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Reformoptionen in der gesetzlichen Rentenversicherung

Eine quantitative Analyse

©2003 Diplomarbeit 76 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die Alterssicherungssysteme kommen weiterhin nicht aus der öffentlichen Diskussion heraus. Das zahlenmäßige Verhältnis von Erwerbstätigen zu Personen im Ruhestand verschiebt sich kontinuierlich zu Lasten ersterer. Zudem schwindet der Anteil dauerhaft Vollzeitbeschäftigter, statt dessen wird versucht, das System durch die Flucht in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, Schwarzarbeit etc. zu umgehen. Dies gefährdet die Grundlage jedes umlagefinanzierten Alterssicherungssystems, da ein solches nur dann funktioniert, wenn vergleichsweise viele Erwerbstätige wenige Rentner versorgen müssen.
Die Politik hat diese Entwicklung lange verdrängt. Trotzdem mehren sich speziell in den letzten Jahren die Anzeichen, dass die meisten Industrieländer die Zeichen der Zeit erkannt und die Herausforderungen angenommen haben. Im internationalen Vergleich zeichnet sich bei allen Verschiedenheiten dabei vor allem eine Grundtendenz ab: verschiedene Formen der privaten Vorsorge treten vermehrt an die Stelle der traditionell bedeutenden staatlichen Altersvorsorge.
Insbesondere Deutschland hat bei der Reform seines Alterssicherungssystems bereits viel Zeit verloren und lässt auch momentan wichtige Zeit ungenutzt verstreichen. Während in vielen OECD-Ländern bereits zukunftsweisende Reformschritte eingeleitet wurden, beschränkt sich die deutsche Politik bislang auf die Behandlung von Symptomen. Diese Tatsache ist gerade deshalb alarmierend, da die demographischen Verschiebungen in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten ein Ausmaß erreichen werden, das weit über das Niveau der Vergleichsländer hinausgehen wird. Auch der deutsche Arbeitsmarkt sieht sich überdurchschnittlich mit Problemen konfrontiert, sodass er ohne grundlegende Reformen nicht ausreichend in der Lage sein wird, die zusätzlichen Lasten der Alterssicherung tragen zu können.
Die Bewältigung der Problematik, die die zunehmende Überalterung der Bevölkerung auslöst, soll Gegenstand dieser Arbeit sein. Ferner beschäftigt sie sich mit der Riester-Rente und stellt mögliche Alternativen vor. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Resultaten mehrerer Simulationen, die die Auswirkungen der möglichen Rentenreformmaßnahmen auf Wachstum und Beschäftigung, sowie auf Effizienz- und Verteilungskriterien untersuchen. Anhand dieser Daten werden Aussagen über die Vorteilhaftigkeit der verschiedenen Alterssicherungskonzepte getroffen.
Letztlich liefern die Untersuchungen starke Argumente für bzw. […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die aktuellen Systeme der Gesetzlichen Rentenversicherung
2.1 Historische Entwicklung
2.2 Hauptmerkmale der Gesetzlichen Rentenversicherung
2.2.1 Staatliche und private Altersvorsorge
2.2.2 Leistungsarten und Leistungen
2.2.3 Finanzierung
2.3 Aktuelle und kommende Probleme umlagefinanzierter Rentensysteme
2.3.1 Die demographische Entwicklung
2.3.2 Das Beschäftigungsproblem
2.3.3 Fehlanreize am Arbeitsmarkt
2.3.4 Fehlanreize beim Renteneintritt
2.3.5 Die Reifephase eines Umlagesystems
2.3.6 Die Verschuldungsproblematik

3 Reformoptionen umlagefinanzierter Rentensysteme
3.1 Allgemeines
3.2 Parametrische Reform des Umlageverfahrens
3.2.1 Senkung des Rentenniveaus
3.2.2 Erhöhung des Beitragssatzes
3.2.3 Erhöhung der Bemessungsgrundlage
3.2.4 Anhebung des Renteneintrittsalters
3.2.5 Zuschuss aus dem allgemeinen Staatsbudget
3.2.6 Individuelle Rentenkonten
3.3 Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren
3.3.1 Grundlagen eines kapitalgedeckten Rentenmodells
3.3.2 Vorteile des Kapitaldeckungsverfahrens
3.3.3 Nachteile des Kapitaldeckungsverfahrens
3.3.4 Übergangsprobleme
3.4 Die Grundrente
3.4.1 Die pauschale Minimumrente als Grundversorgung
3.4.2 Vorteile einer Grundrente
3.4.3 Nachteile einer Grundrente
3.4.4 Übergangsprobleme
3.5 Zusammenfassung
3.6 Mehrsäulenstrategien

4 Reformoptionen in der numerischen Analyse
4.1 Anforderungen an eine numerische Simulation
4.2 Parametrische Reform des Umlageverfahrens
4.2.1 Wachstum und Beschäftigung
4.2.2 Wohlfahrt und Effizienz
4.2.3 Verteilung und Generationengerechtigkeit
4.2.4 Fazit
4.3 Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren
4.3.1 Übergangsstrategien für das deutsche Rentensystem
4.3.2 Aspekte der Generationengerechtigkeit in Großbritannien und Deutschland
4.3.3 Fazit
4.4 Die Grundrente
4.4.1 Die beitragsfinanzierte Grundrente
4.4.2 Die steuerfinanzierte Grundrente
4.4.3 Eine alternative Finanzierungsmethode
4.4.4 Fazit
4.5 Sozialpolitische Konsequenzen

5 Schlussbemerkungen

Literaturverzeichnis

Anhang A: Makroökonomische Implikationen der Reformoptionen

Anhang B: Wohlfahrtseffekte bei parametrischer Reform des UV

Anhang C: Wohlfahrtseffekte bei Teilübergang bzw. Grundrente

1 Einleitung

Die Alterssicherungssysteme der entwickelten Industrieländer kommen weiterhin nicht aus der öffentlichen Diskussion heraus. Überall sind die aktuellen Herausforderungen gleich. Das zahlenmäßige Verhältnis von Erwerbstätigen zu Personen im Ruhestand verschiebt sich kontinuierlich zu Lasten ersterer. Zudem schwindet der Anteil dauerhaft Vollzeitbeschäftigter, statt dessen wird versucht, das System durch die Flucht in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, Schwarzarbeit etc. zu umgehen. Dies gefährdet die Grundlage jedes umlagefinanzierten Alterssicherungssystems, da ein solches nur dann funktioniert, wenn vergleichsweise viele Erwerbstätige wenige Rentner versorgen müssen.

Die Politik hat diese Entwicklung lange verdrängt. Trotzdem mehren sich speziell in den letzten Jahren die Anzeichen, dass die meisten Industrieländer die Zeichen der Zeit erkannt und die Herausforderungen angenommen haben. Im internationalen Vergleich zeichnet sich bei allen Verschiedenheiten dabei vor allem eine Grundtendenz ab: verschiedene Formen der privaten Vorsorge treten vermehrt an die Stelle der traditionell bedeutenden staatlichen Altersvorsorge.

Insbesondere Deutschland hat bei der Reform seines Alterssicherungssystems bereits viel Zeit verloren und lässt auch momentan wichtige Zeit ungenutzt verstreichen. Während in vielen OECD-Ländern bereits zukunftsweisende Reformschritte eingeleitet wurden, beschränkt sich die deutsche Politik bislang auf die Behandlung von Symptomen. Diese Tatsache ist gerade deshalb alarmierend, da die demographischen Verschiebungen in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten ein Ausmaß erreichen werden, das weit über das Niveau der Vergleichsländer hinausgehen wird. Auch der deutsche Arbeitsmarkt sieht sich überdurchschnittlich mit Problemen konfrontiert, sodass er ohne grundlegende Reformen nicht ausreichend in der Lage sein wird, die zusätzlichen Lasten der Alterssicherung tragen zu können.

Die Bewältigung der Problematik, die die zunehmende Überalterung der Bevölkerung auslöst, soll Gegenstand dieser Arbeit sein. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Resultaten mehrerer Simulationen, die die Auswirkungen der möglichen Rentenreformalternativen auf Wachstum und Beschäftigung, sowie auf Effizienz- und Verteilungskriterien untersuchen. Anhand dieser Daten werden Aussagen über die Vorteilhaftigkeit der verschiedenen Alterssicherungskonzepte getroffen. Dabei ein unbestritten bestes, dominierendes System finden zu wollen, ist utopisch. Zum einen fehlt ein einziges, globales Bewertungskriterium. Zweitens unterscheiden sich die betroffenen Länder so stark in historischer, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht, dass ein auf alle Volkswirtschaften übertragbares Idealmodell nicht existiert.

Trotzdem liefern die Untersuchungen starke Argumente für bzw. gegen etwaige Reformmaßnahmen. Der Fokus dieser Arbeit wird primär auf der Frage nach einer effizienten, finanzierbaren und sozial ausgewogenen Rentenreform für Deutschland liegen. Stets wird diese Fragestellung jedoch in einen internationalen Kontext eingebettet. Kann man zwar kein noch so erfolgreiches ausländisches Konzept eins-zu-eins importieren, so ist es doch ratsam, von den Erfahrungen anderer zu lernen.

Am Ende dieser Arbeit wird die Forderung nach einem raschen und im Umfang bedeutsamen Ausbau der kapitalgedeckten Komponente im deutschen Rentenmodell stehen. Das umlagefinanzierte deutsche Rentenversicherungssystem wird in seiner bisherigen Form schon auf mittlere Sicht nicht mehr finanzierbar sein, was eine grundlegende Wende in der Sozialpolitik unausweichlich macht.

In Kapitel 2 folgt zunächst eine allgemeine Beschreibung der Probleme staatlicher Rentensysteme. Dazu werden die verschiedenen Systeme wichtiger OECD-Staaten verglichen und in einem historischen Kontext betrachtet.

Danach erfolgt im dritten Kapitel eine Präsentation und qualitative Analyse der meistdiskutierten Reformoptionen. Dabei lassen sich grundsätzlich drei eigenständige Strategien unterscheiden: eine Fortführung des beitragsfinanzierten Umlageverfahrens unter minimalen Reformmaßnahmen, ein Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren und ein Wechsel zum Grundrentensystem.

Kapitel 4 bildet schließlich den Kern dieser Arbeit und stellt die potentiellen Reformen auf der Grundlage quantitativer Analysen gegenüber.

2 Die aktuellen Systeme der gesetzlichen Rentenversicherung

2.1 Historische Entwicklung

Als in Deutschland in den 80er-Jahren des 19.Jahrhunderts die Arbeiterorganisationen Einfluss zu gewinnen begannen, sah sich Reichskanzler Bismarck gezwungen, drohenden Unruhen durch die Einführung eines sozialen Sicherungssystems Vorschub zu leisten. Unter Mitarbeit führender Ökonomen wurden zunächst eine Kranken- und Unfallversicherung, und schließlich im Jahre 1889 die weltweit erste Rentenversicherung ins Leben gerufen. Anfangs lediglich als Invaliditätsversicherung konzipiert, wurde die Rentenversicherung schon bald zu einer echten Altersrente ausgebaut, die allen Bürgern zustand, die das Alter von 70 Jahren erreichten und zuvor für mindestens 30 Jahre Beiträge entrichtet hatten. Das charakteristische Element der Bismarckschen Philosophie bestand seit jeher in der engen Verbindung zwischen der Höhe der geleisteten Beiträge und der zu erwartenden Rentenhöhe. Ziel der Rentenzahlung sollte sein, jedem Rentner annähernd die Aufrechterhaltung seines gewohnten Lebensstandards zu ermöglichen, indem die Höhe der monatlichen Rente in etwa proportional zum durchschnittlichen Einkommen in Zeiten der Erwerbstätigkeit sein sollte. Dieser Gedanke begründet auch den Begriff „Rentenversicherung“. Die Beschäftigten sollten ihre Beiträge als Versicherungsprämie gegen eigene Altersarmut verstehen und nicht als Steuer.

Im Gegensatz dazu steht das Konzept, das in Ländern wie Großbritannien oder den Niederlanden eingeführt wurde. Hier bestand der Grundgedanke darin, jedem Bürger ab einem bestimmten Alter unabhängig von den geleisteten Beitragszahlungen eine fixe Pauschalrente zu garantieren. Diese Rente sollte für jedermann gleich sein und somit auch völlig unabhängig vom individuellen Lebenseinkommen. Somit bestand selbst für Bürger, die wenig oder gar nichts in das Rentensystem eingezahlt hatten, ein ausreichender Rentenanspruch, während im Gegensatz dazu ein entsprechender Geringverdiener im deutschen System keinen ausreichenden Rentenanspruch erworben hätte und im Alter auf die Sozialhilfe angewiesen wäre.

Die Idee einer pauschalen Grundrente basiert auf dem britischen Sozialversicherungssystem von Beveridge, das im Jahre 1911 eingeführt und zum größten Teil umlagefinanziert wurde. Charakteristisch waren neben den pauschalen Leistungen ebenso pauschale Pflichtbeiträge, die auf das Erwerbseinkommen erhoben wurden. Die Höhe der Grundrente orientierte sich zunächst am Existenzminimum.

Ab etwa 1960 war das Beveridge-System zunehmender Kritik ausgesetzt. Gegner wiesen vor allem auf zwei Mängel hin. Erstens war das britische Rentenniveau im Vergleich mit anderen Ländern zu weit zurückgefallen. Zweitens hatten sich in Großbritannien allmählich ergänzende Betriebsrenten etabliert, die jedoch nur der wohlhabenderen Bevölkerungsschicht vorbehalten waren und zwei auseinanderklaffende Einkommensgruppen im Rentenalter zur Folge hatten.

Infolgedessen wurde das Anspruchsniveau in den 60er- und 70er-Jahren deutlich angehoben. Zusätzlich wurde in mehreren Reformschritten in den Jahren 1975, 1986, 1995 und 1999 das britische Alterssicherungssystem zu einem Drei-Säulen-Modell ausgebaut. Weiterhin besteht eine Grundkomponente mit Beveridge-Charakter zur Wahrung eines Mindestrentenniveaus für jedermann. Darüber hinaus erhielten jedoch alle Bürger Zugang zu einer zweiten Stufe kapitalgedeckter Zusatzversorgung, die als private, betriebliche oder staatlich organisierte Altersvorsorge geregelt sein kann. Somit ist ein komplexes System entstanden, das von der Idee der pauschalen Grundrente nie vollständig abgerückt ist.

Unterdessen wurde in Deutschland stets der Bismarcksche Grundgedanke der Äquivalenz von Beitrag und Rentenleistung aufrechterhalten, wenn es auch große Probleme zu bewältigen galt. Bis 1914 konnten die Rentenzahlungen vollständig aus dem angesparten Kapitalstock geleistet werden. Durch die beiden Weltkriege sowie die Weltwirtschaftskrise war der Kapitalstock jedoch soweit abgeschmolzen, dass er für eine angemessene Versorgung der Rentnergeneration nicht mehr ausreichte. Nach zähen Beratungen wurde schließlich der Übergang zu einem reinen Umlageverfahren beschlossen, wobei der verbleibende geringe Kapitalstock innerhalb von zehn Jahren verbraucht wurde, um anfangs ein niedriges Beitragsniveau zu gewährleisten. An diesem System wurde im Grundsatz bis heute festgehalten. Lediglich die Parameter wurden mehrfach geändert. So wurde, besonders in den 70er-Jahren, das Rentenniveau soweit erhöht, dass das deutsche Alterssicherungssystem im internationalen Vergleich zu einem der großzügigsten wurde. Zudem wurde 1972 die Möglichkeit des vorzeitigen Ruhestandes ohne Abschläge im Rentenniveau eröffnet. Folgerichtig sank der Anteil der Erwerbstätigen unter den über 60-jährigen in den folgenden Jahren erheblich. Als in den 80er- und 90-Jahren die steigende Arbeitslosigkeit für einen Einbruch der Beitragseinnahmen sorgte und der drohende demographische Druck ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückte, wurde allmählich offensichtlich, dass das geltende Rentensystem Beitragssätze generieren würde, die der Arbeitsmarkt schon bald nicht mehr verkraften würde. Diese Gefahr ist bis heute nicht gebannt.

2.2 Hauptmerkmale der gesetzlichen Rentenversicherung

2.2.1 Staatliche und private Altersvorsorge

Für alle OECD-Staaten kann man die Einkommenszusammensetzung im Ruhestandsalter zunächst gemäß der folgenden Zweiteilung kategorisieren: In allen Ländern existiert eine staatlich organisierte Grundsicherung, die in den bedeutendsten Nationen auch ausnahmslos umlagefinanziert wird. Daneben besteht überall eine kapitalgedeckte Komponente, die nur in Ausnahmefällen vom Staat und ansonsten privat organisiert wird, wobei hierzu vor allem die Betriebsrenten zu rechnen sind. International bestehen jedoch erhebliche Unterschiede, was die jeweilige Bedeutung dieser beiden Komponenten angeht. Jede Analyse der staatlichen Altersvorsorge muss somit im Kontext weiterer existierender Vorsorgeformen gesehen werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Deutschland ist der Anteil gesetzlicher Renten am Ruhestandseinkommen mit 85 Prozent unter den wichtigsten Industrienationen am größten (Miegel 1999, S.5). Da gerade die umlagefinanzierten Vorsorgemodelle vor erheblichen Problemen stehen, ist der Reformbedarf in Deutschland besonders akut. Der zweite Teil dieser Arbeit befasst sich deshalb mit den Problemen staatlich organisierter Altersvorsorgeformen im allgemeinen und mit der deutschen Gesetzlichen Rentenversicherung im speziellen.

2.2.2 Leistungsarten und Leistungen

2.2.2.1 Altersrenten

Die wichtigste Form der öffentlichen Rente ist die gewöhnliche Altersrente. Sie wird in der Regel beim Erreichen einer bestimmten Altersgrenze all jenen Personen gewährt, denen als Bürger ihres jeweiligen Landes eine entsprechende Leistung grundsätzlich zusteht bzw. die durch Beitragszahlungen einen Anspruch in bestimmter Höhe erworben haben. Diese Altersgrenze liegt in den meisten Ländern zwischen 60 und 65 Jahren, kann für Männer und Frauen gleich sein (jeweils 65 Jahre in den Niederlanden, den USA und in Deutschland) oder unterschiedlich (z.B. 65 Jahre für Männer und 63 Jahre für Frauen in der Schweiz).

Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal für Altersrenten ist, inwieweit sich der Anspruch aus zuvor geleisteten Beitragszahlungen ableitet.

In Ländern wie Deutschland, Österreich und der Schweiz herrscht dabei das Prinzip der Beitragsäquivalenz. Der Rentenanspruch hängt dabei, neben der Art der Rente und dem Eintrittsalter, direkt von der Summe der geleisteten Beiträge ab. Während ein solches System in reiner Ausprägung tatsächlich Versicherungscharakter hätte, existieren in der Praxis Umverteilungswirkungen durch Elemente wie die Frühverrentung, die Rente nach Mindesteinkommen für Einkommensschwache und auch Umverteilungseffekte zwischen den Generationen, die sich auf die tatsächliche Rendite im Umlageverfahren auswirken. Beitragsäquivalenz ist somit nur teilweise gegeben.

Eine wesentlich ausgeprägtere Umverteilungskomponente von reich zu arm beinhaltet das amerikanische staatliche Rentensystem (Social Security). Auch hier besteht noch ein positiver Zusammenhang zwischen Beiträgen und Rentenansprüchen, jedoch sinkt die Lohnersatzquote von 90 Prozent für Niedrigstverdiener auf ca. 12 Prozent für Bezieher monatlicher Einkünfte über 10.000 US-$.

Diese positive Korrelation verschwindet schließlich völlig, falls wie in Großbritannien und den Niederlanden eine Pauschalrente gezahlt wird.

Ferner weisen die verschiedenen staatlichen Rentensysteme große Unterschiede im Rentenniveau auf. Definiert man diesen Begriff als Verhältnis zwischen der durchschnittlichen Zugangsrente und dem durchschnittlichen Nettolohn der noch arbeitenden Kollegen, so liegt das Rentenniveau bei 88 Prozent für Österreich, bei knapp 70 Prozent in Deutschland und bei 53 Prozent in den USA. Auffällig ist, dass das Rentenniveau in Ländern mit Grundrentenmodellen mit unter 50 Prozent noch deutlich geringer ausfällt.

So entspricht die Grundrente in den Niederlanden dem Sozialhilfeniveau, in Großbritannien liegt sie sogar darunter. Folglich liegt es nahe, dass gerade in diesen Ländern eine hoch entwickelte zweite Stufe der Altersvorsorge existieren muss und auch existiert, um den gewünschten Lebensstandard im Alter zu garantieren.

2.2.2.2 Frührenten

Besteht für den Bürger die Wahlmöglichkeit, innerhalb eines festgelegten Zeitfensters bereits vor dem gesetzlichen Rentenalter eine Rente zu beziehen, so spricht man von Frührenten. So kann der Renteneintritt in der Schweiz um zwei Jahre und in Deutschland und den USA um drei Jahre vorgezogen werden. In den Niederlanden und in Großbritannien, wo allen Bürgern ab dem Alter von 65 Jahren eine Pauschalrente zusteht, gibt es die Möglichkeit zur Frühverrentung nicht. Dies ist typisch für ein System mit fixen Grundrenten.

Ist die Frührente jedoch möglich, so verringert sich der Rentenanspruch, je früher die Rentenzahlung beginnt. Dieser Abschlag ist notwendig und folgerichtig, um die Rentengerechtigkeit zu wahren, da bei vorzeitigem Renteneintritt die Zeit der Beitragszahlungen reduziert wird und sich gleichzeitig die Zeit der Rentenzahlungen entsprechend verlängert. Für jedes Jahr, um das der Renteneintritt vorgezogen wird, beträgt dieser Abschlag in Deutschland 3,6 Prozent, in der Schweiz und in den USA dagegen knapp 7 Prozent. Dass dieser Wert einen erheblichen Einfluss auf die individuelle Renteneintrittsentscheidung hat, wird im Abschnitt 2.3.4 thematisiert.

2.2.2.3 Hinterbliebenenrenten

Auch unterscheiden sich die internationalen Rentenmodelle in der Behandlung von Witwen und Waisen. Witwen und Witwer erhalten in Deutschland eine Fortzahlung in Höhe von 60 Prozent aus dem Rentenanspruch des verstorbenen Ehepartners, in der Schweiz liegt dieser Satz bei 80 Prozent und in Großbritannien sowie den USA geht im Falle des Ablebens eines Rentenbeziehers sogar der volle Anspruch auf den Ehepartner über.

Eine geringere Rolle spielen die Waisenrenten. Waisen ohne eigenes Einkommen erhalten beispielsweise in der Schweiz 40 Prozent aus dem Anspruch des verstorbenen Elternteils, in Deutschland 20 Prozent.

2.2.2.4 Erwerbsunfähigkeitsrenten

Von äußerst hoher Bedeutung ist dagegen die Gewährung von Erwerbsunfähigkeits- bzw. Invaliditätsrenten. Solche Renten werden bereits deutlich vor dem Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters bewilligt, sobald gesundheitliche Gründe eine Erwerbstätigkeit verhindern. In manchen Ländern werden Erwerbsunfähigkeitsrenten jedoch auch aus ökonomischen Gründen gewährt, etwa wenn eine Wiederanstellung im fortgeschrittenen Alter mangels Qualifikation scheitert.

In Deutschland wird in diesem Falle keine Anpassung an das Alter vorgenommen. Der Erwerbsunfähige erhält eine Rente, die mindestens so hoch ist, als hätte er bis zum Alter von 60 Jahren gearbeitet. Auch wenn der Weg in die Erwerbsunfähigkeit naturgemäß nicht frei gewählt werden kann, so stellt das großzügige Niveau doch einen erheblichen Anreiz zum vorzeitigen Ruhestand dar. Ende der 90er-Jahre bezogen mehr Erstrentner Erwerbsunfähigkeitsrenten als Altersrenten (Börsch-Supan 1999, S.21).

Diese Möglichkeit erklärt auch, warum in den Niederlanden das tatsächliche Renteneintrittsalter trotz der fehlenden Frühverrentungsoption von 66,4 Jahren (1950) auf 58,8 Jahre (1995) sinken konnte (Bovenberg/Meijdam 1999, S.70).

2.2.3 Finanzierung

Grundsätzlich werden staatliche Renten durchwegs im Umlageverfahren finanziert. Dazu werden von der erwerbstätigen Bevölkerung lohnsteuerartige Beiträge auf das laufende Einkommen erhoben. In Deutschland beträgt der Beitragssatz 19,5 Prozent (bis zur oberen Bemessungsgrenze von 61.200 Euro), in den USA 12,4 Prozent (Bemessungsgrenze ca. 60.000 US-$) und in der Schweiz, wo eine solche obere Schwelle nicht existiert, werden Erwerbseinkommen nur mit 9,8 Prozent belastet.

In jedem dieser Länder sieht der Gesetzgeber eine hälftige Teilung der Beitragslast zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor. Ökonomisch betrachtet ist diese Aufteilung jedoch irrelevant, da die Inzidenz von den Elastizitäten von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage abhängt. So ist es richtig und angebracht, numerische Analysen stets auf den Gesamtbeitrag zu beziehen.

In der Praxis jedoch sind Rentenetats keineswegs völlig unabhängig von den allgemeinen Staatsbudgets. So wird in Deutschland bereits ein Drittel der Rentenausgaben über den Bundeszuschuss steuerfinanziert, nur zwei Drittel werden aus den laufenden Beitragszahlungen gedeckt, sodass der budgetneutrale Beitragssatz statt bei 19,5 Prozent bereits bei rund 30 Prozent läge. Außer einer geringen Schwankungsreserve, die auf unter 50 Prozent einer Monatsausgabe zusammengeschrumpft ist, besteht kein Kapitalstock. Analog wird die staatliche Rente in Österreich und in der Schweiz finanziert, wobei letztere durch die Verzinsung einer höheren Schwankungsreserve (in Höhe einer Jahresausgabe) auf geringere mehrwertsteuerfinanzierte Zuschüsse angewiesen ist.

Weitsichtigere Ansätze haben sich in den USA und den Niederlanden durchgesetzt. Hier erkannte man jeweils frühzeitig die demographische Bedrohung für das System und begann, durch Beitragsüberschüsse einen Kapitalstock aufzubauen, der in Zeiten übergroßer Ausgabenlasten wieder abgebaut werden soll, um dann den Faktor Arbeit nicht zu stark belasten zu müssen. Dafür flossen besonders Ende der 90er-Jahre in den Vereinigten Staaten hohe Überschüsse in den Social Security Trust Fund, der zu diesem Zweck als Teil des Bundeshaushalts betrieben wird.

In den Niederlanden werden seit einigen Jahren Beitragsüberschüsse im so genannten AOW-Fonds angesammelt, die in den Krisenjahren um 2030 die Rentenausgaben abfedern sollen.

2.3 Aktuelle und kommende Probleme umlagefinanzierter Rentensysteme

2.3.1 Die demographische Entwicklung

Als Hauptgrund für die sich verstärkenden Finanzierungsprobleme öffentlicher Rentensysteme wird stets die Überalterung der Bevölkerung in allen OECD-Ländern genannt. Jedoch wird in der öffentlichen Diskussion oft vernachlässigt, dass die Altersstrukturverschiebung allein bei weitem nicht ausreicht, um die auftretenden Probleme zu erklären. Trotzdem hat tatsächlich gerade sie dazu geführt, dass begonnen wurde, die Altersvorsorge im Grundsatz zu überdenken.

Als Maß für die Altersstruktur einer Gesellschaft dient der Alterslastquotient[1]. Ein steigender Alterslastquotient bewirkt entweder steigende Beiträge oder sinkende Rentenleistungen, so lange am Umlageverfahren festgehalten wird. Wie erheblich das Ausmaß der Verschiebung ausfällt, zeigt folgende Übersicht der Alterslastquotienten ausgewählter Länder (Disney 2000, S.36).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

So wächst in mehreren Ländern der Wert zwischen 1990 und 2030 auf mehr als das Doppelte. Jedoch wird eine Volkswirtschaft weder eine Verdopplung der Beiträge noch eine Halbierung der Rentenbezüge tatenlos hinnehmen können.

In diesem Zusammenhang weisen Sinn/Thum (1999, S.5f.) darauf hin, dass demographische Projektionen dieser Art als sehr zuverlässig und präzise betrachtet werden können, da alle potentiellen Rentner des Betrachtungszeitraumes bereits leben und Unsicherheiten nur bezüglich Lebenserwartung, Geburtenquote und Zuwanderung bestehen.

2.3.2 Das Beschäftigungsproblem

Für jedes Umlagesystem ist relevant, wie viele Beschäftigte durch ihre Rentenbeiträge zur Finanzierung beitragen. Somit sind zwei weitere Größen von Bedeutung: die Arbeitslosigkeit und die Bereitschaft zur Teilnahme am Arbeitsmarkt (Erwerbsquote). Die allgemein steigenden Arbeitslosigkeitsquoten seit Beginn der 80er-Jahre sorgten folglich für schwindende Beitragseinnahmen.

Prognosen für die kommenden Jahrzehnte gehen übereinstimmend von rückläufigen Arbeitslosenquoten und steigenden Erwerbsquoten (durch die zunehmende Eingliederung von Frauen in den Arbeitsmarkt) aus. Doch selbst wenn diese wünschenswerte Entwicklung tatsächlich eintritt, wird sie auf keinen Fall ausreichen, um die Überalterung zu kompensieren.

Börsch-Supan (2000, S.9ff.) prognostiziert für Deutschland selbst bei Halbierung der Arbeitslosigkeit und einer mittleren Erhöhung der Erwerbstätigenquote, dass die absolute Zahl der Erwerbstätigen bis zum Jahr 2040 von heute 36 Mio. auf knapp 31 Mio. zurückgehen würde.

Während die Probleme der Altersversorgung somit auf keinen Fall allein am Arbeitsmarkt gelöst werden können, so besteht vielmehr die Gefahr, dass Regierungen allzu große Hoffnungen bezüglich zukünftiger Beschäftigungseffekte hegen und ihre Rentenprognosen durch übertrieben optimistische Erwartungen erneut auf wacklige Füße stellen.

2.3.3 Fehlanreize am Arbeitsmarkt

Wird ein Bruttoarbeitseinkommen mit einer zusätzlichen Steuer belegt, sodass der Nettoverdienst pro Einheit Arbeit zurückgeht, so kommt es zu zwei Verzerrungseffekten am Arbeitsmarkt. Zum einen geht das gesamtwirtschaftliche Arbeitsangebot zurück und bewirkt unmittelbar einen Beschäftigungsrückgang. Andererseits entfernt sich die neue Allokation weiter vom wohlfahrtsmaximierenden Marktgleichgewicht ohne verzerrende Steuern, was Effizienzverluste zur Folge hat.

Da dieser Mechanismus unstrittig ist, stellt sich die entscheidende Frage, ob bzw. in welchem Ausmaß Rentenbeiträge als Steuern aufgefasst werden. Nur bei perfekter Beitragsäquivalenz werden solche Verzerrungen vermieden.

Sinn (1999) berechnet, welcher Anteil der deutschen Rentenbeiträge als implizite Steuer aufgefasst werden kann und welcher Anteil der persönlichen Ersparnis dient. Die Graphik zeigt, dass für derzeitige Berufseinsteiger der implizite Steuersatz gerade bei 50 Prozent der Beitragszahlungen liegt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Da für die individuelle Arbeitsangebotsentscheidung kein mathematisches Resultat, sondern ausschließlich die Wahrnehmung der Betroffenen von Bedeutung ist, bedarf diese Erkenntnis empirischer Überprüfung. Doch auch Börsch-Supan (2000, S.6f.) weist darauf hin, dass die Mehrheit junger Arbeitnehmer die Beiträge als Steuern auffasst.

Damit lässt sich festhalten, dass eine Erhöhung der Beiträge gerade dann einen Rückgang der Beschäftigung impliziert, wenn das betroffene Umlagesystem intra- oder intergenerationale Umverteilungselemente erhält.

Da sinkende Beschäftigung wieder höhere Beiträge erfordert, droht eine sich gegenseitig verstärkende Entwicklung der beiden Probleme.

2.3.4 Fehlanreize beim Renteneintritt

Ein wichtiger Einflussfaktor, der sich belastend auf die staatliche Altersvorsorge auswirken kann, ist ein zu niedriges Renteneintrittsalter. Hier ist lediglich das tatsächliche Eintrittsalter von Belang, das vom gesetzlichen Rentenalter durch Frühverrentung, Invalidität etc. erheblich abweichen kann.

Erlaubt ein Rentensystem einen frei gewählten vorgezogenen Renteneintritt innerhalb einer bestimmten Frist, so ist es entscheidend, dass die Frührenten nach einem versicherungsmathematisch fairen Schlüssel reduziert werden. Berücksichtigt man kürzere Beitragszahlungen und längeren Rentenbezug bei gegebener Lebenserwartung, so sollte sich bei korrekter Berechnung niemand durch vorzeitigen Renteneintritt finanziell besser stellen können.

Während in der Schweiz und in den USA diese Anpassung anreizneutral gelungen ist, beinhaltet das deutsche System nach wie vor einen erheblichen Anreiz zum vorzeitigen Ruhestand.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3.5 Die Reifephase eines Umlagesystems

Eine häufig vernachlässigte Problematik liegt in der Natur des Umlageverfahrens. Wird ein Umlageverfahren eingeführt, so entsteht der ersten Generation ein Einführungsgewinn, der von den kommenden Generationen in Form einer geringeren Rendite refinanziert werden muss. Die Rendite der ersten Rentnergeneration ist hingegen theoretisch unendlich. Diese erhält eine Rentenleistung, ohne irgendetwas zum System beigetragen zu haben. Erst nach der Dauer eines kompletten Arbeitslebens (ca. 40 Jahre) stellt sich die systemspezifische Rendite ein (Börsch-Supan 2000, S.2). Treten dann zur Reife des Systems gerade geburtenstarke Jahrgänge in den Ruhestand ein, so kommt es zu einem rapiden Anwachsen der Beitragssätze.

Bedenkt man, dass in Europa vollständige soziale Sicherungssysteme zumeist nach dem zweiten Weltkrieg aufgebaut wurden, so ist es wenig verwunderlich, dass sie gerade in den 80er- und 90er-Jahren zunehmend unter Druck gerieten.

Disney (2000, S.13) schlägt in einem solchen Falle vor, in den ersten Jahren nach Einführung des Umlageverfahrens aus einem Teil der Beiträge einen Kapitalstock anzusparen und diesen am Reifepunkt des Systems zur Dämpfung der Beiträge zu verwenden. Dies ist weitgehend versäumt worden. Ansätze zur Bildung eines Kapitalstocks scheiterten meist an fiskalpolitischer Disziplinlosigkeit oder an falschen Anlageformen. Den Machern moderner Rentensysteme fehlte es also entweder an der nötigen Weitsicht oder man bereicherte sich bewusst zu Ungunsten folgender Generationen. Im Gegensatz zu anderen Problemen des Systems kann diese Fehlentwicklung nachträglich nicht mehr behoben werden.

2.3.6 Die Verschuldungsproblematik

Die Summe aller in einem Umlageverfahren erworbenen Transferansprüche bildet die implizite Schuld des betroffenen Staates. Da alle Ansprüche in der Zukunft bedient werden müssen, bildet diese implizite Staatsschuld genauso einen Bestandteil der Staatsschuld wie die explizit ausgewiesene Staatsverschuldung (vgl. Raffelhüschen 1989, S.116ff.).

Eine Sozialpolitik wird als nachhaltig bezeichnet, wenn es möglich ist, mittels des heute geltenden Beitragssatzes die heute geltenden Transferansprüche für die lebende und alle kommenden Generationen aufrecht zu erhalten, sodass die intertemporale Budgetrestriktion des Staates erfüllt ist. Ist dies nicht erfüllt, so erfolgt eine Lastenverschiebung in die Zukunft. Eine solche Politik ist nicht nachhaltig und kann nicht auf Dauer fortgeführt werden.

Ist Nachhaltigkeit nicht gegeben, so kann man die Höhe der Belastung zukünftiger Generationen messen, in den man alle Zahlungen simuliert, die nachfolgende Generationen zusätzlich leisten müssten, um das Staatsbudget auszugleichen. Die Summe der Barwerte dieser Zahlungen wird als Nachhaltigkeitslücke definiert.

Disney (2000, S.7f.) verweist auf OECD-Berechnungen bis zum Jahr 2070, die eine immense Nachhaltigkeitslücke für alle Industriestaaten offenbaren. Gemessen wird diese in Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts eines Landes im Jahre 1994.

Die Nachhaltigkeitslücke ist mit rund 20 Prozent des BIP in Irland, Großbritannien und den USA am geringsten, was angesichts des geringen Rentenniveaus in diesen Ländern auch nicht verwundert. Für die beiden Länder mit der stärksten erwarteten Altersstrukturverschiebung, Deutschland und Italien, werden rund 60 Prozent des BIP prognostiziert. Schließlich beträgt die Nachhaltigkeitslücke über 100 Prozent des BIP in Frankreich und Spanien und ist mit über 200 Prozent des BIP in Dänemark und Neuseeland maximal.

Bestätigt wird dieses Problem von Borgmann et al. (2001, S.4f.), die für Deutschland eine langfristige Nachhaltigkeitslücke von 88 Prozent des BIP vor der Rentenreform von 2001 und von 55 Prozent des BIP nach der Rentenreform von 2001 (Status quo) berechnen.

Diese Zahlen sind deshalb von großer Bedeutung und Aussagekraft, da sie gerade angeben, um welchen Wert sich die explizite Staatsschuld erhöht, würde man auf eine Neuordnung der Rentensysteme verzichten und die fehlenden Mittel statt dessen aus dem allgemeinen Staatsbudget bedienen. Zumindest für die EU-Staaten ist dies jedoch eine Maßnahme, die angesichts der im Stabilitätspakt vorgeschriebenen Verschuldungsgrenzen gar nicht zur Debatte steht.

[...]


[1] Der Alterslastquotient wird hier als Verhältnis zwischen den über 65-jährigen und den 20- bis 65-jährigen definiert und dient als Näherung für die Anzahl der Rentner, deren Versorgung ein einziger Erwerbstätiger finanzieren muss.

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Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832469474
ISBN (Paperback)
9783838669472
DOI
10.3239/9783832469474
Dateigröße
699 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München – VWL
Erscheinungsdatum
2003 (Juni)
Note
1,7
Schlagworte
rente riester-rente grundrente soziale sicherung altersvorsorge
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