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Globalisierung und Globalisierungskritik

Entstehung und Auswirkung globaler Entwicklungen in Politik, Kultur und Wirtschaft und deren kritische Reflexion durch die Zivilgesellschaft

©2003 Magisterarbeit 85 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Obwohl der Begriff Globalisierung noch jung ist, finden sich auf die Fragen nach seiner Herkunft, Bedeutung und Wirkung bereits zahlreiche Beantwortungsversuche. Dies wird deutlich durch die Zahl der Veröffentlichungen zu diesem Thema in allen Publikationsformen. Es gibt kaum eine Institution aus Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft, die nicht versucht, ihr Handeln oder ihr Ziel unter dem Aspekt von Globalisierung darzustellen. Etablierte Firmen und Wirtschaftsunternehmen, Parteien, Gewerkschaften, Verbände und Vereine aller Art, aber auch Bildungseinrichtungen und weniger stark organisierte Gruppen versuchen den Begriff der Globalisierung für sich zu instrumentalisieren oder mittels seiner für ihre Handlungen zu werben. Begriffe wie global Partnership und Think local, act global sind nicht nur in der Firmenwerbung gang und gäbe, sie finden sich auch im alltäglichen Jargon vieler der oben angeführten Institutionen.
Aber nicht nur für die Privatwirtschaft ist Globalisierung ein bestimmender Faktor. Auch der Einfluss, den Nationalstaaten als Akteure auf der „globalisierten“ Bühne haben, verändert sich mit dem Fortschreiten von Globalisierungsprozessen. Als ein Beispiel dient hier der Kontrollverlust von Staaten über die eigene Währung, die im schlimmsten Fall zum Spielball finanzieller Interessen einzelner Finanzakteure werden kann. Die vorliegende Arbeit will die Fragen nach Herkunft, Wirkung und Bedeutung des Globalisierungsbegriffs im Hinblick auf globalisierungskritische Ideen, Positionen und Gruppierungen erörtern.
Dazu beobachte ich im ersten Teil der Arbeit die Herkunft und Entwicklung des Begriffes „Globalisierung“ und seine Nutzung innerhalb der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion. Anschließend zeige ich auf, wie sich Globalisierung in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur darstellt und welche grundlegenden globalisierungskritischen Positionen dadurch entstehen.
Im zweiten Teil der Arbeit stelle ich dar, ab welchem Zeitpunkt globalisierungskritische Positionen und Gruppierungen beobachtet werden können, wie diese den weiteren Vorgang der Globalisierung - in welcher Form auch immer - beeinflusst haben und ob sich deren Argumente mit den tatsächlichen Gegebenheiten und Formen von Globalisierung decken. Weiterhin soll Globalisierung an Hand verschiedener Wirkungsformen näher betrachtet werden. Ich erörtere die Frage, ob und wie globalisierungskritische Positionen den Vorgang der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7081
Fuchs, Jörg: Globalisierung und Globalisierungskritik - Entstehung und Auswirkung
globaler Entwicklungen in Politik, Kultur und Wirtschaft und deren kritische Reflexion
durch die Zivilgesellschaft
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Universität, Magisterarbeit,
2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

Inhalt
I. Globalisierung
1
1. Warum über Globalisierung schreiben?
2
2. Der Begriff Globalisierung in der allgemeinen
und wissenschaftlichen Diskussion
4
3. Darstellung und Erörterung der verwendeten Begriffe
6
3.1. Globalisierung
6
3.2. Internationalisierung
7
3.3. Regionalisierung
7
3.4. Globalismus
8
3.5. Globalität
10
4. Politische Globalisierung
10
5. Wirtschaftliche Globalisierung
19
6. Kulturelle Globalisierung
25
7. Voraussetzungen, Entwicklungen
und Ausformungen von Globalisierungstendenzen
33
II. Globalisierungskritik
45
8. Argumente der allgemeinen Globalisierungskritik
45
9. Ursprünge und Wandel der
globalisierungskritischen Bewegung
53
10. Von Globalisierungsprotesten zu einer sozialen Bewegung -
Das Entstehen von Attac
57
11. Attac als soziale Bewegung
61

12. Von der Tobin-Steuer zur gerechten Globalisierung -
Ziele und Argumente von Attac
63
12.1. Die Tobin-Steuer
63
12.2. Globalisierung und Krieg
67
12.3. GATS
68
12.4. Entwicklung des Gesundheitswesens
69
13. Kritik an Attac
69
III. Globalisierung und Globalisierungskritik - Eigene Einschätzung
75
14. Fortschritt und Steuerung von Globalisierung
75
15. Die Zukunft der globalisierungskritischen Bewegung
77
Literatur
79

I. Globalisierung
Obwohl der Begriff Globalisierung noch jung ist, finden sich auf die Fragen nach seiner
Herkunft, Bedeutung und Wirkung bereits zahlreiche Beantwortungsversuche.
Dies wird deutlich durch die Zahl der Veröffentlichungen zu diesem Thema in allen
Publikationsformen. Es gibt kaum eine Institution aus Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft,
die nicht versucht, ihr Handeln oder ihr Ziel unter dem Aspekt von Globalisierung
darzustellen. Etablierte Firmen und Wirtschaftsunternehmen, Parteien, Gewerkschaften,
Verbände und Vereine aller Art, aber auch Bildungseinrichtungen und weniger stark
organisierte Gruppen versuchen den Begriff der Globalisierung für sich zu
instrumentalisieren oder mittels seiner für ihre Handlungen zu werben. Begriffe wie global
Partnership und Think local, act global sind nicht nur in der Firmenwerbung gang und
gäbe, sie finden sich auch im alltäglichen Jargon vieler der oben angeführten Institutionen.
Aber nicht nur für die Privatwirtschaft ist Globalisierung ein bestimmender Faktor.
Auch der Einfluss, den Nationalstaaten als Akteure auf der "globalisierten" Bühne haben,
verändert sich mit dem Fortschreiten von Globalisierungsprozessen.
Als ein Beispiel dient hier der Kontrollverlust von Staaten über die eigene Währung, die im
schlimmsten Fall zum Spielball finanzieller Interessen einzelner Finanzakteure werden kann.
Die vorliegende Arbeit will die Fragen nach Herkunft, Wirkung und Bedeutung des
Globalisierungsbegriffs im Hinblick auf globalisierungskritische Ideen, Positionen
und Gruppierungen erörtern.
Dazu beobachte ich im ersten Teil der Arbeit die Herkunft und Entwicklung des Begriffes
"Globalisierung" und seine Nutzung innerhalb der öffentlichen und wissenschaftlichen
Diskussion. Anschließend zeige ich auf, wie sich Globalisierung in den Bereichen Politik,
Wirtschaft und Kultur darstellt und welche grundlegenden globalisierungskritischen
Positionen dadurch entstehen.
Im zweiten Teil der Arbeit stelle ich dar, ab welchem Zeitpunkt globalisierungskritische
Positionen und Gruppierungen beobachtet werden können, wie diese den weiteren Vorgang
der Globalisierung - in welcher Form auch immer - beeinflusst haben und ob sich deren
Argumente mit den tatsächlichen Gegebenheiten und Formen von Globalisierung decken.
- 1 -

Weiterhin soll Globalisierung an Hand verschiedener Wirkungsformen näher betrachtet
werden. Hier versuche ich festzustellen, ob und wie globalisierungskritische Positionen den
Blick auf den Vorgang der Globalisierung sowie dessen Wirkungsformen beeinflussen.
Bezugnehmend auf globalisierungskritische Phänomene versuche ich darzustellen, wie diese
entstehen und sich entwickeln, welche Einflüsse sie auf ihre Umgebung ausüben, welche
Gruppierungen und Positionen sie ansprechen und nutzen, welche Argumente ihre
Handlungen unterfüttern und welche Rollen sie jetzt und im weiteren Fortgang von
Globalisierungsprozessen spielen.
1. Warum über Globalisierung schreiben?
Viele politische, wirtschaftliche und kulturelle Streitfragen haben einen offensichtlichen oder
versteckten Bezug zur Globalisierung. Gleichgültig ob das Thema Steuer-, Wirtschafts-,
Umwelt- oder Kulturpolitik lautet: Stets wird es in direkter oder indirekter Abhängigkeit
von den Prozessen der Globalisierung gesehen. Auch aus der öffentlichen Debatte ist der
Begriff "Globalisierung" nicht mehr wegzudenken; seine Medienwirkung hat in den letzten
zehn Jahren rasant zugenommen. War der Begriff bis 1993 kaum in den Zeitungen zu lesen,
stieg seine Bekanntheit bis heute explosionsartig an:
Quelle: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Globalisierung der Weltwirtschaft.
Schlussbericht der Enquete-Kommission. Opladen. 2002. S. 49.
Aber gerade die breite Diskussion, die um die Globalisierung geführt wird, verschafft dem
Begriff eine ausgeprägte Ambivalenz: Kaum eine Thema in der öffentlichen Diskussion -
- 2 -

abgesehen von ethischen Problemen, die ebenfalls in einem globalen Kontext stattfinden
können - spaltet Befürworter und Gegner in so verschiedene Lager. Ängste, die in einer
tatsächlichen oder vermuteten Hilflosigkeit gegenüber dem scheinbar unaufhaltsamen und
nicht beeinflussbaren Prozess der Globalisierung wurzeln, verschaffen
globalisierungskritischen Gruppierungen und Fürsprechern seit Jahren großen Zulauf. Ein
Indiz dafür ist die Zunahme von Nichtregierungsorganisationen (NRO), die sich seit Mitte
der 1970-er Jahre beobachten lässt:
Quelle: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Globalisierung der Weltwirtschaft.
Schlussbericht der Enquete-Kommission. Opladen. 2002. S. 58
.
Auf der anderen Seite stehen enthusiastische Befürworter der Globalisierung mit direkten
oder indirekten Einflussmöglichkeiten auf wirtschaftliche und politische
Globalisierungsprozesse.
Der Grund für diese Polarisierung liegt darin, dass es scheinbar tatsächlich Gewinner und
Verlierer der Globalisierung gibt, auch wenn sich möglicherweise mancher Gewinner als
Verlierer verstehen mag. Als Gewinner betrachten sich jene Länder, Unternehmen und
Personen, die Einfluss auf den Wandlungsprozess nehmen können und von ihm profitieren.
Hier wird der Vorgang der Globalisierung oft als selbstverständlich, naturgegeben oder - da
machbar - auch als zwingend erforderlich betrachtet. Dass diejenigen, die von der
Globalisierung am meisten profitieren, diesen Prozess auch häufig am aktivsten mit
gestalten, wird dabei jedoch oft übersehen. Als Verlierer fühlen sich diejenigen, die nicht
über die nötigen Ressourcen verfügen, den Globalisierungsprozess nach ihren Vorstellungen
- 3 -

oder zu ihren Gunsten zu formen. Sie fühlen sich ihm ausgeliefert. Globalisierung ist ein
Strukturwandelprozess, der mit einer Verschiebung der Macht- und Kapitalverhältnisse
einhergeht und an die Anpassungsfähigkeit aller Betroffenen hohe Anforderungen stellt.
Da ein Fortschreiten der Globalisierung nicht per se eine Benachteiligung Anderer bedeuten
muss, sollte es theoretisch möglich sein, dass alle mehr oder weniger an diesem Prozess
Beteiligten davon profitieren können. In der Praxis jedoch stellt sich die Frage, ob die
Globalisierung tatsächlich ein Heilsbringer für alle ist. Die bereits erwähnte Zunahme der
kritischen Positionen stellt dieses zumindest in Frage.
2. Der Begriff Globalisierung in der allgemeinen und wissenschaftlichen Diskussion
Der Begriff Globalisierung ist unbestreitbar in aller Munde. In der allgemeinen Diskussion
schwankt die Bandbreite der Meinungen zu diesem Thema zwischen widerspruchsloser
Zustimmung und Dämonisierung. Im wissenschaftlichen Diskurs wird das Thema der
Globalisierung seit 1945
vor allem
im Zusammenhang mit der Gründung der Vereinten
Nationen im politisch-gesellschaftlichen Kontext behandelt. Breiten Raum in der
Öffentlichkeit hat das Thema in den letzten Jahren durch Veröffentlichungen wie Samuel
Huntingtons "Kampf der Kulturen" oder Francis Fukuyamas "Ende der Geschichte", aber
auch durch die Terroranschläge des 11. September 2001 und die daraus resultierenden
Ereignisse erhalten. Die geisteswissenschaftliche Forschung - wie beispielsweise die
Soziologie und die Kulturwissenschaften - haben das Thema in den 1980-er Jahren für sich
entdeckt und dabei reichlich Stoff für Forschungsprojekte, wie zum Beispiel im Bereich der
Exotismusforschung oder der Wirtschafts- und Sozialgeschichte gewinnen können.
Wirtschaftlich-marktorientierte Forschung auf dem Gebiet der weltweiten wirtschaftlichen
Entwicklungen wird seit Mitte der 1970-er Jahre immer wichtiger und präsenter. Ebenso
wie in der öffentlichen Meinung gibt es innerhalb der wissenschaftlichen Diskussion ein
breites Spektrum von Standpunkten. Als Extreme stehen sich auf der einen Seite die
marktorientierten Anhänger der Hyperglobalisierung wie Lowell Bryan und Diana Farell
(Market Unbound - Unleashing global Capitalism. New York. 1996) und auf der anderen
Seite die Skeptiker, wie Kenneth Waltz
(Globalization and American Power. In: The
national Interest. 2000. S. 46 ff.) gegenüber.
- 4 -

Für Hyperglobalisten wird der Globalisierungsprozess hauptsächlich von ungehindertem
Kapitalismus und technologischem Fortschritt geprägt und gefördert. Der Nationalstaat
wird als Resultat der Globalisierung zu Grabe getragen.
Skeptiker hingegen sehen in der Globalisierung primär eine Auseinandersetzung zwischen
Märkten und Staaten, wobei die Nationalstaaten gestärkt - oder zumindest unbeschädigt -
aus dem Globalisierungsprozess hervorgehen.
Zwischen den Polen der Hyperglobalisierer und der Skeptiker steht eine dritte Gruppe: die
der Transformationalisten. Sie sehen in der Globalisierung eine Kombination von
Modernisierungsbewegungen und stellen diese in einen historischen Zusammenhang, um
daraus Zyklen von Ansteigen und Abflauen globaler Bewegungen ablesen zu können. Ihrer
Ansicht nach wird der Nationalstaat als Hauptakteur die Globalisierung vorantreiben, aber
dadurch auch in seiner Struktur verändert werden.
Trotz dieser Unterschiede haben alle oben angesprochenen Gruppen auch gemeinsame
Positionen:
Die Feststellung, dass sich die Globalisierung - wie wir sie heute erleben - aus
dem Modernisierungsschub der "dritten industriellen Revolution" mit ihrer
zunehmenden Hochtechnisierung , Vernetzung und Automatisierung von
Produktionsabläufen speist. Umstritten ist aber, ob das der alleinige,
grundlegende Faktor für den heutigen Globalisierungsprozess ist, oder ob
dieser durch sich gegenseitig verstärkende Faktoren verursacht und gefördert
wird.
Die Idealisierung einer globalisierten Welt als Endzustand ist eine gemeinsame
Vorstellung beider Gruppen. Optimisten gehen von einer Erreichbarkeit dieses
Zieles aus. Skeptiker hingegen glauben nicht daran, dass der
Globalisierungsprozess seinen Abschluss in einer gänzlich globalisierten Welt
findet.
War Kritik an der Globalisierung zunächst nur eine Begleiterscheinung der zustimmenden
oder ablehnenden Beschreibung von Zuständen globaler Tendenzen, fanden sich die
Globalisierungsgegner spätestens seit den Straßenprotesten von Genua im Sommer 2001,
- 5 -

bei der es zu schweren Ausschreitungen und einem Todesfall kam, verstärkt in der
öffentlichen Diskussion wieder. Es gibt kaum einen Verlag, der nicht mit der
Veröffentlichung von Werken über globalisierungskritische Gruppen und Sachbezüge
aufwarten kann.
3. Darstellung und Erörterung der verwendeten Begriffe
Globalisierung ist ein weit gefasster Begriff. Schon in seiner Bedeutung füllt er einen
geradezu "globalen" Bedeutungsrahmen. Diese Tatsache macht es oft nicht leicht, den
Begriff angemessen einzusetzen. Deshalb versuche ich den Begriff der Globalisierung von
den ihn oft umgebenden Begleitbegriffen abzugrenzen. So fallen in der Diskussion um
Globalisierung die Begriffe "Internationalisierung", häufig mit Globalisierung gleichgesetzt,
"Regionalisierung", stets als eine gegenteilige Entwicklung von Globalisierung angesehen,
des weiteren "Globalismus" und "Globalität".
3.1. Globalisierung
Für den Begriff der Globalisierung gibt es keine einheitlich zutreffende Definition. Die
Benutzung des Begriffes ist - wie ich weiter unten aufführe - stets vom Kontext des Themas
abhängig in dessen Rahmen er eingesetzt wird. Erschwert wird eine eindeutige Zuordnung
durch die Tatsache, dass Globalisierung nicht nur einen Prozess, sondern auch einen
Zustand oder einen Metabegriff darstellt. Viele Autoren definieren in ihren
Veröffentlichungen den Begriff der Globalisierung entweder gar nicht, lediglich als
Allgemeinbegriff oder in dem engen Zusammenhang des jeweiligen Themas. So wird
Globalisierung beispielsweise als "Ausweitung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher
Handlungszusammenhänge über die politischen Grenzen des Nationalstaates hinaus", als
"gesellschaftliche Denationalisierung"
1
, als "ideologisches Projekt [...] getragen von der
Ideologie des Neoliberalismus"
2
, beziehungsweise als "vielschichtiger Prozess, [dessen]
- 6 -
2
Bewernitz, Torsten: Global X. Münster. 2002. S. 10.
1
Zürn, Michael: Politische Fragmentierung als Folge der gesellschaftlichen Denationalisierung.
In: Loch, Dietmar; Heitmeyer, Wilhelm. (Hgg.): Schattenseiten der Globalisierung. Frankfurt/Main. 2001.
S. 111.

Kern [...] das Zusammenwachsen der Märkte für Finanzen und Dienstleistungen [ist] mit
all ihren kulturellen Auswirkungen [...] der tief in unser Alltagsleben eingreift"
3
oder ganz
einfach als "unscharfer Systemkomplex"
4
beschrieben.
3.2. Internationalisierung
Internationalisierung und Globalisierung werden in der Literatur häufig gleichwertig
eingesetzt. Dies gilt vor allem im Bereich der Ökonomie, wo die Begriffe in ihren
Unterscheidungsmerkmalen wesentlich schwächer ausgeprägt sind als im Bereich der
politischen Wissenschaften. Hier beschreibt der Begriff der Internationalisierung die Rolle
souveräner Nationalstaaten innerhalb globaler Verflechtungen.
3.3. Regionalisierung
Regionalisierung bedeutet die regionale Bildung und Verdichtung von Interaktionssystemen
in kulturellen, politischen und ökonomischen Bereichen bezogen auf überregionale
Beziehungen. So kann Regionalisierung - etwa im ökonomischen Sinne - zum Beispiel das
schnellere Wachstum der Regionalwirtschaft im Vergleich zur Außenwirtschaft einer
bestimmten Region sein.
Die Diskussion über ökonomische Regionalisierung kennt zwei gegensätzliche Positionen:
Zum einen die Komplementaritätsthese, zum anderen die Substitutionalitätsthese. Die
Komplementaritätsthese sieht die Regionalisierung als Vorstufe der globalen Kooperation,
quasi als Weiterentwicklung der Nationalökonomie in Richtung Weltökonomie.
5
Die
Substitutionalitätsthese sieht in der Regionalisierung lediglich einen regionalen Ersatz für
globale Verflechtungen. Sie vermutet einen Zerfall der Globalwirtschaft in regionale
Wirtschaftsblöcke.
6
- 7 -
6
Bhagwati, Jagdish: Departures from Multilateralism. In: Economic Journal. 12/1990. In: Albert, Mathias;
Brock, Lothar; Hessler, Stephan; et. al. (Hgg.): Die Neue Weltwirtschaft. Entstofflichung und
Entgrenzung der Ökonomie. Frankfurt/Main. 1999. S. 109.
5
Hine, R.: Regionalism and the Integration of the World Economy. In: Journal of Common Market Studies.
30/1992. S. 115-123. In: Albert, Mathias; Brock, Lothar; Hessler, Stephan; et. al. (Hgg.): Die Neue
Weltwirtschaft. Entstofflichung und Entgrenzung der Ökonomie. Frankfurt/Main. 1999. S. 109.
4
Brunkhorst, Hauke; Kettner, Matthias: Globalisierung und Demokratie. Wirtschaft. Recht. Medien.
Frankfurt/Main. 2000. S. 22.
3
Internet: http://www.weedbonn.org Stand: 10. April 2003.

Spezialformen der Regionalisierung sind wirtschaftliche und politische Blockbildungen mit
einer Verdichtung des intraregionalen Kapital- und Warenverkehrs. Je nach Einteilung der
Blöcke spricht man dabei von Triade (Amerika, Europa und Südostasien; Südostasien steht
unter der Führung von Japan; China fällt in diesem Muster keine Führungsrolle zu),
beziehungsweise Quadriga (wie Triade; Südoastasien steht aber hierbei unter der Führung
von China oder Japan).
Die Triade weist keine einheitlichen Wirtschaftsstrukturen auf. So gibt es verschiedene
Kapitalismusformen - wie den sozialstaatlichen Kapitalismus ("Rheinischer Kapitalismus")
oder den Kapitalismus des postmodernen Neoliberalismus ("Angelsächsischer
Kapitalismus"), die beide innerhalb der liberalen Marktwirtschaft vorkommen. Andere
Kapitalismusformen sind der bürokratische Entwicklungsapparat Japans oder der
"Familienkapitalismus" im chinesischen Raum. Wirtschaftsregionen wie der
südamerikanische oder osteuropäische Raum, die an der Peripherie dieser Triaden liegen,
gliedern sich ganz oder teilweise in die nordamerikanischen oder westeuropäischen
Regionalblöcke ein.
Die Theorie der Triadisierung hat sich vor allem im globalisierungsskeptischen Lager
etabliert. Sie geht davon aus, dass der größte Teil der weltweiten Wirtschaftsbeziehungen
lediglich innerhalb der Triade abläuft. Tatsächlich findet der überwiegende Teil des
weltweiten Handels zwischen Ländern statt, die sich in formalen, regionalen oder
interregionalen Bündnissen befinden.
7
3.4. Globalismus
Der Begriff Globalismus bezeichnet die Idee einer einheitlichen Weltgesellschaft, die die
Heterogenität und Entwicklungsdifferenzen der Welt ausblendet oder lediglich als
Übergangsphänomen auf dem Weg zu einer einheitlichen Weltgesellschaft versteht. Somit
ist Globalismus keine Beschreibung herrschender Zustände, sondern zunächst eine
Forderung, eine "normativ gewordene Globalisierung".
8
Diese Forderung lässt sich in drei
Varianten einteilen:
- 8 -
8
Safranski, Rüdiger: Wieviel Globalisierung verträgt der Mensch? München. 2003. S. 21.
7
Deutscher Bundestag (Hrsg.): Globalisierung der Weltwirtschaft.
Schlussbericht der Enquete - Kommission. Opladen. 2002. S. 120.

Globalismus als neoliberale Idee, die die Verdrängung des politischen
Handelns durch den Weltmarkt propagiert. Der Begriff Globalismus wird
hierbei vor allem im Zusammenhang mit neoliberalen oder
weltmarktherrschaftlichen Positionen verwendet. Diese fassen die vielen
Gebiete, in denen Globalisierung stattfinden kann, wie ökologische, kulturelle
und politische Felder in eine ausschließlich wirtschaftlich ausgerichtete
Dimension zusammen. Die Globalisierung findet somit unter der Dominanz des
Weltmarktsystems statt. Der ideologische Unterbau des Globalismus liegt in
der Aufhebung der Trennung von Politik und Wirtschaft. Damit geht eine
zentrale Aufgabe der Politik verloren: Die Schaffung wirtschaftlicher,
rechtlicher und sozialer Rahmenbedingungen, unter denen wirtschaftliches
Handeln ermöglicht und legitimiert wird. In dieser Globalismusvariante wird
versucht, einen Staat mit allen seinen Facetten - wie Gesellschaft, Kultur und
Außenpolitik - unternehmensgleich zu führen.
Globalismus als Anti-Nationalismus: Der Anti-Nationalismus, der zunächst
eine weltbürgerliche - keine marktorientierte - Idee darstellt, steuert die
Auflösung der nationalstaatlichen Gegebenheiten an und will so die Gefahr
nationalistischer Tendenzen und ihrer Auswüchse verhindern. Laut Safranski
kann es jedoch ohne eine emotional-nationalstaatlich geprägte Ortsbindung zu
Entwurzelungsängsten kommen. Die Menschheit könne zwar global
kommunizieren und reisen, aber im Globalen könne man nicht wohnen - dazu
bedürfe es einer emphatischen Ortsfestigkeit. Die Gefahr der Bindungslosigkeit
des Individuums in einer globalisierten Welt schränke die Bereitschaft der
Menschen ein, globalistisch-weltoffen zu denken.
9
Die dritte Variante des Globalismus rückt den Menschen in den
Mittelpunkt und betrachtet die Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen im
Prozess der Globalisierung. Es erfolgt hierbei eine Ausdifferenzierung des
Menschen weg vom vereinheitlichten Handelssubjekt hin zum einzelnen
Individuum. Diese Form von Globalismus konkretisiert die Erde - den Globus -
- 9 -
9
Vgl. Safranski, Rüdiger: Wieviel Globalisierung verträgt der Mensch? München. 2003. S. 24.

als Wirkungsstätte und Auswirkungsort menschlichen Handelns und betrachtet
im Umkehrschluss die Auswirkungen dieses menschlichen Handelns auf die
Heimstatt des Menschen. Somit kann man in Bezug auf diese
Globalismusvariante von einer Art globaler Technikfolgeabschätzung sprechen.
3.5. Globalität
Globalität beschreibt einen Zustand, in dem alle Gesellschaften bereits Teil einer
Weltgesellschaft sind und in einer uneinheitlichen Form bestehen, innerhalb derer sich
niemand von seinen globalen "Nachbarn" abschotten kann. Die Weltgesellschaft drückt sich
in der Gesamtheit aller sozialen Beziehungen aus, die sich nicht in nationalstaatlicher
Herrschaft begrenzen lassen oder durch sie gelenkt werden.
Nach der Darstellung der verschiedenen Begriffe, die in der Globalisierungsdiskussion
benutzt werden, möchte ich nun versuchen, Globalisierungstendenzen in verschiedenen
Bereichen aufzuzeigen. Dazu betrachte ich die Auswirkung der Globalisierung in Bezug auf
Politik, internationale Wirtschaftsbeziehungen und Kultur. Aufgrund der engen Vernetzung
der dargestellten Themen werden auch Teilbereiche angesprochen, die nicht originär in die
Felder Politik, Wirtschaft und Kultur fallen. Interessant erscheint meiner Ansicht nach dabei
eine getrennte Betrachtung von politischen und ökonomischen Globalisierungstendenzen, da
diese häufig nur in direkter Abhängigkeit voneinander betrachtet werden.
Ein wichtiger Punkt der Betrachtungen über Globalisierung auf dem Gebiet der Politik ist
das Thema "Global Governance".
4. Politische Globalisierung
Die zunehmende Globalisierung verändert die Anforderungen an nationale Politik in vielen
Bereichen. Vorbei sind die Zeiten, in denen Konflikte irgendwo in der Welt die Außen- und
Sicherheitspolitik , also die eigenen nationalen Interessen nicht - oder nur am Rande -
berührten. "Staatenlose" Herausforderungen, wie steigende Migrationsbewegungen, sich
verteuernde Gesundheitsvorsorge, Umweltschutz und die Stabilität der Weltwirtschaft, die
- 10 -

an den eigenen Grenzen keinen Halt machen, lassen sich nicht von einzelnen isolierten
Nationen oder Staatenbündnissen beherrschen. Die in den angeführten Feldern be- und
entstehenden Probleme sind zwar nicht alleine der Globalisierung anzulasten, sie können
jedoch durch zunehmende Globalisierung beschleunigt und verstärkt werden.
Über die Interaktion zwischen nationalstaatlicher Politik untereinander und
nationalstaatlicher Politik im Handlungsspielraum globaler Herrschaftspolitik bestehen zwei
verschiedene Auffassungen: Zum einen die neo-realistische, zum anderen die
liberal-idealistische Theorie.
Die neo-realistische Annahme geht davon aus, dass jeder Staat die Form seiner politischen
Gestaltung und seiner Binnenprozesse selber wählt, dass seine Entscheidungen aber durch
die bloße Existenz anderer Staaten und die Interaktion mit diesen beeinflusst sind. Es
handelt sich also um eine wechselseitige Beziehung zwischen der innerstaatlichen
Herrschaftspolitik und der internationalen Struktur. Diesen Vorgaben sind alle Staaten
unterworfen.
10
Der liberal-idealistischen Theorie zufolge kommt es zu einer stärkeren Gewichtung
innerstaatlicher Strukturen - also der Gesellschaft und Herrschaftspolitik - innerhalb der
Ordnung internationaler Systeme. Die binnenstaatlichen Prozesse wirken sich nach der
liberal-idealistischen These stärker auf das Beziehungsgefüge internationaler Strukturen aus
als nach der neo-realistischen Auffassung. Exemplarisch belegt werden soll die Theorie der
liberal-idealistischen Weltordnung mit der Aussage, dass demokratisch verfasste Staaten
seltener untereinander Krieg führen, als beispielsweise diktatorisch geleitete Staaten.
11
Ableitend daraus wird die Etablierung demokratischer Staaten zum Ziele einer politischen
Neuordnung der Welt nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems
vorangetrieben.
Allerdings birgt die liberal-idealistische Auffassung - und die daraus abgeleitete Theorie der
friedlich koexistierenden Demokratien und der kriegstreibenden Diktaturen - auch
Schwachpunkte.
- 11 -
11
Ibid., S. 23.
10
Link, Werner: Die Neuordnung der Weltpolitik. München. 1999. S. 22.

Als Kritikpunkt lässt sich beispielsweise anführen, dass die Koexistenz demokratischer
Staaten nach 1945 nicht nur auf dem vermeintlich friedliebenden Charakter der
demokratischen Systeme an sich basiert, sondern sich auf den Zweck des Bündnisses gegen
die kommunistische Herrschaft reduzieren lässt. Somit wurden mögliche Konflikte
demokratischer Staaten nicht durch demokratische Tugenden, sondern durch internationale
Bündnisse und Beschränkungen verhindert. Aus diesem Grund ist auch eine statistische
Begründung - die lediglich die Anzahl der seit 1945 ausgetragenen Konflikte zählt - nicht
stichhaltig.
Dass demokratische Regierungen eine friedliche Koexistenz nicht zwangsläufig suchen, lässt
sich an den folgenden drei Beispielen aufzeigen:
Die amerikanische Außenpolitik gegenüber Nordkorea
Nordkorea fuhr in den Jahren der amerikanischen Clinton-Administration einen
Entspannungskurs, der geprägt war durch den Beitritt Nordkoreas zum
Atomwaffensperrvertrag, der Unterstützung der südkoreanischen
Entspannungspolitik und der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu einer
Reihe von Drittländern. Durch die einsetzenden diplomatischen Attacken der
amerikanischen Bush-Regierung seit dem Jahr 2000 - mit der Klassifizierung
Nordkoreas als Schurkenstaat und Teil einer Achse des Bösen - kehrte
Nordkorea zu einer zunehmenden Politik der Spannung zurück. Dieses Beispiel
verdeutlicht, dass ein System wie die USA nicht alleine durch seine
demokratische Legitimation an friedlichen Umgangsformen gegenüber anderen
Staaten interessiert sein muss.
Diesem Beispiel kann man die allgemeine Präventivpolitik der
US-Administration seit dem 11. September 2001 anfügen, deren Ziele über den
Kampf gegen terroristische Aktivitäten hinausgehen.
Der indisch-pakistanische Grenzkonflikt
Dass demokratische Staaten kein natürliches Interesse an Konfliktvermeidung
haben, wird auch anhand des Grenzkonfliktes zwischen Indien und Pakistan
deutlich:
- 12 -

Kern der Auseinandersetzungen der beiden Länder ist das Gebiet Kaschmir, auf
das sowohl Indien als auch Pakistan - beides zumindest teilweise verfasste
Demokratien - Anspruch erheben. Bei dem Kaschmir-Konflikt handelt es sich
nicht um einen reinen Territorialkonflikt, sondern um einen mehrschichtigen
Interessenkonflikt: Das Gebiet Kaschmir hat zwei wichtige strategische
Funktionen. Zum einen kann man von dort aus die Wasservorräte Zentralasiens
kontrollieren, zum anderen gewährt dieses Gebiet Zugang zum gesamten
zentralasiatischen Raum.
Auch ideologisch hat Kaschmir wichtige Funktionen: Mit seiner Eingliederung
will Indien auf seinen pluralistischen und säkularen Charakter hinweisen und
die Integrationskraft der indischen Union unterstreichen. Auf Seiten Pakistans
dient Kaschmir als Symbol der Selbstbestimmung und der
Zusammengehörigkeit aller Muslime Südasiens.
12
Wie man an diesem Konflikt erkennt, übersteigen die strategischen und
ideologischen Interessen von Staaten, auch wenn diese demokratisch legitimiert
sind, oft das Bedürfnis nach einer friedlichen Koexistenz.
Der Fußballkrieg zwischen El Salvador und Honduras
Ein extremes Bespiel für zwischenstaatliches Konfliktpotenzial ist der
Fußballkrieg zwischen Honduras und El Salvador im Jahre 1969.
Bei El Salvador und Honduras handelte es sich zu diesem Zeitpunkt um
schwach ausgeprägte Demokratien, beziehungsweise Oligarchien - keine
diktatorischen Systeme.
Anlass dieses Krieges, der 3000 Opfer forderte und 50 Mio. Dollar Schaden
anrichtete, waren Grenzstreitigkeiten zwischen beiden Ländern, die nach den
Fußballspielen um die Weltmeisterschaftsqualifikation vom 8. und 15. Juni
1969 eskalierten. Die juristische Beilegung des Krieges, die erst 1980 stattfand,
änderte nichts an den Grenzstreitigkeiten. Bis heute gibt es - trotz eindeutiger
Gerichtsurteile - keine offizielle Grenzziehung.
13
- 13 -
13
Niebling, Ursula: El Salvador / Honduras ("Fußballkrieg"). Hamburg. 2002. Internet:
http://www.sozialwiss.uni-hamburg.de/publish/lpw/ Akuf/kriege/100_elsalvador-honduras.htm
Stand: 10. April 2003.
12
Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages (Hrsg.): Der aktuelle Begriff.
Der Kaschmir-Konflikt. Internet: http://www.bundestag.de/aktuell Stand: 10. April 2003.

Die Betrachtung dieser Beispiele führt zu dem Schluss, dass man mit allzu optimistischen
Erwartungen an eine globale demokratisierte Neuordnung der Welt vorsichtig sein sollte.
Auch die Hoffnung, dass mit dem Zusammenbruch des Kommunismus die demokratischen
Systeme fast naturgemäß auf dem Vormarsch sein müssten, ist trügerisch. Zum einen
wehren sich viele nicht-westliche Länder gegen eine Vereinnahmung durch westlichen
Politik- und Kulturimport, zum anderen besteht die Gefahr der Erosion von demokratischen
Strukturen in bereits bestehenden Demokratien durch Aushöhlung nationalstaatlicher
Lenkungsinstrumente.
Begibt man sich vom Feld der zwischenstaatlichen Kooperation weg zu binnenstaatlichen
Auswirkungen der Globalisierung, begegnet man häufig dem Vorwurf, staatliche
Institutionen seien auf Grund ihrer starren Strukturen und Entscheidungsmechanismen nicht
in der Lage, angemessen auf die vielfältigen und schnell wechselnden Anforderungen
globaler und transnationaler Geschehnisse reagieren zu können.
Politische und ökonomische Liberalisierung und der rasante technische Fortschritt sorgen
dafür, dass die Handlungsspielräume mehr und mehr funktional - nicht mehr regional -
bestimmt sind. Auch die Geschwindigkeit von Handels- und Transaktionsvorgängen sowie
häufige Produktwechsel und Innovationszyklen erschweren die Kompetenzzuweisungen der
klassisch-bürokratischen Regierungsinstitutionen, die dadurch oft nur reagieren können,
statt zu agieren. Traditionelle nationalstaatliche Handlungsweisen, wie beispielsweise die
rein zwischenstaatliche oder eingeschränkte, meist regional begrenzte Kooperation, greifen
bei der Reaktion auf globalwirtschaftliche Anforderungen häufig zu kurz. Diese Sichtweise
einer Entmachtung nationalstaatlicher Souveränität findet sich beispielsweise bei Kinsey
wieder: Dort heißt es, die Staatsregierungen müssten sich der Tatsache bewusst werden,
dass der globale Kapitalmarkt selbst eine einflussreiche Macht sei, und dass dem Einzelstaat
politisch immer weniger Möglichkeiten offen stünden den heimischen Finanzmarkt direkt zu
kontrollieren.
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An gleicher Stelle heißt es, der Staat müsse - um seinen Bürgern und seiner
Wirtschaft keinen Schaden zuzufügen - die Revolution des globalen Kapitalismus
akzeptieren. Niklas Luhmann hält den Versuch, mit nationalstaatlichen Mitteln auf die
globalen Finanzmärkte einzuwirken, für ähnlich wirkungsvoll wie den Regentanz der
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14
Lowell, Bryan; Farell, Diana: Der entfesselte Markt. Wien. 1997. S. 34.

Hopi-Indianer: Dieser sei zwar für die Funktion des Regen machens untauglich, ein latenter
Nutzen entstehe aber bereits aus der bloßen Zusammenkunft der Indianerstämme.
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Dass die marktherrschaftlich geprägten Einschätzungen über Globalisierung häufig
überoptimistisch waren, lässt sich an der Entwicklung der Finanzmärkte in den Jahren
2000-2003 und an den Finanzskandalen im Zusammenhang mit Firmenzusammenbrüchen
wie im Falle von Enron und Worldcom ablesen. Deshalb stellt sich die Frage, ob staatliche
oder intergouvernementale Systeme tatsächlich in der Lage sein müssen, alle Facetten der
Globalisierung aufzunehmen und zu beherrschen. Eine Beschränkung auf eine weitsichtige
und abwägende Rahmengesetzgebung von transnationalen Institutionen könnte in einigen
Bereichen den überhasteten Reaktionen auf möglicherweise nur kurz lebige Trends
überlegen sein. Ein gutes Beispiel dafür bietet die Entscheidung der Finanzminister der
Europäischen Union (EU) vom 21. Januar 2003 zur Einführung einer einheitlichen
Zinsbesteuerung, die verhindern soll, dass durch Kapitalflucht Schwarzgelder in
"Steueroasen" abgezweigt werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass mit der
Schweiz auch eine Regierung der nicht in der Europäischen Union organisierten Länder in
Teilen zugestimmt hat.
Außerdem existieren weitere Strategien staatlicher Handlungssysteme, die sich mit den
Folgen der Globalisierung auseinandersetzen und Lösungen anbieten: So gibt es
beispielsweise defensive Möglichkeiten der Einflussnahme, wie Handelsbeschränkungen und
Steuerung von Zuwanderung.
Auf der anderen Seite können politische Systeme auf nationalstaatlicher Ebene aktiv an
Möglichkeiten der Globalisierung teilnehmen, zum Beispiel durch Deregulierung, Schaffung
günstiger Standortbedingungen, durch Subventionen oder entsprechende Außen-, Steuer-,
und Wirtschaftspolitik. Dabei kann allerdings - vor allem durch Deregulierung - die Gefahr
einer Einschränkung staatlicher Handlungsfähigkeit entstehen.
Eine weitere Möglichkeit, auf Globalisierungstendenzen
zu reagieren, ist ein regionaler
Zusammenschluss, wie der
der Europäischen Union oder die Bündelung von Interessen
einzelner Wirtschaftsnationen. Dieses Vorgehen ist aber nicht unproblematisch, weil bei
Verhandlungen zwischen Staaten nur auf marktwirtschaftlicher Ebene die Gefahr von
Blockbildung (Triadisierung) besteht, welche andere Marktteilnehmer an die Peripherie
- 15 -
15
Vgl. Luhmann, Niklas: Politik und Wirtschaft. In: Merkur. 7/1995. S. 573-581.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832470814
ISBN (Paperback)
9783838670812
Dateigröße
789 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg – Philosophische Fakultät III
Note
2,3
Schlagworte
attac weltwirtschaft globalisierungsgegner kulturaustausch konflikte
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Titel: Globalisierung und Globalisierungskritik
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