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Die Bedeutung von Unternehmenskulturen für den Erfolg von internationalen Megafusionen

©2003 Magisterarbeit 155 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Fusionen sind keine Erfindung der Postmoderne; es gibt sie seit mehr als hundert Jahren. Mit dem Millenium haben die weltweiten Fusionsaktivitäten jedoch ihren historischen Höchststand erreicht. Derzeit befinden wir uns in der fünften globalen Fusionswelle, in der zunehmend kritischer von „Fusionswahn“ oder „Fusionitis“ gesprochen wird. Dies liegt an der erheblichen Misserfolgsrate - sie beträgt mindestens 60-70%. Trotzdem entscheidet sich immer noch eine bedeutende Anzahl von Unternehmen für Fusionen. Vielleicht vertrauen sie den falschen „Experten“ - Hauptprofiteure der Verschmelzungen sind die großen US-Investmentbanken.
Als Grund für das Scheitern wird in der Fachliteratur zunehmend die Vernachlässigung des wichtigsten Betriebskapitals, der Mitarbeiter, genannt. Für sie bedeutet die Fusion eine Bedrohung: Durch die Angst vor Arbeitsplatzverlust und Veränderung verunsichert, verlassen sie das Unternehmen oft freiwillig. Diese tiefgreifende Furcht wurzelt insbesondere in der Konfrontation mit einer fremden Unternehmenskultur. Bei internationalen Fusionen kommen verstärkt landeskulturelle Unterschiede zum Tragen. Sie können die Kommunikation als Grundvoraussetzung für gegenseitige Akzeptanz erheblich erschweren. Was richtig gemeint ist, wird falsch verstanden.
Die vorliegende Arbeit widmet sich der Bedeutung solch kultureller Divergenzen für den Fusionserfolg. Kapitel 1 dient der Einführung. In Kapitel 2 werden Fusionen klassifiziert und ihre Ziele erklärt. Es folgt die Einteilung des Fusionsprozesses in drei Phasen. Im Anschluss wird untersucht, warum Fusionen scheitern. Aufgrund seiner immensen Bedeutung für den Fusionserfolg betrachtet Kapitel 3 das Phänomen Unternehmenskultur eingehend. Dazu werden die bisherigen Resultate der Unternehmenskulturforschung erläutert und verschiedene Kulturtypologien vorgestellt. Schließlich wird das Verhältnis der Unternehmenskultur zu immanenten und externen Kultursystemen aufgezeigt. Kapitel 4 ergänzt diese Betrachtung um den internationalen Aspekt. Die Vorstellung von Ergebnissen der vergleichenden Managementlehre und der Erforschung interkultureller Kompetenz beweist, wie stark der Einfluss nationaler Kulturunterschiede auf den Fusionsverlauf und –erfolg ist. Der Vergleich von vier verschiedenen Modellen erklärt, wie eine Fusion bei national geprägten Unternehmenskulturen verlaufen kann und welche Hürden dabei zu nehmen sind. Kapitel 5 zieht die Schlussfolgerungen aus den […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6942
König, Arne: Die Bedeutung von Unternehmenskulturen für den Erfolg von internationalen
Megafusionen
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Fachhochschule Südwestfalen, Universität, Magisterarbeit, 2003
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http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

Inhaltsangabe
Fusionen sind keine Erfindung der Postmoderne; es gibt sie seit mehr als hundert Jahren. Mit
dem Millenium haben die weltweiten Fusionsaktivitäten jedoch ihren historischen Höchststand
erreicht. Derzeit befinden wir uns in der fünften globalen Fusionswelle, in der zunehmend
kritischer von ,,Fusionswahn" oder ,,Fusionitis" gesprochen wird. Dies liegt an der erheblichen
Misserfolgsrate - sie beträgt mindestens 60-70%. Trotzdem entscheidet sich immer noch eine
bedeutende Anzahl von Unternehmen für Fusionen. Vielleicht vertrauen sie den falschen
,,Experten" - Hauptprofiteure der Verschmelzungen sind die großen US-Investmentbanken.
Als Grund für das Scheitern wird in der Fachliteratur zunehmend die Vernachlässigung des
wichtigsten Betriebskapitals, der Mitarbeiter, genannt. Für sie bedeutet die Fusion eine
Bedrohung: Durch die Angst vor Arbeitsplatzverlust und Veränderung verunsichert, verlassen
sie das Unternehmen oft freiwillig. Diese tiefgreifende Furcht wurzelt insbesondere in der
Konfrontation mit einer fremden Unternehmenskultur. Bei internationalen Fusionen kommen
verstärkt landeskulturelle Unterschiede zum Tragen. Sie können die Kommunikation als
Grundvoraussetzung für gegenseitige Akzeptanz erheblich erschweren. Was richtig gemeint ist,
wird falsch verstanden.
Die vorliegende Arbeit widmet sich der Bedeutung solch kultureller Divergenzen für den
Fusionserfolg. Kapitel 1 dient der Einführung. In Kapitel 2 werden Fusionen klassifiziert und
ihre Ziele erklärt. Es folgt die Einteilung des Fusionsprozesses in drei Phasen. Im Anschluss
wird untersucht, warum Fusionen scheitern. Aufgrund seiner immensen Bedeutung für den
Fusionserfolg betrachtet Kapitel 3 das Phänomen Unternehmenskultur eingehend. Dazu
werden die bisherigen Resultate der Unternehmenskulturforschung erläutert und verschiedene
Kulturtypologien vorgestellt. Schließlich wird das Verhältnis der Unternehmenskultur zu
immanenten und externen Kultursystemen aufgezeigt. Kapitel 4 ergänzt diese Betrachtung um
den internationalen Aspekt. Die Vorstellung von Ergebnissen der vergleichenden
Managementlehre und der Erforschung interkultureller Kompetenz beweist, wie stark der
Einfluss nationaler Kulturunterschiede auf den Fusionsverlauf und ­erfolg ist. Der Vergleich von
vier verschiedenen Modellen erklärt, wie eine Fusion bei national geprägten
Unternehmenskulturen verlaufen kann und welche Hürden dabei zu nehmen sind. Kapitel 5
zieht die Schlussfolgerungen aus den vorangegangenen Ausführungen: Der Verfasser
entwickelt ein eigenes Modell zum Aufbau einer gemeinsamen Drittkultur zweier fusionierender
Unternehmen. Als Beispiel dafür wird der denkbar komplexeste Fall, die internationale
Megafusion, gewählt. Nach der Vorstellung der Hauptakteure der kulturellen Fusion und ihrer
Aufgaben werden in einer prozessorientierten Betrachtung die idealtypischen Schritte jeder
Fusionsphase vorgestellt und erklärt, wie eine gemeinsame Drittkultur aufgebaut werden kann,
die erheblichen Einfluss auf den Erfolg jeder Fusion ausübt. Den Abschluss der Arbeit bilden
normative Ratschläge an die Fusionspraxis und die Wissenschaft, um Defizite und zukünftige
Forschungsschwerpunkte aufzuzeigen.

Inhaltsverzeichnis
1. EINFÜHRUNG... 1
2. FUSIONEN ... 5
2.1 B
EGRIFFSABGRENZUNG
... 5
2.2 K
LASSIFIZIERUNGSKRITERIEN
... 7
2.3 Z
IELE
... 12
2.3.1 Monetäre Ziele ... 13
2.3.2 Nicht-monetäre Ziele... 15
2.4 P
ROZESSABLAUF
... 16
2.4.1 Premerger-Phase: Planung... 17
2.4.2 Merger-Phase: Durchführung... 17
2.4.3 Postmerger-Phase: Integration ... 18
2.5 M
ISSERFOLGSFAKTOREN
... 19
2.5.1 Harte Faktoren ... 21
2.5.1.1 Kosten... 21
2.5.1.2 Größe... 22
2.5.1.3 Wettbewerbsrecht... 23
2.5.1.4 Integrationsgeschwindigkeit ... 25
2.5.2 Weiche Faktoren ... 26
2.5.2.1 Merger-Syndrom... 26
2.5.2.2 Widerstand... 28
2.5.2.3 Mangelnde Kommunikation ... 29
2.5.2.4 Inkompatible Unternehmenskulturen... 32
3. UNTERNEHMENSKULTUR ... 32
3.1 B
EGRIFFSBESTIMMUNG
K
ULTUR
... 32
3.2 E
NTWICKLUNG DER
U
NTERNEHMENSKULTURFORSCHUNG
... 34
3.3 B
EGRIFFSBESTIMMUNG
U
NTERNEHMENSKULTUR
... 37
3.4 A
BGRENZUNG ZU VERWANDTEN
B
EGRIFFEN
... 38
3.5 K
ULTUR
, S
TRUKTUR UND
S
TRATEGIE
... 40
3.6 U
NTERNEHMENSKULTUR
-T
YPOLOGIEN
... 42
3.6.1 Allgemeine Unternehmenskultur-Typologien ... 43
3.6.1.1 Starke versus schwache Unternehmenskulturen... 43
3.6.1.2 Subkulturen... 44
3.6.2 Inhaltliche Unternehmenskultur-Typologien... 45
3.6.2.1 Eindimensionale Typologie nach Ansoff ... 45
3.6.2.2 Zweidimensionale Typologie nach Deal und Kennedy ... 46
3.6.2.3 Multidimensionale Typologie nach Rühli ... 47
3.7 F
UNKTIONEN DER
U
NTERNEHMENSKULTUR
... 51
3.8 R
EGIONALKULTUR UND
U
NTERNEHMENSKULTUR
... 53
3.9 L
ANDESKULTUR UND
U
NTERNEHMENSKULTUR
... 53
3.10 K
ULTURREGION UND
U
NTERNEHMENSKULTUR
... 54
3.11 U
NTERNEHMENSKULTUR IM KULTURELLEN
G
EFLECHT
... 55

4. BEDEUTUNG VON UNTERNEHMENSKULTUREN BEI INTERNATIONALEN
MEGAFUSIONEN ... 58
4.1 V
ERGLEICH VON
L
ANDESKULTUREN
... 58
4.1.1 Kulturelle Dimensionen nach Hofstede... 58
4.1.2 Kulturelle Dimensionen nach Trompenaars... 61
4.1.3 Kulturelle Dimensionen nach Hall ... 63
4.2 I
NTERKULTURELLE
K
OMPETENZ
... 68
4.2.1 Entwicklung des Forschungsfeldes... 69
4.2.2 Faktoren interkultureller Kompetenz ... 73
4.3 E
INFLUSS INTERKULTURELLER
K
OMPETENZ AUF DEN INTERNATIONALEN
F
USIONSERFOLG
... 74
4.4 I
NTERKULTURELLES
T
RAINING
... 75
4.5 F
USION DER
U
NTERNEHMENSKULTUREN
... 78
4.5.1 Betrachtung der Ausgangsbedingungen... 79
4.5.1.1 Das Akkulturationsmodell von Nahavandi und Malekzadeh ... 79
4.5.1.2 Das Modell der Initialkonfiguration von Olie ... 82
4.5.1.3 Das Modell der Kulturkompatibilität von Cartwright und Cooper... 86
4.5.1.4 Zusammenfassender Vergleich der Modelle... 89
4.5.2 Prozessorientierte Betrachtung: Das Modell von Stahl... 92
5. ERFOLGREICHE FUSION DER UNTERNEHMENSKULTUREN ... 96
5.1 H
AUPTAKTEURE BEIM
A
UFBAU EINER INTERNATIONALEN
D
RITTKULTUR
... 96
5.1.1 Unternehmensführung ... 96
5.1.2 Personalabteilung... 97
5.1.3 Interne und externe Öffentlichkeitsarbeit ... 98
5.1.4 Externe Unternehmensberater... 99
5.2 U
NTERNEHMENSKULTURELLER
P
ROZESSABLAUF EINER
F
USION
... 101
5.2.1 Premerger-Phase: Planung... 101
5.2.1.1 Bestimmung der eigenen Unternehmens- und Landeskultur: Ist-Analyse... 101
5.2.1.2 Partnerwahl: Cultural Due Diligence ... 104
5.2.1.3 Entwicklung eines Stufen-Integrationsplans... 105
5.2.1.4 Entwicklung von Paritätsmodellen... 106
5.2.2 Merger-Phase: Durchführung... 108
5.2.2.1 Festlegung einer neuen Kulturstrategie: Soll-Analyse ... 109
5.2.2.2 Verschmelzung der Stufen-Integrationspläne ... 110
5.2.2.3 Verschmelzung der Paritätsmodelle... 111
5.2.2.4 Kommunikationsplan und Einrichtung zentraler Informationsstelle... 112
5.2.2.5 Bildung von Integrationsteams ... 114
5.2.3 Postmerger-Phase: Integration ... 114
5.2.3.1 Realisation von Paritätsmodell und Kommunikationsplan ... 115
5.2.3.2 Integrations-Workshops... 117
5.2.3.3 Interkulturelles Training ... 118
5.2.3.4 Drittkultur-Evaluation ... 120
5.2.3.5 Evaluation des kulturellen Fusionserfolges ... 121
5.2.4 Zusammenfassende Darstellung des kulturellen Fusionsprozesses... 123
6. HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN ... 124
6.1 R
ATSCHLÄGE FÜR DIE
F
USIONSPRAXIS
... 124
6.2 A
UFFORDERUNGEN AN DIE
W
ISSENSCHAFT
... 125
7. FAZIT... 126
8. LITERATURVERZEICHNIS ... V

Abkürzungsverzeichnis
Abs.
Absatz
Bsp., bspw.
Beispiel, beispielsweise
bzw. beziehungsweise
ca.
circa
DBW
Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift)
ders. derselbe
dies. dieselbe,
dieselben
d. Verf.
der Verfasser
ebd. ebenda
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
engl.
englisch
etc. et
cetera
f.,
ff.
folgende,
fortfolgende
Fn. Fußnote
h.M.
herrschende Meinung
Hrsg., Hg.
Herausgeber (Singular, Plural)
i.S.d.
im Sinne des
i.V.m.
in Verbindung mit
M&A
Mergers and Acquisitions (Fusionen und Akquisitionen)
m.E. meines
Erachtens
Mio. Millionen
S. Seite,
Seiten
sog. sogenannte,
sogenannter
UmwG Umwandlungsgesetz
v.a. vor
allem
vgl., vglw.
vergleiche, vergleichsweise
WiSt
Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift)
w&v
Werben und Verkaufen (Zeitschrift)
z.B.
zum Beispiel
ZfB
Zeitschrift für Betriebswirtschaft
zfbf
Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung
zfo
Zeitschrift für Führung und Organisation
ZfP
Zeitschrift für Planung

- 1 -
1. Einführung
Mit Beginn dieses Jahrtausends haben die weltweiten Fusionsaktivitäten ihren
historischen Höchststand erreicht.
1
Dominiert werden sie von den Industrieländern,
insbesondere den USA und Großbritannien. Europäischer Fusionsführer ist
Deutschland.
2
Durch langfristige empirische Betrachtung lassen sich globale
Fusionswellen identifizieren, die ihre Entstehung technologischen, wirtschaftlichen,
wettbewerbspolitischen und strategischen Einflüssen verdanken.
Die erste Welle dauerte von 1887 bis 1904. Sie war geprägt durch die ökonomische
Monopolbildung in der Industriellen Revolution, die Nutzung der Dampfkraft und die
Erschließung geografisch entfernter Märkte durch den Eisenbahnbau. 1904 beendete
sie der Erlass des ersten Fusionsverbotes in den USA. Die zweite Welle begann nach
dem ersten Weltkrieg und führte zur Bildung großer Mischkonzerne sowie zur
Zusammenfassung netzgebundener Unternehmen im Eisenbahnwesen und der
Energiewirtschaft. Sie endete 1929. Mitte der 1960er bis zu den frühen 1970er Jahren
rollte die dritte Fusionswelle. Ihre Leitmotive waren die Ausnutzung von
Größenvorteilen durch industrielle Massenproduktion und die strategische Diversifikation
durch Zusammenschlüsse branchenfremder Unternehmen. Sie fand in Deutschland
durch die Einführung einer ersten Fusionskontrolle und ­meldepflicht im Jahr 1973 ihr
Ende. Die vierte Welle Anfang der 1980er Jahre, bestimmt durch die Suche nach
Synergieeffekten, war in Europa viel stärker ausgeprägt als in den USA. Gründe dafür
lagen in der Vollendung des EU-Binnenmarktes und der damit einhergehenden
räumlichen Ausweitung europäischer Unternehmen. Sie endete 1989 mit Inkrafttreten
der Fusionskontrollverordnung der Europäischen Union. Diese wirkte sich insbesondere
auf jene europäischen Länder aus, die zuvor keine nationale Fusionskontrolle kannten.
Derzeit befinden wir uns in der fünften Fusionswelle. Sie begann in den frühen 1990er
Jahren, dominiert von der strategischen Konzentration auf die Kernkompetenzen zur
Stärkung der Marktposition durch branchengleiche Zusammenschlüsse.
3
1
Vgl. Kleinert/Klodt (2000), S. 5.
2
Vgl. dies., S. 12.
3
Vgl. dies., S. 18-20; vgl. Balzer/Hirn/Wilhelm (2000), S. 84.

- 2 -
Abbildung 1: Die fünf Fusionswellen, Quelle: Modifizierte Darstellung von Balzer/Hirn/Wilhelm
(2000), S. 84.
In Deutschland wurde die derzeitige Fusionswelle durch die Wiedervereinigung und die
Privatisierung ehemals staatlicher Unternehmen ausgelöst. Erst 1997 setzten verstärkte
Fusionsaktivitäten ein, die nicht mehr auf den Sondereffekt Wiedervereinigung
zurückzuführen sind. Spektakuläre Fälle wie DaimlerChrysler haben das Interesse der
Öffentlichkeit geweckt. Diese sogenannten ,,Megafusionen", Zusammenschlüsse von
größten Unternehmen,
4
erfuhren jedoch nach stetigem Wachstum einen starken
Rückgang gegenüber kleineren Fusionen im ersten Quartal dieses Jahres.
5
Seit 2000 ist
zudem eine quantitative Abnahme aller Fusionsaktivitäten in der Bundesrepublik zu
verzeichnen. Deutlicher als die verminderte Anzahl ist der Rückgang des
Transaktionsvolumens der Fusionsaktivitäten: 69% im ersten Quartal 2002 gegenüber
dem ersten Quartal 2001. Weltweit ist das Transaktionsvolumen von
Unternehmenszusammenschlüssen auf das Niveau des zweiten Quartals 1995
gesunken.
6
Derzeit ebbt die fünfte Fusionswelle wahrscheinlich endgültig ab. Gründe
4
Vgl. zur Definition von ,,Megafusionen" Punkt 2.2 auf S. 9, 10 dieser Arbeit.
5
Vgl. Kloth/Hülsbömer (2002), S. 18; vgl. Kleinert/Klodt (2000), S. 20.
6
Vgl. Grieshaber (2002), S. 104.
8000
9000
7000
6000
5000
4000
3000
2000
1000
0
1895 1905 1915 1925
1945
1955
1965
1935
1975
1995
1985
Erste Welle:
1887-1904
Zweite Welle:
1918-1929
Dritte Welle:
1965-1975
Fünfte Welle:
seit 1991
Vierte Welle:
1980-1989

- 3 -
dafür könnten die sich verschlechternden Konjunkturaussichten, die Baisse an den
Wertpapierbörsen seit Beginn des Jahres 2000 und die Folgedepression des 11.
Septembers sein. Nach dem Einbruch des Neuen Marktes ist besonders den meisten
New-Economy-Branchen ,,die Expansionswut vergangen"
7
.
Abbildung 2: Fünfte Fusionswelle in Deutschland, Quelle: Kleinert/ Klodt (2000), S. 6,
Karkowski/Grieshaber (2002), S. 11 und Grieshaber (2002), S. 104.
Heute wird zunehmend kritischer von ,,Fusionswahn" oder ,,Fusionitis" gesprochen. Der
Grund dafür liegt in der erheblichen Misserfolgsrate der Fusionen - sie beträgt
mindestens 60-70%.
8
Trotzdem entscheidet sich immer noch eine bedeutende Anzahl
von Unternehmen für Fusionen. Vielleicht vertrauen sie den falschen ,,Experten":
Hauptprofiteure der Verschmelzungen sind die großen US-Investmentbanken. Sie
verdienen durch ihre Beratungstätigkeit rund 1% des Transaktionsvolumens - eine
erhebliche Marge, betrachtet man beispielsweise die Mannesmann-Übernahme durch
Vodafone im Jahr 2000 mit 2891 Milliarden DM Transaktionsvolumen.
9
So konstatierte
7
Karkowski/Grieshaber (2002), S. 12.
8
Vgl. Jochmann (2001), S. 10; vgl. Lickert (2000), S. 18; vgl. Breuer (1999), S. 38; vgl. Töpfer (2000), S.
12; vgl. Waschkuhn (2000), S. 21 unter Berufung auf eine Studie von KPMG über 314 fusionierende
Unternehmen aus dem Jahre 1997.
9
Vgl. Hiller von Gaertringen (2000), S. 93, 94.
1991 1992 1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999 2000 2001
1990
1989
2500
2000
1500
1000
500
0
4000
3500
3000
4500

- 4 -
Ernst Fassbender, M&A-Chef der Investmentbank Merrill Lynch in Frankfurt, in jenem
Jahr: ,,Deutschland ist für uns derzeit der wichtigste Wachstumsmarkt."
10
Fusionswillige
Unternehmen sind gut beraten, wenn sie die Motive ihrer Berater kritisch hinterfragen.
Viel wichtiger als die Frage nach Fusionsmotiven ist jedoch die, warum fast drei Viertel
aller Fusionen scheitern. Als Grund wird in der Fachliteratur zunehmend die
Vernachlässigung des wichtigsten Betriebskapitals, der Mitarbeiter,
11
genannt.
12
Für sie
bedeutet die Fusion eine Bedrohung: Durch die Angst vor Arbeitsplatzverlust und
Veränderung verunsichert, verlassen sie das Unternehmen oft freiwillig.
13
Diese
tiefgreifende Furcht wurzelt insbesondere in der Konfrontation mit einer fremden
Unternehmenskultur. Nach einer Forbes-Expertenbefragung von 500 Finanzvorständen
aus dem Jahr 1999 stellen inkompatible Unternehmenskulturen das primäre Hindernis
bei der Erreichung der mit einer Fusion angestrebten Synergien dar.
14
Eine Vielzahl
wissenschaftlicher Beiträge
15
widmet sich seit kurzem besonders intensiv diesem
kontroversen Thema, das zugleich Basis und Nukleus der weichen
Misserfolgsfaktoren
16
von Fusionen bildet. Ihr Ergebnis: Inkompatible
Unternehmenskulturen können einen erheblichen Widerstand der Belegschaft
gegenüber Fusionen hervorrufen. Bei internationalen Fusionen ­ ihr Anteil bleibt
unbeeinflusst durch die Globalisierung mit ca. 25% konstant ­ kommen verstärkt
landeskulturelle Unterschiede zum Tragen. Sie können die Kommunikation als
Grundvoraussetzung für gegenseitige Akzeptanz erheblich erschweren. Was richtig
gemeint ist, wird falsch verstanden.
Die vorliegende Arbeit widmet sich der Bedeutung kultureller Divergenzen für den
Fusionserfolg. In Kapitel 2 werden Fusionen als Sonderfall des
Unternehmenszusammenschlusses klassifiziert und ihre Ziele erklärt. Es folgt die
Einteilung des Fusionsprozessablaufs in drei Phasen. Im Anschluss wird untersucht,
10
Zitiert nach ders., S. 93.
11
Durch die eingeschränkten Möglichkeiten einer geschlechtsneutralen Formulierung wären im Folgenden
stets Doppelnennungen wie bspw. ,,Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen" nötig. In dieser Arbeit werden die
männlichen Formulierungsvarianten lediglich aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwendet und als
Kurzform für beide Geschlechter verstanden.
12
Vgl. Felder (2001), S. 156; vgl. Dielmann (2000), S. 478; vgl. Jansen/Pohlmann (2000), S. 30; vgl.
Marks/Mirvis (1992); vgl. auch dies. (1997).
13
Vgl. Lickert (2000), S. 22.
14
Vgl. dazu weiterführend Hilb (2000), S. 40.
15
Vgl. etwa Habeck/Kröger/Träm (2001), S. 102 f.
16
Vgl. weiterführend Punkt 2.5.2 auf S. 26 ff. dieser Arbeit.

- 5 -
warum Fusionen scheitern. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den weichen
Misserfolgsfaktoren, zu denen die schon erwähnten inkompatiblen
Unternehmenskulturen zählen. Aufgrund seiner immensen Bedeutung für den
Fusionserfolg betrachtet Kapitel 3 das Phänomen Unternehmenskultur eingehend.
Dazu werden die bisherigen Resultate der Unternehmenskulturforschung erläutert und
verschiedene Kulturtypologien vorgestellt. Schließlich wird das Verhältnis der
Unternehmenskultur zu immanenten und externen Kultursystemen aufgezeigt. Nach der
notwendig detaillierten Bestimmung der Untersuchungsobjekte Fusion und
Unternehmenskultur und der Interdependenzen zwischen ihnen ergänzt Kapitel 4 diese
Betrachtung um den internationalen Aspekt. Die Vorstellung von Ergebnissen der
vergleichenden Managementlehre und der Erforschung interkultureller Kompetenz
beweist, wie stark der Einfluss nationaler Kulturunterschiede auf den Fusionsverlauf und
­erfolg ist. Der Vergleich von vier verschiedenen Modellen erklärt, wie eine Fusion bei
national geprägten Unternehmenskulturen verlaufen kann und welche Hürden dabei zu
nehmen sind. Kapitel 5 zieht die Schlussfolgerungen aus den vorangegangenen
Ausführungen: Der Verfasser entwickelt ein eigenes Modell zum Aufbau einer
gemeinsamen Drittkultur zweier fusionierender Unternehmen. Als Beispiel dafür wird der
denkbar komplexeste Fall, die internationale Megafusion, gewählt. Nach der Vorstellung
der Hauptakteure der kulturellen Fusion und ihrer Aufgaben werden in einer
prozessorientierten Betrachtung die idealtypischen Schritte jeder Fusionsphase
vorgestellt und erklärt, wie eine gemeinsame Drittkultur aufgebaut werden kann, die
erheblichen Einfluss auf den Erfolg jeder Fusion ausübt. Den Abschluss der Arbeit
bilden normative Ratschläge an die Fusionspraxis und die Wissenschaft, um Defizite
und zukünftige Forschungsschwerpunkte aufzuzeigen. Praxisbeispiele finden
ausschließlich Berücksichtigung, sofern sie einen sinnvollen Beitrag zur Problemklärung
leisten. Da sie jedoch stets nur den spezifischen Einzelfall abbilden, werden
abstrahierende Erläuterungen, die über diese ,,Streiflichter" hinausgehen, präferiert.

- 6 -
2.
Fusionen
2.1 Begriffsabgrenzung
Die Fusion ist eine Sonderform des Unternehmenszusammenschlusses. Ein
Unternehmenszusammenschluss kann als Vereinigung von Wirtschaftseinheiten
innerhalb einer marktwirtschaftlichen Ordnung definiert werden, die zur Erlangung
besserer Beschaffungs- und Absatzbedingungen sowie günstigerer
Produktionsverhältnisse und zur Ermöglichung gemeinsamer Finanzierungs- und
Kapitaldispositionen ihre wirtschaftliche Dispositionsfreiheit einschränken.
17
Unternehmenszusammenschlüsse werden international unter dem Sammelbegriff
,,Mergers and Acquisitions" (M&A) zusammengefasst.
18
Die angelsächsische
Bezeichnung besteht aus den Wörtern ,,merger" = Verschmelzung, Zusammenschluss
und ,,acquisition" = jegliche Art der Beteiligung an einem anderen Unternehmen. Dieser
umfassende Begriff ist vom enger gefassten deutschen
,,Unternehmenszusammenschluss" zu unterscheiden, denn er beinhaltet sämtliche
Aktivitäten, die mit dem Erwerb oder der Veräußerung von Firmenbeteiligungen,
Fusionen oder Kooperationen in Zusammenhang stehen.
19
Er ist zu weit gefasst und für
diese Arbeit nicht praktikabel. Das Unternehmen wird hier allgemein als planvoll
organisierte Wirtschaftseinheit, in der Sachgüter und/oder Dienstleistungen erstellt
und/oder abgesetzt werden, verstanden.
20
Nach der Bindungsintensität werden zwei Typen von Unternehmenszusammen-
schlüssen unterschieden: Kooperation und Konzentration.
Bei der Kooperation arbeiten rechtlich selbständige Unternehmen freiwillig zusammen.
Ihre wirtschaftliche Souveränität geben sie nur in den kooperierenden Bereichen auf.
Kooperationen können sein: Gelegenheitsgesellschaften (Arbeitsgemeinschaften,
Konsortien), Interessengemeinschaften, Kartelle, Gemeinschaftsunternehmen.
17
Vgl. dazu Wöhe (2000), S. 381 f.
18
Vgl. Macharzina (1995), S. 568 f.
19
Vgl. dazu Gösche (1991), S. 11.
20
Vgl. Wöhe (2000), S. 2-5.

- 7 -
In Konzentrationen geben die Unternehmen ihre wirtschaftliche Eigenständigkeit in
allen Bereichen auf und unterstellen sie einer einheitlichen Leitung. Konzentrationen
können Beteiligungen, Unterordnungs- und Gleichordnungskonzerne sein. Eine
besondere Form der Konzentration ist die Fusion oder Unternehmensverschmelzung
(engl. ,,merger"). Fusionierende Unternehmen geben nicht allein die wirtschaftliche,
sondern auch die rechtliche Selbständigkeit auf. Nach Abschluss des Fusionsprozesses
besteht nur noch ein rechtliches Einheitsunternehmen mit rechtlich unselbständigen
Betriebsstätten.
21
Fusionen als bindungsintensivste Form der Konzentration und damit
eines Unternehmenszusammenschlusses sollen hier begriffen werden als
,,...Zusammenschluß zweier oder mehrerer rechtlich selbständiger Betriebe (Firmen) zu
einer rechtlichen Einheit. Die Vermögensmassen, Rechte und Pflichten werden
zusammengeführt, wobei entweder eine Firma als rechtliche Einheit untergeht, oder
eine Nachfolgefirma gegründet wird."
22
Eine Fusion kann mit oder ohne vorherigen
Anteilserwerb erfolgen. Während die wirtschaftliche Einheit schon vor der Fusion durch
Bildung eines Konzernes begründet werden kann, tritt die rechtliche Einheit immer erst
mit dem Zeitpunkt der Fusion ein.
23
2.2 Klassifizierungskriterien
Nach dem Klassifizierungsmerkmal der Bindungsintensität für Unternehmens-
zusammenschlüsse de generis werden nun fünf Bestimmungskriterien speziell für
Fusionen betrachtet: Vermögensverbleib, Diversifikation, Größe, Freiheitsgrad und
Internationalisierung.
Nach dem Vermögensverbleib werden zwei Fusionsvarianten unterschieden:
1.) Fusion durch Aufnahme:
24
Das Vermögen des übernommenen Unternehmens geht
auf das des übernehmenden Unternehmens über. Bei Börsennotierung tauschen die
Anteilseigner des vergehenden Betriebes ihre Aktien gegen die des wachsenden,
bestehenden Betriebes (A+B=B).
21
Vgl. dazu ders., S. 321, 337, 837.
22
Schubert/Küting (1981), S. 92. Häufig wird die Bezeichnung ,,Fusion" in der Praxis durch die Begriffe
Unternehmensverbindung, Allianz und Verschmelzung substituiert. Vgl. dazu Schubbe (1999), S. 37.
23
Vgl. Gabler (1993), S. 3580.

- 8 -
2.) Fusion durch Neugründung:
25
Die Vermögen der fusionierenden Unternehmen
gehen auf ein neu gegründetes Unternehmen über. Bei Börsennotierung tauschen die
Anteilseigner ihre Altaktien gegen die Aktien des neuen Unternehmens (A+B=C).
26
Ein weiteres Bestimmungskriterium bildet die Diversifikation. Sie meint hier die
Ausweitung der strukturellen Leistungstiefe und ­breite eines Unternehmens durch die
Art der verschmelzenden Wirtschaftsstufen. Danach können vertikale, horizontale und
konglomerate Fusionen unterschieden werden:
27
1.) Vertikale Fusion (Integration): Es verschmelzen aufeinander folgende Produktions-
und Handelsstufen. So lassen sich Rückwärts- (engl. ,,upstream") und
Vorwärtsdiversifikationen (engl. ,,downstream") unterscheiden (Bsp.
Rückwärtsintegration: Ölraffinerie verschmilzt mit Ölfördergesellschaft; Bsp.
Vorwärtsintegration: Ölraffinerie übernimmt Tankstellennetz).
28
Vertikale Fusionen
erhöhen die Fertigungs- oder Leistungstiefe eines Betriebes. Durch die Integration
unterschiedlicher Produktionsstufen wird eine erhöhte Profitabilität angestrebt.
29
Zudem
können Beschaffungs- und Absatzmärkte gesichert werden.
30
Problematisch bei
vertikalen Fusionen kann die Reaktion der Konkurrenz sein. Bei einer
Rückwärtsintegration bspw. kann der erworbene Zulieferer vor der Fusion auch die
Konkurrenz beliefert haben. Diese springt nach der Fusion möglicherweise ab und
bezieht ihre Waren von anderen Lieferanten, um den gewachsenen Wettbewerber zu
schwächen. So wird durch Nichtauslastung der Produktionskapazität der erworbene
Zulieferer in seiner Profitabilität gefährdet.
31
2.) Horizontale Fusionen: Es verschmelzen Unternehmen der gleichen Produktions- und
Handelsstufe (z. B. Daimler-Benz und Chrysler). Dabei können horizontale Fusionen
ohne und mit Ausweitung der Produktpalette unterschieden werden. Bei ersteren
24
Die Fusion durch Aufnahme ist in den §§ 4-35 (allgemein), 46-55 (GmbH), 60-72 (AG), 79-95
(Genossenschaft), 110-113 (WaG) UmwG geregelt.
25
Die Fusion durch Neugründung ist in den §§ 36-38 (allgemein), 56-59 (GmbH), 73-77 (AG), 96-98
(Genossenschaft), 114-117 (WaG) UmwG geregelt.
26
Vgl. Wöhe (2000), S. 337.
27
Vgl. Gabler (1993), S. 3580; vgl. Wöhe (2000), S. 838. In der Praxis bestehen zwischen diesen
fließende Übergänge und es kommt zu Mischformen. Vgl. Bühner (1985), S. 28.
28
Vertikale Fusionen gibt es nicht nur in völlig unabhängigen Unternehmen, sondern auch innerhalb
bestehender Konzerne, die sich umstrukturieren. Beispiele sind die Verschmelzung der Tochter- auf die
Muttergesellschaft (sog. ,,upstream-merger") oder der umgekehrte Fall (,,downstream-merger"). Vgl. dazu
Wöhe (2000), S. 337.
29
Näheres zu den Zielen von Fusionen vgl. Punkt 2.3 auf S. 12 ff. dieser Arbeit.
30
Vgl. Schubbe (1999), S. 40, 41.

- 9 -
verschmelzen direkte Wettbewerber mit identischen Produktpaletten (Bsp.: zwei
Rennrad-Produzenten). Sind die Produkte hingegen nur verwandt, dann erhöhen die
fusionierenden Unternehmen ihre Leistungsbreite (Bsp.: Rennrad- und Kinderrad-
Produzent). Das generelle Ziel von horizontalen Fusionen ist das Erlangen von Größen-
und damit verbundenen Kostenvorteilen. Speziell in der Beschaffung sind durch eine
gesteigerte Bedarfsmenge bessere Einkaufskonditionen zu erwarten. In der Distribution
können Vertriebswege gemeinsam genutzt werden, um Fixkosten zu senken. Verfolgte
Zwecke dieser Fusionsart können auch die Ausschaltung der Konkurrenz zwischen den
Fusionspartnern und die Schaffung einer marktbeherrschenden Position sein.
32
3.) Konglomerate Fusionen: Es verschmelzen Unternehmen unterschiedlicher Branchen
und/oder Produktions- und Handelsstufen. Stehen die Fusionspartner weder auf der
Produkt- noch auf der Marktseite in irgendeiner Beziehung zueinander, handelt es sich
um sog. ,,reine konglomerate" Fusionen.
33
Zwecke von konglomeraten Fusionen können
die Sicherung des Zugangs zu anderen Märkten und eine damit verbundene
Ausweitung des Produktangebotes sein. Beide bedingen eine bessere Risikoverteilung,
wenn z. B. die konjunkturelle Abhängigkeit durch das Agieren auf verschiedenen
Märkten sinkt.
34
Zudem können über Mischkalkulationen Verluste in einem
Marktsegment durch Gewinne in einem anderen quersubventioniert werden.
35
In der derzeitigen fünften Fusionswelle liegt das Schwergewicht bei den horizontalen
Fusionen, analog zur Konzentration auf Kernkompetenzen. In der dritten Welle waren
das die vertikalen und in der vierten die konglomeraten Fusionen.
36
Die neue Dominanz
der horizontalen Verschmelzungen beunruhigt Wettbewerbsrechtler. Sie befürchten
marktbeherrschende Stellungen der fusionierten Unternehmen und damit eine
Einschränkung der Funktionsfähigkeit des Marktes.
37
Weiteres Klassifizierungsmerkmal für Fusionen ist deren Größe. Die
Unternehmensgröße kann bspw. nach Umsatz, Börsenwert, Mitarbeiterzahl oder
Produktionskapazität bemessen werden.
38
Hier erscheint der Umsatz als besonders
31
Vgl. Greune (1997), S. 30-33;
vgl. Möller (1983), S. 23.
32
Vgl. Sautter (1988), S. 8-13;
vgl. Keller (1990), S. 237-240.
33
Vgl. dazu Sautter (1988), S. 23-30.
34
Vgl. Schubert/Küting (1981), S. 33-37.
35
Vgl. Schubbe (1999), S. 42.
36
Vgl. Kleinert/Klodt (2000), S. 21.
37
Vgl. dies., S. 1.
38
Vgl. dazu Wöhe (2000), S. 18.

- 10 -
geeignet, da sich ­ anders als beim Börsenwert ­ auch nicht börsennotierte
Mittelständler an ihm messen lassen. Demnach werden in Anlehnung an Jansen und
Körner als mittelständische Unternehmen solche mit einem Umsatz von bis zu 500 Mio.
Euro betrachtet.
39
Überschreiten die Fusionspartner nicht diese Grenze, soll hier von
mittelständischen Fusionen gesprochen werden. Das andere Extrem bilden die
sogenannten ,,Megafusionen". Ab einer Größe von fünf Milliarden Euro weltweiten
Umsatzes des neu entstehenden Unternehmens sind Unternehmenszusammenschlüsse
bei der EU-Kommission anzumelden und werden von ihr überprüft, weil bei
Unternehmen dieser Größenordnung von gemeinschaftsweit kartellrechtlicher
Bedeutung ausgegangen werden kann.
40
Ab dieser Umsatzgröße soll im Folgenden von
Megafusionen die Rede sein. Fusionen zwischen diesen Extremen werden als
Großfusionen bezeichnet.
Entscheidend ist aber nicht nur die singuläre Größe des fusionierten Betriebes, sondern
auch das Größenverhältnis zwischen den fusionierten Betrieben. Ist die Verschmelzung
Abschluss eines Unternehmenskaufes, so besteht ein signifikanter Größenunterschied
zugunsten des Akquisiteurs. Dann wird von ,,reinen Übernahmen"
41
gesprochen. Im
Anschluss an einen Unternehmenskauf kann eine Verschmelzung aus rechtlichen,
organisatorischen oder steuerlichen Gründen notwendig sein.
42
Eine ,,Fusion unter
Gleichen" (engl. ,,Merger of Equals") liegt vor, wenn zwei Unternehmen ohne signifikante
Größenunterschiede freiwillig fusionieren. So lassen sich auch sehr großvolumige
Transaktionen, die als Unternehmensübernahmen nicht zu finanzieren wären,
realisieren. Zudem entsteht meist ein deutlich produktiveres Arbeitsumfeld durch eine
gleichberechtigte Verschmelzung als durch eine Übernahme.
43
An dieser Stelle sei
bemerkt, dass derzeit eine heftige Diskussion darüber entbrennt, ob es überhaupt einen
Merger of Equals gibt oder wirtschaftliche Betriebe niemals völlig gleichgestellt sind ­
strikter formuliert: ob es sich dabei um eine bloße PR-Strategie des Management
handelt, um das Personal des Zielbetriebes nicht in Panik zu versetzen.
44
Diese
39
Vgl. Jansen/Körner (2000), S. 26. Der Umsatz von Mittelständlern wird hier mit bis zu einer Milliarde DM
angegeben. Aus Gründen der Vereinfachung wurde hier ein DM-Euro-Wechselkurs von 2:1 angenommen.
40
Vgl. dazu Kleinert/Klodt (2000), S. 11.
41
Jansen/Körner (2000), S. 19
42
Vgl. weiterführend ebd.; vgl. Achleitner (2002), URL: http://www.gabler.de/wirtschaftslexikon/
leseprobe/324.htm.
43
Vgl. Achleitner (2002), URL: http://www.gabler.de/wirtschaftslexikon/leseprobe/324.htm.
44
Vgl. ohne Verfasser (2002), URL: http://www.pmi-post-merger-integration.de/fusionsstrategie.html.

- 11 -
Diskussion hat den Faktor Größe der fusionierenden Unternehmen zum Ursprung, zielt
aber klar auf interpersonelle Konflikte der Mitarbeiter bezüglich der Fusion ab und soll
an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden.
45
Bei Fusionen durch Übernahme dient der Freiheitsgrad zur weiteren Klassifizierung:
man unterscheidet freundliche und feindliche Übernahmen, je nachdem ob die
Transaktion im Einvernehmen mit dem Management des Zielunternehmens realisiert
wird oder nicht, indem Aktionären Stimmrechtsanteile abgekauft werden.
46
Gegen eine
feindliche Übernahme (engl. ,,hostile takeover") kämpft das Zielunternehmen meist mit
allen Mitteln. Die wirkungsvollste Abwehrmaßnahme ist eine nachhaltige
unternehmenswertsteigernde Geschäftspolitik und deren Kommunikation, da die
meisten Übernahmeversuche durch eine bestehende Unterbewertung der
Zielgesellschaft am Kapitalmarkt motiviert sind. Weitere präventive Maßnahmen sind die
starke Erhöhung des Kaufpreises durch bedingte Rechtsgeschäfte (int. ,,Poison Pills",
,,Golden Parachutes"), die faktische Verhinderung der Kontrollübernahme (vinkulierte
Namensaktien, Höchststimmrechte) und andere Reaktionen, die die Behinderung der
Umstrukturierung des Zielunternehmens bewirken sollen (int. ,,Asset Lockups"). Beim
Vorliegen eines konkreten Übernahmeangebotes können hingegen Ad-hoc-
Abwehrmaßnahmen ergriffen werden. Dazu zählen u.a. Veräußerungen von besonders
attraktiven Unternehmensteilen (int. ,,Crown Juwels"), ein feindliches Gegenangebot des
Zielunternehmens zur Übernahme des Käufers (int. ,,Pac Man"), gerichtliche Verfahren
zur Verzögerung oder die Suche nach einem alternativen, freundlich gesonnenen
Käufer (int. ,,White Knight"). Allerdings stehen nicht alle angeführten Maßnahmen mit
dem jeweils geltenden Übernahmerecht in Einklang.
47
Nach dem Grad der Internationalisierung lassen sich nationale und
grenzüberschreitende Fusionen (engl. ,,Crossborder Mergers") unterscheiden. Die
Motivation für letztere liegt u.a. im Bestreben der verschmelzenden Unternehmen, ihre
bisherigen inländischen Aktivitäten auf ausländische Märkte auszudehnen. Dies dient
der Förderung des unternehmerischen Oberziels (bspw. Gewinnmaximierung). Dabei
sind im Rahmen der Internationalisierung besonders drei Bereiche von Bedeutung:
45
Vgl. zu dem Misserfolgsfaktor des sog. ,,Merger-Syndroms" Punkt 2.5.2.1 auf S. 26 f. dieser Arbeit.
46
Vgl. dazu Bruhn/Homburg (2001), S. 468.
47
Vgl. Achleitner (2002), URL: http://www.gabler.de/wirtschaftslexikon/leseprobe/324.htm.

- 12 -
1.) der Absatz: Erhöhung der Absatzmenge durch Erweiterung des Absatzgebietes, also
Erschließung neuer Märkte;
2.) die Beschaffung: Nutzung günstiger Inputfaktoren der Auslandsmärkte, insbesondere
des Faktors Arbeit;
3.) der Finanzbereich: Niedrigere Steuersätze im Ausland, etc.
Im Vordergrund steht übergreifend die Aufdeckung von Kostensenkungspotentialen bei
gleichzeitiger Erweiterung des Absatzmarktes. Die schwächste Form von
Internationalisierungsbestrebungen stellen Exporte dar. Die nächste Stufe bilden
Direktinvestitionen im Ausland. Dies können Vertriebsniederlassungen im Gastland,
Lizenzvergabe, Auslandsproduktion, Joint Ventures (gleichberechtigte Kooperationen
mit einem oder mehreren Gastlandunternehmen in deren Land) sowie
Tochtergesellschaften sein.
48
Extremste Form der Internationalisierungsbestreben eines
Unternehmens ist die Fusion. Sie birgt in der Regel das weitaus größte Risiko für
Betriebe.
49
2.3 Ziele
Das ,,Institute for Mergers & Acquisitions" (IMA) der Universität Witten/Herdecke und die
Unternehmensberatung Mercuri International führten eine empirische Analyse über
Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren von Fusionen durch. Unter der Leitung von Stephan A.
Jansen und Klaus Körner wurden 103 Unternehmensverschmelzungen mit deutscher
Beteiligung zwischen 1994 und 1998 anhand eines ausführlichen Fragebogens
untersucht. Jansen und Körner fanden heraus, dass fortschreitende Globalisierung und
mit ihr einhergehender Kostendruck im Zentrum der aktuellen Fusionswelle stehen. Als
dominierende strategische Ziele wurden die Erhöhung der (globalen) Marktpräsenz
(70% der Befragten), Kostensynergien bei der Leistungserstellung (39%) und der
Vermarktung (31%) genannt. Bestürzendes Ergebnis: Keines der durch die Fusionen
verfolgten Ziele ­ ausschließlich der Erhöhung der Marktpräsenz ­ hatte einen positiven
Einfluss auf die Umsatz- und Börsenwertentwicklung. Als signifikant negativ für den
48
Vgl. Bruhn/Homburg (2001), S. 287, 288.
49
Vgl. weiterführend Punkt 2.5 auf S. 19 ff. dieser Arbeit.

- 13 -
Unternehmenswert hat sich die Zielsetzung ,,Aufbau eines zusätzlichen Geschäftsfeldes
durch Zukäufe (Diversifikation)" erwiesen.
50
Abbildung 3: Die häufigsten Fusionsziele, Quelle: Jansen/Körner (2000), S. 7.
Nach der empirischen Analyse der Fusionsziele sollen sie nun theoretisch klassifiziert
werden. In der Regel entsprechen die Ziele einer Verschmelzung den obersten
Unternehmenszielen. Das Zielsystem eines Unternehmens als Basis der
Unternehmensstrategie besteht aus einer Reihe unterschiedlicher, eng verknüpfter
Zielkomponenten. Zu den übergeordneten Zielen gehören neben dem Gewinn- oder
Rentabilitätsstreben beispielsweise das Machtstreben, die Risikostreuung, das
Unternehmenswachstum, die Unabhängigkeit oder die Sicherung von Arbeitsplätzen.
51
Wie die Unternehmensziele selbst, können auch die Motive für Fusionen grundsätzlich
in monetäre und nicht-monetäre unterschieden werden.
52
50
Vgl. Jansen/Körner (2000), S. 3, 6, 7.
51
Vgl. Gerpott (1993), S. 61-71;
vgl. Paprottka (1996), S. 23.
52
Vgl. Ossadnik (1995), S. 5-9.

- 14 -
2.3.1 Monetäre Ziele
Monetäre Ziele von Fusionen lassen sich in reale und spekulative Motive unterteilen.
Reale monetäre Motive verfolgen eine Unternehmenswertsteigerung durch
Verschmelzung.
53
Die durch die Fusion entstehenden erfolgssteigernden Effekte werden
als positive Synergieeffekte bezeichnet.
54
Dazu gehören die Erhöhung der
Wirtschaftlichkeit, die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und die Minderung von
unternehmerischen Risiken. Die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit ergibt sich durch
Rationalisierungsmaßnahmen, die eine Fusion ermöglicht: die Zusammenlegung
einzelner Abteilungen (z. B. Personalabteilung), die Vermeidung von Doppelaktivitäten
(Forschung und Entwicklung), Wissenstransfer (z. B. zur Optimierung von
Produktionsabläufen), gemeinsame Nutzung von Patenten und Lizenzen.
55
Bei
horizontalen Fusionen ergeben sich ,,Economies of Scale", ,,Einsparungen aufgrund
sinkender durchschnittlicher Produktionskosten, wenn Betriebsgröße und Produktion
ausgeweitet werden."
56
Vertikale Fusionen hingegen verringern zumeist die
Transaktionskosten, da Informationen über Beschaffungs- und Absatzmarkt
kostengünstiger und zeitgerechter zur Verfügung stehen.
57
Die Steigerung der
Wettbewerbsfähigkeit als zweiter Synergieffekt ergibt sich durch den vergrößerten
Marktanteil und die damit verbesserte Stellung gegenüber Lieferanten, Abnehmern und
Finanzgebern.
58
Der Zuwachs an Marktmacht kann zudem zur Errichtung von
Markteintrittsbarrieren für potentielle Konkurrenten benutzt werden. Dies können z. B.
Größenersparnisse (kosteneffiziente Produktion, gebunden an Mindestkapazität) oder
absolute Kostenvorteile (durch erleichterten Zugang zu Rohstoff- oder
Kapitalressourcen, Patentschutz) sein. Horizontale Fusionen verfolgen vor allem die
Steigerung der Marktmacht. Mit dem Fusionspartner wird auch dessen Marktposition
übernommen. Vertikale Fusionen verfolgen eine größere Unabhängigkeit durch
Sicherung von Absatzwegen und Zugang zu Beschaffungsmärkten. Konglomerate
Fusionen schließlich können durch interne Quersubventionierung und Mischkalkulation
53
Vgl. Coenenberg/Sautter (1988), S. 691-710.
54
Vgl. Ansoff (1965), S. 75-102. Der Begriff leitet sich ab vom altgriechischen Wort für Zusammenarbeit,
,,synergein": vgl. Koblitz (1999), S. 3.
55
Vgl. Schmidt, T. (1996), S. 8; vgl. Lickert (2000), S. 13.
56
Samuelson/Nordhaus (1998), S. 698.
57
Vgl. Sautter (1988), S. 258-260.

- 15 -
die Marktposition stärken und die Zutrittsbarrieren erhöhen.
59
Dritter positiver
Synergieffekt bei Fusionen ist die Minderung des unternehmerischen Risikos durch
Streuung. Die erweiterte Produktpalette und die Erschließung neuer Märkte vermindern
die wirtschaftliche, konjunkturelle und wachstumsbedingte Abhängigkeit von einer
einzelnen Produktsparte.
60
Weiteres reales monetäres Ziel von Fusionen sind
Steuervorteile. Diese ergeben sich bspw. durch die Übernahme von Verlustvorträgen.
61
Spekulative monetäre Motive basieren auf der Vermutung, dass der reale Wert eines
Unternehmens nicht durch seinen Marktpreis bemessen werden kann und dass eine
Verschmelzung ruhende Potentiale weckt.
62
Durch mangelnde Transparenz der Märkte
herrscht ein Informationsgefälle zwischen Marktteilnehmern. Dies kann z. B. dazu
führen, dass ein Wettbewerber aufgrund besserer Branchenkenntnis vom Wachstum
seiner Branche ausgeht, ein anderer wegen Informationsdefiziten von deren
Rückläufigkeit. Dann übernimmt erstgenannter Betrieb Letzteren, um seine
Marktposition auszubauen. Hier ist der Wissensvorsprung entscheidend für den Wert
eines Unternehmens.
63
Ruhende Potentiale können bspw. durch Einführung eines
neuen Managementsystems mit der Fusion aktiviert werden. Dem liegt die Spekulation
zugrunde, dass das fusionierte Unternehmen sich gemeinsam besser leiten lässt als die
Einzelgesellschaften für sich.
64
2.3.2 Nicht-monetäre Ziele
Nicht-monetäre Motive von Fusionen sind zuvorderst persönliche Interessen der
Unternehmensleitung.
65
Durch die Trennung von Leitung und Eigentum kann es in
einem Unternehmen zu Zielkonflikten kommen, wenn das Management andere
Interessen verfolgt als die Eigentümer.
66
Selbstüberschätzung und Prestigedenken des
58
So Dielmann (2000), S. 478.
59
Vgl. Schwalbach (1986), S. 713 ff.
60
So auch Schubbe (1999), S. 46. Dieser Synergieeffekt ist jedoch äußerst fraglich. Vgl. Punkt 2.5.1.2 auf
S. 22, 23 dieser Arbeit.
61
Vgl. Weber (1991), S. 79.
62
Vgl. Bühner (1989), S. 163.
63
Vgl. Hase (1996), S. 34, 35.
64
Vgl. Hoffmann (1992), S. 41.
65
Vgl. Möller (1983), S. 14.
66
Zur Darstellung und Analyse solcher Zielkonflikte, die sich aus einem Informationsgefälle und
Interessenkonflikten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ergeben, wurde in der

- 16 -
Managements können zu Fusionen führen. Oder diese verhindern, wie im Falle von
Glaxo und Smith-Kline Beecham. Der angestrebte Zusammenschluss der Unternehmen
zum weltweit größten Pharmakonzern scheiterte am Egozentrismus der Firmenchefs:
Sir Richard Sykes und Jan Leschly konnten sich nicht über die Verteilung der
Chefposten einigen.
67
Natürlich kann der Wunsch, über Unternehmenswachstum den eigenen Einflussbereich
zu erhöhen, auch mit den monetären Zielen eines Unternehmens in Einklang stehen. Er
kann aber auch zu äußerst fragwürdigen Verschmelzungen führen und zu deren
vorprogrammiertem Scheitern, wenn das Management sich übernimmt und nicht in der
Lage ist, die größere Wirtschaftseinheit erfolgreich zu führen.
Ein weiteres nicht-monetäres Fusionsmotiv kann das Bewahren der Unabhängigkeit
sein. Läuft etwa ein mittelständisches Unternehmen Gefahr, von einem größeren Betrieb
übernommen zu werden, kann es seinerseits mit einem anderen Mittelständler
verschmelzen. So bewahrt es ­ zumindest teilweise ­ seine Unabhängigkeit und stärkt
seine Position am Markt.
68
2.4 Prozessablauf
Der Fusionsprozess stellt einen hochkomplexen Ablauf dar, zu dessen
wirtschaftswissenschaftlichem Verständnis ein formaler Zugang gesucht wird. In der
Fachliteratur finden sich deshalb eine Vielzahl von Prozessmodellen.
69
In Anlehnung an
Dabui erscheint hier die Reduzierung auf drei idealtypische Phasen als zweckmäßig: die
Premerger-, die Merger- und die Postmerger-Phase.
70
wirtschaftswissenschaftlichen Literatur die ,,Principal-Agent-Theorie" entwickelt. Sie unterscheidet
verschiedene Typen asymmetrischer Information und erforscht Kontrollmaßnahmen, die den negativen
Effekten entgegenwirken können. Einen guten Überblick über die Principal-Agent-Theorie bieten Picot
(1999), S. 85­94 und Pfaff/Zweifel (1998), S. 184-190.
67
Vgl. dazu Lickert (2000), S. 13, 14.
68
Vgl. Bühner (1990), S. 19-21.
69
Vgl. zu den verschiedenen Prozessmodellen stellvertretend die Ausführungen bei Waldecker (1995), S.
40 ff.
und Dahm (1982), S. 14 ff.
sowie Parsons (1984), S. 36.
70
Vgl. Dabui (1998), S. 20, 21.

- 17 -
Abbildung 4: Struktur des Fusionsprozesses, Quelle: Dabui (1998), S. 21.
2.4.1 Premerger-Phase: Planung
Die Premerger-Phase geht einer Fusion voran. In ihr wird das Verschmelzungsvorhaben
geplant. Je intensiver dies geschieht, desto eher können Probleme und Schwierigkeiten
in folgenden Phasen vermieden werden. Die Premerger-Phase umfasst alle die Fusion
auslösenden sowie vorbereitenden Maßnahmen und Entscheidungen des
Unternehmens. Sie beginnt mit einer gründlichen Analyse und Bewertung der eigenen
Unternehmensziele und der ihnen zu Grunde liegenden Strategie sowie der Stärken und
Schwächen aller Unternehmensbereiche. Diese organisatorische, qualitative und
personelle Bestandsaufnahme ermöglicht den direkten Vergleich mit möglichen
Fusionspartnern hinsichtlich Gemeinsamkeiten und Unterschieden, die für den späteren
Integrationsprozess entscheidend sind. Es folgt die Ableitung von Kriterien zur Auswahl
adäquater Fusionspartner. Diese umfassen Produktpalette, Umsatzgröße,
Kapitalausstattung, Marktpräsenz, Unternehmens- und Landeskultur des optimalen
Zielunternehmens. Anhand dieser Kriterien werden mögliche Kandidaten für die
Verschmelzung selektiert. Im Abschluss der Premerger-Phase erfolgt eine erste
Evaluation und Analyse dieser präferierten Unternehmen.
71
71
Vgl. dazu ebd.; vgl. Schubbe (1999), S. 49, 50.

- 18 -
2.4.2 Merger-Phase: Durchführung
In der Merger-Phase wird das Fusionsvorhaben durchgeführt. Sie beginnt mit der
Kontaktaufnahme zum ,,passendsten" Fusionspartner. Je nachdem ob dieser zustimmt
oder nicht, werden die Verhandlungen fortgeführt oder abgebrochen und dann mit dem
nächsten Kandidaten des Selektionsrankings aufgenommen. Insbesondere bei
börsennotierten Zielobjekten besteht aber auch die Möglichkeit einer feindlichen
Übernahme des ablehnenden Unternehmens.
Im Rahmen einer sog. ,,Due Diligence"-Prüfung werden während der Verhandlungen mit
dem Fusionspartner zusätzliche Informationen gewonnen. So können bislang
unberücksichtigte Risiken aufgedeckt und der in der Premerger-Phase evaluierte
Unternehmenswert verifiziert werden. Der Begriff ,,Due Diligence" bedeutet ,,mit der
gebührenden Sorgfalt". Er entstammt den kapitalmarktrechtlichen Vorschriften der USA.
Mehr als im deutschen Recht gilt dort die Maxime des "caveat emptor", d.h. der Käufer
hat die Sache vor Abschluss des Kaufvertrages gründlich zu prüfen, da der Verkäufer
grundsätzlich nicht für Mängel der Sache haftet.
72
Darüberhinaus hat der Begriff im
M&A-Bereich besondere Bedeutung erlangt. Dort meint er die bewusste, systematische,
professionelle Untersuchung der Unternehmenschancen und -risiken der zu kaufenden
Gesellschaft durch den Interessenten während der Übernahmeverhandlungen. Diese
Überprüfung umfasst alle organisatorischen, personellen, finanziellen, steuerlichen und
rechtlichen Grundlagen sowie das operative Geschäft.
73
Eine Due Diligence betrachtet
auch die potentielle Zukunftsentwicklung eines Unternehmens. Ihre Durchführung hängt
im Wesentlichen von den zur Verfügung stehenden Informationen über den
Fusionspartner ab. Zugang zu ihnen kann nur mit Hilfe des Fusionspartners erfolgen.
74
Im Anschluss folgen die Einigung über den Kaufpreis (im Falle einer Übernahme),
Bestimmung der Eigentumsverhältnisse an dem Gemeinschaftsbetrieb, Höhe einer
möglichen Entschädigung für ausscheidende Minderheitsgesellschafter sowie die
Klärung aller rechtlichen Fragen. Außerdem sind zukünftige gemeinsame
Zielvorstellungen, Geschäftstätigkeit und Unternehmenskultur abzugleichen. Wurden
72
Vgl. Merkt (1995), S.1041.
73
Vgl. Schmeisser/Clermont (1999), S. 52.
74
Vgl. Picot (2000), S. 224 ff. Zu einer Sonderform der Due Diligence-Prüfung, der ,,Cultural Due
Diligence", vgl. Punkt 5.2.1.2 auf S. 104 ff. dieser Arbeit.

- 19 -
diese Fragen hinreichend geklärt, erfolgt der Vertragsabschluss. Mit ihm endet die
Merger-Phase.
75
2.4.3 Postmerger-Phase: Integration
In der Postmerger-Phase wird die organisatorische Integration der alten Unternehmen in
den fusionierten Betrieb durchgeführt. Integration von Unternehmen meint allgemein die
Gesamtheit aller Maßnahmen, die dazu beitragen, die betriebswirtschaftlichen und
sozialen Systeme miteinander zu verbinden. Integration im engeren Sinne umfasst
einen langfristigen Prozess, der auf den Interaktionen der Mitglieder der beteiligten
Betriebe basiert.
76
Die Integration ist der Schlüssel zum Fusionserfolg. Erst mit ihrem
erfolgreichen Abschluss kann der Prozess der Wertschöpfung des neuen Unternehmens
einsetzen.
77
Im Verlauf des Integrationsprozesses müssen u.a. die unterschiedlichen
Organisationsstrukturen, Führungssysteme, Unternehmenskulturen und Kommuni-
kationssysteme zu einer harmonischen und funktionalen Einheit verschmolzen
werden.
78
Der damit verbundene erhebliche organisatorische und finanzielle Aufwand,
führt in der Regel zunächst zu Produktivitäts- und Rentabilitätseinbußen.
79
Die
Integrationsphase muss durch einen fortlaufenden Kontrollprozess begleitet werden, um
Komplikationen schnellstmöglich zu identifizieren und zu beseitigen.
80
2.5 Misserfolgsfaktoren
Nur, wenn der Unternehmenswert zweier verschmolzener Unternehmen größer ist als
der addierte Wert der Einzelunternehmen, war eine Fusion erfolgreich. Mittlerweile
herrscht in der Fachliteratur jedoch Einigkeit darüber, dass dies weltweit bei mehr als
der Hälfte aller Fusionen nicht der Fall ist. Dies gilt für inländische als auch
75
Vgl. Dabui (1998), S. 21, 22; vgl. Schubbe (1999), S. 50.
76
Vgl. dazu Jemison (1988), S. 191-218.
77
Vgl. dazu Dabui (1998), S. 22-24.
78
So auch Schubbe (1999), S. 51.
79
Vgl. weiterführend Punkt 2.5.1.1 auf S. 21, 22 dieser Arbeit.
80
Vgl. Freund (1991), S. 492.

- 20 -
grenzüberschreitende Fusionen.
81
Die Fusionsziele werden nur bei ca. 40% aller
Verschmelzungen verwirklicht.
82
Pessimistischere Annahmen gehen sogar nur von 30%
Erfolgsquote aus.
83
Stattdessen erwarten die Unternehmen Ertragseinbußen, Verlust
qualifizierter Führungskräfte und anderer Mitarbeiter sowie Börsenwertverluste.
84
Die
Mehrzahl der Autoren bleibt die Antwort auf die Frage nach den Gründen schuldig.
Dieser Vorwurf kann Jansen und Körner nicht gemacht werden. Sie haben bei ihrer
Studie über 103 Fusionen mit Beteiligung deutscher Unternehmen den Fusionserfolg am
Verhalten von Börsenwert und, um nicht börsennotierte Mittelständler mit einbeziehen
zu können, Umsatz über vier Jahre nach Vertragsabschluss gemessen. Ihre Ergebnisse
sind ernüchternd: Lediglich bei 44% der fusionierten Unternehmen stieg der Umsatz und
nur bei 24% der Börsenkurs. Als wichtigste erfolgssichernde Aufgaben gaben die
Unternehmen selbst
1.) schnell kommunizierte Entscheidung über die Führungsstruktur (57% der Befragten),
2.) Erarbeitung einer externen und internen Kommunikationsstrategie (47%) und
3.) Einsatz von Integrationsteams (27%) an.
85
Aus der Teilmenge der erfolgreich fusionierten Unternehmen isolierten Jansen und
Körner Faktoren, die einen signifikant positiven Einfluss auf die Umsatzentwicklung bzw.
die Börsenkurssteigerung haben. Umsatzsteigernd wirken demnach vor allem eine
Integrationsplanung im Vorfeld, Entwicklung des Wissenstransfers und eine
überzeugende Kommunikationsstrategie nach innen und außen. Kurssteigernd sind
dagegen der Einsatz von Integrations- und Projektteams und eine planvolle Strategie für
die Zusammenarbeit mit Kunden.
86
In der Fachliteratur findet sich überwiegend die Auffassung, dass der Hauptgrund für
Misserfolge von Fusionen die Unterschätzung sog. ,,weicher Faktoren" im
Fusionsprozess sei.
87
Sie würden gegenüber den ,,harten Faktoren" stark
vernachlässigt, obwohl ­ oder gerade weil ­ sie sehr viel schwieriger zu handhaben
81
Vgl. Fischer/Steffens-Duch (2000), S. 674; vgl. dies. (2001), S. 49.
82
Vgl. Jochmann (2001), S. 10 und Lickert (2000), S. 18.
83
Vgl. Breuer (1999), S. 38; ebenso Töpfer (2000), S. 12; so auch Waschkuhn (2000), S. 21.
84
Vgl. dazu Jochmann (2001), S. 10.
85
Vgl. Jansen/Körner (2000), S. 8.
86
Vgl. dies., S. 11; vgl. weiterführend zur Berücksichtigung dieser Erfolgsfaktoren Punkt 5.2.2.5 auf S. 114
dieser Arbeit.
87
Vgl. stellvertretend etwa Tonscheidt-Gösstl/Stolzenburg (1998), S. 36; so auch Lickert (2000), S. 19.

- 21 -
seien.
88
Dabei sind laut Jochmann mehr als 50% des Fusionserfolges abhängig vom
Management weicher Faktoren.
89
Trotz dieser vielfach wiederholten These können
kaum präzise Definitionen des Begriffspaares ,,harte/weiche Faktoren" gefunden
werden. Die Informationen sind fragmentarisch: ,,Harte Faktoren" seien meist messbar
und könnten in Zahlen ausgedrückt werden. ,,Weiche Faktoren" hingegen umfassten all
das, was mit menschlichen und psychologischen Aspekten, den Gefühlen der
Belegschaft zusammen hänge.
90
Sie beinhalteten Themen wie Kultur, Integration und
Kommunikation.
91
Breuer verwendet den Begriff zudem synonym mit einem anderen,
ebenso nebulösen: der ,,zwischenmenschlichen Komponente"
92
.
Aufgrund der defizitären Begriffsbestimmungen bezüglich ,,harter/weicher Faktoren" soll
folgend eigene Definition gelten: ,,Faktor" meint hier fusionsspezifisch ein für den
Misserfolg einer Fusion bedeutendes Moment. ,,Weiche Faktoren" werden demnach
verstanden als individuelle menschliche Widerstände, Ängste und Emotionen bezüglich
einer Fusion und der fusionsbedingten Veränderungen innerhalb des Unternehmens.
Diese Veränderungen können sich auf Machtverhältnisse, Selbstwertgefühle und
Lebensumstände der Betroffenen, Kommunikation und Unternehmenskultur auswirken.
Sie sind naturgemäß schwer zu quantifizieren und damit zu evaluieren. Ihnen ist
immanent, dass sie in der Premerger- und der Mergerphase kaum zum Vorschein
kommen, sondern erst in der Postmergerphase als Risikopotential offenkundig
werden.
93
Demgegenüber lassen sich ,,harte Faktoren" als leicht quantifizierbar und nicht
innerhalb von Individuen, sondern vielmehr als emotions- und willenlose Abstrakta
definieren. Zu ihnen zählen Kosten, Größe eines Unternehmens, wettbewerbsrechtliche
Normen und die Geschwindigkeit des Integrationsprozesses. Zwar werden diese
Faktoren individuell erlebt, entstehen jedoch nicht innerhalb eines Individuums.
Im Anschluss sollen zunächst harte Misserfolgsfaktoren einer Fusion vorgestellt werden:
Kosten, Größe, Wettbewerbsrecht und Integrationsgeschwindigkeit. Sodann folgt die
88
Vgl. Jochmann (2001), S. 11.
89
Vgl. ders., S. 22.
90
Vgl. Lickert (2000), S. 19.
91
Vgl. Tonscheidt-Gösstl/Stolzenburg (1998), S. 36; so auch Lickert (2000), S. 19.
92
Breuer (1999), S. 38.
93
Vgl. dazu Punkt 2.5.2 auf S. 26 ff. dieser Arbeit.

- 22 -
genauere Betrachtung der weichen Faktoren: Merger-Syndrom, Widerstand, mangelnde
Kommunikation und Inkompatibilität von Unternehmenskulturen.
2.5.1 Harte Faktoren
2.5.1.1 Kosten
Jede Fusion bedingt einen extrem hohen Kostenaufwand.
94
Kostenintensiv ist
besonders der Integrationsprozess in der Premerger-Phase. Mit ihm ist ein erheblicher
Verwaltungsaufwand verbunden, der wichtige Ressourcen wie Finanzmittel, Personal
und Zeit bindet. Pritchett veranschlagt daraus resultierend eine zwölf bis 24 Monate
dauernde Rückläufigkeit von Rentabilität und Produktivität.
95
Rudolf und Schreiber
kalkulieren für eine Fusion durch Übernahme, dass die Integrationskosten besonders
der Postmerger-Phase so hoch wie der Kaufpreis selbst sein können.
96
Zu
berücksichtigen sind hier auch die Kosten, die externe Unternehmensberater
verursachen.
97
Es gibt wohl kaum eine Fusion, bei der nicht M&A-Experten zu Hilfe
gerufen werden. Allein die zehn größten M&A-Beratungsunternehmen der Welt haben
1998 über 1300 Megafusionen begleitet.
98
Dielmann argumentiert, dass sie gegenüber
den meisten Betroffenen hinreichende Fusionserfahrung besäßen.
99
Jansen und Körner
hingegen kommen zu dem empirischen Ergebnis, dass Fusionserfahrung keinerlei
Einfluss auf den Erfolg einer Fusion hat.
100
Resümierend lässt sich festhalten, dass Fusionen häufig mehr kosten als sie Wert
schöpfen. Kalkuliert ein fusionswilliges Unternehmen nicht in der Premerger-Phase
diesen erheblichen finanziellen Aufwand mit ein, so läuft es Gefahr, sich mit der Fusion
zu übernehmen und zu scheitern.
94
Vgl. Lehnus (2000), S. 26.
95
Vgl. Pritchett (1985), S. 103.
96
Zitiert nach: Zander (2000), S. 43.
97
Vgl. dazu Schubbe (1999), S. 43.
98
Vgl. Waschkuhn (2000), S. 20.
99
Vgl. Dielmann (2000), S. 479.
100
Vgl. Jansen/Körner (2000), S. 15.

- 23 -
2.5.1.2 Größe
Ein weiterer harter Misserfolgsfaktor für Fusionen kann die Größe sein. Dies erscheint
paradox, da Größenzuwachs ein erklärtes Ziel fusionierender Unternehmen ist. Dem
liegt die Annahme zu Grunde, dass mit voranschreitender Globalisierung einzig
Wachstum das Überleben sichere. Dies fand im vielzitierten Ausspruch von Bruce
Henderson, Gründer der Boston Consulting Group, ihren Ausdruck. Er konstatierte in
den 1970er Jahren, dass es auf einem stabilen Wettbewerbsmarkt niemals mehr als drei
signifikante Wettbewerber gebe.
101
Ghemawat und Ghadar widerlegen diese Regel. Sie
haben in einer Langzeitstudie über 40 Jahre die Erfolgsquote von internationalen
Zusammenschlüssen in 20 Branchen untersucht. Anhand des ,,Herfindahl-Index", der die
Höhe der Konzentration in einem Markt angibt, fanden sie heraus, dass weltweit eben
keine Konzentration zu verzeichnen ist, sondern dass diese in den 1950er und 1960er
Jahren sehr viel höher ausfiel als heute. Dies gilt bspw. für die Öl- und die
Aluminiumindustrie, aber auch für die Automobilbranche sowie die High-Tech-
Industrie.
102
Zwar ist zweifelsohne eine zunehmende Globalisierung zu verzeichnen,
jedoch keine steigende Konzentration. Weshalb diese also künstlich forcieren? Aufgrund
der hohen Kosten, die mit Fusionen verbunden sind, zerstört Konzentration sogar
Werte, statt sie zu schaffen.
103
Das Motiv liege vielmehr in den Neigungen der Manager
der fusionierenden Unternehmen begründet, so die Forscher.
104
Ein Argument, das
angesichts der Tatsache Aufmerksamkeit verdient, dass bspw. der Mannesmann-Chef
Esser nach dem Zusammenschluss mit der britischen Vodafone um 60 Mio. DM reicher
wurde ­ allerdings durch seine Abfindung. Die amerikanische Investment-Bank
Goldman Sachs verdiente an der Vodafone-Beratung sogar 200 Mio. DM.
105
Dies zeigt,
dass außer dem Management noch andere Interessengruppen von der Fusionswelle
profitieren: allen voran Investmentbanker und Analysten, aber auch Fondsmanager und
M&A-Berater.
106
101
Vgl. Ghemawat/Ghadar (2000), S. 66.
102
Vgl. dies., S. 67-69.
103
Vgl. dies., S. 68f.
104
Vgl. dies., S. 69, 70.
105
Vgl. dazu Balzer/Hirn/Wilhelm (2000), S. 78.
106
Vgl. dazu weiterführend dies., S. 78-81.

- 24 -
Im Vordergrund des Größenwahns stehen, so ließe sich schließen, nicht die Interessen
des Unternehmens und ­ bei Börsennotierung - seiner Aktionäre, sondern vielmehr
individuelle Egoismen. Wie sonst ließe sich die reine Gier nach Größe und das
Ignorieren so spektakulärer Ergebnisse wie denen von Ghemawat und Ghadar
erklären? Schließlich bedeutet Größe Langsamkeit. Die Reaktionszeit verlängert sich,
die Innovationskraft nimmt ab. Als Folge verlieren die Konzerne Marktanteile an neue
Konkurrenten.
107
So kommen auch Jansen und Körner zu dem Ergebnis: Kleine
Unternehmen fusionieren besser. 54,5% der Betriebe mit bis zu einer Milliarde Mark
Umsatz konnten diesen via Fusion steigern. Hingegen war nur 38,9% der
Großunternehmen eine Umsatzsteigerung beschieden.
108
Nicht nur die Größe des fusionierten Unternehmens, auch die Größenunterschiede
zwischen den Fusionspartnern sind erfolgsentscheidend: Fusionen unter Gleichwertigen
benötigen für die Integration zwar mehr Zeit, sind dabei aber bedeutend erfolgreicher.
So stieg bei 30,8% der Unternehmen der Börsenwert und 52,8% der Umsatz. Bei den
Fusionen durch Übernahme waren es hingegen nur 18,8% bzw. 38%.
109
2.5.1.3 Wettbewerbsrecht
Fusionen können eine empfindliche Einschränkung des Wettbewerbs bedeuten. Sie
werden deshalb vom Bundeskartellamt, zuständig für den Wettbewerbsschutz in
Deutschland, geprüft. Die Grundlage seiner Tätigkeit bildet seit dem 1. Januar 1958 das
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Ist nach dem GWB eine
marktbeherrschende Stellung
110
zu erwarten oder wird diese verstärkt, wird ein Verbot
erlassen. Die Entscheidungen des Amtes werden in einem justizähnlichen Verfahren
von elf Beschlussabteilungen, abgegrenzt nach Wirtschaftszweigen, getroffen. Das
Bundeskartellamt kann zudem europäisches Wettbewerbsrecht anwenden, soweit nicht
die Europäische Kommission selbst tätig wird.
111
Diese hat gemäß der Europäischen
Fusionskontrollverordnung bei Zusammenschlüssen von gemeinschaftsweiter
107
Vgl. unter Berufung auf Ghemawat/Ghadar Heuer (2002), S. 26; vgl. auch Balzer/Hirn/Wilhelm (2000),
S. 79.
108
Vgl. unter Berufung auf die Studie von Jansen/Körner Münster (2000), S. 99.
109
Vgl. ebd.
110
Vgl. § 19 Abs. 2 und Abs. 3 GWB.

- 25 -
Bedeutung die ausschließliche Kontrollpflicht. Gemeinschaftsweite Bedeutung besteht,
wenn
· der weltweite Umsatz aller beteiligten Unternehmen mehr als 5 Mrd. Euro und
· der gemeinschaftsweite Umsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen
jeweils mehr als 250 Mio. Euro beträgt, es sei denn
· die beteiligten Unternehmen erzielen mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten
Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat.
112
Wie das Kartellamt untersucht auch die EU-Kommission, ob eine marktbeherrschende
Stellung begründet oder verstärkt wird.
113
Bei Fusionen durch feindliche Übernahmen greift neben dem Aktiengesetz seit dem 1.
Januar 2002 die erste gesetzliche Regelung für Unternehmensübernahmen in
Deutschland, das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG).
114
Die Regeln
des WpÜG erschweren die Übernahme eines Zielunternehmens erheblich; dies wird
derzeit kritisch in der Fachliteratur diskutiert. So konstatieren bspw. Hölters und van
Kann, dass die mit dem WpÜG in Deutschland gesetzlich dokumentierte Haltung,
Übernahmen tendenziell abzulehnen, international einzigartig und ein erheblicher
Rückschritt sei.
115
Wettbewerbsrecht und Übernahmeregeln müssen schon in der Premerger-, spätestens
aber in der Merger-Phase im Rahmen der Due Diligence-Prüfung bedacht werden.
Sonst kann eine Verschmelzung zum Scheitern verurteilt sein, bevor der Fusionsvertrag
unterzeichnet ist.
116
2.5.1.4 Integrationsgeschwindigkeit
Für Dielmann ist eine erfolgreiche Fusion ein ,,Wettlauf mit der Zeit"
117
. Auch Lehnus
sieht in der Geschwindigkeit ein zentrales Element für erfolgreiches
111
Vgl. weiterführend Bundeskartellamt (2002), URL: www.bundeskartelamt.de.
112
Vgl. Kleinert/Klodt (2000), S. 6.
113
Vgl. Wöhe (2000), S. 338; weiterführend: Art. 85 EGV, Art. 1 Verordnung des Rates 17/62 v. 6. 2.
1962, BGB1.II, S. 93 mit allen nachfolgenden Änderungen (Ausnahmen des Kartellverbotes auf
europäischer Ebene).
114
Vgl. Wilsing (2002), S. 18, 19.
115
Vgl. Hölters/van Kann (2002), S. 19.
116
Zu den gesetzlichen Grundlagen von Fusionen vgl. weiterführend Picot (2000), S. 28ff.
117
Dielmann (2000), S. 480.

- 26 -
Integrationsmanagement und den aussichtsreichsten Weg, die Fusion möglichst
reibungslos durchzuführen. Gerade in Fusionszeiten sei übertriebener Perfektionismus
fehl am Platz: ,,Die 80 %-Lösung von heute ist der 100 %-Lösung von morgen
vorzuziehen."
118
Die Studie von Jansen und Körner widerlegt dies: Zwischen
Integrationsgeschwindigkeit und Fusionserfolg konnte kein kausaler Zusammenhang
hergestellt werden. Geschwindigkeit sei kein Wert an sich.
119
Von den 45% der
analysierten Fusionen, die noch im ersten Monat der Postmerger-Phase mit der
Umsetzung der Integrationspläne begannen, konnte nur jede fünfte eine Wertsteigerung
erzielen. Fusionen, die erst nach drei Monaten mit der Integration begannen, waren
doppelt so erfolgreich.
120
Nur, weil keine positive Korrelation der beiden Faktoren Integrationsgeschwindigkeit und
Fusionserfolg festgestellt wurde, so Jansen, dürfe man jedoch keine voreiligen Schlüsse
ziehen. Zeitspanne und Zeitpunkt spielten durchaus eine Rolle. Wichtig sei jedoch nicht
das Tempo der Integration, sondern die Effektivität, mit der die Zeit genutzt werde. So
dulde etwa die Entscheidung über die neue Führungskultur und deren Kommunikation
keinen Aufschub.
121
Somit ist nicht mangelnde Geschwindigkeit ein Misserfolgsfaktor für
Fusionen, sondern ineffiziente Zeitnutzung und schlechtes Timing.
2.5.2 Weiche Faktoren
2.5.2.1 Merger-Syndrom
In der Vernachlässigung des wichtigsten Kapitals eines Betriebes, den Mitarbeitern,
122
sehen Experten einen wesentlichen Grund für das Scheitern von Fusionen.
123
Für die
Unternehmensmitglieder bedeutet die Fusion eine erhebliche Veränderung,
insbesondere bei einer feindlichen Übernahme.
124
Dann wird die Fusionsabsicht bis
zuletzt verschwiegen, um dem Zielunternehmen keine Zeit für Abwehrmaßnahmen zu
118
Lehnus (2000), S. 27.
119
So auch Engeser (2000), S. 89.
120
Vgl. Jansen/Körner (2000), S. 16.
121
Vgl. dazu Münster (2000), S. 99 ­ 102.
122
Vgl. dazu Felder (2001), S. 156.
123
Vgl. Dielmann (2000), S. 478; vgl. Jansen/Pohlmann (2000), S. 30.
124
Vgl. Lickert (2000), S. 22.

- 27 -
lassen.
125
Die plötzlichen und unerwarteten Veränderungen verunsichern die Mitarbeiter.
Die Gesamtheit der psychologischen Auswirkungen von Fusionen und deren
ökonomische Folgen für das Unternehmen werden mit dem mittlerweile etablierten
Begriff ,,Merger-Syndrom" umschrieben, 1992 geprägt durch Marks und Mervis.
126
Die psychologischen Auswirkungen von Fusionen können sich im Empfinden eines
Vertrauensbruches ausdrücken: Die Unternehmensleitung hat einen ungeschriebenen
Sozialkontrakt gekündigt. Es droht zudem eine Vielzahl von Verlusten: Verlust des
hierarchischen Status und damit Minderung der Kontrollmöglichkeit, Verlust vertrauter
Mitarbeiter und persönlicher Beziehungen, Verlust des vertrauten Arbeitsumfeldes und
bewährten Know-Hows, Verlust verinnerlichter Zukunftsperspektiven.
127
An der Spitze
rangiert die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust. Ob sie begründet ist, muss im Einzelfall
entschieden werden. Grundsätzlich greift § 613 a BGB. Danach übernimmt der Erwerber
eines Unternehmens auch die Mitarbeiter in ihrer konkreten arbeitsvertraglichen
Situation.
128
Dies zwingt die Unternehmensleitung, die neue Belegschaft zu
integrieren.
129
Aber: Wieviele Mitarbeiter wissen konkret um ihre rechtliche
Absicherung? Hier geht es ja um Ängste, und diese müssen nicht rational begründet
sein.
130
Angst als Affekt kann auf einer akuten Gefahr gründen, aber auch als quälender
Dauerzustand grundlos und ohne ein bestimmtes Objekt auftreten. Länger anhaltend
überansprucht sie nicht nur das vegetative Nervensystem, sondern führt u.a. zu
Bewegegungslähmung (,,Totstellreflex"), gesteigerter Unruhe und Flucht- bzw.
Abwehrverhalten. Daseinsanalytiker sehen den Ursprung der Angst de generis in einer
fundamentalen Bedrohung der Existenz.
131
Die genannten Symptome sind typisch für
Fusionsbetroffene. Einige von ihnen verhalten sich unauffällig und introvertiert
(Totstellreflex), einige verlassen freiwillig und äußerst zügig das Unternehmen (Flucht).
125
Vgl. ders., S. 22, 23.
126
Vgl. Marks/Mirvis (1992); vgl. auch dies. (1997). Synonym verwendet werden zudem ,,Flashlight-
Syndrom", ,,Kontext-Trance" und ,,Fusions-Trauma". Vgl. dazu Jansen/Pohlmann (2000), S. 30.
127
Vgl. Lickert (2000), S. 23, 24.
128
Vgl. dazu Felder (2001), S. 156. Trotzdem geht mit Fusionen immer wieder Stellenabbau einher. Vgl.
weiterführend Schmidt (1999), S. 56, 57.
129
Eine Ausnahme bildet die ,,betriebsbedingte" Kündigung. Wenn nicht mehr genug Arbeit für alle
Betroffenen vorhanden ist, darf der Arbeitgeber dem kündigen, der am wenigsten schutzwürdig ist. Vgl.
dazu Welp (2000), S. 236 f.
130
Nach Grunwald schafft bzw. beeinflusst die subjektive Wahrnehmung eines Individuums dessen
objektive Realität. Auch unbegründete Angst wird durch ihre verhaltensbestimmende Wirkung real. Vgl.
Grunwald (2000), S. 20, 21.
131
Vgl. dazu Lickert (2000), S. 25.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832469429
ISBN (Paperback)
9783838669427
DOI
10.3239/9783832469429
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg – Angewandte Kulturwissenschaften
Erscheinungsdatum
2003 (Juni)
Note
1,0
Schlagworte
fusionen kulturkollision interkulturelle kompetenz mergers acquisitions
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