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Die Fontane-Rezeption in Günter Grass' Roman "Ein weites Feld"

©2000 Examensarbeit 141 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Mit der Hinwendung zum Romantext, als der angemessenen Grundlage für die Beurteilung des Buches, kommt automatisch die Frage nach der Fontane-Rezeption als dominantes Element des Romans auf. Alle textnahen Untersuchungen des Romans haben – im Gegensatz zu den meisten Literaturkritiken der Tagespresse – den intertextuellen Bezug auf Fontane als Kunstgriff und Funktionsträger für Grass´ Roman begriffen und bieten Interpretationsansätze an, die von der Fontane-Rezeption als Spezifik des Textes ausgehen.
Die vorliegende Zulassungsarbeit verfolgt gleichfalls das Ziel, der Fontane Rezeption in „Ein weites Feld“ auf den Grund zugehen. Dies wird in zwei Schritten erreicht. Zunächst wird hinterfragt, wie die Fontane-Rezeption des Romans beschaffen ist, d.h. was die Rezeptionsgrundlage genau ausmacht und auf welche Weise auf Fontanes Texte Bezug genommen wird. Dazu bedient sich die Arbeit der Zugangsmethoden aus der Intertextualitätstheorie, insbesondere von Manfred Pfister und Ulrich Broich.
Da sich Form und Funktion der Fontane Rezeption nicht trennen lassen, zeichnet sich im zweiten Schritt anhand dieser Analyse bereits ein Interpretationshorizont ab, der unter die Leitfrage gestellt wird, wohin die intertextuellen Bezüge zu Fontane in dem Roman von Günter Grass führen. Welche Intentionen verfolgt Grass damit? Wofür wird die Fontane-Rezeption im Roman funktionalisiert? Unter Einbeziehung poetologischer Aussagen und Stellungnahmen von Grass wird erkennbar, dass sich „Ein weites Feld“ in den Kontext von Grass´ Gesamtwerk einfügt.
Insgesamt möchte die Arbeit zeigen, dass die Fontane-Rezeption in „Ein weites Feld“ formal und inhaltlich für den Roman ein maßgebliches Gestaltungskriterium ist, eine Schlüsselfunktion für das Verständnis des Romans einnimmt und wesentlich zu seiner literarischen Qualität beiträgt.
Aus der Beurteilung der vorliegenden Zulassungsarbeit durch Prof. Dr. Wolfgang Frühwald, Institut für deutsche Philologie an der LMU München:
„Die vorliegende Zulassungsarbeit behandelt einen schwierigen und durch die politische Auseinandersetzung in Verruf gebrachten Text. Der Untersuchung werden gut ausgebaute Methoden der Intertextualität zu Grunde gelegt, um diesen weitgespannten Text zu erschließen, insbesondere die methodischen Ansätze von Pfister und Broich. Es wird gezeigt, wie Grass alle funktionellen Aspekte der Intertextualität nutzt, um einen Zeitroman zu schreiben, in dem die deutsche Geschichte von 1819 […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Die Fontane-Rezeption von Ein weites Feld im Spiegel der Literaturkritik - Entwicklung der Fragestellung
1.2 Zur Forschung

2. Rezeption und Intertextualität - Die Realisierung der Fontane-Rezeption im Romantext von Ein weites Feld
2.1 Intertextualität - Abriß über einen literaturwissenschaftlichen Diskurs
2.2 Die intertextuelle Intensität der Fontane-Rezeption in Ein weites Feld
2.2.1 Die Referentialität der Fontane-Rezeption
2.2.2 Die Dialogizität der Fontane-Rezeption
2.2.3 Die Kommunikativität der Fontane-Rezeption
2.2.4 Die Autoreflexivität der Fontane-Rezeption
2.2.5 Die Strukturalität der Fontane-Rezeption
2.2.6 Zur Selektivität und die Zusammenfassung zur intertextuellen Intensität der Fontane-Rezeption
2.3 Die Pluralität der Fontane-Rezeption
2.3.1 Fontys imaginierte Fontane-Perspektive
2.3.2 Die polyperspektivische Anlage der Fontane-Rezeption
2.3.3 Zusammenfassung zur Pluralität der Fontane-Rezeption
2.4 Die formale Integration der Fontane-Rezeption im Romantext
2.5 Intertextualität im Nebentext – Die Fontane-Rezeption im Titel des Romans
2.6 Zusammenfassung des 2. Kapitels

3. Funktionen und Intentionen der Fontane-Rezeption für Grass´ Roman Ein weites Feld
3.1 Unsterblichkeit - Die Fontane-Rezeption als Literatur belebendes Konzept?
3.1.1 Nuancen der Unsterblichkeit
3.1.2 Fonty und Fontane, „der Unsterbliche“
3.1.3 Die Problematik des Literatur belebenden Konzepts:
Literatur und ihre Wirkung
3.1.4 Erinnerung als fester Bestandteil von Unsterblichkeit
3.2 „Schreiben gegen die verstreichende Zeit“ – Geschichte und Politik, Zeitpanorama und Gesellschaftskritik
3.2.1 Die Gegenwart der Geschichte
3.2.2 Exkurs: Das Geschichtsbild bei Grass
3.2.3 Das Geschichtsbild in Ein weites Feld und die Fontane-Rezeption: die Sisyphosarbeit mahnender Geschichtserinnerung und die Idee der Kulturnation
3.2.4 Grass´ Kritik an der Wiedervereinigung und die Fontane-Rezeption in Ein weites Feld
3.2.5 Die Fontane-Rezeption zwischen politischer Lesart und literarischer Leistung des Romans
3.3 Die Fontane-Rezeption im Kontext von Grass´ Schreiben über Schuld und über die Rolle der DDR-Intellektuellen
3.3.1 Die Fontane-Rezeption als Mittel der Thematisierung von Menschlichkeit und Schuld in bezug auf die Wiedervereinigung
3.3.2 Die Fontane-Rezeption in Ein weites Feld und der deutsch-deutsche Literaturstreit um die Beurteilung der DDR-Autoren
3.4 Zusammenfassung des 3. Kapitels

4. Schlußbemerkung und Ausblick auf weiterführende Fragestellungen zur Fontane-Rezeption in Ein weites Feld

5. Bibliographie
5.1 Primärtexte
5.1.1 Günter Grass
5.1.2 Theodor Fontane
5.1.3 sonstige Primärtexte
5.2 Literatur zu Ein weites Feld
5.3 Literatur zu Günter Grass
5.4 Literatur zu Theodor Fontane
5.5 Literatur zur Intertextualität
5.6 Sonstige Literatur

1.Einleitung

1.1 Die Fontane-Rezeption von Ein weites Feld im Spiegel der Literaturkritik - Entwicklung der Fragestellung

Bis heute ist Grass´ elftes Prosawerk Ein weites Feld vor allem für den Literaturskandal bekannt, der um die Veröffentlichung des Romans im August 1995 entbrannt ist. Die Buchpräsentation in der Berliner Kulturbrauerei[1] war vom Steidl-Verlag ursprünglich für den 28. August 1995 geplant, sie entwickelt sich aber bereits im Vorfeld zu einer „Skandalgeschichte ohne ihresgleichen in der Literaturgeschichte“[2].

Eine erste Lesung aus dem Roman findet bereits am 25. April 1995, auf speziellen Wunsch des „Großkritikers“ Marcel Reich-Ranicki in Frankfurt statt[3]. „Auch Reich-Ranicki applaudierte“ titelt daraufhin am 26. April 1995 die dpa und kündigt das Buch als „Jahrhundert-Werk“ an[4]. Diese Formulierung übernimmt der Buchversand Zweitausendundeins zu Werbezwecken[5]. Günter Grass und sein Verleger Gerhard Steidl versuchen zwar, dies sofort zu unterbinden, dennoch wird ihnen im weiteren Verlauf der Debatte die Ankündigung des Buches als Jahrhundertroman immer wieder wahrheitswidrig als eigene Aussage angelastet.

Volker Neuhaus zufolge sei bereits seit Juli 1995 in Insider-Kreisen bekannt gewesen, daß Reich-Ranicki plane, Ein weites Feld zu verreißen[6]. Beginn und Höhepunkt der sich zur „Schlammschlacht“ ausweitenden Literaturkritik über Ein weites Feld liegen noch vor dem ursprünglich geplanten Veröffentlichungstermin des Romans. Die Ausgabe des Spiegels vom 21. August 1995 zeigt als Titelbild eine Fotomontage, auf der Reich-Ranicki Grass´ neuen Roman zerreißt[7]. Die Spiegelausgabe beinhaltet ferner Reich-Ranickis vernichtende Rezension, die er in der Form eines offenen Briefs direkt an Günter Grass richtet[8]. Drei Tage später, am 24. August 1995, sendet das ZDF Reich-Ranickis Literarisches Quartett, in dessen Rahmen Grass´ neuer Roman mehr „hingerichtet“ als besprochen wird[9].

„Die drei männlichen Teilnehmer, Marcel Reich-Ranicki, Helmuth Karasek und Gast Karl Corino, büßen ihr literaturkritisches Basiswissen ein, wenn sie konsequent Figurenrede mit den Ansichten des Autors verwechseln. Am allerwenigsten ist Reich-Ranickis naive Abbildungsästhetik Grass´ äußerst komplexen Werk gewachsen, (...)“[10]

Die Art und Weise der Kritik Reich-Ranickis und die Tatsache, daß noch kein Leser zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit hatte, sich einen eigenen Eindruck von dem Roman zu verschaffen, löst eine Welle der Sympathiebekundungen, besonders auch seitens der ausländischen Presse, gegenüber Grass aus[11]. Bei der auf den 4. September 1995 verschobenen Präsentation seines Buches, erfährt der Autor überwiegend positive Resonanz vom Publikum[12]. Die Literaturkritik der Feuilletons bleibt gespalten. Eine Auswertung der Rezensionen zeigt, daß 42 % der Artikel den Roman positiv bewerten, 12 % neutral bleiben und sich 46 % der Kritiker negativ über Ein weites Feld äußern[13]. Diese zahlenmäßige Ausgewogenheit kommt hauptsächlich durch die positive Aufnahme des Romans im Osten Deutschlands zustande, während die westlichen Zeitungen das Buch überwiegend negativ rezensieren[14].

Für Neuhaus stellt sich nach den Ereignissen des Sommers 1995 schließlich die Frage, womit Grass die „nahezu vollständige Verkennung“ seines Romans und die „derart geballte bornierte aggressive Ignoranz, so viel Vernichtungswillen von FAZ bis taz“ verdient habe[15]. Damit spricht Neuhaus zwei Aspekte an. Zum einen die Ursache für die feindliche Haltung gegenüber Grass. Darauf könnten Untersuchungen zum Image des „Markenbilds Grass“ eine Antwort geben[16] sowie der Hinweis auf Grass´ pessimistische Polemik gegenüber dem Verlauf des deutschen Wiedervereinigungsprozeß´ und die äußerst undiplomatischen und fragwürdigen Äußerungen des Autors in Zusammenhang mit dem Mord an dem ersten Leiter der Treuhandgesellschaft, Detlev Rohwedder[17]. Diese Bedingungen der Rezeption des Romans liegen aber außerhalb des thematischen Rahmens der vorliegenden Arbeit.

Der zweite von Neuhaus angesprochene Aspekt hingegen, die Verkennung der künstlerischen Leistung Grass´ bei der Beurteilung seines neuesten Romans durch die Literaturkritik, führt bereits einen Schritt weiter zum Thema der Untersuchung. Die Auseinandersetzungen um Grass´ Roman, die seit Beginn der Diskussion um das Buch die politischen Aspekte des Textes einseitig in den Vordergrund stellen, entwickeln sich seit August 1995 zunehmend zu einer Mediendebatte um die Literaturkritik selbst[18], während Grass immer wieder betont, er würde sich gerne über ein „literarisches Produkt namens Ein weites Feld unterhalten“[19].

Dieser Wunsch wurde Grass von der Literaturkritik nicht erfüllt. Mit der Fontane-Rezeption des Textes, wußten die meisten Rezensenten nichts anzufangen. So hält Reich-Ranicki Grass´ Rückgriff auf Fontane für einen „weiten Umweg“, der ihm einen Anlaß zu sarkastischen Bemerkungen über Grass´ Fähigkeiten als Schriftsteller bietet.

„Was soll das? Wollten Sie uns etwa beweisen, daß Sie es nicht besser machen als Fontane? Da hatten wir ohnehin keine Zweifel.“[20]

Daß es die Eigenart des Romans ist, dem Leser beständig Collagen aus Fontanezitaten und Grass-Text vorzuführen, wird von den Literaturkritikern zwar in der Regel erkannt, dennoch erscheint nicht nur für Reinhard Tschapke „rätselhaft, was Grass mit Fontane vorhatte“[21]. Grass´ Zitiertechnik, alte und neue Texte wie Palimpseste kunstvoll übereinander zu legen, wird als „grobe Montage“ und simples Plagiat leichtfertig abgetan[22]. Dabei stellt sich nicht selten heraus, daß den Rezensionen eine äußerst mangelhafte Textkenntnis zugrunde lag, sowohl Grass´ Roman Ein weites Feld als auch Fontanes Texte betreffend[23]. Die im Vordergrund der Besprechungen stehenden politischen Aspekte des Buches, Grass´ Image und die häufig offenbar nur flüchtige Lektüre des Romans verstellen der um sich selbst kreisenden Literaturkritik im Sommer 1995 den Blick auf den Text[24].

Dem Wunsch des Autors, sich über Ein weites Feld als ein Stück erzählender Prosa zu unterhalten, kommen die Verfasser literaturwissenschaftlich orientierter Aufsätze nach, beispielsweise Manfred Misch, der sich von einer ihren Zweck verfehlenden Literaturkritik abgrenzt:

„Zahlreiche Rezensenten interessieren sich weniger für das „Weite Feld“ als für sein politisches Umfeld – sehr zum Schaden der Literaturkritik, die, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ihrer Aufgabe, das Publikum über ein literarisches Werk zu informieren, aufzuklären, auf unterhaltsame Weise zu belehren, nur schwundstufig oder gar nicht gerecht wurde.“[25]

Mit der Hinwendung zum Romantext, als der angemessenen Grundlage für die Beurteilung des Buches, kommt automatisch die Frage nach der Fontane-Rezeption als dominantes Element des Romans auf. Alle textnahen Untersuchungen des Romans[26] haben – im Gegensatz zu den meisten Literaturkritiken der Tagespresse - den intertextuellen Bezug auf Fontane als Kunstgriff und Funktionsträger für Grass´ Roman erkannt und bieten Interpretationsansätze an, die von der Fontane-Rezeption als Spezifik des Textes ausgehen.

Die vorliegende Arbeit hat es sich gleichfalls zum Ziel gemacht, der Fontane-Rezeption als der hervorstechenden Eigenart des Romans auf den Grund zu gehen. Dies soll in zwei Schritten erreicht werden. Zunächst wird im Kapitel 2 hinterfragt, wie die Fontane-Rezeption des Romans beschaffen ist. In diesem Teil wird untersucht, was die Rezeptionsgrundlage ausmacht und wie Fontane rezipiert wird. Welche Texte oder Aspekte, Fontane betreffend, werden in Ein weites Feld aufgenommen? Wie ist die Rezeption im Text gestaltet, welche Formen und Ausprägungen nimmt sie an? Da diese Fragen bislang nicht am Text des Romans untersucht worden sind, wird für die Beschreibung der Rezeption Fontanes in Grass´ Text auf Erklärungsansätze und Zugangsmethoden aus der Intertextualitätstheorie, insbesondere auf Ansätze von Manfred Pfister und Ulrich Broich zurückgegriffen.

Da sich Form und Funktion der Fonane-Rezeption, wie zu zeigen sein wird, nicht trennen lassen, zeichnet sich im 2. Kapitel bereits ein Interpretationshorizont ab, auf den dann das 3. Kapitel eingeht. Hier wird der zweite Schritt der Untersuchung der Fontane-Rezeption unternommen, der unter der Leitfrage steht, wohin die intertextuellen Bezüge zu Fontane in dem Roman führen. Welche Intentionen verfolgt Grass damit? Wofür wird die Fontane-Rezeption im Roman funktionalisiert? Unter Einbeziehung poetologischer Aussagen und Stellungnahmen von Grass wird erkennbar, daß sich Ein weites Feld in den Kontext von Grass´ Gesamtwerk einfügt.

Insgesamt möchte die Arbeit zeigen, daß die Fontane-Rezeption in Ein weites Feld formal und inhaltlich für den Roman ein maßgebliches Gestaltungskriterium ist, eine Schlüsselfunktion für das Verständnis des Romans einnimmt und wesentlich zu seiner literarischen Qualität beiträgt.

1.2 Zur Forschung

Grass´ jüngster Roman Ein weites Feld ist von der Germanistik bislang noch nicht intensiv untersucht worden. Die vorliegende Arbeit stützt sich daher hauptsächlich auf Aufsatzliteratur, die zum großen Teil 1996 - zum Ausklang des Literaturstreits um Grass´ Buch - veröffentlicht worden ist[27]. Obwohl Grass selbst den Eindruck hat, Ein weites Feld sei wie keines seiner Bücher zuvor sehr unmittelbar von der Germanistik und von Lehrern für den Literaturunterricht in den Schulen aufgegriffen worden[28], zeigen die bibliographischen Recherchen, daß es seit 1997 um den Roman ruhig geworden ist. Möglicherweise bedarf es einer noch größeren zeitlichen Distanz, damit Grass´ Wenderoman (wieder-) entdeckt werden kann. Die enorme Anerkennung seines schriftstellerischen Werks, die Grass 1999 durch die Verleihung des Literaturnobelpreises erfuhr, vermag vielleicht das Interesse auf dieses wenig erforschte Feld in Grass´ Gesamtwerk zu lenken.

Die Interpretationsansätze, die in der vorliegenden Aufsatzliteratur zum Roman Ein weites Feld angeboten werden, basieren auf der Fontane-Rezeption als entscheidendes Merkmal des Textes. Von der Fontane-Rezeption ausgehend, werden einzelne Aspekte des Romans herausgegriffen und fokusiert: beispielsweise die Thematik intellektueller Verantwortung und Schuld[29], der Aspekt des Alterns und Sterbens[30], Grass´ Manierismus und die Fortführung der Tradition des Pikaroromans[31], der Titel des Romans[32], die Zeit-, Gesellschafts- oder Politik-Kritik[33] oder die Überprüfung von Argumenten der Literaturkritik am Text[34]. Die Vielfalt der Aspekte spiegelt die Komplexität des Romans und die daraus resultierenden, mannigfachen Lesarten des Textes.

Hinsichtlich des Autors Günter Grass werden ferner seine Reden, Essays, Interviews und Kommentare, besonders die seit 1990, zur Bearbeitung des Themas herangezogen sowie die 1999 zusammen mit Harro Zimmermann herausgegebenen Werkstatt­gespräche Vom Abenteuer der Aufklärung[35] als aktuellste Formulierung seiner poetischen Grundsätze . Darüber hinaus sind Aufsätze und einzelne Kapitel aus älteren Monographien zu speziellen Bereichen des Erzählens, des Geschichtsbilds oder der Gesinnungsästhetik bei Grass auch für die Betrachtung der Fontane-Rezeption in Ein weites Feld von Nutzen[36].

In bezug auf die sehr umfangreiche Forschungsliteratur, die zu Leben und Werk Theodor Fontanes existiert, wird für die vorliegende Arbeit hauptsächlich auf Biographien zurückgegriffen. Insbesondere sind hier die Fontane Biographien von Hans-Heinrich Reuter, Helmut Nürnberger, Hugo Aust und Edda Ziegler[37] zu nennen. Daneben sind vor allem Heinz Arnolds Text und Kritik -Band Theodor Fontane[38] sowie die 1998 erschienene Monographie von Norbert Mecklenburg über die Redevielfalt und Vielstimmigkeit im Werk Fontanes[39] für die Betrachtung stilistischer Korrelationen der Fontane-Rezeption in Ein weites Feld mit den Originaltexten interessant.

Zur Beschreibung der Rezeption Fontanes im Romantext von Grass bieten Intertextualitätskonzepte Zugangsmethoden und Kategorien[40]. Hierbei wird vor allem auf die relativ pragmatischen Ansätze von Ulrich Broich und Manfred Pfister zurückgegriffen, die sich für eine konkrete Textanalyse gut umsetzen lassen[41].

2. Rezeption und Intertextualität - Die Realisierung der Fontane-Rezeption im Romantext von Ein weites Feld

Der Begriff Rezeption wird in der Literaturwissenschaft zumeist in Zusammenhang mit der Rezeptionsästhetik definiert. In diesem Kontext bezeichnet Rezeption vornehmlich die Wirkung eines Textes oder eines Autors beim einzelnen Leser bzw. bei soziologisch oder historisch spezifizierten Lesergruppen[42]. Für die vorliegende Untersuchung allerdings, die ihr Hauptaugenmerk nicht auf das Leser-Text Verhältnis, sondern auf die Beziehung zwischen Texten legt, ist diese Definition von Rezeption, in ihrer Ausrichtung auf den Leser, ungeeignet. Die Definition von Rezeption soll daher im folgenden von der lateinischen Semantik des Begriffs ausgehen (lat. recipere = aufnehmen) und zunächst allgemein als Aufnahme eines Textes oder Werks in einem anderen Text verstanden werden. Rezeption wird hier also in einem intertextuellen Sinn verwendet, als Bezeichnung für das Aufgreifen und die Thematisierung eines oder mehrerer primärer Texte in einem anderen, so gesehen sekundären Text. Dabei wird mit der Klassifikation in primär und sekundär aber keine hierarchische Wertung eingebracht, sondern lediglich auf die Rezeptionsperspektive zwischen den Texten verwiesen, die im vorliegenden Fall die Eigenschaft der Fontane-Texte als Primär- oder Prätexte[43] für Grass´ Roman aufzeigt, in welchem diese Primärtexte neue künstlerische Aufnahme und Gestaltung finden.

Eine so verstandene Rezeption von Fontanes Texten in Grass´ Roman Ein weites Feld kann durch Begriffe aus dem Intertextualitätsdiskurs näher beschrieben, kategorisiert und systematisiert werden. Das folgende Kapitel 2.1 wird deshalb einen knappen Überblick über den Intertextualitätsdiskurs geben und zeigen, warum Intertextualität für die vorliegende Arbeit in einer eher pragmatischen Weise als Oberbegriff für die konkrete Gestaltung der Text-Text-Beziehung verstanden wird. Da die Fontane-Rezeption die herausstechende Eigenart des Romans Ein weites Feld ist und ihm seine spezielle Prägung gibt, stellt sich ferner die Frage, wie diese Aufnahme von Fontane-Texten in Grass´ Roman erfolgt. Daher wird in den Kapiteln 2.2 bis 2.6 versucht, eine Bestandsaufnahme der intertextuellen Spezifika der Fontane-Rezeption in Ein weites Feld zu erstellen.

2.1 Intertextualität - Abriß über einen literaturwissenschaftlichen Diskurs

Es ist kein grundsätzlich neues Verfahren, daß sich Texte auf andere Texte beziehen, sondern als literarisches Prinzip so alt wie die Literatur selbst. Eine literatur-wissenschaftliche Kontroverse[44] um dieses Phänomen entzündete sich jedoch in den 1960er Jahren, ausgelöst von Julia Kristevas Intertextualitätskonzept, das sie durch Umdeutung und Erweiterung von Michail Bachtins Ausführungen zur Dialogizität von Texten entwickelte[45]. Unter den zahlreichen Intertextualitätsmodellen, die infolge dieser kontroversen Auseinandersetzungen entstanden sind, lassen sich zwei Grundkonzeptionen unterscheiden[46]. Als Maßstab dieser Grobeinteilung eignet sich die „Gretchenfrage“ der Intertextualitätsdebatte: Was ist ein Text?

Anhand dieser Frage soll die erste der beiden Grundkonzeptionen exemplarisch an Kristevas Intertextualitätstheorie aufgezeigt werden[47]. In Kristevas poststrukturalistischem Konzept werden alle semantischen sprachlichen und außersprachlichen Strukturen unserer Welt unter dem Textbegriff subsumiert, so daß sich unsere Welt, ihre Geschichte und ihre Kulturen als ein Universum von Texten bzw. als ein globaler Prätext darstellt. Da ferner jeder Text per se in Zusammenhang mit diesem globalen Textuniversum entsteht und als Reaktion auf vorangegangene Texte gesehen wird, setzt sich jeder Text aus einem Zitatmosaik zusammen. Diese radikale Ausweitung des Textbegriffes hat zur Folge, daß Intertextualität als eine Eigenschaft von Textualität an sich verstanden und von Kristeva daher nicht als Spezifik bestimmter Texte angesehen wird. Wo sollte eine konkrete Analyse ansetzen, wenn Intertextualität ein generelles Merkmal von Texten ist und sich zudem auf einen Prätext bezieht, der allumfassend ist und dadurch unspezifisch bleibt?

„Der erweiterte Textbegriff Kristevas besagt, daß Texte Symbolstrukturen sind; Symbolstrukturen aber verweisen nicht etwa auf wirkliche Dinge, sondern auf andere Symbole und Symbolstrukturen. In der Konsequenz ist es unmöglich, Texte zu individuieren; kein Text ist verständlich ohne das Universum der Texte, das man Kultur nennt.“[48]

Die Problematik dieses globalen Textverständnisses liegt demzufolge zum einen darin, daß sich aufgrund der abstrakten und undifferenzierten Universalität dieser Grundannahme keine Möglichkeiten für konkrete Textanalysen entwickeln lassen[49]. Zum anderen ist die Konsequenz aus diesem entgrenzten Textverständnis, daß der empirische Autor und die Individualität des Werkes nurmehr als Ausschnitt eines universalen und kollektiven Textes angesehen und somit irrelevant werden[50]. Die Besonderheit literarischer Sprache liegt im Rahmen dieses weiten Konzepts dann nur noch darin, daß Literatur die universalen intertextuellen Zusammenhänge ästhetisch verdichtet[51].

Dieser Vorstellung eines weiten Textbegriffs steht als extreme Gegenposition der zweite Typ intertextueller Konzeptionen gegenüber. Hierbei wird das Textverständnis auf sprachliche Zeichensysteme[52] oder sogar auf literarische Texte[53] eingegrenzt. Intertextualität wird als besondere Eigenschaft bestimmter Texte bewertet und als spezifisches literarisches Verfahren zum Bedeutungsaufbau dieser Texte angesehen[54]. So kann Intertextualität als Oberbegriff für verschiedene Formen konkreter Bezüge zwischen Texten verstanden werden.

„(...) Intertextualität [wird] zum Oberbegriff für jene Verfahren eines mehr oder weniger bewußten und im Text selbst auch in irgendeiner Weise greifbaren Bezugs auf einzelne Prätexte, Gruppen von Prätexten oder diesen zugrundeliegende Codes und Sinnsystemen, wie sie die Literaturwissenschaft unter Begriffen wie Quellen und Einfluß, Zitat und Anspielung, Parodie und Travestie, Imitation, Übersetzung und Adaption bisher schon behandelt hat und wie sie nun innerhalb des neuen systematischen Rahmens prägnanter und stringenter definiert und kategorisiert werden sollen.“[55]

Solche Ansätze, die auf einem engeren Intertextualitätskonzept basieren und sich folglich um größere terminologische Prägnanz bemühen, fallen in ihren Systematisierungsschwerpunkten und Kategorienbildungen insgesamt aber wiederum heterogen aus[56]. Ohne diese Vielfalt hier auszubreiten, kann zumindest festgehalten werden, daß auf der Basis eines begrenzten Textbegriffs konkrete Analysen intertextueller Beziehungen zwischen Prätext und Text möglich werden, weil – im Gegensatz zu Kristevas Konzept – der Prätext identifizierbar ist und intertextuelle Referenzen nicht allgemeines Merkmal, sondern auffindbare Besonderheiten im Text sind. Daher werden die meisten Arbeiten, die solche Bezüge an Beispieltexten dinghaft machen möchten, von diesem engeren Intertextualitätskonzept dominiert[57], dem sich auch die vorliegende Arbeit anschließt. Zu den verschiedenen theoretischen Vorstößen im Rahmen des engeren Intertextualitätsbegriffs, die um terminologische Definitionen bemüht sind, zählt unter anderem Gérard Genettes Ansatz, der auch Bezüge auf Textsysteme wie beispielsweise die Parodie einer Gattungen in der Unterkategorie „Archetextualität“ in sein intertextuelles Konzept einschließt. Andere Theoretiker hingegen bezeichnen solche Relationen als Systemreferenz und wollen nur Bezüge zwischen Einzeltexten als Intertextualität gelten lassen[58]. Dabei geht mit zunehmender Verengung der Definition von Intertextualität allerdings die Gefahr einher, daß wirkungsgeschichtliche Textuntersuchungen, wie sie bisher bereits üblich waren, lediglich unter einem neuen terminus technicus fortgeführt werden[59].

Eine weitere Möglichkeit, den Begriff der Intertextualität operationalisierbar zu machen, schlägt Laurent Jenny vor, indem er von unterschiedlichen Intensitätsgraden der intertextuellen Bezüge ausgeht und die Frage nach dem jeweiligen Ausmaß der Intertextualität in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt[60]. Demzufolge liegt eine schwache Intertextualität vor, wenn die Bezüge eines Textes zu einem Prätext nur in punktuellen Zitaten oder vereinzelten Anspielungen bestehen. Je vielfältiger und dichter sich die intertextuellen Zusammenhänge zum Prätext gestalten, desto höher ist die graduelle Intensität der Intertextualität einzuschätzen. Pfister unternimmt den Versuch, in diesem Sinn Kriterien aufzustellen, anhand derer dem Stellenwert von Intertextualität in einem Text strukturiert nachgegangen werden kann[61]. Diese Skalierungskriterien sind eine Hilfestellung, um zu hinterfragen, welche Rolle die intertextuellen Zusammenhänge für einen Text spielen, ob sie eher beiläufig und vereinzelt einfließen oder zu einem umfassenden, tragenden Moment des Textes gestaltet sind. Im Kapitel 2.2 wird mit Hilfe dieser Kriterien erfragt, wie intensiv die intertextuellen Relationen zwischen Fontanes Texten und Grass´ Roman Ein weites Feld angelegt sind.

Zum Abschluß dieser kurz gehaltenen Ausführungen über den Intertextualitätsdiskurs wird für die vorliegende Arbeit folgendes zusammengefaßt: Intertextualität wird im weiteren Verlauf der Analyse im Rahmen eines eher engen, pragmatisch-heuristischen Konzepts verstanden, als Oberbegriff für die konkrete Gestaltung der Fontane-Rezeption in Ein weites Feld. Die Bezüge in Grass´ Roman auf Fontanes Werk werden als künstlerische Besonderheit von Ein weites Feld angesehen, der ein bewußter und absichtsvoller Einsatz von Intertextualität durch Grass, als literarisches Verfahren zur Anreicherung des Romantextes mit zusätzlichen Bedeutungsgehalten, zugrunde liegt[62].

Daß eine von Grass intendierte intertextuelle Beziehung zwischen Ein weites Feld und Fontanes Werk angenommen wird, die für das Verständnis des Romans von Bedeutung ist und daher grundsätzlich vom Leser erkannt werden soll, wirft die Frage auf, wie die Intertextualität in Ein weites Feld konzipiert ist, d.h. in welcher Vielfältigkeit und Vielgestaltigkeit Texte und Aspekte Fontane betreffend rezipiert werden (Kapitel 2.3), wie die Fontane-Texte in den Roman integriert sind und welche intertextuellen Markierungen darüber hinaus auf die Fontane-Rezeption des Romans verweisen (Kapitel 2.4). Das letzte Unterkapitel, das sich mit der Umsetzung der Fontane-Rezeption bei Grass auseinandersetzt, behandelt schließlich die intertextuelle Referenz im Titel des Romans, als Sonderfall von Intertextualität im Nebentext (Kapitel 2.5).

2.2 Die intertextuelle Intensität der Fontane-Rezeption in Ein weites Feld

Pfister setzt sechs qualitative Kriterien an, um den Intensitätsgrad intertextueller Relationen zu beschreiben[63]. Dabei besteht nicht der Anspruch, durch die Anwendung dieser Kriterien eine exakte Meßbarkeit von Intertextualität zu erreichen, da es unmöglich ist, die einzelnen Kriterien logisch hierarchisch zu gewichten. Pfister versteht sie als „(...) heuristische Konstrukte zur typologischen Differenzierung unterschiedlicher intertextueller Bezüge“[64]. Die Kriterien dienen somit dazu, funktionelle Aspekte der Intertextualität zu differenzieren. Sie geben ferner Auskunft über die verschieden starke Ausprägung dieser typischen Funktionen der Intertextualität in einem Text.

2.2.1 Die Referentialität der Fontane-Rezeption

Das erste Kriterium bezeichnet Pfister als Referentialität. Es fragt danach, ob in einem Text Wendungen aus dem Prätext so übernommen wurden, daß sie sich übergangslos und in gleicher Bedeutung in den neuen Kontext einfügen, oder ob der ursprüngliche Zusammenhang der Wendung im Prätext in dem neuen Text thematisiert wird. Wird die Wendung beispielsweise als Zitat oder Anspielung sinngleich und ohne Markierung aus dem Prätext übernommen, so liegt eine geringe Referentialität vor. Diese wird gesteigert, je deutlicher die Übernahme als Zitat gekennzeichnet ist und je stärker der Text auf die Zusammenhänge des Zitats oder der Anspielung im Prätext verweist, diese darlegt und dadurch auf sie „referenziert“. Zwei Beispiele aus Ein weites Feld werden nun exemplarisch auf die Referentialität der intertextuellen Bezüge in diesem Roman hin untersucht.

Das erste Beispiel entstammt einem Dialog zwischen Fonty und seinem „Tagundnachtschatten“ (EwF S. 11) Hoftaller und dreht sich um Fontys Unlust seinen siebzigsten Geburtstag zu feiern, wozu Hoftaller ihn gezwungen hat. Fonty begründet diese Unlust durch einen Rückblick auf Fontanes siebzigsten Geburtstag, insbesondere auf die damals von der Vossischen Zeitung organisierte Geburtstagsfeier[65]. Die übergeordneten Kontexte – zwei siebzigste Geburtstage und die jeweilige Feierlichkeiten – entsprechen sich. Darin ist als Zitat eine Briefstelle eingebettet, die sich auf eine Haltung Emilie Fontanes gegenüber Theodor Fontane bezieht:

„»(...) Blamabel das Ganze! Hätte die Einladung ausschlagen sollen, als Stephany, freundlich wie immer, anfragte. Hätte nein und danke bestens sagen sollen, wie meine Emilie, aber auch Mete, die nicht dabei waren, angeblich fehlender Garderobe wegen, wohl eher doch, weil meine liebe Frau wieder mal in Sorge war, ich könne mich in vornehmer Gesellschaft nicht recht benehmen und womöglich Unschickliches sagen, so daß man sich hätte genieren müssen. Schrieb deshalb an Stephany zurück: >Muß ich Ihnen die Weiber schildern? Meine sind in einer Todesangst, daß ich mich blamieren könnte. Jede Frau wird diese Angst nie los; es muß wohl an uns liegen...< «. Fonty starrte auf die leergefutterten Schachteln, als läge in deren Mitte noch immer das einsame Radieschen vom 4. Januar 1890.“ (EwF S. 41)

Die ursprüngliche Aussage des zitierten Fontane-Briefs an Stephany[66] entspricht an dieser Stelle dem Kontext des Romans: Fontys Frau Emilie Wuttke teilt mit ihrer historischen Vorgängerin Emilie Fontane das Benehmen ihrer Ehemänner in der Öffentlichkeit betreffend die selben Ängste (auch EwF S. 280). Es scheint daher zunächst so, als sei die Referentialität dieses Beispiels gering, da sich der ursprüngliche Zusammenhang (Emilie Fontanes Haltung Theodor Fontanes gegenüber) in den neuen Kontext (Emmi Wuttkes Haltung Fonty gegenüber) nahtlos einfügt. Allerdings ist die Briefstelle als Zitat ausgewiesen, wodurch deutlich angezeigt wird, daß diese Wendung nicht nur übernommen ist, sondern aus einem fremden Kontext stammt, dessen Zusammenhang von Fonty dargelegt d.h. thematisiert wird. Demzufolge wird das Briefzitat nicht bloß übernommen, sondern es wird darauf auch verwiesen. Die Fremdheit der Wendung ist markiert, wodurch gezielt auf ihren Originalzusammenhang (die Ehe der Fontanes) referenziert wird.

Was aber wird durch dieses Zitat thematisiert? Welche Funktion erfüllt diese Referentialität? Die Thematisierung des Prätextes besteht, außer in der Darlegung des Zusammenhangs durch Fonty, auch darin, daß eben dieses nahtlose Einpassen der zitierten Briefstelle in den neuen Kontext durch den Zitatcharakter besondere Hervorhebung findet. Die genaue Entsprechung der Kontexte des Prätextes und des Romans Ein weites Feld wird mittels einer durch Markierung auffällig gemachten Referenz herausgestellt und explizit betont. Der zugrundeliegende Zweck ist die möglichst enge Parallelführung der Figur Fonty zu Fontane. Sie macht Grass´ Romanpersonal zu glaubwürdigen Wiedergängern ihrer historischen Vorbilder, welche sich aus Fontane-Texten, beispielsweise durch Briefe, konstituieren. Das Zitat als ausdrückliche Referenz auf einen Prätext, der Fontys Kontext „Ehefrau hat Angst vor Blamage“ entspricht, thematisiert und betont die Gleichheit der Kontexte und verleiht dadurch der Figur Fonty, in bezug auf seine Rolle als Wiedergänger Fontanes, Authentizität. Die intertextuelle Referentialität leistet an dieser Stelle durch den gezielten Hinweis auf die Entsprechungen zwischen original Fontane-Kontexten und dem Romankontext einen wichtigen Beitrag für die Figurencharakterisierung in Ein weites Feld. Daher ist die Referentialität dieser für den gesamten Roman zwar nur exemplarischen, aber durchaus repräsentativen Stelle bei genauerer Betrachtung als hoch einzuschätzen.

Ein zweites Beispiel belegt gleichfalls die hohe Referentialität der intertextuellen Bezüge in Ein weites Feld. Im Unterschied zum ersten Beispiel wird diesmal aber ein Dissens zwischen Romankontext und dem Prätext thematisiert. Die folgende Stelle aus Ein weites Feld beschreibt Fontys Fontane-Rezeption auf einem Sonntagsspaziergang mit Hoftaller im Dezember 1989:

„Und hier, in Sonntagsstimmung gebettet, umgeben von Schaulustigen, unter denen Jugendliche mehr bierselig als aggressiv »Macht das Tor auf!« brüllten, damals, zur Zeit der steilen Hoffnungen und Runden Tische, der großen Worte und kleinstriezigen Bedenken, zur Stunde der abgesägten Bonzen und schnellen ersten Geschäfte, an einem windstill klaren Dezembertag des Jahres 89, als das Wort »Einheit« mehr und mehr an Kurswert gewann, sagte Fonty plötzlich laut und von Hoftaller nicht zu dämpfen, jenes lange Gedicht mit dem Titel »Einzug« auf, das am 16. Juni 1871 im Berliner Fremden- und Anzeigenblatt pünktlich zum Anlaß gedruckt gestanden hatte und dessen Reime das siegreiche Ende des Krieges gegen Frankreich sowie die Reichsgründung und die Krönung des preußischen Königs zum Kaiser der Deutschen feierte, indem sie strophenreich alle heimkehrenden Regimenter, die Garde voran, zur Parade führten - »Mit ihnen kommen, geschlossen, gekoppelt, die Säbel in Händen, den Ruhm gedoppelt, die hellblauen Reiter von Mars la Tour, aber an Zahl die Hälfte nur...« - und durchs Brandenburger Tor, dann die Prachtstraße Unter den Linden hoch im Gleichschritt marschieren ließen: »Bunt gewürfelt Preußen, Hessen, Bayern und Baden nicht zu vergessen, Sachsen, Schwaben, Jäger, Schützen, Pickelhauben und Helme und Mützen...« Das geschah zum wiederholten Mal, denn nach den preußischen Siegen über Dänemark und Österreich, den ersten Einheitskriegen, war es gleichfalls zur Parade und zu gereimten Einzugsgedichten gekommen; ein Huldigungseifer, den Fonty mit der ersten Strophe den Schaulustigen vor dem gesperrten Tor in Erinnerung gerufen hatte (...)“
(EwF S. 19-20)

Die Referentialität des intertextuellen Bezugs auf Fontanes Gedicht Einzug[67] ist in der ausgewählten Stelle hoch. Dafür spricht bereits, daß die Herkunft der zitierten Verse markiert ist. Wie aber wird der Prätext in seinem originalen Zusammenhang an dieser Stelle thematisiert? Zunächst wird eine historische Parallele zwischen der Zeit des Romangeschehens und der Entstehungszeit des Fontane-Gedichts gezogen. Dabei wird der Zeitraum der Wiedervereinigung Deutschlands 1989/90 als „Zeit der steilen Hoffnungen (...), der großen Worte und kleinstriezigen Bedenken, (...) der abgesägten Bonzen und ersten schnellen Geschäfte (...)“ (EwF S. 19) charakterisiert und mit der politischen Situation zur Reichsgründung von 1870/71 und der wirtschaftlichen Stimmung der Gründerzeit in eine Ähnlichkeitsbeziehung gebracht. Fontanes Gedicht Einzug wird vor dem geschichtlichen Hintergrund der ersten nationalen Vereinigung Deutschlands rezipiert, als Gedicht mit politischem Gehalt, das „pünktlich zum Anlaß“ (EwF S. 19) einer durch drei Kriege herbeigeführten deutschen Einheit veröffentlicht wurde.

Der intertextuelle Bezug referenziert auf die politische Aussage des Gedichts. In seinen Einzug -Versen feierte Fontane den deutschen Militarismus unter preußischer Führung[68]. Es ist diese von Fontane lyrisch formulierte Glorifizierung siegreicher deutscher und besonders preußischer Truppen, die Fonty als „Huldigungseifer“ (EwF S. 20) durch das Rezipieren des Gedichts Einzug in Erinnerung ruft. Die Situation dieses Erinnerns ist das Jahr 1989, der Ort das Brandenburger Tor, durch das zu Fontanes Lebzeiten die deutsche Siegesparade von 1871 zog, 1945 aber die rote Armee. Zeitlicher Rahmen und Ort des Erinnerns bilden den neuen Kontext, in dessen Zusammenhang der Prätext installiert wird. Die deutsche Einheit von 1989/90, mit ihren räumlichen und strukturellen Anknüpfungspunkten für eine historische Parallele einerseits, erfordert also andererseits, daß in ihrem Zusammenhang die geschichtlichen Implikationen der Zeit zwischen 1870/71 und 1989/90 mitgedacht werden: der Erste Weltkrieg, die gescheiterte Weimarer Republik, die nationalsozialistische Diktatur, der Zweite Weltkrieg und der Holocaust sowie vierzig Jahre DDR-Regime und deutsche Zweistaatlichkeit.

Wenn Fonty also 1989 Fontanes Gloriengedicht auf den Militarismus rezipiert, dann wird dessen ursprüngliche Aussage im Roman Ein weites Feld durch Fonty konterkariert. Der Kontext des Prätextes, das Zeugnis damals ernst gemeinter Preußenbegeisterung Fontanes 1870/71[69], gerät im neuen Kontext zur Warnung vor Wiederholung der Geschichte und wird in Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands vor dem Hintergrund der verheerenden geschichtlichen Folgen des deutschen Imperialismus und Faschismus ad absurdum geführt, in das Gegenteil der ursprünglichen Aussage verkehrt (vormals Verherrlichung preußischer Siege, jetzt Abschreckung durch Erinnerung an die Folgen preußischer Militärmacht) und als Mahnung durch Literaturgeschichte von Fonty in Erinnerung gerufen[70].

Anders als das erste Beispiel zur Referentialität, das die Übereinstimmung des Romankontextes mit dem Prätext zur Charakterisierung der Figuren besonders hervorhob, wird beim zweiten Beispiel zur Referentialität in Ein weites Feld der Verweis auf den Prätext kontrastiv zum Romankontext eingesetzt. Im Verweis auf den Prätext wird dieser thematisiert oder problematisiert.

„Durchgehend dienen im `Weiten Feld´ die vorgeprägte Formulierung und der Zusammenhang, dem sie entstammt, als die Handlung begleitender Kommentar, der neue und oft überraschende Einsichten eröffnet, indem er `eine andere Welt in die eigene Welt des Romans hineinleuchten´ läßt.“[71]

Die Neukontextualisierung, das Spiel mit den ursprünglichen Bedeutungsgehalten der Zitate und den sich daraus ergebenden zusätzlichen Bedeutungsebenen für den Roman wird durch den hohen Grad an Referentialität der Intertextualität in Ein weites Feld geleistet. Sie dient besonders der Aufstellung geschichtlicher Parallelen, die für Grass´ Roman so wichtig sind[72].

2.2.2 Die Dialogizität der Fontane-Rezeption

Ein zweites Kriterium, das über die Intensität der intertextuellen Fontane-Rezeption in Ein weites Feld Auskunft geben soll, wird von Pfister als Dialogizität bezeichnet. Intertextuelle Relationen sind demzufolge um so intensiver, je „(...) stärker der ursprüngliche und der neue Zusammenhang in semantischer und ideologischer Spannung zueinander stehen“[73]. Das zweite Textbeispiel zur Referentialität hat bereits gezeigt, daß die ideologischen Voraussetzungen des Prätextes im Romankontext von Ein weites Feld unterlaufen werden. Der Romantext tritt mit Fontane-Texten in Dialoge und baut dadurch Spannungen auf, die das enorme Interpretationspotential des Romans bergen. Dies wird meist durch ein Wechselspiel aus dem Evozieren historischer Parallelen und Ablehnung derselben zusammengesetzt.

Wie das Textbeispiel gezeigt hat, wird zum Thema „deutscher Einheiten“ Fontanes Lyrik von 1871 in ihrer Aussage zur Situation von 1989 durch Fonty erprobt und so in ein Spannungsverhältnis mit der neuen geschichtlichen Situation gebracht. Hohe Dialogizität setzt daher hohe Referentialität intertextueller Bezüge voraus, weil sich ein solches dialogisches Verhältnis nur entwickeln kann, wenn der Text auf den Prätext verweist, ihn thematisiert. Der Dialog, in den die Texte dabei treten, erhöht die Redevielfalt im Roman und schafft ein facettenreiches dialogisches Puzzle intertextueller Referenzen. Ein weites Feld ist geprägt von einem Stimmengewirr, das die Haltungen der Romanfiguren in Kontroversen und Diskurse mit Haltungen Fontanes[74], seiner literarischer Figuren und sogar der Sekundärliteratur über Fontane verflechtet.

Ein weiteres Beispiel aus Grass´ Roman soll auf eine Besonderheit der dialogischen Struktur intertextueller Bezüge auf Fontane aufmerksam machen. Im Kontext dieser Beispielstelle wirft Hoftaller Fonty Fontanes philosemitische Einstellung vor (EwF S. 56-58), die Hoftaller als Antisemit ablehnt („Haß“ EwF S. 59). Dabei bezieht sich Hoftaller auf entsprechende Aussagen Fontanes in Briefen, auf persönliche und geschäftliche Kontakte Fontanes mit Juden, auf jüdische Figuren aus Fontanes literarischen Fiktionen sowie auf entsprechende Gedichte. Fonty bestätigt mit Genugtuung, als Fontane Philosemit gewesen zu sein, indem er sich auf das Gedicht Kommen Sie, Chon![75] beruft, das mit einer „artigen Verbeugung“ (EwF S. 60) gegenüber seiner jüdischen Freunde und Leser endet. Das ist Hoftallers Anknüpfungspunkt für eine Dekonstruktion dieses Fontane-Bilds:

„[Hoftaller:] »Naja, Sie gelten nun mal als ausgepichter Judenfreund. Doch selbst Ihr Biograph Reuter tut sich mit dieser Legende schwer. Mußte an Ihrer, nach Percy, einem Blutritual abgeschöpften Ballade >Die Jüdin< - >Sie hatte ein silbernes Messer, das trennte gut und schnitt...< - ziemlich schlucken. Wurde anno zweiundfünfzig im Tunnel gelesen, doch erst vierzig Jahre später folgten Sie dem Wunsch Ihres Tunnelfreundes Heyse und kippten den Knabenmord aus der folgenden Neuauflage der Gedichte. (...) Dann kommt die Kehrseite zur Ansicht. Einer jüdischen >Gazettenverschwörung< sind Sie auf der Spur: >...die europäische Presse ist eine große Judenmacht, die es versucht hat, der gesamten Welt ihre Meinung aufzuzwingen.< Da wird – Hand aufs Herz Fonty! – der wohlwollende Philosemit - >Kommen Sie, Chon!< - zu nem stinknormalen Antisemiten. In Himmlers >Schwarzen Korps< wurde denn auch prompt, und zwar anno fünfunddreißig Ihre, wie wir wissen, immer noch griffige Verurteilung des internationalen Judentums fettgedruckt. Und wie Sie einerseits honigsüß beteuert haben: >Ich bin von Kindesbeinen an ein Judenfreund gewesen und habe persönlich nur Gutes von den Juden erfahren...<, waren Sie andererseits nicht sparsam mit happigen Prophezeiungen, und zwar in ein und demselben Brief; denn was Sie am 1. Dezember 1880 Ihrer Busenfreundin Mathilde von Rohr vorausposaunt haben, hört sich heute wie Endlösung an: >...Dennoch habe ich so sehr das Gefühl ihrer Schuld, ihres grenzenlosen Übermuts, daß ich den Juden eine ernste Niederlage nicht bloß gönne, sondern wünsche. Und das steht mir fest, wenn sie sie jetzt nicht erleiden und sich jetzt auch nichts ändert, so bricht in Zeiten, die wir beide freilich nicht mehr erleben werden, eine schwere Heimsuchung über sie herein.< Na, Fonty? Richtig zitiert?« (...) Fonty alterte unter dem lastenden Zitat: »Wir haben sie erlebt, diese Zeiten. Ich weiß, Tallhover, ich weiß. Nicht jeden meiner Briefe möchte ich geschrieben oder so geschrieben haben. Es war wohl die Zeit damals...« »Schwamm drüber!« rief Hoftaller. »Fürchte, diese Schande wird bleiben...«“ (EwF S. 60-61)

Die Besonderheit dieser Beispielstelle hinsichtlich der Dialogizität der intertextuellen Referenzen liegt darin, daß nicht nur ein einzelner Fontane-Text in einen Diskurs mit dem Romantext von Grass gestellt wird, sondern darüber hinaus auch innerhalb der Prätexte ein Spannungsverhältnis besteht, das im Roman thematisiert wird. Briefliche Aussagen Fontanes werden mit den Inhalten von Gedichten konfrontiert und übergreifend zu einem Diskurs der Prätexte verdichtet, der Fontane als widersprüchliche Persönlichkeit zwischen Antisemitismus und Philosemitismus problematisiert. Ein weites Feld geht damit über die von Pfister beschriebene Dialogizität zwischen Text und Prätext hinaus, denn nicht nur der Einzeltext Fontanes – wie im vorangegangenen Beispiel das Gedicht Einzug - ist hier im Roman aufgegriffen. Es wird auf einen Diskurs zwischen mehreren Prätexten Bezug genommen, der wiederum in Grass´ Roman durch Erinnerung an die Rezeption und Funktionalisierung Fontanes antisemitischer Äußerungen im Dritten Reich und an den Holocaust sowie durch Zurückgreifen auf die Fontane Biographie Reuters[76] in einen Kontext erneuter dialogischer Spannung gebracht wird. Die Fontane-Rezeption in Ein weites Feld erlangt diese komplexe dialogische Struktur, da ihr – wie in Kapitel 2.3 zu zeigen sein wird – das Gesamtwerk Fontanes als Prätext dient.

2.2.3 Die Kommunikativität der Fontane-Rezeption

Zu Reflexivität und Dialogizität tritt als drittes Kriterium die Kommunikativität zur Bewertung der Intensität intertextueller Relationen. Dabei handelt es sich um die Frage, wie bewußt Intertextualität vom Autor eingesetzt und vom Leser erkannt wird. Eine maximale Intensität hängt daher wiederum mit der Kenntlichmachung intertextueller Bezüge durch den Autor zusammen, denn deutliche Markierung der Intertextualität läßt darauf schließen, daß sie bewußt eingesetzt ist und auch für den Leser kommunikative Bedeutung erlangen soll und kann[77]. Die bisherigen Textbeispiele haben immer sehr deutlich auf die ihnen zugrundeliegenden Fontane-Texte verwiesen. Ihre kommunikative Relevanz ist demzufolge hoch und die Intertextualität im Sinne der Kommunikativität sehr intensiv.

Dennoch bleibt der Roman ein weites Feld für Entdecker, denn die Bezüge sind nicht ausschließlich deutlich markiert, wie das folgende Beispiel zeigt: Im Verlauf seiner „Geburtstagsfeier“, die Fonty mit Hoftaller in einem Fast-Food-Restaurant der Kette McDonald´s begeht, rezipiert Fonty Fontanes Gedichte und Balladen sowie Reiseberichte zum Themenkreis England und Schottland.

„Und schon war er, vom Stammsitz der Fast-Food-Firma Schloß Armedale ausgehend, unterwegs: Wanderungen jenseits des Tweed ins schottische Hochmoor.“ (EwF S. 33)

Die vom Autor intendierte Anspielung auf Fontanes schottischen Reisebericht Jenseits des Tweed, kann nur als solche verstanden werden, wenn der Leser um dieses Fontane-Buch weiß. Unmarkierte Anspielungen auf wenig bekannte Prätexte erreichen also nur einen kleinen bzw. bestimmten Leserkreis. Der Intensitätsgrad kommunikativer Relevanz ist höher, wenn kanonisierte Literatur zitiert wird oder durch bewußte Markierung im Text auf den Prätext hingewiesen wird. Der Titel des Romans Ein weites Feld kann demnach leichter als Fontane-Zitat erkannt werden, da Effi Briest heute als Fontane-Text populärer ist als Jenseits des Tweed[78].

Insgesamt überwiegen im Romantext jedoch die deutlich markierten intertextuellen Bezüge mit dadurch hoher kommunikativer Relevanz[79]. Grass setzt auf hohe Kommunikativität, um den Leser bewußt auch in die Fontane-Texte, die dem Roman als Folie dienen, zu verwickeln. Die intertextuelle Beziehung zwischen dem Roman und Fontanes Texten ist zudem nicht nur intendiert und meistens markiert, sondern wird im Text vom Romanpersonal darüber hinaus auch thematisiert. Darin kann nach Pfister eine intertextuelle Steigerung von Kommunikativität zu Autoreflexivität, dem vierten Aspekt seiner Skalierung der Intensität von Intertextualität, gesehen werden.

2.2.4 Die Autoreflexivität der Fontane-Rezeption

Autoreflexivität bedeutet, daß zusätzlich zu den bewußten und deutlich markierten intertextuellen Bezügen, im Text selbst die intertextuelle Bedingtheit des Schreibens, seine Leistungen und Voraussetzungen reflektiert werden[80]. Das gesamte Romanpersonal in Ein weites Feld reflektiert mehr oder minder stark über seine jeweiligen Verstrickungen in historische oder literarische Fontane-Vorlagen[81]. Anhand der Erzählinstanz wird die Autoreflexivität hier exemplarisch beleuchtet.

Die Erzählinstanz in Ein weites Feld ist ein Erzählerkollektiv, das sich aus einer ungewissen Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Fontane-Archivs in Potsdam zusammensetzt und von der ersten Textseite an als „Wir vom Archiv“ (EwF S. 9) in Erscheinung tritt. Das Archiv, von Berufs wegen „neugierig“ (EwF S. 181) und immer bemüht, „schmerzende Lücke[n]“ (EwF S. 101) in bezug auf Fontane zu schließen, ist dabei auf Theo Wuttke fixiert, der als Fonty „glaubhaft ein bedeutendes Nachleben“ (EwF S. 9-10, auch S. 48) seines Vorbilds Fontane übt. Fonty wird durch sein „zitatsichere[s] abperlen“ (EwF S. 10) der Originaltexte dem Archiv zum „Modell und fortlebendes Abbild“ (EwF S. 50). Diese Modellhaftigkeit Fontys für das Archiv wird von der Erzählinstanz als Voraussetzung des eigenen Schreibens im Roman erkannt. Des weiteren reflektiert das Erzählerkollektiv über die verschiedenen Leistungen, die Fontys Fontane-Rezeption für das Archiv erfüllt.

Fontys bis ins Äußere gelebte Fontane-Rezeption ist für das Archiv sinnstiftend[82] (EwF S. 780), da es das „tote“ Papier (EwF S. 780), mit dem die „Fußnotensklaven“ (EwF S. 12, 665) des Archivs täglich umgehen, „tintenfeucht“ (EwF S. 94) „wiederbeleb[t]“ (EwF S. 53). Fontys Belebung der Fontane-Texte wird vom Archiv als „Staub aufwirbelnder Atem“ (EwF S. 764) bezeichnet. Das Archiv ist von Fontys Nachleben überzeugt und fasziniert von seiner „verblüffend genaue[n] Zitierkunst“ (EwF S. 203). Aus dem professionellen Streben, Lücken im Archiv zu schließen, aus der Sinn stiftenden Textbelebung durch Fonty und aus der daraus hervorgehenden Faszination des Abbilds wird Fonty zum Fontane-Surrogat für das Archiv, das „ersatzweise Fontys wortwörtliches Fortleben“ (EwF S. 85) überprüft. Als überzeugendes Fontane-Fortleben, als Fontane-Ersatz und Modell bietet Fonty dem Archiv etwas, woran es trotz vereinzelter, halbherziger Distanzierungsversuche (EwF S. 49, 85) „glauben“ (EwF S. 48) kann und will. Fonty verkürzt dem Archiv „trübe Nachmittage“ (S. 10), wird wegen seines „Durchhecheln[s] ganzer Tischgesellschaften“ (EwF S. 122) belächelt, ohne aber lächerlich zu sein (EwF S. 200), ist mitunter auch lästig, indem er „häufiger ungebeten“ lange Balladen rezipiert (EwF S. 35) oder wiederum aufmunternd und trostreich durch passende Zitate (beispielsweise zitiert Fonty für das Archiv Fontanes Ballade John Maynard als Trost anläßlich des Mauerbaus 1961, EwF S. 35).

Fonty, über den das Archiv sogar eine Unterabteilung anlegt (EwF S. 771), ist Voraussetzung und Anlaß des Schreibens der Archivmitarbeiter. Schreibend erläutert und begründet das Archiv die Bedingungen, unter denen Theo Wuttke ihm als Fonty zum Gegenstand wird. In Fontys Fontane-Rezeption und seiner Bedeutung für das Archiv liegt somit die grundsätzliche Motivation des Erzählens in Ein weites Feld. Die hohe Autoreflexivität ist daher für die Erzählhaltung in Grass´ Roman von zentraler Bedeutung[83]. Es bleiben noch zwei weitere qualitative Kriterien, anhand derer nach Pfister die Intensität der Intertextualität betrachtet werden kann: die Strukturalität und die Selektivität.

2.2.5 Die Strukturalität der Fontane-Rezeption

Die Strukturalität bezieht sich auf die „syntagmatische Integration“[84] des Prätextes. Von schwacher Strukturalität wird bei beiläufigem und punktuellem Anzitieren des Prätextes ausgegangen. Am intensivsten ist die Strukturalität intertextueller Bezüge, wenn der Prätext dem Text als strukturelle Folie dient, d.h. wenn das Zitieren des Prätextes zu Mustern ausgeweitet ist, die große Teile des Textes oder den Gesamttext integrieren. Wie das folgende Textbeispiel zeigt, wird zwar in Ein weites Feld mitunter auf Prätexte nur beiläufig angespielt, wodurch aber um so stärker die Rolle des Gesamtwerks Fontanes für den Roman in den Vordergrund tritt:

„Zwar hatte er [Fonty] nie ein Massenpublikum anziehen können, doch einer treuen und im Verlauf der Jahre nachwachsenden Zuhörergemeinde durfte Fonty sicher sein. Überall versammelten sich Heimat- und Naturfreunde, die für seine aufs Witzigste verkürzend »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« ein offenes Ohr hatten; genügend Geduldige fanden sich, denen selbst vielstrophige Balladen nicht zu lang waren; allerorts gab es auf Pointen erpichte Liebhaber der vieltausend hingeplauderten Plauderbriefe; und immer ginge es um das Werk des Unsterblichen. Mal waren dessen Romane – ob »Frau Jenny Treibel« oder »Unwiederbringlich« - Thema, bei anderen Vortragsreisen herrschten Frauen vor, die, mal zum klagenden, mal zum räsonierenden Chor zusammengerottet, in den Vordergrund drängten: Cécile neben Effi, Ebba Arm in Arm mit Melanie, Stine von Mathilde verdeckt, Lene zwischen Corinna und der Witwe Pittelkow. Ein Frauenkränzchen, in dem jede ihren Fall aufs neue inszenierte, Grete Minde zum Beispiel die allzeit latente Gefahr einer Feuersbrunst.“ (EwF S. 158)

Die punktuell genannten einzelnen Texte oder Textgattungen wie Briefe oder Romane verweisen auf die Vielfalt des Werks Fontanes und darauf, daß Fontanes Schriften in dieser vielfältigen Gesamtheit durch Fonty rezipiert werden. Durch die Figurencharakterisierung Fontys, als einen Fontanes Gesamtwerk sowie die Sekundärliteratur (z.B. EwF S. 10) umfassenden Rezipienten, wird diese Eigenschaft der Hauptfigur aus Ein weites Feld auch zur strukturellen Folie des Grass-Romans. Die Dialoge des Romans bewegen sich in Strukturen des Prätextes von Anspielung zu Anspielung und von Zitat zu Zitat springend durch Fontanes Gesamtwerk, sie paraphrasieren Romanhandlungen (EwF S. 112, 141f., 147, 186, 190, usf.), zitieren literarische Figuren (EwF S. 54, 58, 107, 114, 177, usf.) oder historische Persönlichkeiten (EwF S. 38, 46f., 48, 117, usf.), rezipieren einzelne Verse oder ganze Gedichte (EwF S. 32, 35), arrangieren einschlägige Zitate aus Briefen neu (EwF S. 213), konstruieren dem Prätext analoge Szenen (z.B. EwF S. 279-320), diskutieren Sekundärliteratur und einzelne Gattungen (EwF S. 20, 30) oder werden vom Archiv um weitere intertextuelle Bezüge zu Fontane ergänzt (EwF S. 25, 51).

Auch für die Figurenkonstellation ist Fontanes Werk von struktureller Bedeutung, da die Verhältnisse zwischen den Romanfiguren durch Vorlagen der Prätexte geprägt sind. So entspricht beispielsweise Emmi Wuttkes Charakter, wie bereits im Zusammenhang mit der Referentialität erwähnt, in vielen Eigenschaften dem historischen Vorbild Emilie Fontane (EwF S. 200 ff.), wie sie sich aus Briefen und in der Sekundärliteratur darstellt[85]. Daneben trägt Fontys Frau, indem sie als „hübsch und ein wenig plapprig“ (EwF S. 119) gezeichnet wird, auch Züge der Käthe von Rienecker, einer literarischen Figur Fontanes[86]. Der Roman Irrungen, Wirrungen, dem diese Figur entstammt, ist das Strukturmuster des Seitensprungthemas in Ein weites Feld[87]. Ihm ist auch das Motiv des Ruderns als Umschreibung für die französische Liebesaffäre des jungen Fonty in Ein weites Feld entnommen, das den gesamten Grass Roman durchzieht.

„Fonty konnte das. Ihm sind die Jahrhunderte durchlässig gewesen. Nach seiner inneren Geographie floß die Spree in die Rhône. Und mit Hilfe der ihm allzeit dienstbaren Zeitschleuse hätte er wiederholt aschblondes Haar durch Frühlingslüfte beleben und einstiges Liebesgeflüster von Ruderblättern abtropfen lassen können. Bestimmt wäre ihm ein Vierzeiler gelungen (...) oder es hätten Zitate verdoppelten Sinn gemacht, Herztöne und ihr Echo, Irrungen, Wirrungen abermals.“ (EwF S. 416)

In diesem Textausschnitt ist die strukturierende Funktion von Irrungen, Wirrungen für Fonty – und dadurch für Grass´ Roman - sogar explizit offengelegt. Entsprechend dem Geschehen in Fontanes Liebesroman war auch Fonty in jungen Jahren in eine Mesalliance verwickelt[88]. Da intertextuelle Bezüge zu Fontane-Texten das Hauptcharakteristikum der zentralen Figur des Romans, Fonty, ist, wird die gesamte Figurenkonstellation des Romans durch Fontys Fontane-Rezeption determiniert. Fontanes aus Textzeugnissen entstehende Biographie wird somit, bis hin zum nur durch zwei Briefe belegten Seitensprung in der Verlobungszeit[89], zur Struktur, die durch Fonty auch dem restlichen Romanpersonal in Ein weites Feld vorgeschrieben ist.

Der maximale Grad struktureller Intensität der intertextuellen Zusammenhänge in Ein weites Feld wird in der Stechlin-Rezeption durch den Roman erreicht. Ähnlichkeiten zwischen dem Altersroman Fontanes Stechlin und Ein weites Feld in Aufbau und Thematik sind leicht zu erkennen und lassen darauf schließen, daß der Stechlin strukturgebendes, übergeordnetes Muster für den gesamten Grass Roman war: Fontanes Stechlin dreht sich wie Grass´ Roman um zeitgenössische politische und moralische Fragen einer Gesellschaft, die sich in der Situation eines Umbruchs befindet. Für beide Romane sind fast ausschließlich Dialoge der Romanfiguren konstitutiv, im Zentrum des Romans steht jeweils ein alter Herr mit einer Leidenschaft zum Plaudern und dessen Lebensabend. Obgleich zweifelsfrei alle Fontane-Texte als Gesamtwerk die Rolle des Prätextes für Grass´ Roman übernehmen, fällt der Stechlin somit doch deutlich als Strukturvorlage des Gesamtromans Ein weites Feld auf. Wie Neuhaus anführt, lassen sich beide Romane sogar auf eine ähnliche kurze Formel bringen:

„Selbst der Plot des Buches ist Zitat: Fonty führt Fontanes berühmte Selbstcharakterisierung des >Stechlin< an: »Zum Schluß stirbt ein Alter und zwei Junge heiraten sich« [EwF S. 298] - in der Tat eine »Anspielung auf die gegenwärtig tafelnde Hochzeitsgesellschaft« [EwF S. 298]; denn die Handlung von »Ein weites Feld« kann so zusammengefaßt werden: »Zwei nicht mehr ganz Junge heiraten und zum Schluß verschwindet ein Alter.«“[90]

Abschließend zur Strukturalität soll betont werden, daß Ein weites Feld zwar in hohem Maß von Fontanes Texten und von Sekundärliteratur über Fontane strukturell geprägt ist, bei aller scheinbar einseitigen Determiniertheit der Muster aber nicht übersehen werden darf, daß sich Grass´ Roman Fontane-Texte und -Aussagen zu eigen macht, diese nutzt und neu arrangiert. Daher ist der Roman nicht eine Fontane-Imitation, sondern erlangt über die Pluralität und Neukontextualisierung der Prätexte ein eigenes Gesicht[91].

2.2.6 Zur Selektivität und die Zusammenfassung zur intertextuellen Intensität der Fontane-Rezeption

Um Pfisters Kriterienskala abzurunden, sei schließlich noch auf die Selektivität hingewiesen. Damit soll die „Prägnanz intertextueller Verweisung“[92] erfaßt werden, die unterschiedlich intensiv ausfallen kann, je nachdem ob der intertextuelle Bezug in Form einer Anspielung auftritt, die sich eher allgemein auf den Prätext bezieht, oder ob in einem wörtlichen Zitat ein prägnanter, gezielter Verweis erfolgt. Eine Anspielung beispielsweise auf Fontanes Vorliebe, die Nebensächlichkeiten in seinen Romanen zur eigentlichen Hauptsache zu machen (EwF S. 19), ist daher im Sinne dieses Kriteriums weniger intensiv, als der höchst selektive Titel des Romans, der wie ein pars pro toto als pointiert ausgewähltes Detail den Gesamtkontext Effi Briest aufruft und in eine neue Sinnkonstitution einbezieht[93].

Zusammenfassend kann für die qualitative Intensität der intertextuellen Relationen in Ein weites Feld festgehalten werden, daß der Roman jeden der sechs erläuterten funktionellen Aspekte von Intertextualität intensiv nutzt. Es wird auf die Prätexte referentiell verwiesen, ihre Einbindung in den neuen Kontext zeigt eine starke dialogische Thematisierung oder Problematisierung, die Anspielungen und Zitate sind von hoher kommunikativer Relevanz, die sich bis zur maximalen Autoreflexivität steigert, die Prätexte Fontanes sind von struktureller Bedeutung für Ein weites Feld, und die intertextuellen Bezüge bewegen sich in allen Abstufungen selektiver Möglichkeiten. Hinzu kommt schließlich die große quantitative Dichte der Intertextualität in Grass´ Romantext, in dem keine Seite ohne Fontane-Rezeption in Form von Zitaten, Paraphrasen oder Anspielungen aus den unterschiedlichsten Texten Fontanes auskommt. Die Fontane-Rezeption dominiert durch ihre Intensität und quantitative Dichte den gesamten Roman von Grass.

Ingeborg Hoesterey sieht in einer solchen „sichtbar inszenierte[n] Praxis des Zitats“[94] ein typisches Merkmal postmoderner Dichtung[95], die dem abgeschlossenen poetischen Text eine „Ko-Präsenz zahlloser textueller Splitter“[96] entgegensetzt. Dieses literarische Verfahren erhebt sie zur Maxime zeitgenössischer Literatur, das außer bei Grass beispielsweise auch bei Peter Handke, Thomas Bernhard oder Botho Strauß in verschiedenen Ausprägungen umgesetzt ist[97]. Es zeigt sich, daß der Roman hinsichtlich der Intensität seiner Intertextualität diesem zeitgenössichen Trend folgt, dem Intertextualität als „Markenzeichen der einer postmodernen Literatur“ gilt[98].

2.3 Die Pluralität der Fontane-Rezeption

Das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, wie intensiv die verschiedenen Funktionen der intertextuellen Bezugnahmen auf Texte von Fontane durch Grass in seinem Roman Ein weites Feld genutzt werden. Weitgehend offen blieb dabei, worin der Prätext der Fontane-Rezeption in Grass´ Roman besteht und welche Aspekte und Strukturen Fontane betreffend in dem Roman auf welche Weise rezipiert werden. Sowohl die Textbasis, die Grass seiner Fontane-Rezeption zugrunde legt, wie auch die Strukturen und Gesichtspunkte, die in bezug auf Fontane im Roman aufgenommen werden, zeigen sich in vielfältiger, komplexer Weise verarbeitet, so daß im folgenden unter dem recht allgemeinen Begriff der Pluralität diese Vielgestaltigkeit der Fontane-Rezeption subsumiert wird.

2.3.1 Fontys imaginierte Fontane-Perspektive

In Zusammenhang mit der Intensität verschiedener Funktionen intertextueller Bezüge hat sich bereits abgezeichnet, daß sich die Fontane-Rezeption in Ein weites Feld nicht ausschließlich auf einen spezifischen Fontane-Text bezieht, wie es beispielsweise bei Uwe Johnson der Fall ist, der im vierten Band der Jahrestage Fontanes Schach von Wutenow rezipiert[99]. Statt dessen spielen in Ein weites Feld eine Vielzahl unterschiedlicher Texte von und über Fontane für die Fontane-Rezeption eine Rolle. Fontanes Lyrik, seine Kriegsbücher, die Wanderungen durch die Mark Brandenburg, englische und schottische Reiseberichte, seine Romane, Theaterkritiken und Essays, Briefe, Tagebücher und autobiographische Schriften, sogar unverwirklichte literarische Vorhaben[100], Aussagen seiner Zeitgenossen über ihn, Denkmäler und Portraits sowie Biographien und Forschungsliteratur fügen sich in ihrer Gesamtheit zu einem umfassenden Prätext der Fontane-Rezeption in Ein weites Feld. Die Rezeption dieser enorm großen und vielfältigen Textbasis bündelt sich in der Hauptfigur Fonty. Von ihm ausgehend durchzieht sie als „roter Faden“ den ganzen Roman, motiviert die Erzählperspektive (vgl. Kap. 2.2) und verbindet das gesamte Personal des Romans miteinander. Im Hinblick auf die Pluralität, d.h. auf die Vielfältigkeit und Vielgestaltigkeit der Fontane-Rezeption lohnt es sich daher, von Fonty ausgehend, die Figurencharakterisierung und ‑konstellation in Ein weites Feld näher zu betrachten[101].

Als Fonty ist Theo Wuttke ein Fontane-Verehrer, dessen Bewunderung für Fontane bis zur Identifikation[102] gesteigert ist ( z.B. „[Fonty] sprach von »meiner« sattsam bekannte Birnenballade (...)“ EwF S. 10) und der die Biographie seines Vorbildes ins 20. Jahrhundert versetzt, „teilweise bis ins Lächerliche verzerrt“[103] nachlebt (EwF S. 48 „Fortleben als Programm“). Diese Projektion von Fontanes Biographie auf Fonty umfaßt sowohl formale Aspekte als auch von Fonty inszenierte Übereinstimmungen: Wie Fontane ist Fonty am 30. Dezember, um exakt hundert Jahre versetzt in Neuruppin geboren (EwF S. 9, 119). Wie Fontane heiratet Fonty eine Frau namens Emilie und aus der Ehe gehen drei Söhne und eine Tochter hervor, die wie Fontanes Kinder Georg Theodor, Friedrich und Martha heißen. Parallel zu Fontanes Biographie ist auch Fonty Kriegsberichterstatter in Frankreich und als Lehrer tätig gewesen (zur Vita Fontys bes. EwF S. 198-207). Fontys Studierstube scheint den Abbildungen von Fontanes Arbeitszimmer auf Photographien und einem Aquarell von Marie von Bunsen[104] „abgeschrieben“ zu sein (EwF S. 240). Die Einrichtung des Wohnzimmers der Familie Wuttke ist dem Roman Fontanes Die Poggenpuhls entlehnt, weshalb das Archiv von Wuttkes „guter Stube“ als dem „Poggenpuhlschen Salon“ spricht (EwF S. 216-217). Durch seine Kleidung rezipiert Fonty mit Wanderschuhen und „märkische[m] Wanderstock“ (EwF S. 21) Fontane als Autor der Wanderungen durch die Mark Brandenburg sowie, durch den von ihm sommers wie winters getragenen Schal mit Schottenmuster, Fontanes Schottland-Vorliebe (EwF S. 50). Selbst wenn Fonty im Berliner Tiergarten auf einer Bank sitzt, nimmt er in analoger Geste die Haltung seines Vorbilds ein, in der Fontane durch das Neuruppiner Fontane-Denkmal abgebildet ist (EwF S. 110).

[...]


[1] Auch Fonty, Grass´ Hauptfigur des Romans, präsentiert im Rahmen der Romanfiktion von Ein weites Feld ein Buch in der Berliner Kulturbrauerei: Grass, Günter: Ein weites Feld. Göttingen, 1995. S. 741-761. Textbelege aus dem Roman werden im folgenden mit dem Sigle EwF und der entsprechenden Seitenzahl in Klammern im Text zitiert.

[2] Neuhaus, Volker: Schreiben gegen die verstreichende Zeit. Zu Leben und Werk von Günter Grass. München, 1997. S. 224; Auch Boßmann, Tim: Der Dichter im Schußfeld. Geschichte und Versagen der Literaturkritik am Beispiel Günter Grass. Marburg, 1997. S. 93 ist der Meinung, daß der Literaturstreit um Ein weites Feld in der Geschichte der Literaturkritik seit 1945 ohne Beispiel ist.

[3] Die folgende Zusammenfassung der Ereignisse um die Veröffentlichung von Ein weites Feld richtet sich nach Neuhaus (1997) S. 224-233 und Boßmann S. 94-105.

[4] Text der dpa-Meldung vom 26.4.1995 und weiterer dpa-Meldungen zum Literaturstreit sind abgedruckt in: Negt, Oskar (Hrsg.): Der Fall Fonty. Ein weites Feld von Günter Grass im Spiegel der Kritik. Göttingen, 1996. S. 32.

[5] ebd. S. 35.

[6] Neuhaus (1997) S. 225.

[7] Dieser Spiegel-Titel ruft zynische Reaktionen in der englischen Presse hervor, die mit „Reich‘s Kristallnacht?“ titelt; dazu: Neuhaus (1997) S. 226.

[8] „...und es muß gesagt werden“. Ein Brief von Marcel Reich-Ranicki an Günter Grass zu dessen Roman Ein weites Feld. Der Spiegel v. 21.8.1995. S. 162-169.

[9] Zum Verlauf der Sendung: Boßmann S. 100-102.

[10] Neuhaus (1997) S. 226.

[11] ebd. S. 228; zu den Reaktionen der ausländischen Presse Boßmann S. 126f.

[12] Neuhaus (1997) S. 230; vgl. auch die Placierungen des Romans auf verschiedenen Bestseller-Listen (zwischen Platz 1 und 20 über 5 Monate hinweg) in: Negt S. 486f.

[13] Diese Angaben folgen (gerundet) der von Daniela Hermes ermittelten Auswertung von 161 Rezensionen in: Negt S. 483.

[14] ebd.

[15] Neuhaus (1997) S. 231.

[16] Zu Grass´ Image (als „Blechtrommler for ever“): Kämper van den Boogaart, Michael: Schönes, schweres Lesen. Legitimität literarischer Lektüre aus kultursoziologischer Sicht. Wiesbaden, 1997. S. 262-295; Görtz, Franz Josef: Günter Grass – Zur Pathogenese eines Markenbildes. Meisenheim a. Glan, 1978; und Boßmann S. 43-86.

[17] Aufsehen erregte Grass´ Äußerung „Wer ein solch menschenverachtendes Instrument wie die Treuhand ins Leben ruft, muß sich nicht wundern, wenn darauf terroristisch reagiert wird.“, die er in einem Interview mit dem Stern v. 17. August 1995 aussprach. Interview abgedruckt in: Zerreißprobe. Der neue Roman von Günter Grass Ein weites Feld und die Literaturkritik. Eine Dokumentation. Veröffentlichung des Innsbrucker Zeitungsarchivs. Innsbruck, 1995. S. 57.

[18] Boßmann S. 93.

[19] Grass in einem Interview mit dem Stern v. 17.8.1995 – in: Zerreißprobe S. 58.

[20] „...und es muß gesagt werden“. Ein Brief von Marcel Reich-Ranicki an Günter Grass zu dessen Roman Ein weites Feld. Der Spiegel v. 21.8.1995. S. 163.

[21] Tschapke, Reinhard: Rummel um Grass: Wenn der Lärm die Literatur übertrifft. – In: Die Welt v. 19.8.1995. Diese Einschätzung, die Literaturkritiker der Tagespresse haben die Funktion der Fontane-Rezeption verkannt, findet sich auch bei Schwan, Werner: Günter Grass. Ein weites Feld mit Neugier und Geduld erkundet. – In: Poetica 28 (1996) S. 432. Diese These bestätigt sich auch in Anbetracht der Rezensionen, die in den beiden Dokumentationen des Literaturstreits abgedruckt sind; vgl. Negt S. 63-180 und Zerreißprobe S. 17-330.

[22] ebd.

[23] Schwan S. 438, vgl. z.B. Schmidt, Thomas: Der Dichter und seine Nation. Frankfurter Rundschau 27.4.95 (der Roman habe 47 Kapitel (sic!) und handle von zwei Literaten (sic!)); Auffermann, Verena: Aus dem Land der Spitzel. SZ v. 27.4.95 (Fonty würde im Verlauf der Geschichte einen neuen Namen bekommen (sic!)); o.V. FAZ v. 11.8.95 (Der Titel Ein weites Feld sei „im Sinne Fontanes“ ein „heiter darüberstehender“ Titel (sic!)); Rudolf, Fritz: Hoftaller plus IM Fonty, ein sehr weites Feld. – In: Neues Deutschland v. 21.8.95 (Der Erzähler des Romans sei ein „unbedarfter Germanist“ (sic!)); etc.

[24] Eine Ausnahme bildet die Besprechung des Romans von Wolfram Schütte: Wie aus der Zeit gefallen: zwei alte Männer. – In: Frankfurter Rundschau v. 26.8.95, die sich sorgfältig mit dem Text auseinandersetzt. Schütte kommt zu dem Schluß, daß die Fontane-Rezeption in den Kontext einer „Bild gewordenen Montage historischer und zeitgenössischer Zitate“ gehöre, die Grass´ ironisch-parodistischer Schreibart entgegenkomme und mit seinen „vielfachen Vexierspielen ein literarisches Vergnügen“ sei. – in: Zerreißprobe S. 157-159.

[25] Misch, Manfred: : „...eine Fülle von Zitaten auf Abruf“. Anspielungen und Zitate in Günter Grass´ Ein weites Feld. – In: Knobloch, Hans-Jörg und Helmut Knoopmann (Hrsg.): Deutschsprachige Gegenwartsliteratur. Tübingen, 1997. S. 153.

[26] vgl. Bibliographie Kap. 5.3

[27] vgl. Bibliographie Kap. 5.3

[28] Grass, Günter: Der Autor als fragwürdiger Zeuge. München, 1997. S. 287.

[29] Kube, Lutz: Intellektuelle Verantwortung und Schuld in Günter Grass´ Roman Ein weites Feld. – In: Colloquia Germanica. Internationale Zeitschrift für Germanistik (1997). Jg. 30. H. 4. S. 349-361.

[30] Pulver, Elsbeth: Ein weites Feld – Fontane und die deutsche Gegenwart. Eine Lektüre. – In: Schweizer Monatshefte 75/76 (1995/96) H. 12/1. S. 49-52.

[31] Boßmann vgl. Anmerkung 2

[32] Stolz, Dieter: nomen est omen: Ein weites Feld von Günter Grass. – In: ZfG 7 (1997). H. 2. S. 321-335.

[33] da Silva, Maria Helena: Geschichte, Erinnerung und Identität in Grass´ Roman Ein weites Feld. – In: Runa 25 (1996). S. 355-366; Kügler, Hans: „In Deutschland ist keine Bleibe mehr“. Fonty und die deutsche Einheit. Zur Zeitkritik und zur Fontane-Rezeption in Günter Grass´ neuem Roman Ein weites Feld. – In: Diskussion Deutsch (1995). Jg. 25. Nr. 144. S. 301-305. Schwan (wie Anmerkung 21) und Misch (wie Anmerkung 25).

[34] besonders bei Schwan und Boßmann.

[35] Grass, Günter und Harro Zimmermann: Vom Abenteuer der Aufklärung. Werkstattgespräche. Göttingen, 1999.

[36] besonders Auffenberg, Christian: Vom Erzählen des Erzählens bei Günter Grass. Studien zur immanenten Poetik der Romane Die Blechtrommel und Die Rättin. Münster, 1993 und Hensing, Dieter: Günter Grass und die Geschichte – Camus, Sisyphos und die Aufklärung. – In: Labroisse, Gerd und Dick von Stekelenburg (Hrsg.): Günter Grass. Ein europäischer Autor?. Amsterdam, 1992. S. 85-121.

[37] Reuter, Hans-Heinrich: Fontane. 2 Bde. Sonderauflage. Darmstadt, 1970; Nürnberger, Helmut: Fontanes Welt. Berlin, 1997; ders.: Fontane. 21. Aufl. Reinbek, 1995; Aust, Hugo: Theodor Fontane. Ein Studienbuch. Tübingen u. Basel, 1989 und Ziegler, Edda: Theodor Fontane. Lebensraum und Phantasiewelt. 2. Aufl. Berlin, 1996.

[38] Arnold, Heinz-Ludwig (Hrsg.): Text und Kritik. Theodor Fontane. 2. Aufl. Münche, 1989.

[39] Mecklenburg, Norbert: Theodor Fontane. Romankunst der Vielstimmigkeit. Frankfurt a. M., 1998.

[40] vgl. Bibliographie Kap. 5.5

[41] Broich, Ulrich und Manfred Pfister (Hrsg.): Intertextualität: Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. Tübingen, 1985.

[42] Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur.7. Aufl. Stuttgart, 1989. S. 769 und Killy, Walther (Hrsg.): Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Bd. 14. München, 1988-1993. S. 288. Schlagwort „Rezeption“: „Im Begriff Rezeption sind die mannigfachen Arten der Wahrnehmung und Verarbeitung von Texten unterschiedlichster Zeichensysteme zusammengefaßt, von individueller Lektüre und Textverstehen bis zu institutionalisierten Reaktionen im kulturellen Leben, etwa im Rahmen der auf ästhetisch-fiktionale Texte konzentrierten Literaturkritik.“

[43] Pfister, Manfred: Konzepte der Intertextualität. – In: Broich, Ulrich und Manfred Pfister (Hrsg.): Intertextualität: Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. Tübingen, 1985. S. 11.

[44] Tegtmeyer, Henning: Der Begriff der Intertextualität und seine Fassungen. Eine Kritik der Intertextualitätskonzepte Julia Kristevas und Susanne Holthuis. – In: Klein, Josef und Ulla Fix (Hrsg.): Textbeziehungen. Linguistische und literaturwissenschaftliche Beiträge zur Intertextualität. Tübingen, 1997. S. 49: „Von kaum einem anderen Begriff [Intertextualität] innerhalb des literatur- und sprachwissenschaftlichen Diskurses läßt sich sagen, daß seine Bedeutung derart umkämpft und umstritten ist.“; Konsens herrscht, Tegtmeyer zufolge, lediglich in der Auffassung, daß Intertextualität die Relationen zwischen Texten bezeichnet. ebd.

[45] Kristeva, Julia: Sémeiotiké. Recherches pour une sémanalyse. Paris 1969; diess.: Die Revolution der poetischen Sprache. Frankfurt a. M., 1978 und Bachtin, Michail: Die Ästhetik des Wortes. hrsg. v. Rainer Grübel. Aus dem Russischen übersetzt von Rainer Grübel und Sabine Reese. Frankfurt a. M., 1979.

[46] Diese Einteilung folgt Pfister (1985) S. 11f.

[47] Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Zusammenfassungen von Kristevas Intertextualitätskonzeption bei Pfister (1985) S. 1-11, Tegtmeyer S. 51-56 und Mai, Hans-Peter: Bypassing Intertextuality. – In: Plett, Heinrich (Hrsg.): Intertextuality. Berlin, New York, 1991. S. 38-44.

[48] Tegtmeyer S. 53.

[49] Plett, Heinrich: Intertextualities. – In: ders.: Intertextuality. Berlin, New York, 1991. S. 4.: „This `school´ has never developed a comprehensible and teachable method of textual analysis. It‘s publications are marked by a strangely abstract quality, at a decided remove from reality.“; in diesem Sinn auch Pfister (1985) S. 15 und Tegtmeyer S. 53 und 56; Tegtmeyer (S. 57) spricht Kristevas Ansatz sogar jede Wissenschaftlichkeit ab: „Wenn ohnehin schon alle Texte eines kulturellen Zusammenhangs sich aufeinander beziehen, kann man nicht mehr nach den konkreten Beziehungen zwischen zwei konkreten Texten fragen. Denn man ist gezwungen anzunehmen, daß eine Beziehung zwischen ihnen besteht. Jede Aussage der Form: „Text A steht in einem intertextuellen Verhältnis zu Text B“ ist dann per definitionem wahr. Zum Beispiel muß die These: „Zwischen dem Bericht über das gestrige Fußballspiel und Goethes „Wahlverwandtschaften“ besteht eine intertextuelle Relation“, Kristevas Ansatz zufolge (analytisch) wahr sein. Eine Theorie jedoch, die es nicht erlaubt, zwischen wahren und falschen Aussagen zu unterscheiden ist wissenschaftlich unbrauchbar.“

[50] Dieser „kollektive“ Ansatz wird mit Kristevas Ideologieverdacht und Ideologiekritik sowie mit ihrer marxistischen Haltung in Zusammenhang gebracht: Pfister (1985) S. 8. und Tegtmeyer S. 54.

[51] Pfister (1985) S. 13.

[52] Tegtmeyer S. 57.

[53] Pfister (1985) S. 15.

[54] So z.B. bei Preisendanz, Wolfgang: Zum Beitrag von Renate Lachmann „Dialogizität und poetische Sprache“. – In: Lachmann, Renate (Hg.): Dialogizität. Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste. Reihe A. Bd. 1. München, 1982. S. 25-28; Intertextualität wird auch als spezielles lit. Verfahren der Postmoderne angesehen. z.B. bei Hoesterey, Ingeborg: Verschlungene Schriftzeichen: Intertextualität von Literatur und Kunst in der Moderne/Postmoderne. Frankfurt a. M.. 1988. S. 166.

[55] Pfister (1985) S. 15.

[56] Dazu gehören (dem Strukturalismus nahestehend) u.a. Lachmann, Holthius, Genette, Tegtmeyer, Preisendanz, Pfister; ebd. S. 18.

[57] Pfister (1985) S. 15.

[58] So z.B. Hempfer, Klaus: Poststrukturale Texttheorie und Narrative Praxis. München, 1976 und Kloepfer, Rolf: Grundlagen des „dialogischen Prinzips“ in der Literatur. – In: Lachmann, Renate (Hrsg.): Dialogizität. Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste. Reihe A. Bd. 1. München, 1982. S. 85-106.

[59] Pfister (1985) S. 19.

[60] Jenny, Laurent: La stratégie de la forme. Poétique 27 (1976). S. 257-281, zitiert nach Pfister (1985) S. 17.

[61] Pfister (1985) S. 25-30.

[62] Daraus entwickelt sich natürlich bereits die Frage, welche besonderen Funktionen die Fontane-Rezeption für den Roman erfüllt und welche Intentionen Grass mit der Fontane-Rezeption in Ein weites Feld verfolgt. Mögliche Ziele, Funktionen und Intentionen der Fontane-Rezeption werden im 3. Kapitel näher untersucht, wodurch die Untersuchung vermeiden will, eine rein wirkungsgeschichtlich orientierte „lexikalische“ Auflistung der Bezugstellen zu sein.

[63] Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Pfister (1985) S. 25-30.

[64] Pfister (1985) S. 30.

[65] Die Feier war für Fontane ein Ärgernis, da zum einen der preußische Adel der Einladung nicht folgte, zum anderen, weil die Gäste beim Vortrag der Ballade Archibald Douglas zu früh klatschten, und dadurch eine gewisse Ignoranz gegenüber der Dichtung bewiesen. Reuter, Hans-Heinrich: Fontane. Darmstadt, 1970, Bd. 1. S. 29 und Bd. 2. S. 730f.

[66] Brief Fontanes an Friedrich Stephany v. 18.11.1889 – in: Fontane: Briefe. Zweite Sammlung. hrsg. v. Otto Pniower und Paul Schlenther. Berlin, 1910. Bd. XI. S. 227-229. Der Brief wird leicht gekürzt zitiert: „Muß ich Ihnen die Weiber schildern? Von zehn sind neuen von einer mustergültigen Grausamkeit, glatt wie Katzen und ebenso falsch. Ich bin in der heitersten Stimmung und von allen menschenfeindlichen Betrachtungen so weit ab wie möglich; aber es ist so. Dazu ängstigen sie sich um mich (d.h. meine Weiber, nicht die anderen) und sind in einer Todesangst, daß ich mich blamieren könnte. Jede Frau wird diese Angst nie los; es muß wohl an uns liegen.“ ebd. S. 228. Zur Ehe der Fontanes: Reuter Bd. 2. S. 522ff. und Ziegler S. 59-81.

[67] Fontane: Einzug vom 16. Juni 1871. NA Bd. 20. S. 239-241.

[68] Es existieren zwei weitere Einzug- Gedichte Fontanes. Fontane: Einzug vom 7. Dezember 1864 und Einzug vom 20. September 1866. NA Bd. 20. S. 236-239.

[69] Reuter Bd. 1. S. 461f. und Bd. 2. S. 791; Aust (1989) S. 32; Schwan S. 448; Ebenso Kube S. 352: „Die Preußenbegeisterung Fontanes, auch wenn sie mit zunehmendem Alter skeptischer und kritischer wurde, war eine lebenslange Affäre.“

[70] Misch S. 157 und Kügler S. 301.

[71] Misch S. 165.

[72] Ausführlicher dazu Kap. 3.2

[73] Pfister (1985) S. 29.

[74] Auf Fontanes Haltungen wird durch Briefe, Tagebücher und autobiographische Schriften geschlossen. Dazu detaillierter Kapitel 2.3

[75] Dabei handelt es sich um ein Gelegenheitsgedicht Fontanes, das er zu seinem 75. Geburtstag verfaßt hat. Fontane: Gedichte in einem Band. hrsg.v. Otto Drude. Frankfurt a. M., 1989. S. 597f.

[76] Reuter, Hans-Heinrich: Fontane. 2 Bde. Sonderauflage. Darmstadt 1970.

[77] Pfister (1985) S. 27.

[78] Mecklenburg S. 14 und Boßmann S. 148 Fußnote 782, gehen davon aus, daß Effi Briest und Der Stechlin die heute bekanntesten Werke Fontanes sind.

[79] Zur Problematik der intertextuellen Markierungen vgl. Kap. 2.4

[80] Pfister (1985) S. 27f.

[81] Zur Figurencharakterisierung und –konstellation vgl. Kapitel 2.3

[82] Neuhaus (1997) S. 220.

[83] Hoesterey S. 167: „Die Prosa der (späten) siebziger und achtziger Jahre schraubt die Schreibreflexion spiralartig höher: Der Autor konfrontiert nicht mehr nur den eigenen Erzählakt, er konfrontiert darüber hinaus dessen intertextuelle Bedingtheit und macht dieselbe zum konstituellen Agens seiner Schrift“. Intertextuelle Autoreflexion wird hier als Konsequenz postmodernen Schreibens eingeschätzt.

[84] Pfister (1985) S. 28.

[85] Grass rezipiert hier, in der Figur Emmi Wuttke, zum Teil das „traditionelle“ Bild von Emilie Fontane (z.B. EwF S. 200), wie es beispielsweise auch in der Biographie von Ohff, Heinz: Theodor Fontane. Leben und Werk. 3. Aufl. München 1996. S. 217 vertreten wird: „Fontane wußte natürlich, daß seine Frau, eher zu den kleinen Luckenwalder Naturen zählend, diese Freude nicht teilen kann.“ Differenzierter betrachtet Reuters Fontane-Biographie Bd. 1. S. 237-238 und S. 522-528 Emilie Fontane als eine von Existenzängsten und Fontanes Egoismus belastete Ehefrau. Auch diese Sicht auf Emilie Fontane schlägt sich in der Grass´ Figur Emmi Wuttke nieder (z.B. EwF S. 203), nicht aber die Züge Emilies, mit der sie in der Fontane Biographie von Ziegler S. 59 – 81 vornehmlich gezeichnet wird, die Emilie Fontane als Fontane geistig ebenbürtige Lebens- und Gesprächspartnerin in einem modern-emanzipierten Licht dargestellt.

[86] Misch S. 163f.

[87] Fontanes Roman Irrungen, Wirrungen ist als Stukturmuster besonders für 3. und 4. Buch von Ein weites Feld von Bedeutung.

[88] Der Roman Ein weites Feld spekuliert darüber, ob Fontanes Liebesbeziehung in seiner Dresdner Zeit eine literarische Verarbeitung in Irrungen, Wirrungen gefunden hat. Dieser Zusammenhang entsprang der dichterischen Freiheit von Grass im Umgang mit dem Stoff „Fontane“ für seinen Roman. Dazu: Grass, Günter: Der Autor als fragwürdiger Zeuge. Göttingen 1997. S. 253.

[89] Briefe Fontanes an Bernhard von Lepel vom 1. März und 7. April 1849, Fontane HA IV / 1 S. 62f. und 65-67. Beide Briefe wurden erst 1929 veröffentlicht, lt. Osinski, Jutta: Aspekte der Fontane-Rezeption bei Günter Grass. – In: Fontane-Blätter (1996). H. 61. S. 122.

[90] Neuhaus (1997) S. 219, Fonty bezieht sich auf einen Brief Fontanes vom Mai 1897 (ohne Datum) an Adolf Hoffmann (Fontane HA IV / 4 S. 649f.), der diese Selbstcharakterisierung Fontanes seines Romans Der Stechlin beinhaltet. Neuhaus analoge Formulierung für Grass´ Ein weites Feld ist kein Zitat aus dem Roman.

[91] Wohin diese dem Roman eigene Struktur führt, die sich hinter der intertextuellen Vielfalt in Ein weites Feld versteckt, und welche Bedeutungen sich durch die Fontane-Rezeption für Grass´ Roman entwickeln lassen, wird unter „Funktionen und Intentionen“ der Fontane-Aufnahme in Ein weites Feld in Kapitel 3 dieser Arbeit thematisiert.

[92] Pfister (1985) S. 29.

[93] Zum Titel Ein weites Feld vgl. Kap. 2.5

[94] Hoesterey S. 131.

[95] Hoesterey S. 166; Postmoderne ist ein problematischer, weil schwammiger Begriff (ebd. S. 135-137): z.B. in der Anglistik ist Postmoderne die Überwindung der Moderne, in der Germanistik hingegen die intensivere Fortführung von modernen Tendenzen (ebd. S. 137); Problematik des Begriffs Postmoderne soll aber hier nicht weiter diskutiert werden.

[96] Hoesterey S. 134.

[97] Hoesterey S. 166.

[98] Krajenbrink, Marieke: Intertextualität als Konstruktionsprinzip. Transformation des Kriminalromans und des romantischen Romans bei Peter Handtke und Botho Strauß. Amsterdam, Atlanta, 1996. S. 2 – in diesem Sinn auch: Pfister, Manfred: How postmodern is intertextuality? – In: Plett: Intertextuality. S. 207-224 und Broich, Ulrich: Formen der Markierung von Intertextualität. - In: ders. und Manfred Pfister (Hrsg.): Intertextualität. Tübingen, 1985. S. 32.

[99] Johnson, Uwe : Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cressphal. Bd. 4. Frankfurt a. M., 1983. S. 1694ff. Ein separater Abdruck dieser Episode erschien unter dem Titel Krieg und Liebe. Ein Kapitel aus dem Schlußband der „Jahrestage“ mit einer Interpretation von Theodor Fontanes „Schach von Wutenow“ in: Die Zeit, Nr 37, v. 9.9.1983, S. 46f.; - Dazu: Plachta, Bodo: Geschichte und Gegenwart. Theodor Fontanes Schach von Wuthenow in Uwe Johnsons Jahrestagen. – In: Euphorion 90 (1996). S. 206 – 218; vgl. EwF S. 606.

[100] Fonty spricht u.a. von dem sog. „Likedeeler Projekt“ (EwF S. 85, 435), einem Novellenvorhaben über den Seeräuber Klaus Störtebeker (um 1400), das Fontane geplant, aber nie ausgeführt hat. Dazu: Reuter Bd. 1. S. 101-104 und Aust (1989) S. 32.

[101] vgl. auch Kap. 2.2: Ausführungen zur Erzählerinstanz in Zusammenhang mit dem intertxt. Kriterium der Strukturalität.

[102] Pulver S. 49.

[103] Grass, Günter und Harro Zimmermann: Vom Abenteuer der Aufklärung. Werkstattgespräche. Göttingen, 1999. S. 241. (im folgenden zitiert als Grass: Werkstattgespräche (1999)).

[104] Fontanes Arbeitszimmer zeigt ein Aquarell von Marie von Bunsen (entstanden im November 1898). Ein farbiger Abdruck des Aquarells findet sich in Ziegler S. 174. Die beiden existierenden Photographien von Fontanes Arbeitszimmer sind ebenfalls in Zieglers Biographie abgedruckt: eine Photographie von 1896 (auf der der Titelei gegenüberliegenden Seite) sowie auf Seite 259 (eine entsprechende Abbildung auf dem Titelblatt der Zeitschrift Über Land und Meer).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2000
ISBN (eBook)
9783832471101
ISBN (Paperback)
9783838671109
DOI
10.3239/9783832471101
Dateigröße
904 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München – Neuere Deutsche Literatur
Erscheinungsdatum
2003 (August)
Note
1,0
Schlagworte
intertextualität gegenwartsliteratur wendeliteratur wiedervereinigung
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