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Die klientelorientierte Wirtschaftspolitik Japans am Beispiel des ländlichen Raums

©2002 Diplomarbeit 112 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Der wirtschaftliche Aufstieg Japans seit dem zweiten Weltkrieg galt lange Zeit als Musterbeispiel für aufstrebende Volkswirtschaften in Asien. Er führte von der uneingeschränkten Kapitulation 1945 und der Besatzung durch die USA, der Reorganisation aller gesellschaftlichen Systeme, insbesondere der Wirtschaft, über außerordentlich lange und starke Wachstumsphasen zum Status der zweitstärksten Volkswirtschaft in der Welt.
Am Ende der 80er Jahre war Japan auf dem Höhepunkt seiner wirtschaftlichen Kraft, die zum Teil als Bedrohung für die Industrieländer Europas und der USA angesehen wurde. Die Dominanz der USA in der Weltwirtschaft war nicht mehr unangreifbar und Japan schickte sich an, die 90er des letzten Jahrhunderts zum `japanischen Jahrzehnt` zu machen.
Die 90er Jahre markierten jedoch das Ende des japanischen Aufschwungs. Das Jahrzehnt war gekennzeichnet durch sinkende Wachstumsraten, durch steigende Arbeitslosigkeit und durch einen Bedeutungsverlust Japans in der Weltwirtschaft insgesamt.
In der vorliegenden Arbeit wird versucht, die über zehn Jahre dauernde, noch immer existente wirtschaftliche Krise mit dem politischen System Japans in Verbindung zu bringen. Hierbei spielt der ländliche Raum als Kern der japanischen Gesellschaft eine bedeutende Rolle. Sein wirtschaftspolitischer Einfluß wird exemplarisch am Agrarsektor und an der Infrastrukturpolitik dargestellt.
Im 2. Kapitel wird eine Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung Japans seit dem zweiten Weltkrieg gegeben. Hierbei werden die Phasen der Besatzungszeit, des wirtschaftlichen Aufholprozesses, der `bubble economy` 1986 – 1990, und der immer noch andauernden wirtschaftlichen Krisenzeit seit Anfang der 90er Jahre unterschieden.
Anschließend wird im 3. Kapitel das politische System Japans beschrieben. Der Fokus dieses Abschnitts liegt auf dem Wahlsystem, der Entwicklung der Parteien, ihrer Struktur und Finanzierung. Darauf folgt im 4. Kapitel eine Darstellung des ländlichen Raumes. Es werden dabei speziell die Bevölkerungsstruktur und der politische Einfluß untersucht.
Als Beispiele für die wirtschaftspolitischen Aktivitäten der japanischen Regierung werden im folgenden der Agrarsektor, insbesondere die Reiswirtschaft, und die Infrastrukturpolitik angeführt. Es wird versucht, die Abhängigkeiten der beteiligten Gruppen offenzulegen und als ein maßgebliches Problem bei den nötigen Reformen zu kennzeichnen.
Die Neue Politische Ökonomie stellt […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7024
Henzgen, Daniel: Die klientelorientierte Wirtschaftspolitik Japans - Am Beispiel des
ländlichen Raums
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Fachhochschule Südwestfalen, Universität, Diplomarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

II
Inhaltsverzeichnis
Seite
Inhaltsverzeichnis II
Abkürzungsverzeichnis IV
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis V
1. Inhalt und Aufbau der Arbeit 1
2. Der wirtschaftliche Entwicklungsprozeß Japans 3
2.1 Die Besatzungszeit 1945 ­ 1952 3
2.2 Die Hochwachstumsphase 1952 ­ 1985 7
2.3 Die ,,bubble economy" 1986-1990/91 13
2.4 Die Krisenzeit seit 1991 16
3. Das politische System Japans 20
3.1 Das Regierungssystem 20
3.2 Das Wahlsystem bis 1994 22
3.3 Die Parteienstruktur bis 1993: Das ,,55er-System" 23
3.4 Das Wahlsystem seit 1994 25
3.5 Das Parteiensystem seit 1993 26
4. Der ländliche Raum Japans 28
4.1 Die Bevölkerungs- und Einkommensstruktur des ländlichen Raums 28
4.2 Der politische Einfluß des ländlichen Raums 32
5. Wirtschaftspolitische Maßnahmen 35
5.1 Agrarprotektionismus am Beispiel des Reisanbaus 35

III
5.1.1 Bedeutung des Grundnahrungsmittels Reis in der japanischen
Gesellschaft 35
5.1.2 Entwicklung und Ausmaß der Protektion und Subvention der
Reiswirtschaft 40
5.1.3 Folgen der Subventionierung und Gegenmaßnahmen 48
5.1.4 Einordnung der japanischen Maßnahmen in einen
internationalen Kontext 51
5.2 Fiskalpolitik 54
5.2.1 Das japanische Steuersystem 54
5.2.2 Das japanische Budgetsystem 60
6. Der theoretische Erklärungsansatz der ,,Neuen Politischen Ökonomie" 75
6.1 Abgrenzung 75
6.2 Die ,,Neue Politische Ökonomie" ­ Downs ,,Ökonomische Theorie der
Demokratie" 76
6.3 Übertragung der ,,Ökonomischen Theorie der Demokratie" auf Japan 85
7. Fazit 91
7.1 Zusammenfassung 91
7.2 Ausblick 92
Anhang 95
Literaturverzeichnis 98

IV
Abkürzungsverzeichnis
BIP
Bruttoinlandsprodukt
BSP
Bruttosozialprodukt
DPJ
Demokratische Partei Japans
FILP
Fiscal Investment and Loan Programme
IWF
Internationaler
Währungsfond
GATT
General Agreement on Tariffs and Trade
KPJ
Kommunistische Partei Japans
LAT
Local Allocation Tax
LDP
Liberal-Demokratische
Partei
MAFF
Ministerium für Landwirtschaft, Forsten und Fischerei
MITI
Ministerium für Internationalen Handel und Industrie
MOF
Ministerium für Finanzen
NJP
Neue Japan Partei
NPÖ
Neue Politische Ökonomie
OECD
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
OPEC
Organisation Erdölexportierender Länder
PSE
Produzentensubventionsäquivalent
SCAP
Supreme Commander of the Allied Powers
SDJP
Sozialdemokratische Partei Japans
WB
Weltbank
WTO
Welthandelsorganisation

V
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tabelle 1: Finanzielle Daten japanischer Haushalten ( in 1000 Yen)
Tabelle 2: Ankaufs- und Verkaufspreise des von der Regierung gehandelten Reises
Tabelle 3: Ankäufe und Subventionen für direkt verkauften Reis
Tabelle 4: The relativ size of the FILP, 1953 ­ 99
Tabelle 5: Konjunkturprogramme 1980 ­ 1998
Tabelle 6: Tax levels in OECD countries: tax revenues as a percentage of GDP
Tabelle 7: Fiscal stimulus package in fiscal 1998
Abbildung 1: Tax gap among three income sources, 1970 - 1990
Abbildung 2: Investitionen in städtischen und ländlichen Präfekturen pro Kopf der
Bevölkerung
Abbildung 3: Leistungsbilanzentwicklung im internationalen Vergleich

1
1. Inhalt und Aufbau der Arbeit
Der wirtschaftliche Aufstieg Japans seit dem zweiten Weltkrieg galt lange Zeit als
Musterbeispiel für aufstrebende Volkswirtschaften in Asien. Er führte von der
uneingeschränkten Kapitulation 1945 und der Besatzung durch die USA, der
Reorganisation aller gesellschaftlichen Systeme, insbesondere der Wirtschaft, über
außerordentlich lange und starke Wachstumsphasen zum Status der zweitstärksten
Volkswirtschaft in der Welt.
Am Ende der 80er Jahre war Japan auf dem Höhepunkt seiner wirtschaftlichen Kraft,
die zum Teil als Bedrohung für die Industrieländer Europas und der USA angesehen
wurde. Die Dominanz der USA in der Weltwirtschaft war nicht mehr unangreifbar
und Japan schickte sich an, die 90er des letzten Jahrhunderts zum `japanischen
Jahrzehnt` zu machen.
Die 90er Jahre markierten jedoch das Ende des japanischen Aufschwungs. Das
Jahrzehnt war gekennzeichnet durch sinkende Wachstumsraten, durch steigende
Arbeitslosigkeit und durch einen Bedeutungsverlust Japans in der Weltwirtschaft
insgesamt.
In der vorliegenden Arbeit wird versucht, die über zehn Jahre dauernde, noch immer
existente wirtschaftliche Krise mit dem politischen System Japans in Verbindung zu
bringen. Hierbei spielt der ländliche Raum als Kern der japanischen Gesellschaft
eine bedeutende Rolle. Sein wirtschaftspolitischer Einfluß wird exemplarisch am
Agrarsektor und an der Infrastrukturpolitik dargestellt.
Im 2. Kapitel wird eine Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung Japans seit
dem zweiten Weltkrieg gegeben. Hierbei werden die Phasen der Besatzungszeit, des
wirtschaftlichen Aufholprozesses, der `bubble economy` 1986 ­ 1990, und der
immer noch andauernden wirtschaftlichen Krisenzeit seit Anfang der 90er Jahre
unterschieden.
Anschließend wird im 3. Kapitel das politische System Japans beschrieben. Der
Fokus dieses Abschnitts liegt auf dem Wahlsystem, der Entwicklung der Parteien,
ihrer Struktur und Finanzierung. Darauf folgt im 4. Kapitel eine Darstellung des

2
ländlichen Raumes. Es werden dabei speziell die Bevölkerungsstruktur und der
politische Einfluß untersucht.
Als Beispiele für die wirtschaftspolitischen Aktivitäten der japanischen Regierung
werden im folgenden der Agrarsektor, insbesondere die Reiswirtschaft, und die
Infrastrukturpolitik angeführt. Es wird versucht, die Abhängigkeiten der beteiligten
Gruppen offenzulegen und als ein maßgebliches Problem bei den nötigen Reformen
zu kennzeichnen.
Die `Neue Politische Ökonomie` stellt einen theoretischen Erklärungsansatz für das
Verhalten politischer Akteure dar. Mit ihrer Hilfe wird im 6. Kapitel versucht, das
Verhalten der Mandatsträger und ihrer Wähler zu erklären. Nach einer
Zusammenfassung der Ergebnisse und der Beantwortung der Fragestellung wird in
Kapitel 7 ein Ausblick und eine Prognose der weiteren wirtschaftlichen wie
politischen Entwicklung Japans abgegeben.

3
2. Der wirtschaftliche Entwicklungsprozeß Japans
2.1 Die Besatzungszeit 1945 ­ 1952
Am 15. August 1945 gab der japanische Kaiser das Ende des 2. Weltkriegs für Japan
bekannt, allerdings ohne die Niederlage gegen die Alliierten, insb. die USA, direkt
einzugestehen
1
. Diese Kapitulation bedeutete das endgültige Ende des zweiten
Weltkrieges und für Japan das Ende der Kaiserherrschaft. Nach den großen
Zerstörungen durch die großflächige Bombardierung Japans und den Abwurf der
beiden Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki stand das Land wirtschaftlich und
politisch vor dem Nichts. Die USA als Besatzer zogen die faktische
Regierungsgewalt an sich. Sie installierten General MacArthur als ´Supreme
Commander for the Allied Powers´ (SCAP), der eine Art militärische
Nebenregierung aufbaute. Sie kontrollierte die Aktivitäten der bestehenden
japanischen Regierung und implementierte eigene, westliche Vorstellungen.
2
Die
Reformen, die auf Druck der Besatzungsmächte von der japanischen Regierung
durchgeführt wurden, waren politischer und wirtschaftlicher Natur.
Die japanischen Wirtschaftskonglomerate (zaibatsu), die sich in Familienbesitz
befanden und durch ihre Größe und Organisation maßgeblichen Einfluß auf die
Wirtschaftsstruktur und die Politik hatten, wurden auf Druck der Amerikaner
zerschlagen. Das strenge Anti-Monopol-Gesetz von 1947, das u. a. die Bildung von
Holdinggesellschaften untersagte, sollte für die Zukunft eine zu starke Akkumulation
wirtschaftlicher Macht verhindern.
3
Die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitern/Angestellten wurde durch
die Zulassung von vom Staat unabhängigen Gewerkschaften reformiert. Dies führte
zu einem sehr schnellen Anstieg des Organisationsgrades der abhängig Beschäftigten
in der japanischen Wirtschaft. Ihre Anteil stieg von 3,2 % 1945 auf 53 % 1948.
4
Ende der 40er Jahre waren die Gewerkschaften sehr aktiv, was an der zunehmenden
1
,,(The Emperor)... concede that the conflict had developed ` not necessarily to Japan`s advantage`."
Sims, Richard L. (2001), S.238
2
Vgl. Sims, Richard L. (2001), S. 238 f
3
Vgl. Ito, Takatoshi (1992), S. 54

4
Anzahl von Streiks veranschaulicht werden kann.
5
Da sich die Gewerkschaften
allerdings in den Konflikten gegen die Arbeitgeber nicht durchsetzen konnten und
durch ihre zunehmende Streikbereitschaft die Unterstützung der amerikanische
`Nebenregierung` abnahm, zogen sie sich auf die Unternehmensebene zurück. Hierin
liegt einer der Gründe für das durch Unternehmensgewerkschaften und ein
Konsensprinzip gekennzeichnete japanische Arbeitnehmer-/ Arbeitgeberverhältnis.
6
Die Aufspaltung der Arbeiterbewegung vollzog sich auch entlang ideologischer
Unterschiede. So bildeten sich von der Sowjetunion und China unterstützte
kommunistische Gewerkschaften, die über Jahre hinaus die Existenz der
Kommunistischen Partei Japans (KPJ) sicherten.
7
Die dritte bedeutende Reform, die durch die Besatzungsmächte vorangetrieben
wurde, war die des Agrarsektors. Die Besitzverhältnisse beim landwirtschaftlich
nutzbaren Boden waren bis zur Kriegsniederlage 1945 noch feudalistisch geprägt.
Der Anteil der Bauern, die eigenes Land bewirtschafteten, lag bei nur ca. 30 %. Die
wenigen Großgrundbesitzer besaßen bis zu 50 % der nutzbaren Fläche. Ihre Pächter
mußten einen Pachtzins von 50 % der Ernte zahlen, was die Armut der abhängigen
Bauern begründete. Ferner ist zu beachten, daß die Hälfte der arbeitenden
Bevölkerung im primären Sektor tätig war.
8
Hierdurch wird die Dimension der
Einkommensunterschiede zwischen Pachtbauern und Landbesitzern veranschaulicht.
Die 1946 und 1947 durchgeführte Landreform setzte bei der Verteilung der
landwirtschaftlichen Fläche an. Alle landbesitzenden Bauern wurden gezwungen,
den Anteil ihres Landes, der 3 ha überstieg an die Regierung zu verkaufen, die
ihrerseits das erworbene Land zu sehr günstigen Preisen an die ehemaligen Pächter
weiterveräußerte. Die weiterhin mögliche Verpachtung von Land wurde durch
festgesetzte, niedrige Pachtzahlungen reglementiert. Es fand eine weitgehende
Egalisierung der Besitzverhältnisse und damit eine Demokratisierung des primären
Sektors statt. Bei einem Vergleich der Jahre 1946 und 1970 wird dies besonders
deutlich: 1946 waren 32,8 % der Bauern Landbesitzer, 28,7 % hatten kein eigenes
Land. Im Jahre 1970 lag der Anteil der Eigentumsbauern bei 79,4 %. Nur die
4
Vgl. Ito, Takatoshi (1992), S. 55
5
Allein im Jahr 1948 gab es 913 Streiks mit 2,6 Millionen teilnehmenden Arbeitnehmern. Vgl. Ito,
Takatoshi (1992), S. 55
6
Vgl. Hemmert, Martin; Lützeler, Ralph (1998), S. 6
7
Vgl. Sims, Richard L. (2001), S. 262f
8
Vgl. Akiyoshi, Takahashi (1992), S. 12f

5
marginale Größe von 1,6 % der Landwirte waren landlos
9
. Im Zuge dieser Reform
wurde ca. 80 % allen Pachtlandes auf neue Eigentümer übertragen.
Die Landreform hatte weitreichende Folgen: Zuerst verbesserte sich die
wirtschaftliche Position großer Teile der Bevölkerung auf dem Land, da sie nun
eigenes Land bewirtschafteten und nicht mehr hohe Pachtzinsen an einen
Landbesitzer zahlen mußten. Ferner stieg die Produktion landwirtschaftlicher Güter
nach der Reform zügig an, was die Versorgungssituation der japanischen
Bevölkerung insgesamt verbesserte. Das langfristig bedeutendste Ergebnis war die
neue Struktur der japanischen Landwirtschaft. Viele kleine landwirtschaftliche
Betriebe entstanden.
10
11
Die kurzfristige Verbesserung der Versorgung mit agrarischen Gütern und die
politische Stabilisierung der ländlichen Regionen wurden erkauft mit einer
Zersplitterung der landwirtschaftlichen Produktionsstruktur, die schwerwiegende
politische Konsequenzen haben sollte.
Ende der 40er Jahre war die japanische Wirtschaft in einer schwierigen Phase. Durch
die Isolierung vom langsam sich erholenden Welthandel lag die industrielle
Produktion am Boden mit der Folge hoher Arbeitslosigkeit und eines generell
instabilen wirtschaftlichen und politischen Systems. Die Maßnahmen der japanischen
Regierung beinhalteten die starke finanzielle Stützung der Kohle- und Stahlindustrie,
die als Prioritätsbereiche galten, die staatliche Festsetzung vieler Preise und die
Rationierung bestimmter Produkte, wie z. B. Reis.
12
Der Anteil der Subventionen am japanischen Haushalt betrug im Jahre 1949
insgesamt 27 %.
13
Finanziert wurden diese staatlichen Eingriffe zunächst durch eine
starke Geldmengenausweitung. Nachdem diese Praxis durch das Fiskalgesetz von
9
Die Differenz besteht aus Eigentumsbauern mit Zupacht, bzw. Pächtern mit etwas Landbesitz.
10
Zu dem gesamten Abschnitt vgl. Akiyoshi, Takahashi (1992), S. 16ff
11
Die langfristige Änderung der ländlichen Sozialstruktur ist auf die Reform des bürgerlichen
Gesetzbuches zurückzuführen, die ebenso von den Amerikanern vorangetrieben wurde. Hierbei wurde
das Erstgeborenenrecht abgeschafft, die Stellung von Mann und Frau angeglichen und das patriarchale
ie-System beseitigt. Die ie (`Haus`) waren bis dahin die kleinste Einheit des Sozialsystems und
wurden durch den Vater als Familienoberhaupt geführt. Mehrere ie bildeten das mura (`Weiler`), das
auch eine hierarchische Organisationsstruktur aufwies. Das Individuum hatte keine eigenständige
Bedeutung und war abhängig vom Status seines ie und vom Patriarchen. Durch die Reformen wurde
das Landleben langfristig demokratisiert und die Rechte des Individuums, ob männlich oder weiblich,
gestärkt. Vgl. hierzu Akiyoshi, Takahashi (1992), S. 14ff
Als Kritik hierzu könnte angebracht werden, daß westliche Vorstellungen über den Wert des
Individuums in der Gesellschaft ohne Berücksichtigung der asiatischen Denkweise implementiert
wurden.
12
Ito, Takatoshi (1992), S. 58

6
1947 verboten war, wurden Sonderhaushalte zur Finanzierung geschaffen. Hierin ist
ein Merkmal des investiven japanischen Staates zu sehen.
14
Die hohe Inflation dieser Jahre
15
und die starken Eingriffe des Staates in die
Wirtschaft endeten mit der Dodge-line
16
, die einen Wechsel in der Wirtschafts- und
Finanzpolitik Japans markiert. 1949 begann die Abkehr von der expansiven
Fiskalpolitik und der damit einhergehenden rasant steigenden Staatsverschuldung
sowie der Geldmengenausweitung und der daraus resultierenden massiven Inflation.
Die Staatsausgaben mußten sich an den Einnahmen orientieren, wodurch die
Geldmengenausweitung und die Inflation zum Stillstand kam. Durch die sinkenden
Verbraucherpreise konnten die Preisfestsetzungen aufgegeben werden. Diese
Maßnahmen stärkten die marktwirtschaftlichen Tendenzen. Mit Hilfe eines
festgesetzten Wechselkurses von 360 Yen = 1 US-Dollar hoffte man den Export
anzukurbeln, was zunächst nicht gelang.
17
Am 25. Juni 1950 brach der Koreakrieg aus.
18
Dadurch gelangte Japan in eine neue
Position; es wurde Nachschubbasis für die in Korea kämpfenden US-amerikanischen
Soldaten. Diese wirtschaftliche Initialzündung bescherte einen Wachstumsboom, der
die bis dahin noch sehr labile wirtschaftliche Situation endgültig stabilisierte. Auch
nach dem Ende des militärischen Konfliktes blieb Japan stabil, da die Zeit bis
1953/54 genutzt wurde, um neue Exportmärkte zu erschließen. In diesem Zeitraum
13
Vgl. Klenner, Wolfgang (1989), S. 70
14
Törkel, Holger (1998), S. 116f
15
Im Jahre 1945 lag die Inflationsrate bei 51,1 %; 1946 bei 364,5 %; 1947 bei 195,9 % und 1948 bei
165,6 %. Vgl. Törkel, Holger (1998), S. 115
16
Die Dodge-line wurde benannt nach dem amerikanischen Banker und Wirtschaftsonderberater
Joseph Dodge, der ab 1948 maßgeblich für den Wechsel in der Wirtschafts- und Finanzpolitik Japans
verantwortlich war. Vgl. Ito, Takatoshi (1992), S. 59
17
Vgl. Ito, Takatoshi (1992), S. 59
18
An diesem Tag geschah ein Angriff kommunistischer nordkoreanischer Truppen auf Südkorea. Im
Laufe des Konfliktes entwickelten sich die beiden Lager wie folgt: Nordkorea wurde von der
Sowjetunion und China massiv unterstützt, u. a. kämpften ca. 300.000 Freiwillige aus China auf
Seiten Nordkoreas; Südkoreas Verbündete waren die USA, die ebenfalls eine starke militärische
Präsenz in diesem Konflikt hatten, und der UN-Sicherheitsrat, der sich für eine Unterstützung
Südkoreas aussprach (bei Abwesenheit des sowjetischen Gesandten!).
Das im Juli 1953 beschlossene Abkommen von Panmunjon beendete den Krieg und sah eine
Sicherheitszone um den 38. Breitengrad, die von der Uno gesichert wurde, vor. Diese Situation ist
trotz langsam zunehmender Annäherung der beiden koreanischen Staaten seit den 9oer Jahren immer
noch aktuell.
Der Koreakrieg und die anfänglichen Siege des kommunistischen Lagers verschärften den `Kalten
Krieg` und führten zu einer stärkeren Westbindung (auch im militärischen Bereich) der BRD. Vgl.
Woyke, Wichard (2000), S. 376

7
wurde auch das Einkommens- und Aktivitätsniveau der Vorkriegszeit wieder
erreicht.
19
Vor dem Hintergrund des Koreakrieges wurde am 8. September 1951 in San
Francisco ein Friedensvertrag unterschrieben, der das Ende der Besatzung Japans auf
April 1952 festlegte. Gleichzeitig wurde zwischen Japan und den USA ein
Sicherheitsvertrag vereinbart, der den USA die Stationierung von Truppen auf
japanischem Gebiet zusicherte.
20
Das Jahr 1952 markiert damit einen bedeutenden Einschnitt in der
Nachkriegsgeschichte Japans: es erhielt seine staatliche Souveränität zurück und der
wirtschaftliche Aufholprozeß begann.
2.2 Die Hochwachstumsphase 1952-1985
Durch die zurückgewonnene staatliche Souveränität erhöhte sich gleichzeitig die
wirtschaftspolitische Handlungsfreiheit. Der Staat übernahm eine aktivere Rolle in
der Wirtschaft, was an mehreren Beispielen veranschaulicht werden kann.
Die nach dem Krieg niedrige Eigenkapitalquote der Unternehmen stellte sich als
wachstumshemmend heraus. Ihre Liquidität wurde gesichert durch sehr hohe Kredite
japanischer Banken, die ihrerseits durch die große Kreditvergabe, die über ihre
Einlagen- und Eigenkapitalgrenzen ging (overborrowing), in starke Abhängigkeiten
von der japanischen Zentralbank (Bank of Japan) gerieten.
21
Diese Situation
verschaffte dem Staat die Möglichkeit, über die Zinspolitik und die
Kreditkontingentierung der Zentralbank die Unternehmen mit Liquidität zu
versorgen und maßgeblichen Einfluß auf die Industrieunternehmen zu erlangen. So
wurde es möglich, Unternehmen oder Industriezweige, die als besonders
förderungswürdig angesehen wurden, sehr hohe und günstige Kredite einzuräumen.
22
Die Festlegung sektoraler Prioritäten geschieht im Ministerium für internationalen
Handel und Industrie (MITI). Das 1949 gegründete Ministerium bestimmt die
Quantität und die Qualität staatlicher Unterstützung einzelner Sektoren. Die
Leistungen erstreckten sich von direkten Subventionszahlungen, günstigen Krediten,
19
Vgl. Hemmert, Martin; Lützeler, Ralph (1998), S. 7f
20
Vgl. Allinson, Gary D. (1997), S. 77
21
Vgl. Törkel, Holger (1998), S. 122
22
Vgl. Klenner, Wolfgang (1989), S.77

8
über zollpolitische Schutzmaßnahmen bis hin zu der Gewährung von
Branchenkartellen für notleidende Industriezweige und der Förderung von
Fusionen.
23
Diese starken Eingriffe in den Wirtschaftsablauf waren ein Grund, daß die durch die
amerikanische Besatzungsmacht durchgeführte Zerschlagung der zaibatsu de facto
rückgängig gemacht wurde. Es entstanden keiretsu (Verbundgruppen, Netzwerke;
wörtlich: Verbindungslinien
24
). Diese Unternehmensgruppen, die durch
Überkreuzbeteiligungen verbunden sind, stellen jedoch keine Holdinggesellschaften
dar, da diese nach japanischem Recht untersagt sind. Die einzelnen Unternehmen
gruppieren sich um ein Generalhandelshaus (sogo sosha) und eine Hausbank, die
spezielle Aufgaben für alle `Mitglieder` wahrnimmt. Die Vorteile dieser Struktur
betreffen vor allem den internen Technologietransfer, aber auch die gemeinsame
Nutzung von Distributionskanälen und Logistik, cross-selling Möglichkeiten, eine
Abstimmung der Unternehmensstrategien, den Finanzierungsbereich und eine
gegenseitige Beistandspflicht. Insgesamt gibt es ca. sechs industrielle Hauptgruppen,
die unzählige Unternehmen, auch Mittel- und Kleinbetriebe, die eine
Zulieferfunktion für die großen, exportorientierten Großunternehmen haben, zu ihrer
Einflußsphäre zählen.
25
26
Besondere Förderung in Form von Liquidität und organisiertem Technologieimport
erhielten besonders die Unternehmen, die über exportorientierte Produktionen (z. B.
Automobilbau, Maschinenbau) verfügten. Mit diesen Maßnahmen sollte das
Handelsbilanzdefizit der 50er Jahre, das durch den Abfluß von Devisen den
wirtschaftlichen Aufholprozeß hemmte, zügig abgebaut und in einen
Handelsbilanzüberschuß umgekehrt werden. Der binnenmarktzentrierte Teil der
Wirtschaft wurde durch Importregulierungen geschützt. Langfristig wurde hierdurch
23
Vgl. Klenner, Wolfgang (1989), S. 76
24
Vgl. Eli, Max (1998), S. 286f
25
Vgl. Eli, Max (1998), S. 286ff
26
Diese `Dualstruktur` der japanischen Industrie bezieht sich nicht nur auf die Größe der Betriebe und
den Grad der Abhängigkeit von einem anderen Unternehmen, sondern ist auch sichtbar bei den
Kosten je Arbeitsstunde und der erzielten Produktivität. Zusammengefaßt kann man sagen, daß die
abhängigen Klein- und Mittelbetriebe bedeutend niedrigere Löhne zahlen, eine stark zurückfallende
Produktivität haben und eine lebenslange Anstellung nicht garantieren. Vgl. Hemmert, Martin (1998),
S. 167f; Bosse, Friederike (1998), S. 297ff
Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß in den USA und in Europa dieser Dualismus in der
japanischen Industrie kaum Beachtung findet. Japanische Unternehmen gelten hier generell als sehr
produktiv und `lebenslange Beschäftigung` wurde bis vor kurzem als universales Leitmotiv der
japanischen Arbeitsbeziehungen angesehen. Genauer betrachtet gilt dies allerdings nur für die
exportorientierten Großunternehmen.

9
ein weiterer Dualismus zwischen weltmarktorientierter und ­fähiger Exportindustrie
und abgeschotteter Binnenwirtschaft erschaffen.
27
Die mit Hilfe des MITI langfristig
angelegte Planung der japanischen Großunternehmen und die starke Verflechtung
untereinander ermöglichen es den keiretsu, unabhängig vom eigenen Aktienkurs und
damit von renditeorientierten Aktionären langfristig zu planen
28
. Die typische
japanische Unternehmensstrategie ist mehr auf den Ausbau von Marktanteilen als auf
die kurzfristige Verbesserung der Rendite gerichtet.
29
Die hohe Liquidität des japanischen Kapitalmarktes ermöglichte eine sehr hohe
Investitionsquote, die den Kapitalstock der japanischen Volkswirtschaft schnell
wachsen ließ und stark `verjüngte`: ,,So stieg die Investitionsquote von 16,4 % im
Jahre 1955 auf knapp 40 % in 1970. Die hohen Investitionen führten zu einer
drastischen Vergrößerung des Kapitalstocks, dessen Durchschnittsalter von 16,5
Jahren 1955 auf 7,2 Jahre 1970 sank."
30
Die Folgen dieser Entwicklung können an
den realen Wachstumsraten abgelesen werden: Lag das durchschnittliche jährliche
Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im Zeitraum 1956-60 noch bei 8,9 %,
so stieg es auf 11,1 % in den Jahren 1966-70. Da in der Folge die Wachstumsraten
merklich zurückgingen, kann man den Zeitraum 1956-1972 als
Hochwachstumsphase Japans bezeichnen.
31
Die Basis für die hohe Investitionsquote Japans war und ist die hohe Sparquote
32
der
japanischen Haushalte. Lag sie 1953 bei kriegsbedingt niedrigen 7 % stieg sie bis
1974 auf 23,4 %. 1979 betrug sie 22 %.
33
Es gibt sehr viele Erklärungsansätze für die japanische private Haushaltssparquote.
34
Als besonders einleuchtend empfinde ich die kulturellen und wirtschaftspolitischen
Faktoren. So hat der Einfluß des Konfuzianismus mit seiner Arbeits- und Sparethik,
wie wir sie auch in anderen konfuzianisch geprägten Ländern Asiens feststellen
können ( z. B. China, Korea), die japanische Denkweise beeinflußt. Die generelle
27
Vgl. Klenner, Wolfgang (1989), S.79
28
,, Da die meisten der zehn Hauptaktionäre der einzelnen Firmen Schwesterfirmen der gleichen
Gruppe sind, ist das tatsächliche Einflußpotential der Gruppenverbände auf zwischen 50 und 100 %
der Besitzrechte einzuschätzen." Preisinger-Monloup, Madeleine (1981), S. 192
29
Vgl. Klenner, Wolfgang (1989), S.83/84
30
Klenner, Wolfgand (1989), S. 81
31
Hemmert, Martin/Lützeler, Ralph (1998), S. 8
32
Hier: Verhältnis von Ersparnissen zum verfügbaren Einkommen.
33
Vgl. Hoshii, Iwao (1981), S, 96
34
Siehe umfassende Auflistung bei Schnabl, Gunther (2000), S. 61/62

10
Risikoaversion der japanischen Bevölkerung verstärkt das Bedürfnis, einen
möglichst großen Anteil des Einkommens zu sparen.
Im Bereich der wirtschaftspolitischen Faktoren spielt vor allem das schlecht
ausgebaute soziale Sicherungssystem eine bedeutende Rolle. Ein Vergleich mit
anderen Ländern zeigt, daß Japan mit einem Anteil von 14,1 % vom
Bruttosozialprodukt (1991) die niedrigsten Sozialausgaben aller untersuchten
Industrienationen hat.
35
So basiert die Absicherung gegen Arbeitslosigkeit in der
Industrie auf dem Versprechen der `lebenslangen Beschäftigung` und auf dem Land
der Sozialstruktur der ie. Die Rentenversicherung, die erst in den 60er Jahren
eingeführt wurde, beruht auf dem Kapital- und nicht wie in Deutschland auf dem
Umlagesystem. Das bedeutet, daß nur das selbst angesparte Kapital zur
Altersversorgung herangezogen werden kann.
36
37
1953 trat Japan dem Internationalen Währungsfond (IWF) und der Weltbank (WB)
bei und 1955 folgte der Anschluß an das ´General Agreement on Tariffs and Trade´
(GATT). Zu beachten ist aber, daß erst in den 60er Jahren eine uneingeschränkte
Mitgliedschaft, d.h. inklusive Devisenbewirtschaftung und Außenhandelskontrolle,
erreicht wurde. Die Aufgabe der Beschränkungen erfolgte auf den Druck einiger
Importländer japanischer Güter (insb. der USA), die ihrerseits den beschränkten
Zugang zum japanischen Markt nicht weiter dulden wollten.
38
Hier wird der Konflikt
zum erstenmal deutlich, der die Außenhandelsbeziehungen zwischen Japan und den
USA bis heute bestimmt.
Ein bedeutender Einschnitt im wirtschaftlichen Wachstumsprozeß liegt im Jahre
1965. Ende 1964 reduzierte sich das Wirtschaftswachstum deutlich. Mehrere
Großunternehmen brachen zusammen. Die Löhne stiegen trotz dieser
Schwächephase weiter
39
und die Staatseinnahmen sanken. Im Juli 1965 sah sich die
35
USA 16,2 %; GB 25,5 %; West-Deutschland 29,1 %; Frankreich 36,2 %; Schweden 40,7 %. Vgl.
Thränhardt, Anna Maria (1998), S. 444
36
Vgl. Thränhardt, Anna Maria (1998), S. 442 ff
37
Da der soziale Aufstieg im egalitären Japan nur durch Bildung möglich ist, erfreuen sich private
Schulen, Hochschulen und sogenannte `Paukschulen`, die auf Prüfungen gesondert vorbereiten ,
besonders großem Zulauf. Diese privaten Einrichtung verlangen hohe Schulgeldzahlungen, die nur
durch frühzeitiges Sparen der Eltern aufgebracht werden können. Hierin liegt ein weiterer Faktor für
die hohe Sparquote der privaten Haushalte Japans. Vgl. Ehrke, Michael (1998), S. 6
38
Vgl. Kanamori, Hisao/Kosai, Yutaka (1997), 10 ff
39
In Japan muß bei Lohnsteigerungen einer Lohngruppe sofort das ganze Lohngefüge in einem
Unternehmen angeglichen werden, da sonst das Senioritätsprinzip verletzt würde. Durch die
Lohnforderungen der Arbeiter, denen man auch 1964/65 nachkam, stiegen die Lohnkosten in allen
Unternehmensbereichen sofort an. Das Senioritätsprinzip verschärfte folglich die Kostensituation der
Unternehmen. Vgl. Nakamura, Takafusa (1973), S. 42

11
japanische Regierung gezwungen, durch eine expansive Fiskalpolitik die Krise
abzumildern. Die Staatsausgaben stiegen und zu ihrer Finanzierung wurde das
Haushaltsgesetz geändert. Nun war es zum ersten mal seit der Dodge-line und der
damit zusammengehörenden Maxime des ausgeglichenen Staatshaushalts möglich,
daß der Staat Kredite aufnahm: ,,Die Emission von langfristigen Staatsanleihen war
für die Finanzpolitik der Beginn einer neuen Ära."
40
1971 zerbrach das Bretton-Woods-System fester Wechselkurse, das 22 Jahre lang
den Wert eines US-Dollars bei 360 Yen stabil gehalten hatte. Die daraufhin folgende
Yen-Aufwertung auf 308 Yen pro US-Dollar verteuerte japanische Produkte im
Ausland, verbilligte aber gleichzeitig die Importe nach Japan.
41
Für ein Land, das
sehr exportorientiert ist, bedeutet eine Wechselkursaufwertung der heimischen
Währung Absatzprobleme der hergestellten Produkte auf dem Weltmarkt.
42
Und
auch in Japan hatte die Aufwertung der heimischen Währung ein zurückgehendes
Wirtschaftswachstum zur Folge.
1973/74 ereignete sich der nächste Rückschlag: Die erste Ölpreiskrise. Durch die
starke Drosselung der Erdölförderung durch die Mitglieder der ´Organisation
erdölexportierender Staaten´ (OPEC)
43
schnellte der Weltmarktpreis für Erdöl in die
Höhe. Japan (wie auch die Bundesrepublik) war von der Preissteigerung besonders
hart getroffen, da es als ressourcenarmes Land seine gesamte Nachfrage an Erdöl
durch den Export decken muß. Die Verteuerung des Inputfaktors Erdöl ließ die
industriellen Produktionskosten stark steigen und begründete dadurch Preisschübe,
die gesamtwirtschaftlich gesehen zu einer stark ansteigenden Inflationsrate führten.
Die inflatorischen Tendenzen wurden durch eine expansive Geldpolitik der
japanischen Regierung forciert und ergaben 1974 eine Inflationsrate Japans von fast
25 %.
44
40
Kanamori, Hisao/Kosai, Yutaka (1997), S. 15
41
Vgl. Klenner, Wolfgang (1989), S. 86
42
Zum Vergleich kann die Bundesrepublik herangezogen werden, da sie ebenfalls ein stark
exportorientiertes Land ist. Oftmals wurde die schlechte Binnenkonjunktur Deutschlands durch große
Exporterfolge überkompensiert.
43
Hierzu zählen unter anderem Saudi-Arabien, Iran, Irak, Kuwait, Vereinigte Arabische Emirate.
44
Vgl. Hemmert, Martin/Lützeler, Ralph (1998), S. 8f

12
Das Eingreifen der japanischen Politik
45
beruhigte die Lage wieder, offenbarte aber
gleichzeitig ein weiters mal die interventionistische Grundhaltung der japanischen
Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Als Ergebnisse der exogenen Schocks auf die japanische Wirtschaft kann man zwei
Punkte besonders herausstellen:
Zum einen wechselte die japanische Wirtschaft von einer Hochwachstumsphase bis
Anfang der 70er Jahre mit einem realen Wachstum von 11,1 % (durchschnittliches
jährliches Realwachstum im Zeitraum 1966-70) auf einen mittleren Wachstumspfad
von um die 5 %. Dieses Niveau war allerdings immer noch überdurchschnittlich im
Vergleich zu anderen, vergleichbaren Industrienationen.
46
Zum anderen stieg in der betrachteten Zeitspanne die Staatsverschuldung durch eine
aktive Konjunkturpolitik stark an. So lag der Bruttoschuldenstand Japans im
Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt 1980 bei 51,2 %.
47
Die Leistungsbilanz stieg ab 1980 von einem Bilanzausgleich auf ihren Höhepunkt
von fast 16.000 Mrd. Yen 1986. Zerlegt man nun die Leistungsbilanz in ihre
Bestandteile, stellt man fest, daß sie vor allem von einem großen
Handelsbilanzüberschuß bestimmt wird. Er lag 1986 bei knapp über 14.000 Mrd.
Yen.
48
Die Staatsverschuldung Japans stieg jedoch weiter an. So lag der
Bruttoschuldenstand des Staates im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt 1985 schon
bei 67 % (1980: 51,2 %; siehe oben).
49
Und auch die Sparquote blieb im Vergleich
zu anderen Industriestaaten auf hohem Niveau.
50
Das Ausland, insb. die USA, die ein stark negatives Handelsbilanzergebnis mit Japan
hatten, sahen sich durch den wachsenden Handelsbilanzüberschuß gezwungen, auf
Maßnahmen der japanischen Regierung zur Gegensteuerung zu bestehen. So wurde
1985 das `Plaza-Abkommen` geschlossen, das durch ein abgestimmtes Verhalten der
45
So wurde der Diskontsatz auf 9 % erhöht, staatliche Ausgaben gekürzt und Preisregulierungen für
tagtäglich Güter durchgeführt. Vgl. Kanamori, Hisao/Kosai, Yutaka (1997), S. 20
46
Vgl. Hemmert, Martin/Lützeler, Ralph (1998), S. 8f
47
Durch einen Vergleich mit anderen Industriestaaten wird die Dimension deutlich: USA: 37 %;
BRD: 32,8 %; EU-Staaten: 41,1 %; OECD-Staaten: 41 %. Vgl. Waldenberger, Franz (1998a), S. 38
48
Vgl. Schnabl, Gunther (2000), S. 74
49
Vgl. Waldenberger, Franz (1998a), S. 38
50
Vgl. Schnabl, Gunther (2000), S. 60

13
teilnehmenden Staaten der G5
51
eine Dollarab- und damit eine Yenaufwertung zum
Ziel hatte. Der Yenkurs stieg wie geplant von 230 Yen pro US-Dollar im September
1985 auf 160 Yen pro US-Dollar ein Jahr später. Die beabsichtigte Wirkung einer
Senkung des Handelsbilanzüberschusses durch die nun teuerer gewordenen
japanischen Güter im Ausland konnte allerdings nicht ausreichend genug realisiert
werden.
52
Die Begründung hierfür liegt in der abschwächenden japanischen
Konjunktur, die auch die Binnennachfrage und damit die Importe sinken ließ. Der
Druck auf Japan nahm zu und so wurde die Senkung des
Leistungsbilanzüberschusses als ,,nationale Aufgabe" betrachtet. Die Ankurbelung
der Binnennachfrage sollte den Ausweg bringen.
53
2.3 Die ,,bubble economy" 1986-1990/91
Der sogenannte ,,Meakawa-Report" von 1986 empfahl der japanischen Regierung
eine binnenmarktorientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik, um aus der
konjunkturellen Schwächephase, die durch die starke Aufwertung des Yen verschärft
wurde, herauszukommen. Die japanische Politik richtete sich nach diesem Bericht,
was eine expansive Geld- und Fiskalpolitik zur Folge hatte.
Um die Binnennachfrage zu stärken, beschloß die japanische Regierung mehrere
Programme zur Investitionsankurbelung. So wurden öffentliche Investitionen
forciert, der Wohnungsbau gefördert und Sonderprogramme für die
Regionalentwicklung aufgelegt. Wie geplant zogen die staatlichen Investitionen
private Anlageinvestitionen und dann auch den privaten Konsum nach oben. Der
wirtschaftliche Aufschwung wurde stabilisiert.
54
Finanziert wurde die gesteigerte
Staatstätigkeit durch eine Erhöhung der Staatsverschuldung und durch die
Privatisierung von öffentlichen Unternehmen, wie z. B. der Staatsbahn und der
staatlichen Fernmeldegesellschaft NTT.
55
51
Zu den G5 gehören die USA, Großbritannien, Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland und
Japan.
52
Vgl. Kanamori, Hisao/Kosai, Yutaka (1997), S. 23
53
Vgl. Kanamori, Hisao/Kosai, Yutaka (1997), S. 24
54
Vgl. Kanamori, Hisao/Kosai, Yutaka (1997), S. 43
55
Vgl. Pohl, Manfred (1998c), S. 327f

14
Die expansive Geldpolitik machte sich in massiven Zinssenkungen der Zentralbank
deutlich, die den Diskontsatz, also den Refinanzierungssatz der Geschäftsbanken bei
der Zentralbank, von 5 % 1985 auf einen bis dahin historischen Tiefstand von 2,5 %
1987 heruntersetzte.
56
Das `billige Geld` unterstützte private Investitionen und ließ
auch die Kosten der Staatsverschuldung, also die Höhe der Zinszahlungen des
Staates an seine Gläubiger niedrig erscheinen.
Flankiert wurden diese politischen Maßnahmen und ihre erfreulichen
wirtschaftlichen Folgen durch eine recht konstante Inflationsrate. Diese stieg nicht
stark an, da trotz angespannter Lage auf dem Arbeitsmarkt
57
die Lohnkosten nur
moderat stiegen. Der starke Yen schwächte außerdem Inflationstendenzen, da
Importe nun günstiger wurden.
58
Ganz besonders der Import von Rohöl verbilligte
sich, begründet in weltweit sinkenden Rohölpreisen Mitte der 80er Jahre.
Einen weiteren positiven Effekt hatte der Aufschwung in Japan: Der noch Mitte der
80er Jahre sehr hohe Leistungsbilanzüberschuß von ca. 80 Mrd. US$ (1986/87)
verringerte sich auf ca. 40 Mrd. US$ 1990. Auch hier ist eine Entwicklung wie in
den Lehrbüchern der Außenhandelstheorie zu konstatieren, da bei wirtschaftlichem
Wachstum und damit einhergehender Steigerung des privaten Konsums und
Aufwertung der inländischen Währung tendenziell die Importe zu und die Exporte
abnehmen. Da der japanische Export stark mit den US-amerikanischen Importen
korreliert, kann man in dem Zeitraum von 1986/87 bis 1990/91 eine Abnahme des
japanischen Leistungsbilanzüberschusses und leicht zeitlich nach hinten versetzt eine
Abnahme des US-amerikanischen Leistungsbilanzdefizits beobachten.
59
Das Besondere und im Nachhinein auch das Verhängnisvolle an dem Aufschwung
der japanischen Wirtschaft Ende der 80er Jahre ist der extreme Anstieg von
Aktienkursen und Bodenpreisen (insb. Tokio). So verdreifachte sich der NIKKEI-
Aktienindex zwischen 1985 und 1989 und der Preis für gewerbliche Grundstücke in
den Ballungszentren vervierfachte sich zwischen 1985 und 1990. Die anfangs nur auf
gewerbliche Grundstücke in Tokio beschränkte Entwicklung griff nach und nach
56
Vgl. Waldenberger, Franz (1998b), S. 125
57
Bei einer weitestgehenden Ausschöpfung des Arbeitskräftepotentials (die Arbeitslosenquote lag bei
niedrigen 2 %) hätte bei einem Konjunkturaufschwung die Nachfrage nach Arbeitskräften und damit
die Lohnkosten steigen müssen.
58
Vgl. Kanamori, Hisao/Kosai, Yutaka (1997), S. 43
59
Vgl. Schnabl, Gunther (2000), S. 103; siehe Abbildung 3 im Anhang

15
auch auf Wohnimmobilien und andere japanische Regionen über.
60
Die Hausse der
Aktienmärkte führte dazu, daß die japanische Marktkapitalisierung Ende der 80er
Jahre ca. 160 % des nominalen Bruttoinlandsproduktes aufwies.
Die großen Wertsteigerungen ließen die Konsum- und Spekulationsneigung stark
zunehmen und verstärkten die Entwicklung.
61
Dieses auf höchst spekulative
Erwartungen basierende Wachstum hatte den Anschein einer `self-fullfilling
prophecy`. Solch ein massenpsychologischer Faktor kann kurzfristig sehr wirksam
sein, mittel- bis langfristig hat er aber keinen Bestand.
62
Nüchtern betrachtet basierte der ganze Boom auf Liquiditätsüberschüssen, die durch
den sehr niedrigen Zins und die einsetzende Haushaltskonsolidierung des
japanischen Staates, der 1990 einen Haushaltsüberschuß erwirtschaftete, entstanden.
Diese Liquidität wurde durch mittel- und langfristige Kredite absorbiert und nicht zu
den private Haushalten geführt.
63
Hierin liegt auch ein Grund der stabilen
Preissteigerung abseits der Aktien-, Grundstücks- und Immobilienpreise.
In der engen Verzahnung der Zentralbank mit den Geschäftsbanken liegt meiner
Meinung nach ein weiterer Baustein für die ,,bubble". Die Geschäftsbanken konnten
ohne Risiko Kredite vergeben und dabei die stetig steigenden, spekulativen
Grundstücks- und Wertpapierpreise als Sicherheiten annehmen, weil sie durch die
Abhängigkeit von der Bank of Japan bis dato vor einem marktwirtschaftlichen Risiko
geschützt schienen. Das System der staatlichen Investitionslenkung über die
Kreditvergabe der Zentralbank aus der Hochwachstumsphase der 60er Jahre wurde
de facto fortgeführt.
Das Ende der ,,bubble economy" liegt in den Jahren 1990/91. Zuerst machte sich die
Konjunkturabschwächung auf den Aktienmärkten bemerkbar. Durch ein normales
Zurückgehen eines Konjunkturzyklusses aufgrund eines Nachfragerückgangs sanken
die Absatzzahlen der Unternehmen und damit die privaten Investitionen und die
Aktienkurse.
64
Dieser übliche Verlauf eines wirtschaftlichen Zyklusses wurde aber
durch eine restriktivere Geldpolitik der Notenbank und des Finanzministeriums
verstärkt. Die Bank of Japan erhöhte die Zinsen von 2,5 % 1988 auf 6 % 1990 und
60
Vgl. Waldenberger, Franz (1998b), S. 123f
61
Vgl. Kerstien, Heinrich (1994), S. 149ff
62
Vgl. Waldenberger, Franz (1998b), S. 126
63
Vgl. Waldenberger, Franz (1988b), S. 128
64
Vgl. Kanamori, Hisao/Kosai, Yutaka (1997), S. 43f

16
verteuerte damit die Investitionen. Das Finanzministerium verringerte den Spielraum
der Banken bei der Vergabe von Krediten an den Immobiliensektor.
65
Eine sich abschwächende Konjunktur traf auf eine restriktivere Geldpolitik, was die
Erwartungen der einzelnen Wirtschaftssubjekte stark negativ beeinflußte.
2.4 Die Krisenzeit seit 1991
Durch das Ende der ,,bubble economy" tauchten in Japan wieder die Probleme aus
der Zeit anfang der 80er Jahre auf: Die Binnennachfrage ging zurück und der
Leistungsbilanzüberschuß stieg wieder an.
Im Zeitraum 1990-94 lag die durchschnittliche reale Wachstumsrate privater
Investitionen im Wohnungsbau bei -1,1 % und im Produktionsbereich bei -4,1 %
(zum Vergleich 1985-90: Wohnungsbau 9,3 % und Produktionsbereich 10,0 %). Bei
einer Betrachtung des durchschnittlichen realen Wachstums des BIP als
Konjunkturmesser stellt man fest, daß der Wert im Zeitraum 1990-94 mit 1,4 % klar
unter dem des Zeitraums 1985-90 mit 4,6 % aber auch deutlich unter dem der
Vorperiode 1980-85 mit 3,4 % lag.
66
Bei der Leistungsbilanz (insb. im Vergleich mit den USA) kann man erneut den
bekannten Verlauf erkennen. Mit dem Zeitpunkt des Rückgangs der japanischen
Konjunktur 1990 steigt der Leistungsbilanzüberschuß wieder stark an. 1993 erreicht
er seinen einstweiligen Höhepunkt bei ca. 125 Mrd. US-Dollar und liegt damit
deutlich höher als bei seinem Spitzenwert in den 80er Jahren von ca. 90 Mrd. US-
Dollar 1987. Wie schon früher beobachtet, verläuft das amerikanische
Leistungsbilanzdefizit zeitlich leicht versetzt und steigt ab 1991 bis 1994 auf ca. 130
Mrd. US-Dollar.
67
Der tiefe Fall der japanischen Aktienkurse endete vorerst 1992 auf dem Niveau von
1986; und der durch Kontraktbindungen verzögerte Verfall der Grundstückspreise
erreichte 1996 wieder den Stand von 1986.
68
Durch den stark fallenden Wert von Aktien und Grundstücken, und damit von
angegebenen Sicherheiten für Bankkredite, entstand eine große Anzahl ungesicherter
65
Vgl. Waldenberger, Franz (1998b), S. 127
66
Vgl. Waldenberger, Franz (1998b), S. 126
67
Vgl. Schnabl, Gunther (2000), Abb. 33, S. 103
68
Vgl. Waldenberger, Franz (1998b), Abb. 3, S. 124

17
Kredite. Nach offiziellen Angaben betrug das Volumen ,,schlechter" Kredite Ende
März 1996 34,8 Billionen Yen.
69
Die Sicherung von Kreditrisiken erfolgte über den
Staat, der über die Bank of Japan die Kreditvergabe der Geschäftsbanken steuerte. Es
entwickelte sich eine ,,Geleitzugpolitik", die von kleinen Banken über große
Geschäftsbanken, die Zentralbank bis zum Finanzministerium und das MITI reichte
und generell den Konkurs von Banken verhinderte. Das Bewußtsein, nicht Konkurs
gehen zu können, verminderte auch in der Zeit nach der ,,bubble" die Vorsicht bei
der Kreditvergabe und bewirkte einen Anreiz zu `moral hazard`. Erst 1997 im Laufe
der Asienkrise ließ die japanische Regierung mit dem Wertpapierhaus ,,Yamaichi
Securities" ein größeres Haus pleite gehen und erhöhte damit den Druck auf den
Finanzsektor, sich struktureller Reformen zu unterziehen.
70
EXKURS: Die Jusen-Affaire
Die Jusen
71
wurden 1971 gegründet und hatten die Finanzierung des privaten
Wohnungsbaus als Auftrag. Im Laufe der ,,bubble" engagierten sie sich zunehmend
bei Bau- und Immobiliengeschäften im gewerblichen Bereich, da hier hohe
Gewinnaussichten bestanden. Im Gegensatz zu den Geschäftsbanken durften
Hypothekenbanken auch nach 1990 unbeschränkt im Immobilienmarkt tätig werden.
Durch die rapide fallenden Büromieten und Grundstückspreise wurde es den
Schuldnern der Hypothekenbanken unmöglich, ihre Kredite zu bedienen.
72
,,Auf
diese Weise wurden auch die Finanzinstitute, die sich der Finanzierung der
Immobiliengeschäfte verschrieben hatten, in den Pleitenstrudel gerissen. Hierzu
gehören an prominenter Stelle die Jusen: Von den über 12 Bill. Yen an
Außenständen der Jusen sind heute 74 % als notleidend einzustufen, ..."
73
Der Plan der japanischen Regierung unter Ministerpräsident Hashimoto zur
Abwicklung der Jusen bevorteilte den Hauptgläubiger, die Agrargenossenschaften,
zu Lasten der Steuerkasse. Die Agrargenossenschaften finanzieren sich über
Bankkredite, die sie laut Auftrag im landwirtschaftlichen Bereich reinvestieren
69
Vgl. Waldenberger, Farnz (1998b), S. 131
70
Vgl. Ehrke, Michael (1999), Teildokument 2, S. 1
71
Ihr vollständiger Name ist jutaka kinyu senmon kaisha, was übersetzt heißt: ,,Firma speziell zur
Finanzierung von Wohnungsbau" Vgl. Bosse Friederike (1996), S. 189
72
Vgl. Ehrke, Michael (1996a), S. 10ff
73
Ehrke, Michael (1996a), S. 12

18
sollen, was allerdings nur teilweise durchgeführt wurde.
74
Sie übernahmen dank der
Unterstützung durch das Landwirtschaftsministerium nur 530 Mrd. Yen der
Schulden (unter 10 %), obwohl ihr Engagement bei den Jusen bei ca. 40 % lag. Die
aufgewendeten Steuermittel wurden insgesamt mit 1,285 Mrd. Yen angegeben.
75
Die Finanzierung durch Staatsgelder und der stark unterproportionale Beitrag der
Agrargenossenschaften, die bei einem normalen Konkursverfahren wegen ihres
Engagements ca. 40 % der Ausfälle hätten tragen müssen, sorgten für Unmut in der
Bevölkerung, die mehrheitlich gegen diesen Abwicklungsplan war, da die
Verantwortlichen für die Krise nicht benannt und zur Rechenschaft gezogen
wurden.
76
An diesem Beispiel läßt sich der Einfluß landwirtschaftlichen Organisationen auf die
japanische Politik erkennen.
Bis heute bilden das niedrige Wirtschaftswachstum und die stark steigende
Staatsverschuldung den Kern der Probleme Japans. Lag das reale Wachstum des BIP
im Fiskaljahr 1995 (April 1995 bis März 1996) noch bei 2,5 % und 1996 bei
erfreulichen 3,4 %, wurden die Hoffnungen auf eine langfristige Erholung der
japanischen Wirtschaft in den Folgejahren enttäuscht. Bis auf eine kleine Erholung
im Fiskaljahr 1999 mit 1,4 % lagen die realen Wachstumsraten des BIP unter 1 %,
bzw. zum Teil auch unter 0 % ( z. B. 1998: -0,6 %). Auch in jüngster Zeit zeichnet
sich kein Trendwechsel ab, was am negativen Wachstum des ersten Quartals 2001
von -0,2 % verdeutlicht werden kann.
77
Folge dieser langfristig mangelhaften wirtschaftlichen Entwicklung Japans ist eine
Arbeitslosenquote, die im internationalen Vergleich, insb. gegenüber vielen
europäischen Industriestaaten, immer noch niedrig ist, aber seit Beginn der 90er
Jahre stetig steigt. Lag die Arbeitslosenquote 1990 noch bei 2,1 % stieg sie bis zum
April 2001 sukzessive auf 4,8 %.
78
Hierbei ist zu bedenken, daß die öffentlich
dargestellte Arbeitslosigkeit unter der tatsächlichen Arbeitslosigkeit liegt. Das
System der lebenslangen Beschäftigung verstärkte die Loyalität zum eigenen
74
Vgl. Ehrke, Michael (1996a), S. 13
75
Vgl. Bosse, Friederike (1996), S. 193
76
Vgl. Bosse, Friederike (1996), S. 189ff
77
Vgl. Bosse, Friederike (2001), S. 372
78
Vgl. Bosse, Friederike (2001), S. 375

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832470241
ISBN (Paperback)
9783838670249
DOI
10.3239/9783832470241
Dateigröße
2.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2003 (Juli)
Note
1,3
Schlagworte
wahlsystem parteiensystem protektionismus landwirtschaft neue politische ökonomie
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