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Grenzen und neue Möglichkeiten der Fälschungskennung bei Zeichnungen, Aquarellen, Graphiken und anderen Arbeiten auf Papier

©2002 Diplomarbeit 132 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Im Rahmen der an der Fakultät Letteren der Vrijen Universiteit Amsterdam vorgelegten Diplomarbeit werden an Beispielen bekannter Künstler wie Salvatore Dalí, Alexej von Jawlensky, Lovis Corinth, Rembrandt van Rijn, Rogier van der Weyden, Johannes Vermeer und anderen die ‘Grenzen und neuen Möglichkeiten der Fälschungserkennung bei Zeichnungen, Aquarellen, Graphiken und anderen Arbeiten auf Papier’ untersucht. Die Zusammenarbeit mit den verschiedenen auf diesem Gebiet tätigen Organisationen (Bundeskriminalamt und Koninklijke Bibliotheek Den Haag) erwies sich dabei für alle Beteiligten als sehr fruchtbar. Ebenso wird in dieser Arbeit der Bezug zu einigen großen Fälschern der Vergangenheit, wie Han van Meegeren, Eric Hebborn oder etwa Konrad Kujau (Hitlertagebücher) hergestellt. Der Autor kommt nach einer kritischen Analyse zu dem Schluss, dass derzeit besonders bei abstrakter Kunst die Möglichkeiten der Kunstgeschichte (Stilkritik, Maltechnikuntersuchungen, Motivvergleiche) für die Erkennung von Fälschungen bei weitem nicht ausreichend sind. Gleiches gilt für die naturwissenschaftlich-technischen Untersuchungsmethoden (wie beispielsweise die chemisch-physikalische Altersbestimmung, Papierfaserstoffanalysen, UV-Fluoreszenzuntersuchung, Infrarotreflektographie und –spektralanalyse, Röntgenfotographie und -fluoreszenzanalyse) insbesondere, wenn mit Bleistift, Kohle, Aquarell, etc. auf Papier gearbeitet wurde. Ein Großteil dieser Methoden ist zudem mit inakzeptablen Probeentnahmen verbunden. Stattdessen sollte den Papiersturkturen durch Wasserzeichenvergleiche, Steg-Zähl-Methode zum Vergleich der Kettdrahtabstände oder der Fast Fourier Transformation (FFT) bei Markierungen in industriell hergestelltem Papier mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. So können mit letzterer scheinbar ‚markierungslose’ Papiere miteinander verglichen oder aber deren Produktionszeiträume eingeschränkt und so bedingt ‚datiert’ werden.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
Vorwort5
Einleitung7
Möglichkeiten und Grenzen der kunstgeschichtlichen Stilanalyse13
Bildanalyse und Stilkritik21
Farbauftrag und Strichrichtung31
Anachronismen und der Kontext des Gesamtœuvres38
Alters- und Gebrauchsspuren45
Werkverzeichnis47
Signatur52
Naturwissenschaftlich-technische Untersuchungsmethoden61
Retuschen63
Malmittelbestimmung70
Malprozessuntersuchung79
Papierbestandteilanalyse83
Papier und dessen Strukturmerkmale […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Möglichkeiten und Grenzen der kunstgeschichtlichen Stilanalyse
Bildanalyse und Stilkritik
Farbauftrag und Strichrichtung
Anachronismen und der Kontext des Gesamtœuvres
Alters- und Gebrauchsspuren
Werkverzeichnis
Signatur

Naturwissenschaftlich-technische Untersuchungsmethoden
Retuschen
Malmittelbestimmung
Malprozessuntersuchung
Papierbestandteilanalyse

Papier und dessen Strukturmerkmale
Wasserzeichenkunde
Steg-Zähl-Methode
Fast Fourier Transformation – eine neue Untersuchungsmethode

Schlussbemerkung

Bibliographie

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Freundlicher Dank gilt nachstehenden Institutionen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vorwort

Meiner Suche nach einem geeigneten Diplomarbeitsthema seit dem Herbst 2000 lag der Wunsch eines möglichst praxisbezogenen Themas zugrunde. Dabei fiel mir auf, dass besonders die Beziehungen zwischen Kunst und Fälschungen in ihren vielfältigsten Varianten noch immer zu einem gern übersehenen und verdrängten Bereich der Kunstgeschichte gehören. Zu Unrecht, wie ich meine, da es doch gerade die Schwächen der Nachahmer sind, die das Meisterhafte des Originals unterstreichen. Statt dieses Erlebnis des Entdeckens einzelnen Kuratoren zu überlassen, sollten Fälschungen noch stärker als bisher der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Derzeit verschwinden die enttarnten Objekte meist unverzüglich und auf Nimmerwiedersehen im Depot.

Bevor etwas thematisiert werden kann, muss es erkannt werden. Das stellte sich, wie die Arbeit zeigen wird, häufig als ein ziemlich kompliziertes Unterfangen dar. Oftmals erfolgten die dafür notwendigen Untersuchungen erst im Zusammenhang mit strafrechtlich relevanten Fragestellungen.

Die Strafverfolgung in Sachen Kunstkriminalität obliegt in Deutschland den einzelnen Bundesländern. Wie sich bei meinen späteren Recherchen herausstellte, verfügen Baden-Württemberg und Berlin über sehr effektive Dezernate. Deren Aufgabenschwerpunkt ist in erster Linie auf Ermittlungsarbeit im Auftrag der Staatsanwaltschaft beschränkt. Werden in diesem Zusammenhang physikalische oder chemischen Materialuntersuchungen erforderlich, so können diese von verschiedenen privaten Gutachtern, der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) oder aber dem Bundeskriminalamt (BKA) durchgeführt werden. Bei letzterem war im September 2000 erfolgreich ein Forschungsprojekt über die Machbarkeit und Durchführung einer optischen Schreibpapieranalyse abgeschlossen worden. Von deren Anwendbarkeit, auch für kunstgeschichtliche Fragestellungen überzeugt, begann ich im Rahmen eines Anschlussprojektes mit dem Sammeln papierindustriegeschichtlicher Daten. Damit sollen die Voraussetzungen für eine Datierung des Papiers aufgrund seiner Struktur geschaffen werden. In diesem Zusammenhang möchte ich mich bei den Mitarbeitern des KT 41, besonders aber bei den Herren Dr. Thomas Andermann und Michael Reinhard, bedanken. Ohne sie wäre die Arbeit in dieser Form nicht möglich gewesen. Gedankt sei ebenso allen Mitgliedern des Arbeitskreises der Deutschen Papierhistoriker für ihre Hinweise und Anregungen, insbesondere Herrn Dr. Frieder Schmidt von der Papierhistorischen Sammlung der Deutschen Bücherei Leipzig. Er war mir mit seinen Ideen, Anregungen und den vermittelten Kontakten eine unersetzliche Hilfe. Dank der Unterstützung von Frau Plenter-Jansen und Herrn Plenter vom Museum Valse Kunst in Vledder fand ich die nötigen Beispiele, konnte einige der hier vorgestellten Objekte untersuchen und Fotos davon machen. Des Weiteren seien herzlich Herrn Frank Heinzig/Heimatmuseum Fockendorf; Herrn Roisch/Dresden-Papier; Frau Magdalene Christ/Stiftung Zanders; Herrn Jörg Hempel und Kollegen /PTS Heidenau und Herrn Gerhard Hiller/Wangner-Finckh für ihre Auskünfte gedankt. Herr Dick Goudriaan/DVC stellte mir freundlicherweise das dringend benötigte Optimas-Analyseprogramm und Herr Jörg Hempel/PTS Heidenau die Domas-Software zur Papierstrukturanalyse zur Verfügung. Herzlicher Dank gebührt ebenso Herrn Dr. Henk Porck/Koninklijke Bibliotheek Den Haag, der für mich erste elektronenradiografische Tests vornahm und mir die Einsichtnahme in das Theo van Doesburg Gutachten ermöglichte.

Nicht zuletzt Dank an Frau Marianne Rowold und meine Eltern, die neben der finanziellen Unterstützung auch in den schwierigen Phasen nie müde wurden, mir Mut zuzusprechen. Frau Margarethe Rüssel und Birgit beherbergten mich freundlich und natürlich Dank an Katrin, die nicht nur geduldig Korrektur las.

Der kunstgeschichtliche Teil meiner Arbeit wäre ohne die thematische Flexibilität, Anregungen und großen Einsatz von Frau Dr. Helen Westgeest/Vrije Universiteit (VU) Amsterdam undenkbar gewesen. Auch Herrn Dr. Jan-Baptist Bedaux/VU Amsterdam, der die Zeit fand, meine Arbeit als Zweitleser zu begleiten, sei ausdrücklich gedankt.

Einleitung

In einem Interview im August 2001 sprach Ernst Schöller, Kriminalhaupt-kommissar beim Dezernat Kunst und Antiquitäten des Landeskriminalamtes (LKA) Baden-Württemberg, von zweistelligen Wachstumsraten bei der Zahl der Fälschungsdelikte[1]. Den Fälschungsanteil aller zum Verkauf angebotenen Kunstwerke schätzte er auf rund 40%, für den Bereich der Druckgrafiken sogar auf 60-70%.[2] Doch wie erklärt sich dieser prozentuale Unterschied? Für den Bereich der Zeichnungen und Skizzen liegen leider keine konkreten Angaben vor. Würde man die Zahlen des Rembrandt Research Projektes zugrunde legen, dürfte vielen Sammlern noch eine kapitale Wertvernichtung bevorstehen. Die daran beteiligten Experten untersuchten mit modernsten Analysemethoden 1400 Zeichnungen, die 1957 im Werkverzeichnis Rembrandts aufgeführt werden. Am Ende des Projektes im Jahr 2002 sind demnach nur noch 75(!) als authentisch anzusehen.[3] Was für das Œuvre Rembrandts gilt, ist sicher auch auf andere gefragte Künstler übertragbar. Doch warum ist davon so wenig bekannt? Sind die bisher angewandten Untersuchungsmethoden nicht ausreichend? Oder wurden sie nur nicht angewandt, weil sie zu teuer waren? Aus welchen Gründen sollte ein Fälscher Arbeiten auf Papier denen der in Öl vorziehen? Wo liegen die Grenzen bei der Fälschungserkennung bei Arbeiten auf Papier und welche Möglichkeiten gäbe es in der Zukunft? Liegen Fälschungen gar Gesetzmäßigkeiten zu Grunde?

Hinsichtlich letzter Fragestellung stellte schon Klaus Irle treffend fest: „Die für Fälschungen gängigen Absatzpraktiken gehorchen den Gesetzen eines Käufermarktes: angeboten wird das Typische, Populäre als preisgünstige Okkasion, garniert mit einem werbenden Herkunftsmärchen, an dem das Sonderbare das Plausible sein möchte.“[4] Wie die Vergangenheit zeigte, werden die scheinbar ‚echten’ Identitäten der Falsifikate meist mit Bibliotheksbränden, Kriegswirren oder dergleichen mehr verbunden. Auf diese Weise soll die Liste mutmaßlicher Vorbesitzer auf einige wenige beschränkt werden.[5] Unklare Eigentumsverhältnisse der Vergangenheit mögen vielleicht ein Indiz sein, doch für den wissenschaftlich fundierten Fälschungsbeweis sind sie alles andere als ausreichend. Mit dieser Arbeit sollen Wege aufgezeigt werden, wie dieser derzeit einerseits mit kunstgeschichtlichen andererseits mit naturwissenschaftlich-technischen Methoden geführt werden kann. Dabei wurden auch zwei mutmaßliche Originale als Fälschungen enttarnt.

Während meiner Recherchen wurde mir ebenfalls klar, dass häufig an einem definitiven Nachweis der Fälschung kein Interesse besteht bzw. dieser konsequent verhindert werden soll.[6] Für den getäuschten Kunstexperten ist der Fälschungsnachweis mit einer Einbuße an Reputation und unter Umständen auch Schadensersatzansprüchen verbunden. Der Besitzer sieht sich neben der erheblichen Wertvernichtung ebenfalls mit einer Rufschädigung konfrontiert.[7] Der Verkäufer – sofern die Veräußerung noch unter dem alias Namen erfolgt – begeht eine kriminellen Handlung. Versicherer müssen die zuviel erhaltenen Prämien zurückzahlen. Der Kunsthandel unterliegt den gesetzlichen Bestimmungen, nach denen die Rücknahmebedingungen eindeutig festgelegt sind. Auch Auktionshäuser sind zur Rücknahme von falsch deklarierten Objekten verpflichtet, wenngleich sie etwas mehr Handlungsspielraum als die Kunsthändler haben.[8]

Wie ‚begrenzt’ die Möglichkeiten der Fälschungserkennung bei Arbeiten auf Papier sein müssen, stellte ich allein schon bei der Suche nach Fälschungsbeispielen fest. So ließen sich zu den Grenzen und Möglichkeiten der Fälschungserkennung im Gegensatz zu den Ölgemälden nur schwer Beispiele aus dem Bereich der Arbeiten auf Papier finden. Daneben weisen Malmittel wie Gouache, Öl- und Pastellkreiden etc. Eigenschaften auf, die sie weder eindeutig den Zeichnungen noch Ölgemälden zuordenbar machen. Ich war mir dieser Tatsache durchaus bewusst, habe aber – nicht zuletzt mangels Beispielen und um die daraus folgenden Einzelfalldiskussionen zu umgehen – diese Techniken bei meinen Ausführungen nicht weiter berücksichtigen können. Mangels anderer veröffentlichter Untersuchungen musste mir mehrfach ein Konvolut von 621 Aquarellen, Skizzen und Zeichnungen, welches dem russisch-deutschen Künstler Alexej von Jawlensky (1864-1941) zugeschrieben wurde, als Beispiel für die verschiedenen Analysemethoden dienen. Da die Kunsthistoriker in diesem Fall zu keinem eindeutigen Urteil kamen, wurden Gutachter verschiedenster Institutionen mit technischen Analysen beauftragt. Die vorgenommenen Untersuchungen hätten die vielen verschiedenen Facetten der Analysen kaum eindrucksvoller zeigen können. Es galt, dabei zu prüfen, inwieweit hier die Skizzen als Vorlage für bekannte und gesicherte Ölgemälde von Jawlensky gedient haben (Echtheitsbeweis) oder aber umgekehrt, die Ölgemälde eine Vorlage für die vermeintlichen Vorstudien waren (Fälschungsbeweis). Warum trotz des sowohl durch die Kunstgeschichte als auch durch die technischen Untersuchungsmethoden nicht eindeutig erbrachter Beweise von Fälschungen gesprochen wird, soll ebenfalls seine Erwähnung finden.

Dem Wissenschaftsfremden erscheinen die kunsthistorischen Analysen sicher zunächst ähnlich denen eines Wünschelrutengängers. Er sieht sich oftmals mit abstrakten Diskussionen um den ‚Klang des Bildes’, mit subjektiven Beurteilungen der ‚Qualität’ oder gar mit ‚weiblichen Intuitionen’ konfrontiert.[9] Im ersten Kapitel stellt sich daher die Frage – Was kann der Kunsthistoriker zur Fälschungserkennung beitragen? Was kann die kunstgeschichtliche Stilanalyse an objektiven Argumenten in diese Diskussion einbringen? Was bleibt bei der kunstgeschichtlichen Analyse subjektiv und welche Argumente können sowohl subjektiv als auch objektiv sein? Wo liegen die Grenzen der kunstgeschichtlichen Stilanalyse?

Wenn die kunstgeschichtliche Analyse bei Fälschungsfragestellungen ein Ergebnis in der jeweils gerade erwünschten Richtung nicht erbringen kann, wird vielfach das Heil in naturwissenschaftlich-technischen Untersuchungsmethoden gesucht. Obwohl wie die Untersuchungen zeigen werden, viele dieser Methoden bei Arbeiten auf Papier nur beschränkt einsetzbar sind, ist der Glaube daran ungebrochen. Im zweiten Kapitel sollen die tatsächlichen Möglichkeiten der naturwissenschaftlich-technischen Untersuchungsmethoden an enttarnten Fälschungen erörtert werden. Welche Vor- und Nachteile haben sie und wo liegen ihre Grenzen? Als literarische Quellen dienten Ausstellungskataloge, Werkverzeichnisse, Restaurierungsberichte und -handbücher, Berichte über naturwissenschaftlich-technische Untersuchungen an einzelnen Gemälden und Literatur über das Erkennen von Fälschungen. Wertvolle Hinweise waren ebenfalls den Veröffentlichungen Eric Hebborns zu entnehmen, der sicher zu den begabteren Fälschern unserer Zeit zählt. Weiterhin war es mir möglich, einige Gutachten, die im Zusammenhang mit Echtheitsfragestellungen angefertigt wurden, einzusehen. Da diese noch nicht veröffentlicht sind, dürfen sie aus rechtlichen Gründen auch nicht zitiert werden. Im dritten Kapitel soll der Bezug zum Papier als Träger und dessen Struktur hergestellt werden. Da der Papiergebrauch von Musikern und Schriftstellern wesentlich besser erforscht ist, dienten vor allem Veröffentlichungen im Zusammenhang mit Musik- und Notenhandschriften als Beispiele. Im Anschluss daran wird die Steg-Zähl-Methode von Öie und Leo Utter vorgestellt, die sich zur Papierstrukturanalyse von handgeschöpften Papieren anbietet. Diesbezüglich waren Berichte verschiedener Autoren in der Verbandszeitung der Arbeitsgemeinschaft der Internationalen Papierhistoriker (IPH-Meldungen) ergiebige Quellen. Da die Methode der Utter´s nur bei handgeschöpften Papieren anwendbar ist, bedarf es eines neuen Verfahrens, um auch maschinell hergestellte Papiere auf Basis ihrer Papierstrukturen untersuchen, vergleichen und letztendlich beurteilen zu können. Als ein solches könnte sich die Fast Fourier Transformation (FFT) anbieten, die ebenfalls im dritten Kapitel vorgestellt und deren Arbeitsweise veranschaulicht wird. Für den papiergeschichtlichen Teil verwendete ich meist Berichte aus der Fachzeitschrift Das Papier. Die Veröffentlichungen von Hermann Praast in selbiger Zeitschrift verhalfen dem Verfahren zum Durchbruch. Die technischen Grundlagen zum Papiervergleich mittels FFT wurden mit einer Diplomarbeit von Jens Lerner, geschrieben für die Naturwissenschaftlich-technischen Akademie Wiesbaden, gelegt.

Die vorliegende Arbeit zu den Grenzen und neuen Möglichkeiten der Fälschungserkennung bei Zeichnungen, Aquarellen, Graphiken und anderen Arbeiten auf Papier, soll im Spannungsfeld des einerseits besonders in den letzten Jahrzehnten stark gestiegenem Interesses von Kunsthistorikern an den massiv zugenommenen Möglichkeiten naturwissenschaftlich-technischer Untersuchungsmethoden stehen. Andererseits sind Kunst und Kommerz (seit einiger Zeit auch Forschungsthemen einiger Kunsthistoriker) enger als jemals zuvor verbunden, weswegen der Fälschungserkennung auch mehr Beachtung zu schenken ist. Fälschungen müssen nicht automatisch als minder qualitativ angesehen werden. Wenn sich in der Vergangenheit jedoch, selbst bei qualitativ hochwertigen Kunstobjekten herausstellte, dass sie das Produkt eines Künstlers mit einem weniger berühmten Namen sind, war damit immer ein Wertverlust verbunden. Die Gründe dafür könnten sicher Thema einer interessanten Untersuchung werden, doch würden sie den Rahmen meiner Diplomarbeit sprengen. In dieser geht es aber nicht zuletzt auch darum, allen Kunsthistoriker den Schutz des originalen Künstlerœuvres vor Plagiaten als Bestandteil ihrer Berufsethik nahe zu legen.

Möglichkeiten und Grenzen der kunstgeschichtlichen Stilanalyse

Wer an die kunstgeschichtliche Stilanalyse denkt, sieht sich zunächst mit abstrakten Diskussionen über den ‚spannungslosen Bildaufbau’ und der ‚frische der Farben’ konfrontiert. Es werden ‚Qualitäten’ beurteilt, ‚starke und schwache Arbeiten’ unterschieden und ‚differenzierte Malbetrachtungen’ vorgenommen.[10] Doch was kann die kunstgeschichtliche Analyse neben diesen subjektiven Beurteilungen an objektiven Beweisen liefern? Zwischen den beiden ‚Extremen’ ‑ subjektiv und objektiv ‑ gibt es eine Reihe feiner Nuancierungen. So gibt es Argumente, die im Einzelfall als subjektiv erscheinen (z.B. dass ein bestimmtes Aquarell qualitativ minderwertig erscheint) bei dem Vergleich mit dem restlichen Œuvre (wenn alle Aquarelle dieselben Mängel aufweisen) aber als relativ objektiv zu bewerten sind. Dem kann allerdings genauso entgegen stehen, dass ein bestimmtes Objekt das Produkt eines einmaligen Experimentes ist. Daneben muss ich bekennen, dass ich mich selbst bei meinen Untersuchungen ertappte, mit subjektiven Argumenten, objektive Differenzen nachweisen zu wollen. Letztendlich lässt sich derzeit lediglich auf Basis eines auf kunstgeschichtlicher Stilkritik beruhenden Urteils – nicht zuletzt wegen des subjektiven Faktors – nur noch selten eine Zu- oder Abschreibung unangefochten vornehmen. Andererseits sind dem menschlichen Glauben an die Unfehlbarkeit der Technik beinah keine Grenzen gesetzt. Nichts scheint mehr plausibel, sofern es nicht technisch beweisbar ist. Kann die kunstgeschichtliche Analyse dem überhaupt noch etwas entgegensetzen? Ist es dem Kunsthistoriker möglich, etwas stichhaltig zu beweisen, oder sollte er sich in Zukunft besser gänzlich aus den Diskussionen um Echtheitsfragestellungen heraushalten? In diesem Kapitel möchte ich an einer Reihe von Beispielen die Möglichkeiten und Grenzen der Stilanalyse aufzeigen. Es soll zunächst ein mutmaßliches Selbstporträt mit einem gesicherten Selbstporträt von Alexej von Jawlensky verglichen werden. Im Anschluss sollen die Möglichkeiten einer Urteilsbildung basierend auf Stilkritik, historischen Anachronismen, Alters- und Gebrauchsspuren, Werkverzeichnis, Signatur, Farbauftrag und der Strichrichtung erörtert werden.

Zunächst muss erst einmal festgestellt werden, dass sich die derzeit sehr gefragte und teuer bezahlte Kunst des gesamten 20.Jh. aufgrund ihres meist hohen Abstraktionsgrades auch für Minderbegabte geradezu zum Fälschen anbietet. Im Gegensatz zur altmeisterlichen Kunst ist es nicht mehr möglich, aufgrund der aus Maltraktaten überlieferten Kenntnisse zu Malmitteln und -techniken oder gar den Darstellungstraditionen, ein ‚Echtheitsurteil’ abzuleiten. Bei der Beurteilung und Zuschreibung gegenstandsloser bzw. zeitgenössischer Kunst erschöpft sich die kunstgeschichtliche Stilanalyse weitestgehend in der Stilkritik. Hierbei werden den einzelnen Malerpersönlichkeiten die für sie scheinbar typischen Eigenheiten zugeordnet. Wenn sich dann ein Werk mit diesen Eigenheiten nicht in Übereinstimmung bringen lässt, wird die künstlerische Individualität bemüht und es für seine Einzigartigkeit gerühmt. Da sich die kunstgeschichtliche Analyse stets bemüht, diese Unnachahmlichkeit herauszustellen, versuchen die Fälscher meist genau das nachzuempfinden. Kommt die kunstgeschichtliche Analyse bei Fälschungsfragestellungen zum Einsatz, so ist ihr einziges Trachten auf objektive Unstimmigkeiten mit dem restlichen Œuvre eines Künstlers gerichtet. Lassen sich diese nicht stichhaltig beweisen, wird die gesamte kunstgeschichtliche Analyse durch ihre zwangsläufige Subjektivität für einen unumstößlichen Beweis meist nicht als ausreichend angesehen. Insbesondere bei moderner gegenstandsloser Kunst scheint die Stilanalyse stets weniger zur Fälschungsaufklärung beitragen zu können.

Wie problematisch der Nachweis der Fälschungen sein kann, verdeutlichte ein Konvolut von insgesamt 621 Aquarellen, Skizzen und Zeichnungen Alexej Jawlensky’s, die seit 1992 in mehreren Teillieferungen einem Baden-Württembergischen Kunsthändler angeboten und teilweise verkauft wurden.[11] Da von Jawlensky kaum Aquarelle bekannt sind und sich solche große Mengen nicht so einfach in sein bisher bekanntes Kunstschaffen platzieren lassen, kamen schnell Zweifel an der Echtheit auf. Diese sollten mit Briefen Jawlensky's an seinen Bruder Dimitri, in denen er die Postverschickung von Aquarellen ankündigt, zerstreut werden. Bis zum Ende eines Symposions führten Experten aller Disziplinen über die Echtheit zum Teil sehr heftige mediale Auseinandersetzungen.[12] Obwohl der Ausstellungskatalog und der Bericht des Symposions einen kleinen Eindruck davon wiedergeben, war verhältnismäßig wenig über die kunsthistorischen Untersuchungen in Erfahrung zu bringen.

So unabhängig wie die kunstgeschichtliche Stilanalyse von der technischen Apparatur der Untersuchungslabors, der angewandten Maltechnik und dem Malmaterial auch ist, so hat sie zunächst stets eine subjektive Komponente. Ernst Gombrich bemerkte aber, dass die Kunstgeschichte nicht von vornherein subjektiver als die Naturwissenschaften sei. „Auch der Kunsthistoriker ist an strenge objektive Regeln gebunden, wenn er etwa Texte interpretiert oder die Echtheit von Gemälden untersucht. Aber die Entscheidung, was für uns selbst von Bedeutung ist, ist etwas Subjektives und muß es sein.“[13] Die verschiedenen in diesem Kapitel noch zu erörternden Aspekte werden jedoch zeigen, dass die kunstgeschichtliche Analyse weder als etwas absolut subjektives noch absolut objektives gesehen werden kann. Vielmehr erfordern die verschiedenen Aspekte kunstgeschichtlicher Untersuchungen auch unterschiedliche Nuancierungen zwischen den zwei Extremen, subjektiv und objektiv. Dies ist es auch, was die Beweiskraft einer Aussage bestimmt. Derzeit ist es gerade bei der Fälschungserkennung jedoch leider so, dass den naturwissenschaftlich-technischen Analysen eine solch dominante Stellung eingeräumt wird und damit dem als subjektiv angesehenen kunstgeschichtlichen Urteil nur noch eine Außenseiterrolle zukommt. Zu unrecht, da Fälschungen bestimmten Gesetzmäßigkeiten folgen, die sich auch bzw. nur auf kunstgeschichtlichem Wege nachweisen lassen. Was sich bei einem Meisterwerk durch Spontanität und scheinbare Mühelosigkeit auszeichnet, wird bei der Nachahmung meist verkrampft erscheinen. Der Betrachter mutmaßlicher Fälschungen wird zunächst das subjektive ´hier-klappt-etwas-nicht-Gefühl´ haben, ohne dass er das objektive Problem sofort benennen könnte.[14] Es muss nun das Ziel weiterer kunstgeschichtlicher Analysen sein, diese subjektive Wahrnehmung mit objektiven Fakten und beweisbaren Anachronismen zu untermauern. Oftmals wurde das subjektive Gefühl auf diese Weise bestätigt. Es gab aber auch nicht wenige Fälle, bei denen gestandene und anerkannte Experten ihr Urteil nur auf subjektiven Empfindungen aufbauten und letztlich daran gescheitert sind. Oftmals erbrachten dann naturwissen­schaftlich-technologische Untersuchungen den gegenteiligen Beweis. So schrieb beispielsweise Cornelius Hofstede de Groot (1863-1930), ein Kenner der niederländischen Kunst des 17.Jh., das durch ihn entdeckte Gemälde Vergnügter Raucher Frans Hals zu. Er datierte es aufgrund stilistischer Ähnlichkeiten auf 1625-1630. Seiner Meinung nach handelte es sich bei dem dargestellten Jungen, genau wie bei dem Lachenden Knaben mit Flöte, um den Sohn von Frans Hals.[15] Später, bei einer 1949 von W.Froentjes und A.M.de Wild durchgeführten naturwissenschaftlichen Untersuchung wurde das Gemälde Vergnügte Raucher als Fälschung enttarnt. In ihrer Dissertation gelang es dann Marijke van den Brandhof einerseits aufgrund historischer Informationen und der Untersuchungsergebnisse von Froentjes und andererseits stilistischer Gemeinsamkeiten bei Kragen, Gesicht und Händen, das Gemälde Han van Meegeren zuzuschreiben.[16]

Neben dem persönlichen Geschmack, der die Stilanalyse von außen beeinflusst, steht sie auch immer mit der gegenwärtig allgemein üblichen Beurteilung des Kunstwerkes, des Künstlers, der Schule oder der Epoche im Zusammenhang. Die Urteilsfähigkeit beruht zudem auf Talent, Instinkt, Erfahrung, vergleichendes Sehen und einem hohen Potential an Gedächtnisleistung.[17] Aufgrund der Fehlbarkeit, wie das Beispiel Vergnügter Raucher belegte, wird das kunstgeschichtliche Urteil prinzipiell allzu gern mit dem Bereich des Irrationalen verbunden und als unumstößlicher Beweis nicht akzeptiert. Dennoch kann trotz aller Subjektivität auch eine vergleichende Bildanalyse wertvolle Hinweise geben. Zur Veranschaulichung sollen an dieser Stelle ein gesichertes Selbstporträt Jawlenskys in Öl mit einem aquarellierten aus dem fraglichen Jawlensky-Konvolut verglichen werden.[18] Der Vergleich zweier in verschiedenen Techniken gefertigten Arbeiten ist mit Sicherheit problematisch, doch lässt er sich mangels gesicherter Alternativen nicht vermeiden. Es sind bisher keine nachweislich originalen Selbstporträts in Aquarell von Jawlensky aus dieser Zeit bekannt. Zudem ist bei seinen Arbeiten auf Papier die Œuvresicherung derzeit äußerst problematisch, worauf im Kapitel Werkverzeichnis noch näher eingegangen werden soll. Fest steht, dass der Deutsch-Russe scheinbar erst spät zur Aquarellmalerei fand. Seine bevorzugten Materialkombinationen blieben Zeit seines Lebens Öl auf Pappe, Papier oder Leinwand. Dennoch schrieb er in einem Brief an seinen Freund Cuno Amiet vom 19. November 1914 sowohl Öl als auch Aquarell zu malen.[19] Zweifelsohne kann darin ein Indiz für bis dato unbekannte Aquarelle gesehen werden, wie dies auch die Echtheitsbefürworter mehrfach taten.

Für das fragliche Konvolut, zu dem auch das aquarellierte Selbstporträt gehört, wurde ein Entstehungszeitraum zwischen 1905/06 und 1921 angenommen.[20] Tatsächlich ist jedoch das frühest bekannte und durch seine Provenienz als authentisch anzusehende Aquarell ‑ Das Blaue Pferd, Werkverzeichnisnummer (WVZ-NR.:) 232, ‑ auf 1915/16 datiert (Abbildung 1). Erste Kopfdarstellungen in Aquarell, die sehr abstrakt waren, lassen sich zwischen 1920 und 1923 feststellen, WVZ-NR.: 425-437 (Abbildung 2, 3 und 4). Einige davon gehören auch zu dem Konvolut Aquarelle ‑ bestehend aus 10 ‚Köpfen’ ‑, die Galka Scheyer 1924 in die USA mitnahm, um diese dort im Auftrage Jawlenskys zu verkaufen. Herkömmliche aquarellierte Porträts entstanden erst um 1926, WVZ-NR.: 550 (Abbildung 5). Das einzige, ins Werkverzeichnis aufgenommene, gesicherte Selbstporträt, dann aber im Profil, WVZ-NR.: 603, (Abbildung 6) ist auf das Jahr 1928 datiert.

Bildauszug aus dem Werkverzeichnis von Alexej von Jawlensky

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1

Das Blaue Pferd

1915/16

WVZ-NR.: 232

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4

Abstrakter Kopf

1920/23

WVZ-NR.: 432

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2

Frauenkopf

1920/23

WVZ-NR.: 425

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5

Portrait Tony Kirchhoff

1926

WVZ-NR.: 550

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3

Kopf mit offenen Augen

1920/23

WVZ-NR.: 428

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6

Selbstbildnis im Profil mit Kappe

21.9.1928

WVZ-NR.: 603

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7

Alexej von Jawlensky;

Selbstporträt, 1911;

Öl auf Karton; 55 x 51 cm

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8

Anonym; ehemals Alexej von Jawlensky zugeschrieben;

Selbstporträt, um 1914/15;

Aquarell über Bleistift; 288 x 207 mm

Bildanalyse und Stilkritik

Das gesichert zugeschriebene Porträt aus dem Jahr 1911 (Abbildung 7) ist in Öl auf Karton gemalt und mit Selbstbildnis betitelt.[21] Es trägt im rechten oberen Rand eine Signatur [ A.jaw 17 ] und misst 55 x 51 cm. Vor einem indifferent wirkenden blauen Hintergrund ist ein Mann mit Oberlippen- und Kinnbart im Halbportrait dargestellt. Er trägt ein purpurnes Gewand mit weißem Stehkragen und violettem Ausschnitt. Er sitzt dreiviertel gedreht zur Bildebene. Sein Kopf ist konsequent halbenface dargestellt. Das Haupthaar ist spärlich. Im Gesicht dominieren die Rottöne. Die mit Gelb- und Ockertönen dargestellten Partien sind als beleuchtete Stellen oder vereinzelt auch als Glanzlichter anzusehen. Grün wurde in allen Variationen als Komplementärfarbe bei der Modellierung der abgedunkelten Stellen eingesetzt. Die Pupillen der Augen stechen durch das sich vom Ausschnitt wiederholende Violett hervor. Das beinahe quadratische Format und die rundlichen Züge geben der Darstellung eine gewisse Ruhe. Lediglich bei den Ober- und Unterlidern der Augen und den Augenbrauen arbeitete Jawlensky mit scharf aufeinander zulaufenden Linien. Dadurch ergibt sich der grimmig wirkende Blick.

Die mutmaßliche Fälschung (Abbildung 8) ist ein Aquarell auf Bleistift und ebenso mit Selbstbildnis betitelt. Es ist, von wem auch immer, auf 1914/15 datiert und misst 288 x 207 mm. Unten rechts befindet sich die Bleistiftsignatur „a.jawlensky“. Am oberen Blattrand sind paarweise zwei Löcher von der Fadenbindung bzw. Heftung zu sehen. Farbstellung und Ansicht des Aquarells unterscheiden sich grundsätzlich von der des originalen Selbstporträts in Öl. Die Frage des motivischen Vorbildes stellt sich daher nicht. Vor einem einerseits bläulich andererseits grünlich eingefärbten Horizont ist ein von vorn links gesehener und leicht zum Betrachter eingedrehter Kopf dargestellt. Dabei wird innerhalb der Darstellung kontinuierlich zwischen ‚enface’ (beispielsweise bei den Augen und dem Ohr) und ‚halbenface’ (bei der Nase und dem linken Backenknochen) gewechselt. Die Augen sind im Verhältnis zum Kopf sehr groß; proportional viel größer als beim Selbstbildnis in Öl. Sie lassen das Gesicht insgesamt etwas kindlich und gutmütig wirken, wenngleich dies eine subjektive Interpretation des optischen Eindrucks ist. Da lediglich die Ansätze eines Doppelkinns zu sehen sind, schwebt der Kopf frei im Raum. Dies steht im Widerspruch einerseits zu den gesicherten Porträts in Öl aus dieser Zeit, bei denen meist auch noch die Schultern zu sehen sind und andererseits den authentischen Aquarellen späteren Datums, bei denen selbst die abstrakten Köpfen über einen angedeuteten Hals verfügen. Weiterhin fällt auf, dass die rechte Backe des Dargestellten unnatürlich geschwollen ist. Anatomisch korrekt, hätte diese Wölbung tiefer sitzen müssen. Gauguin schrieb einmal: „Der Künstler darf deformieren, wenn seine Deformationen ausdrucksvoll und schön sind.“[22] Gottfried Bammes fügte bezüglich der Darstellungen des Menschen in der modernen Kunst dem hinzu, dass nicht jeder biologisch-anatomische Sachverhalt stimmen muss, sondern dass man das Allgemeine und damit das Bedeutende finden muss.[23] Auf dem Jawlensky-Symposion sprach Ernst van de Wetering, Leiter des Rembrandt Research Projektes, in diesem Zusammenhang bei Selbstbildnis Blaue Kappe von einer ‚Formfestheit’ (besser wäre wahrscheinlich ‚Formsicherheit’) die beispielsweise den Augen oder der Mundlinie auch bei expressiven oder gar abstrakten Darstellungen zugrunde liegen müssen. Selbiges würde sich in dieser Weise sowohl in den Vorstudien als auch in fertigen Resultaten zeigen.[24] Bittner stellte zudem ähnlich wie schon zuvor v/d Wetering fest, dass die Pinselstriche beim Ölgemälde so verlaufen, dass die darunterliegende anatomische Struktur zu erahnen ist. Der Aquarellist hatte davon keine Ahnung und malte demnach auch ganz anders.[25] Was bei Selbstbildnis in Öl den anatomischen Gegebenheiten entsprechend dargestellt worden ist, ist meiner Meinung nach bei dem von mir verglichenem Aquarell nicht begriffen worden.[26] Das Ohr, völlig strukturlos, ist zu hoch und zu dicht zum Auge gemalt. Die Augen sind proportional zu groß und zu eng beieinander. Allen Versuchen, die anatomischen Schwächen als künstlerisches Mittel zu bemänteln, muss ebenfalls eine Absage erteilt werden. Nichts, weder authentische Ölgemälden noch Skizzen dieser Zeit lassen ähnliches erkennen. Über die rechte Hälfte der Stirn verläuft ein Schlagschatten, der sich unlogisch auf dem linken Wangenknochen fortsetzt. Auch hätte der Doppelkinnansatz – sofern es denn einer ist – einen Halsansatz und einen Schatten unterm Backenknochen erfordert. Spätere authentische Aquarell-Porträts, z.B. WVZ-Nr.: 548 und 550 (Abbildung 14 und 5) , zeigen, dass Jawlensky diesem Umstand sehr wohl Rechnung trug. Der Bart ist beim Ölgemälde zur Modellierung des Kinns verwendet worden, beim Aquarell verschleiert er die Gesichtszüge völlig. Generell bleibt festzustellen, dass sich lediglich alle Porträts des umstrittenen Jawlensky-Konvolutes erstaunlich ähneln und auffallend oft die selben eben genannten anatomischen Schwächen aufweisen.

Während das gesichert zugeschriebene Gemälde weitgehend ohne eine umgebende Konturlinie (und wenn doch, dann ist sie durchlaufend) auskommt, verhält sich dies bei der mutmaßlichen Fälschung ganz anders. Sie scheint notwendig, um das Gewirr an Farbflächen zusammenzuhalten und dem Ganzen überhaupt eine Struktur zu geben (z.B. Ohr). Die gestrichelte und mehrfach angesetzte Linie hat etwas unsicher Tastendes. Sie erinnert an Paul van den Akkers Abhandlungen zum Zeichenprozess.[27] Nun sieht manch Kunsthistoriker in einer suchenden Linie den Beweis für einen eben solchen suchenden Künstler. Allerdings erfolgt das Suchen der richtigen Form beinahe ausnahmslos bei der Vorzeichnung. Sobald mit der Kolorierung begonnen wird, sollte die Form feststehen. Bei dem fraglichen Selbstporträt ist die Bleistiftunterzeichnung als Vorzeichnung anzusehen. Es bleibt daher unverständlich aus welchen stilistischen Gründen die Konturlinie trotz Vorzeichnung infolge ihrer mehrfachen Ansetzungen so unsicher erscheinen sollte. Im Gegensatz zu dem 1911 gefertigten Originalporträt Jawlenskys deuten sie nicht auf einen routinemäßigen Handlungsablauf hin.[28] Bei den gesicherten Aquarellen Jawlenskys sind Konturlinien erst bei den abstrakten Köpfen Anfang der 20er Jahre feststellbar (Abbildungen- 9-12). Diese dienten dabei ebenfalls dem Fassen der Form, sind jedoch deutlich dünner und entweder lang und durchlaufend oder deutlich unterbrochen; niemals aber angesetzt wie bei dem mutmaßlichen Selbstporträt. Überhaupt sind erst bei den realistischen Porträts und Porträtskizzen ab Mitte der 20er Jahre breite und meist der Form dienende ausgewaschene Konturlinien zu finden (Abbildung 13-16). Hierbei wurde dann mit großflächig verlaufenden Farbübergängen gearbeitet.

Bildauszug aus dem Werkverzeichnis von Alexej von Jawlensky

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9

Weiblicher Kopf in hellblau-gelb

1920/23

WVZ-NR.: 427

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Abbildung 12

Heilandsgesicht mit geschlossenen Augen

1920/23

WVZ-NR.:435

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Abbildung 10

Weiblicher Kopf mit offenen Augen

1920/23

WVZ-NR.: 429

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Abbildung 13

Damenbildnis (Hanna Bekker vom Rath?)

1926

WVZ-NR.: 547

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Abbildung 11

Frauenkopf

1920/23

WVZ-NR.: 433

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Abbildung 14

Frauenkopf (Tony Kirchhoff)

1926

WVZ-NR.: 548

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Abbildung 15

Weibliches Bildnis (Tony Kirchhoff)

1926

WVZ-NR.: 549

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Abbildung 17

Geneigter Kopf

1928

WVZ-NR.: 602

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Abbildung 16

Weiblicher Kopf: Tony Kirchhoff

1926

WVZ-NR.: 551

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Abbildung 18

Kleiner abstrakter Kopf

1928

WVZ-NR.: 606

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Abbildung 19

Frauenbüste

1928

WVZ-NR.: 608

Deutlich verschieden ist weiterhin die Technik des Farbauftrages. Während bei fast allen Aquarellen des fraglichen Konvolutes relativ ‚trocken’ gearbeitet wurde, verhält es sich bei den gesicherten Arbeiten ganz entgegengesetzt. Auch bei dem fraglichen und eben verglichenem Selbstporträt ist wenig mit fließenden Farbübergängen gearbeitet worden. Vielmehr sind die Farben in nebeneinander gesetzten Strichen aufgebracht und anschließend ausgewaschen worden. Dadurch bleiben die Farbflächen isoliert und rufen einen unruhigen Gesamteindruck hervor. Bei den authentischen Aquarellen und farbigen Skizzen sind dagegen entweder einheitliche Farbflächen, WVZ-NR.: 603 (Abbildung 6) zu finden, oder die Farbigkeit war nur leicht neben den Konturlinien angedeutet. Auffallend und für alle gesicherten Arbeiten Jawlenskys vergleichbar ist, dass sehr ‚nass’ gearbeitet wurde. So ist das schon erwähnte, authentischen Aquarell Das Blaue Pferd (1915/16) ohne umgebende Konturlinie über einer Vorzeichnung (vermutlich Bleistift) nass in nass aquarelliert. Die späteren abstrakten Kopfdarstellungen in Aquarell sind ebenso sehr nass, mit langen Linien und/oder großen einheitlichen Farbflächen gearbeitet worden. Für die Mitte der 20er Jahre aufkommenden realistischen Porträts und Porträtskizzen sind großflächig ausgewaschene und verlaufene Farbübergänge typisch. Selbst in Briefen, die kleine farbige Skizzen enthalten und eigentlich eine eher ‚trockene’ Aquarelltechnik erforderten, hat der deutsch-russische Künstler nicht auf die ‚nasse’ Technik verzichten wollen und behielt die ‚fließenden’ Farben und Farbübergänge bei (Abbildung 17-19). Bei den authentischen Landschaftsskizzen stand im Gegensatz zu denen des Konvolutes lediglich ein Buchstabe für die jeweilige Farbe.

Die Feststellung, dass bei dem mutmaßlichen Selbstporträt für die Aquarelltechnik ungewöhnlich trocken gearbeitet wurde, ließ sich auch auf den größten Teil der anderen Aquarelle des Konvolutes übertragen. Daraus lässt sich dann die objektive Schlussfolgerung ziehen, dass dieses Konvolut demnach auch maltechnisch größere Differenzen mit dem bisher bekannten und gesicherten Œuvre Jawlenskys aufweist. Diese Erkenntnis ließe zwei mögliche Schlussfolgerungen zu: Erstens, dass es zwischen 1915-20 bei Jawlensky einen Wechsel in der Aquarellmaltechnik gab und er eine zeitlang beide Techniken parallel verwendete. Eine solche Annahme erscheint mir persönlich jedoch unwahrscheinlich. Zweitens, dass wir es hier mit unterschiedlichen Urhebern zu tun haben. In diesem Falle wäre zu konstatieren, dass der/die mutmaßlichen Fälscher hervorragende Informationen zum Gesamtœuvre Jawlenskys gehabt haben müssen. Aquarelle aus einer Zeit zu fälschen, von der bisher keine bekannt sind und auf Motive zurückzugreifen, zu denen es bisher keine authentischen Vergleichsmöglichkeiten gibt, würde ein hohes Maß an Professionalität erkennen lassen. Die ‚trockene’ Aquarelltechnik wäre von Jawlenskys Ölgemälden dieser Periode abgeleitet.

[...]


[1] Bei Koschatzky wird Originalität wie folgt definiert: „Alles [Material, Technik, Stil, Papier, Wasserzeichen, Zeichenmittel, Künstlermonogramm, Sammlerzeichen] muss stimmen, damit die ‚Echtheit‘ vollkommen ist. Demnach lässt sich sagen, dass die Unechtheit und Täuschungsabsichten dort beginnen, wo ein Zeichner altes Papier verwendet; oder wenn man von Bister spricht, wo Sepia verwendet wurde. [...] Jede spätere Veränderung am Blatt (Radieren von wertmindernder Signatur) kann verfälschend wirken und bedeutet das gleiche wie die spätere ‚Zurichtung‘ einer alten Kopie –nämlich eine Betrugsabsicht. Zum vollen Tatbestand der Fälschung kommt es [...] dadurch, dass man extra eine falsche Signatur anbringt oder eine Expertise fälscht.“ Koschatzky, W.; Die Kunst der Zeichnung Technik, Geschichte, Meisterwerke; herausgegeben von der Graphischen Sammlung Albertina; Salzburg; 1977; (zukünftig zitiert als: Koschatzky; Zeichnung; 1977); S.414

[2] Koos, Chr.‚ ‚Täuschend echt‘; in: Die Wirtschaftswoche; Wirtschafts- und Finanzzeitung; Düsseldorf; Nr.32; vom 2.8.2001 Ein weltweit agierender Fälscherring wurde 1992 in New York ausgeschaltet, der über einen Zeitraum von acht Jahren Picasso’s, Mirò’s , Dalí’s , Chagall’s u.a. nachahmte. Allein am Tag der polizeilichen Durchsuchung der New Yorker Werkstatt wurden 83000 Blätter, deren Verkaufswert bei 1,8 Mrd. DM lag, beschlagnahmt. Irle, K.; Fälschungen Gewährleistung Prüfungstechniken Typologie; Köln; 1997; (zukünftig zitiert als: Irle; Fälschungen; 1997); S.5f.

[3] die Zahlen sind Czichos, H.; ‚ Was ist falsch am Rembrandt? und Wie hart ist Damaszener Stahl? Wie man mit Technik Kunst erforscht, prüft und erhält; 2002; (zukünftig zitiert als: Czichos; 2002); S.71 entnommen „Bei den ungezählten Künstlernamen auf alten Zeichnungen, die ungeübten Betrachtern als Signatur erscheinen mögen, handelt es sich sehr oft nicht um Aufschriften in Fälschungsabsichten, sondern um Meinungen von Sammlern des 17. und 18. Jh., die ihrer Ansicht auf diese Weise Ausdruck verliehen.“ Koschatzky; Zeichnung; 1977; S.414 Spätestens Joseph Meder gab in seinem Kompendium Die Handzeichnung eine Erklärung für das Vorhandensein zahlreicher Kopien großer Meister. Demnach war das Kopieren neben den zu verrichtenden Hilfsarbeiten im Atelier ein fester Bestandteil der Malerausbildung. Meder, J.; Die Handzeichnung ihre Technik und Entwicklung; zweite Auflage; Wien; 1923; S.207ff.

[4] Irle; Fälschungen; 1997; S.17

[5] Als ein typisches Beispiel für ein solches Herkunftsmärchen seien hier die vermeintlichen Hitlertagebücher erwähnt, die dem Wochenmagazin Der S tern insgesamt 9,34 Millionen DM wert waren. Gerd Heidenheim, ein Reporter vom Stern, war bei einem Sammler auf eines dieser Tagebücher gestoßen. Der hatte es sich vom Stuttgarter Devotionalienhändler Konrad Fischer (alias Konrad Kujau) geliehen. Kujau gab an, dass sich die anfangs 27 Tagebücher, aus denen dann insgesamt 60 wurden, bei seinem Bruder, einem Generalmajor der Nationalen Volksarmee in der DDR befänden. „Der habe sie einem Bauern abgekauft, welcher wiederum die Bücher aus einem am 21.April 1945 abgestürzten Kurierflugzeug Hitlers entwendet habe.“ Czichos; 2002; S.77ff.Dass gefälschte Briefe, die die Echtheit belegen sollen, gezielt in Archiven platziert werden, kommt nach Meinung von Jörg Bittner in der Geschichte der Fälschung relativ häufig vor. J.Bittner auf dem Jawlensky-Symposion; in: Das Jawlensky-Symposion Supplementband zum Katalog Jawlensky – „Das Auge ist der Richter“; Dokumentation des Symposions im Museum Folkwang Essen am 2.2.1998 zu Fragen der Echtheit von Aquarellen und Zeichnungen, die Alexej von Jawlensky zugeschrieben wurden; herausgegeben von G.W.Költzsch und Michael Bockemühl; Redaktion Hubertus Froning; Museum Folkwang; 2000 (zukünftig zitiert als: Jawlensky-Symposion; 2000); S.61

[6] Bernd Fäthke erwähnte, dass angesehenen Jawlensky-Experten bis zu 350000,- DM geboten wurden, nur um die Echtheit einer Arbeit aus dem umstrittenen Konvolut zu bezeugen.Fäthke, B; ‚Der Fall Jawlensky Original, Kopie, Fälschung ’; Weltkunst, aktuelle illustrierte Zeitschrift für Kunst, Antiquitäten, Bücher und ihr Markt; Zentralorgan sämtlicher Deutscher Kunst- und Antiquitätenhändler Verbände; Reichsverband des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels München; Berlin; (zukünftig zitiert als: Weltkunst; Jahr); Sonderteil zu den Jawlensky-Fälschungen; 1.3.1996; S.8ff.

[7] Grete Ring und Walter Feilchenfeldt, ehem. Inhaber der Galerie Cassirers in Berlin, vermuteten bei sechs Gemälden van Goghs Otto Wacker (Galerist und Fälscher) als Urheber. "Dass sie keinen Skandal machten, erklärt sich vielleicht daraus, dass sie auf ihren ausgezeichneten Ruf achteten und deshalb nicht mit den falschen Bildern von Wacker in Verbindung gebracht werden wollten." Kretschmann, G.; Faszination Fälschung Kunst-, Geld- und andere Fälscher und ihre Schicksale; Berlin; (zukünftig zitiert als: Kretschmann; Fälschungen; 2001); 2001; S.16

[8] Es kommt gelegentlich sogar vor, dass die Experten selbst in die kriminellen Machenschaften involviert sind. „Im Sommer 1994 stand Natalja Varchakowa, Expertin für die Leningrader Schule beim Auktionshaus Drouot in Paris, vor Gericht. Unter ihrer Regie hatten etwa 30 russische Maler wie am Fließband Landschaftsgemälde im Stile des Postimpressionismus und Werke im Stil der frühen russischen Avantgarde produziert. Von der Expertin mit Gutachten authentifiziert, wurden sie bei Drouot über Jahre hinweg versteigert“. Irle; Fälschungen; 1997; S.6 Selbst Familiennachkommen sind mitunter in Fälscherkreise involviert. So hatte der Enkel von Jean Charles Millet unzählige Fälschungen in den Handel gebracht und mit gefälschten Expertisen versehen. Schüller, S.; Fälscher, Händler und Experten Das zwielichtige Abenteuer der Kunstfälschungen; München; 1959; (zukünftig zitiert als: Schüller; Fälscher; 1959); S.126 Bei Kunstversicherungen gilt ab Beginn der laufenden Versicherungsperiode der tatsächliche Wert des Gegenstandes als Versicherungswert. Zuviel gezahlte Jahresprämie sind anteilig zu erstatten. siehe: Allg. Versicherungsbed. für die Versicherung von Kunstgegenständen in Privatbesitz AVB Kunst 1994 § 7 Absatz 3 Auktionshäuser sind immer dann zur Rücknahme verpflichtet, wenn der Käufer den Kauf im Glauben, ein Original zu erhalten, tätigte. Dabei gilt eine Verjährungsfrist von einem halben Jahr. Gelingt der Nachweis des Betruges, so beträgt diese drei, bei arglistiger Täuschung sogar 30 Jahre. Stand: Oktober 1997; Irle; Fälschungen; 1997; S.13ff.

[9] Die zwischen ‚’ angeführten Bewertungen wurden von verschiedenen Kunsthistorikern im Zusammenhang mit den fraglichen Jawlensky-Aquarellen gebraucht. Als zwei Beispiele davon seien an dieser Stelle Jelena Hahl-Fontaine (Diont le Mont/Belgien) die sich auf ihre Intention als Frau berief und Ewald Rathke der vom ‚Klang des Bildes’ sprach, erwähnt. Hahl-Fontaine, J.; in: Jawlensky‑Symposion; 2000; S.26 und Rathke, E.; in: Jawlensky‑Symposion; 2000; S.33

[10] Die zwischen ‚’ angeführten Bewertungen wurden auf dem Jawlensky-Symposion von verschiedenen Kunsthistorikern als Argumente verwendet.

[11] Davon sind 70 Arbeiten lose Blätter; der Rest war in 10 Blöcke gebunden. Rund 101 Aquarelle und Zeichnungen sind mit gesicherten Ölgemälden in Verbindung zu bringen. Zwei drittel der Motive aus dem Konvolut sind jedoch nicht zuweisbar und müssen Eigenkreationen des(der) Fälscher(s) sein. Bockemühl, M.; in: Jawlensky‑Symposion; 2000; S.70

[12] Das Symposion fand anlässlich der Ausstellung ‚ Das Auge ist der Richter ’ im Museums Folkwang/Essen am 2.2.1998 statt.

[13] Gombrich, Ernst H.; Die Krise der Kulturgeschichte Gedanken zum Wertproblem in den Geisteswissenschaften; Stuttgart; (zukünftig zitiert als: Gombrich; Kulturgeschichte; 1983) 1983; S.23

[14] Geert Jan Janssen alias Jan van der Bergen, einer der großen Fälscher unserer Zeit, sagte in einem Interview, dass er sich beim Nachahmen anderer Künstler mehr wie eine Art Ausführender fühle. Meiner Meinung nach beschreibt er damit noch einen anderen Umstand. Es fehlt den meisten Fälschungen der Esprit, die zugrundeliegende Idee, da ihnen oft nur ein einziges Interesse, und zwar ein ökonomisches, zugrunde liegt. Geert Jan Janssen in einem Fernsehinterview in ‚Netwerk’, 7.Oktober 1998; Geert Jan Janssen und Ellen van Baren hatten vor allem im Laufe der 90er Jahre bei sechs deutschen Auktionshäusern Fälschungen eingeliefert. Bei ihrer Verhaftung wurden „1500 Falsifikate samt eigens dazu erfundener Expertisen sichergestellt. Der Marktwert lag bei mindestens 5 Mio. DM.“ Irle; Fälschungen; 1997; S.6

[15] Schadd, Caroline; ‚Een vergenoegde Roker’; in: Echt Vals? Namaak door de eeuwen; Ausstellungskatalog des Allard Pierson Museums; Amsterdam; 1983 (zukünftig zitiert als: Echt Vals?; 1983); S.42ff.

[16] Das Gemälde Vergnügter Raucher wies genau wie der Lachende Cavalier dieselben ungewöhnlichen Bindemittel auf. Man vermutete frühzeitig Han van Meegeren als Täter, doch war bei den von ihm bis dato bekannten Gemälden ein anderes Bindemittel gebraucht worden. Die Farbe war für das 17.Jh. unüblich, mit einem gelatineartigen Leim gebunden, der nicht in Alkohol aber in Wasser auflösbar ist. Auf diese Weise wollten auch schon andere Fälscher den bis dahin üblichen ‚Alkoholtest’ der Farben bestehen. siehe: Schadd, Caroline; ‚Een vergenoegde Roker’; in: Echt Vals?; 1983; S.42ff. Bei R.H.Marijnissen sind die Tatumstände und Untersuchungsergebnisse noch etwas ausführlicher geschildert. Demnach machte eines der zwei Holzplanken, des Gemäldegrundes, einen auffällig jungen Eindruck. Das Craquele wurde seltsamerweise nicht durch das Trägermaterial beeinflusst. Die Farbe insgesamt war für ein Bild aus dem 17.Jh. viel zu weich. Mit Hilfe naturwissenschaftlicher Untersuchungen wurden synthetisches Ultramarin, Kobaltblau und Zinkweiß nachgewiesen. Diese Farbzusammensetzungen waren zu Lebzeiten von Frans Hals noch nicht entwickelt. Marijnissen, R.H.; Schilderijen Echt, Fraude, Vals Moderne onderzoekingsmethoden van de schilderijenexpertise; Brüssel, Amsterdam; 1985 (zukünftig zitiert als: Marijnissen; Schilderijen; 1985); S.37f.

[17] Irle; Fälschungen; 1997; S.17

[18] Alternativ zu diesem gesicherten Selbstporträt hätten auch andere Beispiele herangezogen werden können. Jörg Bittner verglich oben genanntes Aquarell mit dem gesicherten Selbstporträt Jawlenskys (Museum Wiesbaden, 54,5 x 49 cm, signiert mit: a.jawlensky 12). Er zeigte dabei ein Dia des Ölgemäldes zur besseren Vergleichbarkeit seitenverkehrt. Dieses Selbstporträt aus dem Jahre 1912 ist unter anderem abgebildet unter Katalognummer 42, in: Alexej von Jawlensky; Ausstellungskatalog; Museum Boymans-van Beuningen; Rotterdam; 1994

[19] Bockemühl, M; ‚“Ich male Öl wie Aquarell...“ Zu Jawlenskys Aquarellmalerei in der Bildfolge der Variationen’; in: Jawlensky-Symposion; 2000; S.83f.

[20] Froning, H. ‚Zu den ausgestellten Aquarellen und Zeichnungen’; in: Jawlensky-Symposion; 2000; S.105

[21] Das von mir ausgewählte Selbstporträt kann nach eingehender Untersuchung Jawlenskys Gesamtœuvres (vgl. Werkverzeichnis) als frühes aber repräsentatives Beispiel für den Malstil seiner Ölgemälden in der Periode 1910/11-1916 angesehen werden. Neu und typisch ist das Nebeneinandersetzen verschiedener Farbflächen innerhalb eines Objektes bei der die Pinselstriche deutlich sichtbar bleiben. Dies könnte auch der Grund für den noch zu besprechenden trockenen Farbauftrag bei den Aquarellen sein. Nach 1916 sind bei Jawlenskys Ölgemälden keine vergleichbaren Porträts mehr zu finden. Stattdessen widmete er sich abstrakten Kopfdarstellungen und später zahlreichen ‚Meditationen’.

[22] Bammes, G.; Das zeichnerische Aktstudium Seine Entwicklung in Werkstatt, Schule, Praxis und Theorie; Leipzig; 1968(?) (zukünftig zitiert als: Bammes; Aktstudium; 1968); S.221

[23] Bammes; Aktstudium; 1968; S.222

[24] Wetering, E.v/d; in: Jawlensky‑Sympision 2000; S.21

[25] Bittner, J.; in: Jawlensky-Symposion; 2000; S.63

[26] Als ein weiteres Beispiel für die Missverständnisse in den Aquarellen sei hier Bordighera (Abb.11, S.26 bei Rathke, 1989 und Werkverzeichnis, Band IV, Nr.728) erwähnt. Was im Ölgemälde noch Kuppeln sind, mutierte im Aquarell zu Zwiebeltürmen. Ein solcher Motivunterschied lässt sich jedoch nicht mit der Abstraktion erklären. Bittner, J.; in: Jawlensky‑Symposion; 2000; S.54

[27] P.v/d Akker verglich dieses tastende Zeichnen mit dem Verhalten einer Maus in einem ihr unbekannten Gebiet. O.Koehler und W.Dingler hatten dies gefilmt. Das Tier tastet sich auf fremdemGebiet mit seinen Barthaaren ein Stück voraus und geht wieder ein kleineres Stückchen zurück. Erst nach mehrmaliger Wiederbegehung, genügend Routine, und dem Gedächtnis hinzugeführter räumlicher Orientierung, legt sie das Stück schneller zurück. Die so absolvierten Strecken werden immer länger bis das ganze Gebiet erschlossen ist. Ein vergleichbares Ertasten der Form war auch bei Kleinkindern, die gerade das Zeichnen erlernen, feststellbar. Sobald eine gewisse Routine erlernt ist, wird der Stift mehr aus dem Unterbewusstsein geführt. Nun möchte ich an dieser Stelle nicht behaupten, dass ein Kind der Urheber des in Frage gestellten Jawlenskyporträts ist, aber eine solch suchende Linienführung zumindest bei der Unterzeichnung lässt sich sicher nicht mit dem Talent Alexej Jawlenskys in Verbindung bringen. Akker, P. v/d.; Sporen van vaardigheid De ontwerpmethode voor de figuurhouding in de Italiaanse tekenkunst van de renaissance; Abcoude; 1991; (zukünftig zitiert als: Akker; vaardigheid; 1991); S.135

[28] Um den Begriff Routinehandlung an einem Beispiel zu erklären, sei hier das Autofahren erwähnt. Nach dem man beispielsweise beim Abbiegen komplexe Einzeltätigkeiten wie Blinken, Zurückschalten, Bremsen, Umschauen, Einlenken erlernt und zu einer routinemäßigen Handlungskette verbunden hat, können diese im Unterbewusstsein ablaufen. Das gibt dem ‚routinierten’ Fahrzeugführer die Möglichkeit, nebenher nach dem Weg zu suchen, auch zu telefonieren etc..

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832469122
ISBN (Paperback)
9783838669120
DOI
10.3239/9783832469122
Dateigröße
12.7 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Vrije Universiteit Amsterdam – Faculty of Arts (Faculteit der Letteren)
Erscheinungsdatum
2003 (Juni)
Note
2,0
Schlagworte
fälschungsnachweis echtheitsuntersuchung papieraltersbestimmung fft-papierstrukturuntersuchung dalí
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Titel: Grenzen und neue Möglichkeiten der Fälschungskennung bei Zeichnungen, Aquarellen, Graphiken und anderen Arbeiten auf Papier
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