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Betriebliches Vorschlagswesen

Interessen und Hemmnisse beim Einreichen von Verbesserungsvorschlägen

©2003 Diplomarbeit 152 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Laufende Innovationen sind eine entscheidende Voraussetzung für das Überleben eines Unternehmens. Dies gilt besonders in einer zunehmend dynamischeren und sich immer schneller verändernden betrieblichen Umwelt. Dabei verlassen sich viele Unternehmen nicht nur auf das innovative Potential von Führungskräften und Mitarbeitern aus den Planungs- und Entwicklungsabteilungen, sondern versuchen die Erfahrungen und das Kreativitätspotential aller Mitarbeiter, gerade auch auf unterster Hierarchieebene, zu nutzen. Das Betriebliche Vorschlagswesen (BVW) ist eine relativ alte und etablierte betriebliche Einrichtung, die genau diesem Zweck dient. Die Grundidee besteht darin, dass Mitarbeiter Vorschläge zur Verbesserung von betrieblichen Abläufen einreichen können und als Gegenleistung dafür eine finanzielle Anerkennung erhalten. Welche Bedeutung das BVW für Unternehmen hat, zeigt sich nicht zuletzt an den dadurch erzielten Einsparungen. Die 425 Unternehmen und Öffentlichen Körperschaften, die sich an der Umfrage des Deutschen Instituts für Betriebswirtschaft (DIB) im Jahre 2001 beteiligten, gaben zusammen Einsparungen in Höhe von 1,25 Milliarden Euro an (DIB 2001, 1).
Der Erfolg eines BVW steht und fällt mit der Teilnahme der Mitarbeiter. Entscheidend hierfür ist zum einen die Fähigkeit der Mitarbeiter, Probleme zu erkennen und Lösungen für diese zu finden, zum anderen die Bereitschaft, sich am BVW zu beteiligen. Letzterem gilt das Interesse dieser Arbeit. Im Mittelpunkt stehen die Gründe, die einen Mitarbeiter zur Beteiligung am BVW bewegen, die Hemmnisse, die ihn davon abhalten sowie mögliche Einflussfaktoren darauf. Zentrales Anliegen dieser Arbeit ist es, das BVW als betriebliches Phänomen und die Bereitschaft der Mitarbeiter, sich daran zu beteiligen, im Rahmen einer geeigneten soziologischen Theorie darzustellen und zu erklären. Der Weg von der Entstehung einer Verbesserungsidee bis zu ihrer Umsetzung lässt sich als ein Innovationsprozess mit mehreren Phasen darstellen.
Diese Arbeit konzentriert sich im Wesentlichen auf den Schnittpunkt zwischen den beiden Phasen der Ideengenerierung und der Ideenakzeptierung. Die Wahl dieses thematischen Schwerpunkts bedeutet nicht, dass die anderen Phasen als weniger wichtig erachtet werden. Vielmehr beruht dies auf der Notwendigkeit einer inhaltlichen Eingrenzung der Arbeit.
Gang der Untersuchung:
Im ersten Teil dieser Arbeit ist es notwendig, die grundlegende Funktionsweise des BVWs […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7031
Hauser, Florian: Betriebliches Vorschlagswesen: Interessen und Hemmnisse beim
Einreichen von Verbesserungsvorschlägen
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Fachhochschule Südwestfalen, Universität, Diplomarbeit, 2003
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http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
Seite - i -
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS ...I
ANMERKUNGEN ... IV
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ... IV
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ... IV
TABELLENVERZEICHNIS...V
EINLEITUNG ... 1
1
DAS BETRIEBLICHE VORSCHLAGSWESEN ... 4
1.1
Notwendigkeit und betriebliches Interesse am BVW... 4
1.2
Organisation... 7
1.2.1
Der Verbesserungsvorschlag...7
1.2.2
Aufbau- und Ablauforganisation des BVW´s ...8
1.2.3
Weitere Akteure im BVW...9
1.3
Führung... 10
1.4
Organisationskultur ... 14
1.5
Kritik am klassischen BVW-Modell... 17
1.6
Erweiterungen des BVW´s ... 18
1.6.1
Dezentralisierung und Deregulierung ...18
1.6.2
Gruppenarbeit und BVW: Gruppenvorschläge ...20
1.6.3
Vorgesetzten-Modell ...23
2
TEILNAHME AM BVW ALS TAUSCH UNTER UNSICHERHEIT... 27
2.1
Grundlegende Begrifflichkeiten des Tauschs ... 28
2.2
Die Funktionen des Tauschs ... 29

Seite - ii -
Inhaltsverzeichnis
2.3
Die Formen des Tauschs ... 30
2.3.1
Der einfache Tausch...31
2.3.2
Der soziale Tausch ...34
2.4
Interessen und Hemmnisse beim Einreichen von Verbesserungsvorschlägen... 36
2.4.1
Interessen beim Einreichen von Verbesserungsvorschlägen ...36
2.4.2
Gründe für eine Nichtteilnahme am BVW...41
2.5
Möglichkeiten zur Förderung und Absicherung von Austausch... 48
2.5.1
Drei Ansatzpunkte ...48
2.5.1.1
Erträge ... 48
2.5.1.2
Transaktionskosten... 50
2.5.1.3
Tauschrisiko ... 50
2.5.2
Mechanismen ...51
2.5.2.1
Gelegenheiten des Zusammentreffens ... 51
2.5.2.2
Wiederholter Austausch und Einbettung in ein Beziehungsnetzwerk ... 52
2.5.2.3
Einbettung in eine übergeordnete Beziehung ... 54
2.5.2.4
Institutionen und Normen... 57
2.5.2.5
Vertrauen ... 67
3
EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG... 71
3.1
Untersuchungsrahmen... 72
3.1.1
Das Unternehmen...72
3.1.2
Datenerhebung ...74
3.1.3
Auswertung und Darstellung der Ergebnisse ...76
3.2
Beteiligung... 78
3.3
Das BVW allgemein... 81
3.3.1
Bewertung des BVW...81
3.3.2
Beurteilung der Annahme- und Umsetzungswahrscheinlichkeit ...87
3.3.3
Sinnhaftigkeit des BVW´s ...90
3.3.4
Unterstützung des BVW´s ...91
3.4
Gründe für die Einreichung eines Vorschlags ... 92
3.5
Gründe für eine Nichtteilnahme am BVW ... 95
3.6
Der Vorgesetzte ... 98
3.6.1
Das allgemeine Verhältnis zwischen Mitarbeiter und Führungskraft...98

Inhaltsverzeichnis
Seite - iii -
3.6.2
Erwartete Reaktion der Führungskraft ... 101
3.6.3
Thematisierung des BVW´s durch die Führungskraft... 103
3.6.4
Eingereichte Vorschläge der Mitarbeiter... 104
3.6.5
Zusammenfassung ... 106
3.7
Die Kollegen...108
3.7.1
Die Beteiligung der Kollegen am BVW... 109
3.7.2
Thematisierung des BVW´s durch die Kollegen... 110
3.7.3
Beurteilung durch die Kollegen... 111
3.7.4
Zusammenfassung ... 112
3.8
Gruppenarbeit...112
3.9
Eingereichte Vorschläge ...114
3.9.1
Unterschiede zwischen Teilnehmern und Nichtteilnehmern am BVW ... 115
3.9.2
Anzahl der eingereichten Verbesserungsvorschläge... 120
3.9.3
Einreichweg... 122
3.9.4
Grund für die Wahl des Einreichwegs... 123
3.9.5
Bitte um Unterstützung ... 124
3.9.6
Erhalt von Unterstützung ... 125
3.9.7
Ablehnung eines Verbesserungsvorschlags ... 126
3.9.8
Zusammenfassung ... 128
3.10
Maßnahmen...128
3.10.1
Die Verbesserung des Informationsstands der Mitarbeiter... 129
3.10.2
Die Steigerung des Engagements der Führungskräfte ... 131
4
FAZIT... 133
LITERATURVERZEICHNIS... 135
GESAMMELTE ERFAHRUNGEN... 141

Seite - iv -
Anmerkungen / Abkürzungsverzeichnis / Abbildungsverzeichnis
Anmerkungen
Folgende Begriffe werden synonym verwendet: Unternehmensleitung, Geschäftsfüh-
rung, Arbeitgeber, Unternehmensseite, Top-Management.
Aus Gründen der Lesbarkeit wurde auf die Verwendung beider Geschlechtsformen
verzichtet. Selbstverständlich gelten die Aussagen sowohl für Frauen als auch Männer,
soweit nicht explizit anders angegeben.
Abkürzungsverzeichnis
VV
:
Verbesserungsvorschlag / Verbesserungsvorschläge
BVW :
Betriebliches Vorschlagswesen
TN
:
Teilnehmer
FK
:
Führungskraft
MA
:
Mitarbeiter
AN
:
Arbeitnehmer
AG
:
Arbeitgeber
z.T.
:
zum Teil
z.B.
:
zum Beispiel
s.
:
siehe
s.a.
:
siehe auch
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Phasen eines Innovationsprozesses (nach Thom 1992, 8f.) ... 2
Abbildung 2: Inhaltlicher Bezug von Verbesserungsvorschlägen... 8
Abbildung 3: Gründe für die Beteiligung am BVW ...40
Abbildung 4: Gründe für die Nichtteilnahme am BVW...43
Abbildung 5: Unsicherheitserzeugende Faktoren ...47

Tabellenverzeichnis
Seite - v -
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Rücklaufquote und Verteilung nach Status ...78
Tabelle 2: Beteiligung nach Geschlecht ...78
Tabelle 3: Zufriedenheit mit der Klarheit des Verfahrens zum Einreichen eines Vorschlags ...81
Tabelle 4: Zufriedenheit mit der Höhe der Prämie ...82
Tabelle 5: Zufriedenheit mit der Objektivität der Beurteilung über die Annahme eines VV´s ..83
Tabelle 6: Zufriedenheit mit der Mitteilung des Beurteilungsergebnisses...84
Tabelle 7: Zufriedenheit mit der Dauer der Beurteilung ...85
Tabelle 8: Zufriedenheit mit den erhaltenen Informationen über das BVW ...85
Tabelle 9: Beurteilung der Annahmewahrscheinlichkeit ...87
Tabelle 10: Beurteilung der Umsetzungswahrscheinlichkeit bereits angenommener VV...88
Tabelle 11: Annahmequote im Zeitraum 2000-2002 ...89
Tabelle 12: Beurteilung der Sinnhaftigkeit des BVW´s ...90
Tabelle 13: Einschätzung der Unterstützung des BVW´s durch die Geschäftsführung ...91
Tabelle 14: Rangfolge der Beteiligungsgründe ...93
Tabelle 15: Zielsetzung bei Einreichen eines Verbesserungsvorschlags ...94
Tabelle 16: Rangvergleich der Gründe für eine Nichtbeteiligung...95
Tabelle 17: Einschätzung des allgemeinen Verhältnisses zwischen Mitarbeiter und
Führungskraft...98
Tabelle 18: Erwartete Beurteilung durch den Vorgesetzten bei Teilnahme am BVW... 101
Tabelle 19: Thematisierung des BVW´s durch den direkten Vorgesetzten... 103
Tabelle 20: Anzahl der erhaltenen VV im Jahre 2002 ... 104
Tabelle 21: Zufriedenheit mit der Anzahl der erhaltenen VV... 105
Tabelle 22: Aufwand durch die erhaltenen VV... 105
Tabelle 23: Aufforderung eine Idee als VV einzureichen ... 106
Tabelle 24: Beteiligung der Kollegen am BVW... 109
Tabelle 25: Thematisierung des BVW´s unter Kollegen... 110
Tabelle 26: Erwartete Beurteilung durch die Kollegen bei Teilnahme am BVW... 111
Tabelle 27: Teilnahme am BVW ... 114
Tabelle 28: Anzahl der eingereichten Verbesserungsvorschläge (nur Männer) ... 121
Tabelle 29: Einreichweg ... 122
Tabelle 30: Bitte um Unterstützung ... 124
Tabelle 31: Erhalt von Unterstützung... 125
Tabelle 32: Zufriedenheit mit der erhaltenen Unterstützung ... 126
Tabelle 33: Nachvollziehbarkeit der Begründung ... 127

Einleitung
Seite -
1
-
,,Der austauschende Produzent spürt wieder, wie er es schon
immer gespürt hat ­ doch diesmal spürt er es schärfer - , daß er
mehr als nur Produkte oder Arbeitszeit austauscht, daß er ein
Stück von sich selbst, seine Zeit und sein Leben gibt. Also möchte
er für die Gabe, wie bescheiden auch immer, entschädigt werden.
Und ihm diese Entschädigung verweigern hieße, ihn zur Faulheit
und zu geringerer Leistung treiben." (Mauss, 1990 [1950], 174)
,,Es ist doch im Grunde alles ein Geben und Nehmen."
(ein Mitarbeiter der Abteilung Betriebliches Vorschlagswesen)
Einleitung
Laufende Innovationen sind eine entscheidende Voraussetzung für das Überleben eines
Unternehmens. Dies gilt besonders in einer zunehmend dynamischeren und sich immer
schneller verändernden betrieblichen Umwelt. Dabei verlassen sich viele Unternehmen
nicht nur auf das innovative Potential von Führungskräften und Mitarbeitern aus den
Planungs- und Entwicklungsabteilungen, sondern versuchen die Erfahrungen und das
Kreativitätspotential aller Mitarbeiter, gerade auch auf unterster Hierarchieebene, zu
nutzen.
Das Betriebliche Vorschlagswesen (BVW) ist eine relativ alte und etablierte betriebli-
che Einrichtung, die genau diesem Zweck dient. Die Grundidee besteht darin, dass
Mitarbeiter Vorschläge zur Verbesserung von betrieblichen Abläufen einreichen können
und als Gegenleistung dafür eine finanzielle Anerkennung erhalten. Welche Bedeutung
das BVW für Unternehmen hat, zeigt sich nicht zuletzt an den dadurch erzielten
Einsparungen. Die 425 Unternehmen und Öffentlichen Körperschaften, die sich an der
Umfrage des Deutschen Instituts für Betriebswirtschaft (DIB) im Jahre 2001 beteiligten,
gaben zusammen Einsparungen in Höhe von 1,25 Milliarden an (DIB 2001, 1).
1
1
Die tatsächlichen Einsparungen liegen noch weitaus höher, da in dieser Statistik nur die Einsparungen erfasst
werden, die sich quantifizieren lassen und die im ersten Jahr nach Einführung der Verbesserung anfallen. Viele
Vorschläge haben aber auch einen nichtberechenbaren Nutzen bzw. eine Wirkungsdauer von mehreren Jahren.

Seite - 2 -
Einleitung
Forschungsinteresse und Themenabgrenzung
Der Erfolg eines BVW steht und fällt mit der Teilnahme der Mitarbeiter. Entscheidend
hierfür ist zum eine n die Fähigkeit der Mitarbeiter, Probleme zu erkennen und Lösun-
gen für diese zu finden, zum anderen die Bereitschaft, sich am BVW zu beteiligen.
Letzterem gilt das Interesse dieser Arbeit. Im Mittelpunkt stehen die Gründe, die einen
Mitarbeiter zur Beteiligung am BVW bewegen, die Hemmnisse, die ihn davon abhalten
sowie mögliche Einflussfaktoren darauf. Zentrales Anliegen dieser Arbeit ist es, das
BVW als betriebliches Phänomen und die Bereitschaft der Mitarbeiter sich daran zu
beteiligen im Rahmen einer geeigneten soziologischen Theorie darzustellen und zu
erklären.
Der Weg von der Entstehung einer Verbesserungsidee bis zu ihrer Umsetzung lässt sich
als ein Innova tionsprozess mit mehreren Phasen darstellen (siehe Abbildung 1).
2
Diese
Arbeit konzentriert sich im Wesentlichen auf den Schnittpunkt zwischen den beiden
Phasen der Ideengenerierung und der Ideenakzeptierung. Die Wahl dieses thematischen
Schwerpunkts bedeutet nicht, dass die anderen Phasen als weniger wichtig erachtet
werden. Vielmehr beruht dies auf der Notwendigkeit einer inhaltlichen Eingrenzung der
Arbeit.
Abbildung 1: Phasen eines Innovationsprozesses (nach Thom 1992, 8f.)
Gliederung der Arbeit
Im ersten Teil dieser Arbeit ist es notwendig, die grundlegende Funktionsweise des
BVW´s darzustellen. An dieser Stelle sollen auch ausgewählte betriebliche Einflussfak-
toren in Bezug auf die Teilnahmebereitschaft der Mitarbeiter sowie wichtige Weiter-
entwicklungen des BVW´s erläutert werden. In der einschlägigen Literatur zum BVW
werden diese Weiterentwicklungen immer wieder vorbehaltlos als die Lösung aller
2
Diese analytische Trennung der einzelnen Phasen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Praxis keine
streng lineare Abfolge der einzelnen Phasen vorliegt, sondern diese z.T. parallel oder zyklisch verlaufen (Meißner
1989, 23).
Ideengenerierung
Ideenakzeptierung
Ideenumsetzung
§
Suchfeld-
bestimmung
§
Ideenfindung
§
Ideenvorschlag
§
Prüfung der Idee
§
Erstellen von Realisati-
onsplänen
§
Entscheidung für einen zu
realisierenden Plan
§
Konkrete Verwirklichung
der Idee
§
Absatz der neuen Idee an
den Adressaten
§
Akzeptanzkontrolle

Einleitung
Seite -
3
-
Probleme angepriesen. Diese Arbeit plädiert für einen kritischen (nicht ablehnenden!)
Umgang mit ihnen und möchte auf die damit verbundenen Risiken aufmerksam
machen.
Im zweiten Teil der Arbeit soll die Ausarbeitung eines theoretischen Rahmens erfolgen,
mit dem sich das BVW und die Teilnahme der Mitarbeiter daran erfassen lassen. Zentral
wird dabei der Begriff des Tauschs sein. Besondere Aufmerksamkeit erfahren die
Interessen, die Mitarbeiter mit dem Einreichen eines Verbesserungsvorschlags verfo l-
gen bzw. die Gründe, die sie von einer Beteiligung abhalten. Ins Blickfeld rücken damit
auch Maßnahmen zur Steigerung der Teilnahmebereitschaft am BVW.
Dem Autor dieser Arbeit ist es wichtig, sich nicht nur theoretisch mit einem stark von
der Praxis geprägten Thema auseinanderzusetzen. Aus diesem Grund besteht der dritte
Teil dieser Arbeit aus einer empirischen Untersuchung, in deren Rahmen eine quantita-
tive Mitarbeiterbefragung in einem Unternehmen durchgeführt wurde.
Neben der Überprüfung von Hypothesen dient die Untersuchung vor allem einer
Analyse der Interessen und Hemmnisse der Mitarbeiter sowie deren Wahrnehmung des
BVW´s. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen als Grundlage für eine effektivere
Gestaltung des BVW´s in dem untersuchten Unternehmen dienen und so dazu beitra-
gen, das Wissen und die Erfahrungen der Mitarbeiter besser nutzen zu können. Gleich-
zeitig soll aber auch auf die Belange und möglichen Befürchtungen der Mitarbeiter
aufmerksam gemacht werden.
Denn eines wird im Verlauf dieser Arbeit deutlich: ein BVW kann nur dann erfolgreich
sein, wenn es auf lange Sicht die Interessen beider Seiten befriedigt ­ die des Unter-
nehmens und die der Mitarbeiter.

Seite - 4 -
Das Betriebliche Vorschlagswesen
1
Das Betriebliche Vorschlagswesen
Definieren lässt sich das BVW als eine
,,...betriebliche Einrichtung zur Förderung, Begutachtung, Anerkennung und
Umsetzung von Verbesserungsvorschlägen der Mitarbeiter, welche der Verein-
fachung oder der Erleichterung von Arbeitsabläufen, der Qualitätssteigerung,
der Unfallvermeidung, der Steigerung der Rentabilität durch Kosteneinsparung
und der Förderung der Zusammenarbeit aller Mitarbeiter im Betrieb dient."
(Nickel/Krems 1998, 27f.)
Im Folgenden sollen die Notwendigkeit und Funktionsweise des BVW´s, dessen
Weiterentwicklungen sowie ausgewählte Einflussfaktoren auf die BVW-Beteiligung
dargestellt werden. Da schon die übersichtsartige Darstellung möglicher Einflussfakto-
ren den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, muss eine Auswahl getroffen werden.
3
Diese ergibt sich zum einen durch den Fokus der Arbeit auf die Teilnahmebereitschaft
der Mitarbeiter am BVW, zum anderen dadurch, dass einige der Faktoren in den
Zuständigkeitsbereich anderer Disziplinen fallen (z.B. befasst sich vor allem die
Psychologie mit personellen Merkmalen wie Kreativität). Als wesentliche Einflussfak-
toren werden in dieser Arbeit Führung, Organisationskultur und die Gestaltung des
BVW´s behandelt.
1.1
Notwendigkeit und betriebliches Interesse am BVW
Das Hauptinteresse der Unternehmensleitung am BVW hat im Wesentlichen drei
Ursachen:
q
die steigende Notwendigkeit von Innovationen und laufenden Verbesserungen
für den sicheren Fortbestand eines Unternehmens
q
die wachsende Bedeutung des Erfahrungswissens und des Kreativitätspotentials
aller Mitarbeiter
q
die fehlende Möglichkeit des Unternehmens, direkt auf das Erfahrungswissen
und Kreativitätspotential seiner Mitarbeiter zugreifen zu können
Der steigende Bedarf an Innovationen liegt in den sich permanent verändernden
Rahmenbedingungen begründet, in denen Unternehmen agieren. Steigende Kundenb e-
3
Zu den Einflussfaktoren zählen personale Merkmale (z.B. Kreativität, Alter, Qualifikation), Merkmale des Betriebs
(z.B. Branche, Produktsortiment), gesamtgesellschaftliche Faktoren (z.B. Einstellung zum technischen Fortschritt),
Merkmale der Arbeitstätigkeit usw. Zu einem Überblick möglicher Einflussfaktoren siehe beispielsweise Altmann
(1973, 43ff.).

Das Betriebliche Vorschlagswesen
Seite -
5
-
dürfnisse, wachsender Wettbewerb und eine immer schneller werdende technologische
Entwicklung führen zu immer kürzeren Produktlebenszyklen und immer kleineren
Zeitspannen zwischen Entwicklung und Serienproduktion (Sackmann 1993, 227).
Gleichzeitig sehen sich Unternehmen einem immer stärkeren Kostendruck ausgesetzt.
Diesen Herausforderungen soll durch laufende Innovationen
4
und Kostensenkungen
bzw. Wirtschaftlichkeitsverbesserungen begegnet werden.
Dem Kreativitätspotential der Mitarbeiter und ihrem lokalen Wissen kommt dabei eine
steigende Bedeutung zu (Wehner/Waibel 2002, www). Mit lokalem Wissen ist gemeint,
dass gerade Mitarbeiter mit ausführenden Tätigkeiten einen Vorsprung an Erfahrungs-
wissen besitzen. Dieses Erfahrungswissen entwickelt sich im Gegensatz zu theoreti-
schem Wissen aus der unmittelbaren Auseinandersetzung mit (technischen) Abläufen
vor Ort (ebd. 2002). In Form von Verbesserungsvorschlägen (VV) seitens der Mitarbei-
ter ermöglicht dieses Wissen zum einen laufende Verbesserungen von Produkten und
Abläufen und damit steigende Qualität sowie eine verbesserte Wirtschaftlichkeit.
Erreicht wird dies z.B. durch Materialeinsparungen, der Vereinfachung und Beschleuni-
gung von Arbeitsabläufen und der Vermeidung von Ausschuss. Aufgrund des tenden-
ziell geringen Umfangs der erzielten Einsparungen und der geringen Reichweite von
VV wird das BVW auch als ,,System von Mini-Innovationen" (Bessoth 1975, 158),
,,kleines Rationalisierungsmittel" (Höckel 1972, 187) oder ,,Rationalisierung von unten"
(ebd. 187) bezeichnet.
5
Zum anderen leisten Mitarbeiterideen einen Beitrag zur
Korrektur von Planungsfehlern (Brinkmann/Heidack 1982, 97). Zunehmend komplexe-
re und ineinander verzahnte Arbeitsprozesse, eine zunehmend schwierigere Vorhersage
von (Umwelt-) Veränderungen sowie der eingangs erwähnte Veränderungsdruck
machen eine exakte Vorab-Planung von Abläufen immer schwieriger und aufwendiger.
Aus diesem Grund sind immer mehr nachträgliche Verbesserungen und Änderungen,
aber auch eine engere Verzahnung von Planungswissen und Ausführungstätigkeiten
erforderlich (Wehner/Waibel 2002, www). So sieht auch Breisig (1990, 561) das BVW
als ,,Reflex auf die Grenzen der Taylorisierung".
Aufgrund der steigenden Bedeutung des Kreativitätspotentials und des Erfahrungswis-
sens ihrer Mitarbeiter stehen Unternehmen vor dem Problem, dass diese Ressourcen im
4
Dabei kann es sich sowohl um Produktinnovationen (neue Produkte bzw. Produkteigenschaften), Verfahrensinno-
vationen (neue Verfahren zur Herstellung eines Produkts/einer Dienstleistung) als auch Sozialinnovationen
(Verbesserung der sozialen Einrichtungen eines Unternehmens) handeln (Thom 1992, 8).
5
Dass die Größe einer Veränderung ein relativer Begriff ist, wird bei dem Vergleich zwischen BVW und
Verbesserungsprogrammen wie ,,Kontinuierlicher Verbesserungsprozess" deutlich. Dann gelten nämlich die
Veränderungen des BVW´s als groß im Vergleich zu den Veränderungen des KVP´s (siehe Abschnitt 2.5.1.1).

Seite - 6 -
Das Betriebliche Vorschlagswesen
Gegensatz zu anderen, wie z.B. finanziellem Kapital, nicht unter ihrer direkten Kontrol-
le stehen. Das Unternehmen hat kein Verfügungsrecht über diese beiden Ressourcen, da
Verbesserungen und Innovationen im Regelfall nicht zu den arbeitsvertraglich festge-
legten Arbeitsaufgaben eines Mitarbeiters gehören. Auch lässt sich Kreativität und
Einfallsreichtum schlecht kontrollieren oder gar erzwingen (Frey/Osterloh 2000b, 37).
Bei einem VV handelt es sich um eine freiwillige Sonderleistung des Mitarbeiters,
woraus sich die organisations- und führungstechnische Schwierigkeit ergibt, dass die
Beteiligung am BVW nicht verpflichtend eingefordert werden kann (Brink-
mann/Heidack 1982, 30). Deswegen müssen Unternehmen entsprechende Anreize und
Strukturen schaffen, um die Mitarbeiter zu einer Weitergabe ihres Wissens zu bewegen.
,,Mit der Institutionalisierung eines BVWs wird anerkannt, daß eine deutliche
Abhängigkeit vom handwerklich-empirischen Wissen besteht, wenn es darum
geht, den Herstellungsprozeß zu optimieren oder sogar entscheidend zu korri-
gieren. Da das Einbringen der im Arbeitsprozeß gewonnenen Erfahrungen und
Kenntnisse der Handwerker jedoch nicht anzuordnen war, hoffte man, über
Prämien und andere Anreizsysteme ihre Veräußerung zu erreichen"
(Wehner/Waibel 2002, www).
Neben dem Verfügbarmachen von Mitarbeiterwissen hat das BVW aber noch eine
andere Funktion. Standen ursprünglich vor allem Rationalisierungsaspekte im Vorder-
grund, wurde trotzdem bereits in der Entstehungsphase des BVW´s zumindest implizit
auch auf seine Funktion als Personalführungsinstrument verwiesen (Diensberg 1997,
111; Thom 1996, 27). Spätestens seit den 70er Jahren wird diesem Aspekt immer mehr
Bedeutung beigemessen. Damit soll einer auf soziokultureller Ebene stattgefundenen
Veränderung der Mitarbeiterbedürfnisse (z.B. nach Partizipation und Selbstverwirkli-
chung) Rechnung getragen werden (v. Bismarck 2003, www). Das BVW soll den
Mitarbeitern die Möglichkeit geben über ihre eigentliche Arbeitsaufgabe hinaus am
Geschehen des Unternehmens mitzuwirken. Damit soll eine stärkere Identifikation der
Mitarbeiter mit dem Unternehmen, eine höhere Motivation der Mitarbeiter sowie die
Entwicklung von Initiative und Verantwortungsbereitschaft erreicht werden (Diensberg
1997, 119). Durch die bei neueren Varianten des BVW´s enthaltene Möglichkeit zur
Einreichung von Gruppenvorschlägen sollen die Beziehungen unter den Mitarbeitern
verbessert und die Entwicklung sozialer Qualifikationen gefördert werden (s. Abschnitt
1.6.2).

Das Betriebliche Vorschlagswesen
Seite -
7
-
Zusammenfassend dient das BVW aus Sicht des Unternehmens im Wesentlichen als:
q
Rationalisierungsinstrument
q
Innovationsinstrument
q
Korrekturinstrument
q
Führungs- und Personalentwicklungsinstrument
Als weitere Aufgaben finden sich in der Literatur die Verbesserung des Umweltschutzes
(vgl. Diensberg 1997, 217ff.) und die Steigerung der Arbeitssicherheit (Beckerath 1982,
384). Die Unterteilung der Aufgaben darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der
Praxis mit der Einrichtung einer BVW-Abteilung immer mehrere Ziele gleichzeitig
verfolgt werden und die einzelnen Aufgaben in enger Beziehung zueinander stehen.
6
Aus der Sicht vieler Mitarbeiter dient das BVW vor allem zur Erleichterung der Arbeit
(Ganz 1962, 191). Die Interessen der Mitarbeiter bei einer Teilnahme am BVW werden
ausführlich in Abschnitt 2.4.1 behandelt.
1.2
Organisation
Dieser Abschnitt dient der Darstellung des als klassisch bezeichneten Modells des
BVW`s. Es wurde als Ausgangspunkt gewählt, da alle Weiterentwicklungen und
Neuerungen auf ihm aufbauen. Es sollen die wichtigsten Bestandteile, die organisatori-
sche Aufbau- und Ablauforganisation sowie die beteiligten Akteure und ihre Aufgaben
beschrieben werden.
1.2.1
Der Verbesserungsvorschlag
Einer Modellrichtlinie des Deutschen Instituts für Betriebswirtschaft zufolge liegt ein
VV im Rahmen des BVW´s vor, ,, ...wenn eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen
Zustand erreicht wird, die Einführung rentabel ist und ohne Anregung des Einreichers
nicht durchgeführt worden wäre" (DIB 1993,15). Folgende Kriterien dienen als
Grundlage für die Entscheidung, ob ein VV als solcher angenommen wird:
q
die Rentabilität
q
der Reifegrad
q
die inhaltliche Nähe zur eigentlichen Arbeitsaufgabe
6
So können beispielsweise über die Förderung der Motivation der Mitarbeiter (BVW als Führungsinstrument)
weitere Kosteneinsparungen oder Qualitätsverbesserungen erzielt werden (BVW als Rationalisierungsinstrument).

Seite - 8 -
Das Betriebliche Vorschlagswesen
Wichtigstes Kriterium bei der Entscheidung über die Annahme eines VV´s ist für das
Unternehmen die Rentabilität, das heißt, dass der Nutzen des VV´s die Kosten für
dessen Einführung (langfristig auch für den Unterhalt der BVW-Abteilung) überwiegt.
Der Reifegrad bezieht sich darauf, inwieweit der Vorschlag über eine bloße Beschwerde
oder das Aufzeigen eines Problems hinausgeht und auch eine Lösung beinhaltet. Erst
das Aufzeigen einer konkreten Lösung für ein Problem gilt als VV (Brinkmann/Heidack
1982, 28). Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die inhaltliche Nähe des VV´s zur
Arbeitsaufgabe des Einreichers (Brinkmann/Heidack 1982, 23). Es besagt, dass sich ein
Vorschlag inhaltlich auf einen Bereich außerhalb der vertraglich festgelegten Ar-
beitsaufgabe des Mitarbeiters beziehen muss, da es sich bei einem VV um eine freiwil-
lige Sonderleistung des Mitarbeiters handelt, die zusätzlich zu dem normalen Lohn /
Gehalt abgegolten wird (Brinkmann/Heidack 1982, 22).
7
Die Abgrenzung ist teilweise
schwierig und in der Literatur oft Gegenstand von Diskussionen (z.B. Thom 1996,
133f.). Alle drei Kriterien haben in der neueren Praxis des BVW´s Lockerungen
erfahren. Dies wird in Abschnitt 1.6.1 dargestellt.
Inhaltlich kann sich ein VV auf die unterschiedlichsten Bereiche beziehen (siehe
Abbildung 2).
Abbildung 2: Inhaltlicher Bezug von Verbesserungsvorschlägen
1.2.2
Aufbau- und Ablauforganisation des BVW´s
In diesem Abschnitt soll kurz der Weg skizziert werden, den der VV von der Einrei-
chung durch den Mitarbeiter bis hin zu seiner Umsetzung und der Prämienauszahlung
nimmt. Gleichzeitig werden die wichtigsten Beteiligten am BVW genannt.
Der Mitarbeiter reicht mit Hilfe eines Formulars den Vorschlag zentral beim BVW-
Beauftragten ein. Dieser bestätigt den Empfang, beurteilt nach den im vorherigen
Abschnitt genannten Kriterien, ob es sich um einen VV handelt und reicht ihn dann an
7
In den meisten Unternehmen ist zudem ein Teil der Belegschaft nicht berechtigt VV einzureichen, vor allem
Leitende Angestellte (Loose/Thom 1977, 63).
q
Arbeitserleichterung
q
Qualitätsverbesserung
q
Kostensenkung
q
Steigerung der Produktion
q
Verbesserung der
Sozialeinrichtungen
q
Verbesserung der
Arbeitssicherheit
q
Verbesserung der
Organisationsformen
q
Verbesserung des
Arbeitsablaufs
(Quelle: Beckerath 1982, 384)

Das Betriebliche Vorschlagswesen
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-
den dafür zuständigen Gutachter in der jeweiligen Fachabteilung weiter. Darüber hinaus
soll der BVW-Beauftragte den Einreicher bei der Formulierung des Vorschlags
unterstützen. Neben diesen administrativen Tätigkeiten gehören in der Regel die
Werbung für das Vorschlagswesen, das Führen von Statistiken sowie die Verbesserung
des BVW´s selbst zu seinen Aufgaben (Brinkmann/Heidack 1982, 323ff.).
Die Fachgutachter untersuchen, ob ein Vorschlag realisiert werden kann, und wenn ja,
zu welchen Kosten und mit welchen Einsparungen. Ihr Gutachten wird der BVW-
Kommission vorgelegt, die im Regelfall aus vier Mitgliedern besteht, von denen zwei
von der Geschäftsführung und zwei von der Arbeitnehmerseite (meist Mitglieder des
Betriebsrats) bestellt werden. Sie tagt in regelmäßigen Abständen und trifft letztlich die
Entscheidung bezüglich der Annahme und Umsetzung eines Vorschlags sowie der Höhe
der Prämie (Thom 1996, 99). Die getroffene Entscheidung wird dann an den BVW-
Beauftragten weitergegeben, der diese dem Mitarbeiter mitteilt und ggf. die Auszahlung
der Prämie veranlasst. Ist der Mitarbeiter mit der Entscheidung nicht einverstanden, hat
er meist die Möglichkeit Einspruch dagegen zu erheben (Thom 1996, 99f.). Eine
Umsetzung des VV´s erfolgt durch die entsprechende Fachabteilung.
Die konkrete Ausgestaltung des BVW´s kann von Unternehmen zu Unternehmen
variieren. So ist es z.B. stark von der Größe des Unternehmens abhängig, inwieweit der
BVW-Beauftragte eigens für seine Tätigkeit im BVW freigestellt ist, oder ob es sich nur
um einen zusätzlichen Bestandteil seiner Arbeitsaufgabe handelt. Es kann vorkommen,
dass der BVW-Beauftragte gleichzeitig auch Mitglied der Bewertungskommission ist.
1.2.3
Weitere Akteure im BVW
Neben seiner Mitgliedschaft in der Bewertungskomission hat der Betriebsrat ein
Mitbestimmungsrecht bei der Ausarbeitung der Betriebsvereinbarung, die das BVW in
dem Unternehmen regelt (Thom 1996, 23). Eine entscheidende, wenn auch meist
indirekte Rolle spielen im BVW die direkten Vorgesetzten. Diese soll ausführlich in
Abschnitt 1.3 erläutert werden.
Relativ wenig Beachtung findet in der Literatur zum BVW die Rolle der Kollegen. Es
muss jedoch davon ausgegangen werden, dass auch sie eine Entscheidung für oder
gegen eine Teilnahme am BVW mit beeinflussen. Zum einen sind sie eine Art Vorbild
insofern, als dass ein Mitarbeiter schon anhand der Beteiligung seiner Kollegen
versuchen wird abzuschätzen, ob sich das Einreichen eines Vorschlags lohnt oder nicht.
Zum anderen muss ein Mitarbeiter auch von ihnen mit positiven oder negativen
Konsequenzen bei einer Teilnahme am BVW rechnen. Die Reaktion der Kollegen wird

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Das Betriebliche Vorschlagswesen
wesentlich von deren genereller Einstellung zum BVW, aber auch von den zu erwarten-
den Folgen aus dem Vorschlag selbst, abhängig sein. Auf die Rolle der Kollegen wird
noch näher in Abschnitt 2.4 und 2.5.2.4 eingegangen.
Ein weiterer Akteur ist die Geschäftführung. Sie bestimmt letztlich die organisatorische
Ausgestaltung des BVW´s, dessen hierarchische Stellung innerhalb des Unternehmens
sowie dessen Ausstattung mit materiellen Ressourcen. Art und Umfang der Unterstüt-
zung gelten als entscheidend für ein gut funktionierendes BVW und haben gleichzeitig
für die anderen Akteure Signalwirkung in Hinblick auf die Bedeutung, die dem BVW in
dem Unternehmen beigemessen wird (Brinkmann/Heidack 1982, 87ff.). In einer
empirischen Studie konnte ein Zusammenhang zwischen dem Engagement, das die
Geschäft sführung gegenüber dem BVW zeigte und dem Interesse der Mitarbeiter am
BVW nachgewiesen werden (Thom 1996, 80f.).
8
Die Unternehmensleitung fungiert in
diesem Zusammenhang als ,,Machtpromo ter" für Veränderungsprozesse, das heißt sie
besitzt die notwendige Macht, die Umsetzung von Veränderungen auch gegen Wider-
stände durchzusetzen (Diensberg 1997, 208).
1.3
Führung
Immer größere Aufmerksamkeit in der Literatur zum BVW finden die (direkten)
Vorgesetzten (vgl. z.B. Heidack/Brinkmann 1982, 67ff.; Diensberg 1997, 210ff.; v.
Bismarck 2003, www; Iwanowitsch/Merz 1990, 200ff.). Ihnen wird eine Schlüsselrolle
innerhalb des BVW´s zugewiesen. So gelten für Iwanowitsch und Merz (1990, 200)
Vorgesetzte und Gutachter als wichtigste Zielgruppe bei der Gestaltung des BVW´s, da
sie wesentlich die Atmosphäre, innerhalb derer VV gemacht werden, prägen. Peters
sieht dabei die Meister als die bedeutendste, aber am meisten unterschätzte Führungs-
ebene. Sie befinden sich am Schnittpunkt zwischen der Unternehmensleitung, den
Kollegen und den unterstellten Mitarbeitern sowie deren unterschiedlicher Interessen
(Peters 1991, 60).
9
8
Die Messung beider Variablen beruhte allerdings auf einer Einschätzung der BVW-Beauftragten.
9
Es ist aber davon auszugehen, dass sich diese Problematik generell auf das mittlere Management übertragen lässt,
dass zwischen den Interessen der Unternehmensleitung und denen der Mitarbeiter vermitteln muss. So sprechen
auch Heidack/Brinkmann (1982, 69) von einer vermittelnden und integrierenden Stellung des Vorgesetzten
zwischen Betrieb und Mitarbeitern.

Das Betriebliche Vorschlagswesen
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Die Hauptaufgabe des Vorgesetzten innerhalb des klassischen BVW-Modells ist die
Förderung der Verbesserungsaktivitäten seiner Mitarbeiter
10
. Dies kann durch eine
Reihe von Maßnahmen geschehen, z.B.:
q
die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen (z.B. Weiterbildungsmaßnahmen
oder eine entsprechende Gestaltung der Arbeitsbedingungen)
q
die Motivierung der Mitarbeiter (z.B. Verteilung von Informationen über das
BVW, Aufforderung zur Teilnahme, Anerkennung bei Teilnahme)
q
die Unterstützung der Mitarbeiter (z.B. bei der Formulierung des Vorschlags)
11
Führungskräfte leisten einen entscheidenden Beitrag zur Scha ffung eines innovations-
fördernden Betriebsklimas (s. Abschnitt 1.4). Durch ihren Führungsstil bestimmen sie
wesentlich die Möglichkeiten der Mitarbeiter zur Selbstentfaltung und Mitgestaltung
des betrieblichen Geschehens. Gleichzeitig ist die Bereitschaft der Führungskräfte
Aufgaben und Verantwortung zu delegieren und die Partizipation an Entscheidungen zu
ermöglichen, wichtig für die Förderung der Initiative und des Verantwortungsbewusst-
seins der Mitarbeiter (ebd. 73). Nur so wird dem Mitarbeiter deutlich, dass sein
Mitdenken auch wirklich erwünscht ist und nicht nur durch Unternehmensleitbilder
formal eingefordert wird (Heidack/Brinkmann 1982, 71ff.). In einer Untersuchung von
zwei Abteilungen, die sich stark in der Anzahl der eingereichten VV unterschieden, in
Bezug auf Arbeitsanforderungen und -inhalte, der Ausbildungs- und Altersstruktur und
das zu produzierende Produkt jedoch gut vergleichbar waren, konnten einige signifikan-
te Unterschiede in Bezug auf das Führungsverhalten festgestellt werden. So beurteilten
Mitarbeiter aus der Abteilung mit vielen VV ihre Meister als deutlich freundlicher,
respektvoller und partnerschaftlicher im Umgang. Diese Führungskräfte zeichneten sich
dadurch aus, dass sie Mitarbeiter häufiger lobten und anspornten, stärker an Problem-
stellungen und Entscheidungen partizipieren ließen sowie, dass die Mitarbeiter das
Verhältnis zu ihnen als vertrauensvoller beurteilten. Das Führungsverhalten scheint
dabei nicht nur auf die Teilnahme am BVW einen Einfluss zu haben, sondern auch auf
10
Für Heidack übernimmt der Vorgesetzte innerhalb des Vorschlagswesens nicht unbedingt eine neue, zusätzliche
Rolle ein. Viel mehr würden Verbesserungen und Innovationen zu den übergeordneten Zielsetzungen einer
Organisation gehören und seien damit schon immer Bestandteil der Führungsaufgabe gewesen (Hei-
dack/Brinkmann 1982, 68). Dieser Aussage kann nur bedingt zugestimmt werden. Es ist zwar richtig, dass zu den
Aufgaben von Vorgesetzten auch laufende Verbesserungen gehören, jedoch ist davon auszugehen, dass die
Bedeutung dieser Aufgabe an Gewicht gewonnen hat. Außerdem ist anzunehmen, dass der Vorgesetzte sich zwar
bisher um Verbesserungen gekümmert hat, dies allerdings im Rahmen seiner eigenen Ideen und nach seinen
Vorstellungen, nicht aber im Rahmen des BVW´s und vor allem nicht im Rahmen von VV seiner Mitarbeiter.
11
Es versteht sich von selbst, dass dies nicht nur Aufgabe der direkten Führungskraft ist. Durch den direkten Kontakt
zu ihren Mitarbeitern ist sie aber am ehesten in der Lage notwendige Veränderungen zu erkennen und durchzufüh-
ren.

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Das Betriebliche Vorschlagswesen
informelle Verbesserungstätigkeiten außerhalb des BVW´s. Ein Einfluss auf die
Beteiligungsgründe am BVW wird ebenfalls vermutet: Für Mitarbeiter, die die Füh-
rungsqualität ihres Vorgesetzten besser einschätzten, spielten Selbstverwirklichung und
Identifikation mit dem Unternehmen als Beteiligungsgrund eine größere Rolle (N i-
ckel/Krems 1998, 29ff.).
Für eine hohe Beteiligungsquote der Mitarbeiter ist eine eindeutige, positive Haltung
des direkten Vorgesetzten entscheidend. Mitarbeiter werden aufgrund der vermuteten
Einstellung des Vorgesetzten versuchen abzuschätzen, ob von ihm positive oder
negative Konsequenzen bei einer Beteiligung am BVW zu erwarten sind. Bereits eine
indifferente Haltung führt zu Verunsicherung und bildet Hemmnisse für eine Beteili-
gung (Heidack/Brinkmann 1982, 71; s. Abschnitt 2.4.2). Darüber hinaus fungiert der
Vorgesetzte als eine Art Vorbild. Durch sein eigenes Verhalten im Zusammenhang mit
dem BVW und Verbesserungen im Allgemeinen, trägt er wesentlich dazu bei seine
Mitarbeiter zur Teilnahme am BVW zu motivieren oder davon abzuhalten. So stieg in
einem Unternehmen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mitarbeiter sich am BVW
beteiligt um 75%, wenn die Führungskraft VV förderte und sogar um 200%, wenn die
Führungskraft selbst VV einreichte (v. Bismarck 2003, www). Eine Erklärung dafür ist,
dass Mitarbeiter die Haltung des Vorgesetzten gegenüber dem BVW und damit die von
ihm zu erwartenden Konsequenzen beim Einreichen eines VV´s vor allem von seinem
tatsächlichen Verhalten ableiten.
Durch sein Verhalten signalisiert der Vorgesetzte aber nicht nur seine eigene Einstel-
lung. Für viele Mitarbeiter ist der direkte Vorgesetzte der Repräsentant des Unterneh-
mens als Ganze s bzw. er verkörpert als unternehmerischer Willensträger den Betrieb
und dessen Zielsetzungen. ,,Im Vorgesetzten erlebt der Mitarbeiter sozusagen personifi-
ziert unmittelbar das organisatorische Wirken des Unternehmens / der Behördenleitung"
(Heidack/Brinkmann 1982, 69). Anhand der Einstellung des Vorgesetzten zum BVW
ziehen Mitarbeiter also Rückschlüsse auf die Bedeutung, die dem BVW im Unterneh-
men generell beigemessen wird.
Eine wichtige Rolle spielen Führungskräfte im klassischen BVW außerdem aufgrund
des Umstands, dass sie oft Fachgutachter für einen VV sind, wenn dieser in ihren
Zuständigkeitsbereich fällt. Auch aus diesem Grund ist eine offene Haltung gegenüber
Veränderungen und Verbesserungen wichtig. Gleichzeitig unterstreicht dies noch
einmal die Bedeutung des allgemeinen Verhältnisses zwischen Mitarbeiter und Vorge-
setztem, da sich viele VV auf das nähere Arbeitsumfeld beziehen und damit meistens in

Das Betriebliche Vorschlagswesen
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den Zuständigkeitsbereich der eigenen Führungskraft fallen. Der Mitarbeiter muss sich
darauf verlassen können, dass die Führungskraft den VV unabhängig und objektiv,
zumindest aber nicht zu Ungunsten des Mitarbeiters beurteilt.
Eine negative Einstellung des Vorgesetzten gegenüber dem BVW kann aus einer Reihe
von Gründen resultieren. In einer Untersuchung zeigte sich, dass die Haltung des
Vorgesetzten zum BVW umso negativer ist, je mehr sich die eigenen Mitarbeiter daran
beteiligen (Bächle, 1984, 1333ff.). Dies liegt zum einen daran, dass Vorgesetzte VV, die
sich auf den eigenen Führungsbereich beziehen, als Kritik seitens der Mitarbeiter
ansehen (v. Bismarck 2003, www). Zum anderen befürchten viele Führungskräfte, dass
eine hohe Beteiligung der Mitarbeiter am BVW als Anzeichen für Probleme im eigenen
Bereich gedeutet wird bzw. dass der Vorwurf entsteht, warum man nicht selbst auf die
Idee gekommen sei. In einer Untersuchung hatten 50% der Vorgesetzten Angst vor ihrer
höheren Führungskraft bloßgestellt zu werden und 80% befürchteten ein Absinken ihres
Prestiges bei den Mitarbeitern (Loose/Thom 1977, 84ff.).
12
Außerdem sehen Vorgesetzte VV auch als zusätzliche Arbeitsbelastung (z.B. wenn sie
als Gutachter fungieren müssen) und damit als hinderlich für das Tagesgeschäft
(Frey/Schmoock 1995, 118ff.). Es ist davon auszugehen, dass dieser Hemmnisgrund mit
zunehmender Einbindung von Führungskräften in die Ablauforganisation des BVW´s
steigen wird (siehe hierzu Abschnitt 1.6.3).
Betrifft der VV eines Mitarbeiters einen anderen Bereich, besteht unter Umständen die
Befürchtung, dass sich der dort führende Kollege davon verärgert fühlt (Hei-
dack/Brinkmann 1982, 71). Das Einreichen von Vorschlägen direkt beim Betrieblichen
Vorschlagswesen an der Führungskraft vorbei kann dazu führen, dass sich diese vom
Mitarbeiter übergangen fühlt bzw., dass der Eindruck entsteht, der Mitarbeiter würde
dem Vorgesetzten nicht vertrauen (Peters 1991, 61ff.). Ein weiterer Grund für die
ablehnende Haltung kann auch in einem Mangel an Vertrauen in die Kompetenz der
Mitarbeiter liegen bzw. in der Überheblichkeit zu glauben, alles besser machen zu
können (Heidack/Brinkmann 1982, 73).
Aufgrund der wichtigen Rolle der Führungskräfte im Betrieblichen Vorschlagswesen ist
es besonders entscheidend für ein erfolgreiches BVW, dass diese Vorbehalte auf Seiten
der Vorgesetzten abgebaut und eine positive Einstellung der Führungskräfte gegenüber
12
Letzteres bezieht sich nur auf Führungskräfte im Angestelltenbereich. Im Produktionsbereich dagegen gingen
immerhin 50% der Vorgesetzten davon aus, dass in so einem Falle ihr Ansehen ,,nur steigen" könne (Loose/Thom
1977, 84).

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Das Betriebliche Vorschlagswesen
Verbesserungen und den damit immer verbundenen Veränderungen geschaffen wird.
Mögliche Maßnahmen dazu werden in Abschnitt 3.10.2 aufgezeigt.
1.4
Organisationskultur
Für die Beteiligung der Mitarbeiter am BVW spielt auch die in einem Unternehmen
herrschende Organisationskultur eine wesentliche Rolle (Thom 1996, 51). Organisati-
onskultur lässt sich verstehen als ,,...die kontextspezifische organisatorische Konstruk-
tion von Wirklichkeit, als ein zeichenhaft-symbolisch vermitteltes Netz von
Sinnbestimmungen, Deutungsmustern und Wirklichkeitskonstruktionen" (Franzpötter
1997, 60). Neben der formalen Struktur einer Organisation ist die Kenntnis der Organi-
sationskultur entscheidend für das Verstehen einer Orga nisation und des Handelns der
Akteure in ihr. Es handelt sich um einen geteilten Wahrnehmungs-, Interpretations- und
Verständigungsrahmen, der die Erfahrungsweisen der einzelnen Mitglieder untereinan-
der und die der Organisation verbindet (ebd. 60). Dieser Rahmen beruht auf gemeinsam
geteiltem und anerkanntem Wissen
13
, z.B. über habitualisierte und institutionalisierte
Handlungsprogramme, Lösungen für spezifische Probleme, Leitbilder, Ziele, Sichtwei-
sen, Überzeugungen, Werte oder die in Abschnitt 2.5.2.4 noch ausführlicher behandel-
ten Normen und Institutionen (Schein, 1985, 9ff.; Franzpötter 1997, 60). Dieses Wissen
ist implizit und selbstverständlich, das heißt es findet nur in Ausnahmefällen eine
explizite Auseinandersetzung und Formulierung statt, beispielsweise in Unternehmens-
leitbildern. Sichtbaren Ausdruck findet die Organisationskultur in bestimmten Symbo-
len (z.B. dem corporate design), Handlungsweisen, Ritualen, Witzen etc. (Franzpötter
1997, 24). Diese manifesten Bestandteile dienen sowohl der Vermittlung als auch der
Bewahrung der zugrunde liegenden Werte und Denkmuster. Der Erwerb dieses Wissens
durch neue Mitglieder erfolgt dabei nicht durch bewusstes Lernen, sondern im Verlauf
eines Sozialisationsprozesses (Schreyögg 1999, 439).
Organisationskultur trägt zu folgenden Aufgaben bei:
q
der Identitätsstiftung
q
der Reduktion von Komplexität
q
der Reduktion von Unsicherheit und Transaktionskosten
q
der Sinnstiftung
13
Dieser Wissensbegriff ist hier in einem sehr allumfassenden Begriff zu verstehen, vergleichbar mit dem Begriff des
Alltagswissens bei Berger/Luckmann (1974).

Das Betriebliche Vorschlagswesen
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Die identitätsstiftende Wirkung beruht auf dem sozialen Charakter des Wissens, vor
allem den geteilten Überzeugungen sowie Sichtweisen, und wird durch ein geteiltes
Selbstbild noch verstärkt (Franzpötter 1997, 62). Eine Darstellung der drei anderen
Funktionen erfolgt in Abschnitt 2.5.2.4 anhand von Normen und Institutionen, die ein
wichtiger Bestandteil der Organisationskultur sind.
Ob eine Organisationskultur gut oder schlecht für Innovationen ist, lässt sich nicht
prinzipiell festlegen. Ihr Inhalt entscheidet, inwieweit sie innovationsfördernd is t. Dazu
zählt beispielsweise:
q
der Umgang mit Fehlern
Werden Fehler als Bedrohung sowie als ein Zeichen von Versagen angesehen
und gilt es deshalb sie möglichst zu vertuschen, da die Gefahr von Strafe be-
steht? Oder gelten Fehler als zwar unerwünschte, aber in den komplexen betrieb-
lichen Abläufen nicht immer vermeidbare Begleiterscheinungen und als Chance
für eine Weiterentwicklung? Die jeweilige Sichtweise von Fehlern ist entschei-
dend dafür, ob ein VV als Kritik an der eigenen Arbeit und Gefahr der Bloßstel-
lung gesehen wird oder als ein konstruktiver Beitrag zum Nutzen des gesamten
Unternehmens.
q
die Einstellung zu Veränderungen
Stellen Veränderungen eine Bedrohung dar, die es zu vermeiden gilt oder sind
Veränderungen natürlich, für die Organisation sogar überlebensnotwendig und
eröffnen neue Chancen? Ein VV bedeutet immer eine Veränderung für die be-
troffenen Mitarbeiter und Führungskräfte, weshalb die Einstellung zu Verände-
rungen entscheidend die Reaktion auf den Vorschlag und die Bereitschaft zu
dessen Umsetzung beeinflusst.
q
die Bereitschaft Verantwortung abzugeben
Ist es erwünscht, dass Mitarbeiter über den eigenen Zuständigkeitsbereich hin-
aus Verantwortung übernehmen und Engagement zeigen und sind sie dazu auch
bereit? Oder sehen sowohl Mitarbeiter als auch Vorgesetzte dies als Einmi-
schung in fremde Belange an? Das Einreichen von VV gehört nicht zu der ei-
gentlichen Arbeitsaufgabe der Mitarbeiter. Sie werden dazu umso mehr bereit
sein, je stärker sie sich für Belange außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs en-
gagieren und wissen, dass dies nicht als unerlaubte Einmischung sanktioniert
wird. Hier spielt, wie bereits in Abschnitt 1.3 dargestellt, das Verhalten von Füh-
rungskräften und die so genannte Führungskultur eine wichtige Rolle.

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Das Betriebliche Vorschlagswesen
Es ist aber auch die Art der Organisationskultur selbst, die die Innovationsfähigkeit
beeinflusst. In der Literatur werden starke und schwache Organisationskulturen
unterschieden (Schreyögg 1989, 94ff.). Erstere weisen eine hohe Klarheit und Konsis-
tenz des zugrunde liegenden Wissens auf (hohe Prägnanz). Dieses Wissen wird im
Idealfall von allen Mitgliedern einer Organisation geteilt (hoher Verbreitungsgrad,
Homogenität) und ist von jedem einzelnen verinnerlicht und damit stabil gegen
Veränderungen (hohe Verankerungstiefe). Schwache Kulturen sind dementsprechend
durch eine geringe Prägnanz, einen geringen Verbreitungsgrad und eine geringe
Verankerungstiefe gekennzeichnet (ebd. 94f.).
Starken Kulturen werden eine Reihe positiver Effekte zugeschrieben, die im Wesentli-
chen auf dem sozialen Charakter des geteilten Wissens beruhen. Institutionalisierte
Handlungsprogramme und geteilte Zielvorstellungen ermöglichen eine stärkere
Handlungsorientierung der Organisationsmitglieder, eine rasche Entscheidungsfindung
und vermitteln das Gefühl von Sicherheit und Stabilität. Geteilte Zielvorstellungen und
Deutungsmuster ermöglichen eine schnelle und einfache Verständigung und Koordina-
tion der Akteure untereinander und reduzieren den Kontrollaufwand. Die identitätsstif-
tende Funktion einer Organisationskultur aufgrund geteilter Werte und eines
gemeinsamen Selbstbilds, führt zu einer Steigerung von Motivation und Zusammenhalt
(ebd. 95f.).
Doch starke Kulturen weisen auch negative Effekte auf. Sie können dazu führen, dass
neue bzw. andere Orientierungen und Veränderungen abgelehnt, bestimmte Warnsigna-
le bewusst verdrängt und Mitglieder mit abweichenden Sichtweisen zur Konformität
gezwungen werden. Es besteht die Gefahr, dass Organisationsmitglieder alten Lösungs-
und Denkmustern verhaftet bleiben und aufgrund der hohen Stabilität zu wenig flexibel
auf Veränderungen der Umwelt reagieren (Steinmann/Schreyögg 1991, 546ff.).
Damit zeigt sich, dass Organisationskultur in Bezug auf Innovationen im Allgemeinen
und dem BVW im Besonderen ein ,,zweischneidiges Schwert" (Steinmann/Schreyögg
1991, 549) darstellt. Gerade starke Organisationskulturen können eine hemmende
Wirkung auf Innovationsfähigkeit und die Teilnahme am BVW haben. Unterschiedliche
Perspektiven und Meinungen sowie ein kritisches Hinterfragen von Bestehendem sind
wichtige Voraussetzungen für Innovationen. Doch die Gleichförmigkeit von Sichtwei-
sen, die nicht hinterfragte Selbstverständlichkeit von Abläufen und die Unterdrückung
abweichender Meinungen wirken dem Entstehen neuer Lösungen entgegen. Dies
beginnt schon beim Nichterkennen von Verbesserungsmöglichkeiten, setzt sich über

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den Mangel an Lösungs ideen fort und endet bei der Ablehnung der Umsetzung von
Neuerungen. Schreyögg und Steinmann vertreten sogar die Auffassung, dass sic h eine
starke Organisationskultur und Innovationsfähigkeit widersprechen. Alle Kennzeichen
einer Kultur, die Innovationen fördert, stehen im Widerspruch zu den drei genannten
Merkmalen einer starken Organisationskultur. Vielmehr ist es gerade eine schwache
Organisationskultur , die Innovationen fördert, da sie durch Heterogenität und Aufge-
schlossenheit gegenüber Neuem gekennzeichnet ist (Steinmann/Schreyögg 1991, 548f.).
Abschließend muss darauf hingewiesen werden, dass die Veränderung einer Organisati-
onskultur ein äußert schwieriges und lang andauerndes Unterfangen ist, da es sich um
ein gewachsenes Produkt handelt, dass in der sozialen Interaktion der Mitglieder
kontinuierlich produziert und reproduziert wird (Franzpötter 1997, 63). ,,Organisatori-
sche ,Bedeutungswelten' führen ein Eigenleben, sie können zwar vom Management
beeinflusst, angeregt, stimuliert, irritiert, etc. werden, aber sie entziehen sich prinzipiell
direkter Manipulation" (Franzpötter 1997, 61). Aus diesem Grund macht es auch wenig
Sinn, bestimmte kulturelle Merkmale einer anderen Organisation direkt zu importieren,
noch dazu, wenn diese aus einem völlig anderen Kulturkreis stammen. Bei der Veränd e-
rung der Organisationskultur handelt es sich letztlich um einen Vorgang organisationa-
len Lernens und Verlernens (Schreyögg 1999, 470).
1.5
Kritik am klassischen BVW-Modell
An dem bisher dargestellten Modell des BVW´s werden eine Reihe von Kritikpunkten
geäußert. So wird es immer wieder als ,,passive Ideensammelstelle" bezeichnet, von der
zu wenige Impulse für eine aktive Generierung, Sammlung und Umsetzung von
Verbesserungen kommen (Heidack/Brinkmann 1987, 24). Beklagt wird eine oft
mangelnde Anpassung an die veränderten betrieblichen Gegebenheiten und an die
Ansprüche seitens der Mitarbeiter. So ist die Trennung zwischen ausführender und
dispositiver Tätigkeit als eigentlicher traditioneller Grundlage des BVW´s für viele
Arbeitsplätze nicht mehr gegeben (Diensberg 1997, 207). In seinem Ablauf ist das
BVW immer noch zu sehr an einem zentralistischen Organisationsverständnis mit einer
starken Hierarchiebetonung orientiert. So laufen alle Vorschläge, unabhängig von deren
Inhalt, Bedeutung und Auswirkung, über die zentrale BVW-Abteilung. Die bürokrati-
sche und unflexible Bearbeitung von Vorschlägen führt zu langen Bearbeitungs zeiten
und einem hohen Aufwand. (Heidack/Brinkmann 1982, 24ff.; Diensberg 1997, 114)
Hochwertige Ideen werden oftmals zu spät erkannt oder zu langsam umgesetzt, was

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Das Betriebliche Vorschlagswesen
letztlich zu Frust und Demotivation auf Seiten der Mitarbeiter führt. Als besonders
wichtig werden eine besondere Schnelligkeit bei der Vorschlagsbearbeitung und ­
umsetzung (Schüler 1972, 41) sowie mehr Mitarbeiternähe und Flexibilität des BVW´s
erachtet (Schlotfeldt 1990, 184f.). Kritisch angemerkt wird auch, dass im BVW die
Einzelleistung zu stark betont wird, anstatt zu berücksichtigen, dass es sich bei Verän-
derungen um kooperative, soziale Vorgänge handelt, an deren Prozess von der Prob-
lemwahrnehmung bis zur Umsetzung der Veränderung eine Vielzahl von Personen
involviert sind (Fürstenberg 1977, 112f.).
Mit der Betonung der Einzelleistung läuft das BVW auch anderen Organisationsformen,
vor allem der Arbeit in Gruppen, entgegen (Brinkmann/Heidack 1982, 30f.). In engem
Zusammenhang damit steht die Kritik an den Anreizformen, die zum einen ebenfalls zu
sehr auf den Einzelnen zugeschnitten, zum anderen aber auch zu sehr auf rein finanziel-
le Anreize ausgerichtet sind. Es gilt neue Formen der Motivation zu suchen (Hei-
dack/Brinkmann 1982, 24). Ein Beispiel dafür wäre eine stärkere Beteiligung der
Mitarbeiter an dem Prozess der Einführung einer Verbesserung. Auch Anreize für
andere am BVW beteiligte Personen, wie den BVW-Beauftragten, Gutachter und
Führungskräfte, werden in Erwägung gezogen (ebd. 25).
Es wird deutlich, dass es sich nicht um eine prinzipielle Ablehnung des BVW´s als
solches handelt, sondern vielmehr um Kritik an bestimmten Elementen sowie der
Umsetzung in der Praxis. Verbunden mit dieser Kritik werden bei den zitierten Autoren
auch Möglichkeiten für eine Überwindung der genannten Probleme und eine Weiter-
entwicklung des klassischen BVW´s aufgezeigt. Im nächsten Abschnitt sollen die
wichtigsten vorgestellt werden.
1.6
Erweiterungen des BVW´s
Die im Folgenden beschriebenen Erweiterungen des BVW´s bringen für die unter-
schiedlichen Akteure verschiedene Vorteile und Verbesserungen (sowohl für den
Einreicher eines VV´s, die BVW-Abteilung, den Vorgesetzten als auch für das Unter-
nehmen). Mit ihnen verbunden sind aber auch Probleme, die leider in der einschlägigen
Literatur - wenn überhaupt - meist nur am Rande erwähnt werden.
1.6.1
Dezentralisierung und Deregulierung
Als Reaktion auf die Kritikpunkte der zu starken Zentralisierung und Bürokratie des
BVW´s lässt sich eine zunehmende, wenn auch ,,gemäßigte Dezentralisierung" feststel-
len (Bumann 1991, 102f.). So existieren in einigen Großunternehmen Vorschlagskon-

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taktleute für einzelne Werke oder Bereiche, die als lokal angesiedelte BVW-Beauftragte
die ersten Ansprechpartner für das Einreichen von VV sind (Heidack/Brinkmann 1987,
135). Der Umfang, der von der zentralen BVW-Abteilung an sie übertragenen Aufga-
ben, kann dabei stark variieren. Die Kontaktleute können nur für die formelle Annahme
von VV zuständig sein oder aber auch für deren Beurteilung und Prämierung. Auch das
weiter unten dargestellte Vorgesetzten-Modell kann als ein Schritt in Richtung Dezent-
ralisierung verstanden werden. Hinter diesen Dezentralisierungs tendenzen steckt die
Überlegung, durch Kontaktpersonen vor Ort eine größere Nähe des BVW`s zum
Mitarbeiter zu erreichen, um so ein einfacheres Einreiche n, eine schnellere Bearbeitung
sowie eine stärkere Berücksichtigung von individuellen Gegebenheiten zu ermöglichen.
Für den zentralen BVW-Beauftragten ergeben sich damit neue Aufgaben. Er vermittelt
und koordiniert sowohl zwischen den lokalen BVW-Kontaktleuten als auch zwischen
den restlichen Beteiligten und wird damit zur ,,Drehschreibe zwischen den Akteuren"
(Heidack/Brinkmann 1982, 60).
Eng in Zusammenhang mit der Dezentralisierung steht die Deregulierung. Damit ist der
zunehmende Abbau von formellen Regelungen und Bestimmungen zugunsten eines
steigenden Handlungs- und Entscheidungsspielraums des Einzelnen sowohl beim
Einreichen als auch bei der Beurteilung und der Prämierung eines VV´s gemeint. Dazu
zählt beispielsweise die bereits erwähnte Lockerung der Kriterien für eine Annahme des
VV´s. In einigen Unternehmen ist es mittlerweile schon ausreichend, dass lediglich ein
Problem benannt wird, ohne dass es erforderlich ist auch eine Lösung dafür aufzuzei-
gen. In zunehmendem Maße erkennen Unternehmen auch Vorschläge an, die sich auf
das eigene Arbeitsgebiet beziehen. Dies liegt zum einen an der oft schwierigen Handha-
bung dieses Abgrenzungskriteriums und zum anderen an dem Umstand, dass Mitarbei-
ter aufgrund der guten Kenntnisse über die Zusammenhänge des eigenen Arbeitsgebiets,
gerade dort häufig VV machen können, die zudem qualitativ hochwertiger sind (Klaus
1990, 195). Bei der Bestimmung der Prämienhöhe wird dann oft berücksichtigt,
inwieweit die Initiative zu dem VV vom Mitarbeiter ausging oder der VV aufgrund
einer Arbeitsanweisung des Vorgesetzten entstanden ist. Dies setzt aber eine Beurtei-
lung des Vorgesetzten und damit dessen Miteinbeziehung in die Ablauforganisation des
BVW´s voraus (Attmer 1995, 54; s. Abschnitt 1.6.3).
Dezentralisierung und Deregulierung dienen der Vereinfachung und Beschleunigung
von Abläufen, um Mitarbeiter zu einer stärkeren Teilnahme am BVW zu motivieren.
Des Weiteren sollen Kosten eingespart und die BVW-Abteilung entlastet werden. Diese

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Das Betriebliche Vorschlagswesen
Punkte werden in der Literatur auch immer wieder als Argument für eine Entwicklung
des BVW´s in diese Richtung genannt (z.B. Steih/Müller 1993, 365). Selten findet man
hingegen die möglicherweise daraus entstehenden Probleme wie z.B. Verunsicherung
des Mitarbeiters über die genauen Abläufe der Vorschlagsbearbeitung und vermutete
Willkür bei der Beurteilung des VV´s. Auf die wichtige Funktion von Regelungen und
festen Verfahrensabläufen sowie möglichen Gefahren durch deren Abbau soll in
Abschnitt 2.5.2.4 näher eingegangen werden.
1.6.2
Gruppenarbeit und BVW: Gruppenvorschläge
Spätestens seit Mitte der 90er Jahre wurde in vielen Unternehmen Gruppenarbeit
eingeführt. Zielsetzung dabei ist die Erhöhung der Produktivität und der Qualität. Dies
soll durch steigende Flexibilisierung der Produktion, erweiterte Mitarbeiterqualifikation
und eine Verlagerung der Verantwortung auf Mitarbeiter, die vorher rein ausführende
Tätigkeiten vollzogen haben, erfolgen. Eine Produktivitäts- und Qualitätssteigerung soll
auch durch die Verbesserung von Arbeitsabläufen und Arbeitsbedingungen stattfinden.
Diese Verbesserungen sollen auf der Grundlage der Erfahrungen der Mitarbeiter bzw.
durch die Mitarbeiter selbst erfolgen (v. Lüde 1996, 145ff.). Gerade aus den letztge-
nannten Faktoren ergeben sich eine Reihe von Berührungspunkten zu Innovationen im
Allgemeinen und dem BVW im Besonderen.
Das klassische BVW steht insofern im Widerspruch zur Gruppenarbeit, als es an der
individuellen Leistung orient iert ist (Brinkmann/Heidack 1982, 30f.). Um diesen
Widerspruch zu überwinden und um positive Effekte der Gruppenarbeit zu nutzen
(siehe unten), versuchen Unternehmen verstärkt Vorschläge zu fördern, die von
Gruppen eingereicht werden. Außerdem sollen so Hemmnisse beseitigt werden, die auf
die unmittelbaren Kollegen zurückgehen. Bei dieser Variante des Vorschlagswesens
können Vorschläge sowohl von einzelnen Mitarbeitern als auch von Gruppen einge-
reicht werden. Um die Abläufe klarer zu gestalten bestimmt die Gruppe normalerweise
einen Ansprechpartner, unter dessen Namen der Vorschlag eingereicht wird. Die Prämie
wird dann unter den Gruppenmitgliedern aufgeteilt, wobei die Aufteilung der Prämie
meistens der Gruppe selbst überlassen bleibt. Um das Einreichen von Gruppenvorschlä-
gen zu fördern, zahlen einige Unternehmen als zusätzlichen Anreiz einen Prämienauf-
schlag.
14
Bei den Gruppen kann es sich sowohl um informelle als auch um formelle
Gruppen handeln. Erstere werden spontan von Mitarbeitern gebildet, meistens vo n
14
Kleine berichtet beispielsweise von einem Aufschlag von 30% (Kleine 1990, 193).

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Kollegen, die sich schon länger kennen und zusammenarbeiten. Bei letzteren handelt es
sich entweder um bereits bestehende Gruppen aus der Gruppenarbeit oder aber um extra
dafür eingerichtete Gruppen, wie beispielsweise Qualitätszirkel (Heidack/Brinkmann
1982, 168ff.).
15
Pillat und Teschner nennen eine Reihe von Vorteilen, die Gruppen gegenüber Individu-
en bei der Einreichung von VV besitzen. Da die Prämie an alle Gruppenmitglieder
ausgezahlt wird, ist weniger Neid von Seiten der Kollegen zu erwarten (dies bezieht
sich allerdings auch nur auf die Kollegen, die der Gruppe angehören (Anmerk. d.
Autors)). Gleichzeitig hat eine Gruppe im Regelfall eine stärkere Position gegenüber
Kollegen, Führungskräften und Gutachtern und kann somit Widerstände und Kritik
besser abfangen, sowohl in Bezug auf das Einreichen eines Vorschlags als auch auf
dessen Umsetzung. Die eingereichten Vorschläge weisen in der Regel eine höhere
Qualität auf, da sie die unterschiedlichen Perspektiven der einzelnen Gruppenmitglieder
enthalten und im Laufe eines Diskussionsprozesses innerhalb der Gruppe ,,gereift" sind.
Außerdem werden Mitarbeiter, die sonst keinen Kontakt mit dem BVW hätten, über die
Gruppe miteinbezogen (Pillat/Teschner 1999, 56). Dadurch, dass der Vorschlag
innerhalb der Gruppe entstanden und durch sie eingereicht wurde, ist mit einer größeren
Akzeptanz gegenüber den Veränderungen zu rechnen, was sowohl den Einreichern als
auch dem Unternehmen positiv entgegenkommt. Als weitere Vorteile nennt Klaus, dass
mit Hilfe des Gruppenvorschlagswesens Teamorientierung anstatt individueller
Wettbewerbsorientierung gefördert wird. Außerdem stecken hinter dem Gruppenkon-
zept auch motivationstheoretische Überlegungen. Im Gegensatz zum BVW, dass
verstärkt materielle Aspekte der Motivation betont, befriedigt Arbeit in Gruppen
verstärkt auch Bedürfnisse nach Selbstständigkeit, Selbstverwirklichung und vor allem
auch Kontakt mit anderen Menschen (Klaus 1990, 195f.). Ansonsten gelten hier auch
die anderen positiven Effekte im Zusammenhang mit Gruppenarbeit, wie Verbesserung
der (sozialen) Qualifikation, Verbesserung der Beziehung der Mitarbeiter untereinander
sowie Förderung von offener Kommunikation, Kooperation und bereichsübergreifenden
Kontakten (Diensberg 1997, 139).
15
Qualitätszirkel bestehen in der Regel aus sechs bis zehn Mitarbeitern, die zum Teil bereichsübergreifend,
außerhalb der Linienorganisation und auf der Basis der freiwilligen Teilnahme, sowohl bereits bekannte Probleme
aufgreifen als auch nach neuen Problemen suchen, um im Anschluss daran Lösungsvorschläge zu erarbeiten und
umzusetzen. Hauptziel ist dabei die Verbesserung der Qualität der Produkte und der internen Abläufe (Klaus 1990,
195).

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Neben den genannten Vorteilen bringen Gruppenvorschläge aber auch Risiken mit sich.
In der Literatur werden diese aber nur selten explizit erwähnt (vgl. als Ausnahme z.B.
Diensberg 1997, 139f.). Die Zusammenarbeit in der Gruppe verlangt von ihren Mitglie-
dern soziale Kompetenzen, wie beispielsweise die Bereitschaft sich auf Ideen des
anderen einzulassen und Zugeständnisse zu machen, aber auch ein gewisses Maß an
Durchsetzungsvermögen. Diese Eigenschaften können zwar im Laufe der Zeit erlernt
werden (und dort, wo in Gruppen gearbeitet wird, ist dies sowieso unerlässlich),
dennoch dürfen sie nicht einfach als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Ein
weiteres Risiko besteht im Konformitätsdruck innerhalb von Gruppen, der dazu führen
kann, dass abweichende Meinungen, die oft aber gerade Ausgangspunkt von neuen
Ideen und Veränderungen sind, unterdrückt werden (Diensberg 1997, 139). Interessant
ist in diesem Zusammenhang das Ergebnis einer Untersuchung von Ekvall, der zufolge
Mitarbeiter, die keine Vorschläge einreichen, von ihren Vorarbeitern bezüglich der
Anpassung an ihre Kollegen günstiger beurteilt wurden als Mitarbeiter, die sich am
BVW beteiligten (Ekvall 1971, 102). Die Möglichkeit der Einflussnahme seitens der
Kollegen beruht auf dem Entgegenbringen bzw. dem Entzug von sozialer Anerkennung
und Unterstützung. Mit steigender Gruppenkohäsion entstehen ein verstärkter Konsens
bezüglich existierender Normen und eine höhere Bereitschaft sowie eine effektivere
Möglichkeit zu deren Kontrolle und Durchsetzung. Damit wächst die Möglichkeit der
sozialen Einflussnahme (Blau 1964, 60f.; Abschnitt 2.5.2.4).
Auch das Hemmnis des Neids von Kollegen wird mit dem Gruppenvorschlagswesen
nicht unbedingt gelöst. Abgesehen von dem bereits erwähnten Neid von Kollegen, die
nicht zu der Gruppe zählen, kann es auch zu Unstimmigkeiten bei der Verteilung der
Prämie kommen, besonders dann, wenn der Vorschlag einer Gruppe im Wesentlichen
die Leistung eines Einzelnen oder einiger Weniger ist. Letztlich hängt der Erfolg der
Einführung von Gruppenvorschlägen von gut funktionierenden Gruppen ab. Dies ist
aber wiederum von organisationalen, führungsspezifischen und personalen Bedingun-
gen abhängig (Diensberg 1997, 139).
Ein auch in der Literatur ungelöster Widerspruch zwischen BVW und Gruppenarbeit
besteht darin, dass in vielen Unternehmen Verbesserungstätigkeiten zu den eigentlichen
Arbeitsaufgaben einer Gruppe gehören, während das BVW in ihnen eine freiwillige
Sonderleistung sieht, die über die eigentliche Arbeitsaufgabe hinausgeht und deswegen
mit einer zusätzlichen Prämie vergütet wird. Dieses Nebeneinanderbestehen von
Verbesserungen als einer oftmals stärker intrinsisch motivierten Arbeitsaufgabe

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einerseits und als extrinsisch motivierte Leistung außerhalb der Arbeitsaufgabe
andererseits, führt letztlich zu Spannungen und Konflikten (s. Abschnitt 2.5.1.1). Hier
bedarf es einer Lösung zur Integration der beiden Formen von Verbesserungs tätigkei-
ten.
Ein weiterer Berührungspunkt zwischen BVW und Gruppenarbeit liegt in der Rolle des
Vorgesetzten. Diese Rolle erfährt bei der Einführung von Gruppenarbeit durch die
Übertragung bisheriger Führungsaufgaben an die Gruppe im Regelfall eine starke
Veränderung. Zwar bleibt für den Vorgesetzten ein Teil der klassischen Führungsaufga-
ben erhalten, doch ergeben sich neue Schwerpunkte ,,... bei der Information, Koordina-
tion, Kommunikation sowie der Hilfestellung bei Problemlösungen" (v. Lüde 1996,
160). Dies deckt sich aber mit den Aufgaben des Vorgesetzten im BVW, besonders
wenn er wie im Vorgesetzten-Modell eine unterstützende und beratende Funktion
übernehmen soll (s. Abschnitt 1.6.3). Hier lassen sich möglicherweise Synergieeffekte
bei der Einführung von Gruppenarbeit und einer stärkeren Einbindung der Führungs-
kräfte in das BVW erzielen.
1.6.3
Vorgesetzten-Modell
16
Bei dem so genannten Vorgesetzten-Modell werden die Führungskräfte explizit in die
Ablauforganisation des BVW´s mit eingebunden. Der Mitarbeiter reicht seinen Vo r-
schlag nicht mehr direkt beim BVW-Beauftragten ein, sondern bespricht ihn mit seinem
direkten Vorgesetzten. Dieser beurteilt, ob es sich bei dem Vorschlag um einen VV im
Sinne der Betriebsvereinbarung handelt. Wenn nötig unterstützt er den Mitarbeiter bei
der Formulierung und Ausarbeitung des Vorschlags. Im Anschluss daran entscheidet
der Vorgesetzte, ob sich der VV ausschließlich auf den eigenen Führungsbereich oder
aber auch auf andere Bereiche bezieht. Im ersten Fall ist er für Bewertung, Prämierung
und Umsetzung verantwortlich. Im zweiten Fall reicht er den Vorschlag an die zentrale
BVW-Abteilung weiter, die diesen wie im klassischen Ablaufmodell bearbeitet.
17
Das
zentrale Vorschlagswesen übernimmt eine Art Dachfunktion, das erstens die allgemei-
nen Rahmenbedingungen festlegt, zweitens für bereichsübergreifende Verbesserungen
und die Auszahlung höherer Prämien zuständig ist sowie drittens Statistiken zum BVW
führt. Weitere Aufgaben liegen in der Funktion einer Schiedsstelle (als Einspruchsmög-
16
Folgende Ausführungen beziehen sich, soweit nicht anders angegeben, auf Urban (1994, 47ff.).
17
Auch bei der Prämienvergabe gibt es eine Einschränkung. So darf in vielen Unternehmen der Vorgesetzte nur
Prämien für Vorschläge mit nichtberechenbarem Nutzen oder nur bis zu einer bestimmten Obergrenze (z.B. 500 )
selbst vergeben. Für Prämien, die darüber liegen, ist wieder die zentrale BVW-Abteilung zuständig (Schlotfeldt
1990, 185; v. Bismarck 2003, www).

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Das Betriebliche Vorschlagswesen
lichkeit, wenn der Mitarbeiter mit der Entscheidung seiner Führungskraft nicht einver-
standen ist), der Organisation von Informations veranstaltungen und Werbeaktionen
sowie der Weiterentwicklung und Verbesserung des BVW´s selbst (Schlotfeld 1990,
185ff.).
Ziel des Vorgesetzten-Modells ist es zum einen, die Führ ungskräfte besser in das BVW
zu integrieren und damit einige der in den Abschnitten 1.3 und 2.4.2 genannten
Hemmnisse zu beseitigen. Den Vorgesetzten soll so mehr Verantwortung und Hand-
lungsspielraum gegeben werden. Zum anderen dient das Vorgesetzten-Modell der
bereits oben erwähnten Dezentralisierung und der damit verbundenen Beschleunigung
und Vereinfachung des Einreichens und der Bearbeitung von VV. Eine dritte Zielset-
zung kann in der Entlastung der zentralen BVW-Abteilung gesehen werden.
Die Vorteile des Vorgesetzten-Modells liegen einerseits in der stärkeren Einbindung des
Vorgesetzten in das BVW, das nun unmittelbar zu einer seiner Aufgaben wird. Damit
muss auch er sich eindeutig zum BVW positionieren. Gleichzeitig wird die Kommuni-
kation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter gefördert: Bei dem Vorgesetzten kann
nicht mehr das Gefühl entstehen, übergangen zu werden, da der Mitarbeiter nun seinen
Vorschlag direkt bei diesem einreicht. Für den Mitarbeiter entsteht der Vorteil, dass er
Unterstützung bei der Ausarbeitung und Formulierung des Vorschlags erhalten kann.
Hier erweist sich die hohe Vor-Ort-Kompetenz des Vorgesetzten als hilfreich (dies gilt
zumindest für Vorschläge, die sich auf dessen Führungsbereich beziehen). Außerdem
verringert sich für einen Großteil der Vorschläge der Aufwand für die Einreichung
sowie die Zeit für dessen Bearbeitung.
18
Dies führt letztlich zu einer Kosteneinsparung
und der Möglichkeit, dass sich die zentrale BVW-Abteilung auf andere Aufgaben
konzentrieren kann. Als weiterer Vorteil wird die Erweiterung des Aufgabenspektrums
der Führungskraft genannt (v. Bismarck 2003, www) ­ ein allerdings, wie gleich
dargestellt, auch mit Nachteilen verbundener Umstand.
Ähnlich wie das Gruppenvorschlagswesen wird das Vorgesetzten-Modell in der
Literatur zwar oft angeführt, doch geschieht dies meistens in einer sehr unkritischen
Weise.
19
Es birgt aber auch Risiken in sich (v. Bismarck 2003, www). Schon der
letztgenannte Vorteil der Aufgabenerweiterung kann durchaus negativ sein. So bedeutet
die Einbindung des Vorgesetzten in die Ablauforganisation des BVW´s eine zusätzliche
18
Mit Hilfe dieses Modells konnten bei der Opel AG ? aller Vorschläge vor Ort bearbeitet werden (Schlotfeldt 1990,
186)
19
So sieht beispielsweise Schlotfeldt (1990, 18) als einzigen Nachteil, dass die Beteiligungsrate am BVW in der
Statistik sinken kann, da durch die Führungskraft abgelehnte VV nicht mehr erfasst werden.

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Arbeitsbelastung für diesen und kann zu einer ablehnenden Haltung führen.
20
Dies ist
deswegen besonders kritisch, da in diesem Modell der Erfolg des BVW´s ganz wesent-
lich vom Engagement der einzelnen Führungskräfte abhängt. Es ist nicht damit zu
rechnen, dass eine Führungskraft, die eine negative Haltung zum BVW hat, die oben
genannten Aufgaben erfolgreich erfüllen wird. Damit wird deutlich, dass mit Hilfe des
Vorgesetzten-Modells nicht alle Hemmnisse auf Seiten der Führungskräfte beseitigt
werden können, sondern einige unter Umständen noch verstärkt werden.
21
Auch das Verhältnis des Mitarbeiters zum Vorgesetzten spielt eine entscheidende Rolle.
Denn nur wenn dieses von Kooperation und Vertrauen geprägt ist, wird sich der
Mitarbeiter mit dem VV an seine Führungskraft wenden. Im Falle von Misstrauen oder
Abneigung wird der Mitarbeiter entweder keinen VV einreichen oder dies an anderer
Stelle tun, da er eine ungerechte Handhabung und Beurteilung seines Vorschlags
befürchtet. Von der Führungskraft werden somit zusätzliche soziale Kompetenzen
verlangt. Sie soll einerseits den Mitarbeiter zu einer Te ilnahme motivieren, andererseits
muss sie aber auch die Vorschläge möglichst objektiv bewerten und unter Umständen
ablehnen. Gerade die Ablehnung eines VV´s erfordert ein hohes Maß an Einfühlungs-
vermögen und Verständnis sowie Geschick in deren Vermittlung, um nicht die Mitar-
beiter dauerhaft von einer Beteiligung abzuhalten.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass mit Hilfe des Vorgesetzten-Modells nur
ein Teil der Probleme des klassischen BVW´s gelöst werden können. Sein Erfolg ist
sehr stark von der Einstellung und den Verhaltensweisen der jeweiligen Führungskraft
und dem Vorgesetzten-Mitarbeiter-Verhältnis abhängig (v. Bismarck 2003, www). Es
muss darauf geachtet werden, dass die zusätzliche Arbeitsbelastung für Führungskräfte
möglichst gering bleibt. Die bereits in Abschnitt 1.3 erwähnte Notwendigkeit der
Schaffung geeigneter Anreize sowie die Durchführung von Personalentwicklungsmaß-
nahmen (z.B. zum Erwerb von zusätzlichen Schlüsselqualifikationen und Führungs-
techniken oder der Erfahrungsaustausch zwischen Vorgesetzten unterschiedlicher
Bereiche (Preller, 1994, 67; Diensberg 1997, 213f.)) gewinnen hier zusätzlich an
Bedeutung, damit Führungskräfte den neuen Anforderungen und Erwartungen gerecht
werden können. Zudem ist es hier besonders wichtig, verschiedene Einreichwege zur
Verfügung zu stellen, so dass Mitarbeiter bei Misstrauen gegenüber dem Vorgesetzten
20
Hier sei noch mal auf die Untersuchung von Bächle verwiesen, der zufolge die Haltung des Vorgesetzten zum
BVW mit steigender Beteiligung der eigenen Mitarbeiter negativer wird (Bächle, 1984, 1333ff.).
21
Umso erstaunlicher ist es, dass dem Autor nur ein Artikel (v. Bismarck, 2003, www) bekannt ist, in dem die
zusätzliche Arbeitsbelastung problematisiert wird.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832470319
ISBN (Paperback)
9783838670317
DOI
10.3239/9783832470319
Dateigröße
896 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg – Sozialwissenschaften, Soziologie
Erscheinungsdatum
2003 (Juli)
Note
1,7
Schlagworte
ideenmanagement tausch mitarbeiterbefragung innovation
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