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Die Niederlande - ein Einwanderungsland?

Aspekte der Immigration in den Niederlanden

©2002 Diplomarbeit 142 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Bereits seit Jahrhunderten, ja sogar Jahrtausenden machen sich Menschen auf, um in einem fremden Land ihr Glück zu suchen, um in ein „besseres“ Leben zu fliehen. Doch erweist sich dies oftmals als Traum, der in der Realität meist ganz anders aussieht.
Dank der neuen Transportmöglichkeiten und Kommunikationstechnologien kommen Personen, Güter, Ideen und Bilder ohne Probleme um die ganze Welt. Geografische Grenzen und große Entfernungen werden mühelos überwunden, Menschen auf der ganzen Welt stehen in Kontakt miteinander, sind mehr denn je voneinander abhängig.
Die Gründe für die Migrationsbewegungen sind sehr vielseitig. Viele Migranten sind auf der Suche nach ihrem Traum von Freiheit und Konsum im Westen, ärztlicher Versorgung, bezahlter Arbeit und Eigentum oder fliehen aus der Perspektivlosigkeit, aus Elend und Armut in ihren Herkunftsländern.
Aufgrund der Aktualität dieses Themas befasst sich diese Arbeit mit dem Phänomen Immigration in den Niederlanden. Immigration – ein Thema, das sehr viele verschiedene Aspekte in sich birgt, der jeder für sich intensiver Untersuchungen bedarf. In der vorliegenden Arbeit soll ein Überblick über die Immigration in den Niederlanden, insbesondere gegen Ende des 20. Jahrhunderts geschaffen werden, der das Ausmaß der Einwanderung in die Niederlande in all seinen Formen darstellt.
Den eigentlichen Betrachtungen ist eine kurze Einführung in die Geografie und Demografie der Niederlande vorangestellt. Danach wird auf die Einwanderungsgeschichte eingegangen, die anhand der größten Einwanderungsgruppen aufgezeigt wird. Darüber hinaus werden auch die Aspekte der illegalen Immigration und der Emigration aus den Niederlanden angesprochen.
Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der heutigen Einwanderungs- und Minoritätenpolitik. In Zusammenhang mit den verschiedenen politischen Zielsetzungen der letzten Jahre werden einige der wichtigsten Organisationen dargestellt, die bei dem sehr vielfältigen Einwanderungsprozess eine Rolle spielen. Da angesichts der hohen Flüchtlingszahlen in ganz Europa das Thema nicht nur einzelne Staaten betrifft, sondern die gesamte Europäische Union, ist eine europabezogene Betrachtung notwendig, die im Anschluss an die Ausführungen der nationalen Politik kurz dargelegt wird.
Im nächsten Kapitel werden detaillierte Informationen zu den Einreise-, Aufenthalts- und Ausreisebestimmungen der Niederlande gegeben. Dabei wird zwischen regulärer Einreise und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6915
Bleibtreu, Bianca: Die Niederlande - ein Einwanderungsland? Aspekte der Immigration in
den Niederlanden
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Fachhochschule Südwestfalen, Universität, Diplomarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

3
I
NHALTSVERZEICHNIS
1
E
INLEITUNG
...9
2
D
IE
N
IEDERLANDE
­
EIN KURZER
Ü
BERBLICK
...12
2.1 Die Niederlande geografisch gesehen ... 12
2.2 Die Niederlande ­ demografisch gesehen ... 13
3
E
NTWICKLUNG DER
E
INWANDERUNGSBEWEGUNG IN DEN
N
IEDERLANDEN
...15
3.1 Einwanderungsgeschichte vor 1945 ... 15
3.1.1 Religiöse und politische Flüchtlinge ... 17
3.1.2 Arbeitsmigranten ... 19
3.2 Einwanderungsgeschichte nach 1945 ... 21
3.2.1 Repatrianten... 22
3.2.2 Molukker... 23
3.2.3 Surinamer und Antillianer ... 24
3.2.4 Gastarbeiter... 27
3.2.5 Flüchtlinge ... 29
3.2.6 Sonstige Einwanderer ... 29
3.3 Einwanderungsgeschichte nach 1980 ... 29
3.3.1 Flüchtlinge / Asylbewerber ... 30
3.3.2 Gastarbeiter... 32
3.3.3 Sonstige Einwanderer ... 33
3.4 Die illegale Immigration... 34
3.5 Emigration aus den Niederlanden ... 40
4
E
INWANDERUNGS
-
UND
M
INORITÄTENPOLITIK
...41
4.1 Minderheitenpolitik nach 1980... 41
4.2 Migrationspolitik ­ 90er Jahre bis heute... 47
4.2.1 Integrationspolitik ... 51
4.2.2 Antidiskriminierungspolitik ... 56

4
4.2.3 Asylpolitik ... 60
4.2.4 Arbeitsmarktpolitik ... 62
4.2.5 Politik gegenüber illegalen Einwanderern... 63
4.3 Mit Immigrationsfragen beauftragte Ministerien und
Organisationen ... 64
4.3.1 ,,Ministerie van Justitie"... 64
4.3.2 ,,Immigratie- en Naturalisatiedienst"... 64
4.3.3 ,,Centraal Orgaan opvang asielzoekers" ... 65
4.3.4 ,,Vreemdelingendienst" ... 65
4.3.5 ,,VluchtelingenWerk Nederland"... 65
4.3.6 ,,Internationale Organisatie voor Migratie" ... 65
4.3.7 ,,Nederlands Migratie Instituut" ... 66
4.3.8 ,,Koninklijke Marechaussee" ... 66
4.3.9 ,,Ministerie van Binnenlandse Zaken en Koninkrijksrelaties"... 66
4.3.10 ,,Landelijk bureau ter bestrijding van Rassendiscriminatie"... 67
4.4 Internationale Abkommen und die Europäische Union... 67
4.4.1 Europäische und internationale Abkommen ... 68
4.4.2 Europäische Integrationspolitik... 70
4.4.3 Europäische Asylpolitik... 71
5
I
MMIGRATIONSMODALITÄTEN
...73
5.1 Einreisebestimmungen... 73
5.1.1 Reguläre Einreise... 73
5.1.2 Asylbewerber / Flüchtlinge ... 76
5.1.2.1 ,,Alleenstaande Minderjarige Asielzoekers" (AMAs) ... 79
5.2 Aufenthaltsbestimmungen... 79
5.2.1 Aufenthaltsgenehmigungen... 79
5.2.1.1 ,,Vreemdelingenwet" aus dem Jahre 1994 ... 79
5.2.1.2 ,,Vreemdelingenwet 2000" ... 80
5.2.1.2.1 ,,Verblijfsvergunning voor bepaalde tijd
regulier" (VVR bep)... 81
5.2.1.2.2 ,,Verblijfsvergunning voor onbepaalde tijd
regulier" (VVR onbep)... 82
5.2.1.2.3 ,,Verblijfsvergunning voor bepaalde tijd

5
asiel" (VVA bep) ... 82
5.2.1.2.4 ,,Verblijfsvergunning voor onbepaalde tijd
asiel" (VVA onbep) ... 82
5.2.1.2.5 ,,Verblijf als gemeenschapsonderdaan" ... 83
5.2.2 Regulärer Aufenthalt ... 83
5.2.2.1 Familienzusammenführung oder -bildung ... 84
5.2.2.2 EU-Bürger ... 84
5.2.3 Asylbewerber... 86
5.2.3.1 ,,Alleenstaande Minderjarige Asielzoekers" ... 88
5.2.4 ,,Wet Inburgering Nieuwkomers"... 88
5.2.4.1 Meinungen zum Integrationsprogramm... 92
5.3 Ausreisebestimmungen ... 93
5.3.1 Rückkehrpolitik ... 94
5.3.1.1 Freiwillige Rückkehr ... 95
5.3.1.1.1 ,,Remigratiewet" ... 96
5.3.1.1.2 ,,Regeling verhuiskosten Antillianen" ... 98
5.3.1.2 Angeordnete Rückkehr ... 99
5.3.1.2.1 ,,REAN" und ,,REAN-plus" ... 100
5.3.1.2.2 ,,Geschoold Terug"... 102
5.3.1.3 Abschiebung ... 103
5.3.1.4 Programme, die die Herkunftsländer betreffen... 106
5.4 Erwerb der niederländischen Staatsangehörigkeit... 107
6
I
NTEGRATION VON
M
IGRANTEN
...111
6.1 Problemgruppen ... 114
6.2 Integrationshemmnis Arbeitslosigkeit ... 115
7
S
CHLUSSBETRACHTUNG
...119
8
A
NHANG
...121
8.1 Visumpflichtige Länder ... 121
8.2 ,,Vreemdelingendocumenten" ... 124
L
ITERATURVERZEICHNIS
...126

6
A
BBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1:
Altersverteilung der Bevölkerung... 13
Abbildung 2:
Religionszugehörigkeit... 14
Abbildung 3:
Nationalitäten der Ausländer... 14
Abbildung 4:
,,Witte illegalen" 2000...39
Abbildung 5:
Anzahl Asylanfragen 1991-2001... 60
Abbildung 6:
Anerkennung als Flüchtling nach der
Genfer Konvention... 60
Abbildung 7:
Asylanfragen in Europa... 62
Abbildung 8:
Asylbewerber nach Nationalität...77
Abbildung 9:
Asylanträge Mai-August 2001 und 2002... 78
Abbildung 10:
Asylanfragen AMAs...79
Abbildung 11:
Rückkehr mit Hilfe der IOM... 99
Abbildung 12:
Ausweisungen 1999-2001...104
Abbildung 13:
Arbeitslosigkeit von Personen (15-64 Jahre)
nach Herkunft... 116
Abbildung 14:
Arbeitslosigkeit nach Herkunft und Bildungsniveau... 117

7
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
AC
- Aanmeldcentrum
AFS
- Anne-Frank-Stichting
AMA
- Alleenstaande Minderjarige Asielzoeker
AWGB
- Algemene wet gelijke behandeling
AZC
- Asielzoekerscentrum
BGS
- Bundesgrenzschutz
BNO
- British National Overseas
BO
- Beroepenoriëntatie
CDA
- Christen Demokratisch Appel
CGB
- Commissie gelijke behandeling
COA
- Centraal Orgaan opvang asielzoekers
COW
- Centrale Opvang in Woningen
CP´86
- Centrum Partij ´86
EER
- Europese Economische Ruimte
EG
- Europäische Gemeinschaft
Emcemo
- Euro Mediterraan Centrum Migratie & Ontwikkeling
EU
- Europäische Union
EWR
- Europäischer Wirtschaftsraum
FARNN
- Fund to Assist the Re-installation of Refugees from the
Netherlands to Bosnia Hercegovina
IND
- Immigratie- en Naturalisatiedienst
IntEnt
- Internationalization of Entrepreneurship
IOM
- Internationale Organisatie voor Migratie
KMar
- Koninklijke Marechaussee
KNIL
- Koninklijk Nederlandsch-Indisch Leger
LBR
- Landelijk bureau ter bestrijding van Rassendiscriminatie
LECD
- Landelijk Expertisecentrum Discriminatie
LPF
- Lijst Pim Fortuyn
MDI
- Meldpunt Discriminatie Internet
MIDA
- Migration for development in Africa
MO
- Maatschappijoriëntatie
MVV
- Machtiging tot Voorlopig Verblijf

8
NBK
- Nederland Bekent Kleur
NGO
- Non-governmental organization
NMI
- Nederlands Migratie Instituut
NT2
- Nederlands als tweede taal
OC
- Opvang- en onderzoekscentrum
RCA
- Reinforcement of the Co-operation between EU Member
States in the Fields of Return and Reintegration of Asylum
Seekers
REAN
- Return and Emigration of Aliens from the Netherlands
REMPLOD - Reintegration of Emigrant Manpower and the Promotion of
Local Opportunities for Development
RQA
- Return of Qualified Afghan Nationals
SVB
- Sociale Verzekeringsbank
UNHCR
- United Nations High Commissioner for Human Rights
VD
- Vreemdelingendienst
VTV
- Vergunning tot verblijf
VVA bep
- Verblijfsvergunning asiel voor bepaalde tijd
VVA onbep - Verblijfsvergunning asiel voor onbepaalde tijd
VVD
- Volkspartij voor Vrijheid en Democratie
VVR bep
- Verblijfsvergunning regulier voor bepaalde tijd
VVR onbep - Verblijfsvergunning regulier voor onbepaalde tijd
VVTV
- Voorwaardelijke vergunning tot verblijf
WBEAA
- Wet Bevordering Evenredige Arbeitsdeelname Allochtonen
WIN
- Wet Inburgering Nieuwkomers
WRR
- Wetenschappelijke Raad voor het Regeringsbeleid
ZZA
- ZelfZorgArrangement

9
1 E
INLEITUNG
Schon Euripides sagte, dass es keinen größeren Verlust gäbe als den der
Heimat.
1
Und doch machen sich schon seit Jahrhunderten, ja sogar Jahr-
tausenden Menschen auf, um in einem fremden Land ihr Glück zu suchen.
Sie lassen alles zurück: ihre Heimat, ihre Freunde, Verwandte etc., um in ein
,,besseres" Leben zu fliehen. Doch erweist sich dies oftmals als Traum, der in
der Realität meist ganz anders aussieht.
Die Welt ist in den letzten Jahrzehnten ,,geschrumpft". Dank der neuen
Transportmöglichkeiten und Kommunikationstechnologien kommen
Personen, Güter, Ideen und Bilder ohne Probleme um die ganze Welt.
Geografische Grenzen und große Entfernungen werden mühelos
überwunden, Menschen auf der ganzen Welt stehen in Kontakt miteinander,
sind mehr denn je voneinander abhängig. Früher hatte Migration mehr
individuellen Charakter und fand zwischen Nachbarländern statt. Heute
ziehen Migrantenströme über die ganze Welt. Verjagt aus ihrer Heimat durch
Unterdrückung, Kriege, Hunger und Armut, aber auch aufgrund diktatorischer
Regime oder Umweltkatastrophen, auf der Suche nach einem besseren
Leben. Die Gründe für die Migrationsbewegungen sind sehr vielseitig. Das
Wohlstandsgefälle zwischen der Ersten und Dritten Welt, aber auch ein
Wohlstand des Westens, der über moderne Medien propagiert wird, so aber
nicht der Realität entspricht und Erwartungen weckt, die nicht erfüllt werden
können, sind nur einige Beispiele. Viele Migranten sind auf der Suche nach
ihrem Traum von Freiheit und Konsum im Westen, ärztlicher Versorgung,
bezahlter Arbeit und Eigentum oder fliehen aus der Perspektivlosigkeit, aus
Elend und Armut in ihren Herkunftsländern.
Die Zahl der Flüchtlinge ist weltweit nach Schätzungen des UNHCR zu
Beginn des Jahres 2001 auf etwa 21 Mio. angestiegen. Die Mehrzahl der
Flüchtlinge blieb allerdings im Umfeld ihrer Herkunftsgebiete, denn die
Wanderungsbewegungen richteten sich meist auf die unmittelbaren
Nachbarländer und nur zu einem kleinen Teil auf entfernte Weltregionen.
Länder wie Pakistan mit mehr als 2 Mio. Flüchtlingen und der Iran mit etwa
1
Peltzer 1957:319

10
1,8 Mio. Flüchtlingen führen die Liste der größten Aufnahmeländer an, ge-
folgt von Deutschland (0,9 Mio.) und vielen Ländern des afrikanischen
Kontinents, die mit mehreren hunderttausend Flüchtlingen konfrontiert
werden. Die westeuropäischen Staaten treten dagegen erst in großem Ab-
stand als Aufnahmeländer in Erscheinung.
Die Globalisierung und die damit verbundene Ausbreitung und Intensivierung
der gegenseitigen Beziehungen führt sowohl zu einer kulturellen Homo-
genität, als auch zu einer Lokalisierung, zu einer zunehmenden kulturellen
Profilierung. Die eigene Kultur wird von Aspekten anderer Kulturen
durchsetzt und eine dominante Kultur ist dem Einfluss von Menschen mit
anderen Gewohnheiten, Bräuchen und Traditionen ausgesetzt. In diesem
Prozess fortwährender kultureller Vielfalt entsteht eine Mischung von
Kulturen und Subkulturen und es ist Aufgabe eines Staates, diesen Prozess
zu begleiten und zu unterstützen.
Da dieses Thema auch heutzutage aktueller denn je ist, habe ich
beschlossen, mich in dieser Arbeit mit dem Phänomen Immigration in den
Niederlanden zu befassen. Immigration ­ ein Thema, das sehr viele
verschiedene Aspekte in sich birgt, der jeder für sich intensiver
Untersuchungen bedarf. In der vorliegenden Arbeit soll das Ausmaß der
Einwanderung in die Niederlande in all ihren Formen dargestellt werden. Es
soll ein Überblick über die Immigration in den Niederlanden, insbesondere
gegen Ende des 20. Jahrhunderts geschaffen werden.
Den eigentlichen Betrachtungen ist eine kurze Einführung in die Geografie
und Demografie der Niederlande vorangestellt. Im darauf folgenden Kapitel
wird auf die Einwanderungsgeschichte eingegangen, die anhand der größten
Einwanderungsgruppen aufgezeigt wird. Darüber hinaus gehe ich auch auf
Aspekte der illegalen Immigration und der Emigration aus den Niederlanden
ein.
Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der heutigen Einwanderungs- und
Minoritätenpolitik. In Zusammenhang mit den verschiedenen politischen
Zielsetzungen der letzten Jahre werden einige der wichtigsten
Organisationen dargestellt, die bei dem sehr vielfältigen Einwanderungs-
prozess eine Rolle spielen. Da angesichts der hohen Flüchtlingszahlen in

11
ganz Europa das Thema nicht nur einzelne Staaten betrifft, sondern die
gesamte Europäische Union, ist eine europabezogene Betrachtung
notwendig, die im Anschluss an die Ausführungen der nationalen Politik kurz
dargelegt wird.
Das nächste Kapitel beinhaltet detaillierte Informationen zu den Einreise-,
Aufenthalts- und Ausreisebestimmungen der Niederlande. Dabei wird
zwischen regulärer Einreise und Flüchtlingen bzw. Asylbewerbern
unterschieden. Des Weiteren folgen Erläuterungen, welche Rechte
Immigranten in den Niederlanden haben, aber auch mit welchen Pflichten sie
konfrontiert werden. Was die Ausreisebestimmungen anbelangt, so werden
die vielfältigen Rückkehrprogramme dargestellt.
Im Anschluss möchte ich noch einige Aspekte der Integration von Neu-
zuwanderern ansprechen, wobei ich das Augenmerk besonders auf die
Arbeitsmarktproblematik richte.
Zum Schluss soll noch darauf hingewiesen werden, dass die in dieser
Diplomarbeit dargestellten Grafiken ausschließlich von mir selbst erstellt
wurden und jeweils nur die Quellen gesondert vermerkt wurden, denen ich
die nötigen Angaben entnommen habe. Weiterhin möchte ich anmerken,
dass das Wort ,,Ausländer" in dieser Arbeit ohne jegliche negative oder
abwertende Konnotation verwendet wurde.

12
2 D
IE
N
IEDERLANDE
­
EIN KURZER
Ü
BERBLICK
In diesem Kapitel sollen die Niederlande kurz vorgestellt werden. Zuerst
einige Worte zur Staatsform, anschließend wichtige Daten zu Geografie und
Demografie.
,,Het Koninkrijk der Nederlanden", zu dessen Hoheitsgebiet auch die in der
Karibik gelegenen autonomen Niederländischen Antillen und Aruba
gehören
2
, ist eine konstitutionelle Monarchie mit parlamentarischem
Regierungssystem. Staatsoberhaupt ist seit dem 30. April 1980 Königin
Beatrix. Die Regierung unter Vorsitz des Ministerpräsidenten wird von der
Königin ernannt und ist dem Parlament verantwortlich. Der Regierungssitz
der Niederlande befindet sich in Den Haag, Landeshauptstadt ist jedoch
Amsterdam.
3
2.1 Die Niederlande geografisch gesehen
Die Niederlande selbst, besser gesagt der in Europa gelegene Teil des
Königreichs der Niederlande, sind mit einer Gesamtfläche von 41 526 km
2
eines der kleinsten westeuropäischen Ländern. Wie der Name ,,Niederlande"
schon sagt, ist das Land sehr tief gelegen. Weite Teile des Landes, genau
genommen 24 % der Landfläche, liegen unterhalb des Meeresspiegels. Auf
dieser Fläche wohnen ca. 60 % der gesamten Bevölkerung der Niederlande.
4
Die Niederlande werden im Ausland oft als ,,Holland" bezeichnet, obwohl dies
eigentlich nur der Name der beiden Provinzen an der Westküste (Nord- und
Südholland) ist, die in der Geschichte eine wichtige Rolle gespielt haben.
5
2
Geografisch gesehen gehört Aruba zur Inselgruppe der Kleinen Antillen. Seit 1954
genießen die Niederländischen Antillen innere Autonomie, die durch eine eigene
Exekutive und ein eigenes Parlament ausgeübt wird. Die westlichste der niederländischen
Inseln der Kleinen Antillen, Aruba, hat seit 1986 einen eigenen Status innerhalb der
autonomen Inselgemeinschaft ,,Union der Niederländischen Antillen und Aruba". Darum
werden die Niederländischen Antillen und Aruba im weiteren Verlauf der Arbeit getrennt
genannt. (Meyers großes Taschenlexikon 1999, Bd.1:295; Bd.16:12)
3
http://www.auswaertigesamt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html?
land_ id=1 23&type_id=10
4
Meijer 1997:4
5
,,Die Niederlande im Überblick":6

13
2.2 Die Niederlande ­ demografisch gesehen
In den Niederlanden leben etwa 16,1 Mio. Menschen (Stand: Oktober 2002)
6
.
Auf einem Quadratkilometer leben im Schnitt 449 Einwohner, was bedeutet,
dass die Niederlande eines der am dichtesten besiedelten Länder der Welt
sind. Die größte Bevölkerungsdichte herrscht in der sog. ,,Randstad" Holland,
dem Städtering im Westen des Landes, zu dem Amsterdam, Haarlem,
Leiden, Den Haag, Rotterdam und Utrecht gehören.
7
In den folgenden
Diagrammen sind statistische Angaben zu Alter, Religionszugehörigkeit und
Nationalität der niederländischen Bevölkerung einzusehen.
Quelle: Statline
8
. Stand: Oktober 2002.
Der Bevölkerungszuwachs in den Niederlanden beträgt 0,57 % (ohne
Zuwanderungsgewinn).
6
http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html?
land_id=123&type_id=2
7
Die Niederlande im Überblick:8f.
8
http://statline.cbs.nl/StatWeb/start.asp?LA=nl&DM=SLNL&lp=Search/Search
Abbildung 1: Altersverteilung der Bevölkerung
61,8%
13,7%
24,5%
20-64 Jahre
unter 20 Jahren
über 65 Jahre

14
Quelle: Auswärtiges Amt
9
Infolge der Zuwanderung, insbesondere aus Ländern wie der Türkei und
Marokko, nimmt auch der Anteil der Muslime seit einiger Zeit stark zu
(4 %).
10
Von den 16,1 Mio. Einwohnern sind etwa 690 400 Ausländer, die
sich folgendermaßen aufteilen lassen.
Quelle: Statline
11
. Stand: Oktober 2002.
Seit den 70er Jahren herrscht eine hohe Zuwanderung von Gastarbeitern
und ihren Familien, Surinamern, Flüchtlingen sowie Zuwanderern von den
Antillen. Dagegen emigrierten in den 50ern tausende Niederländer nach
Kanada, Südafrika, Australien, Neuseeland und in die USA.
12
9
http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html?
land_id=123&type_id=2
10
http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html?
land_id=123&type_id=2
11
http://statline.cbs.nl/StatWeb/Table.asp?STB=G1&LA=nl&DM=SLNL&PA=03743&D1=0
&D2=0-3,12,23,32,41,52,62,68,79-80,83,86,117,145-146,167,169,184,l&D3=0&D4=(l-4)-
l&HDR=T,G2,G3
12
Meijer 1997:22
Abbildung 2: Religionszugehörigkeit
32,3%
23,2%
40,4%
4,0%
römisch-katholisch
protestantisch
konfessionslos
moslemisch
Abbildung 3: Nationalitäten der
Ausländer
(x 1.000)
207
104
100
10
94
85
107
EU-Bürger
Marokkaner
Türken
Indonesier
Chinesen
Surinamer
Staatenlose

15
3 E
NTWICKLUNG DER
E
INWANDERUNGSBEWEGUNG IN DEN
N
IEDERLANDEN
Bereits seit Jahrhunderten kommen immer wieder Zuwanderer in die
Niederlande. Vor allem der relative
13
Reichtum und die vergleichsweise
große religiöse und politische Toleranz der Niederlande machten das Land
seit jeher sehr attraktiv für Immigranten. Was die Motive der Immigration an-
geht, so muss man zwischen politisch und/oder religiösen oder wirtschaft-
lichen Motiven unterscheiden.
14
Auch die koloniale Vergangenheit der Niederlande prägte die Entstehung
und Lage der ethnischen Minderheiten. Da die Niederlande seit dem Zweiten
Weltkrieg ihre Kolonien aufgelöst haben und dabei ganze Bevölkerungs-
gruppen in das Mutterland hinübergewechselt sind, entstanden alsbald relativ
geschlossene und ethnisch selbstbewusste Bevölkerungsgruppen.
15
Heute leben insgesamt 690 400 Ausländer in den Niederlanden (Stand:
Oktober 2002).
16
,,Trotz der Tatsache, daß sich die Niederlande nicht als
Einwanderungsland betrachteten, haben sich doch viele Einwanderer
in den letzten Jahrzehnten hier niedergelassen."
17
3.1 Einwanderungsgeschichte vor 1945
18
Bereits seit dem 16. Jh. haben sich viele Immigranten in dem wohlhabenden
und toleranten Land niedergelassen. Vor 1900 waren es meist religiöse, aber
auch politische Flüchtlinge. Hinzu kamen noch Arbeitsmigranten und
,,passanten"
19
sowie Wanderarbeiter.
13
Relativ, das soll heißen, in oftmals großem Kontrast zu den Gebieten, aus denen die
Zuwanderer kommen. (Lucassen/Penninx 1994:19)
14
Lucassen/Penninx 1994:61
15
Bukow 1989: 10
16
http://statline.cbs.nl/StatWeb/start.asp?STB=G1&LA=nl&DM=SLNL&PA=03743&D1=0&
D2 =0-3, 12,23,32,41,52,62,68,79-80,83,86,117,145-146,167,169,184,l&D3=0&D4=(l-4)-
l&HDR=T,G2,G3
17
Penninx 1993:81
18
Soweit nicht anders angegeben, stützt sich diese Übersicht im Wesentlichen auf
Lucassen/Penninx 1994.
19
Durchreisende; Personen, die nur einige Jahre in den Niederlanden verbrachten

16
Schon Mitte des 19. Jh. gab es erste Bemühungen, nur die Ausländer zuzu-
lassen, die für das Land von Nutzen waren. So wurde bereits 1849 ein Aus-
ländergesetz
20
eingeführt, das aber nicht von allzu großer Bedeutung war.
Obgleich der niederländische Nationalismus in der zweiten Hälfte des 19. Jh.
zunahm, kam, im Gegensatz zu z. B. England, kein neues Ausländergesetz
zustande, vermutlich vor allem durch das Ausbleiben von unerwarteten,
großen Immigrationswellen. Erst der Erste Weltkrieg und die dadurch
verursachten massenhaften Flüchtlingsströme und politischen Ver-
änderungen führten zu einer neuen Gesetzgebung, wie dem ,,Wet toezicht
vreemdelingen" (Gesetz zur Aufsicht von Ausländern) aus dem Jahre 1918
und dem ,,Wet op de grensbewaking" (Gesetz zur Grenzbewachung) von
1920. Unter diesen Gesetzen wurde es Flüchtlingen v. a. in den 30er Jahren
bedeutend erschwert in die Niederlande einzureisen. Aber durch die Vor-
kommnisse in Deutschland, besonders durch die Reichskristallnacht und die
offensichtlichen Judenverfolgungen, wurden einige Beschränkungen wieder
zurückgenommen.
Rückblickend unterscheiden Lucassen/Penninx in den vier Jahrhunderten
Immigrations- und Zulassungspolitik der Niederlande drei Phasen:
,,In de eerste fase ­ van de zeventiende en achttiende eeuw tot en
met het einde van de Republiek ­ was Nederland een immigratieland
bij uitstek. Als staatkundige eenheid was het een betrekkelijk los
verband van steden en provincies. Land of plaats van geboorte was
het belangrijkste criterium waarop nieuwkomers van inboorlingen
werden onderscheiden. Nakomelingen van immigranten waren
inboorlingen en voor hen gold dus geen principieel onderscheid. Het
beleid ten aanzien van deze nieuwkomers was in hoofdzaak een
aangelegenheid van steden.
In de tweede fase ­ vanaf het begin van de negentiende eeuw tot
omstreeks 1970 ­ treden belangrijke veranderingen op. Het aantal
immigranten neemt tot 1870 gestadig af om vervolgens tot aan de
Tweede Wereldoorlog op een relatief laag niveau te blijven,
uitgezonderd enkele vluchtelingenmigraties. De staatkundige eenheid
heeft sinds het ontstaan van het Koninkrijk der Nederlanden (1815)
steeds meer de juridische en politieke structuur van een natie-staat
gekregen, met het staatsburgerschap als de juridische uitdrukking
daarvan; dat staatsburgerschap wordt nu hoofdzakelijk gebaseerd op
het afstammingsbeginsel. De tegenstelling inboorling versus elders
20
Das Ausländergesetz war theoretisch ein wasserdichtes System, wie Lucassen/Penninx
es nennen, um die Zulassung von Ausländern zu kontrollieren. Praktisch war dies jedoch
nicht der Fall. Das Gesetz wurde hauptsächlich genutzt, um Ausländer, die als
wirtschaftlich nicht nützlich erachtet wurden, abzuweisen. So verweigerte man in den
kommenden Jahren z. B. Musikanten und Schaustellern den Aufenthalt in den
Niederlanden.

17
geboren nieuwkomers die tijdens de Republiek bestond, wordt
vervangen door die van Nederlandse staatsburgers door afkomst
versus vreemde onderdanen. De staat formuleert nu ook nadrukkelijk
het recht om over toelating tot haar grondgebied en uitzetting daaruit
van vreemde staatsburgers te beslissen. Echt beleid op basis van
deze nieuwe principes krijgt eigenlijk pas vanaf het begin van de
twintigste eeuw concreet vorm, wanneer uitgewerkte wetgeving en
handhavingsinstituties ontstaan. Deze worden actief gebruikt op het
moment dat politieke of economische ontwikkelingen dat vereisen.
Vanaf het midden van de jaren tachtig treedt de derde fase in, die van
de internationalisering van het immigratiebeleid in het kader van de
Europese eenwording."
3.1.1 Religiöse und politische Flüchtlinge
Die Anfänge der Immigration findet man bereits während des Achtzigjährigen
Krieges (1568 bis 1648), als v. a. Südniederländer, darunter hauptsächlich
Flamen, in die Republik der Vereinigten Niederlande flüchteten. Um 1600
wohnten ca. 100 000 Südniederländer in den Vereinigten Niederlanden, was
etwa 7 % der Gesamtbevölkerung ausmachte. Zum Vergleich: Die Zahl der
Ausländer in den Niederlanden belief sich 2001 auf 4,2 % der Bevölkerung.
21
Die Südniederländer hatten große Schwierigkeiten in den Vereinigten
Niederlanden, da sie entweder einen Dialekt oder aber Französisch
sprachen. Ungeachtet dieser Schwierigkeiten sorgten sie für Aufschwung in
der Textilindustrie. Durch die entstandenen Handelskolonien wurden unter
anderem Kaufleute aus Wales, Schottland, Armenien und auch Griechenland
angezogen, die in den großen Städten ihre eigenen Gemeinschaften
bildeten.
22
Zudem kamen immer mehr Arbeiter, Handwerker und auch Kauf-
leute, die großen Einfluss auf die Entwicklung der niederländischen Wirt-
schaft hatten. Die Immigranten aus dem Süden waren aber nicht nur Kauf-
leute, auch Dozenten der Universität Leiden, sowie Theologen, Künstler und
Maler gehörten zu den Einwanderern. So war diese Immigrationswelle im
16./17. Jh. nicht nur quantitativ, sondern besaß auch Qualität und war von
unschätzbarem Wert für die wirtschaftliche, gesellschaftliche,
wissenschaftliche und kulturelle Blüte der Niederlande während des
,,Goldenen Jahrhunderts".
21
http://statline.cbs.nl/StatWeb/Table.asp?STB=G1&LA=nl&DM=SLNL&PA=03743&D1=0
&D2=0-3,12,23,32,41,52,62,68,79-80,83,86,117,145-146,167,169,184,l&D3=0&D4=(l-4)-
l&HDR=T,G2,G3
22
Cornelis 1990:14

18
Auch B. Cornelis bestätigt dies:
,,Deze grote groepen immigranten hebben een belangrijke bijdrage
geleverd aan de economische, culturele en ook wetenschappelijke
bloei in de Gouden Eeuw. Zo was bij de oprichting van de Verenigde
Oostindische Compagnie in 1602 meer dan een derde deel van het
ingelegde kapitaal afkomstig van de Zuidnederlandse immigranten!"
23
Etwa in der zweiten Hälfte des 17. Jh. flüchteten Hugenotten, eine protestan-
tische Minderheit in Frankreich, aufgrund der Ereignisse dort in die
Niederlande.
24
In den ersten Jahren wurden sie mit offenen Armen
empfangen, denn es waren Stadtbürger und Kaufleute. Ihnen wurden Ver-
günstigungen und Bürgerrechte zuteil. Als jedoch auch ärmere Flüchtlinge in
die Niederlande kamen, wurden keine dieser Vorrechte mehr gewährt. Die
Hugenotten waren, ebenso wie die Südniederländer, von wirtschaftlicher und
religiöser Bedeutung für die Niederlande. Unter ihnen befanden sich viele
Gelehrte. Insgesamt machten die Hugenotten im 17. Jh. ca. 3 % der
Bevölkerung in den Niederlanden aus.
Es kamen auch jüdische Flüchtlinge zu Beginn des 17. Jh. in die Vereinigten
Niederlande. So flüchteten einige tausend Juden aus Portugal und
Spanien
25
, aber auch Juden aus Mittel- und Osteuropa
26
. Diese stellten eine
viel größere und ärmere Gruppe Flüchtlinge dar, als dies bisher der Fall war.
Bei der Volkszählung von 1796 in der Batavischen Republik wurden ca.
30 000 jüdische Einwohner gezählt, das entsprach etwa 1,5 % der Bevölke-
rung und war das Ergebnis von zwei Jahrhunderten Immigration plus
natürlichem Wachstum.
Neben den genannten großen Gruppen gab es auch noch viele kleine
Gruppen von Flüchtlingen, die meist aus religiösen Gründen in die Nieder-
lande geflohen waren. Religiöse Flüchtlinge sind ein Phänomen im Europa
23
Cornelis 1990:14
24
Bereits im 16. Jh. lebten die Hugenotten in Frankreich in ständiger Angst hinsichtlich der
Anerkennung ihrer Rechte durch den (katholischen) König. 1598 wurde ihnen im Edikt von
Nantes die Religionsfreiheit zugesagt. Ab 1680 begann eine massenhafte Flucht der
Hugenotten aus Frankreich, die noch stärker wurde, als Ludwig XIV. im Edikt von
Fontainebleau 1685 das Edikt von Nantes offiziell widerrief und ihnen somit alle
garantierten Rechte nahm. (Lucassen/Penninx 1994:32f.; Meyers großes Taschenlexikon
1999, Bd.10:97)
25
Sie waren Opfer der Inquisition geworden.
26
Als Folge des Antisemitismus in Deutschland im Dreißigjährigen Krieg, des
Antisemitismus in Polen und der Pogrome in Polen und Russland in der zweiten Hälfte
des 18. Jh.

19
des 16. bis zur ersten Hälfte des 18. Jh., mit Ausnahme der Judenver-
folgungen in Mittel- und Osteuropa, die auch im 20. Jh. andauerten. Im
19. Jh. kamen nur wenige Flüchtlinge in die Niederlande, die meisten zogen
nach England und in die USA.
Während der Kriegsjahre im 20. Jh. kamen Vertriebene aus verschiedenen
Nachbarländern. So flüchteten während des Ersten Weltkrieges im Oktober
1914 fast 900 000 Belgier in die Niederlande, von denen aber viele schnell
wieder nach Belgien zurückkehrten. Als Folge des Ersten Weltkrieges und
der damit verbundenen Revolutionen v. a. in Osteuropa, kam es zu großen
Flüchtlingsbewegungen. So gingen viele österreichisch-ungarische Waisen-
kinder und einige russische Flüchtlinge in die Niederlande. Der andauernde
osteuropäische Antisemitismus führte in den 20er Jahren noch einmal zu
einer Welle von etwa 10 000 jüdischen Flüchtlingen, die in die Niederlande
einreisten. Später kam der zeitweise Verbleib von Flüchtlingen aus Deutsch-
land in den 30er Jahren. Die Judenverfolgung ab 1933 in Deutschland und
ab 1938 in Österreich zwang 20 000 Juden zur Flucht. Es zog sie in die
Niederlande. Außerdem kamen noch viele andere politische Flüchtlinge,
nach Schätzungen etwa 7 000; vor allem verfolgte Sozialisten, Kommunisten
und Trotzkisten, aber auch katholische Widerstandskämpfer gegen das Nazi-
regime und verfolgte Intellektuelle und Künstler.
3.1.2 Arbeitsmigranten
Eine weitere Gruppe von Immigranten in den Zeiten der Vereinigten Nieder-
lande waren neben den Flüchtlingen die Arbeitsmigranten und ,,passanten",
wobei es wesentlich mehr Arbeitsmigranten als ,,passanten" gab. Um Geld zu
verdienen oder anzusparen, versuchten sich hunderttausende junger
Menschen als Dienstboten, Matrosen oder Soldaten in den Niederlanden
oder in einer der Kolonien. Diejenigen, die sich als Dienstboten verdingten,
kamen aus England, Frankreich, der Schweiz und Deutschland. Soldaten
stammten aus Deutschland, der Schweiz und Frankreich. Matrosen kamen
aus Deutschland, China, Indonesien, von den Philippinen und den
Kapverdischen Inseln. Bei den ,,passanten" handelte es sich um die
verschiedensten sozialen Gruppen. Es waren Handelsreisende, aber auch
Botschaftspersonal, Intellektuelle, Gelehrte, Professoren, die eingeladen

20
wurden in den Niederlanden zu lehren, Handwerker (z. B. Wanderburschen
aus Deutschland), osteuropäische Bärenkämpfer, italienische Clowns,
deutsche Musiker, Prostituierte, Bühnen-, Ballett- und Operngesellschaften
u. v. a. Diese Gruppen hatten den nur befristeten und unregelmäßigen
Kontakt mit den Niederlanden und den Niederländern gemeinsam. Seit dem
16. bis ins späte 19. Jh. zogen jährlich zehntausende Saisonarbeiter aus
Westfalen, dem Osten und Süden der heutigen Niederlande, aus der Eifel
und dem Hunsrück, aus Teilen Belgiens und der Picardie an die
Nordseeküsten. Für die Provinzen der Niederlande an der Nordsee
bedeutete dies, dass ca. 20 000 Arbeiter in einem festen Rhythmus zwischen
dem armen Hinterland und dem reichen Küstenland hin und her zogen. Meist
fand diese ,,Wanderung" im Frühjahr, Sommer oder Herbst statt. Die
Wanderarbeiter fanden Arbeit v.
a. in der Landwirtschaft, bei
infrastrukturellen Arbeiten oder bei Deich- und Kanalbau. Im Gegensatz zu
den anderen hier behandelten Gruppen von Immigranten blieben sie
hauptsächlich auf dem Land. Nach 1870 veränderte sich die Wanderarbeit in
den Niederlanden. Durch die Industrialisierung bot sich den Wanderarbeitern
mehr dauerhafte Arbeit als Saisonarbeit. Dabei war v. a. das Ruhrgebiet von
Bedeutung. Die Wanderarbeiter aus Westfalen, aber auch viele Niederländer
zog es dorthin. So änderte sich die Richtung der Arbeitsmigration von West
nach Ost.
Durch die Entwicklung der Minenindustrie in der niederländischen Provinz
Limburg nach 1900 wurden viele Arbeiter aus Deutschland, aber auch
Tausende aus Italien, Polen und Slowenien angezogen. Ein Teil von ihnen
wurde in den 30er Jahren wieder entlassen und ausgewiesen, viele jedoch
blieben für immer.
Bis 1900 verlief die Arbeitsimmigration ziemlich spontan und die Eigeni-
nitiative der Immigranten war ausschlaggebend. Erst im 20. Jh. entstanden
dann weniger spontane Formen der Arbeitsimmigration, wobei der Staat eine
große Rolle spielte. Das betrifft sowohl die Arbeitsmigration als auch die
Migration in Zusammenhang mit der Dekolonisation.
27
27
Cornelis 1990:14

21
Kurz nach dem Ersten Weltkrieg kamen die ersten chinesischen Immigranten
in die Niederlande, sie arbeiteten meist bei Schifffahrtsgesellschaften als
Matrosen. Ende der 20er Jahre wurden viele von ihnen arbeitslos. Aufgrund
der Krise in den 30ern kehrten viele zurück nach China und erst nach dem
Zweiten Weltkrieg ging es auch den Chinesen, die in den Niederlanden ge-
blieben waren, aufgrund des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs
wieder besser.
3.2 Einwanderungsgeschichte nach 1945
28
Wie zu Beginn bereits erwähnt, wurde die Zuwanderung in die Niederlande
seit dem Zweiten Weltkrieg wesentlich von der kolonialen Vergangenheit ge-
prägt. Da die Kolonien Teile des Königreichs der Niederlande waren,
besaßen die Bürger somit die niederländische Staatsangehörigkeit.
Nach 1945 sind mehrere Immigrationswellen mit verschiedenen politischen
Hintergründen zu unterscheiden. So hatte diese Immigration zum einen
kolonialhistorische und zum anderen ökonomische, aber auch politische
Gründe. Bezeichnend ist eine durch die Dekolonisation entstandene
Immigration von eigenen Staatsangehörigen, die jedoch von Personen aus
Drittländern ergänzt wurde.
Was die Migration als Folge der Dekolonisation angeht, so spielten erst die
,,Indische Nederlanders" (indonesische Niederländer) von 1945 bis 1958,
1951 die Molukker und seit 1954 die karibische Migration (Surinamer und
Antillianer) eine große Rolle bei der Immigration in die Niederlande.
29
Politisch gesehen war die Nachkriegszeit hinsichtlich der Zulassung von
Immigranten mit Aufsicht und oft auch Beschränkungen seitens des Staates
verbunden. So fiel die Zeit der Nachsicht bei der Zulassung zusammen mit
Zeiten in denen die Lage auf dem Arbeitsmarkt angespannt war und die
Wirtschaft expandierte. Die Niederlande haben versucht, nicht nur den
Zustrom ausländischer Einwanderer einzuschränken, sondern auch den
Zustrom der ,,Indische Nederlanders", indem diesen nahegelegt wurde, die
28
Sofern nicht anders angegeben, stammen die Informationen zu Kapitel 3.2 aus Cornelis
1990.
29
Dörr 1996

22
indonesische Nationalität anzunehmen (s. auch Kapitel 3.2.1). Weiterhin war
die Politik darauf ausgerichtet, dass die Verweildauer der Migranten nur
vorübergehend war, was aber, wie im Folgenden gezeigt wird, durchaus
nicht der Fall war. Die Immigranten wurden als einzelne Gruppen definiert,
die nicht, zumindest nicht dauerhaft, zur niederländischen Gesellschaft ge-
hörten und es wurden Maßnahmen ergriffen, die den vorübergehenden
Charakter ihres Aufenthalts betonten.
30
,,Diese "Fiktion des vorübergehenden Aufenthaltes" ... war tief
verwurzelt in den Einwanderungsbestimmungen, in Gesetzen und
Bestimmungen zum rechtlichen Status der Einwanderer (ohne
niederländische Staatsangehörigkeit) und in der Aufnahmepolitik."
31
Im Fall der Molukker war dies besonders schwerwiegend. Erst gegen Ende
der 70er Jahre kam ein Wandel in der Diskussion um Einwanderer, hervorge-
rufen durch Geiselnahmen und die Zugentführung durch junge Molukker.
Mehr zu den molukkischen Einwanderern in Kapitel 3.2.2. Die Auffassung
der zeitlichen Begrenzung der Aufenthaltsdauer wich einer neuen politischen
Vision, in der die Zukunft der Einwanderungsgruppen in der niederländischen
Gesellschaft im Mittelpunkt stand.
32
3.2.1 Repatrianten
33
Die erste Immigrationswelle aus den ehemaligen Kolonien bildeten die
Indonesier, die sog. Repatrianten, die zwischen 1945 und 1975 in die
Niederlande kamen
34
. Sie immigrierten nach der Erlangung der Unab-
hängigkeit Indonesiens in die Niederlande. Die meisten von ihnen waren ge-
mischter indonesisch-niederländischer Abstammung und hatten aufgrund
ihrer niederländischen Staatsangehörigkeit das Recht, sich in den Nieder-
30
So gab es z. B. Programme, die vorsahen, Kinder von Gastarbeitern in ihrer
Muttersprache zu unterrichten, um ihnen die Wiedereingliederung in die Gesellschaft des
Heimatlandes zu erleichtern. (Penninx 1993:82)
31
Penninx 1993:82
32
Penninx 1993:83
33
,,Many of the migrants involved were born in the Dutch East Indies/Indonesia, and had
never set foot in the Netherlands before. Therefore they were not actually ´repatriats`,
though the latter term is often used to indicate all decolonization migration from the Dutch
East Indies/Indonesia." (Penninx/Schoorl/Praag 1993:8)
34
Für nähere Informationen zu den geschichtlichen Hintergründen und den Ereignissen auf
Indonesien siehe Lucassen/Penninx 1994:38ff. und Cornelis 1990:15f.

23
landen anzusiedeln
35
. Diese Einwanderergruppe war gebildet und stark auf
die Niederlande orientiert. Wie R:
Penninx es ausdrückt, wurde ,,ihre
Integration durch eine aktive Aufnahme- und Niederlassungspolitik
unterstützt." Von großem Vorteil für die Indonesier war die Tatsache, dass
diese Einwanderungswelle in einen Zeitraum fiel, in dem die Wirtschaft und
der Arbeitsmarkt expandierten.
36
Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen ca. 290
000 Repatrianten aus
Indonesien, aber in der gleichen Zeit emigrierten mehr als 500 000 Nieder-
länder in Länder wie Australien, Neuseeland, Kanada, USA und Südafrika.
Auf diese Emigration gehe ich in Kapitel 3.5 kurz ein.
Die Personen, die gemischt niederländisch-indonesischer Abstammung
waren, besaßen die niederländische Staatsangehörigkeit. Sie hatten aber die
Möglichkeit, sich für die indonesische zu entscheiden, wozu sie von der
niederländischen Regierung ermutigt wurden. Viele entschieden sich folglich
für die indonesische Staatsangehörigkeit, kehrten aber nach einigen
schwierigen Jahren in Indonesien doch in die Niederlande zurück und ent-
schieden sich für die niederländische Staatsangehörigkeit.
37
3.2.2 Molukker
Die nächste große Einwanderungswelle waren Gruppen molukkischer
Soldaten
38
, die in der ehemaligen Kolonialstreitmacht in Indonesien gedient
hatten. Sie hatten sich bis 1949 für die niederländischen Belange eingesetzt
und emigrierten 1951 als eine Gruppe zwangsweise in die Niederlande. Die
Molukker, die zusammen mit ihren Angehörigen eine Gruppe von ca. 13 000
35
Neben den Staatsbürgern, die niederländischer oder niederländisch-indonesischer
Abstammung waren, verließ auch eine Gruppe Personen rein indonesischer Abstammung
das Land, die sich für die Interessen der Niederlande eingesetzt hatten, die Molukker, auf
die ich in Kapitel 3.2.2 näher eingehen.
36
Penninx 1993:77
37
Lucassen/Penninx 1994:40
38
Die Molukker standen im Dienst der kolonialen Verwaltung, vor allem als Soldaten im
´Koninklijk Nederlandsch-Indisch Leger` (KNIL). Als dieses aufgelöst wurde weigerten sich
ca. 4 000 Molukker, in die indonesische Armee aufgenommen zu werden. Sie wollten u. a.
die Unabhängigkeit der Republik ´Zuid-Molukken`. Sie sollten auf die Insel Java verlegt
werden, was sie ablehnten. Da sie auch nicht auf die Molukken zurückkehren konnten,
und als die Niederlande 1951 gezwungen wurden, die Soldaten mit ihren Angehörigen in
die Niederlande zu holen, hatten sie keine andere Wahl mehr. (Lucassen/Penninx
1994:40f.)

24
Personen bildeten, gingen, ebenso wie die niederländische Regierung,
davon aus, dass es sich nur um einen vorübergehenden Aufenthalt handeln
würde, denn die Molukker wollten innerhalb absehbarer Zeit wieder
zurückkehren und strebten einen selbstständigen Staat, die Freie Republik
der Molukken, an. Es sollte sich aber herausstellen, dass sie nie auf die
Molukken zurückkehren würden. Sie erlebten in den Niederlanden eine böse
Überraschung, denn sie wurden nach ihrer Ankunft in Europa aus dem
militärischen Dienst entlassen
39
. Die Molukker hatten von Anfang an mit
ungünstigen Bedingungen zu kämpfen. So erschwerten ihre eigenen starken
Rückkehrabsichten eine schnelle Integration in die niederländische
Gesellschaft. Auch die Regierungspolitik war darauf ausgerichtet, die
Molukker in Erwartung ihrer baldigen Rückkehr als Gruppe zu erhalten.
,,Vanwege hun sterke gerichtheid op terugkeer werden de Molukkers
geconcenetreerd gehuisvest in woonkampen."
Zu der von der niederländischen Gesellschaft gesonderten Unterbringung
kamen noch ihr niedriger Bildungsstand und ihre geringen
Niederländischkenntnisse als Integrationshemmnis hinzu. Erst im
Jahre 1978, nach einer Reihe gewalttätiger Besetzungen und einer Zugent-
führung
40
Mitte der 70er Jahre wurden die politischen Zielsetzungen hinsicht-
lich dieser Immigrantengruppe explizit geändert.
Die Anzahl der Molukker in den Niederlanden betrug zu Beginn der
90er Jahre schätzungsweise 40 000 Personen.
41
3.2.3 Surinamer und Antillianer
Die Surinamer konnten bis zum Jahr 1975 als niederländische Staatsbürger
ohne Beschränkungen in die Niederlande einreisen, ebenso wie die
Antillianer auch heute noch.
39
,,Auf der Inselgruppe der Molukken wurde die Gründung einer eigenen Republik
angestrebt. Darum erlaubten die Indonesier nicht, daß die Militärs auf den Molukken aus
der Streitmacht entlassen wurden." (Boecker 1996:7)
40
1970 wurden von ´Ambonesen` erste Überfälle mit Geiselnahme bei Amsterdam und
Drente verübt. 1976 nahm erneut eine Gruppe Molukker Geiseln in einer Schule in
Bovensmilde. 1978 schließlich kam es zur Zugbesetzung bei Assen wiederum durch
junge Molukker. (Baedeker 1997:57)
41
Lucassen/Penninx 1994:41

25
Seit Ende des 19. Jh. ist eine ständige Zunahme der Migration von Surinam
in die Niederlande zu verzeichnen. Surinam war von 1668 bis 1975 Kolonie
der Niederlande
42
bzw. ,,Overzees Rijksdeel" und daher steht diese
Migrationswelle in engem Zusammenhang mit der Kolonialgeschichte und
der Dekolonisation. Da Surinam bis 1975 Teil des niederländischen König-
reichs war, gab es für Surinamer bis zur Unabhängigkeit keinerlei Einwan-
derungsbeschränkungen.
Für die Immigration aus Surinam gibt es sehr unterschiedliche Gründe.
Wichtig waren das Streben nach sozialer Mobilität (Bildung), Arbeitsmigration
und Migration als Folge der politischen Situation in Surinam. Von 1880 bis
1950 kann man die Migration als Elitemigration bezeichnen. Kennzeichnend
war, dass die Surinamer durch den direkten Kontakt mit den kolonialen
Herrschern eine gute Bildung genossen hatten und dass ihnen die
Integration keine Probleme bereitete. In der Zeit zwischen 1950 und 1975
immigrierten neben der Elite auch viele Migranten aus dem (kleinen) Mittel-
stand. Durch das ,,Statuut voor het Koninkrijk der Nederlanden", das 1954 in
Kraft trat, waren Surinamer und Antillianer gleichberechtigt und konnten
jederzeit in die Niederlande einreisen. In den 60er
Jahren war der
Hauptgrund für die Immigration in die Niederlande die schwierige
wirtschaftliche Lage in Surinam, in den 70ern war es der Beginn der
Unabhängigkeitsverhandlungen. So stieg die Einwanderung aus Surinam in
den Jahren vor der Unabhängigkeit 1973 bis 1975 signifikant an. Während
1970 etwa 30 000 Surinamer in die Niederlande kamen, waren es 1975
100 000.
43
In dieser Zeit kamen auch die ersten Arbeitsmigranten aus
Surinam. Die Periode von 1974 bis 1980 ist gekennzeichnet durch
Immigranten, die aus politischen Gründen kamen, unter anderem aufgrund
der Erlangung der Unabhängigkeit im Jahre 1975. Durch diese
Unabhängigkeit erhielten die Surinamer die surinamische Nationalität. Aber
viele, die in den Niederlanden lebten, entschieden sich für die
niederländische Staatsangehörigkeit. Kurz vor Einführung der Visumpflicht
44
42
Die Geschichte Surinams und die Kolonisationsgeschichte ist nachzulesen in Buddingh´
1995.
43
Boecker 1996:8
44
kurz vor Ablauf der Übergangsvereinbarung über die Niederlassung der jeweiligen
Staatsbürger (Penninx 1993:79)

26
im Jahre 1980 folgte eine zweite Einwanderungswelle mit noch einmal rund
18 000 Surinamern im Jahre 1979 und im Jahre 1980 etwa 19 000 Personen.
Neben politischen Gründen war die Immigration dieser Periode auch
gekennzeichnet durch Familienzusammenführungen in der surinamischen
Bevölkerung, die in den Niederlanden lebte. In der Zeit zwischen 1980 und
1986 kam es zu einer erneuten, aber etwas geringeren Einwanderungswelle,
verursacht durch die Revolution 1980 und das Militärregime, das die Macht
übernahm. 1982, nach den ,,Dezembermorden"
45
in Surinam, wurden
Surinamer auch als Flüchtlinge aufgenommen, daneben wurden aber ab
1980 nur noch Surinamer in den Niederlanden zugelassen, die im Zuge der
Familienzusammenführung kamen. Insgesamt sind bis 1986 rund 200 000
Surinamer in die Niederlande immigriert, was etwa einem Drittel der
Bevölkerung von Surinam entspricht.
Doch auch die Immigration der Surinamer war nicht ohne Probleme für diese
Bevölkerungsgruppe.
,,Die Surinamer haben nicht nur in Bezug auf eine Integration in die
niederländische Gesellschaft (Unterkunft, Arbeitsplätze)
Schwierigkeiten. Sie sind vor allem auch, ähnlich wie die in
Südeuropa angeworbenen Arbeitskräfte, Vorurteilen und
Repressionen seitens der niederländischen Bevölkerung ausgesetzt.
Auch leben die Spannungen unter den einzelnen
Bevölkerungsgruppen fort."
46
Aus niederländischer Sicht wird die Migration von den Antillen und Aruba oft
in Zusammenhang mit der surinamischen Migration genannt. Diese ent-
spricht aber weder einer (ex-)kolonialen, noch einer politischen Migration, wie
Lucassen/Penninx es nennen. Da die Antillen mit Aruba aufgrund des
,,Koninkrijksstatuut" von 1954 einen Teil des Königreichs der Niederlande
bilden, besitzen die Einwohner der Antillen und Aruba die niederländische
Staatsangehörigkeit und es bestehen für sie keinerlei Einschränkungen, was
die Migration anbelangt. In der Praxis erweist sich die Migration von den
Niederländischen Antillen auf das niederländische Festland als stark abhän-
gig von den Konjunkturbewegungen auf den Inseln. Auch die Rückwande-
45
Nachdem Militärs 1980 die gewählte Regierung übernommen hatten, wurden am
08.12.1982 15 prominente Oppositionelle von den Militärs erschossen. Näheres hierzu
siehe Buddingh´ 1995:331ff.
46
Meinhardt 1985:13

27
rung von den Niederlanden auf die Antillen ist sehr hoch.
47
Die Antillianer
sind eine kleine Migrantengruppe in den Niederlanden. Als Gründe für eine
zeitlich befristete Migration sind Studien- und Arbeitsmöglichkeiten aber auch
politische Überzeugungen zu nennen. Durch die niederländische Bildung auf
den Antillen haben die Antillianer gute Studienmöglichkeiten in den Nieder-
landen. Heute leben mindestens 90 000 Antillianer in den Niederlanden.
48
Da
die Einwanderung von den niederländischen Antillen nicht durch
internationale Regelungen beeinträchtigt ist, kann man in diesem
Zusammenhang nicht von Immigration von Ausländern sprechen. Und doch
gehören sie in den Niederlanden, trotz ihrer niederländischen
Staatsangehörigkeit, zu den ethnischen Minderheiten.
3.2.4 Gastarbeiter
Im Zuge einer weiteren Immigrationswelle neben der Kolonialimmigration
kamen in den 60ern und Anfang der 70er Jahre Gastarbeiter aus dem
Mittelmeerraum, um den gestiegenen Arbeitskräftebedarf zu decken. Doch
die Arbeitsmigration begann eigentlich schon viel früher.
,,Trekarbeid en arbeidsmigratie zijn in Nederland geen nieuwe,
twintigste-eeuwse verschijnselen. Al van oudsher zijn mensen naar
Nederland gekomen, onder andere vanwege de gunstiger
arbeidsmogelijkheden."
Die verschiedenen Gruppen von Arbeitsmigranten bzw. Gastarbeitern,
welche nach dem Zweiten Weltkrieg in die Niederlande kamen, läßt die
Unterteilung in drei Perioden zu, nämlich, nämlich der von 1945 bis 1960,
von 1960 bis 1971 und der von 1971 bis 1990.
Die Zeit von 1945 bis 1960 war gekennzeichnet durch den Wiederaufbau.
Dadurch, und durch den wirtschaftlichen Aufschwung, kam es auch in den
Niederlanden zu einem Arbeitskräftemangel und zur Anwerbung von
Gastarbeitern. Sowohl der Staat als auch die Gastarbeiter selbst gingen
dabei von einem zeitlich befristeten Aufenthalt aus. In der Periode von 1960
bis 1971 kam es zu ,,wilder Werbung" von Gastarbeitern durch die Betriebe
47
Lucassen/Penninx 1994:43f.
48
http://www.auswaertigesamt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html?
land_id=123&type_id=10

28
selbst und Anfang der 70er Jahre kamen die ersten offiziellen Werbungsver-
träge mit südeuropäischen Ländern zustande.
49
,,Maar doordat ook andere Westeuropese landen hier arbeiders
gingen werven, werd het arbeidsoverschot kleiner. Nederland moest
dan ook verder weg gelegen landen bij de werving betrekken."
1964 wurde ein Werbungsabkommen mit der Türkei unterzeichnet, kurz
darauf mit Marokko. Gleichzeitig setzte eine spontane Zuwanderung ein.
Immer mehr Einwanderer kamen ohne Arbeitsvertrag, bekamen aber eine
Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, sobald sie Arbeit gefunden hatten. Doch
Ende der 60er Jahre wurde dieser lockeren Politik ein Ende gesetzt und
Arbeitsmigranten durften nicht mehr ohne Visum einreisen.
50
Immer noch
ging man von einem zeitweisen Einsatz von Gastarbeitern aus, und in den
Jahren von 1960 bis 1970 sind tatsächlich ca. 60 % der Gastarbeiter in ihre
Herkunftsländer zurückgekehrt. 1967 übertraf sogar die Zahl der
Remigranten die der Immigranten. In der Zeit zwischen 1971 und 1990 kann
man sagen, dass es für immer mehr Gastarbeiter zunehmend schwieriger
wurde, zurückzukehren. Trotz des Anwerbestopps nach der Ölkrise 1973 riss
der Strom der Immigranten aber nicht ab. Da die Aufenthaltsdauer zunahm,
gingen viele Gastarbeiter dazu über ihre Familien in die Niederlande nachzu-
holen. Bei den Gastarbeitern kann man auch von dem Phänomen der
sog. Kettenmigration sprechen. Den ersten Immigranten folgten nicht nur
Familienmitglieder, sondern auch Freunde und Bekannte. So emigrierten aus
bestimmten Orten viele Personen nacheinander. Sie stammten aus
Bevölkerungsgruppen mit geringen Aussichten auf Wohlstand und kamen
aus relativ rückständigen Gebieten. Für die Rückwanderung ist es von
Bedeutung, dass die Emigration in die Niederlande von Gebieten aus
erfolgte, in denen wirtschaftliche Perspektiven für Rückkehrer weitgehend
fehlten.
51
49
Zwischen 1960 und 1970 wurden Verträge mit Italien, Spanien, Portugal, Türkei,
Griechenland, Marokko, Jugoslawien und Tunesien geschlossen. (Penninx/Schoorl/Praag
1993:10)
50
Lucassen/Penninx 1994:80
51
Vos 1996:16

29
3.2.5 Flüchtlinge
In der Nachkriegszeit und der Zeit der Sowjetisierung Osteuropas flüchteten
viele Polen, Ungarn und Tschechen, aber auch Balten und russische Militärs
in die Niederlande. Durch zunehmende Kommunikations- und Transport-
möglichkeiten über die ganze Welt, nahm nach dem Zweiten Weltkrieg aber
auch die Anzahl der Flüchtlinge, die von außerhalb Europas kamen, stark zu.
Dabei handelte es sich um Flüchtlinge infolge von Terrorregimen und
Kriegen (u. a. aus Uganda, Chile, Uruguay, Argentinien, Äthiopien, Eritrea,
Irak, Vietnam und Kambodscha). Im Jahre 2001 wurden insgesamt etwa
32 580 Asylanträge eingereicht, wovon 8 230 genehmigt wurden.
52
3.2.6 Sonstige Einwanderer
Die wirtschaftliche Entwicklung führte aber nicht nur zur Zunahme von Gast-
arbeitern, sondern auch zur Immigration aus anderen hochindustrialisierten
Ländern, wie Deutschland, England und Belgien, für welche ein freies
Niederlassungsrecht innerhalb der EG unter bestimmten Voraussetzungen
galt. Und es kamen mehr Amerikaner und Japaner in die Niederlande. Diese
und die Europäer sind eine ganz andere Art von Immigranten. Sie haben
eine gute Schulbildung und befinden sich meist in einer guten Position in der
niederländischen Gesellschaft. Diese Gruppe Immigranten wird nicht als
problematisch erachtet.
3.3 Einwanderungsgeschichte nach 1980
53
Wie in Kapitel 3.2 bereits geschildert, wurde die Einwanderungsgeschichte
seit 1970 vor allem von zwei verschiedenen Migrationsbewegungen geprägt.
Zum einen von den zwei großen Migrationswellen aus Surinam und zum
anderen von den immer stärker anschwellenden Migrationsströmen von
Flüchtlingen und Asylsuchenden aus aller Welt. Bereits die Zeit nach 1970 ist
charakterisiert durch eine Politik, die die Zuwanderung von Nicht-EU-Bürgern
52
http://statline.cbs.nl/StatWeb/start.asp?PA=37970ned&D1=a&D2=0,5,10,15,20,25,(l-4)-
l&LA=NL&DM=SLNL&STB=T&HDR=G1
53
Sofern nicht anders angegeben, stammen die Informationen aus Lucassen/Penninx 1994.

30
erheblich erschwerte und im Wesentlichen auf Familienangehörige und
Flüchtlinge beschränkte. Was die Politik angeht, so wurden lange Zeit
verschiedene, die einzelnen Immigrantengruppen betreffende, aber unter
sich unkoordinierte Maßnahmen verfolgt. Bis Ende der 70er Jahre weigerte
sich die niederländische Regierung strikt wahrzunehmen, dass die
Niederlande zu einem Einwanderungsland geworden waren. Erst unter dem
Druck des Parlaments entschied sich die niederländische Regierung 1979 für
die Entwicklung einer koordinierten Politik für alle ethnischen Minderheiten,
mit dem Schwerpunkt auf den Einwanderern. Zum ersten Mal hatte die
Regierung offen anerkannt, dass die Niederlande ein Einwanderungsland
geworden sind.
54
1983 wurde die ,,Minderhedennota", ein Memorandum der
niederländischen Regierung, präsentiert, das eine kohärente Immigrations-
und Integrationspolitik präsentierte.
55
Damit begann ab 1980 eine
umfangreiche Minoritätenpolitik (Näheres hierzu s. Kapitel 4) mit der Absicht,
die Beteiligung aller Einwanderergruppen in sämtlichen Bereichen der
niederländischen Gesellschaft zu fördern, ohne sie dabei zu verpflichten, ihre
Eigenart völlig aufzugeben und ohne jeden Einbürgerungszwang für
diejenigen, die ausländische Staatsbürger waren.
56
Seit Mitte der 80er Jahre wurde die Politik aber auch zunehmend von dem
Gedanken der europäischen Einheit geprägt. Für die Immigrationspolitik
bedeutete dies, dass es eine neue Kategorie Einwanderer gab, nämlich die
des EG-Bürgers, der, was seine Rechte anging, sich zwischen den nieder-
ländischen Staatsbürgern und Ausländern befand. Weiterhin ist diese
Periode gekennzeichnet durch eine immer restriktivere Zulassungspolitik für
Personen aus Drittstaaten.
3.3.1 Flüchtlinge / Asylbewerber
Die Immigrantenströme waren seit den 80ern eher politischer Natur und es
kamen viele Flüchtlinge in die Niederlande. Bis 1980 waren dies hauptsäch-
54
Groenendijk 1984:19ff.
55
Mahnig 1997:12
56
Entzinger 1985:37

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832469153
ISBN (Paperback)
9783838669151
Dateigröße
1.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz – Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft
Note
1,0
Schlagworte
einwanderungspolitik integration migration minderheitenpolitk migrationspolitik
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Titel: Die Niederlande - ein Einwanderungsland?
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