie konnten nachweisen, dass die Kontrolle der
Unternehmen nicht mehr in den Händen der Anteilseigner lag, sondern in die Hände der
Manager übergegangen war.
20
Da die Prinzipale von einer sich im Streubesitz
befindenden Publikumsgesellschaft nicht in der Lage sind, das Unternehmen selber zu
führen, ist eine Delegation der Verfügungsgewalt an spezialisierte Agenten
erforderlich.
21
Die Agency-Theorie geht von der Grundannahme aus, dass Individuen
versuchen, ihren eigenen Nutzen zu maximieren. Dies bedeutet, dass Manager nur
17
Vgl. Nippa (2002), S. 12.
18
Heinrich (2002), S. 54.
19
Vgl. Richter / Furubotn (1991), S. 1, Steiger (2000), S 65.
20
Vgl. Berle / Means (1932), S. 112f..
8
21
Vgl. Jensen / Meckling (1976), S. 304.

bedingt im Interesse der Anteilseigner handeln, weil sich die Zielfunktionen beider
Vertragsparteien nur eingeschränkt entsprechen.
22
Während der Prinzipal in erster Linie
Ertragsaspekte verfolgt, kann die Nutzenfunktion des Agenten andere Ziele beinhalten,
wie zum Beispiel die Größe des Unternehmens oder die Annehmlichkeiten seiner
eigenen Arbeit (consumption on the job).
Eine Delegation der Verfügungsgewalt an Manager ist in einer Publikumsgesellschaft
weiterhin erforderlich, um Spezialisierungsvorteile erzielen zu können. Ausgangspunkt
dieses Gedankens ist die Vorstellung des Unternehmens als eine Vielzahl von
Einzelverträgen, einem ,,... nexus for a set of contracting relationships among
individuals".
23
Theoretisch könnten alle Beziehungen zwischen Agent und Prinzipal
lückenlos in Verträgen geregelt werden. Als Folge würden keine Differenzen mehr
zwischen beiden Vertragsparteien bestehen.
24
Da in der Praxis eine lückenlose
vertragliche Regelung aus Kostengründen jedoch unterbleibt, herrschen unvollständige
Verträge zwischen Prinzipal und Agent vor. Diese vertraglichen Lücken ermöglichen
dem Agenten einen diskretionären Handlungsspielraum, den er für eigene Interessen
nutzen kann (Problem des hidden action und der hidden information). Weiterhin verfügt
der Agent über einen Informationsvorsprung gegenüber dem Prinzipal, denn der
Prinzipal ist lediglich in der Lage, das ex post-Ergebnis einer Entscheidung des Agenten
zu beurteilen, nicht jedoch ex-ante die Entscheidungssituation selbst.
25
Ebenso wenig
kann er das individuelle Anstrengungsniveau des Agenten (effort) im voraus bewerten.
Es besteht somit eine asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Agent und
Prinzipal, die dem Agenten erlaubt, seinen diskretionären Handlungsspielraum für
opportunistische Handlungen auszunutzen (Problem des moral hazard
26
). Die hieraus
resultierenden Vertretungskosten werden als Agency costs bezeichnet. Sie können nach
Jensen in drei Gruppen unterteilt werden:
· Überwachungskosten (monitoring costs), die der Prinzipal zur Überwachung der
Leistungserstellung des Agenten aufbringen muss
22
Vgl. Steiger (2001), S. 65.
23
Jensen / Meckling (1976), S. 310.
24
Vgl. Berrar (2001), S. 29.
25
Vgl. Wosnitza (1991), S. 18f..
9
26
Der Begriff moral hazard bezieht sich streng genommen auf die Situation der assymetrischen
Information nach Vertragsabschluß, während der Terminus adverse Selektion die Informationsassymetrie
vor Vertragsabschluss beschreibt. Vgl. Richter / Furuboth (1996), S. 196.

· Selbstbindungskosten (bonding costs), die der Agent leistet, um dem Prinzipal
zu signalisieren, dass er trotz abweichender Interessen im Sinne des Prinzipals
handelt
· Einen Residualverlust, der aus Opportunitätskosten besteht, weil durch die
Beauftragung des Agenten nur eine Second-Best-Lösung erreicht wird, und der
Prinzipal somit einen niedrigeren Gewinn erzielt.
27
Der Unterschied zwischen erst- und zweitbester Lösung entspricht der Höhe der
Vertretungskosten, welche sich als ,,... die Kosten der Trennung von Eigentum und
Kontrolle"
28
interpretieren lassen. Das generelle Ziel der Unternehmenskontrolle sollte
es daher sein, Gewinne aus der Überwachung des Agenten zu erzielen, die höher als die
aufgewandten Überwachungskosten sind.
29
Um einem opportunistischen Verhalten des Managers entgegenzuwirken, ist neben der
Einführung von Kontroll- und Strafmechanismen ein vertragliches Anreizsystem zu
schaffen. Sogenannte ,,Incentives" basieren auf der Annahme, das die
Leistungsbereitschaft des Agenten mit der Höhe seiner Erfolgsbeteiligung positiv
korreliert.
30
Beispielsweise kann die erfolgsabhängige Entlohnung durch ein
Aktienoptionsprogramm erfolgen. Dieses hat zum Ziel, die Leistungsbereitschaft des
Agenten (effort) zu steigern sowie die Handlungen des Agenten an den Interessen des
Prinzipals auszurichten. Um ein Anreizsystem effizient zu gestalten, müssen drei
Eigenschaften berücksichtigt werden:
· Ein Anreizsystem sollte in seiner Wirkungsweise für den Agenten
durchschaubar und verständlich sein
· Die zentralen Größen des Anreizsystems sollten vom Agenten kontrollierbar
sein
· Die Bemessungsgrundlage sollte ohne Dissens von beiden Parteien beobachtet
werden können.
31
27
Vgl. Jensen / Meckling (1976), S. 302f..
28
Richter / Furubotn (1996), S. 167.
29
Vgl. Steiger (2000), S. 67.
30
Vgl. Früh (1999), S. 42.
10
31
Vgl. Krapp (2000), S. 4.

Kritisch ist anzumerken, dass die Agency-Kosten ­ definiert als Differenz zwischen
First-Best- und erreichter Second-Best-Lösung ­ lediglich eine fiktive Größe darstellen.
Diese sind in der Praxis für den Prinzipal weder beobachtbar noch messbar.
32
Weiterhin
wird an der Agency-Theorie beanstandet, dass sie auf realitätsfremden Annahmen
beruht. So geht zum Beispiel die Stewardship-Theorie von einer Interessenkongruenz
zwischen Management und Anteilseignern (consensus perspective) aus. Sie unterstellt,
dass die Unternehmensleitung ausschließlich als Verwalterin und Treuhänderin
(,,Stewards") im Interesse des Unternehmens handelt.
33
Folglich sei die Aussagekraft
der Agency-Theorie beschränkt und führe zu einer Verzerrung der Realität.
34
2.2.2. Agency-Theorie und Corporate Governance
Um die Rolle der institutionellen Investoren in der Corporate Governance zu
untersuchen, ist eine Betrachtung von drei potentiellen Interessenkonflikten durch die
Agency-Theorie von großem Nutzen. Die in Abbildung 2 dargestellten drei Spannungs-
felder gelten als Kernelemente der Corporate Governance-Thematik und können durch
die Agency-Theorie im weiteren Sinne abgebildet werden.
35
Der erste potentielle Konflikt wird durch die Agency-Theorie im engeren Sinne
beschrieben und behandelt das bereits erläuterte Verhältnis zwischen Anteilseigner und
Unternehmensleitung unter Berücksichtigung von Informationsasymmetrien und
Interessendivergenzen. Dieser Konflikt setzt sich mit der Frage auseinander, wie die
Anteilseigner die Arbeit der Manager effizient koordinieren und kontrollieren können.
Das zweite Spannungsfeld besteht zwischen Mehr- und Minderheitsaktionär. Hier geht
es um die Frage, in wie weit Unterschiede in der Wahrnehmung der Unternehmens-
kontrolle durch einen Mehr- oder einen Minderheitsaktionär bestehen und ob der
Mehrheitsaktionär die Interessen der Minderheitsaktionäre als Stellvertreter (Agent)
wahrnimmt, oder ob er in erster Linie eigene Interessen verfolgt. So ist anzunehmen,
dass ein Mehrheitsaktionär aufgrund seiner Machtstellung aus dem Unternehmen
Vorteile ziehen kann, die über seinen Anteil an der Dividende hinaus gehen, und die den
anderen Anteilseignern nicht zu teil werden. Diese Problematik wird in der
32
Vgl. Wisnotza (1991), S. 26.
33
Vgl. Berrar (2001), S. 29.
34
Vgl. Krapp (2000), S. 187f..
11
35
Vgl. Berrar (2001), S. 35.

angelsächsischen Literatur als ,,private benefits of control" bezeichnet.
36
Hierzu zählen
insbesondere die Möglichkeiten des Mehrheitsaktionärs, Unternehmensanteile unter
Marktpreis zu kaufen sowie die Produktpalette auf seinen größtmöglichen Nutzen
umzustellen.
37
2. Konflikt
Manager
U
n t
e
r
n
e
h
m
e
n
Mehrheits-
aktionär
Minderheits-
aktionär
Sonstige
Interessengruppen
(Arbeitnehmer, Gläubiger)
3. Konflikt
1. Konflikt
5
5
Abb. 2: Spannungsfelder der Corporate Governance
Quelle: Berrar (2001), S. 34
Weiterhin stellt sich die Frage, ob Minderheitsaktionäre durch den Gesetzgeber
schutzbedürftig sind. In Deutschland scheint jedoch die Stellung der
Minderheitsaktionäre durch die Verabschiedung des Wertpapiererwerbs- und
Übernahmegesetzes (WpÜG) eher geschwächt zu sein.
38
So ist nunmehr ein
Mehrheitsaktionär in der Lage, im Rahmen eines Squeeze Out
39
die Anteile der
Minderheitsaktionäre gegen deren Willen erwerben zu können.
36
Vgl. Nowak (1997), S. 46.
37
Vgl. Shleifer / Vishny (1996), S. 33f..
38
Vgl. Berrar (2001), S. 33.
12
39
Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft kann auf Verlangen eines Hauptaktionärs, der 95%
der Aktien an der Gesellschaft hält, die zwangsweise Übertragung der restlichen Aktien von Minderheits-
aktionären gegen Zahlung einer Abfindung auf den Hauptaktionär beschließen. Vgl. Vetter (2002), S.
176f.. Der Squeeze Out ist in §§ 327a bis 327f AktG geregelt.

Das dritte Spannungsverhältnis betrifft den klassischen Shareholder-Stakeholder-
Konflikt. Dieser beschreibt die Beziehung zwischen Aktionären und anderen
Anspruchsgruppen der Unternehmung wie Gläubigern, Arbeitnehmern, Lieferanten und
Kunden. Hier stellt sich die Frage, ob die Share- oder die Stakeholder als Prinzipal der
Unternehmensleitung anzusehen sind. Als klassisches Beispiel eines Shareholder-
Stakeholder-Konfliktes sind die gegensätzlichen Interessen von Eigen- und Fremd-
kapitalgebern anzuführen. Auch die Mitbestimmung im deutschen Aufsichtsrat ist in
diesem Kontext zu sehen. Schließlich verfolgen die Aufsichtsratmitglieder der
Arbeitnehmerseite andere Zielsetzungen als die Vertreter der Anteilseigner. Ob dieser
Konflikt im Rahmen der Corporate Governance oder vom Gesetzgeber im Bereich der
Arbeits- und Sozialgesetzgebung zu lösen ist, bleibt umstritten.
40
13
40
Vgl. Berrar (2001), S. 33.

2.3.
Corporate Governance-Systeme im Vergleich
Für die Themenstellung der Arbeit ist es erforderlich, die teilweise markanten
internationalen Unterschiede in der Unternehmensfinanzierung und ­kontrolle
detaillierter zu betrachten. Im Folgenden werden die verschiedenen Corporate
Governance-Systeme und die ihnen zugrunde liegenden jeweiligen landesspezifischen
Ziel- und Problemstellungen näher betrachtet. Dabei wird in Kapitel 2.3.1. das
angelsächsische System vorgestellt, während Kapitel 2.3.2. das kontinentaleuropäische
und japanische Modell behandelt. Der Begriff Corporate Governance-System wird in
der Literatur definiert als ,,... die institutionellen Mechanismen, mit denen das
Management einer Kapitalgesellschaft kontrolliert wird und die damit auch die
Beziehungen der Shareholder, Manager und Stakeholder untereinander regeln".
41
Nachstehende Abbildung gibt einen Überblick über die wesentlichen Merkmale beider
Corporate Governance-Systeme.
1.
Concentrated stock ownership or
proxy control by banks
2.
Substantial cross-ownership between
firms, significant direct and indirect
ownership of banks
3.
No active market for corporate
control
4.
Stakeholder approach
5.
Low-powered incentives for
management
6.
Two-tier board
1.
Dispersed ownership, primarily by
households and institutional investors
2.
Little cross-holdings between firms
and little bank ownership of firms
3.
Active market for corporate control
4.
Maximization of shareholder value
5.
High-powered management
incentives through performance-
based remuneration
6.
One-Tier board
,,Japanese-German" / ,,bank-centered" /
,,insider-system"
,,Anglo-Saxon" / ,,market-based" /
,,outsider-system"
Characteristics of alternative models of Corporate Governance
Abb. 3: Gegenüberstellung von Shareholder- und Stakeholder-System
Quelle: In Anlehnung an Heinrich (2002), S. 12.
14
41
Vgl. Matthes (2000), S. 17.

2.3.1. Das angelsächsische Shareholder-System
Das Corporate Governance-System der Vereinigten Staaten gilt als Prototyp des
angelsächsischen Shareholder-Systems.
42
Es zeichnet sich aus durch eine Gesellschafts-
struktur mit breit gestreutem Aktienbesitz und einem gut funktionierenden
Kapitalmarkt.
43
Der synonym verwendete Begriff Outsider-System verdeutlicht, dass
das Shareholder-System ,,... auf externe Kontrollmechanismen wie Kapitalmärkte und
unabhängige Directors in den zuständigen Gremien setzt und auf eine starke
Außenfinanzierung über den Kapitalmarkt angewiesen ist".
44
Dieses Grundverständnis
spiegelt sich auch in den Rechnungslegungsvorschriften wider, die in erster Linie die
Informationsbedürfnisse der Investoren berücksichtigen.
45
Die folgenden Ausführungen
konzentrieren sich in Anlehnung an Abbildung 3 auf fünf zentrale Merkmale des
Shareholder-Systems.
2.3.1.1. Shareholder Value-Orientierung
Im Zentrum der Unternehmenspolitik steht die Steigerung des Unternehmenswerts aus
Sicht der Anteilseigner, dem Shareholder Value.
46
Die Unternehmensleitung ist
ausschließlich gegenüber den Aktionären verpflichtet, gegenüber welchen sie
umfangreiche Sorgfalts- und Rechenschaftspflichten zu erfüllen hat. Um diese
bestmöglich wahrzunehmen, darf die Unternehmensleitung nicht mit sozialer
Verantwortung überfrachtet werden.
47
Dies bedeutet, dass die Lösung des klassischen
Agency-Konflikts wichtiger ist als die Berücksichtigung der Interessen der Stakeholder,
deren Ansprüche im Shareholder-System nicht als Bestandteil der Corporate
Governance-Problematik aufgefasst werden.
48
Zur Implementierung einer am
Shareholder-Value ausgerichteten Unternehmensführung hat das Management sich
42
Streng genommen zählen auch Großbritannien, Australien, Kanada und Neuseeland zu den angel-
sächsisch geprägten Staaten. Im Folgenden wird nur das US-amerikanische Corporate Governance-
System exemplarisch für alle Shareholder-Systeme näher betrachtet. Vgl. Früh (1999), S. 37.
43
Vgl. CEPS (1995), S. 6.
44
Berrar (2001), S. 38.
45
Vgl. Witt (2002), S. 51, Born (2001), S. 17f..
46
Der Shareholder Value wird auch als Marktwert des Eigenkapitals bezeichnet, welcher sich aus der
Differenz zwischen dem Unternehmenswert und dem Marktwert des Fremdkapitals berechnen lässt.
Während der Marktwert des Fremdkapitals aus der Bilanz entnommen werden kann, besteht der
Unternehmenswert aus dem Gegenwartswert der betrieblichen Cash-flows, dem Residualwert und dem
Marktwert von börsenfähigen Wertpapieren. Vgl. Rappaport (1995), S. 53f..
47
Berrar (2001), S. 27.
15
48
Vgl. Witt (2002), S. 46.

primär an wachstumswirksamen Größen zu orientieren. Zur Umsetzung des
Shareholder-Value-Konzepts nennt zum Beispiel Rappaport fünf operative Werttreiber,
mit denen das Management den Cash Flow steuern kann.
49
Andere Konzepte weisen
eine stärkere Orientierung am Eigenkapital auf, wie beispielsweise das Konzept des
Economic Value Added (EVA) von Stewart.
50
2.3.1.2. Aktionärsstruktur
Die Aktionärsstruktur in den Vereinigten Staaten ist im Gegensatz zum Stakeholder-
System stark fragmentiert (vgl. Tabelle 1). Die privaten Haushalte stellen mit 36,4% die
größte Gruppe der Anteilseigner dar, gefolgt von den Pensionsfonds, die 31,3% des
Aktienvermögens besitzen. Die kumulierten Anteile aller institutionellen Investoren
51
belaufen sich in den USA auf 44,3%. Im Vergleich zu Deutschland sind US-
amerikanische institutionelle Investoren umfangreich am Aktienvermögen beteiligt.
Von zentraler Bedeutung ist weiterhin, dass die Banken aufgrund des US-
amerikanischen Trennbankensystems
52
mit nur 0,2% am Aktienvermögen beteiligt sind,
während deutsche Banken über umfangreiche Industriebeteiligungen verfügen.
USA
Japan
Deutschland Frankreich
Großbritannien
Private Haushalte
36,4
22,2
14,6
19,4
29,6
Unternehmen
15,0
31,2
42,1
58,0
4,1
Öffentliche Haushalte
0,0
0,5
4,3
3,4
0,2
Nichtfinanzielle Sektoren
51,4
53,9
61,0
80,8
33,9
Banken 0,2
13,3
10,3
4,0
2,3
Versicherungen/Pensionsfonds 31,3
10,8
12,4
1,9
39,7
Investmentfonds 13,0
11,7
7,6
2,1
10,4
Finanzielle Sektoren
44,5
35,8
30,3
8,0
52,4
Übrige Welt
4,1
10,3
8,7
11,2
13,7
Gesamt 100
100
100
100
100
Tabelle 1: Aktienbesitz im internationalen Vergleich (Angaben in %, Stand Ende 1995)
Quelle: DAI (2001), S. 08.6-4.
49
Zu den Werttreibern zählen Umsatzwachstum, Gewinnmarge, Nettoinvestitionen, Kapitalkosten und
Ertragssteuern. Vgl. Rappaport (1996), S. 53ff.
50
Der Economic Value Added ist definiert als NOPAT (net operating profit after tax) abzüglich der
Kapitalkosten. Vgl. Schneider (2001), S. 2509.
51
Zu diesen zählen Pensionsfonds, Versicherungen und Investmentfonds. Vgl. OECD (2000), S. 281.
16
52
Das Trennbankensystem wurde 1933 in den USA durch den Glass-Steagall Act eingeführt. Dieser
schreibt eine zwingende Trennung des Einlagen- und Kreditgeschäftes vom Wertpapiergeschäft vor. Vgl.
Früh (1999), S. 11.

2.3.1.3. One-Tier Modell
In den angelsächsischen Ländern dominiert das einstufige System der Unternehmens-
leitung, das sogenannte ,,one-tier board model", während in Kontinentaleuropa
­
insbesondere in Deutschland ­ das zweitstufige, dualistische Modell der
Unternehmensführung vorherrscht.
53
Abbildung 4 verdeutlicht die Unterschiede beider
Formen der Unternehmensführung. Im einstufigen System wird das Unternehmen durch
den Board of Directors geleitet. Zu diesem Gremium gehören die Mitglieder der aktiven
Geschäftsleitung (executive Directors) und die non-executive Directors, welche eine
Kontrollfunktion ausüben und nicht der aktiven Geschäftsführung angehören.
54
Die
non-executive Directors stammen im Normalfall von fremden Unternehmen, weshalb
sie auch als Outside-Directors bezeichnet werden. Die operative Geschäftsführung wird
vom Chief Executive Officer (CEO) wahrgenommen, der auch gleichzeitig Chairman of
the Board sein kann.
B
er
ich
tsp
flic
h
t
Shareholders´ Meeting
Outside
Directors
Inside
Directors
Treuhand-
funktion
Management
Funktionen
Wahl
One-Tier-Modell (USA)
K
on
tro
ll-
und
L
e
is
tu
ng
so
rg
a
n
Be
ri
ch
ts
p
fl
ic
h
t
Two-Tier-Modell (Deutschland)
Hauptver-
sammlung
Betriebs-
versammlung
Wahl
Wahl
Aufsichtsrat
Vorstand
K
ont
ro
llo
rg
a
n
Le
is
tu
ng
so
rg
a
n
Board of Directors
Abb. 4: Vergleich von Two-Tier und One-Tier-Modell
Quelle: In Anlehnung an Andersen (2001), S. 13.
Die Position des Chairman ist mit der Funktion des deutschen Aufsichtsratsvorsitzenden
vergleichbar.
55
Die Personalunion von CEO und Chairman of the Board führt zu einer
53
Vgl. Berrar (2001), S. 36.
54
Vgl. Witt (2002), S. 63.
17
55
Vgl. Andersen (2001), S. 13.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832471118
ISBN (Paperback)
9783838671116
DOI
10.3239/9783832471118
Dateigröße
950 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Münster – Wirtschaft
Erscheinungsdatum
2003 (August)
Note
1,0
Schlagworte
kapitalmarkt unternehmensführung finanzierung wirtschaftprüfung rechnungswesen
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