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Verständigung im Netz

Gruppenspezifisches Verhalten in Newsgroups

©1998 Magisterarbeit 139 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Worin liegt der Reiz und Nutzen, über Computernetze Mitteilungen auszutauschen und wodurch unterscheiden sie sich von anderen Kommunikationsmedien und Kommunikationsformen? Wie wird man überhaupt ein „User“ und wie findet man Anschluss an die Netzgemeinde? Worin liegt das Besondere und ist es überhaupt so besonders computer-vermittelt zu kommunizieren?
Dies sind einige Ausgangsfragen, die die Autorin zu ihrer Arbeit veranlasst haben und die von ihr aus einem kommunikationswissenschaftlichen Blickwinkel beantwortet werden. Hierbei liegt der Schwerpunkt der Betrachtung darauf, wie Sprachgemeinschaften im Internet funktionieren.
Eingangs wird der Bezugsrahmen von technisch bzw. computer-vermittelter Kommunikation geklärt sowie grundlegendes Wissen über die Anwendungsformen des Internet und der Newsgroups vermittelt.
Aus einer beobachtenden und teilnehmenden Haltung heraus und einer ethnographischen Herangehensweise, legt die Verfasserin dann der Internet- bzw. Newsgroups-Kommunikation ein analytisches Merkmalsraster zugrunde, welches medial-bedingte und kommunikativ-gruppenspezifische Komponenten erfasst. Anhand dieser Kategorisierungen kann die Kommunikation per e-mail, Mailing-Listen, in Chats und Newsgroups voneinander abgegrenzt werden und es lassen sich motivationale Aspekte und typische Verhaltensstränge von Usern beschreiben.
Im Anschluss daran, folgt eine kommunikationswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Verhaltensformen von Usern und deren idiomatischen Sprachgewohnheiten im Internet.
Jede Kommunikation ist eine prozeßhafte, risikoreiche Anstrengung, mit dem Ziel gegenseitiger Verständigung, die es verbal und/oder nonverbal abzusichern gilt. Bei computer-vermittelter Kommunikation fällt auf, dass das Medium „Computer“ kommunikative Möglichkeiten begrenzt, es aber gerade deshalb auch die Möglichkeit bietet, neue, dem Medium angepasste Verhaltensweisen, Kommunikationsformen und Kontrollmechanismen zu schaffen – um die Verständigung abzusichern (unabhängig davon, ob dies gelingt oder nicht).
Bei genauerer Analyse exemplarischer Kommunikationsvorgänge aus den Newsgroups lassen sich weiterhin spezifische Merkmale ableiten, die das Charakteristikum des „gruppenspezifischen Verhaltens“ zulassen. Denn Sprachwahl, Sprachgebrauch und kommunikatives Verhalten sind immer Ausdruck ganz spezieller Einstellungen, Erwartungen und Ansprüche der Kommunikationsteilnehmer an den Kommunikationsprozess und bezeugen, […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Einleitung

2. Kommunikation mit und durch den Computer
2.1 Technisch vermittelte Kommunikation: Stellenwert und Rolle der Kommunikation am Ende der 90er Jahre
2.2 Zum Begriff computer-vermittelter Kommunikation 21
2.3 Klärung von Mißverständnissen zu generellen Beobachtungs problemen von Mensch-Computer-Interaktion

3. Das Internet
3.1 Eine kurze Einführung: Historischer Abriß, Aufbau und Dienste des Internet
3.2 Computer-vermittelte Kommunikation im Internet:
E-mail, Mailing-Listen, Chat und Newsgroups

4. Die Newsgroups
4.1 Entwicklungs- und Wesensgeschichte
4.2 Themen, die die Welt bewegen: Aufbau des News-Systems
4.3 Diskutieren in Newsgroups: Über den Aufbau von News-Artikeln und das Mitsprache- und Mitbestimmungsrecht von Usern

5. Medial bedingte Merkmale computer-vermittelter Kommunikation
5.1 Einordnung der Newsgroups-Kommunikation in eine Kommunika-tionstypologie
5.1.1 Medial bedingte Merkmale der Newsgroups-Kommunikation
5.1.1.1 Zeitliche und räumliche Direktheit
5.1.1.2 Sensorische Qualitäten
5.1.1.3 Gegenseitigkeit
5.1.1.4 Öffentlichkeitsbezug
5.1.1.5 Wiederholbarkeit / Speicherfähigkeit
5.1.1.6 Bekanntheitsgrad der Teilnehmer

6. Gruppenspezifische Merkmale der Newsgroups-Kommunikation
6.1 Die Usenet-Gemeinschaft: Soziodemographische Merkmale
von Usern
6.2 Über Kommunikations- und Verhaltensregeln in Newsgroups
6.2.1 Netiquette und Kooperationsprinzip
6.3 Kommunikationsrequisiten und netzspezifischer Sprachgebrauch
6.3.1 Smileys und der Sinn der Worte
6.3.2 Acronyme und Internet-Slang
6.3.3 Schreibe, wie Du sprichst? Über das Verhältnis von Schriftlichkeit und Mündlichkeit in Newsgroups-Kommunikation
6.4 Identitätsrequisiten und Selbstdarstellung im Netz

7. Resümee

8. Literaturverzeichnis
8.1 Newsgroups-Artikel

9. Tabellenverzeichnis

10. Abbildungsverzeichnis

Vorwort

Titel meiner Arbeit ist Verständigung im Netz: Gruppen­spezifisches Ver­halten in Newsgroups. Dieser Titel stand nicht von Anfang an fest, sondern hat sich erst im Laufe der Beschäftigung mit dem The­men­komplex Internet und Usenet ergeben. Eine spätere Be­titelung einer Arbeit ist im "Findungs-prozeß" und der Bearbeitung eines spe­ziellen The­mas durchaus nicht un-üblich. Ich betone dies dennoch, um so den Aufbau meiner Arbeit zu ver­deutlichen. Denn meine Ausgangslage war die eines "Greenhorn im Inter­net". Internet - was ist das? World Wide Web, bunte Bilder, Informationen rund um die Uhr und globale Kommunikation - dies waren anfangs nur Be­griffe, die mir im Kopf herumschwirrten, und diese Begriffe galt es alsbald praktisch mit Inhalt zu füllen, d. h. konkret: ein User im Internet zu werden. Im Laufe der eige­nen Praxis habe ich erfahren, daß Kommunikation im In­ternet bzw. Usenet durchaus mehr ist als bloßer Plausch oder Informations­austausch von Men­schen mit ähnlichen Interessen.

Ein jeder Verfasser kommt in die unausweichliche Zwangslage, sich ent­scheiden zu müssen, wie das Grundkonzept seiner Arbeit auszusehen hat und wo Prioritäten zu setzen sind. Dies stellt nicht selten ein mehr oder min­der schwieriges Unterfangen dar, denn während des gesamten Arbeits­pro­zesses stößt man an Grenzen und Probleme und muß die Fülle an eige­nen Erfahrungen und Vorstellungen in brauchbar und unbrauchbar selektie­ren und strukturieren. Als mein "eigenes Versuchsobjekt" zu gelten, mit be­stimmten Vorstellungen von der Netzkommunikation Anschluß an das Inter­net (und "seine" Menschen) zu erhalten und diese durch die Praxis zu verifi­zieren aber auch zu falsifizieren, auf der Suche nach dem Besonderen die­ser Kommunikationsform schien mir die spannendste Alternative. Der Auf­bau meiner Arbeit spiegelt daher die einzelnen Etappen meiner gedankli­chen, methodischen sowie praktischen Herangehensweise an das Internet wider. Die thematische Hinführung, Ziele der Arbeit und die Kapitelbeschrei­bung erfolgen in der Einleitung.

Zuvor einige konzeptionelle und formal-organisatorische Hinweise: Ich bin bemüht, verwendete Termini (aus dem Bereich "Computer und Inter­net") schon beim ersten Auftreten im Text zu erläutern. Ist eine Erklärung eines erstmals verwendeten Begriffes bzw. Terminus allerdings störend für den "Lese­prozeß", so habe ich das Verstehen durch Verweise innerhalb der Ar­beit ge­sichert. Damit der Textfluß allerdings nicht ständig durch Verweise unter­brochen wird, habe ich diese Begriffe ebenso durch Kursivdruck kenntlich gemacht, sie werden im weiteren Verlauf der Arbeit erklärt. Beson­ders be­tonte Begriffe sind ebenfalls kursiv gedruckt (sowie metakommuni­kativer Gebrauch). Englischsprachige Wörter, für die es keine adäquaten deut­schen Entsprechungen gibt bzw. die als Termini der Internet-Sprache gel­ten, verwende ich in eingedeutschter und deutsch flektierter Form, z. B. für das Veröffentlichen von Artikeln in Newsgroups: er hat einen Artikel ge­postet, von engl. to post = 'mit der Post versenden' bzw. in News­groups: 'als Aushang bekannt geben'. Englischsprachige Wörter deutsch zu konju­gieren oder zu deklinieren geht allerdings nicht auf mich zu­rück, son­dern wird in den News ebenso gehandhabt. Bei der Literaturrecherche habe ich mir selbst das Internet zu nutze ge­macht und bin teilweise auf sehr interessante Texte zu computer-vermittelter Kommunikation gestoßen. Hierbei handelt es sich um Texte, die auch in ge­druckter Form vorliegen, aber auch um Texte, die ausschließlich im Netz veröffentlicht werden. Gegenüber den relativ hohen technischen und organi­satorischen Aufwendungen, angefangen vom Verfassen und Korrigieren bis hin zum Drucken und Erscheinen von Büchern oder Zeitschriften, kann man in Netz-Veröffentli­chungen einen Vorteil in der großen Aktualität (bezogen auf das Erschei­nungsdatum, das schnelle Veröffentlichen) se­hen. Nachtei­lig gestaltet sich allerdings die Zitierung und das spätere Auffin­den von Netz-Artikeln z. B. dann, wenn Texte bzw. Dateien auf andere Internet-Sei­ten verlegt wurden und ein link (ein Verweis) auf die neue Seite aus­bleibt, der Text somit zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr verfügbar ist. Flüch­tigkeit und Willkür sind hier Faktoren, die wir stets berücksichtigen müssen. Für das Zitieren von Internet-Quellen, e-mails oder Newsgroups-Artikel gibt es derzeit noch keine einheit­liche Richtlinie, nur Empfehlungen (z. B. Bleuel (1995), Ott/ Krüger/Funke (1997)).

Ich übernehme für Internet-Quellen die Zitier­weise, die ich auch bei "her­kömmlichen" Bibliographieangaben ver­wende. Allerdings mit dem Un­ter­schied, daß es keinen Erscheinungsort (außer dem Datennetz des Inter­net), keine genauen Seitenangaben (da sie sich je nach Formatierung der Textfiles verändern) und kein zuverlässiges Erschei­nungsdatum (da Texte häufig aktualisiert werden (update)) gibt. Da­her werde ich elektronische Pu­blikationen im Literaturverzeichnis neben der Autoren- und Titelangabe mit der URL und dem dazugehörigen Veröffentli­chungsdatum kennzeich­nen. Wenn kein Veröffentlichungsdatum angege­ben ist, so benenne ich den Stand des Abrufens der Internet-Seite. Ist die Publi­kation auch in ge­druckter Form erhältlich, so habe ich dies in eckige Klam­mern hinzugefügt.

Weiterhin führe ich im Literaturverzeichnis nach den eigentlichen Bibliogra­phieangaben Artikel aus Newsgroups auf (als Unterkapitel 8.1), die mir für die Erstellung der Arbeit hilfreich waren und die als grundlegende Einfüh­rungsartikel zur Nutzung der News (Netiquette, Einrichtung von Newsgroups etc.) betrachtet werden. Bei dieser Bibliographieangabe übernehme ich das englischsprachige Erscheinungsbild des headers wie es im Newsreader Netscape 3.01 (englische Version) bei Abruf der Newsgroups erscheint.

Beispielhafte News-Artikel und einen Auszug aus einem eigenen e-mail-Wechsel, die ich im Verlauf der Arbeit zur Verdeutlichung und als Beleg für meine Thesen heranziehe, führe ich nicht gesondert als Anhang auf, da sie lediglich Bei­spiele darstellen und es jederzeit in einer x-beliebigen News­group äquiva­lente Artikel gibt. Ist eine genauere Besprechung eines Artikels nötig, so habe ich die Zeilen durchnumeriert, Auslassungen sind durch [...] gekenn­zeichnet und explizit zu besprechende Wörter oder Sätze sind fett gedruckt. Diese beispielhaften, wörtlich zitierten News-Artikel habe ich mit dem sub­ject, also dem Thema der Diskussion, dem Datum und dem Na­men der Newsgroup versehen, aus der sie stammen. Um den Verfassern (aberma­lige) Anonymität gewährleisten zu können, habe ich die Beispiele anonymi­siert bzw. zur Kommentierung eines Artikels lediglich mit einem Vornamen gekennzeichnet. Diese Angaben gelten hier als Beleg. Der Zeit­raum der Ar­tikelauswahl ist willkürlich gewählt.

Des weiteren möchte ich darauf hinweisen, daß es sich hier nicht um eine für sämtliche Newsgroups (allgemein)gültige Beschreibung handeln kann. Insgesamt wird die Zahl der heute existierenden News­groups auf weltweit mehr als 17.000 geschätzt, in de­nen Hunderttausende von Arti­keln zu fin­den sind. Zum einen gibt es globale News­groups, deren Sprache englisch ist, zum anderen gibt es regionale und lo­kale Newsgroups in der jeweiligen Landessprache. Um "Herr der Lage" zu wer­den, habe ich eine Ein­schrän­kung auf die deutschsprachigen de*.-News­groups des Usenet vorge­nommen, wobei ich mich dann auf einige wenige Gruppen, v. a. auf de.newusers.questions und de.news.admin.* konzentriert habe. Ich konnte beobach­ten, daß sich gerade in diesen Gruppen spezifische und ty­pi­sche Verhal­tensweisen von Usern zeigen, weil sie dort über das in allen ande­ren Gruppen vorhandene inhaltliche, thematische Interesse hin­aus auch organisatorische und administrative Probleme im Netz bespre­chen. Wo­bei anzunehmen ist, daß ähnliche Verhaltens­wei­sen wie sie sich dort zei­gen, auch in englischsprachigen News vorherr­schen.

Essen, im Februar 1998 Bianca Kasperski

1. Einleitung

Die Tatsache, daß das Internet als das Kommunikations- und Informations­medium der Zukunft, zumindest der 90er Jahre angesehen wird und somit die Kommunikation in aller Munde ist, gab mir Anlaß genug, mich eingehen­der mit dem Internet beschäftigen zu wollen. Elek­tronische Datennetze ver­binden die Welt, verbinden Tausende von Men­schen miteinander. Worin liegt der Reiz und Nutzen, über Computernetze kurz und kompakt verfaßte sprachliche Mitteilungen mitein­ander auszutauschen und somit schnell(er), zeitsparend(er) und ggf. effektiv(er) (als in bzw. mit anderen Kommunikati­onsmedien) zu kommunizieren? Und was ist mit den Netzen, die sich nicht nur wie e-mail durch Zeiteinsparung und Ökonomie auszeich­nen, sondern in oder mit denen Menschen auf der ganzen Welt in ihrer Freizeit kommuni­zie­ren? Worin liegt das Besondere und ist es über­haupt so besonders com­puter-vermittelt zu kommunizieren?

Gleich ob man das Internet geschäftlich oder privat nutzt, welche positiven oder negativen Erfahrungen man im Netz gemacht hat oder welche Vorstel­lungen, ggf. Vorurteile man sich in bezug auf die Nutzung und den Nutzen gebildet oder welche man adaptiert hat: Allein an dem Begriff des Users läßt sich zeigen, weshalb sich das Internet in der Tat von allen anderen techni­schen Kommunikationsmitteln abgrenzt. Kommunikation über das Internet als das völlig Neue, das noch nie Dagewesene zu bezeichnen ist ebenso un­sinnig wie Analogien zu bilden, e-mail sei mit dem herkömmlichen Briefe­schreiben zu vergleichen, nur ginge der Austausch schneller, und Chats seien im Grunde Plaudereien, wie wir sie auf Partys oder am Telefon (Flirt-Line etc.) betreiben, nur daß man sie in den Computer eintippe. Vergleichen wir das Internet bspw. mit dem Telefon: Seit mehr als 120 Jahren wird das Telefon selbstverständlich als Kommunikationshilfsmittel benutzt, um mit räumlich entfernten Personen zu kommunizieren. Seit der Erfindung des An­rufbeant­worters vor einigen Jahren können wir zudem raum- und zeit­unab­hängig Informationen übermitteln. Würde uns jemand erstaunt und wißbe­gierig fra­gen: "Ach, du hast ein Telefon?" würden wir ihn ebenso er­staunt an­schauen, da wir diese Frage nicht zu deuten wüßten und sie mit größter Wahrscheinlichkeit nicht ernst nehmen würden. Das Telefon ist inte­graler Bestandteil unseres zivilisierten und progressiven Lebens und aus dem Haushalt und Berufsleben nicht mehr "wegzudenken". Anders verhält es sich mit dem Internet, denn es ist erst im Begriff Bestandteil eines alltäg­li­chen technischen Kommunikationsmittels zu werden. Als weltweites Infor­mations- und Kommunikationsnetz, daß jeder nutzen und mitgestalten kann, existiert es erst seit Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre. Fortschrittliche Firmen haben einen Internetanschluß und repräsentieren sich auch im Internet. Ein privater Internetanschluß hingegen ist noch weitgehend mit Faszination belegt. Er­zähle ich anderen, daß ich mich mit dem Internet be­schäftige, höre ich häufig Fragen wie "Ach, du hast Internet? Wie geht denn das?" Fragen sol­cher Art sind durchaus nicht verwunderlich, da das Internet eben noch nicht den Einzug ins Privatleben genommen hat, wie bspw. das Tele­fon, und der Erklärungsbedarf daher noch relativ hoch ist.

Dies ist allerdings nicht der wesentliche Unterschied, den ich zuvor ange­sprochen habe. Telefoniert man mit jemandem, so ist und bleibt man immer noch Privatperson XY, sowohl während als auch vor und nach dem Telefon­ge­spräch und wird nicht etwa als Telefonist(in)[1] oder dergleichen klassifi­ziert. "Betritt" man hingegen das Internet, so wird man in diesem Moment ein User - ein Benutzer des Internet. Kommuniziert man das erste Mal in ei­ner Newsgroup, ist man ein Newbie, kommuniziert man häufiger wird man ein Newuser. Betritt man einen Chatroom, ist man nicht nur ein Chatter, son­dern erhält oder verschafft sich eine andere, eine eigene Netz-Identität. Viel­leicht ist man männlich statt weiblich (oder umgekehrt), älter oder jün­ger, Topmanager oder Junkie, je nachdem welche Informationen man von sich preisgibt, welche man erfindet und welche Vorstellungen sich andere von einem machen. "stephi, uri, lula15, Trudi, Ratboy, Saturn5, Jimmy17, Uner­fahrener, mika22, HAILANDER, basti30, Adrian2, frischling, Roter­Kaefer, Iimbert, Skira, Cyruz, Vivien21, Bermuda, spargel" - dies sind bspw. die Teilnehmer des uni-online Chat-Channels in Chatcity (http://www. chatcity.de) vom 2.11.1997 um 17.17 Uhr. Wer sich hinter diesen skur­rilen, z. T. ominösen Namen verbirgt, erfährt man unter Umständen nie. Faszination, Nervenkitzel, Zeitvertreib, das wie auch immer geartete Ken­nenlernen anderer Personen, Wissensaustausch - gleich wel­che Gründe man für die Nutzung von Chats oder Newsgroups finden mag, es gibt Tau­sende von Chat-Channels, Newsgroups und Usern, Newusern oder Chat­tern, die im und über das Internet kommunizieren.

Habe ich zuvor erwähnt, daß ich in Gesprächen mit anderen erfahren habe, daß das Interesse am Internet relativ hoch ist (bezogen auf Informations­suche und e-mail), so finde ich es angesichts der Tatsache von Tausenden von Usern hingegen erstaunlich, daß das Interesse am Usenet und den News­groups relativ gering ist. Eine häufig zu vernehmende Einstellung über in­terpersonale Kommunikation im Internet ist die, daß sie zu unpersönlich sei, man Freunde doch lieber von Angesicht zu Angesicht oder per Telefon spreche und nicht stundenlang allein vor dem Computer hocke.[2] Gleich wel­ches Thema, welcher Sachverhalt oder Umstand, natürlich gibt es immer ein Pro und Contra. Geht es um Computer und Internet, so scheint es, daß sich zwei Kategorien von Menschen abzeichnen (extrem ausgedrückt): Einer­seits gibt es Personen, die wir als Computer­freaks bezeichnen und von de­nen wir nicht selten ein stark negativ geprägtes Bild mit folgenden Attri­bu­ten im Kopf ha­ben: blaß, kontaktarm und geradezu computerbesessen. Anderer­seits gibt es Menschen, die sozusagen "voll im Leben stehen", weil sie nicht ständig vor dem Com­puterbildschirm sitzen. Aber was sind das für Leute, die sich über das Inter­net weltweit miteinander un­terhalten? Sind es tatsächlich nur Computerfanatiker oder sind es zukunftsorientierte, fort­schrittlich denkende Men­schen, die das Inter­net als "Kommunikationsre­volution" ansehen und gerade deshalb "voll im Leben stehen"? Es geht mir hier nicht um eine konkrete Beantwortung die­ser Fra­gen oder um ein psy­chologisches Nutzerprofil, dennoch sind es Leitgedan­ken. Denn allein an­hand der Be­griffe User, Newuser und Chatter wird eines deutlich: Es wird unterschieden in eine Welt außerhalb des Netzes (in der Internet-Sprache heißt dies dann RL für Real Life) und eine im Netz (VR für Virtual Reality). Im Privat- bzw. All­tagsleben bin ich Bianca K., im Internet bin ich User (bzw. Userin - aller­dings gibt es diesen eingedeutschten Aus­druck noch nicht) Bianca K. aber viel­leicht auch Jimmy17 oder Skira.

Ein User zu werden heißt, sich auf die Menschen "im Netz", ihre Kommuni­kationsge­wohnheiten, auf ihr Verhalten einzulassen. Nicht mehr und nicht weniger als wir es im Alltag, etwa in einer face-to-face Kommunikation, ge­wohnt sind. Im Netz zu kommunizieren, heißt nicht zwangsläufig anders zu sein, sich der Realität zu entziehen und sich in der Netzwelt oder gar der Virtualität (welchen Raum oder besser welchen "Nicht-Raum" man auch immer damit bezeichnen möchte) zu verstecken, nur weil wir die Personen, mit denen wir über den Bildschirm und die Tastatur kommunizieren, nicht sehen, hören oder anfassen können. Ob sich Menschen im Netz generell anders verhal­ten als im "realen Leben" steht hier nicht zur Diskussion. Al­lerdings bietet das Internet eine Form der Kommunikation, die noch kein an­deres technisches Kommunikationsmedium so integrativ ermöglicht hat. Wer sich als Neuling mit dem Internet beschäftigt, wird fasziniert sein von der Fülle der Informa­tionen und deren schnellen Verfügbarkeit, wird er­staunt sein, wie leicht es doch ist, weltweiten Kontakt mit anderen Men­schen zu knüpfen. Die erste e-mail aus Canada! - war ich begeistert.

Doch diese erste Faszination über die Leichtigkeit und Kommunikations­freudigkeit im Netz kann sich schnell legen. Denn Kommunikation im Usenet heißt Arbeit (wobei ich dieser natür­lich eine Faszination nicht absprechen möchte). Es heißt, sich Wissen über Computer, Netzwerke und Software anzueignen, sich an administrative und kommunikative Regeln zu halten, Vorschriften zu beach­ten, sich gekonnt darzustellen, d. h. für andere inter­essant zu erscheinen, und Informatives statt Unsinnigem zu schreiben, da­mit man der Enttäuschung entgeht, übersehen worden zu sein oder gar schlim­mer, geflamt oder sank­tioniert zu werden. Wer sich darauf einläßt, ein "echter" User zu werden, wird im Netz "eine Welt" vorfinden, in der man Wirklichkeiten konstruiert, Identitäten aushandelt und Beziehungen und Gemeinschaften bildet. Auch die Kommunikation im Netz ist "echte" soziale Kommunikation.

In der vorliegenden Arbeit geht es mir also weniger um positive oder nega­tive Eigenschaften des Internet allgemein oder um soziale und psychologi­sche Folgen und Wirkungen der Computernutzung auf den Menschen und seine Kommunikationsfähigkeit, sondern ich möchte mich hier vornehmlich den privat-kommunikativen Bereichen des Internet als dem Kommunikati­onsmedium schlechthin, konkret dem Usenet als dem Diskussionsforum und der "stattfindenden Kommunikation" in Newsgroups im Netz widmen. Dabei soll es nicht um Fragen gehen, ob sie die Kommunikation im Alltag ersetzen soll oder wird.[3] Ich möchte mich hier vornehmlich auf das Wie kon­zentrie­ren, d. h. in welcher Weise gestaltet sich der Ablauf, der Voll­zug und das Herstellen von Kommunikation in Newsgroups. Hierbei werde ich stel­len­weise auch auf mögliche Paral­lelen und gegebene Unterschiede anderer textbasierter (z. B. dem "konventionellen" Briefwechsel) und auch technisch vermittelter Kommunikationsformen (z. B. dem Telefon) eingehen. Jegliche Bewertungen oder Mutmaßungen über das Warum oder mit wel­chen Kon­sequenzen, die sich auf kommunikativ-gesamtgesellschaftliche Verände­rungsprozesse bezie­hen, sind und bleiben spekulativ und sollen in der Ar­beit wenig Verwendung finden. Währenddessen sich Einstellun­gen, Wün­sche und Vorstellungen, die sich mit dieser neuen Art von Kom­munikation verbinden und in ihr zum Ausdruck kommen, nicht vom eigentli­chen Kom­munikationsvorgang trennen lassen. Somit werden mich natürlich auch mo­tivationale Aspekte der Nutzung dieser Kommunikationsform inter­essieren.

Informationen über das Internet, populärwissenschaftliche Texte und um­fangreiche wissenschaftliche Literatur aus den Bereichen Informatik, Sozio­logie, Psychologie und den Sprachwissenschaften, seien es Kommentare, Essays oder nur Benutzerhandbücher, gibt es momentan reichlich, wobei der Bereich der Internet-Kommunikation und Sprachentwicklung (und mögli­chen Sprachveränderung) erst allmählich Gegenstand von sprach- und kommuni­kationswissenschaftlichen Untersuchungen wird. Allzu leicht wird man be­einflußt von gesellschaftskritischen, computerfeindlichen, gar apo­kalypti­schen Visionen, in denen die Technik den Menschen beherrscht, aber auch von technikgläubigen Gedanken und Vorstellungen, das Internet sei "das Tor zur Welt". Schnell stellte sich mir das Problem: Wo stehe ich mit meiner Meinung in all den positiv wie auch negativ ausgerichteten Stand­punkten über die doch so menschenentfremdende wie zugleich men­schen­verbin­dende computer-vermittelte Kommunikation des Internet? Sinnvol­lerweise stellt man sich erst am Schluß einer Themenbearbeitung diese Frage und beginnt mehr oder weniger vorurteilsfrei mit der Lektüre und ei­genen Erfah­rung als User im Internet. In Kapitel 2 thematisiere ich daher eine Reihe von ersten Fragen und anfängli­chen Ge­danken, die ich mir über das Thema Kommunikation mit und durch den Computer gemacht habe und zeige, wie ich das Thema näher einge­grenzt habe.

In den Kapiteln 3 und 4 folgen, kurz gesagt, Informationen über das Internet und Usenet sowie prakti­sche Erfahrungswerte. Diese Kapitel sind eher deskriptiv ausgelegt und gehen auf die Frage zurück, wie Kom­munikation im Internet organisiert ist. Wobei ich allerdings darauf hinweisen muß, daß es nicht darum gehen kann, ein Benutzerhandbuch für Internet und News­groups zu schreiben und eine vollständige Beschreibung dessen zu geben, was das Internet ist und wie es funktioniert, was Newsgroups sind und wie man in bzw. mit ihnen kommunizieren kann. Abgesehen davon, daß eine annä­hernd vollständige Beschreibung sicherlich den Rahmen von minde­stens 400-500 Seiten einnehmen würde. Vielmehr ist es eine einfüh­rende Be­schreibung der Informationen, die ich für wichtig erachte und die ich selbst zum Verständnis und zur Anwendung benötigt habe, um mich im In­ternet und in den Newsgroups zurechtzufinden. Dabei bin ich notwendi­ger­weise auch auf technische Aspekte eingegangen.

Der Computer als Me­dium de­terminiert unsere "natürlichen" verbalen und nonverbalen Kom­munikati­ons­mittel weit stärker als bisherige Kommuni­kationsgeräte, wie z. B. das Telefon, oder als andere schriftlich fixierte Kommunikationsformen, wie z. B. der Brief. Um aufzuzeigen, in welcher Art und Weise dies ge­schieht, sind Ausführungen zur Funktionsweise von Computern und Com­puternetzwer­ken, die auf den ersten Blick zu tech­nisch erscheinen und in einer sprach- bzw. kommunika­tionswissenschaftli­chen Arbeit überraschen könnten, un­verzichtbar. Spreche ich von gruppen­spezifischem Verhalten bzw. von grup­penspezifischer Kom­munikation in Newsgroups, so nehme ich eine Klassifi­zierung und Unter­scheidung vor, die einer Rechtfertigung und Diskussions­grundlage bedarf. Ich betrachte die Ausführungen der Ka­pitel 3 und 4 als grundlegendes Vor­wissen, das vonnöten ist, um in den anschließenden Kapiteln 5 und 6 über­haupt erst Aussagen über News­groups und deren Teilnehmer machen zu können. Kommunikation in News­groups ist neben e-mail, Chat und Mailing-Listen eine mögliche Form der computer-vermit­telten Kommunikation im Internet. Generelle Unterschiede von Funktions- und Einsatzweisen werde ich in Ka­pitel 3.2 beschreiben. Um die News­groups-Kommunikation konzep­tionell fassen und erklären zu kön­nen, werde ich in Kapitel 5 eine detaillierte Merkmalsunterscheidung vor­nehmen, bezogen auf medial bedingte Äuße­rungsformen von bzw. in e-mails, Chats und Newsgroups und sie speziell in Kapitel 5.1.1 in eine allge­meine Typo­logie von Kommunikation (wie Indivi­dual- und Massenkommu­nikation) einord­nen.

Merkmale in computer-vermittelter Kommunikation begründen sich aber kei­neswegs allein durch die Tatsache, daß der Computer als Medium zwischen die Teilnehmer geschaltet ist oder durch die Annahme, daß das Medium Computer die Art und Weise der Kommunikation festlegt. Zwar kann man aufgrund des Mediums nur begrenzt, und zwar nur durch den Austausch von schriftsprachlichen per Computertastatur eingetippten Mitteilungen mit je­mandem kommunizieren, aber allein diese Tatsache sagt noch nichts über den eigentlichen Sprach- und Kommunikationsstil aus. Hier handelt es sich neben den in Kapitel 5 angesprochenen formalen bzw. medial beding­ten Merkmalen um eine zweite Ebene von Merkmalen. Es sind materielle und materiale Komponenten (in Anlehnung an Ungeheuer 1974a: 92-95) der Kommunikation, die die Sprache und das Primärthema (in unserem Fall das subject einer Newsgroup) betreffen. Wie und warum man etwas sagt, hängt u. a. von den Einstellungen, Vorstellungen und Wissenszu­ständen der je­weiligen Personen und im besonderen von dem Kommunika­tionsziel ab, das Verständigung i. S. v. Verstehen heißt. In unserem Fall ist die Einstel­lung der News-Nutzer zu dem Medium bzw. zu der Kom­munikati­onsmög­lichkeit Newsgroup und zu deren Teilnehmern für die Art und Weise der Kommunikation relevant. Wir können hier (wiederum in An­lehnung an Ungeheuer 1974a: 92-95) von modalen Komponenten spre­chen, die sich konkret durch die bzw. in den kommunikativen Äußerungen ausdrücken und sich im Kommunikationsprozeß beobachten lassen. Die Ausführungen zu materiellen und modalen Komponenten habe ich in Kapitel 6 als grup­pen­spezifische Merkmale von Newsgroups-Kommunikation zu­sammenge­faßt.

Nun ist es nicht so, daß ich von vornherein die These aufstellte, Kommuni­kation in Newsgroups sei grup­penspezifisch. Erst durch aktive Teilnahme und Durchsicht von Artikeln aus Newsgroups, die ich mehr oder weniger willkürlich "besuchte", sowie durch Literaturrecherche habe ich ganz be­stimmte Merkmale gefunden, die für diese These sprechen. Genau diesen Weg möchte ich beschreiben, d. h. ich werde beispielhafte Artikel oder Aus­züge aufführen und genauer besprechen, um meine These zu begründen und zu verifizieren. Da­bei ist weniger relevant welche kon­krete Situation vorliegt und welche spezi­ellen kommunikativen Strategien und Handlungs­entscheidungen ge­troffen werden. Denn es zeigen sich charakteri­stische Verhaltensweisen (wohlgemerkt keine allgemeingültigen Verhal­tens­muster), die ich deshalb als gruppenspe­zifisch ansehe, weil sie zum einen dadurch gekennzeichnet sind, daß User spezielle schriftsprachliche Kom­munikations(hilfs-)mittel un­abhängig von einer konkreten Kommunika­ti­onssituation verwenden (wie etwa Smileys oder Acronyme), die allgemein auf Kommunikation in News­groups zutreffen und weil sie zum anderen aus einem noch näher zu spezi­fizierenden Ge­meinschaftssinn resultieren (wie z. B. Mitgestaltung und Einrichtung von Newsgroups, Sanktionierung von flames und "Streitsüchtigen", Verantwor­tungen eines Moderators).

Nun lautet mein Thema nicht nur gruppenspezifisches Verhalten in News­groups, sondern dieses ist eingebettet in das "Oberthema"Verständigung im Netz. Der Begriff der Verständigung ist eng mit den Begriffen Verstehen, Verständnis und Verständlichkeit verbunden und beinhaltet mehrere Be­deutungen, Ableitungen und Assoziationen zugleich:

- wir sprechen, um uns zu verständigen i. S. v. mitteilen, sprechen, Kom­munikation als Verständigung (Newsgroups als Form der Verständigung und Schrift­sprache als Mittel der Verständigung),
- sich verständlich machen i. S. v. gut zu verstehen, bezogen auf klar und deutlich sprechen, sich klar und deutlich ausdrücken (z. B. kurze und wohlüberlegte Sätze in News-Artikeln schreiben),
- sich über etwas verständigen i. S. v. von Einigung, Einvernehmen und Konsens, Übereinstimmung (etwa Herstellung und Eingrenzung eines Kommunikationsthemas einer Newsgroup, Übereinstimmung über einen Standpunkt in einer Diskussion),
- jemanden verstehen i. S. v. Verständnis und Einfühlungsvermögen ha­ben, bezogen auf das emotionale Verständnis, Kommunikation als Be­ziehung
- etwas verstehen i. S. v. begreifen, etwas können, logisch einordnen,
- "ja, ich verstehe dich" i. S. v. wahrnehmen, hören, bezogen auf die bloße auditive Leistung.

Verständigung ist daher ein etwas unklar gefaßter Begriff, der den Prozeß des Verstehens umschreibt, in dem das Ergebnis wieder Verständigung lautet bzw. erreicht werden soll, in welchem eine Einigung Verstehen vor­aussetzt und in dem Einverständnis der Kommunikationszweck und Verste­hen das Kommunikationsziel ist.[4]

Verständigung im Netz behandelt einer­seits die bekanntesten computer-vermittelten Kommunikations- bzw. Ver­ständi­gungsformen des Internet und bezieht sich andererseits auf das Her­stellen von Verständigung durch kom­munikatives, soziales Verhalten der User untereinander, also auf Fak­toren und Merkmale des Verstehenspro­zesses. Es geht mir darum, wie Ver­ständigung in Newsgroups hergestellt bzw. erreicht wird und an welche Grenzen sie stößt, d. h. in welchen Situationen Mißverständnisse aufkom­men (können).

Ich möchte in bzw. mit mei­ner Arbeit aufzeigen und begründen, welches Verhalten durch Netzkommunikation zu Tage tritt, d. h. welches durch den Einsatz des Computers (in begrenztem Maße) vorgegeben bzw. nur möglich ist und welches kommunikative und soziale Verhalten ich in Newsgroups anhand spezieller kommunikativer und sprachlicher Merkmale und Eigenar­ten als netz- und gruppenspezifisch ansehe - im Sinne einer “Ethnographie der Netzgemeinde“. Sprachwahl und Sprachge­brauch so­wie das gesamte kommunikative Verhalten sind Ausdruck ganz spezieller Ein­stellungen, Er­wartungen und Ansprüche der Kommunikati­onsteilnehmer an den Kommu­nikationsprozeß und bezeugen, wenn dieses Verhalten annä­hernd normiert und kollektiv übernommen oder erlernt wird, nicht zuletzt eine Gruppen­zugehörigkeit.

2. Kommunikation mit und durch den Computer

2.1 Technisch vermittelte Kommunikation: Stellenwert und Rolle der Kommunikation am Ende der 90er Jahre

Die Revolution in der Kommunikation steht erst am Anfang. (Bill Gates 1995:12)

Die Kommunikations- und Informationstechnologie wird als der entschei­dende ökonomische Faktor für das ausgehende 20. und das kommende 21. Jahrhundert angesehen. Information und Kommunikation sind zum vierten großen Wirtschaftsfaktor geworden, so wichtig wie Rohstoffe, Arbeit und Kapital. Die Symbole der heutigen sog. Informationsgesellschaft sind der Chip und der Computer (vgl. BMWi 1995: 2 und Weingarten/Fiehler 1988: 3). Computer und programmierte Maschinen werden zuneh­mend ar­beitsteilig oder arbeits-, personal- und zeiteinsparend eingesetzt. Multime­dia und Datenautobahn sind Begriffe, die wirtschaftlich und gesell­schaftlich pro und contra heiß diskutiert werden. Befürchtungen, daß die Menschen Lesen und Schreiben verlernen, daß wir uns zunehmend passiv verhalten, indem wir uns durch den (Multi-)Medienkonsum sozial iso­lieren, gar verein­samen und daß mediale Kommunikationsangebote die zwi­schen­menschli­che Kommunikation zerstört[5], stehen den Prognosen einer effizi­enteren Lern- und Arbeitsmethodik durch multimediale Technologien, die das Lei­stungs- und Wissensniveau der Gesellschaft anheben und durch Schaffung neuer Arbeitsplätze das Wachstum der Wirtschaft ankurbeln könnten, ge­genüber. Zusammengefaßt sind es im wesentlichen drei große technologi­sche Bereiche, die die entscheidenden Veränderungen der Zu­kunft bringen werden. Hier können wir die von Weingarten/Fiehler (1988: 3) vor­ge­nommene Einteilung dieser Bereiche übernehmen:

a) Fortschritte in der Computertechnik, sowohl größere Speicherplatzkapa­zitäten und kürzere Verarbeitungszeiten der Hardware als auch die Kon­struktion von leicht erlernbaren Benutzeroberflächen der Software zei­gen ein kontinuierliches Wachstum (bezogen auf die Entwicklung und den Einsatz).
b) Mit der angestrebten Breitbandverkabelung (ISDN) und Nutzung der Satellitentechnik sollen sowohl national als auch international Optionen geschaffen werden, die eine nachrichtentechnische Infrastruktur für ver­schiedenste Informationsdienste ermöglichen.
c) Eine dritte Komponente ist die Verknüpfung der zuvor in a) und b) ange­sprochenen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten. Als Bei­spiele seien hier genannt: Btx, electronic mail (e-mail oder kurz mail ge­nannt), Video conferen­cing, Bildschirmtelefon (I-Phone) und (ergänzend zu den bereits im Buch von Weingarten und Fiehler im Jahre 1988 be­nannten Bereichen, die bis dahin noch nicht so sehr ausgefeilten und einsatzbe­reiten) Dienste des weltweiten Internet.

Das "multikommunikative" Spektrum, das sich wie ein großflächiges und breit gespanntes Netz aus Begriffen wie Multimedia, Internet, Global Village, Information Highway oder auch Superhighway, Information und Kommuni­kation zusammensetzt, reicht in viele Lebensbereiche hinein. Hersteller und Betreiber prognostizieren eine universelle Verwendbarkeit der komplexen neuen Technologien in fast allen Lebensbereichen (inkl. Arbeitsbereichen): In der Industrie werden die Konstruktion (durch CAD), die Produktion (durch CAM), der Vertrieb und die Bürokommunikation mit Hilfe des Computers erledigt. Ebenso werden im Dienstleistungssektor Bürokommunikation und Informationsverwaltung zunehmend auf neue Technologien umgestellt. Im gesellschaftlichen Bereich des Lernens und der Weiterbildung sollen her­kömmliche Lernmethoden durch computergesteuerte, interaktive[6] Lernsy­steme ergänzt oder ersetzt werden. Besonders steht der private Bereich im Zentrum wirtschaflticher wie privater Interessen und öffentlicher Diskussio­nen: Unterhaltung per Kabelfern­sehen, interaktive individuell gestaltbare Videoprogramme und CD-Rom An­gebote oder persönlicher Geschäftsver­kehr, geregelt und bewältigt durch Kontoführung per Telefon oder Computer (electronic bzw. home banking). Buchungen per PC oder Bestellungen kön­nen zeiteinsparend und direkt per CD-Rom und Home Shopping via Satellit und TV erledigt werden. (vgl. Weingarten/Fiehler 1988: 3)

Über das persönliche Gespräch hinaus lernten die Menschen im Laufe der Zeit auf neue Arten zu kommunizieren. Durch die Schrift ist es möglich ge­worden, andere Personen zu erreichen, die zeit-räumlich nicht anwesend sind[7]: zunächst durch Briefkontakt und telegraphische Übermittlungen, dann durch Telefonkommunikation bis hin zum Verschicken von Faxen. Diese Möglichkeiten werden nun Ende der 90er Jahre durch das Medium Com­puter erweitert.[8] "Am Ende des 20. Jahrhunderts stehen wir vor einem Um­bruch, dessen Folgen sich erst langsam abzeichnen: Die digitale Technik ist immer und überall. Die neue Welt wird im Takt von 0 und 1 beschleunigt." (BMWi 1995: 2).

Der Bereich der technisch vermittelten Kommunikation bzw. enger gefaßt, der Bereich der computer-vermittelten Kommunikation eröffnet den Men­schen durch e-mail sowie Diskussions- und Kommunikationsforen im Inter­net neue Dimensionen, mit anderen Menschen weltweit und jederzeit in Kontakt zu treten und Kontakte zu knüpfen. Die Ideale interpersoneller und technisch vermittelter Kommunikation "mit jedem gewünschten Menschen [Hvhbg. auch im Orig. wie nachfolgende auch] zu jeder gewünschten Zeit an jedem gewünschten Ort in jeder gewünschten Form mit möglichst geringem Aufwand"direkt" in Verbindung zu treten" (Lange 1989: 167) scheinen Ende der 90er Jahre un­längst jederzeit erfüllbar zu sein und als Normalfall zu gelten.

Das Wissen um Computer und Multimedia gehört schon fast selbstver­ständlich zu unserem heutigen Alltagsleben dazu. Neuheiten auf dem Com­putermarkt wurden "früher" ausschließlich in Fachzeitschriften diskutiert, "heute"[9] gibt es kaum eine Publikumszeitschrift, die nicht die Sparte 'Soft­ware- oder Medien-News' aufzuweisen hat. Selbst die sog. Frauenzeit­schriften haben neben Kosmetiktips und Backrezepten Neuig­keiten auf dem Online-Markt anzubieten. Dies ist durchaus nicht abwertend gemeint, sondern es soll verdeutlichen, welchen Stellenwert das Thema Kommunika­tion und Multimedia eingenommen hat.[10] Ebenso haben wir die Möglichkeit, uns durch das Fernsehen über Computer und neue Kommunikationstechni­ken zu informieren. Neben ein­zelnen Berichten gibt es speziell gestaltete Sendungen, die sich diesem Thema wöchentlich oder monatlich widmen.[11]

Die sich ständig ergebenden Veränderungen und Neuerungen auf dem "Computer-Markt" machen es für den einzelnen fast unerläßlich, sich diesen in seinem Lebens- und Arbeitsbereich anzupassen (abhängig davon, ob es von ihm gefordert wird oder persönliches Interesse ist). Wer sich nicht mit Datenverarbeitungs­software auskennt, gilt auf dem heutigen Arbeitsmarkt fast schon als Analphabet. Richtungsweisende Pläne und Bestrebungen, schon Vor­schulkindern und Schülern erste Kontakte mit dem Computer zu ermögli­chen, werden mehr und mehr durch finanzielle Unterstützung v. a. be­treffender Telekommunikations- und Softwareunternehmen reali­sier­bar.[12]

"Dank der neuen Technologie werden wir besser in der Lage sein, unser Le­ben selbst zu gestalten; sie wird uns Erfahrungen und Produkte liefern, die speziell auf unsere Interessen und Bedürfnisse zugeschnitten sind. Den Mit­gliedern der Informationsgesellschaft werden sich ganz neue Wege zu Pro­duktivität, Lernen und Unterhaltung erschließen." (Bill Gates 1995: 360) Diese beiden Sätze des Gründers und Chefs des weltweit führenden Soft­wareher­stellers Microsoft sollen hier exemplarisch für viele andere Äuße­rungen von Computer-Befürwortern stehen, die im Zuge der rasanten kom­munikationstechnolo­gischen Entwicklung gravierende Einschnitte u. a. im Arbeitsleben, Schulalltag oder Freizeitverhalten für die nächsten Jahrzehnte "vorhersagen". Bill Gates geht gar in seinen Progno­sen in be­zug auf die Nutzung des Information Highway noch einen Schritt weiter: "Vielleicht wird Ihre Identität, Ihr Gefühl, wer Sie sind und wo Sie hin­gehö­ren, sich be­trächt­lich erweitern." (1995: 22)[13] Ähnliches können wir auch von Kritikern der Da­tenautobahn vernehmen (allerdings im Gegensatz zu Gates eher im ne­gativen Sinne gemeint): "Die digitale Welt verändert un­sere Sprache, unsere Art zu schreiben und letzten Endes unsere Art zu denken." (Heuser 1996: 3). Diese Veränderung mündet häufig in der Vision, daß uns der Un­tergang der Welt des von John Updike benannten Guten­berg-Zeitalters be­vorsteht (vgl. Frühwald 1996: 8).

Wir dürfen hier nicht außer acht lassen, daß ein "prophezeiter" Unter­gang des Buchdrucks nicht mit einem Ende der Buchkultur gleichzusetzen ist. Hier spricht ge­rade der Rekordumsatz der Verlage und Buchhandlungen im ersten Drittel des Jahres 1997 dagegen. Trotz Multimedia-Konkurrenz wur­den noch nie so viele Bü­cher verkauft (vgl. Der Spiegel 1997). Die Ver­mittlung von Wissen durch Bücher wird durch die Nutzung des Internet nicht zwangsläufig verhindert oder eingeschränkt. Das Internet kann im Ge­gen­teil ge­rade als weitere, alternative Quelle der Wissensvermittlung und -aneignung genutzt werden und Informationen (an)bieten. Es gibt (derzeit) kei­nerlei nachgewiesene Rela­tion zwischen der Annahme der Option, die neuen Kommunikations­mittel zu nutzen, und einem Verschwinden des Buchdrucks oder gar der Verdrän­gung von "stilistisch schönem Schrei-ben".[14] Verhalten ist stets indi­viduell (wenngleich stark von äußeren Ein­flüssen geprägt). Die Tatsache, daß man vor seinem Computer sitzt und sich die Zeit z. B. mit dem Herumblättern in Internet-Pages vertreibt, schließt nicht aus, daß man danach nicht noch ein Buch lesen könnte oder ei­nem Freund einen netten (handgeschriebenen) Brief schreiben würde. Na­türlich kann solch eine Situation auch aus negativer Sicht beschrieben werden, indem wir eben annehmen, daß das Lesen eines Buches gänzlich durch die Be­schäftigung mit dem Computer ersetzt wird. Gerade in bezug auf heutige Lern- und Spielschemata von Kindern ist dies unter pädagogi­schen Ge­sichtspunkten immer kritisch und aufmerksam zu verfolgen.

Eine weitere Sichtweise ist die, quasi als positives Element einer negativen Kritik der Massenmedien, daß die Überschüttung mit elektronischen Kom­munikationsmöglichkeiten als Vorteil angesehen und bewertet wird. Die An­nahme geht dahin, daß die Zunahme elektronischer, interaktiver Medien oder Online-Medien zu einer Rückbesinnung auf die bilden­den und dar­stellenden Künste, auf Literatur und Musik und zu einer vermehrten Be­schäftigung "mit sich selbst", zu einem Ver­langen nach Transzendenz führe. Diese Entwicklung wollen manche in der Beobachtung einer Zu­nahme von Esoterikläden, Selbsterfahrungskursen o. ä. begründet sehen.[15]

Angesichts dieser o. g. exemplarischen Äußerungen und Thesen in bezug auf Möglichkeiten und Konsequenzen des Computereinsatzes (unabhängig davon, wie man sie bewerten soll) halte ich es für interessant und gar not­wendig, sich eingehender mit diesem Themenkomplex zu befas­sen. Wenn­gleich wir darauf verweisen müssen, daß dieses Pro und Contra einer "Ver­netzung" zugleich ein Desiderat innerhalb der derzeitigen For­schung mar­kiert, sowohl in der Kommunikationswissenschaft als auch in den Sozi­alwis­senschaften. Denn häufig wird "der Mythos einer übermächtigen Technik" impli­ziert, "die ihre Nutzer automatisch zu passiven unkritischen Technik­gläubi­gen macht" (Döring 1996). Die Empirie hinkt hier noch weit den Spe­kulatio­nen über isolierende und kommunikationszerstörende Wir­kungen moderner computerbasierter Technologie hinterher. Oder mit den Worten Moores (1996: 15): "Die Prahlerei der einen wird von der Schwarz­seherei der ande­ren ad absurdum geführt, und jedwede Vorstellung bricht unter entstellen­den Übertreibungen der Massenmedien zusammen. Anders aus­gedrückt, niemand weiß Genaues. Jeder kann nur Vermutungen anstel­len."

Studien über einen möglichen Einfluß "vernetzter Computerwelten" auf das Bewußtsein, das Denken und gar die Identität der Computerbenutzer[16] oder Umfragen, in denen den Fragen nach Vereinsamung am Computer und der Substitution zwischenmenschlicher Kommunikation durch computer-vermit­telte Kommunikation nachgegangen wird[17], sind richtungsweisend, wenn­gleich nicht repräsentativ. Sie zeigen vielfach, daß die "schwarzseherischen" Äußerungen über Computer-Autismus oder "Kommunikationszerstörung" nicht belegt und pauschalisiert werden kön­nen. Dies soll heißen, daß wir je nach Vorhaben oder auch Vorurteil zwar Studien zu einem (bestimmten) Nutzer­verhalten finden und wir somit unsere (vorgefertigte) Meinung ge­genüber diesem Medium als be­stätigt ansehen, wir aber in gleichem Maße "Gegenstudien" finden. Eine systematische Empirie, allgemeine Fest­stel­lungen und auch allge­meine oder allgemeingültige zum Vergleich vor­aus­gesetzte Grundlagen, auf die wir bei einem Vergleich "Mensch-Compu­ter-Verhalten" zurückgreifen könnten, fehlen, so daß wir, wie eingangs an­ge­sprochen, meist über eine Pro und Contra-Darstellung der Funktion, des Nutzens des Computers und seine Wirkung oder gar Beeinflussung auf den Menschen nicht hinauskom­men. Ein einheitliches "Vergleichsgerüst Com­puter-Mensch", das Wirkun­gen und Nutzungsverhalten widerspiegelt, gibt es schon allein deshalb nicht, weil ein Computer sich auf vielfältigste Weise nutzen läßt, z. B. als reine funktionale Schreibmaschine, als Arbeitshilfsmit­tel, als Spielmöglichkeit oder zur Nut­zung des Internet. Zudem steht nicht, wie ver­einzelt gewünscht oder pro­phezeit, jedem Haushalt ein Computer zur Verfü­gung.[18]

Zweifellos erreicht technisch vermittelte Kommunikation einen immer größer werdenden Stellenwert, der nicht ohne Auswirkungen auf die Formen der Konstitution von Gesellschaft bleiben wird. Und wir wollen und können uns im Rahmen dieser Arbeit nicht anmaßen, die Lücke dieses Forschungsdesi­derats zu füllen. Abhängig von unserem Vorhaben, die stattfindende Kom­mu­nikation zwischen den Netz-Nutzern zu beschreiben, können wir an die­ser Stelle "nur" beobachten, wie auf dem Information Highway mit dem Be­griff und der "Ware"Kommunikation umgegangen wird und wie die jewei­li­gen Kommunikationshandlungen konkret gestaltet sind. Denn trotz aller "Prophezeiungen" glaube ich an die Wahlfreiheit des Menschen und nicht an einen kollektiven Verfall sog. "alter Werte" durch eine Computerisie­rung unserer Welt. Kritische Kultur- oder Gesell­schaftsbeobachtung ist sicherlich ein notwendiges demokratisches "Muß" eines jeden, doch wollen wir dies nicht zum Thema der vorliegenden Arbeit machen.

Daher ist eine Ausgangsvoraussetzung dieser Arbeit, daß wir die Möglich­keit, per e-mail, Chat und Newsgroups zu kommunizieren, zunächst als ge­geben ansehen und uns unvoreingenommen als "objektiver Beobachter" diesem Themenkomplex nähern wollen. Denn, betrachtet man computer-vermittelte Kommunikation nicht als Surrogat für face-to-face-Kommunika­tion, sondern als Ergänzung, wird der Computerkritik vieles von ihrer Dra­matik genommen. Computerkommunikation ist ebensowenig eine defizitäre Variante der face-to-face-Kommunikation wie es ein Brief oder ein Telefonat ist. In bestimmten Situationen bieten bestimmte Kommunikationsmedien bestimmte Vorteile oder Möglichkeiten, derer sich Menschen selektiv bedie­nen. (vgl. Döring 1994)

Somit wollen wir zunächst akzeptieren, daß einige (wenngleich nicht alle) Aufgaben oder Kommunikationsvorgänge durch verschiedenste neue Infor­mations- und Kommunikationstechnologien bewältigt werden können. An­hand von Merkmalsbeschreibungen der Kommunikation werden wir ersehen können, wieviel "Wahres" in den o. g. Vor- und Nachteilen der computer-vermittelten Kommunikation steckt, bzw. auf welcher Grundlage solche Be­urteilungen überhaupt erst entstehen können.

2.2 Zum Begriff computer-vermittelter Kommunikation

Im Laufe der Literaturrecherche (sowohl in "gebundener Form" als auch in elektronischer Form im Netz) bin ich auf eine Fülle von Ungereimtheiten und definitorisch unge­nauen Kommunikationsausdrücken und -beschrei­bun­gen gestoßen, die uns aus unserer Alltagserfahrung aufgrund der Über­mittlung durch unsere heuti­gen Massenmedien bekannt sind. Meist sind sie so be­kannt und alltäglich, daß wir sie schon verinnerlicht haben und ebenso all­täglich, fast selbstver­ständlich verwenden. So sprechen oder lesen wir über Neue Me­dien, Inter­aktive Kommunikation und durch den Computer ver­mittelte Kom­munikation oder über Informationen, die weltum­spannend verarbeitet, ge­speichert, abgerufen und kommuniziert werden (vgl. z. B. Rexrodt 1995). Das Di­lemma, welches hier besteht (bestehen könnte), ist das, daß wir ständig von unterschiedlichen Bezugsrahmen und -momenten ausgehen müssen. Zum einen wollen wir in metakommunikati­ver Rezeption über Phä­nomene "menschlicher Kommunikation" sprechen, zum anderen bezieht sich diese Rezeption wieder auf eine Sprache der Kommunikations­techno­logie, die Kommunikation zur außersprachlichen und außer­mensch­lichen Ware ab­stempelt und Information zum Faktum macht.

Wir beziehen uns hier in zweierlei Hinsicht auf den Begriff der Kommunika­tion:[19]

- Zum einen umfaßt der Ausdruck Kommunikation im Zusammenhang mit Kommunikationsmedien die Technologie der Nachrichten- bzw. Informa­tionserzeugung und -vermittlung. Hierbei wird Kommunikation "in Analo­gie zum Transport von Gegenständen oder Gütern konzeptualisiert" (Fiehler 1990: 104). Fiehler erkennt, angelehnt an Reddy (1979, in: Fiehler 1990), in einer solchen alltagsweltlichen Begriffserklärung die sogenannte Conduit-Metapher (engl. conduit: ‘Kanal’, ‘Rohrleitung’). Kommunikation funktioniert demnach nach Art eines "Paketdienstes", wie es Brinker/Sager (1989: 126) beschreiben: Mitteilungen werden von Sen­dern verfertigt (bzw. kodiert), wie Pakete verpackt und über einen Trans­portkanal zu Empfängern transportiert, die die Pakete auspacken (und dadurch die Mitteilung dekodieren). Aus wissenschaftlicher Sicht ken­nen wir diese Vorstellung von Kommunikation u. a. von dem nach­richtentech­nisch und eher mathematisch orientierten, informationstheo­reti­schen Modell von Shannon & Weaver (1948/49) sowie von der sog. Lasswell-Formel (1948) (vgl. Noelle-Neumann/Schulz/Wilke 1990: 100-102). Beide Modelle beschreiben den Kommunikationsprozeß als einseitig ausgerichtete Informationsweitergabe von Sender zu Emp­fän­ger (mit ggf. auftretenden Störungen und dessen Abhilfe) und simplifi­zie­ren den Kommunikationsprozeß als Dekodierungs-Enkodierungs-Vor­gang. Solche Modelle erlauben es (maximal) von Mensch-Maschine-Kommunikation zu sprechen.
- Zum anderen sprechen wir von Kom­munikation, verall­gemeinernd ge­sagt, als einem menschlichen Anliegen, sich zu verständi­gen mit dem Ziel, sich zu verstehen. Gleich mit welchen Mitteln wir dieses Ziel zu er­reichen versuchen, treten wir mit anderen in einen wie auch im­mer ge­arteten sozialen Kontakt, in eine (kommunikative) Interaktion (vgl. Ungeheuer 1974a: 82, 90 und 1974b: 34). Kommunikation ist daher im­mer ein Prozeß des Verstehens, wobei die Bestimmung des Sinns (des Gesagten) allen am Kommunikationsprozeß Beteiligten obliegt. Kommu­nikative Aktivitäten gelten hier lediglich als Versuche, "einen bestimmten Sinnkomplex, der zunächst nur als kognitives Konzept dem einzelnen verfügbar ist, aufzubauen, zu beeinflussen, umzuändern, zu erweitern, zu verengen oder gänzlich zu demontieren." (Brinker/Sager 1989: 126-128).

Computer-vermittelte Kommunikation ist eine Form der technisch vermittel­ten Kommunikation und umfaßt streng genommen beide Kommunikations­begriffe zugleich. Aber auch wenn schriftsprachliche Äußerungen (als Teil kommunikativer Verständigungsmittel) über den Computer bzw. über die Leitungen der Computernetzwerke quasi als Transportgut (Informations-weitergabe) verschickt werden, werden diese erst "zur" Kom­munikation, wenn sie beim Empfänger ankommen und von ihm und dem Versender ge­meinsam interpretiert und kommentiert werden (wie im Falle von Diskussio­nen in Newsgroups). Menschen funktionieren nicht wie Ma­schinen und Kommunikation geschieht nicht nach einem Input-Output-Schema. Daher lasse ich hier auch nur ein Verständnis von Kommunikation im Sinne eines zwischenmenschlichen Verstehensprozesses zu.

Unter technisch vermittelter Kommunika­tion bzw. technisch vermittelter in­terpersonaler Kommunikation [20] verstehen wir jene Situa­tionen, "in denen ein technisches Medium in den Prozeß der Kommunikation zwischenge­schaltet wird" (vgl. Höflich 1996: 57). Eine ähn­liche begriffliche Annähe­rung finden wir bei Weingarten/Fiehler (1988), wobei sie die Kommunika­tion mit oder durch ein technisches Medium als technisierte Kommunikation umschreiben. Kommunikation wird, allgemein gesagt, dann als technisiert betrachtet, "wenn (irgend-)eine Komponente des Kommunikationsprozesses technisch affiziert ist" (1988: 5), d. h. wenn eines der oder mehrere Ele­mente der Kommunikation durch "etwas Techni­sches" gebildet oder verän­dert werden, wenn ein technisches System die kommunikativen Möglich­keiten bedingt. Allerdings gibt es keine einheitliche Festlegung des Begriffes technisierte Kommunikation. Zum Beispiel kom­munizieren Menschen über einen technischen Kanal (Mikrophon) oder in einem technischen Medium (Morsen, Austausch von Programmen) oder in einem technischen Medium über einen technischen Kanal (Telefon, Com­puternetze) (vgl. Zoeppritz 1988: 110). So könnte man ein Gespräch zwi­schen zwei Personen über das technische Medium Telefon als techni­sierte Kommunikation betrachten, wir könnten aber auch von technisierter Kom­munikation sprechen, wenn eine Maschine, speziell der Computer die Stelle eines Kommunikationsbe­teiligten einnimmt. Selbiges gilt für den Begriff der technisch vermittelten Kommunikation.

Für die Kommunikation in den Newsgroups ziehe ich daher die konkretere Umschreibung der computer-vermittelten Kommunikation vor. In der eng­lischsprachigen Lite­ratur bzw. Diskussion finden wir auch den Begriff der Computer Mediated Communication (CMC).

Sprechen wir hier von vermittelter Kommunikation, so ist anzumerken, daß es unvermittelte Kommunikation i. e. S. nie geben kann. Kommunikation bedarf immer eines Mediums (vgl. auch Fußnote 8), auch direkte, face-to-face Kommunikation ist vermittelte Kommunikation (Luft als Medium ge­sprochener Sprache) und das Kommunikationsziel ist immer das Verstehen, das Vermitteln von bestimmten Botschaften, Meinungen o. ä.

In diesem Sinne soll uns für die Arbeit folgendes Zitat von Juchem (1985: 3) begleiten:

So reden Vertreter der Kommunikationstechnologie unbefangen von "vermittelter Kommunikation", als ob nicht die "Vermittlung" das ureigen­ste Prinzip der Kommunikation im eigentlichen Sinne wäre, ohne daß man sie erst über Computer simulieren muß.

Wir wollen uns hier aber nicht zu sehr in Definitionen verstricken, sondern auch den psychologischen Aspekt vermittelter Kommunikation berücksichti­gen. So sieht Graumann (1972: 1182f.) den wesentlichen Unterschied von vermittelter und unvermittelter Kommunikation nicht in der Tatsache, daß objektiv ein techni­sches Medium in den Kommunikationsprozeß zwischen­geschaltet ist, son­dern in der Einstellung der Kommunizierenden zu diesem Medium. Wenn dieses Medium zum einen aktuale wechselseitige Kommu­nikation gewähr­leistet und zum anderen "im Prozeß der Kommunikation erlebnismäßig zurücktritt, kann von einer psychologisch unvermittelten Kommunikation ge­sprochen werden" (1972: 1183). Medien, die keine di­rekte Wechselseitigkeit zulassen und schon deshalb als Hilfsmittel betrach­tet werden (wie z. B. Briefe, Filme, Massenmedien), nennen wir nach Graumann auch im psychologischen Sinne vermittelte Kommunikation. Ich denke, daß wir gerade heute diesen Me­dienbegriff differenzieren müs­sen. Sprachen wir vor 25 Jahren von einem Medium, das aktuale Rezipro­zität zuläßt und in den meisten Fällen im psy­chologischen Sinne unvermittelt er­scheint, so meinten wir damit v. a. das Telefon. Wir telefonieren ohne über technische Abläufe des Telefons oder über Kabelnetzwerke nachzu­denken, außer wir stoßen an Grenzen des Kommunika­tionsverlaufes (z. B. "Das kann ich dir am Te­lefon nicht sagen.").

Da es sich bei der Internet-Kommunikation um eine relativ neue Art tech­nisch vermittelter Kommunikation handelt, ist der Erklärungsbedarf (wie das Inter­net funktioniert oder wie man in Newsgroups kommuniziert) allerdings noch relativ hoch. Ich denke, daß die Kommunikation durch den Computer im Prozeß der Kommunikation nicht immer erlebnismäßig zurücktritt und nicht nur selten thematisch in den Vordergrund tritt. Denn ich glaube, daß sich ein jeder (zumindest ein Neuling) im Netz schon mal die Frage gestellt hat, warum man gerade mit einem unbekannten Gegenüber relativ offen und teilweise gar vertraut kommunizieren kann und dies auch Thema einer Kommunikationssituation geworden ist. Einige Newsgroups, v. a. de. newusers.questions, thematisieren ja gerade wie das Medium funk­tio­niert. Hierzu ein beispielhafter Auszug aus dem Artikel "Werdegang eines Newbies" (verschickt am 10.5.1997 in eben genannte Newsgroup) von User Hans, der sich in dem "Wirrwarr"Internet und Newsgroup nach mühseligem Arbeits-, Zeit- und Telefonkostenaufwand endlich zurechtge­funden hat, nun begeistert in den Newsgroups mitdiskutiert und dieses Er­folgserlebnis mit anderen teilen möchte:

Anfang Februar dieses Jahres hat mich (49) die neue Zeit einge­holt. Mit einem Internet-Anschluß. [...] Usenet, was is`n das für ein unbekanntes Wesen. Usedom kenn` ich, aber Usenet. Beim Weiterlesen wird`s langsam klarer. Weltweite Kom­munikation, man stellt Fragen, liest Meinungen, lernt Leute kennen, also genau das, was mich interessiert. [...] Aber etwas über 19.000 Gruppen zu übertragen dauert seine Zeit. Und dann der nächste Schock - wo ich auch reinschau - English-spoken-Group. [...] Noch etwas verunsichert traue ich mich, auch eine Frage zu stellen. Uups, das hatte ich nicht erwartet. Drei, vier Antworten trudeln ein, zwei private Mails mit dezidierten Hinweisen und Anleitungen. ICH BIN DER GRÖSSTE, ICH BIN AKZEPTIERT. [...] Und jetzt, vor etwa zwei Tagen lese ich eine Antwort auf mehrere Anfragen. Eine Antwort die mich zu diesem Artikel inspiriert hat. Eine Antwort die jedes Newbie-Herz höher schlagen läßt. Kein "besorg` dir ei­nen Offline-Reader" sondern: für dein Betriebssystem wäre dieses oder jenes Pro­gramm am besten geeignet, das hat diesen oder je­nen Vorteil, das bekommst du genau unter dieser Adresse. Keine "Gruppe de.xxxx" sondern: poste deine Frage in *diese* Gruppe, die ist genau für solche Fragen zuständig. Kein "lies die FAQ" sondern: wenn du noch etwas unsicher bist, unter *dieser* Adresse bekommst du die FAQ und unter jener Adresse die Netti­kette. Wouw, das ist USENET. [...]

Jaja, ich weiß: zu lang und wahrscheinlich in der falschen Group. Ich mach` ja schon Schluß.

auf eure Reaktion gespannt

Viele Grüße und ein ;-)

Hans

Daher betrachten wir computer-vermittelte Kommunikation auch im psycho­logischen Sinne als vermittelte Kommunikation. Die Vorstellung von einer Vermittlung und den damit einhergehenden Konsequenzen (wie bspw. An­onymität und Identitätsverwischung) ist bei Usern durchaus vorhanden. Zu­mindest denke ich, daß dies für einen Großteil der Netzneulinge gilt. Routi­niert sich die Anwendung, kann es natürlich sein, daß Kommunikations­situationen zu einem späteren Zeitpunkt unvermittelt erscheinen (vgl. auch Höflich 1996: 60), so wie es sich mit den Medien Telefon und auch dem Fernsehen verhält. Gerade die Einstellung von Gegnern der Internet-Kom­munikation zeigt diese psychologische Komponente, da sie ja aus der be­wußten Vorstellung resultiert, daß man durch oder mit einer "leblosen an­ony­misie­renden Ma­schine" kommuniziert und somit soziale Kontakte mei­det, verliert oder gar vereinsamt. Im Verlauf meiner Arbeit werde ich aufzei­gen, daß Cathcarts und Gumperts (1986 zit. n. Höflich 1996: 59f.) Auffas­sungen, ein vermittelter Austausch funktioniere wirk­lich nur dann als inter­personale Kommunikation, wenn die Tat­sache der Mediatisie­rung im Pro­zeß der Kommunikation nicht thematisiert oder problematisiert wird und sich die Kommunikationsteilnehmer wie in einer face-to-face Situa­tion verhalten, für Newsgroups nicht zutreffen.

Fest­zuhalten ist hier zunächst, daß computer-vermittelte Kommunikation eine Form der schriftsprachlichen Verständigung ist, die sich durch medial be­dingte Charakteristika prinzipiell von anderen direkten und indirekten Kom­munikationsformen unterscheidet.

2.3 Klärung von Mißverständnissen zu generellen Beobachtungs-problemen von Mensch-Computer-Interaktion

Sprechen wir über oder lesen wir von dem Internet, so sind oftmals Assozia­tionen und Begriffe wie virtuelle Realität (z. B. virtuelle Universität im Inter­net) oder Cyberspace nicht fern. Fragen nach dem Wert der Menschlichkeit oder der Rolle des Menschen werden laut, wobei sich der Mensch nicht mehr in sozialen Gefügen, sondern in simulierten und virtuellen Räumen bewegt. Verkabelte Menschen im Cyberspace nehmen mehr und mehr die Form einer Maschine an. Hierzu möchte ich kurz folgendes klären:

Grob gesagt, setzt die Beobachtung als eine empirische Kategorie der Sozi­alwissenschaften und der Kommunikationswissenschaft mindestens zwei Aktionsanteile voraus: zum einen die Symbolvermittlung der Menschen, die innere Welt (Sprache, Medialität etc.) und zum anderen die symbolgeprägte Kultur, die äußere Umwelt. Diese Anteile muß man "beobachtbar machen", um sich eine vergleichbare Grundlage zu schaffen. Die Beobachtung von face-to-face Kommunikation ist immer bezogen auf eine Innen- und eine Außenwelt mindestens zweier Individuen. Bezogen auf die Beobachtung von Handlungen am Computer kann die "herkömmliche" Beobachtungs­syste­matik auseinanderbrechen: Gerade, wenn es sich um den sog. Cyberspace (Stichwort smart rooms oder hybride Kopp­lung) handelt, wer­den Probleme und Differenzen herkömmlicher Interakti­ons- und Kom­muni­kationsmodelle deutlich, denn die Beobachtung der "inneren Welt" wird durch das externe Medium gänzlich eingenommen. Hier müssen neue Be­obachtungskatego­rien und differenzierte Definitionen ge­schaffen wer­den. Gehen wir von der Beobachtung nur zweier Menschen aus, so tritt an die Stelle des einen Men­schen und seiner zu beobachtbaren Handlungen das Medium Computer. Bezogen auf das Verhältnis Individuum und Com­puter kann der Kommuni­kationsverlauf zwar protokolliert werden, der eigent­liche "Nutzerverlauf" von Teilnehmer und Computer ist aber im "herkömmlichen Sinne" schwierig zu beobachten. Ebenso erhält der Begriff der Interaktion hier eine völlig andere Bedeutung, als ihm in zwischen­menschlicher Bezie­hung zuteil wird. Kön­nen wir hier überhaupt noch von Interaktion i. e. S. sprechen, wenn ein Teil des Kommunika­tionsprozesses eine Maschine ist? Verstehen wir im zwi­schenmenschlichen Miteinander Inter­aktion als "gegenseitige Handlungsbe­einflussung" (Ungeheuer 1974a: 82), so kann in einer "reinen" Mensch-Computer-Inter­aktion Gegenseitigkeit kein Kriterium für Interaktion sein. Sondern die Inter­aktion definiert sich allein durch das Nutzungsverhalten des Menschen ge­genüber dem Me­dium (vgl. Fußnote 6).

Was die computer-vermittelte Kommunikation durch e-mail und Newsgroups betrifft, so müssen wir solche Überlegungen differenzieren. Wir wollen Newsgroups-Kommunikation weniger als einseitige Mensch-Computer-In­teraktion verstehen, sondern stellen die handelnden Personen hinter bzw. vor dem Bildschirm in den Mittelpunkt der Betrachtung. Dem Computer soll "lediglich" die Rolle eines technischen Hilfsmittels zur Kommunikation zu­kommen (wenngleich seine Präsenz Auswirkungen auf das Handeln und Verhalten der Teilnehmer hat) - ähnlich dem Telefon, das die Personen z. B. auch räumlich voneinander trennt. Die Beobachtung ist also weniger pro­blembehaftet, denn wir gehen hier immer noch von (mindestens zwei) "real existierenden" Kommunikationsteilnehmern aus, wobei der Computer nicht einen der Teilnehmer ersetzt, sondern (nur) als Vermittlungsinstanz auftritt. Daher wird in diesem Rahmen der Begriff der Virtualität keine Rolle spielen, denn virtuell meint ja etwas nicht wirklich existierendes, nur der Anlage nach als Möglichkeit vorhandenes. Kommunikationsteilnehmer in einer News­groups-Runde sind zwar nicht in direktem Kontakt wahrnehmbar oder er­fahrbar, dennoch gibt es sie, denn wer sonst tippt die Mitteilungen ein? In diesem Sinne sind es keine virtuellen Gesprächspartner, sondern real exi­stie­rende.[21]

3. Das Internet

"Warum behandelte jedes Magazin, jede Zeitung oder jeder Fernsehkom­mentar das Internet so, als handelte es sich dabei um die Wiedergeburt ei­nes elektronischen Messias?" (Moore 1996: 11f.)

Die Frage, ob es sich bei dem Internet bzw. dem Information Highway[22] um einen elektronischen Messias handelt oder nicht, können wir natürlich nicht beantworten. Wir wollen dies aber dennoch als erheiternden roten Faden für die Arbeit "im Hinterkopf behalten". Denn, warum ist es so wichtig, daß sich derzeit "alle" Leute und Firmen im Internet vertreten wissen wollen? Ist es (nur) der Zwang der Zeit und/oder sind es gar (nur) marketingpolitische Ziel­setzungen, die zu einer Präsenz im Internet drängen? Hierbei müssen wir bedenken, daß das Internet in seiner ursprünglichen Form militä­ri­schen und dann wissenschaftlichen Einrichtungen diente und weniger kom­mer­ziellen Verwendungen zugedacht war. Für welche Zwecke nutzen wir als Anwender oder Anbieter das Internet also? Als Informationsterminal oder als weitere Unterhaltungsszenerie? Betrachten wir einmal Serviceleistungen von Organisationen und Unternehmen: Während der Ausstrahlung einer reinen Unterhaltungssendung wie z. B. "Pleiten, Pech und Pannen" (Moderation: Max Schautzer, gesendet in der ARD) wird es für wichtig er­achtet auf die Adresse, die URL [23] im Internet hinzuweisen. Die gleiche "Notwendigkeit" bzw. der gleiche Service besteht bei namhaften und eher "konservativ-informativen" Zeitschriften oder Wochenzeitungen wie z. B. Der Spiegel oder die FAZ. Beliebige weitere (Gegenpaar-)Beispiele ließen sich anführen, denn es gibt heutzutage "nichts", was man nicht im Internet nachlesen könnte.

An dieser Stelle möchte ich wiederum den Begründer des größten Soft­ware­unternehmens zitieren: Bill Gates (1995: 20f.) sieht das Internet als "Informationswerkzeug", welches "Information auf Knopfdruck" bereitstellt. Für ihn sind Informationswerkzeuge "symbolische Vermittler, die nicht die Muskeln, sondern den Intellekt ihrer Benutzer verstärken". Zwangsläufig drängt sich mir hierbei die Frage auf, welche Art von Intellekt verstärkt wer­den soll bzw. in welcher Dimension, wenn sich ein Interessent der oben er­wähnten Sendung "Pleiten, Pech und Pannen" im Internet die dazugehörige Info-Seite abruft? Es scheint, daß diese neue "Kommunikationserfindung Internet" viel mehr an kommerziellen Zwängen und Verpflichtungen, indivi­duellen und gesellschaftlichen Wünschen und Vorstellungen beinhaltet, als es sich in einer einzigen Umschreibung, nämlich "Internet als Informations­werkzeug", ausdrücken läßt.

Um nicht Gefahr zu laufen, in die eingangs angesprochene "Bewerter-Rolle" zu verfallen, wollen wir statt dessen dieses Kapitel nutzen, um kurz zu er­läutern, was das Internet überhaupt ist und wie es funktioniert. Gleichzeitig wollen wir uns damit eine Basis der im Folgenden verwendeten Fachaus­drücke schaffen. Hier sei zuvor angemerkt, daß die Beschreibung vereinzelt zu technisch erscheinen mag und man argumentieren kann, daß es hier nicht darauf ankomme, wie das Internet organisatorisch und tech­nisch ge­sehen funktioniert, sondern wie das soziale und kommunikative Handeln mit der oder durch die Technik funktioniert. Aber ich schlage diese Aufteilung bewußt vor, um meine eigene Herangehensweise an das "Phänomen"In­ternet aufzuzeigen und um zu verdeutlichen, daß gerade computer-ver­mit­telte Kommunikation eine ge­nauere technische Beschäftigung mit dem Me­dium Computer erfordert (im Gegensatz zu anderen Medien).[24]

"Ich will Internet." - "Ja, ist ja alles ganz einfach." vermittelt uns die Wer­bung. Hat man einen leistungsstarken Computer, die richtige Telefondose, ein Modem (der Schlüssel zum In­ternet) und die nötige Software, steht der technischen Anbindung ans Netz im Grunde nichts mehr im Wege. Aber was ist eine URL oder ein DNS-entry oder was bedeutet BBS? Es ist unum­gänglich, sich auch mit elektroni­schen Funktionsweisen und Grundbegriffen des "Computerlebens" ausein­anderzusetzen, bevor man überhaupt in der Lage ist - wie es so schön heißt - "um die Welt zu surfen", ein Posting zu machen oder eine e-mail zu erhal­ten. Zumindest wird man im Laufe der Beschäfti­gung mit dem Internet auf die im Folgenden genannten Begriffe und Erläute­rungen immer wieder stoßen. Und zwar geschieht dies frühe­stens beim Kauf und Einrichten eines Modems und spätestens, wenn die er­sten "Connect-Probleme" auftauchen und es bspw. heißt "An online error occured. Looking up server news.hrz.uni-essen.de. Error reported by win­sock driver: host name not found." Oder wenn wir Bekanntschaft mit dem Mailer Daemon machen, der uns die verschickte mail in die eigene Mailbox zurück­sendet oder wir Artikel in Newsgroups nicht mehr aufrufen können, mit der Begründung "Perhaps the articel has expired." [25]

Computerkenntnisse und Orientierung im Netz markieren zudem einen wichtigen Bestandteil der Gruppenzugehörigkeit im Internet, gerade auch für das eigene Ansehen in den Newsgroups. Nicht selten werden Neueinsteiger mit ihren Fragen aus einer Diskussion mit dem Hinweis verwiesen, sich die nötigen Handbücher durchzulesen, bevor mitdiskutiert werden darf. "Ge­meinsames Herab­sehen auf die niederen Dilettanten der Peripherie fördert das Gemein­schaftsgefühl. Im Netz kursieren eine Menge Insider­witze, in denen auf Kosten dummer "loser" gelacht wird." (Helmers 1994)

3.1 Eine kurze Einführung: Historischer Abriß, Aufbau und Dienste des Internet

Das heutige Internet ist ein Zusammenschluß mehrerer Rechnernetzwerke über das Protokoll TCP/IP (Transmission Control Protocol/Internet Protocol) zu einem globalen Großnetzwerk. Als Protokoll wird ein Satz von Regeln und Vereinbarungen verstanden, der den Informationsfluß und die Daten­übertragung in einem (technischen) Kommunikationssystem steuert (vgl. Rosenbaum 1996: 198). Zusammenschlüsse von Rechnern zu einem Groß­netzwerk gibt es nicht erst seit kurzem, auch wenn die Popularität des Inter­net erst seit einiger Zeit besteht, vornehmlich durch die kommerzielle und weltweite Nutzung des World Wide Web-Dienstes. Das Internet als Verbin­dung zwischen Computern besteht als solches schon seit Ende der 60er Jahre. Ursprünglich wurde diese Idee zum Zusammenschluß mehrerer Rechner vom amerikanischen Verteidigungsministerium gefaßt. Es sollte dem Ziel dienen, das Kommunikationssystem des U. S. Militärs vor ernsten Zerstörungen durch atomare Angriffe zu schützen. (vgl. RRZN 1996: 13) Das Internet (das zuvor ARPANET und später DARPANET hieß)[26] sollte somit als System ohne zentrale Steuerung und ohne Kontrolle fungieren, wobei die "überlebenden" Rechneranschlüsse trotz (atomaren) Ausfalls an­derer Punkte in der Lage sein sollten, wesentliche Verbindungen aufrecht­zuerhalten. Dieses Prinzip wurde 1969 zunächst als Zusammen­schluß von vier Großrechnern einiger amerikanischer Universitäten genutzt. Drei Jahre später bestand das ARPANET aus 40 Rechnern. Bei seiner er­sten öffentli­chen Vorstellung auf der First International Conference on Computer Com­munications wurde beschlossen, weitere Protokolle zu ent­wickeln, die für internationale Verbindungen genutzt werden könnten. 1982 wurde die Pro­to­kollfamilie TCP/IP eingeführt, die unsere heutigen Rechner und Netz­werke im weltweiten Internet verbindet.

Da das ARPANET durch das Department of Defense kontrolliert und be­schränkt wurde, entwickelte sich parallel dazu in den Jahren 1979-1983 das Computer Science Research Network, kurz CSNET. Das CSNET war eine Entwicklung amerikanischer Universitäten, die keinen Zugang zum ARPANET hatten. Die Verbindung zum ARPANET über TCP/IP war ein er­ster Meilenstein auf dem Weg zum heutigen Internet. Das 1979 bei den Bell Labs von AT&T entwickelte UUCP (Unix-to-Unix-Copy-Protocol) ermög­lichte eine einfache Datenübertragung mit Hilfe eines Modems über das be­stehende Telefonnetz. Dieser Einwählvorgang per Modem an einen Host­rechner oder einen Serverrechner wird heute noch genauso wie damals ge­handhabt. 1986 wurde dann mit dem NSFNET der National Science Foun­dation ein großer Backbone (eine Art Hauptleitung) des Internet mit fünf Supercomputer-Zentren in den USA in Betrieb genom­men, der jedem For­scher Zugriff auf Hochleistungscomputer gewährte. Bald wurden die Netz­werkverbindungen auch für Zwecke genutzt, die mit den Zentren selbst nichts zu tun hatten, z. B. für e-mail. Die Kosten- und Zeiteinsparungen durch elektronischen Postverkehr waren für viele Wirtschaftsunternehmen Anreiz genug, um Ende der 80er/ Anfang der 90er Jahre in Computer und Netzwerkverbindungen zu investieren. Dieser Nutzen wurde schnell populär und so wurde das Internet über e-mail bis hin zum heutigen interaktiven Hy­permedia-Informationssystem des World Wide Web (kurz WWW), welches 1989 von Physikern am Kernforschungszentrum CERN in Genf entwickelt wurde, immer weiter ausgebaut. (vgl. RRZN 1996: 14, 27, Gates 1995: 425f. und Maier/Wildberger 1994: 7ff.) Anzumerken ist hier, daß das Inter­net nicht als das weltweit vernetzte Kom­munikationsmedium anzu-sehen ist, sondern das Internet stellt nur einen Bruchteil der heutigen weltweit ver­netzten (Tele-) Kommunikationsnetze dar, existent neben etlichen privaten und staatlichen weltweit verknüpften Daten- und Telefon-netzen.

Die einzelnen Dienste, die das Internet zur Verfügung stellt, bzw. die Daten und Informationen, die vom Benutzer abgerufen werden können, sind im wesentlichen:

[...]


[1] Sehen wir hier davon ab, daß Telefonist(in) auch als spezielle Berufsbezeichnung eines An­gestellten im Fernsprechverkehr gelten kann.

[2] Dies ist ein grob zusammengefaßtes Resümee von Meinungen, die ich in meinem Bekann­ten-, Freundes- und Verwandtenkreis vernommen habe. Auch wenn diese weder repräsenta­tiv noch zahlenmäßig empirisch belegt sind, halte ich sie dennoch für cha­rakteri­stisch, ge­rade für Personen, die selbst noch keine praktischen Erfahrungen im Internet und Usenet ge­sammelt haben.

[3] Wie es bspw. Rammert (1990) macht.

[4] Vgl. stellenweise auch Ungeheuer (1974b) und Duden-Etymologie (1963: 739f.)

[5] Vgl. hierzu z. B. Postman (1991), Mettler-Meibom (1990) und Döring (1994) und (1996).

[6] Der Begriff der Interaktion bzw. der Interaktivität erhält im Zusammenhang der Computer­technologie eine andere Bedeutung als im "klassischen" soziologischen und sprachwissen­schaftlichen Verständnis. Hier ist nicht das direkte zwischenmenschliche, soziale und kom­munikative Handeln i.e.S. gemeint, sondern wenn wir hier von Interaktivität sprechen, so meinen wir insbesondere die Rückkopplungs- und Rückmeldemöglichkeiten von massenme­dial ausge­richteten Kommunikationssystemen (vgl. Höflich 1996: 14). Ohne konkreter auf Kon­zepte der Mensch-Computer-Interaktion eingehen zu wollen, meinen wir mit Interaktion durch oder mit dem Computer wie der Mensch das Medium nutzt. Unter Nutzung fallen bspw. Aspekte der operationalen Angleichung von individuellen Wissens-, Verhaltens- und Kom­munikationsfähigkeiten, vorkonfigurierte Nutzungsmöglichkeiten oder das Abspei­chern und Reproduzieren von Ergebnissen (vgl. Faßler 1997: 165-178). So verstehen wir z. B. un­ter einer interaktiven Spiele CD-Rom, die Möglichkeit den eigentlich vorgegebenen program­mierten Spielverlauf durch individuell wählbare Spielstadien selbst zu bestimmen, "so daß letztlich der "aktive" Rezipient zu einem "interaktiven" Nutzer wird" (Höflich 1995: 519). Die­ser Interaktivi­täts-Begriff hat wenig gemein mit "menschenbezogenem", kommunikativem bzw. sozialem Handeln.

[7] Sehen wir hier einmal ab von Zeichen, Symbolen und Bilderschriften, die in der vorchristli­chen Zeitzählung (steinzeitliche Höhlenmalerei, ägyptische Hieroglyphen etc.) schon ver­wandt wurden.

[8] Zum Begriff des Mediums möchte ich bemerken: Gerade in bezug auf (neue) Computertech­nologien und das Internet hören bzw. lesen wir häufig die Unterscheidung von "alten" und "neuen Medien". Was sind denn "die neuen Medien" und in welchem Zusammenhang stehen sie zu "alten Medien"? Im allgemeinen (oft auch alltagssprachlichen) Gebrauch werden schriftliche Fixierungen (Zeitungen, Zeitschriften, Bücher) sowie Radio und Rundfunk als "alte Medien" bezeichnet. Unter "neuen Medien" verstehen wir meist das heutige Fernsehangebot (v. a. auch Dienste wie Pay per View oder Video on Demand) und den Computer mit seinen vielfältigsten (interaktiven) Nutzungsoptionen als neueste revolutionäre Errungen­schaft, wo­bei wir hier auch auf die Begriffe Online-Medien und Multimedia stoßen. Hierzu sei gesagt, daß die Bedeutung des Wortes Medium völlig unabhängig von Qualitätszuweisungen wie "neu" und "alt" steht. Ein Medium ist ein Medium. Verallgemeinernd gesagt, charakteri­siert es ein Ver- oder Übermittlungs(hilfs)mittel, das in einem bestimmten Verwendungszu­sam­menhang von einer Kommunikationsgemeinschaft eine zuvor festgelegte Botschaft oder Funktion zugewiesen bekommt. Eine Einteilung in "alte" und "neue Medien" simplifiziert den Medienbegriff und erfaßt seine Erklärung nur sehr unzureichend. Abgesehen davon, daß wir auch von Multimedien oder Massenmedien, von primären, sekundären und tertiären (vgl. Pross zit. n. Faßler 1997: 116f.) und quartären Medien (vgl. Faßler 1997: 117) sprechen. Streng genommen, sind "alte Medien" oder die "ältesten Medien" überhaupt z. B. die Luft (als Medium der Sprache), das Licht (als Medium der Gestik und Mimik) oder Steine, auf denen eine Inschrift eingraviert wurde (vgl. Schreiber 1990: 133). Daher ist i. e. S. die Diskussion um "alte" oder "neue Medien" völlig irrelevant bzw. falsch ausgelegt. Verwende ich im Folgen­den dennoch die Klassifizierung Neue Medien, so möchte ich diese Anmerkung als "im Hin­terkopf behalten" wissen.

[9] Die Verwendung der Begriffe früher und heute mag zu allgemein und oberflächlich erschei­nen. Was war "früher" oder "heute", welchen Zeitraum umfaßt "früher", 5 oder 10 Jahre? Diese Unzulänglichkeit ist ähnlich dem Gebrauch der Verallgemeinerungen oder Erweiterun­gen "jeder" (wer ist jeder?) oder "alles" zu sehen. Es soll gar nicht so sehr um eine zeitliche Konkretheit oder Faßbarkeit gehen, sondern ich möchte damit grob den Wan­del und die Veränderung von der "früheren" Industrie- zur "heutigen" Informations­gesell­schaft charakte­risieren.

[10] Zum Beispiel können wir in freundin (O. A.b 1996: 134) unter der Rubrik 'Aktuell' erfahren, wie wir per Mausklick virtuelle Hilfe bei Liebes­kummer bekommen können. Oder s. auch Prima/Carina (Pfitzinger 1996: 133).

[11] Als Beispiele: "netNite - Das Online-Ma­gazin", eine im ZDF ausgestrahlte Sendereihe, die über Internet-News informiert oder die eher praktisch orientierte Sendereihe in 3Sat "Neues...Der Anwenderkurs", die am Bildschirm Hilfestellungen für die Anwendung neuer PC-Programme gibt oder das auf VOX ausge­strahlte Multimedia-Magazin "Click". Gerade zu Neuheiten auf dem Computermarkt wie sie z. B. auf der CeBit in Hannover vorgestellt wer­den, finden wir auf fast allen Kanälen aktuelle Berichte.

[12] Beispiele hierfür sind das Projekt "Futurekids" in Essen, ein Computerzentrum, in dem Kinder Computererfahrung sammeln können (vgl. Wolf 1996 und O. A.c 1996) oder die Initiative "Schulen ans Netz", gefördert u. a. durch die Software Firma Novell sowie die Bill Gates-Stif­tung (vgl. Lanwert 1996, O. A.e 1997: 16 und O. A.d 1996).

[13] Vgl. hierzu z. B. den Spielfilm von Columbia Tristar Pictures Industries Inc. 1995: Das Netz. Die Problematik des Datenschutzes, der Manipulation von Daten (in diesem Film: die Manipulation elektronisch erfaßter Identität) in einer "alles umfassenden ver­netzten Welt", die als unterhaltende Action und mögliche Fiktion dargestellt wird, kennen Verbraucher- und Datenschützer schon längst (Stichwort: "Gläserner Mensch").

[14] Vgl. hierzu: "Das richtige, gar das stilistisch schöne Schreiben wird dabei [beim "Kommunizie­ren" im Internet; Anm. B. K.] unwillkürlich eine Kunst von gestern, weil es nicht auf Stil und Lektüre, sondern auf rasche Information ankommt. Sprache und Schrift verlieren ihre bisher dominierende Kraft an die perfekte [...] Beherrschung der technischen Medien." (Frühwald 1996: 10)

[15] Ähnliche Kontroversen, wie sie es "zu einem Ende des Buchdrucks" gibt, finden wir auch in der Diskussion um Kunst und visuelle Medien, der Umsetzung von Kunst in elektronischen Medien und das visuelle Medium als Kunst. Man spricht hier von einer "Bilderkrise", von dem Verschwinden der echten Bilder zugunsten eines "bloßen Visuellen".

[16] Wie die Studien von Turkle (in: Der Spiegel 1996) oder Bruckman (1992).

[17] Vgl. Döring (1994) und (1996), Kneer (1994), Wetzstein et al. (1995), Forschungsprojekte am IWSP der Uni Göttingen (http://www.gwdg.de/~jheuer1/forsch/cvk.htm).

[18] Ein Beispiel soll hier die Problematik der "Aussagenfällung" über Nutzen und Wirkung des Computers und seines Menschen verdeutlichen: Wollten wir bspw. die Nutzung von Online-Diensten (wie z. B. Home-Shopping, Shopping per Internet) mit einer persönli­chen face-to-face Verkaufssituation vergleichen, um die pla­kative These der "Zerstörung" der zwischen­menschlichen Kommunikation zu stützen, können wir nicht auf (häufig existie­rende) ideali­sierte Schemata zurückgreifen, die die Kommunikation im Alltag als immer "funktionierend", persönlich und freundlich abstempelt. Hier spielen persönliche Erfahrungen eine immense Rolle. Vielleicht hat man ja mit "realen" Verkäufern in einem Verkaufshaus häufig schlechte Erfahrungen gemacht, sie waren oft oder immer unfreundlich, wollten nicht beraten o. ä. und man nutzt allein aus diesem Grund den "virtuellen Verkaufsraum" im Internet. Diese Netz-Nutzung würde nicht im geringsten die persönliche Einstellung gegen­über dem Computer bzw. dem Internet oder das eigene sonstige Kommunikationsverhalten wider­spiegeln. Dies soll verdeutlichen, daß eine Fülle von neuen Kriterien geschaffen wer­den und eine Aufbe­reitung von Alltagserfahrungen erfolgen muß, bevor man Vergleiche zie­hen kann, die syste­matische und wissenschaftlich fundierte Aussagen überhaupt erst zu­las­sen.

[19] Abgesehen davon, daß wir es hier mit einer "Doppelbelegung" des Verständnisses von Kommunikation zu tun haben (technisch und interpersonal gesehen), gibt es per se zur Fra­gestellung "Was ist Kommunikation?" keine allgemeingültige Lösung oder Definition. Dies können wir z. B. auch parallel zur Fragestellung "Was ist Kunst?" sehen. Zwar gehen wir in unserer Alltagspraxis davon aus, daß wir wissen, was Kommunikation oder was Kunst (für uns selbst) ist, doch versucht man eine wissenschaftliche Einkreisung dieser Begriffe, so stößt man auf eine Vielschichtigkeit komplexer Sinn-, Wirkungs- und Bedeutungszusammen­hänge. Bezüglich der Definition kann es nur verschiedene Ansätze und Näherungsversuche geben, die in der Verwendung eines eingekreisten, speziellen Deutungszusammenhanges (innerhalb eines Wissenschaftsbereiches) ihre Gültigkeit erhalten.

[20] Alternativ finden wir auch den Begriff der mediatisierten Kommunikation oder der interperso­nal mediatisierten Kommunikation (vgl. z. B. Höflich 1996: 58).

[21] Ebenso finde ich den Begriff der virtuellen Gemeinschaft unpassend, denn in Newsgroups sind Bildungen von Gemeinschaften von sozialer und nicht von fiktiver Natur. Ich ziehe es vor von elektronischen oder durch Computer erzeugte Gemeinschaften zu sprechen.

[22] Unklar ist, ob mit dem Information Highway nur das Internet bezeichnet wird oder ob damit sowohl das Internet als auch die Services der kommerziellen Anbieter und die Dienste wie z. B. Home-Shopping, Home-Banking und Btx als auch Bulletin Board Systems (zur Er­klä­rung s. 4.1) gemeint sind. Weiterhin existiert der Begriff das Netz, der sämtliche computer-vermittelte Kommunikationsleistungen vereint. (vgl. Moore 1996: 19f.) Die Begrifflichkeiten sind unklar voneinander abgegrenzt und werden zumeist synonym gebraucht.

[23] URL steht für "Unified oder Uniform Resource Locator"; genauere Ausführungen folgen weiter unten.

[24] Hier verweise ich auf die vorangegangenen Überlegungen in Kap. 2.2. Denn computer-ver­mittelte Kommunikation hat heute noch nicht den gleichen Stellenwert in be­zug auf Me­dien­praxis und -kompetenz eingenommen wie z. B. technisch vermittelte Kommunikation durch das Telefon. Zudem werden wir feststellen, daß sich sowohl techni­sche Fragen zum Com­puter als auch organisatorische Fragen zum Internet und insbeson­dere zum kommuni­kati­ven Verhalten im Netz vielfach in Newsgroups niederschlagen und dies nicht nur in Gruppen zum Thema 'Computertechnik'. Der Beispielartikel von Hans hat dies verdeutlicht.

[25] Hier setzen erste Überlegungen an, wie verbreitet diese Form der Kommunikation tatsächlich ist oder sein wird. Denn die Auseinandersetzung mit technischen Erklärungen kann für viele eine Hemmschwelle sein und Desinteresse erzeugen, i. S. v. "bloße Anwendung ja, aber das "Eingemachte" interessiert mich nicht", hinzu kommt der Kostenfaktor (Anschaffung ei­nes Modems, Providergebühren, Telefonkosten). Allerdings gibt es für Leute mit finanziellen Eng­pässen, die nur deshalb keinen privaten Internet-Anschluß haben, mittlerweile in fast jeder Stadt öffentliche Internet-Cafés (z. T. mit kostenloser Nutzung).

[26] ARPA steht für Advanced Research Project Agency, später in DARPA umbenannt, wobei "D" für Defense steht (vgl. RRZN 1996:13).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1998
ISBN (eBook)
9783832467753
ISBN (Paperback)
9783838667751
DOI
10.3239/9783832467753
Dateigröße
977 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Duisburg-Essen – Fachbereich 3 - Literatur- und Sprachwissenschaften
Erscheinungsdatum
2003 (Mai)
Note
1,7
Schlagworte
kommunikation internet computer netiquette e-mail
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Titel: Verständigung im Netz
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