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Ökologische Steuerreform - das Problem der doppelten Dividende

©1999 Diplomarbeit 96 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Bundesregierung verfolgt mit der Ökosteuer die beiden Ziele: Verbesserung der Umwelt und Senkung der Arbeitslosigkeit. Die Nutzung der Umwelt verteuern und gleichzeitig die Kosten der Arbeit senken, scheint die Lösung dieser beiden Probleme zu sein. Eine ökologische Steuerreform wirft somit eine doppelte Dividende in Form einer besseren Umwelt (erste Dividende) und einer höheren Beschäftigung (zweite Dividende) ab. Alternativ dazu, wird unter der zweiten Dividende ein effizienteres Steuersystem verstanden, wenn die Ökosteuereinnahmen zur Senkung verzerrender Steuern verwendet werden. Ziel dieser Arbeit ist es daher, zu klären, ob die Ökologisierung des Steuersystems ein geeignetes Mittel ist, die Umweltqualität zu verbessern, daß Steuersystem effizienter zu machen und gleichzeitig die Arbeitslosigkeit zu verringern.
Die Vorgehensweise ist dabei wie folgt:
Die Auseinandersetzung mit Umweltpolitik hat ihre Ursache letztlich darin, daß der Markt von sich aus heraus, für keine effiziente Allokation des Gutes Umwelt sorgt. Daher wird am Anfang auf die Ursache für diese Umweltprobleme, nämlich externe Effekte, näher eingegangen. Des weiteren werden mit dem Coasetheorem und der Pigousteuer zwei Möglichkeiten aufgezeigt, diese externen Effekte zu internalisieren. Die mit diesen Konzepten verbundenen Umsetzungsschwierigkeiten machen es notwendig auf Umweltinstrumente zurückzugreifen, die geringere Anforderungen stellen. Hierbei werden die Vor- und Nachteile von Abgaben und Auflagen verglichen.
In einem zweiten großen Komplex werden die Besonderheiten der Ökosteuer analysiert. Dabei werden insbesondere die Merkmale der damit verbundenen Konzepte für eine ökologische Steuerreform erarbeitet. Der Zielkonflikt zwischen der Einnahmenerzielung und Lenkungsabsicht steht hier im Vordergrund. Anschließend wird der potentielle Lenkungserfolg der ökologischen Steuerreform der Bundesregierung abgeschätzt. In diesem Zusammenhang erfolgt vor allem eine kritische Bewertung der von der Bundesregierung gewählten Energiesteuer.
In einem weiteren Komplex findet dann die Auseinandersetzung mit der These der doppelten Dividende statt. Nach der Erläuterung der doppelten Dividende auf der Grundlage partialanalytischer Betrachtungen, erfolgt die Analyse dieser auf der Basis allgemeiner Gleichgewichtsmodelle (Bovenberg, Goulder, Oates, Mooij, Schneider, Parry). Im Vordergrund stehen hier die Auswirkungen einer aufkommensneutralen ökologischen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Darstellungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlagen der umweltökonomischen Theorie
2.1 Externe Effekte und öffentliche Güter
2.2 Möglichkeiten der Internalisierung externer Effekte
2.2.1 Die Pigousteuer
2.2.2 Das Coasetheorem
2.3 Vergleich von Umweltabgaben mit dem Ordnungsrecht
2.3.1 Auflagen
2.3.2 Abgaben

3. Auswirkungen einer ökologischen Steuerreform auf das Steuersystem
3.1 Von der Umweltabgabe über die Ökosteuer zur ökologischen Steuerreform
3.2 Merkmale ökologischer Steuerreformvorschläge
3.2.1 Wahl der Bemessungsgrundlage
3.2.2 Tarifgestaltung
3.2.3 Aufkommensverwendung
3.3 Der Zielkonflikt zwischen Finanzierung und Lenkung
3.4 Bewertung der ökologischen Steuerreform der Bundesregierung unter dem Aspekt des Zielkonfliktes zwischen Lenkung und Einnahmenerzielung

4. Analyse der Umwelteffekte der ökologischen Steuerreform der Bundesregierung
4.1 Sind nationale Umweltsteuern bei globalen Umweltproblemen sinnvoll?
4.2 Ökologische Aspekte einer Energiesteuer
4.3 Generelle Auswirkungen auf den Primärenergieträgereinsatz
4.4 Beurteilung der Auswirkungen der Stromsteuer- und Mineralölsteuererhöhungen
4.4.1 Die Stromsteuer
4.4.2 Die Mineralölsteuererhöhung
4.5 Beurteilung der Effizienz der Maßnahmen zur Förderung erneuerbarer Energien

5. Analyse der Doppelten Dividende einer Ökosteuer
5.1 Entstehungsgeschichte der doppelten Dividende
5.2 Partialanalytische sowie allgemeine Gleichgewichtsanalyse der grundlegenden Zusammenhängen einer aufkommensneutralen ökologischen Steuerreform
5.3 Gibt es eine zweite Dividende in Form eines effizienteren Steuersystems?
5.4 Gibt es eine Beschäftigungsdividende?
5.4.1 Beschäftigungsdividende bei freiwilliger Arbeitslosigkeit
5.4.1.1 Umweltsteuern auf die Produktion
5.4.1.2 Umweltsteuern auf den Konsum
5.4.2 Beschäftigungsdividende bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit
5.4.2.1 Analyse der Effekte einer Ökosteuer bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit
5.4.2.2 Das Effizienzlohnmodell von Schneider (1997)

6. Analyse der Beschäftigungsaspekte der ökologischen Steuerreform der Bundesregierung
6.1 Einkommensentzugseffekte einer Ökosteuer
6.2 Von Vermeidungsinvestitionen ausgehende Beschäftigungseffekte
6.3 Beschäftigungsaspekte aus der Verwendung des Ökosteueraufkommens
6.3.1 Darstellung des Grundsachverhaltes
6.3.2 Wer trägt die Kosten der Ökosteuer?
6.3.3 Verwendung des Ökosteueraufkommens zur Senkung von Steuern und Abgaben
6.4 Die Ökosteuer der Bundesregierung verhindert Reformen auf dem Arbeitsmarkt und in den Sozialversicherungen

7. Politökonomische Aspekte von Ökosteuern
7.1 Beurteilung der Aufkommensneutralität der ökologischen Steuerreform zum gegenwärtigen Zeitpunkt
7.2 Analyse der Glaubwürdigkeit der Steuerpolitik in der Vergangenheit
7.3 Auswirkungen des Einflusses von Interessengruppen auf die Verwendung der Ökosteuereinnahmen in der Zukunft
7.3.1 Untersuchung der Beziehungen zwischen Interessengruppen, Wählern und Regierung
7.3.2 Erklärung des Einflusses von Interessengruppen
7.3.3 Einfluß von Gewerkschaften und Sozialverbänden auf die Politik der Regierung
7.3.4 Ein fluß von Umweltschutzverbänden und Umweltschutzindustrie auf die Politik der Regierung

8. Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis.

Darstellungsverzeichnis

Darstellung 1: Wirkungsweise einer Pigousteuer

Darstellung 2: Implizite CO2-Besteuerung von Energieträgern

Darstellung 3 Erläuterung der Doppel-Dividenden Hypothese

Darstellung 4: Wirkungen einer Pigousteuer in einem allgemeinen Gleichgewichtsmodell

Darstellung 5: Auswirkungen einer ökologischen Steuerreform auf die Beschäftigung bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit

Darstellung 6: Interaktionen zwischen den einzelnen Akteuren im politischen Entscheidungssystem

1. Einleitung

Die neue Bundesregierung hat das wahr gemacht, was von ihr zu erwarten war, unter anderem die Einführung einer Ökosteuer. Zum 01.04. 1999 ist das Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform in Kraft getreten. In der ersten Stufe steigt die Mineralölsteuer um 6 Pfennig je Liter, Heizöl wird um 4 Pfennig je Liter erhöht und Gas um 0,32 Pfennig je Kilowattstunde. Außerdem wird eine Stromsteuer von 2 Pfennig je Kilowattstunde eingeführt. Im Gegenzug werden die Beiträge zur Rentenversicherung um 0,8% gesenkt, je 0,4% für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. In den weiteren Stufen der ökologischen Steuerreform vom Jahre 2000 – 2003 soll der Rentenbeitrag von jetzt 19,5% auf 18,5% weiter sinken.[1] Zur Finanzierung dieser weiteren Senkung der Rentenversicherungsbeiträge sollen im genannten Zeitraum der Benzinpreis jährlich um 6 Pfennig und der Strompreis jährlich um 0,5 Pfennig pro Kilowattstunde steigen.

Die Bundesregierung verfolgt damit die beiden Ziele: Verbesserung der Umwelt und Senkung der Arbeitslosigkeit.[2] Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit, sowie der prognostizierten Gefahren durch zunehmende Umweltprobleme, ist die Motivation für diesen Schritt gut nachzuvollziehen. Die Nutzung der Umwelt verteuern und gleichzeitig die Kosten der Arbeit senken, scheint die langersehnte Lösung dieser beiden Probleme zu sein. Eine ökologische Steuerreform wirft somit eine doppelte Dividende in Form einer besseren Umwelt (erste Dividende) und einer höheren Beschäftigung (zweite Dividende) ab.[3] Alternativ dazu, wird unter der zweiten Dividende ein effizienteres Steuersystem verstanden, wenn die Ökosteuereinnahmen zur Senkung verzerrender Steuern verwendet werden.[4]

Hier trügt jedoch der Schein. Was auf den ersten Blick so logisch wirkt, beruht auf einer unvollkommenen Analyse des Problems. Wird der Energieverbrauch verteuert, fallen zusätzliche Kosten an, die letztlich ebenso von den Bürgern getragen werden, wie andere Steuern und Abgaben auch.[5] Damit reduziert sich aber eine ökologische Steuerreform auf ein normales Politikinstrument dessen Kosten gegen den Nutzen abgewogen werden müssen. Da der Umweltnutzen unsicher ist, interessiert vor allem die Frage, ob die Einführung einer Ökosteuer und gleichzeitige Senkung einer verzerrenden Steuer die Kosten der Besteuerung senkt. Ist das der Fall, bedarf es keiner aufwendigen Ermittlung des unsicheren Umweltnutzens.[6] Einer umfassenden Ökologisierung des Steuersystems stünde nichts mehr im Wege.

Durch die Möglichkeit das Umwelt- und das Arbeitsmarktproblem auf einen Schlag zu lösen, ist die Idee der doppelten Dividende bei Politikern sehr beliebt. Gleichzeitig werden dadurch jedoch die Gefahren für Wirtschaft und Umwelt deutlich, falls diese Politikempfehlung auf einer Fehleinschätzung beruht. Um so mehr ist eine grundlegende Analyse der Wirkungen einer ökologischen Steuerreform notwendig, da die Regierung diese als Patentrezept ansieht und in den weiteren Stufen noch ausweiten will. Ziel dieser Arbeit ist es daher, zu klären, ob die Ökologisierung des Steuersystems ein geeignetes Mittel ist, die Umweltqualität zu verbessern, daß Steuersystem effizienter zu machen und gleichzeitig die Arbeitslosigkeit zu verringern. Die Vorgehensweise ist dabei wie folgt:

Die Auseinandersetzung mit Umweltpolitik hat ihre Ursache letztlich darin, daß der Markt von sich aus heraus, für keine effiziente Allokation des Gutes Umwelt sorgt. Die existierenden Umweltprobleme machen dieses Marktversagen auf dramatische Weise deutlich. Daher wird am Anfang auf die Ursache für diese Umweltprobleme, nämlich externe Effekte, näher eingegangen. Des weiteren werden mit dem Coasetheorem und der Pigousteuer zwei Möglichkeiten aufgezeigt, diese externen Effekte zu internalisieren. Die mit diesen Konzepten verbundenen Umsetzungsschwierigkeiten machen es notwendig auf Umweltinstrumente zurückzugreifen, die geringere Anforderungen stellen. Hierbei werden die Vor- und Nachteile von Abgaben und Auflagen verglichen.

In einem zweiten großen Komplex werden die Besonderheiten der Ökosteuer analysiert. Dabei werden insbesondere die Merkmale der damit verbundenen Konzepte für eine ökologische Steuerreform erarbeitet. Der Zielkonflikt zwischen der Einnahmenerzielung und Lenkungsabsicht steht hier im Vordergrund. Anschließend wird der potentielle Lenkungserfolg der ökologischen Steuerreform der Bundesregierung abgeschätzt. In diesem Zusammenhang erfolgt vor allem eine kritische Bewertung der von der Bundesregierung gewählten Energiesteuer.

In einem weiteren Komplex findet dann die Auseinandersetzung mit der These der doppelten Dividende statt. Nach der Erläuterung der doppelten Dividende auf der Grundlage partialanalytischer Betrachtungen, erfolgt die Analyse dieser auf der Basis allgemeiner Gleichgewichtsmodelle. Im Vordergrund stehen hier die Auswirkungen einer aufkommensneutralen ökologischen Steuerreform auf die Effizienz des Steuersystems und die Beschäftigung. Diese Untersuchung legt die grundlegenden Wirkungszusammenhänge offen, die das Zustandekommen einer doppelten Dividende unwahrscheinlich machen.

Das letzte Kapitel beschäftigt sich dann mit politökonomischen Aspekten von Ökosteuern. Die bisherige Analyse der doppelten Dividende einer ökologischen Steuerreform ist implizit davon ausgegangen, daß die Steuereinnahmen aus der Ökosteuer zur Senkung verzerrender Steuern und Abgaben verwendet werden. Diese Betrachtungsweise ist aber nicht sehr realistisch, da sich auch Politiker, wie alle anderen Individuen auch, eigennützig verhalten.[7] Somit besteht die reale Gefahr, daß das Ökosteueraufkommen aus wahltaktischen Gründen anderweitig verwendet wird. Eine Analyse der Glaubwürdigkeit der Steuerpolitik in der Vergangenheit bestätigt diesen Eindruck. Ursächlich für diesen Tatbestand ist zu einem großen Teil der Einfluß von Interessengruppen. Im Vordergrund stehen hierbei die Gewerkschaften sowie die Umweltschutzverbände und die Umweltschutzindustrie. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Implikationen, die von dem 100.000-Dächer-Solarstrom-Programm ausgehen, gelegt.[8]

2. Grundlagen der umweltökonomischen Theorie

2.1 Externe Effekte und öffentliche Güter

Fast jeden Tag kann man in der Zeitung Artikel über sich verändernde Umweltzustände und deren Auswirkungen auf unser heutiges und zukünftiges Leben finden. Seit geraumer Zeit beschäftigen uns schon die Treibhausproblematik, das Waldsterben, die Ozonbelastung im Sommer und die Verringerung der Ozonschicht in der Atmosphäre. Andererseits verbessert sich die Luft- und Wasserqualität in Deutschland seit Jahren. Hier sind gegenläufige Entwicklungen zu beobachten. Die Gründe dafür sind in den unterschiedlichen Ursachen der Umweltprobleme und den sich daraus ergebenden Bedingungen für die Umweltpolitik zu suchen.

Umweltprobleme sind dadurch charakterisiert, daß der Markt für keine effiziente Allokation des knappen Gutes Umwelt sorgt und daher umweltpolitischer Eingriffe bedarf. Während bei nationalen Umweltproblemen der Staat diese Aufgabe übernimmt, scheidet diese Möglichkeit bei internationalen Umweltproblemen aus. Die direkte Sichtbarkeit lokaler nationaler Umweltprobleme und die Möglichkeit eines Staatseingriffes haben denn auch zu einer Verschärfung der Umweltvorschriften durch den Staat - seit den siebziger Jahren - in Deutschland geführt und als Folge dessen, zu steigenden Umweltschutzausgaben der Industrie und damit zu einer Verringerung dieser Umweltprobleme geführt.[9] Der Grund für die Verschlechterung der globalen Umweltprobleme besteht darin, daß es schwierig ist internationale Umweltschutzabkommen abzuschließen. Selbst wenn dies gelingt, ist es kompliziert, die Unterzeichner verbindlich zur Einhaltung des Abkommens zu bewegen und Verstöße dagegen zu ahnden.

Die bestehenden Umweltprobleme verdeutlichen, daß die Umwelt, wie viele andere Güter auch, nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. Es kommt zunehmend zu einem Konflikt zwischen den Funktionen der Umwelt als Aufnahmereservoir für Schadstoffe und der Bereitstellung öffentlicher Umweltgüter.[10] Die Umwelt stellt daher ein knappes Gut dar. Das ökonomische Knappheitsproblem ist dadurch charakterisiert, daß die Nachfrage nach einer Ressource das Angebot übersteigt. Da die Knappheit der Ressourcen sich nicht beseitigen läßt, ist dafür zu sorgen, daß es zu keiner Verschwendung der Ressourcen kommt.[11] Damit wird das Kriterium der Pareto-Effizienz angesprochen. Eine Situation wird dann als pareto-effizient bezeichnet, wenn es nicht möglich ist, ein Individuum besser zu stellen, ohne ein anderes schlechter zu stellen. Eine solche Situation ist durch folgende Bedingungen gekennzeichnet:[12]

1. Im Gleichgewicht müssen die Grenzraten der Substitution für alle Individuen gleich sein. Das heißt in dieser Situation ist es nicht mehr möglich, daß sich zwei Individuen durch Tausch besser stellen, bzw. daß sich der eine besser stellt, ohne den anderen schlechter zu stellen.
2. Die zweite Bedingung sagt aus, daß die Produktion effizient sein sollte. Dies wird durch die Grenzrate der Transformation ausgedrückt, welche angibt, wieviel Einheiten des Gutes i mehr produziert werden können, wenn von Gut j eine Einheit weniger produziert wird.
3. Paretoeffizienz liegt dann vor, wenn die Grenzrate der Substitution gleich der Grenzrate der Transformation ist. Das heißt, der Nutzen den eine weitere Konsumeinheit stiftet, muß gleich den Kosten dieser Einheit sein.

Unter bestimmten Voraussetzungen bringen Wettbewerbsmärkte eine solche pareto-effiziente Allokation hervor. Wettbewerbsmärkte zeichnen sich dadurch aus, daß die Entscheidungen nicht zentral, sondern dezentral getroffen werden, wobei die Individuen sich vollkommen rational verhalten.[13] In diesem Fall existiert ein Preisvektor, der die Entscheidungen so koordiniert, daß im Gleichgewicht niemand besser gestellt werden kann, ohne das jemand schlechter gestellt wird. Diese Erkenntnis wird als der erste Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomie bezeichnet. Das Theorem nennt auch implizit einen Teil der Voraussetzungen, die für seine Gültigkeit erfüllt sein müssen, nämlich ein Preisvektor, der die dezentralen Entscheidungen koordiniert.

Externe Effekte genügen dieser Veraussetzung nicht. Unter externen Effekten versteht man Einwirkungen auf den Nutzen anderer, ohne das diese durch den Preismechanismus koordiniert werden.[14] Dabei werden positive und negative externe Effekte unterschieden, je nach dem ob sie den Nutzen erhöhen oder verringern. Bei Umweltproblemen handelt es sich um negative externe Effekte. Umweltprobleme können ihre Ursache in Konsum- oder Produktionsaktivitäten haben. Das es bei Umweltproblemen zu keiner effizienten Allokation des knappen Gutes Umwelt kommt, kann man sich folgendermaßen deutlich machen: Umweltexternalitäten verursachen, zusätzlich zu den privaten Grenzkosten, bei anderen anfallende Grenzschäden, so daß die gesamten Grenzkosten über den privaten Grenzkosten liegen. Geht man von einer gewinnmaximierenden Firma aus, so wird diese den Produktionsfaktor solange einsetzen, bis dessen Grenzprodukt gleich den Grenzkosten des Produktionsfaktors ist. Bei abnehmenden Grenzertrag eines Faktors muß daher, im Vergleich zu dem Faktoreinsatz bei Berücksichtigung des Grenzschadens, die Vernachlässigung des externen Schadens einen zu hohen Faktoreinsatz und damit Output bewirken.[15] Der Grund für dieses Marktversagen liegt darin, daß das knappe Gut Umwelt nichts kostet. Müßten die Unternehmung dieses Gut am Markt gegen Geld erwerben, dann würden sie dessen Kosten automatisch in ihrem Gewinnmaximierungskalkül berücksichtigen.

Erschwerend kommt bei Umweltproblemen hinzu, das sie in der Regel öffentliche Güter darstellen. Sind mehr als zwei Akteure an dem Umweltproblem beteiligt, wird das Umweltproblem zu einem öffentlichen Gut. Reine öffentliche Güter sind durch zwei Eigenschaften gekennzeichnet, die sie von den privaten Gütern abgrenzen: Es besteht weder eine Konsumrivalität noch ist ein Konsumausschluß möglich.[16] Daher unterscheidet sich auch die Effizienzbedingung öffentlicher Güter von der für private Güter. Während für private Güter gilt, daß die Grenzrate der Substitution gleich der Grenzrate der Transformation sein muß, muß im Fall öffentlicher Güter die Summe der Grenzraten der Substitution aller Individuen gleich der Grenzrate der Transformation sein.[17] Diese Bedingung wird auch als Samuelson-Bedingung bezeichnet. Das hat letztlich Auswirkung auf die effiziente Bereitstellung öffentlicher Güter. Nach dem 1. Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie führt individuell rationales Verhalten unter bestimmten Voraussetzungen zu einer pareto-effizienten Allokation. Da, wie eben festgestellt, dieses Theorem nicht für externe Effekte gilt, gilt es folgerichtig auch nicht für öffentliche Güter. Öffentliche Güter sind nämlich immer auch mit externen Effekten verbunden.[18] Das dies so ist, liegt in der Definition der öffentlichen Güter begründet. Dadurch, daß bei öffentlichen Gütern kein Konsumausschluß möglich ist, wird der einzelne in seinem Nutzen bei der Bereitstellung des Gutes, unabhängig von seinem eigenen Beitrag, beeinflußt.

Der Grund dafür, daß es im Fall öffentlicher Güter zu keiner effizienten Allokation kommt, ist in dem rationalen Verhalten der Individuen begründet. Da von dem Konsum der öffentlichen Güter keiner ausgeschlossen werden kann, eröffnet sich für den Einzelnen die Freifahrermöglichkeit sich nicht an der Bereitstellung des öffentlichen Gutes zu beteiligen.[19] Verhalten sich alle Individuen rational, werden sie diese Möglichkeit in Anspruch nehmen, so daß es zu keiner Bereitstellung des öffentlichen Gutes kommt. Dieser Zustand ist jedoch ineffizient, wenn die Summe der Grenznutzen der Bereitstellung des öffentlichen Gutes dessen Grenzkosten übersteigen.

Bezogen auf das Umweltproblem ist die Umweltverschmutzung ein öffentliches Gut. Weimann (1995a) zeigt, daß auch die Schadstoffvermeidung als ein öffentliches Gut, welches von den Unternehmen angeboten wird, interpretiert werden kann. In diesem Fall ist eine effiziente Allokation dann gegeben, wenn die individuellen Zahlungsbereitschaften der Geschädigten für die Vermeidung der Umweltverschmutzung um eine weitere Einheit, gleich den Grenzkosten der Schadstoffvermeidung dieser Einheit sind.[20]

Die bisherige Analyse macht deutlich, daß der Markt nicht in der Lage ist, daß Umweltproblem aus eigener Kraft zu lösen. Bei Umweltproblemen verhindern externe Effekte, das es zu einer effizienten Allokation der Ressourcen kommt. Die kostenlose Inanspruchnahme des Gutes Umwelt spiegelt nicht dessen Knappheit wider. Die mit der Nutzung des Gutes Umwelt verbundenen Kosten, in Form von Umweltschäden, tragen zu einem Großteil Dritte, welche mit der Transaktion nichts zu tun haben.

Zur Lösung des Umweltproblems werden in der Theorie vor allem zwei Möglichkeiten diskutiert: das Coasetheorem und die Pigousteuer. Ziel dieser Internalisierungsstrategien ist es, eine paretoeffiziente Allokation zu erreichen. Im folgenden sollen beide Strategien kurz vorgestellt und die Voraussetzungen zur Erreichung dieses Ziels geklärt werden.

2.2 Möglichkeiten der Internalisierung externer Effekte

2.2.1 Die Pigousteuer

Um die mit externen Effekten verbunden Ineffizienzen zu beseitigen, machte Pigou (1923) den Vorschlag, dem Verursacher eine Steuer in Höhe der im Optimum resultierenden sozialen Grenzschäden aufzuerlegen. Dadurch fließen die externen Kosten der Aktivität in das Entscheidungskalkül des Verursachers mit ein, wodurch die gesamte Wohlfahrt maximiert wird.HöherHöhe H Das Grundprinzip der nach Pigou benannten Steuer ist in der folgenden Graphik, bezogen auf die Umweltproblematik, dargestellt.[21] Dabei wird von einem Verursacher des Umweltproblems und einem Geschädigten ausgegangen.

Darstellung 1: Wirkungsweise einer Pigousteuer

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Weimann (1995a), S. 180; leicht abgeändert[22]

Vor Einführung einer Umweltsteuer t kommt es zu einer Umweltverschmutzung durch das Unternehmen in Höhe von a0. Die Umweltsteuer ist jetzt so festzulegen, daß sie dem Grenzschaden FS im sich einstellenden Gleichgewicht entspricht. Das ist bei der Pigousteuer t der Fall. Für ein gewinnmaximierendes Unternehmen ist es jetzt nicht mehr optimal die Schadstoffmenge a0 zu emittieren, da die Steuerzahlung t für jede über a* ausgestoßene Schadstoffeinheit über den Kosten zur Vermeidung PV dieser Schadstoffeinheiten liegt. Andererseits ist jede Schadstoffvermeidung über a* hinaus aus Sicht des Unternehmens auch nicht optimal, da die Vermeidungskosten PV die Steuerzahlungen übersteigen. Bei einem Pigousteuersatz von t stellt sich somit durch das rationale Verhalten des Unternehmens die paretooptimale Schadstoffmenge a* ein. Diesem Ergebnis liegt die Annahme zugrunde, daß mit zunehmender Vermeidung der Schadstoffe, die dafür anfallenden Kosten steigen und der damit vermiedene Grenzschaden sinkt.[23]

Voraussetzung für eine paretoeffiziente Lösung ist jedoch, daß der Staat zur Festlegung der Pigousteuer über die notwendigen Informationen hinsichtlich der Grenzschadens- und der Grenzvermeidungskostenfunktionen verfügt. Geht man davon aus, daß Verursacher und Geschädigter sich rational verhalten, ist nicht damit zu rechnen, daß sie diese in ihrem Besitz befindlichen Informationen wahrheitsgemäß preisgeben, da letztlich die Steuerzahlung und damit die vermiedene Schadstoffmenge von diesen Angaben abhängen.[24] Für beide Seiten ist es vorteilhaft, ihre eigene Position ungünstiger darzustellen, das heißt der Verursacher gibt höhere Grenzvermeidungskosten und der Geschädigte höhere Grenzschäden an. Mit zunehmender Anzahl der Beteiligten steht der Staat somit vor einem unüberbrückbaren Informationsproblem. Eine mögliche Alternative eröffnet das Coase-Theorem, welches im folgenden Abschnitt behandelt wird.

2.2.2 Das Coasetheorem

Coase (1960) lehnt die Internalisierung externer Effekte mittels einer Steuer ab. Er argumentiert, daß in einer Welt ohne Transaktionskosten, in der Eigentumsrechte vollständig definiert und durchsetzbar sind, die Beteiligten durch direkte Verhandlungen zu einer effizienten Allokation der Ressourcen kommen.[25] Der Begriff Transaktionskosten umfaßt dabei alle Kosten, die beim Austausch von Eigentumsrechten anfallen können.[26] Sind diese null, können Verhandlungen kostenlos durchgeführt werden. In dieser Situation ist es nach dem Coase-Theorem für den Geschädigten und den Verursacher optimal, in Verhandlungen zu treten, so daß es auch ohne staatliche Eingriffe zu einer Internalisierung der externen Effekte kommt. Hierbei ist es unter allokativen Gesichtspunkten egal, wer die Eigentumsrechte an dem knappen Gut erhält.[27]

Dieses Ergebnis kann aber nur unter sehr restriktiven Bedingungen erwartet werden. Voraussetzung für das Zustandekommen ist die Abwesenheit von Transaktionskosten. In der Realität dagegen wird eine Verhandlungslösung allein schon aufgrund der hohen Transaktionskosten nicht realisiert werden können, wenn größere Gruppen von der Externalität betroffen sind.[28] Für einen großen Teil der Umweltprobleme scheidet diese Möglichkeit daher aus.

Aber selbst wenn man davon ausgeht, daß keine Transaktionskosten vorliegen, ist solange nicht mit einem effizienten Verhandlungsergebnis zu rechnen, wie beide Seiten nicht vollständig informiert sind; das heißt jeder Spieler muß die Gewinnfunktion des Anderen kennen.[29] Im Fall unvollkommener Informationen ist daher nicht mehr mit einer effizienten Allokation der Ressourcen zu rechnen, da die besser informierte Seite versuchen wird, ihren Informationsvorsprung auf Kosten der schlechter informierten Seite auszunutzen. Dieses Ergebnis ist unabhängig von der Ausgestaltung der Verhandlungen, da es keine Verhandlungsprozeduren gibt, welche die Beteiligten veranlaßt ihre Präferenzen wahrheitsgemäß zu offenbaren und die gleichzeitig effizient sind.[30]

Dieses Informationsproblem verschärft sich, wenn man es mit mehreren Verursachern und Geschädigten zu tun hat, da dann das Umweltproblem zu einem öffentlichen Gut wird, wodurch sich ein neues Problem, nämlich die Freifahreroption ergibt.

Zusammenfassend kommt man zu dem Ergebnis, daß beide Internalisierungsstrategien an den Gegebenheiten in der realen Welt, insbesondere den hohen Informationsanforderungen und Transaktionskosten, scheitern. Unter vollkommener Information und fehlenden Transaktionskosten führen beide Strategien zu einer paretoeffizienten Lösung. Unter unvollkommener Information ist nicht damit zu rechnen, daß Individuen ihre wahren Präferenzen offenbaren, so daß weder durch Verhandlungen noch durch eine Steuer das Umweltproblem effizient gelöst werden kann. Haben wir es zusätzlich mit großen Gruppen zu tun, verschlechtern sich die Aussichten auf Lösung des Umweltproblems, da es für den einzelnen optimal ist, keinen Beitrag zur Lösung des Umweltproblems zu leisten.[31]

Zur Lösung des Umweltproblems werden daher in der Praxis Instrumente vorgezogen, die geringere Informationsanforderungen stellen. Hierbei geht es nicht mehr darum eine paretoeffiziente Allokation der Umweltressourcen herzustellen, sondern nur noch einen bestimmten Umweltstandard kosteneffizient, das heißt mit minimalen Kosten, zu erreichen.[32] In der Diskussion steht in dieser Hinsicht das zur Zeit vorherrschende Ordnungsrecht und dessen Kostenineffizienz im Vergleich zu Umweltabgaben. Im folgenden sollen daher diese beiden Umweltinstrumente im Hinblick auf ihre Vor- und Nachteile verglichen werden.

2.3 Vergleich von Umweltabgaben mit dem Ordnungsrecht

2.3.1 Auflagen

Im Gegensatz zu Abgaben werden hier bestimmte Einschränkungen pro Anlage direkt angeordnet. Hinsichtlich der ökologischen Treffsicherheit ist dieses Instrument somit unter bestimmten Voraussetzungen sehr genau. Eine Voraussetzung dafür ist, daß die Input- oder Outputbegrenzung in geeigneter Beziehung zu dem Umweltschadstoff steht.[33] Zusätzlich ist es notwendig, daß sich die Emissionsvorgaben auf absolute Größen, zum Beispiel einen Tag, beziehen, so daß die Gesamtemissionsmenge nicht durch die Intensität der Anlage beeinflußt werden kann.[34]

Allerdings haben Auflagen in bezug auf die Kosteneffizienz gravierende Mängel. Um die individuellen Grenzkostenverläufe zu berücksichtigen, müssen die Auflagen anlagenspezifisch vorgegeben werden, andernfalls wird die Emissionseinsparung nicht kosteneffizient erreicht.[35] Da eine solche anlagenspezifische Auflagenpolitik aufgrund der fehlenden Informationen nicht möglich, noch unter Kostengründen anzuraten ist, wird in der Praxis oft eine einheitliche Auflagenpolitik vorgenommen. Hinsichtlich der Kosteneffizienz ergeben sich somit schwere Nachteile gegenüber einer Abgabenpolitik. Auch unter dynamischen Aspekten besitzen Auflagen Nachteile gegenüber Umweltabgaben, da für die Unternehmen kein unmittelbarer finanzieller Anreiz besteht den derzeitigen Stand der Technik zu verbessern. Viel eher besteht aus Sicht der Unternehmen sogar die Gefahr, daß die von den Unternehmen entwickelte Technologieverbesserungen mit dem Ziel, die Vorgaben kostengünstiger zu erfüllen, vom Gesetzgeber zur Verschärfung der Auflagen verwendet werden, mit der Folge, daß die Unternehmen keine Anreize haben die Technologie zu verbessern.[36]

Vorteile besitzen Auflagen lediglich dann, wenn ökologische Erfordernisse es notwendig machen, daß gefährliche Schadstoffkonzentrationen nicht überschritten werden.[37] Aber auch in diesem Fall erfordert die Aufteilung der Gesamtemissionsmenge auf die verschiedenen Anlagen einer Region die Berücksichtigung ökologischer Zusammenhänge, sowie unter Kostengesichtspunkten die Berücksichtigung der Grenzvermeidungskosten der Anlage.[38] Diese Informationen liegen der planenden Behörde in der Regel jedoch nicht vor.

2.3.2 Abgaben

Oftmals werden Pigousteuern mit Umweltabgaben gleichgesetzt. Obwohl beide auf dem gleichen Prinzip aufbauen, unterscheiden sie sich jedoch in dem zu erreichenden Ziel voneinander. Während eine Pigousteuer mit dem Ziel erhoben wird, einen paretoeffizienten Umweltzustand herzustellen, ist das Ziel von Abgaben, eine wie auch immer bestimmte Umweltqualität kosteneffizient zu erreichen.[39] Damit erübrigt sich die Bestimmung des optimalen Verschmutzungsgrades (und somit auch der Grenzschadensfunktionen).[40] Die bei der Implementierung einer Pigousteuer notwendigen Informationsanforderungen führten zur Entwicklung dieses Ansatzes, der nach Baumol, Oates (1988) auch Preis – Standard – Ansatz bezeichnet wird.

Im Gegensatz zu Auflagen, welche unmittelbar die umweltbelastenden Aktivitäten, Inputs oder Emissionen einschränkt, werden diese bei einer Abgabe lediglich verteuert.[41] Ist die Bemessungsgrundlage richtig gewählt, führt das - genau wie bei einer Auflage - zu einer Verringerung des Umweltschadstoffes. Gegenüber einer Auflage hat dieser Ansatz dahingehend Vorteile, daß der Verursacher selber die Maßnahmen vornehmen kann, die seine Kostenbelastung durch die Steuer minimieren und damit indirekt auch zu einer Verringerung der umweltbelastenden Aktivität führen. Der Emittent wird dabei solange Vermeidungsmaßnahmen vornehmen, wie die Vermeidungskosten geringer sind, als die entsprechende Steuerzahlung. Da der Steuersatz für alle gleich ist, ist somit automatisch Kosteneffizienz gewahrt.

Allerdings ist die Höhe der Reduktion ungewiß, da die Vermeidungsanstrengungen der Verursacher, als Reaktion auf die Umweltsteuer, von den individuellen Grenzkostenverläufen bzw. von der aggregierten Grenzkostenkurve der Emittenten abhängen.[42] Da diese Informationen privat sind und somit der Behörde nicht vorliegen, muß im Rahmen eines Trial-and error-Verfahrens der Steuersatz solange variiert werden, bis die sich einstellende Gesamtimissionsmenge mit dem angestrebten Standard übereinstimmt.[43] Mit zunehmender Differenzierung der Emissionsquellen und Standards nehmen die Implementierungskosten allerdings stark zu.[44]

Eine Abgabe ist aber nicht nur unter Kostengesichtspunkten einer Auflagenpolitik vorzuziehen, sondern auch unter dynamischen Aspekten. Aufgrund der Abgabenbelastung auf die Restverschmutzung besteht ein ständiger Anreiz, die Umweltbelastung durch technologische Verbesserungen zu senken. Hinsichtlich der ökologischen Treffsicherheit müssen jedoch Abstriche gemacht werden, da die Beeinflussung lediglich indirekt über die Steuer erfolgt, welches bei unbekannten Grenzvermeidungskostenfunktionen dazu führt, daß der Umweltstandard erst nach mehreren Runden erreicht wird.[45]

Die Ausführungen zeigen, daß unter Kostengesichtspunkten das zur Zeit dominierende Ordnungsrecht höchst ineffizient ist. Umweltpolitik muß aber effizient sein, will man die Umweltprobleme ohne einschneidende Konsum- und Wohlfahrtsverluste hinzunehmen, mildern.[46] Seit Jahren wird daher argumentiert, verstärkt ökonomische Instrumente einzusetzen und darüber hinaus das gesamte Steuersystem ökologisch auszurichten. Die dabei auftretenden Probleme werden im nächsten Abschnitt erläutert.

3. Auswirkungen einer ökologischen Steuerreform auf das Steuersystem

3.1 Von der Umweltabgabe über die Ökosteuer zur ökologischen Steuerreform

Die Umweltabgabe bzw. der Standard-Preis-Ansatz im Sinne von Baumol, Oates (1988) stellt sich das Ziel, einen bestimmten Umweltstandard mit minimalen Kosten zu erreichen. Der Standard-Preis-Ansatz erfordert somit im Gegensatz zur Pigousteuer die Bestimmung eines zu erreichenden Umweltstandards.[47] Dieser Umweltstandard und die Grenzvermeidungskosten sind letztlich ausschlaggebend für die Höhe der Umweltabgabe. Bei der Umweltabgabe steht somit das Lenkungsziel im Vordergrund. Eine so konzipierte Umweltabgabe bezieht sich auf konkret abgegrenzte Umweltprobleme, mit der Konsequenz, daß das Aufkommen und damit auch die Auswirkungen auf das Steuersystem und die Wirtschaft gering[48] sind.[49]

Die zur Diskussion stehenden Ökosteuern dagegen sind in erster Linie durch ihr hohes Steueraufkommen charakterisiert.[50] So kommt zum Beispiel der Ökosteuervorschlag des DIW im 10. Jahr auf eine Steueraufkommen von 120 Mrd. DM.[51] Eine Ökosteuer ist demnach gekennzeichnet durch:[52]

- Hervorhebung der Finanzierungsfunktion für allgemeine staatliche Aufgaben
- und Herabsetzung des Lenkungszieles.

Zusätzliche Steuereinnahmen in mehrstelliger Milliardenhöhe müssen natürlich Auswirkungen auf das Steuersystem haben. Soll die Staatsquote mit Einführung einer solchen Ökosteuer nicht steigen, müssen andere Steuern gesenkt werden. Unter diesem Aspekt ist die Einführung aufkommensstarker Ökosteuern immer mit einer Steuerreform verbunden, was nicht bedeuten muß, daß die Steuerreform ökologisch ausgerichtet ist.[53] Bevorzugt sollen mit dem Ökosteueraufkommen solche Abgaben gesenkt werden, von denen negative Wirkungen auf die Beschäftigung ausgehen.[54] In diesem Sinne wird unter einer ökologischen Steuerreform eine schrittweise Verlagerung der Steuern vom Produktionsfaktor Arbeit auf den Produktionsfaktor Umwelt verstanden, mit dem Ziel, die Umwelt zu verbessern und gleichzeitig die Beschäftigung zu erhöhen.[55] Diese Ziele verfolgt auch die Bundesregierung mit dem Gesetz zum Einstieg in die ökologischen Steuerreform.

Gawel (1995) macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, daß das Konzept der Ökosteuer noch hinter den Anspruch des Standard-Preis-Ansatzes zurückfällt. Geht es beim Standard-Preis-Ansatz noch darum, ein bestimmtes Umweltziel effizient zu erreichen, so erfolgt bei der Ökosteuer gar keine Zielbestimmung mehr. Diese Vorgehensweise entspricht einer „Umweltpolitik ohne Effizienz und Optimalität“[56], welche sich lediglich von Demeritorisierung, aber nicht von einem festgelegten Allokationsziel leiten läßt.[57]

Unter den Ökosteuervorschlägen hat die DIW-Studie[58] sicherlich eine herausragende Rolle: Einmal, weil hier erstmalig umfassend die Auswirkungen einer Ökosteuer auf die deutsche Wirtschaft untersucht wurden und zweitens, weil die aus der Studie abgeleiteten positiven Effekte für Wirtschaft und Umwelt der Ökosteuerbewegung einen entscheidenden Schub gebracht haben. Die DIW-Studie sieht im wesentlichen die Einführung einer Energiesteuer im nationalen Alleingang vor, die progressiv ansteigt. Der Betrachtungszeitraum läuft über 10 – 15 Jahre von dem Jahr 1995 an. Das Ökosteueraufkommen wird aufkommensneutral an die beiden Gruppen Unternehmen und private Haushalte, im Verhältnis der Energiesteuerbelastung, zurückerstattet. Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß eine ökologische Steuerreform ökologisch und ökonomisch von Nutzen ist.[59] Die wesentlichen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Während die CO2-Emissionen im Jahr 2010 gegenüber dem Jahr 1987 um 25% sinken[60], steigt die Beschäftigung in der Basisvariante nach 10 Jahren um 610.000[61].

Die Studie, vor allem die Verwendung eines Input-Output-Ansatzes zur Berechnung der durch die Energiesteuer hervorgerufenen Preiseffekte, ist in der Folgezeit stark kritisiert worden.[62] Dadurch sind die Güterströme zwischen den Sektoren vorgegeben, so daß es zu keinen Veränderungen in der Struktur durch Substitutionseffekte kommen kann.[63] Anpassungsprozesse und damit Auswirkungen auf die Beschäftigung und das Ökosteueraufkommen werden dadurch nicht ausreichend berücksichtigt.[64] Weitere schwerwiegende Mängel sind unter anderem darin zu sehen, daß keine unmittelbaren Substitutionseffekte zwischen den Faktoren Arbeit, Kapital und Energie möglich sind und potentielle Standortverlagerungen nicht ausreichend berücksichtigt werden.[65] Diese Kritikpunkte lassen sehr an den Ergebnissen der DIW-Studie zweifeln. So führt denn auch eine RIW-Studie (1996) für den gleichen Steuerpfad und die gleiche Rückverteilung wie in der DIW-Studie zu einem zu einem Sinken der Beschäftigung um 400.000.

3.2 Merkmale ökologischer Steuerreformvorschläge

Nach der obigen Definition steht hinter der ökologischen Steuerreform die Idee, das Aufkommen aus Ökosteuern zur Senkung verzerrender Steuern zu verwenden. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit stehen dabei Abgaben, die den Faktor Arbeit belasten im Vordergrund. Diese proklamierte Zielharmonie zwischen einer sauberen Umwelt und einer höhere Beschäftigung verlangt geradezu die Einführung einer Ökosteuer. Demzufolge verwundert es nicht, daß diese Idee viele Anhänger unter Umweltschützern, aber auch in den Parteien[66] hat.

Die bisher hervorgebrachten Ökosteuervorschläge unterscheiden sich im wesentlichen in der Wahl der Bemessungsgrundlage, der Tarifstruktur und der geplanten Aufkommensverwendung.[67] Anhand dieser drei Kriterien sollen im folgenden die wichtigsten Ausgestaltungsmöglichkeiten herausgearbeitet werden.

3.2.1 Wahl der Bemessungsgrundlage

Als Bemessungsgrundlage für Abgaben kommen im wesentlichen der Input eines Produktionsfaktors, die hergestellten Produkte oder die Emissionen in Betracht.[68] Da die Erfassung der Schadstoffemissionen bei einer großen Anzahl von Emissionsquellen zur Zeit noch technische Probleme bereitet und mit hohem finanziellen Aufwand verbunden ist, wird vielfach aus praktischen Gründen auf die Inputbesteuerung zurückgegriffen.[69] Dieses Ausweichen auf Ersatzbemessungsgrundlagen verringert allerdings den Lenkungseffekt von Umweltabgaben.[70] Eine Ausnahme bilden die CO2-Emissionen, da diese in einer festen Beziehung zum Input Energie stehen.[71]

Demzufolge sieht ein Großteil der Ökosteuervorschläge die Besteuerung von Energieträgern vor. Hierbei besteht prinzipiell die Möglichkeit der Besteuerung der Primär- und Sekundärenergie.[72] Von einer Besteuerung der Primärenergieträger (z.B. Kohle, Erdgas, Erdöl) gehen die größten Anreize zur Effizienzsteigerung aus, so daß dieser Ansatz unter umweltökonomischen Aspekten am optimalsten ist. Hierbei müssen jedoch für den Fall, daß es zu keiner international abgestimmten Energiebesteuerung kommt, auch die Ausweichreaktionen auf Sekundärenergieträger (z.B. Strom, Mineralölprodukte) berücksichtigt werden. Deren Erfassung bereitet jedoch Probleme, da diese Sekundärenergieträger auch aus dem Ausland bezogen werden können. Für eine praktikable Lösung ergibt sich somit ein Trade off zwischen einer unter umweltpolitischen Aspekten wünschenswerten differenzierten Besteuerung der Energieträger und der Höhe der Umsetzungsschwierigkeiten bei einem nationalen Alleingang.

3.2.2 Tarifgestaltung

Soll das Ökosteueraufkommen langfristig für andere Zwecke verwendet werden, zum Beispiel zur Senkung verzerrender Steuern, kann sich die Tarifgestaltung und die Bemessungsgrundlage nicht nur an lenkenden Zielen ausrichten, sondern muß gleichzeitig fiskalische Ziele berücksichtigen. Konkret wird dieser Zielkonflikt unter Punkt 3.3 behandelt. Für den Fall der einheitlichen Besteuerung der Endenergie zeigt Linscheidt, Truger (1995) in einem Rechenbeispiel, daß Anpassungsreaktionen bei konstantem nominalen Steuersatz langfristig zu einem sinkenden Steueraufkommen führen. Das Schrumpfen der Bemessungsgrundlage und damit des Steueraufkommens kann danach nur durch einen steigenden Steuertarif kompensiert werden. Für die Tarifgestaltung hat dieser Aspekt dahingehend Auswirkungen, daß ein progressiver Tarif gegenüber einer sofortigen Einführung der Besteuerung in voller Höhe vorzuziehen ist.[73]

Wirl (1994b) dagegen argumentiert, daß unter ökologischen Gesichtspunkten ein fallender Steuertarif vorzuziehen ist. Und zwar aus folgendem Grund: Im unregulierten Zustand ist der Umweltschaden am größten und demzufolge auch die zur Erreichung eines Umweltstandards notwendige Steuer. Nach Einführung der Umweltabgabe sinken jedoch die Schadstoffemissionen solange, wie Grenzvermeidungskosten unter der Steuerzahlung liegen. Dies führt insgesamt zu einem Sinken der Schadstoffbelastung, so daß die Umweltabgabe gesenkt werden kann.[74]

Weiterhin kann die Tarifstruktur danach unterschieden werden, ob die Steuersätze als Mengensteuern oder Wertsteuern ausgestaltet sind. In fast allen Ökosteuervorschlägen sind die Steuertarife als Mengensteuern ausgestaltet. Dies ist auf den ersten Blick überraschend, da Steuertarife, die sich auf absolute Größen (z.B. Liter, kg) beziehen, hinsichtlich der fiskalischen Ergiebigkeit gegenüber Werttarifen bedeutende Nachteile besitzen. Wertsteuern besitzen gegenüber Mengensteuern den Vorteil, daß sie zusätzlich zur Mengenkomponente eine Preiskomponente enthalten, wodurch Preissteigerungen infolge Inflation automatisch zu einem entsprechenden Anstieg des Steueraufkommens führen.[75] Was jedoch bei den traditionellen Steuern (z.B. Umsatzsteuern und Zölle) erwünscht ist, kann bei Ökosteuern sowohl aus fiskalischen Gründen nicht erwünscht sein, aber auch den Lenkungsabsichten zuwider laufen. Sowohl für Mengen- als auch für Wertsteuertarife gilt, daß eine langfristige Festlegung auf eine Verteuerungsrate der Rohstoffe, nicht gleichzeitig mit einer realen Verteuerung einhergeht.[76] Der Grund dafür liegt in den starken Schwankungen der Rohstoffpreise und zusätzlich bei Mengensteuern in der Inflationsentwicklung. Im Gegensatz zu einem Mengensteuertarif werden bei einem Wertsteuertarif aber die Schwankungen der Rohstoffpreise noch verstärkt.[77] Eine langfristige Festlegung auf einen steigenden Mengensteuertarif hat zudem den entscheidenden Vorteil, daß sich das Steueraufkommen unabhängig von den Schwankungen der Rohstoffpreise entwickelt und somit berechenbar ist.[78]

Um dennoch eine annähernd reale Verteuerung der Rohstoffpreise zu erreichen, sehen viele Vorschläge einen Inflationsausgleich in der Form vor, daß im Vorhinein von einer erwarteten Inflationsrate ausgegangen wird.[79] Dies birgt allerdings die Gefahr, daß auch andere Marktteilnehmer diese erwartete Inflationsrate in ihr Entscheidungskalkül einbeziehen (z.B. Gewerkschaften) und somit allein diese Erwartungshaltung zu einem Anstieg der Inflationsrate führt.[80]

3.2.3 Aufkommensverwendung

Meines Erachtens ist das charakteristischste Merkmal der Ökosteuervorschläge das große Steueraufkommen.[81] Zur Abschätzung der Auswirkungen auf Wirtschaft und Umwelt ist daher die Verwendung des Ökosteueraufkommens von wesentlicher Bedeutung. Entsprechend können die Ökosteuervorschläge unterschieden werden in solche, die das Aufkommen zur Senkung verzerrender Steuern verwenden wollen (Aufkommensneutral) und jene, bei denen das Aufkommen der Finanzierung zusätzlicher Ausgaben (Zweckbindung) dient.[82] Da Ökosteuervorschläge angesichts der hohen Steuerlast lediglich dann eine Chance auf Umsetzung haben, wenn sie Aufkommensneutralität versprechen[83], soll im folgenden näher auf dieses Postulat eingegangen werden.

Die Probleme, die mit der Forderung nach Aufkommensneutralität verbunden sind, fangen nicht erst bei deren Umsetzung, sondern schon bei dem an, was darunter verstanden wird. Die Forderung nach Aufkommensneutralität stellt eine Art Garantiefunktion dar, nämlich daß die ökologische Steuerreform zu keinem Anstieg der Steuerbelastung führt. Damit soll den Individuen versichert werden, daß ausschließlich aus ökologischen und beschäftigungspolitischen Motiven eine ökologische Steuerreform durchgeführt werden soll. Ganz eindeutig ist der Begriff „Aufkommensneutralität“ allerdings nicht, da der Staat nur das ausgeben kann, was er vorher eingenommen hat und somit schon aus diesem Grund Aufkommensneutralität gewährleistet sein muß.[84] Aufkommensneutralität ist daher so zu interpretieren, daß die Steuer- und Abgabenquote konstant bleiben soll.[85] Dies ist nur möglich, wenn andere Steuern und Abgaben im gleichen Ausmaß gesenkt werden.

Linscheidt (1994) macht allerdings darauf aufmerksam, daß Steuerquotenkonstanz nicht bedeutet, daß das Steueraufkommen sich mit der Ökosteuer genauso wie ohne Ökosteuer entwickelt. Und zwar aus folgendem Grund: Erstens ist die zukünftige Entwicklung nicht bekannt und zweitens hängt diese Entwicklung auch von den anderen zukünftigen steuerpolitischen Aktionen ab.[86] Beides bewirkt, daß es einen Vergleichsmaßstab gar nicht geben kann. Diese Ausführungen machen deutlich, daß diese Forderung eher ein Signal der Politik ist, die ökologische Steuerreform nicht zu nutzen, um zusätzliche Staatsausgaben zu finanzieren. Das bedeutet aber nichts anderes, als daß mit Aufkommensneutralität ein Maßstab geliefert werden soll, in welchem Umfang Steuersenkungsmaßnahmen durchzuführen sind.[87] Inwiefern man diesem Bekenntnis zur Aufkommensneutralität Glauben schenken kann, steht auf einem anderen Blatt.[88]

Das Ziel von Aufkommensneutralität kann aber nicht sein, daß jeder entsprechend seiner zusätzlichen Belastung durch die Ökosteuer kompensiert wird.[89] Wäre das der Fall, würden die Anreize, umweltfreundlicher zu produzieren oder zu konsumieren, stark reduziert. Der Zweck einer ökologischen Steuerreform, nämlich ein Strukturwandel weg von energieintensiver Produktion hin zu arbeitsintensiver Produktion, würde in Frage gestellt werden.

Die Gewährleistung der Aufkommensneutralität erfordert also die Senkung anderer Steuern und Abgaben in Höhe des Steueraufkommens. Dabei ergeben sich mehrere Schwierigkeiten. Schwierigkeiten bereiten vor allem die Schätzung des Steueraufkommens und die langfristige Ergiebigkeit des Ökosteueraufkommens.[90] Kurzfristig dürften beide Probleme gering sein, vor allem dann, wenn eine breite Bemessungsgrundlage (z.B. eine einheitliche Energiesteuer) und ein ansteigender Tarif gewählt wird. Je breiter die Bemessungsgrundlage und je kleiner der Anfangstarif, um so geringer sind auch die Substitutionsmöglichkeiten und Substitutionsanreize.

Auf lange Sicht dagegen kann nicht mit Aufkommensneutralität gerechnet werden. Dies würde erfordern, daß sich das Aufkommen der gesenkten und der neuen Steuer identisch entwickeln würden.[91] Dies ist schon aus dem Grund nicht zu erwarten, da von der neuen Steuer Lenkungseffekte ausgehen sollen und langfristig somit die Substitutionsanreize steigen.[92] Zumindest sollten jedoch die der Besteuerung zugrundeliegenden Bemessungsgrundlagen ähnliche Entwicklungstendenzen haben oder die Steuern so variiert werden können, daß die Aufkommen sich langfristig annähernd gleich entwickeln.[93]

Abgesehen von den Problemen, daß Ausmaß der zu senkenden Steuer zu ermitteln und diese Steuersenkung politisch umzusetzen, besteht generell die Gefahr, daß eine Ökologisierung des Steuersystems zu dauerhaften Einkommenseinbußen führt und somit die Abgabenquote steigt.[94] Diese Erkenntnis ist eine Anwendung des Produktionseffizienztheorems von Diamond, Mirrlees (1971), wonach Steuern auf Inputs die Einkommensentstehung behindern und somit zu einer Verringerung der Bruttoinlandsprodukt führen.[95] Berücksichtigt man diesen Aspekt, so ist ein Konstanthalten der öffentlichen Ausgaben mit einer steigenden Abgabenquote verbunden.[96] So gesehen erfordert Aufkommensneutralität eine Verringerung der staatlichen Ausgaben.

Aufkommensneutralität sollte also nicht so verstanden werden, daß genau in Höhe der Ökosteuereinnahmen andere Steuern gesenkt werden; sondern muß berücksichtigen, wie sich das Steueraufkommen insgesamt verändert.[97] Dabei sind auch die Beziehungen zwischen der neuen Steuer und den anderen Steuern zu beachten, das heißt inwiefern es bei den anderen Steuern zu einer Veränderung der Bemessungsgrundlage kommt.[98]

Welche Steuern sollen nun gesenkt werden? Unter beschäftigungspolitischen Aspekten ist auf den ersten Blick eine Senkung der Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen der Senkung von Unternehmenssteuern vorzuziehen, da dies unmittelbar über die Verbilligung des Faktors Arbeit einen Einfluß auf die Nachfrage nach dem Faktor Arbeit hat.[99] Eine Senkung der Einkommensteuern dagegen löst genau wie die Senkung der Arbeitnehmerbeiträge zu den Sozialversicherungen, keine Substitutionsprozesse in Richtung Arbeit aus.[100] Es sei denn, diese Einkommenserhöhungen werden von den Gewerkschaften bei den Lohnverhandlungen in Form geringerer Lohnforderungen mitberücksichtigt.[101] Ob eine ökologische Steuerreform insgesamt zu einem Anstieg der Beschäftigung führt, hängt aber nicht nur von den ausgelösten Substitutionsprozessen infolge einer Senkung der Lohnkosten ab, sondern auch davon, inwieweit es durch die ökologische Steuerreform zu einen Anstieg der gesamten Steuerlast[102] für die Unternehmen kommt und wer diese letztlich tragen muß. Hier wird der Aspekt der doppelten Dividende der ökologischen Steuerreform angesprochen, der in Kapitel 5 näher behandelt wird. Berücksichtigt man diesen Gesichtspunkt könnten unter Umständen von einer Senkung der Unternehmenssteuern langfristig höhere Beschäftigungseffekte als von einer Senkung der Lohnnebenkosten ausgehen.[103]

3.3 Der Zielkonflikt zwischen Finanzierung und Lenkung

Die bisherigen Ausführungen haben einen Punkt immer wieder deutlich gemacht, nämlich das Abwägen zwischen fiskalischen und ökologischen Erfordernissen bei der Ausgestaltung der ökologischen Steuerreform. Die Ursache dafür ist darin zu suchen, daß Ökosteuern gleichzeitig fiskalische und lenkende Zielsetzungen verfolgen. Steuern dienen jedoch in erster Linie der Finanzierung staatlicher Aufgaben. Abgesehen davon kann lt. Abgabenordnung §3 Absatz 1 die Einnahmenerzielung auch Nebenzweck sein. Danach ist der Einsatz von Steuern vorrangig für Umweltzwecke möglich. Die Verfolgung dieser beiden Ziele scheint ein Widerspruch in sich zu sein. Dieser Aspekt ist von Bedeutung vor dem Hintergrund, daß mit den Umweltsteuereinnahmen andere Abgaben gesenkt werden sollen.

Zimmermann (1996) macht in diesem Zusammenhang allerdings auch darauf aufmerksam, das richtig bemessene Umweltabgaben nicht die Eigenschaft haben sich vollständig aufzulösen. Die Bemessungsgrundlage und damit das Aufkommen schrumpfen lediglich solange, wie die Grenzvermeidungskosten unter dem Steuersatz liegen.[104] Für die verbleibenden Emissionen ist die Steuerzahlung für die Unternehmen optimaler. Dies ist jedoch kein zufriedenstellendes Kriterium dafür, ob Ökosteuern auch langfristig ein ausreichendes Steueraufkommen erbringen.

Sollen wesentliche Steuern des Steuersystems durch Ökosteuern teilweise ersetzt werden, erfordert das eine Aufkommenselastizität von 1, das heißt die Steuereinnahmen müssen sich dem Bruttosozialprodukt und der Inflation anpassen.[105] Da Umweltsteuern jedoch größtenteils als Mengensteuern ausgestaltet sind, bleiben sie in der Regel hinter Wertgrößen wie dem Bruttoinlandsprodukt zurück.[106] Kritisch ist ebenfalls zu sehen, daß die Einkommenselastizität der Energienachfrage in verschiedenen Studien auf deutlich unter 1 geschätzt wird.[107] So geht der Primärenergieverbrauch je Einheit Bruttoinlandsprodukt seit den 80er Jahren ständig zurück.[108] Das bedeutet, daß die Steuersätze ständig erhöht werden müssen, um die Einnahmen dem Ausgabenbedarf anzupassen.

Diese Schlußfolgerung wird von Linscheidt, Truger (1995) in einem Rechenbeispiel für eine einheitliche Besteuerung der fossilen und nuklearen Endenergie nach dem Energiegehalt bestätigt. Danach ist eine Endenergiesteuer mit einem konstantem Mengensteuersatz auf die Dauer fiskalisch nicht ergiebig. Ebenso wird aber auch gezeigt, daß eine Endenergiesteuer mit steigendem Steuersatzpfad sich als sehr ergiebig erweist.[109]

Das Ausmaß des Zielkonfliktes ist folglich abhängig von der Ausgestaltung der Ökosteuern, wobei insbesondere zwei Faktoren von Bedeutung sind:[110]

- je breiter die Bemessungsgrundlage ist, um so geringer ist die Preiselastizität der Nachfrage und damit auch die Substitutionsmöglichkeiten
- ein schrittweises Anheben der Ökosteuer ermöglicht es, Aufkommensverluste ausgelöst durch die Lenkungsanreize der Ökosteuer, durch Steuererhöhungen zu kompensieren.

Diese Milderung des Zielkonfliktes erfolgt allerdings auf Kosten des Lenkungsziels. Daraus folgt, daß beide Ziele nicht mit der gleichen Intensität verfolgt werden können. Entweder man stellt das fiskalische Ziel in den Vordergrund, dann richtet sich die Bemessungsgrundlage und die langfristige Tarifgestaltung nicht an den ökologischen Zielen aus, oder das Umweltziel steht im Vordergrund, dann ist nicht zu erwarten, daß die Umweltsteuereinnahmen langfristig den fiskalischen Erfordernissen gerecht werden. Aus diesem Widerspruch resultiert die Gefahr, daß beide Ziele nicht mit den geeigneten Mitteln verfolgt werden. Damit werden allerdings auch die Grenzen der Ökosteuer aufgezeigt. Zimmermann (1996) zufolge sollten Umweltabgaben vor allem dort eingesetzt werden, wo das Ordnungsrecht schwer anzuwenden ist, zum Beispiel im Autoverkehr.[111],

[...]


[1] Vgl. Handelsblatt, 24.6.1999, S.4.

[2] Vgl. Koalitionsvereinbarung zwischen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen (1999).

[3] Vgl. Görres u.a. (1994).

[4] Vgl. hierzu Goulder (1995b).

[5] Vgl. Richter, Wiegard (1997), S. 15.

[6] Vgl. Goulder (1995b), S. 158.

[7] Vgl. Bernholz, Breyer (1994), S. 2f.

[8] Ein Großteil dieses Kapitels beruht auf Weimann (1995a) und Weimann (1996).

[9] Vgl. Weimann (1995b), S. 1.

[10] Vgl. Michaelis (1996), S. 5.

[11] Vgl. Weimann (1996), S. 17.

[12] Ebenda, S. 90 – 93.

[13] Ebenda, S. 99.

[14] Vgl. Weimann (1995a), S. 30f.

[15] Ebenda, S. 34.

[16] Vgl. Weimann (1996), S. 93.

[17] Ebenda, S. 93.

[18] Vgl. Weimann (1996), S. 130.

[19] Ebenda, S. 105.

[20] Ebenda, S. 181ff.

[21] Erläuterung und Funktionsweise der Pigousteuer beruht im folgenden auf Weimann (1995a).

[22] Die Darstellungsform von Weimann orientiert sich an Sinn (1988).

[23] Vgl. Weimann (1995a), S. 179f.

[24] Ebenda, S. 179.

[25] Vgl. Coase (1960), S.6.

[26] Ebenda, S. 41.

[27] Vgl. Coase (1960), S. 2. Vergleiche hierzu auch Weimann (1995a), S. 39f.

[28] Vgl. Weimann (1995a), S. 41.

[29] Ebenda, S. 43f.

[30] Ebenda, S. 51ff. sowie die dort angegebene Literatur.

[31] Vgl. Weimann (1995a), S. 68ff.

[32] Ebenda, S. 208.

[33] Ebenda, S. 260.

[34] Ebenda, S. 260.

[35] Ebenda, S. 261f.

[36] Ebenda, S. 264.

[37] Ebenda, S. 262f.

[38] Ebenda, S. 262f.

[39] Ebenda, S. 208.

[40] Weimann (1995a), S. 208.

[41] Vgl. Endres, S. 103.

[42] Vgl. Weimann (1995a), S. 208f.

[43] Ebenda, 208f.

[44] Ebenda, S. 211f.

[45] Ebenda, S. 241f.

[46] Weimann (1995a), S.24f.

[47] Vgl. Linscheidt/Truger (1995), S. 27f.

[48] Allerdings stellt sich auch bei einem geringen Aufkommen das Problem, dieses möglichst anreizneutral zurückzuschleusen. Vgl hierzu Weimann (1995a), S. 178.

[49] Vgl. Hansjürgens (1995), S. 202.

[50] Vgl. zu Ökosteuervorschlägen Linscheidt, Truger (1995), Horbach (1992); Benkert u.a. (1990).

[51] Vgl. Bach u.a. (1995), S. 108.

[52] Vgl. Gawel (1995), S. 187.

[53] Vgl. Sitte (1999), S. 198.

[54] Vgl. Görres u.a. (1994).

[55] Vgl. Kirchgässner (1998), S. 279; Görres u.a. (1994).

[56] Gawel (1995), S. 186f.

[57] Vgl. Gawel (1995), S. 186f.

[58] Vgl. Bach u.a. (1995).

[59] Ebenda, S. 224.

[60] Der Primärenergieverbrauch sinkt im gleichen Zeitraum um 24% gegenüber dem Jahr 1987. Vgl. S. 103-108.

[61] Vgl. Bach u.a. (1995), S. 139.

[62] Vgl. Hettich u.a. (1997), S. 206f und Werbeck (1995), S. 43f.

[63] Vgl. Hettich (1997), S. 206f.

[64] Vgl. Münch, Böttcher (1995), S. 11.

[65] Vgl. Böhringer (1994), S. 623f.

[66] Vgl. zu Ökosteuervorschlägen der Parteien Schiffer (1997).

[67] Eine zusammenfassende Darstellung der Vorschläge findet sich in Linscheidt, Truger (1995) sowie in Benkert u.a. (1990).

[68] Vgl. Endres (1994), S. 103.

[69] Vgl. Linscheidt, Truger (1995), S. 120.

[70] Vgl. Hansjürgens (1995), S. 204.

[71] Vgl. hierzu Ewringmann (1996), S. 3: CO2-Emissionen werden im Verhältnis von 120:100:84:78:76:59 bei der Verbrennung von Braunkohle, Steinkohle, schwerem Heizöl, leichtem Heizöl, Diesel, Benzin und Erdgas freigesetzt.

[72] Vgl. zum folgenden Ewringmann (1996), S. 8.

[73] Vgl. Lindscheidt, Truger (1995), S101-107.

[74] Vgl. Wirl (1994b), S. 543f.

[75] Vgl. Linscheidt, Truger (1995), S. 96f.

[76] Ebenda, S. 112f.

[77] Ebenda, S. 112f.

[78] Ebenda, S. 112f.

[79] Vgl. z.B. Bach u.a. (1995), S. 89.

[80] Vgl. Klemmer (1996), S.40.

[81] Vgl. Linscheidt, Truger (1995), S. 83.

[82] Vgl. hierzu Linscheidt, Truger (1995), S. 69ff.

[83] Das beste Beispiel dafür ist die ökologische Steuereform der Bundesregierung. Eine nicht aufkommensneutrale ökologische Steuerreform hätte von Anfang an den Steuerwiderstand der Bürger hervorgerufen und könnte auch keine positiven Beschäftigungseffekten für sich in Anspruch nehmen. Damit hätte sie politisch keine Chance gehabt; wahrscheinlich wäre es mit so einem Wahlkonzept nicht einmal zu einem Regierungswechsel gekommen.

[84] Vgl. Sitte (1999), S. 198.

[85] Vgl. hierzu Bach u.a. (1995), S. 64f.

[86] Vgl. Linscheidt (1994), S. 441.

[87] Ebenda, S. 441.

[88] Vergleiche hierzu Kapitel 7.

[89] Vgl. im folgenden Hansjürgens (1995), S. 218.

[90] Vgl. im folgenden Linscheidt, Truger (1995), S. 108-113.

[91] Vgl. Ewringmann (1997), S. 79.

[92] Vgl. Linscheidt, Truger (1995), S. 109.

[93] Vgl. Ewringmann (1997), 79f.

[94] Vgl. Gawel (1995), S. 180f; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (1997), S. 107.

[95] Vgl. Richter (1997), S. 16f.

[96] Ebenda, S. 126f.

[97] Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1998), S. 273.

[98] Vgl. Linscheidt (1995), S. 108.

[99] Vgl. Hansjürgens (1995), S. 220f, Ewringmann (1993), S.35-39; Linscheidt (1995), S. 130.

[100] Ebenda.

[101] Vgl. Hansjürgens (1995), S. 220f, Ewringmann (1993), S.35-39.

[102] Hierunter wird die Summe aus Steuerbetrag und den Kosten der Verhaltensänderung der Besteuerten verstanden. Vgl. hierzu Blankart (1991). S. 179ff.

[103] Vgl.Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (1997), S. 28f.; Krause-Junk (1997), S. 679f.

[104] Vgl. Zimmermann (1996), S. 251f.

[105] Vgl. Linscheidt (1995), S. 18 und 96.

[106] Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1998), S. 106.

[107] Vgl. Linscheidt, Truger (1995), S. 94f. und die dort angegebene Literatur.

[108] Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Nr. 456), S. 15f. Anfang der 90er Jahre kam es allerdings zu einem Anstieg, infolge der Vereinigung.

[109] Vgl. Linscheidt (1995), S. 101-107.

[110] Vgl. Linscheidt (1995), S. 100 und Hansjürgens (1995) S. 210.

[111] Vgl. Zimmermann (1996), S. 245f.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1999
ISBN (eBook)
9783832468286
ISBN (Paperback)
9783838668284
DOI
10.3239/9783832468286
Dateigröße
519 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2003 (Mai)
Note
1,7
Schlagworte
ökosteuer umweltpolitik marktversagen externe effekte interessengruppen
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Titel: Ökologische Steuerreform - das Problem der doppelten Dividende
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