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eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle

©2003 Diplomarbeit 142 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Seit Beginn der 90er-Jahre haben sich die technologischen Möglichkeiten der Wissensvermittlung in geradezu atemberaubender Weise verändert. Mit dem zunehmenden Einsatz von PC und Internet können Informationen und Wissen immer schneller vermittelt und von fast überall auf der Welt abgerufen werden. Damit bekommen auch konventionelle Methoden des Lernens und des Wissenstransfers eine neue, elektronische Dimension.
In Folge dessen erfreut sich eLearning als relativ junge Lern- und Lehrform seit einiger Zeit zunehmender Popularität.
„Jeder, der heute für die Vermittlung von Wissen verantwortlich ist, kommt früher oder später mit dem Thema eLearning in Berührung. Der Druck auf die öffentlichen und privaten Bildungsanbieter sowie die berufliche Aus- und Weiterbildung mit der rasanten [technologischen, d. Verf.] Entwicklung Schritt zu halten steigt. Fragen nach dem richtigen Konzept, der technologischen Infrastruktur, dem geeigneten Content [= Inhalt, d. Verf.], der besten Methode, dem Aufwand, den Kosten und dem besten Anbieter werden laut.“
Nach der ersten Euphorie tritt nun immer mehr die Erkenntnis in den Vordergrund, dass nicht allein die technischen Realisierungsmöglichkeiten ausschlaggebend für eine gute Lernanwendung sind, sondern dass Lernen an sich ein hoch komplexer Prozess ist, der bei verschiedenen Menschen unterschiedlich verläuft und nach wie vor ein gutes Zusammenspiel von Lerninhalten, Lerndidaktik und -methodik über die Qualität des Lernprozesses entscheiden.
Aus diesem Grund steht im ersten Teil der vorliegenden Arbeit die Betrachtung des Lernprozesses im eLearning im Mittelpunkt, während im zweiten Teil die Lernfortschrittskontrolle als eine wichtige Methode zur Unterstützung und Sicherung des Lernerfolgs fokussiert wird. Da in internetbasierten Lernanwendungen zunächst einmal kein persönliches Feedback gegeben werden kann, wird der Lernfortschrittskontrolle in der Entwicklung von eLearning-Anwendungen ein besonderer Stellenwert zugeschrieben.
Als Grundlage für die folgenden Vertiefungen werden am Anfang der Arbeit zunächst die Begriffe Lernen und eLearning definiert und die unterschiedlichen Lerntheorien vorgestellt, die im Zusammenhang mit der Entwicklung von eLearning-Anwendungen gebräuchlich sind.
Im Mittelpunkt des folgenden Kapitels steht die Frage, welche Faktoren für das Erreichen eines Lernerfolgs eine Rolle spielen. Darüber hinaus wird die Bedeutung dieser einzelnen Faktoren genauer […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6899
Lau, Christoph: eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Kassel, Universität - Gesamthochschule, Diplomarbeit, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
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eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
Abbildung 1: Calvin und Hobbes
© Christoph Lau, Kassel
2

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
Vorwort
Ohne die Unterstützung zahlreicher Menschen wäre diese Arbeit nicht
in dieser Form zustande gekommen. Ihnen möchte ich an dieser
Stelle danken.
Mein ganz besonderer Dank gilt dabei Dr. Wolfgang Müskens, der mir
das unveröffentlichte Gutachten des Forschungsprojekts ,,Lernerfolgs-
kontrolle und Zertifizierung des Lernens im Netz und mit Multimedia
unter dem Aspekt der Lernkulturveränderung und Kompetenzent-
wicklung" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung spon-
tan zur Verfügung stellte, als er von meinen Überlegungen zu dieser
Arbeit hörte.
Genauso möchte ich Peter Veit vom Wissenschaftlichen Verlag Berlin
danken, der mir das vergriffene Buch ,,Entwicklung hypermedialer
Lernsysteme" auf CD-ROM zukommen ließ.
Ebenso möchte ich allen Gesprächspartnern auf der LEARNTEC 2003
danken, die mir mit Demoversionen und Testzugängen Zugang zu
ihren eLearning-Anwendungen ermöglichten.
Weiterhin danke ich: Joachim Haydecker für die fachliche Beratung,
Prof. Hans Lenhard und Prof. Ernst Wilhelm Wolff für die Betreuung,
Karin Weber-Langebach für den aufmunternden Calvin, Katrin Nicklas
für die Karikaturen, Wieland Höhne, Steffi Kühn und meinen Brüdern
Joachim Lau und Tobias Lau für die hilfreichen Anmerkungen und
meiner Frau Britta Welskopf-Lau für die Blumen, die guten Ideen, die
viele Geduld, Unterstützung und ihre Liebe.
Kassel, im April 2003
© Christoph Lau, Kassel
3

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
3
Inhaltsverzeichnis 4
Inhaltsverzeichnis (Grafik)
8
Abbildungsverzeichnis 9
Tabellenverzeichnis 10
1
Einleitung
11
Lernprozess 13
2
Grundlagen
14
2.1
Definitionen
14
2.1.1
Definition Lernen
14
2.1.2
Definitionsansätze für den Begriff eLearning
15
2.2
Lerntheorien
18
2.2.1
Behaviorismus
18
2.2.1.1 Reiz-Reaktions-Lernen 19
2.2.1.2 Instrumentelles Lernen
20
2.2.1.3 Lernen am Modell
21
2.2.1.4 Programmierte Instruktion
22
2.2.1.5 Kritik 23
2.2.2
Kognitivismus
24
2.2.2.1 Gestaltpsychologie 27
2.2.2.2 Ganzheitspsychologie 29
2.2.3
Konstruktivismus
29
2.2.3.1 cognitive apprenticeship
34
2.2.4
Situiertes Lernen
36
3 Lernerfolg
38
3.1
Die Person des Lernenden
40
3.1.1
Vorwissen des Lernenden
40
3.1.2
Kognitive Stile und Lerntypen
41
3.1.3
Kognitionspsychologische Aspekte
45
© Christoph Lau, Kassel
4

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
3.1.3.1 Das menschliche Gehirn
45
3.1.3.2 Gedächtnismodelle 46
3.1.3.3 Dual Coding
47
3.1.3.4 Mentale Modelle
49
3.1.3.5 Weitere Gesetzmäßigkeiten
50
3.1.4
Motivation
50
3.2
Lernziel
53
3.3
Lernumgebung
55
3.4
Lernarrangement
58
Übung 58
Anwendung 59
Transfer 59
3.4.1
Lernstrategien
60
3.4.1.1 Directed Learning
61
3.4.1.2 Self-directed Learning
62
3.4.1.3 Collaborative Learning
64
3.4.2
eLearning-Arten und -Tools
66
3.4.2.1 Computer Based Training
66
3.4.2.2 Business TV
67
3.4.2.3 Web Based Training
67
3.4.2.4 Asynchrone Informations- und Kommunikationsformen
68
World Wide Web
68
Electronic Mail
69
Mailing Lists
69
Diskussionsforen 70
3.4.2.5 Synchrone Informations- und Kommunikationsformen
71
Chat 71
Videokonferenz 71
Audiokonferenz 72
Whiteboard 72
Application Sharing
73
3.4.2.6 Blended Learning
73
3.4.2.7 Groupware 76
3.5
Konsequenzen für das Lernen mit eLearning-Anwendungen
77
© Christoph Lau, Kassel
5

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
Lernfortschrittskontrolle 81
4
Sinn und Ziel der Lernfortschrittskontrolle 82
4.1
Funktionen und Ziele der Lernfortschrittskontrolle
82
Berichtsfunktion 83
Motivationsfunktion 83
Diagnosefunktion 83
Disziplinierungsfunktion 83
4.1.1
Standards
84
Normorientierter Vergleich in der Lerngruppe
84
Vergleich der individuellen Norm
84
Vergleich am Lernziel
85
Situativer Vergleich
85
4.1.2
Kriterien
87
Objektivität 87
Zuverlässigkeit (Reliabilität)
87
Gültigkeit (Validität)
87
4.1.3
Ganzheitlichkeit und Handlungsorientierung der
Lernfortschrittskontrollen 89
5
Methoden und Möglichkeiten
91
5.1
Computergestützte Lernfortschrittskontrollen
91
5.1.1
Keine Kontrolle
92
5.1.2
Zeit- und Seitenerfassung
92
5.1.3
Multiple-Choice-Aufgaben
92
5.1.4
Zuordnungs- und Umordnungsaufgaben
94
5.1.5
Freitextaufgaben
96
5.1.6
Kalkulationsaufgaben
98
5.1.7
Anwendungsaufgaben
98
5.1.8
Simulationen und Planspiele
98
5.1.9
Testwerkzeuge
99
5.1.10 Einsatz von computergestützten
Lernfortschrittskontrollen 100
5.2
Innovative Formen der Lernfortschrittskontrolle
101
5.2.1
Gruppendiskussion
102
5.2.2
Präsentation
103
© Christoph Lau, Kassel
6

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
5.2.3
Lerntagebuch
104
5.2.4
Lernportfolio
105
5.2.5
Rollenspiel
106
5.2.6
Integrierte, handlungsorientierte und komplexe
Prüfungsaufgaben 107
6
Modell der Werkstatt für integrative Arbeit
109
6.1
Lerntagebuch
111
6.2
Individuelle Übungen am Computer
111
6.3
Individuelle Ausarbeitungen
112
6.3.1
Karteikarten
112
6.4
Übungen/Diskussionen in der Lerngruppe
112
6.5
Case-Work
112
6.6
Abschließende Präsenzphase
113
6.6.1
Peer-Rating
113
6.6.2
Moderator-Rating
113
6.7
Wertigkeit
114
7
Abschließende Betrachtungen
115
Anhang 117
Anhang 1: Lerntyp
118
Anhang 2: Feedback
121
Anhang 3: Lerntagebuch
124
Anhang 4: Literatur
130
© Christoph Lau, Kassel
7

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
Inhaltsverzeichnis (Grafik)
Abbildung 2: Inhaltsverzeichnis MindMap
© Christoph Lau, Kassel
8

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Calvin und Hobbes
2
Abbildung 2: Inhaltsverzeichnis MindMap
8
Abbildung 3: Helena
13
Abbildung 4: Grundannahme des Behaviorismus
19
Abbildung 5: Schaubild zur programmierten Instruktion
22
Abbildung 6: Die vier Seiten einer Nachricht
25
Abbildung 7: Modell der menschlichen Informationsverarbeitung 25
Abbildung 8: Prinzip der Geschlossenheit
28
Abbildung 9: Lernmodell Konstruktivismus
30
Abbildung 10: Algorithmus des Lernens nach konstruktivistischem
Ansatz 31
Abbildung 11: Lernerfolg
39
Abbildung 12: Lerntypen
42
Abbildung 13: CBT ,,Erfolgreich Lernen" der VIWIS GmbH (3/30) 43
Abbildung 14: CBT ,,Erfolgreich Lernen" der VIWIS GmbH (14/30) 44
Abbildung 15: CBT ,,Erfolgreich Lernen" der VIWIS GmbH (15/30) 44
Abbildung 16: Gedächtnismodell
47
Abbildung 17: Dual Coding
48
Abbildung 18: CBT ,,Erfolgreich Lernen" der VIWIS GmbH (58/72) 56
Abbildung 19: CBT ,,Erfolgreich Lernen" der VIWIS GmbH (71/72) 57
Abbildung 20: Self-directed Learning
63
Abbildung 21: Vorteile kooperativen Lernens
64
Abbildung 22: Blended Learning
74
Abbildung 23: Emil
81
Abbildung 24: Multiple-Choice-Test in dem WBT
,,Zeitmanagement" der Firma Transfer
93
Abbildung 25: Image-Map
93
Abbildung 26: Fallbeispiel in dem WBT ,,Zeitmanagement" der
Firma Transfer
94
Abbildung 27: Test in dem WBT ,,Risk Management" der
21LearnLine AG
95
Abbildung 28: Demotest der Firma Enlight
95
© Christoph Lau, Kassel
9

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
Abbildung 29: Test in dem WBT ,,Zeitmanagement" der Firma
Transfer 96
Abbildung 30: Überprüfung einer Freitextaufgabe durch den
Lernenden in dem WBT ,,Risk Management" der
21LearnLine AG
97
Abbildung 31: WBT ,,Risk Management" der 21LearnLine AG
97
Abbildung 32: Screenshot aus der Simulation ,,SimulTrain" zum
Projektmanagement der 21LearnLine AG
99
Abbildung 33: Testwerkzeug CUE effect 4.5 der Firma
COM/ON/FOUR 99
Abbildung 34: Testwerkzeug CUE effect 4.5 der Firma
COM/ON/FOUR 100
Abbildung 35: Online-Lernerfolgskontrollen zur Rückmeldung
des individuellen Lernfortschritts
101
Abbildung 36: Innovative Prüfungsformen im Vergleich
108
Abbildung 37: Erwin the raven
117
Abbildung 38: Erwin the raven: ,,... und tschüß!"
141
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Zusammenfassung der Grundprinzipien von
Verstärkung und Bestrafung
21
Tabelle 2: Lernparadigmen und Softwaretypologie
54
Tabelle 3: Lernmethoden-Raster
60
Tabelle 4: Lernorganisation am Beispiel einer Softwareeinführung 75
Tabelle 5: Taxonomie der Lernfortschrittskontrolle
86
Tabelle 6: WIA-Modell der Lernfortschrittskontrolle
110
© Christoph Lau, Kassel
10

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
1 Einleitung
Seit Beginn der 90er-Jahre haben sich die technologischen Möglich-
keiten der Wissensvermittlung in geradezu atemberaubender Weise
verändert. Mit dem zunehmenden Einsatz von PC und Internet kön-
nen Informationen und Wissen immer schneller vermittelt und von
fast überall auf der Welt abgerufen werden. Damit bekommen auch
konventionelle Methoden des Lernens und des Wissenstransfers eine
neue, elektronische Dimension.
In Folge dessen erfreut sich eLearning als relativ junge Lern- und
Lehrform seit einiger Zeit zunehmender Popularität.
,,Jeder, der heute für die Vermittlung von Wissen verantwortlich
ist, kommt .. früher oder später mit dem Thema eLearning in
Berührung. Der Druck auf die öffentlichen und privaten Bildungs-
anbieter sowie die berufliche Aus- und Weiterbildung mit der ra-
santen [technologischen, d. Verf.] Entwicklung Schritt zu halten
steigt. Fragen nach dem richtigen Konzept, der technologischen
Infrastruktur, dem geeigneten Content [= Inhalt, d. Verf.], der
besten Methode, dem Aufwand, den Kosten und dem besten
Anbieter werden laut."
1
Nach der ersten Euphorie tritt nun immer mehr die Erkenntnis in den
Vordergrund, dass nicht allein die technischen Realisierungsmöglich-
keiten ausschlaggebend für eine gute Lernanwendung sind, sondern
dass Lernen an sich ein hoch komplexer Prozess ist, der bei verschie-
denen Menschen unterschiedlich verläuft und nach wie vor ein gutes
Zusammenspiel von Lerninhalten, Lerndidaktik und ­methodik über
die Qualität des Lernprozesses entscheiden.
Aus diesem Grund steht im ersten Teil der vorliegenden Arbeit die
Betrachtung des Lernprozesses im eLearning im Mittelpunkt, während
im zweiten Teil die Lernfortschrittskontrolle als eine wichtige Methode
zur Unterstützung und Sicherung des Lernerfolgs fokussiert wird. Da
in internetbasierten Lernanwendungen zunächst einmal kein persönli-
ches Feedback gegeben werden kann, wird der Lernfortschrittskon-
trolle in der Entwicklung von eLearning-Anwendungen ein besonderer
Stellenwert zugeschrieben.
Als Grundlage für die folgenden Vertiefungen werden am Anfang der
Arbeit zunächst die Begriffe Lernen und eLearning definiert und die
unterschiedlichen Lerntheorien vorgestellt, die im Zusammenhang mit
der Entwicklung von eLearning-Anwendungen gebräuchlich sind.
Im Mittelpunkt des folgenden Kapitels steht die Frage, welche Fakto-
ren für das Erreichen eines Lernerfolgs eine Rolle spielen. Darüber
hinaus wird die Bedeutung dieser einzelnen Faktoren genauer
1
Neubauer, Jörg: Praxistraining eLearning. Hilfe zur Selbsthilfe. TreasureX,
2002. [WWW]
http://www.treasurex.de
(18.05.2002), S. 4.
© Christoph Lau, Kassel
11

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
beleuchtet. Insbesondere bei dem Faktor Lernarrangement, den da-
zugehörigen Lernstrategien und Lernwerkzeugen werden die sehr
spezifischen Möglichkeiten von eLearning-Anwendungen deutlich. Da
die verschiedenen Informations- und Kommunikationsformen im Zu-
sammenhang mit dem Thema Lernen von herausragender Bedeutung
sind, werden diese besonders hervorgehoben.
Der erste Teil dieser Arbeit endet mit einer Zusammenfassung, in der
die Konsequenzen aus den verschiedenen Lerntheorien, Lerngrundla-
gen und Lernfaktoren für das Lernen mit eLearning-Anwendungen
herausgearbeitet werden.
Der zweite Teil der vorliegenden Arbeit widmet sich der Frage der
Lernfortschrittskontrolle.
Auch hier werden zunächst allgemeine Grundlagen erörtert, um dann
die spezifischen Methoden und Möglichkeiten der Lernfortschrittskon-
trollen im eLearning vorzustellen. Dabei geht es jedoch nicht nur um
eine Aufzählung bereits vorhandener Methoden. Vielmehr liegt ein
besonderer Schwerpunkt auf innovativen Formen der Lernfort-
schrittskontrolle, mit denen auch Fähigkeiten, Fertigkeiten, Charak-
tereigenschaften und Einstellungen der Lernenden erfasst werden
können.
Praktisch erläutert werden die Ausführungen über die verschiedenen
Aspekte der Lernfortschrittskontrolle durch eine Projektbeschreibung,
die aufzeigt, wie in einer Blended Learning-Anwendung der Werkstatt
für integrative Arbeit der Universität Kassel mit der Frage der Lern-
fortschrittskontrolle umgegangen wird.
Im letzten Kapitel werden die vorhergehenden Ausarbeitungen noch
einmal zusammengeführt und bewertet.
Im Anhang findet sich ein Selbsttest, der bei der Einordnung des
eigenen Lerntyps Orientierung geben kann, ein Handout zum Thema
Feedback und exemplarische Anweisungen zur Erstellung eines Lern-
tagebuchs sowie die Literaturliste.
Aus Gründen der Lesbarkeit wurde in dieser Arbeit fast ausschließlich
die männliche Form verwendet. Gemeint sind immer Männer und
Frauen, wenn die Darstellungen nicht explizit auf Männer oder Frauen
beschränkt wurden.
© Christoph Lau, Kassel
12

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
Abbildung 3: Helena
2
Lernprozess
2
Figur aus der Blended Learning-Anwendung ,,Einführung in Theorie und Praxis
der Gestaltberatung 1" der Werkstatt für integrative Arbeit.
© Christoph Lau, Kassel
13

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
2 Grundlagen
2.1 Definitionen
2.1.1 Definition Lernen
Zu Beginn einer jeden Beschäftigung mit dem Themenkomplex des
Lernens steht die Frage, was unter dem Begriff Lernen zu verstehen
ist.
In den verschiedenen theoretischen Konzepten der Lernpsychologie
werden für den Begriff des Lernens die unterschiedlichsten Definitio-
nen angeboten:
· Lernen als eine ,,Reiz-Reaktions-Verbindung" (Behaviorismus)
· Lernen als das Gewinnen von Einsicht (Kognitivismus)
· Lernen als Regelkreis (Kybernetik)
· Lernen als Verarbeitung von Informationen (Informationstheorie)
· usw.
3
Dabei wird
,,... Lernen .. entweder eher verhaltensorientiert als latente Ver-
haltensänderung durch Erfahrung gefasst oder eher kognitiv
orientiert als der Erwerb und die Veränderung von Wissen und
damit verbunden, die Veränderung menschlicher Fähigkeiten und
Verhaltensweisen."
4
In dieser Arbeit soll unabhängig von der jeweiligen Theorie folgende
Definition für den Begriff des Lernens gelten:
,,Lernen umfasst alle Verhaltensänderungen, die aufgrund von
Erfahrungen zustande kommen."
5
Aus dieser Definition folgt, dass es nicht um angeborene oder gene-
tisch determinierte Verhaltensänderungen geht. Ebenso wenig
werden Verhaltensänderungen betrachtet, die durch Unfälle,
Krankheiten, psychoaktive oder andere chemische Substanzen her-
vorgerufen werden. Allerdings ist der Begriff des Verhaltens so zu
verstehen, dass auch
,,... äußerlich nicht erkennbare Verhaltensweisen wie Denkpro-
zesse und Verhaltensdispositionen (latentes Lernen)
eingeschlossen sind."
6
3
Vgl. Schröder, Hartwig: Lernen ­ Lehren ­ Unterricht. Lernpsychologische und
didaktische Grundlagen. 2., durchgesehene Auflage, München, Wien 2002, S.
13f.
4
Ohler, Peter; Nieding, Gerhild: Was lässt sich beim Computerspielen lernen? In:
Kammerl, Rudolf (Hrsg.): Computerunterstütztes Lernen. München, Wien 2000,
S. 190.
5
Lefrancois, G. R.: Psychologie des Lernens. Berlin 1994, S. 3.
© Christoph Lau, Kassel
14

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
2.1.2 Definitionsansätze für den Begriff eLearning
Der Begriff eLearning wird seit einigen Jahren in zunehmendem Maße
gebraucht, ohne dass die genaue Bedeutung dieses Wortes weiter
erläutert wird. So wird eLearning beispielsweise synonym mit etlichen
anderen Begriffen wie CAI (Computer Aided Instruction), CAL
(Computer Aided Learning), CAT (Computer Aided Teaching), CBL
(Computer Based Learning), CBT (Computer Based Training), CUL
(Computerunterstütztes Lernen), CBI (Computer Based Instruction),
CUU (Computerunterstützter Unterricht), DL (Distance Learning),
WBT (Web Based Training), Online-Lernen, Online-Education,
Telelernen, Teleteaching, TBT (Technologiebasierendes Training) oder
NBT (Netzwerkbasierendes Training) verwendet.
7
Übereinstimmung herrscht darüber, dass das ,,e" in eLearning für
electronic steht ­ und damit auch für Digitalisierung und Kommuni-
kation auf elektronischem Weg.
Für Elliott Masie hat das ,,e" in eLearning allerdings noch weitere
Bedeutungen:
,,e" wie ,,experience":
,,The business drivers for e-learning are about changing the
character of the experience of learning in the corporation. A
learner in an e-learning offering would have the option of time-
shifting, place-shifting, granularization, simulation, and
community support, to mention a few. These are not necessarily
all electronic, but go to the heart of evolving and increasing the
experience level."
8
,,e" wie ,,extended":
,,With e-learning an organization should be able to offer an
extension of learning options, moving from an event perspective
to an ongoing process. The footprint of the e-learning experience
would be larger in terms of time and would linger with the
learner throughout their work life."
9
,,e" wie ,,expanded":
,,The opportunity to expand training offerings beyond the
limitations of the classroom in incredibly exciting. Can we offer
6
Schröder, H.: a.a.O., S. 14.
7
Vgl. Helmer, Christine: eLearning.at ­ Bestandsaufnahme, Risiken und
Perspektiven von eLearning für den österreichischen Weiterbildungsmarkt.
Diplomarbeit. Wien April 2002. [WWW]
http://cblinux.fhs-
hagenberg.ac.at/links/helmer.pdf
(10.02.2003), S. 9.
8
Masie, Elliott: An E-Learning Journey: Warp Speed for E-Learning? In:
Rosenberg, Marc J.: E-Learning. Strategies for Delievering Knowledge in the
Digital Age. New York 2001, S. 37.
9
Masie, E.: ebd.
© Christoph Lau, Kassel
15

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
learning to all employees globally? Can we offer access to an
unlimited number of topics? Can we not be constrained by our
training budget when it comes to meeting an employee request
for knowledge? "
10
Elliott Masie möchte damit zum Ausdruck bringen, dass sich unsere
traditionellen Vorstellungen vom Lernen durch die Einführung von
eLearning möglicher Weise sehr verändern können.
Was nach wie vor fehlt, ist jedoch eine einheitliche und allgemein
gültige Definition des Begriffes eLearning.
,,Bis heute besteht keine Einigung darüber, welche Lernmethoden
dem Begriff nun zuzuordnen sind und welche nicht. Ob Anbieter
oder Anwender ­ jeder scheint sein eigenes Verständnis von
eLearning zu haben."
11
Dies mag daran liegen, dass der technische Fortschritt gerade im
Bereich der elektronischen Medien sehr schnell voranschreitet. So
beziehen sich einige Definitionsversuche auf die frühen Wurzeln der
neuen Lerntechnologien, andere beschreiben neuere Entwicklungen
und trennen das heutige eLearning von seinen Ursprüngen.
,,Im Allgemeinen wird eLearning als der Oberbegriff für elektro-
nisch (also informations- und kommunikationstechnologie-)
unterstütztes Lernen definiert. Wichtig ist dabei, dass die
eingesetzten Technologien auch wirklich unmittelbar mit dem
Lernprozess verbunden sind und nicht nur rudimentäre
Hilfsmittel darstellen."
12
Zunehmend wird der Begriff eLearning allerdings auf internetge-
stützte Lernformen begrenzt und soll damit auch eine Abgrenzung zu
Offline-Medien wie Lernvideos, Hörkassetten, Firmen- oder
Schulfernsehen verdeutlichen.
Für Marc Rosenberg
13
ist eLearning insbesondere durch drei Merk-
male charakterisiert:
1.
2.
,,eLearning ist vernetztes Lernen, wodurch augenblickliches Aktuali-
sieren, Sichern/Wiederherstellen, Verteilen und Zugreifen auf
Anweisungen oder Informationen realisierbar ist;
eLearning wird durch einen Computer, der
Standardinternettechnologie benutzt, an den Enduser geliefert;
10
Masie, E.: a.a.O., S. 38.
11
Schaller, Katrin: e-Learning ­ Was ist das eigentlich? [WWW]
http://www.e-
business.de/texte/5263.asp
(09.10.2002).
12
Schaller, K.: a.a.O.
13
Vgl. Rosenberg, Marc J.: E-Learning. Strategies for Delievering Knowledge in
the Digital Age. New York 2001.
© Christoph Lau, Kassel
16

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
3.
eLearning basiert auf einem breiten Begriff des Lernens - Lernen
von Lösungen, die die traditionellen Paradigmen der Ausbildung
überschreiten."
14
Man kommt am ehesten zu einer gemeinsamen Definition, wenn man
versucht, die mit dem eLearning verbundenen Ober- und
Unterbegriffe gegeneinander abzugrenzen:
Distance Learning bezeichnet alle Lernformen, die ohne die physische
Präsenz der Lernenden in einem Schulungsraum auskommen. Hierzu
zählen z.B. Lehrbriefe oder Schulungsvideos. Distance Learning lässt
sich im Deutschen am besten mit dem Begriff Fernstudium
übersetzen.
Als Computer Based Training (CBT) wird das Lernen mit Offline-
Medien bezeichnet. Die Lerninhalte werden mit Hilfe von Lernsoftware
oder CD-ROMs vermittelt.
Die Begriffe Internet Based Learning oder Web Based Training (WBT)
werden zunehmend gleichbedeutend mit eLearning verwendet.
,,Damit werden Lernprozesse bezeichnet, die durch Internet-
Technologien gestützt werden. In der Regel umfassen diese for-
male Unterrichtseinheiten und Werkzeuge zur Kommunikation.
Auch schließt Internet-basiertes Lernen die Vermittlung von
Lerninhalten über Intranets, Extranets und CD-ROM ein, wenn
die in Internet-üblichen Technologien geschrieben und mit einem
Webbrowser nutzbar sind."
15
Entscheidend sind dabei für Hermann Maurer die unterschiedlichen
Kommunikationsmöglichkeiten im eLearning.
16
,,[Hermann Maurer, d. Verf.] .. bezeichnet eLearning als einen
,,Aspekt des Wissenstransfers" und sieht die kommunikativen
Einrichtungen von eLearning (Cybercafes, Chats, Foren) als kriti-
sche Erfolgsfaktoren. Gleichzeitig gibt er auch das Fehlen dieser
Einrichtungen als einen der Hauptgründe an, warum isolierter
computergestützter Unterricht nie sehr erfolgreich wurde."
17
In zunehmendem Maß wird eLearning auch mit klassischen Lernfor-
men (z.B. Präsenztagen) kombiniert. In diesem Fall spricht man von
hybridem Lernen oder Blended Learning.
In jedem Fall ist es sinnvoll, den Fokus nicht allein auf die benutzten
Technologien zu legen, sondern diese eher unter methodischen
14
Helmer, Chr.: a.a.O., S. 10.
15
Schaller, K.: a.a.O.
16
Vgl. Maurer, Hermann: eLearning muss als Teil von Wissensmanagement
gesehen werden [WWW],
http://www.iicm.edu/hmaurer/publications/by_area/knowledge_management?
hyperwave=action%3Dplain.action
(11.07.2001), S.1.
17
Helmer, Chr.: a.a.O., S. 13.
© Christoph Lau, Kassel
17

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
Aspekten zu betrachten. So sollte die Fragestellung im Vordergrund
stehen, wie sich Medien sinnvoll einsetzen lassen, um bestimmte
Lernziele effektiv und effizient zu vermitteln.
,,Das bedeutet vor allem, dass bei der Konzeption einer eLear-
ning-Situation weder die technische Ausstattung ohne
Überlegungen der didaktischen Konzeption realisiert werden
sollte, noch umgekehrt. Daraus entstehend resultieren Szena-
rien, die gegenüber herkömmlichen Lehrsituationen ein
eigenständiges Profil aufweisen."
18
Das besondere am eLearning ist dabei, dass völlig neue Möglichkeiten
der Wissensvermittlung geboten werden. So ist es möglich, Wissen
sehr schnell, erlebnisorientiert (z.B. durch Simulationen) und interak-
tiv zu vermitteln.
19
2.2 Lerntheorien
Bei der Gestaltung von Lernsoftware spielen insbesondere drei lern-
theoretische Grundorientierungen eine Rolle: die behavioristische, die
kognitivistische und die konstruktivistische Lerntheorie.
20
Als Verbin-
dung des kognitivistischen und des konstruktivistischen Ansatzes
finden sich darüber hinaus auch immer wieder Variationen des von
Mandl u.a. favorisierten Ansatzes des Situierten Lernens.
2.2.1 Behaviorismus
Die behavioristische Lerntheorie entwickelte sich Anfang des 20.
Jahrhunderts. Frühe Vertreter dieser Theorie waren John Broadus
Watson
21
(1878-1958) und Iwan P. Pawlow
22
(1849-1936), wobei J.
B. Watson als erster den Begriff Behaviorismus verwendete.
Der Behaviorismus ist dem Objektivismus zuzuordnen. Nach dieser
Erkenntnistheorie existiert Wissen extern und unabhängig vom
Lernenden. Das Ziel des Lernens ist es demnach, Kenntnisse über
diese Objekte zu erlangen.
18
Manager Seminare Online: Lexikon des eLearning. [WWW]
http://www.managerseminare.de/msemi/996206/frontend/elexikon_liste.html?
kat=2000
(13.03.2003).
19
Vgl. Magnus, Stephan: E-Learning. Die Zukunft des digitalen Lernens im
Betrieb. Wiesbaden 2001 S. 17 und 41.
20
Vgl. Tulodziecki, Gerhard: Computerunterstütztes Lernen aus
mediendidaktischer Sicht. In: In: Kammerl, Rudolf (Hrsg.):
Computerunterstütztes Lernen. München, Wien 2000, S. 57.
21
Watson, J. B.: Psychology as the behaviorist views. In: Psychological Review,
20, S. 157-158, 1913.
22
Pawlow, Iwan P.: Conditioned reflex. New York 1960.
© Christoph Lau, Kassel
18

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
,,Nach objektivistischer Auffassung gibt es (genau) eine vollstän-
dige und korrekte objektive Form, in der diese existieren. Da die
externe Welt unabhängig vom Bewusstsein (also für jeden
gleich) ist, kann man also über ihre Objekte Aussagen treffen,
die objektiv, absolut und ohne Einschränkung wahr oder falsch
sind. Unterschiedliche Positionen oder Sichtweisen sind dann
eine Frage fehlerhafter Wahrnehmung der Welt."
23
2.2.1.1 Reiz-Reaktions-Lernen
Der Behaviorismus konzentriert sich auf Phänomene, die exakt beob-
achtbar und messbar scheinen. Da alles, was sich innerhalb des Men-
schen abspielt (z.B. Denkprozesse), nach behavioristischem
Wissenschaftsverständnis nicht messbar ist, beschränkt er sich auf
beobachtbare Vorgänge außerhalb des Menschen. Der Mensch wird
als ,,Black Box" angesehen.
,,Das Verhalten eines jeden Organismus, also auch das des Men-
schen, ist nichts anderes als seine Reaktion auf bestimmte Um-
weltreize, mit der sich der Organismus an die Umwelt anpasst."
24
Somit kann auch menschliches Lernen als Reaktion (Response) auf
äußere Reize und Verstärkungen (Stimuli) angesehen werden.
Abbildung 4: Grundannahme des Behaviorismus
25
Demnach lässt sich Lernen wesentlich durch Belohnungen und Be-
strafungen steuern, komplexe Aufgaben müssen dazu nur in kleine
Lernschritte zerlegt und in die richtige Reihenfolge gebracht werden.
23
Blumstengel, Astrid: Entwicklung hypermedialer Lernsysteme. Berlin 1998, S.
107.
24
Baumgart, Franzjörg (Hrsg.): Entwicklungs- und Lerntheorien. Erläuterungen,
Texte, Arbeitsaufgaben. Bad Heilbrunn/Obb., 2., durchgesehene Auflage 2001,
S. 109.
25
Rosemann, Bernhard; Bielski, Sven: Einführung in die Pädagogische
Psychologie. Weinheim, Basel 2001, S. 19.
© Christoph Lau, Kassel
19

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
Besonders bekannt geworden ist der Behaviorismus durch die Expe-
rimente von I. P. Pawlow zu bedingten und unbedingten Reflexen bei
Tieren.
26
Das Erzeugen von bedingten Reflexen wird als klassische Konditio-
nierung, Signallernen, reaktives Lernen oder auch Reiz-Reaktions-
Lernen bezeichnet.
27
2.2.1.2 Instrumentelles
Lernen
Der Psychologe Burrhus Frederic Skinner (1904-1990) formulierte auf
der Basis von Laborexperimenten die ,,Reinforcement Theory".
,,Diese postuliert, dass Menschen sich am wahrscheinlichsten in
einer gewünschten Art und Weise verhalten, wenn sie dafür be-
lohnt werden. Belohnungen sind am effektivsten, wenn sie un-
mittelbar auf das erwünschte Verhalten erfolgen. Verhalten, das
nicht belohnt oder auch bestraft wird, wird wahrscheinlich nicht
wiederholt."
28
Mit dieser Theorie erweiterte Skinner das reine Reiz-Reaktions-Lernen
und das operante Konditionieren oder auch instrumentelle Lernen, bei
dem ein Verhalten nicht allein von dem vorausgegangenen Reiz, son-
dern auch von der nachfolgenden Konsequenz abhängig ist.
26
,,Pawlow untersuchte um die Jahrhundertwende den Zusammenhang zwischen
Speichelfluss (Reaktion) und Fütterung (Reiz) bei seinen Versuchstieren, also
eine angeborene Reiz-Reaktions-Verbindung bei Hunden und anderen
Lebewesen. Dabei entdeckte er, dass auch ein Glockenton, ein anfänglich
,,neutraler" Reiz, die gleiche Reaktion wie Futter (also den Speichelfluss)
auslöste, sofern er oft genug während oder kurz vor der Fütterung ertönte. Die
Versuchstiere hatten also eine neue Reiz-Reaktions-Verbindung ,,erlernt"; sie
waren ,,konditioniert" worden, ihren Speichel auch ohne Fütterung bei einem
Glockenton abzusondern." (Baumgart, F.: a.a.O., S. 110.)
27
Vgl. Blumstengel, A.: a.a.O., S. 109.
28
Blumstengel, A.: a.a.O., S. 109.
© Christoph Lau, Kassel
20

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
Zusammenfassung der Grundprinzipien von Verstärkung und
Bestrafung
Bestrafung
Wirkung
auf das
Individuum
Zukünftige Auftre-
tungswahrscheinlich-
keit des Verhaltens
Darbietung eines
negativen Stimulus
Unangenehme
Konsequenz
Verringerung (häufig nicht
dauerhaft)
Entfernung eines
positiven Stimulus
Unangenehme
Konsequenz
Verringerung (häufig nicht
dauerhaft)
Verstärkung
Wirkung
auf das
Individuum
Zukünftige Auftre-
tungswahrscheinlich-
keit des Verhaltens
Darbietung eines
positiven Stimulus
(positive Verstär-
kung)
Angenehme Konse-
quenz
Erhöhung
Entfernung eines
negativen Stimulus
(negative Verstär-
kung)
Angenehme Konse-
quenz
Erhöhung
Tabelle 1: Zusammenfassung der Grundprinzipien von Verstärkung und
Bestrafung
29
2.2.1.3
Lernen am Modell
A. Bandura, D. Ross und S. A. Ross
30
nahmen schließlich an, dass
Verhaltensänderungen und Lernleistungen allein aufgrund der Beo-
bachtung eines Modells stattfinden können (Lernen am Modell). Dazu
sei es wichtig, dass das neue Verhalten für den Lernenden attraktiv
ist und er ihm Aufmerksamkeit entgegenbringt. Außerdem müsse er
das neue Verhalten im Gedächtnis abspeichern können. Wie häufig
das neu erlernte Verhalten eingesetzt wird, hänge wieder von den
Konsequenzen ab, die dieses Verhalten nach sich zieht. Darüber hin-
aus spiele aber auch eine Rolle, welche Konsequenzen dieses Verhal-
ten für das Modell nach sich zieht.
,,Erzielt das Modell mit dem Verhalten positive Konsequenzen, ist
die Wahrscheinlichkeit der Ausführung des Verhaltens durch den
Beobachter hoch. Werden jedoch negative Konsequenzen
beobachtet, verringert sich die Wahrscheinlichkeit der Ausfüh-
29
Rosemann, B.; Bielski, S.: a.a.O., S. 32.
30
Bandura, A.; Ross, D.; Ross, S. A.: Imitation of film mediated aggressive
models. Journal of Abnormal and Social Psychology, 66 (1963) S. 3-11.
© Christoph Lau, Kassel
21

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
rung des Verhaltens. Dieses wird als stellvertretende
Verstärkung bezeichnet: stellvertretend für den Beobachter wird
das Modell verstärkt."
31
2.2.1.4 Programmierte
Instruktion
Später dann formulierte Skinner das Konzept der ,,Programmierten
Instruktion". Diese Theorie schlägt vor, den zu vermittelnden Lern-
stoff in einer Abfolge von Fragen und Antworten zu bearbeiten, wobei
mit einfachen Themen begonnen und der Schwierigkeitsgrad langsam
gesteigert wird. Dabei sollen die Lernenden die Aufgaben, deren
Lernziele möglichst objektiv und eindeutig formuliert sein sollten, in
eigenem Tempo ­ aber in der vorgegebenen Reihenfolge ­
bearbeiten. Nach der Bearbeitung einer Aufgabe sollte möglichst so-
fort eine Rückmeldung folgen, wobei es für besonders ausdauerndes
oder erfolgreiches Arbeiten zusätzliche Belohnungen gibt. Da die Auf-
gaben insgesamt sehr einfach gestellt sind und mit großer
Wahrscheinlichkeit richtig gelöst werden, erhält der Lernende mehr
positive als negative Rückmeldungen.
Nach diesen von Skinner entwickelten Prinzipien wurden zunächst
Lehrbücher und später auch Computerprogramme entwickelt, bei de-
nen auf sehr kurze, aufeinander aufbauende Informationsabschnitte
sofortige Testfragen folgten. Zum Teil wurden die neuen Informati-
onseinheiten erst nach der richtigen Antwort der vorhergehenden
Testfragen präsentiert, so dass die Lernreihenfolge vollständig vorge-
geben war.
32
Abbildung 5: Schaubild zur programmierten Instruktion
33
31
Rosemann; B.; Bielski, S.: a.a.O., S. 43.
32
Vgl. Blumstengel, A.: a.a.O., S. 109f.
33
Schweikhardt, Waltraud: Rechnerunterstütztes Lehren und Lernen.
Präsentationsfolien der Vorlesung im Wintersemester 2001/02. Universität
© Christoph Lau, Kassel
22

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
Im eLearning werden die verschiedenen Formen linearer systemge-
steuerter Lernprogramme unter dem Begriff tutorielle Systeme zu-
sammengefasst.
,,Vor allem der Einsatz der auf der Programmierten Instruktion
basierenden Lernprogramme erlebte in den 60er Jahren zunächst
einen Boom, stagnierte danach aber. Es zeigte sich, dass die
Programme relativ inflexibel waren und oft zu Langeweile führ-
ten, da die Aufgabe der Lernenden lediglich darin bestand, auf
Basis auswendig gelernten Wissens zur richtigen Zeit den
richtigen Knopf zu drücken. Getestet wurde die Wiedergabe, aber
nicht die Anwendung von Konzepten."
34
Obwohl inzwischen andere wissenschaftliche Lernmodelle entwickelt
wurden, sind auch heute noch viele eLearning-Programme nach be-
havioristischen Gesichtspunkten gestaltet,
35
was daran liegen dürfte,
dass der Entwicklungsaufwand und die technischen Anforderungen für
diesen Programmtyp verhältnismäßig gering sind.
36
2.2.1.5 Kritik
Die Kritik an der behavioristischen Lerntheorie entzündet sich haupt-
sächlich an der Reduzierung des Lernens auf das Konditionieren und
die eingeschränkte Betrachtung des Menschen als ,,Black Box" sowie
der damit verbundenen Vernachlässigung individueller Faktoren.
Somit ist diese Methode zur Erreichung einfacher Lernziele geeignet,
bei denen es um das Aneignen und Wiederholen von vorgegebenen
Lerninhalten geht.
,,Typische Probleme bei behavioristischer Instruktion sind die
starke Atomisierung von Lerninhalten, die oft für Prüfungen aus-
wendig gelernt und anschließend vergessen werden. Dies kommt
in zusammenhanglosem trägen Wissen und mangelndem Trans-
fer zum Ausdruck. Die Lernenden verfügen nicht über ausrei-
chende Fähigkeiten, um komplexe realistische Probleme zu
lösen. Sie erhalten zu wenige Möglichkeiten, sich Strategien zum
selbstgesteuerten, eigenverantwortlichen Lernen und Problemlö-
sen anzueignen. Gerade diese sind aber, zusammen mit der Fä-
higkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit Konzepten und
Stuttgart, Institut für Informatik. [WWW]
http://wwwvis.informatik.uni-
stuttgart.de/ger/research/proj/rull-online/
(06.02.2003), Kapitel 2, S. 11.
34
Blumstengel, A.: a.a.O., S. 110.
35
Von 2.424 im Jahr 1995 untersuchten Software-Einheiten für den schulischen
Unterricht waren 56,5% der Kategorie ,,Tutorials und Übungsprogramme"
zuzuordnen (Kammerl, Rudolf (Hrsg.): Computerunterstütztes Lernen.
München, Wien 2000, S. 16).
36
Vgl. Kammerl, R.: ebd.
© Christoph Lau, Kassel
23

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
Denkmustern und dem erfolgreichen Agieren im sozialen Kontext
in einer immer dynamischeren Gesellschaft essentiell."
37
In eLearning-Programmen, die sich an der behavioristischen
Lerntheorie orientieren, werden Informationen und Aufgaben so als
Hinweisreize präsentiert, dass ein gewünschtes Lernverhalten nahe
liegt. Sobald das entsprechende Lernverhalten vom Lernenden ge-
zeigt wird, wird dieses bekräftigt (durch lobende Kommentare,
positive Rückmeldungen, die Vergabe von Punkten, etc.).
,,Beispielsweise kann das gewünschte Lernverhalten darin beste-
hen, bei Rechtschreibübungen richtige Buchstaben einzusetzen,
bei Rechenaufgaben die geforderten Operationen korrekt anzu-
wenden oder bei der Schulung von Fertigkeiten eine vorgeführte
Tätigkeit angemessen auszuüben."
38
Im eLearning wird die behavioristische Lerntheorie insbesondere in
Präsentationen, Guided Tours
39
, Drill & Practice-Programmen
40
oder
Multiple-Choice-Tests umgesetzt.
41
2.2.2 Kognitivismus
Mit behavioristischen Lerntheorien lässt sich erklären, warum Ver-
halten häufiger oder weniger häufig gezeigt wird und wie Verhalten
durch Beobachtung neu gelernt werden kann. Nicht erklären lassen
sich jedoch Verhaltensweisen, die die Lernenden nicht von anderen
Personen übernommen haben können.
Für den Erwerb gänzlich neuer Verhaltensweisen bieten z.B. kogniti-
vistische Lerntheorien Erklärungsmodelle an.
Im Gegensatz zur behavioristischen Lerntheorie spielen bei der
kognitivistischen Sichtweise der Lernprozesse die Denk- und Verste-
hensprozesse eine zentrale Rolle.
,,Die kognitionstheoretische Grundposition unterscheidet sich von
der behavioristischen zunächst dadurch, dass der Lernende als
ein Individuum begriffen wird, das äußere Reize aktiv und selb-
ständig verarbeitet und nicht einfach durch äußere Reize steuer-
bar ist."
42
37
Blumstengel, A.: a.a.O., S. 111.
38
Tulodziecki, G.: ebd.
39
Um den Lernenden die Orientierung zu erleichtern, wird ein bestimmter
Lernweg vorgeschlagen. Vgl. Kapitel 3.6.1.2 Self-directed Learning.
40
Übungs- und Testsysteme. Vgl. Kapitel 3.6.2.1 Computer Based Training.
41
Vgl. Kammerl, R.: a.a.O., S. 13.
42
Tulodziecki, Gerhard u.a.: Neue Medien in den Schulen: Projekte ­ Konzepte ­
Kompetenzen. Gütersloh 1996, S. 43.
© Christoph Lau, Kassel
24

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
Lernen wird als ein Prozess der Informationsverarbeitung angesehen,
bei dem das Gehirn Informationen verarbeitet und daraus Reaktionen
generiert.
Sehr anschaulich wird dieser Prozess in dem Kommunikationsmodell
,,Die vier Seiten einer Nachricht" von Schulz von Thun dargestellt.
Abbildung 6: Die vier Seiten einer Nachricht
43
Bei diesem Modell gibt es einen Sender, eine Nachricht, die in einer
bestimmten Form übermittelt wird (Ton, Bild, etc.) und den Empfän-
ger der Nachricht, bei dem die übermittelten Informationen individuell
verarbeitet werden. Auf den Lernprozess übertragen wäre der Sender
der Lehrende, die Nachricht der Lernstoff und der Empfänger der Ler-
nende, der die Nachricht für sich übersetzt und dabei sein individuel-
les Vorwissen, seine Erfahrungen und seine persönliche Situation
berücksichtigt. Dieses Modell zeigt, dass die Reaktion des Lernenden
von seiner Deutung des Lernstoffes abhängt (4 Seiten).
Bildung wird in der kognitivistischen Lerntheorie als
,,... Internalisierung, d.h. Aufnahme und Verarbeitung von Wis-
sen, z.B. durch den Aufbau mentaler Modelle, Schemata o.ä.
verstanden."
44
Den Prozess der Informationsverarbeitung kann man ebenfalls in
mehrere Schritte aufteilen.
Abbildung 7: Modell der menschlichen Informationsverarbeitung
45
43
Schulz von Thun, F.: Miteinander Reden 1. Störungen und Klärungen. Reinbek
bei Hamburg 1981, S. 30.
44
Blumstengel, A.: a.a.O., S. 112.
45
Rosemann, B.; Bielski, S.: a.a.O., S. 58.
© Christoph Lau, Kassel
25

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
So muss eine Information, bevor sie verarbeitet werden kann, zu-
nächst aufgenommen werden. Da jedoch wesentlich mehr Reize auf
einen Menschen einströmen, als dieser verarbeiten kann, werden
diese durch das kognitive System nach persönlicher Relevanz sortiert.
So wird ein Teil der Umweltreize zwar wahrgenommen aber nicht
weiter verarbeitet.
46
,,Hier wird deutlich, dass der Wahrnehmungsprozess nicht gleich-
zusetzen ist mit einer objektiven Aufnahme von Informationen.
Er ist vielmehr höchst subjektiv. Da die im kognitiven System
vorhandenen Muster bzw. Schemata interindividuell (zwischen
zwei Individuen) und im Verlaufe der Lebensspanne sogar
intraindividuell (innerhalb eines Individuums) differieren, neh-
men verschiedene Individuen den gleichen Wahrnehmungsge-
genstand schon deshalb unterschiedlich wahr, weil sie
unterschiedliche Aspekte daran betrachten."
47
Im Kognitivismus wird von einem extern und objektiv existierenden
Wissen ausgegangen, das mit der internen Struktur des Lernenden in
Wechselwirkung tritt. In der Annahme des extern und objektiv vor-
handenen Wissens tragen kognitivistische Theorien noch eindeutig
objektivistische Züge.
Darüber hinaus betont der Kognitivismus das Prinzip des entdecken-
den Lernens. Das bedeutet:
· Der Lernende steuert seinen Lernprozess eigenständig.
· Der Lernende muss Informationen selbst finden, ordnen und be-
werten, um daraus Regeln und Problemlösungen abzuleiten. Die
Informationen werden nicht fertig strukturiert präsentiert.
· Der Lernende soll durch seine Neugier und sein Interesse geleitet
werden und keine Fakten auswendig lernen, sondern Lösungen
für Fragen entwickeln.
· Das Lernen hat die Ausbildung der Problemlösefähigkeit zum
Ziel.
48
Im Hinblick auf die Entwicklung von eLearning-Programmen führt die
Anwendung der kognitivistischen Lerntheorie und des Prinzips des
entdeckenden Lernens zu der Entwicklung reicherer Lernumgebungen
mit einer Vielzahl von Möglichkeiten, die den Lernenden verschiedene
Lernwege eröffnen und stärkeren Wert auf Metawissen legen.
49
46
Vgl. Reddy, P.: Aufmerksamkeit und das Lernen von Fertigkeiten. In: Banyard,
P. u.a. (Hrsg.): Einführung in die Kognitionspsychologie. München 1995, S. 91-
119.
47
Rosemann, B.; Bielski, S.: a.a.O., S. 59.
48
Vgl. Blumstengel, A.: a.a.O., S. 112f.
49
Vgl. Blumstengel, A.: a.a.O., S. 113.
© Christoph Lau, Kassel
26

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
2.2.2.1 Gestaltpsychologie
Ein kognitivistisches Lernmodell ist der gestaltpsychologische Ansatz.
Der zentrale Begriff in dem gestaltpsychologischen Lernmodell der
sog. ,,Berliner Schule"
50
ist der Begriff der Einsicht, womit jedoch
nicht nur reflektierende Bewusstseinsleistungen, sondern genauso
vorbewusste Vorgänge
51
gemeint sind.
,,Einsicht ist die plötzliche Wahrnehmung von Beziehungen zwi-
schen Elementen einer Problemsituation."
52
Da ,,Ein-Sichten"
53
durch Wahrnehmungsprozesse erzeugt werden
und die Grundlage jedes Verhaltens sind, beschäftigen sich die Ver-
treter der Gestaltpsychologie (insbesondere Wolfgang Köhler, Kurt
Koffka (1886-1941) und Max Wertheimer (1880-1943)) mit der Er-
forschung von Wahrnehmungsprozessen und ihrer subjektiven Verar-
beitung.
Aus der Entdeckung des so genannten Phi-Phänomens
54
leiteten die
Gestalttheoretiker den Grundsatz ab,
,,... dass sich die Wahrnehmung von sinnlichen Eindrücken nicht
aus der Addition ihrer Einzelheiten ergibt, sondern sich an Ganz-
heiten, an ,,Gestalten" orientiert, mit denen das wahrnehmende
Subjekt .. die Vielzahl der Einzeldaten zusammenfasst und mit
Bedeutung versieht."
55
Somit wird das Ganze durch eine kognitive Leistung des Individuums
zu etwas anderem als der Summe seiner Teile, was zur Aufstellung
des ,,Gesetzes der guten Gestalt" führte:
,,Das ,,Gesetz der guten Gestalt" besagt, dass eine Tendenz be-
steht, dass alles, was wahrgenommen wird, die bestmögliche
Gestalt annimmt."
56
Das ,,Gesetz der guten Gestalt" ist durch die vier Prinzipien Prinzip
der Kontinuität
57
, Prinzip der Nähe
58
, Prinzip der Ähnlichkeit
59
und
Prinzip der Geschlossenheit noch klarer bestimmt.
60
50
In Abgrenzung zu der Leipziger Schule.
51
Vgl. Baumgart, F.: a.a.O., S. 170.
52
Edelmann, W.: Lernpsychologie. Eine Einführung. Weinheim 1994, S. 333.
53
Vgl. Köhler, W.: The Mentality of Apes. New York 1925. Ursprünglich
erschienen unter dem Titel: Intelligenzprüfungen bei Menschenaffen. Berlin
1921.
54
Unter dem Phi-Phänomen wird der Effekt verstanden, dass hintereinander
aufleuchtende Lichter (z.B. Warnleuchten einer Autobahnbaustelle) beim
Betrachtenden den Eindruck einer Bewegung auslösen (vgl. Rosemann, B.;
Bielski, S.: a.a.O., S. 54).
55
Baumgart, F.: a.a.O., S. 169.
56
Rosemann, B.; Bielski, S.: a.a.O., S.55.
© Christoph Lau, Kassel
27

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
Das Prinzip der Geschlossenheit besagt, dass Menschen versuchen,
eine unvollständige Figur als vollständig wahrzunehmen. So nehmen
viele Menschen in folgenden Abbildungen ein Dreieck und einen Kreis
wahr, obwohl nur mehrere Linien dargestellt sind.
Abbildung 8: Prinzip der Geschlossenheit
61
Nach Auffassung der Gestaltpsychologie verhält es sich mit dem Ler-
nen ähnlich wie mit der Wahrnehmung. Demnach hätten Probleme
eine schlechte oder offene Gestalt, die es zu schließen gilt, damit die
Spannung, die die schlechte Gestalt erzeugt, aufgelöst werden kann.
Verhalten ist demnach zielgerichtet und nicht allein aus der unmittel-
baren Reaktion auf äußere Bedingungen zu erklären, sondern es
resultiert ­ auch ­ aus einer Interpretationsleistung des Individuums.
Lernen und Verhaltensänderungen werden also ausgelöst, um eine
innere Spannung zu reduzieren.
62
,,Lernen stellt sich nach dem gestaltpsychologischen Konzept
dann ein, wenn im Wahrnehmungsfeld eine Störung auftritt, z.B.
wenn ein gewohnter Handlungsablauf durch eine Barriere ge-
hemmt wird. Durch eine Um- und Durchorganisation des Wahr-
nehmungsfeldes kommt es zu neuen Bedeutungszumessungen,
bis sich gleichsam als ein ,,Aha-Erlebnis" eine Einsicht ergibt.
Hierdurch wird es ermöglicht, sinnvolle Werkzeugbenutzung zu
erlernen, Hindernisse zu überwinden und einsichtig zu han-
deln."
63
57
Elemente, die in einer gewissen Kontinuität angeordnet sind, werden als
zusammengehörend wahrgenommen.
58
Nah beieinander liegende Elemente werden als zusammengehörend
wahrgenommen.
59
Ähnlich aussehende Elemente werden als zusammengehörend wahrgenommen.
60
Vgl. Thissen, Frank: Screen-Design-Handbuch. Effektiv informieren und
kommunizieren mit Multimedia. Berlin, Heidelberg, New York, Barcelona,
Hongkong, London, Mailand, Paris, Singapur, Tokio 2., überarbeitete und
erweiterte Auflage 2001, S. 132f.
61
Vgl. Rosemann, B.; Bielski, S.: a.a.O., S. 55.
62
Vgl. Rosemann, B.; Bielski, S.: a.a.O., S. 57.
63
Schröder, H.: a.a.O., S. 44.
© Christoph Lau, Kassel
28

eLearning: Lernprozess und Lernfortschrittskontrolle
Aus den Erkenntnissen der Gestaltpsychologie ergeben sich eine Viel-
zahl von Konsequenzen für den Aufbau und die Gestaltung von
eLearning-Programmen.
64
2.2.2.2 Ganzheitspsychologie
Noch weiter als die Vertreter der Gestaltpsychologie gehen die Ver-
treter der Ganzheitspsychologie um Krüger (1874-1948) und die sog.
,,Leipziger Schule", die in den Mittelpunkt ihrer Theorie nicht nur den
Begriff der Gestalt, sondern darüber hinaus die gesamte ,,Leib-Seele-
Geist-Einheit" des Menschen stellen. Dies bedeutet, dass sämtliche
Bestandteile (Körper, Seele, Geist) des Menschen und der Umwelt
miteinander in einem ,,unauflöslichen Wirkzusammenhang"
65
stehen,
wobei das Gefühl eine dominierende Position übernimmt. Aus dieser
Theorie folgt, dass sich auch die Entwicklung der Persönlichkeit (und
damit Lernen) nie nur in bestimmten Teilen oder festgelegten Berei-
chen vollzieht (z.B. dem Verhalten), sondern ,,... immer als eine Ver-
änderung der Komplexqualität der körperlich-seelisch-geistigen
Einheit"
66
zu sehen ist.
Nach diesem Ansatz sollten neben der kognitiven Förderung genauso
auch die affektiven und psychomotorischen Bereiche in den Lernpro-
zess einbezogen werden.
67
Außerdem wird empfohlen, den Lernstoff
nicht in einzelne Fächer zu unterteilen, sondern an den Lebenszu-
sammenhängen der Lernenden zu orientieren.
Insgesamt wandelte sich das Menschenbild in der Psychologie mit
dem Erstarken der kognitiven Ansätze
,,... von der Modellvorstellung eines passiv reagierenden Men-
schen zu einem planenden, selbständig handelnden und wahr-
nehmenden Individuum."
68
2.2.3 Konstruktivismus
Bereits im 18. Jahrhundert wurde der Begriff des Konstruktivismus
von dem italienischen Philosophen Giambattista Vico verwendet.
Weitere historische Wurzeln finden sich bei Comenius, Montessori und
Piaget.
69
64
Vgl. Kapitel 3.7 Konsequenzen für das Lernen mit eLearning-Anwendungen.
65
Schröder, H.: a.a.O., S. 45.
66
Schröder, H.: a.a.O., S. 46.
67
Vgl. Kapitel 3.7 Konsequenzen für das Lernen mit eLearning-Anwendungen.
68
Lück, H. E.: Geschichte der Psychologie. Stuttgart 1991, S. 161.
69
Vgl. Blumstengel, A.: a.a.O., S. 114.
© Christoph Lau, Kassel
29

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832468996
ISBN (Paperback)
9783838668994
DOI
10.3239/9783832468996
Dateigröße
3.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Kassel – Sozialwesen
Erscheinungsdatum
2003 (Juni)
Note
2
Schlagworte
lernerfolg lerntheorien lerngrundlagen lernkontrolle
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