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Das Gartenstadtmodell

100 Jahre Utopie versus Realität

©2002 Magisterarbeit 204 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Städtebau ist einer permanenten Dynamik ausgesetzt. Vielfach ist neben einer unausweichlichen Modernisierung aber auch eine Wiederbelebung immer währender, oft in Vergessenheit geratener Werte, wie gesunder Umwelt und sozial ausgewogener Lebensumgebung, zu erkennen.
Das in dieser Diplomarbeit beschriebene Gartenstadtmodell wurde vor 100 Jahren vom Engländer EBENEZER HOWARD als Ideal zur Realisierung naturnaher und sozial verträglicher Wohnbedingungen konzipiert. Dieses Modell sollte aufbauend auf der Wechselwirkung zwischen dem sozialen Gesellschaftsgefüge und der Physiognomie einer urbanen Siedlungsform die Grundlage für sozialreformerische Stadtplanung bilden. Wenngleich einige der ursprünglichen Gedanken HOWARDS verloren gingen, so hat dieses Stadtkonzept doch seinen Einfluss bis in die Gegenwart aufrechterhalten.
Für mich als Geographen bietet sich mit der Behandlung dieses humangeographischen Themas die Möglichkeit, eine wissenschaftliche Brückenfunktion zwischen den Disziplinen der Human- und Physiogeographie, der Architektur, der Soziologie und der Geschichte einzunehmen. Architektonisches Verständnis, gesellschaftssoziale Einflussanalyse und historisches Hintergrundwissen bilden die Grundlagen um humangeographische und raumbezogene Auswirkungen des Gartenstadtmodells korrekt interpretieren zu können.
Die vorliegende Diplomarbeit behandelt im Wesentlichen die historischen Hintergründe der Gartenstadtbewegung, das vom Engländer EBENEZER HOWARD entworfene Gartenstadtkonzept sowie dessen Entwicklung bis in die Gegenwart. Dabei sollte vor allem der aktuelle Stand der realisierten Gartenstadtprojekte bzw. der vom Gartenstadtkonzept beeinflussten Anlagen mit den ursprünglich geplanten Zielen verglichen werden. Betrachtet werden neben eigenständigen Gartenstädten, Gartenvorstädten und Gartenstadtsiedlungen auch vom Gartenstadtkonzept beeinflusste Entwicklungen, wie die englischen New Towns der Nachkriegszeit oder die amerikanischen Greenbelt Towns der 1930er Jahre und ausgewählte Nachfolgeprojekte. Um einen internationalen Vergleich hinsichtlich der Verbreitung des Gartenstadtideals zu erhalten, wurden neben Realisierungen im „Gartenstadt-Mutterland“ Großbritannien auch Projekte in den USA, in Kanada, in Australien und in Neuseeland untersucht und, soweit dies möglich war, miteinander verglichen.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
ABBILDUNGSVERZEICHNIS4
1.EINLEITUNG8
1.1PROBLEMSTELLUNG UND […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6729
Primas, Ernst: Das Gartenstadtmodell - 100 Jahre Utopie versus Realität
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Graz, Universität, Magisterarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

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Städtebau ist einer permanenten Dynamik ausgesetzt. Vielfach ist neben einer
unausweichlichen Modernisierung aber auch eine Wiederbelebung immer währender, oft
in Vergessenheit geratener Werte, wie gesunder Umwelt und sozial ausgewogener
Lebensumgebung, zu erkennen.
Das in dieser Diplomarbeit beschriebene Gartenstadtmodell wurde vor 100 Jahren
vom Engländer E
BENEZER
H
OWARD
als Ideal zur Realisierung naturnaher und sozial
verträglicher Wohnbedingungen konzipiert. Dieses Modell sollte aufbauend auf der
Wechselwirkung zwischen dem sozialen Gesellschaftsgefüge und der Physiognomie einer
urbanen Siedlungsform die Grundlage für sozialreformerische Stadtplanung bilden.
Wenngleich einige der ursprünglichen Gedanken H
OWARDS
verloren gingen, so hat dieses
Stadtkonzept doch seinen Einfluss bis in die Gegenwart aufrechterhalten.
Für mich als Geographen bietet sich mit der Behandlung dieses
humangeographischen Themas die Möglichkeit, eine wissenschaftliche Brückenfunktion
zwischen den Disziplinen der Human- und Physiogeographie, der Architektur, der
Soziologie und der Geschichte einzunehmen. Architektonisches Verständnis,
gesellschaftssoziale Einflussanalyse und historisches Hintergrundwissen bilden die
Grundlagen um humangeographische und raumbezogene Auswirkungen des
Gartenstadtmodells korrekt interpretieren zu können, was ich in der vorliegenden Arbeit
nach bestem Wissen und Gewissen versucht habe.
An dieser Stelle möchte ich auch meinem Betreuer, Ao. Univ.-Prof. Dr. Peter Cede
vom Institut für Geographie und Raumforschung der Karl-Franzens-Universität Graz, für
die Unterstützung und den mir gebotenen Freiraum danken. Weiters möchte ich mich bei
Prof. Errol Haarhoff von der University of Auckland, Neuseeland, für die persönliche
Bereitstellung dreier Konferenzpublikationen bedanken.


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E
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F
A
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G
G
Die vorliegende Diplomarbeit behandelt im Wesentlichen die historischen
Hintergründe der Gartenstadtbewegung, das vom Engländer E
BENEZER
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OWARD
entworfene Gartenstadtkonzept sowie dessen Entwicklung bis in die Gegenwart. Dabei
sollte vor allem der aktuelle Stand der realisierten Gartenstadtprojekte bzw. der vom
Gartenstadtkonzept beeinflussten Anlagen mit den ursprünglich geplanten Zielen
verglichen werden. Betrachtet werden neben eigenständigen Gartenstädten,
Gartenvorstädten und Gartenstadtsiedlungen auch vom Gartenstadtkonzept beeinflusste
Entwicklungen, wie die englischen New Towns der Nachkriegszeit oder die
amerikanischen Greenbelt Towns der 1930er Jahre und ausgewählte Nachfolgeprojekte.
Um einen internationalen Vergleich hinsichtlich der Verbreitung des Gartenstadtideals zu
erhalten, wurden neben Realisierungen im Gartenstadt-Mutterland Großbritannien auch
Projekte in den USA, in Kanada, in Australien und in Neuseeland untersucht und, soweit
dies möglich war, miteinander verglichen.
A
A
B
B
S
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T
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R
R
A
A
C
C
T
T
The goal of my Thesis Work was the detailed presentation of the historical
background of the Garden City Movement, E
BENEZER
H
OWARD
'
S
original Garden City
Concept itself and its change over time. Special focus was to lay on the current state of
several Garden Cities and Garden City-like realizations compared with their intented
planning directives. Besides the original English Garden Cities the American, the
Canadian, the Australian and the New Zealand Garden Cities had to be treated to create an
international playground. In order to serve the comprehensive character of this Thesis
Work the Garden Cities and their succesors, the English New Towns of the post-WWII
period and the American Greenbelt Towns of the 1930s, had to be analyzed, too. So, this
work should provide a wide-range comparison of Garden Cities on an international scale
and allow to follow the temporal changes within the realized Garden Cities.

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- 100 J
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1
Inhaltsverzeichnis
A
BBILDUNGSVERZEICHNIS
4
1. E
INLEITUNG
... 8
1.1. P
ROBLEMSTELLUNG UND
Z
IELSETZUNG
...9
1.2. A
RBEITSGRUNDLAGEN UND
A
RBEITSMETHODIK
...10
1.2.1. Literatur in Buchform ... 11
1.2.2. Literatur in Form von wissenschaftlichen Aufsätzen in Journalen und
Zeitschriften ... 12
1.2.3. Internet und elektronische Medien ... 14
2. R
AHMENBEDINGUNGEN FÜR
G
ARTENSTÄDTE
... 16
2.1. E
NTWICKLUNG DES ENGLISCHEN
I
NDUSTRIALISMUS
...17
2.2. G
ESELLSCHAFTSPOLITISCHE UND SOZIALE
S
ITUATION IM
E
NGLAND DES
19. J
AHRHUNDERTS
...19
2.3. E
INFLÜSSE DER
I
NDUSTRIELLEN
R
EVOLUTION AUF DIE
S
TADTENTWICKLUNG
...21
2.4. A
USGEWÄHLTE
S
OZIALREFORMER UND IHRE
I
DEALKOMMUNEN
...23
2.4.1. Robert Owen... 24
2.4.2. Charles Francois Fourier ... 26
2.5. A
USGEWÄHLTE
F
ABRIKSSTÄDTE
- M
USTERSTÄDTE DES
19. J
AHRHUNDERTS
...27
2.5.1. Idealstadt Victoria... 27
2.5.2. Saltaire ... 28
2.5.3. Akroydon ... 31
2.5.4. Bedford Park... 32
2.5.5. Bournville... 34
2.5.6. Port Sunlight... 37
2.5.7. New Earswick ... 40
2.5.8. Brentham Garden Suburb ... 42
2.6. E
BENEZER
H
OWARDS
G
ARDEN
C
ITIES OF
T
O
-
MORROW
...47
2.6.1. Theoretische Lösungen für eine ideale, gesunde Stadt ... 49
2.6.2. Praktische Lösungen für eine lebenswerte Stadt ... 51
2.6.2.1. Organisierte Siedlungsbewegungen ... 53
2.6.2.2. System der Bodennutzung ... 56
2.6.2.3. Idealstadt Victoria... 57
2.6.3. Struktur der Gartenstadt ... 57
2.6.4. Architektur der Gartenstadt ... 63
3. D
IE
G
ARTENSTADTBEWEGUNG IN
E
NGLAND
... 66
3.1. L
ETCHWORTH
-
DIE ERSTE
G
ARTENSTADT
...67
3.2. H
AMPSTEAD
G
ARDEN
S
UBURB
...76

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EALITÄT
PRIMAS E
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2
3.3. W
ELWYN
G
ARDEN
C
ITY
...86
3.4. E
INFLÜSSE DES
G
ARTENSTADTKONZEPTES AUF SPÄTERE
P
LANUNGSSTRÖMUNGEN
UND AKTUELLE
E
NTWICKLUNGEN IN
E
NGLAND
...91
3.4.1. Crawley New Town ... 95
4. D
IE
G
ARTENSTADTBEWEGUNG IN DEN
USA ... 98
4.1. D
IE
E
NTWICKLUNG DER
A
MERIKANISCHEN
S
TADT
...100
4.2. V
ISIONÄRE
S
TÄDTE UND
F
ABRIKSSTÄDTE
(C
OMPANY
T
OWNS
)...101
4.2.1. Visionäre Städte - New Harmony, Indiana ... 102
4.2.2. Company Towns - Fairfield, Alabama... 104
4.3. G
ARDEN
C
ITY
, N
EW
Y
ORK
- T
HE FIRST
G
ARDEN
C
ITY
? ...106
4.4. D
IE
S
OZIALE UND GESELLSCHAFTSPOLITISCHE
S
ITUATION AM
E
NDE DES
19.
UND
A
NFANG DES
20. J
AHRHUNDERTS UND DIE
A
USWIRKUNGEN AUF DIE
S
TADTPLANUNG
...109
4.5. W
ORLD
W
AR
I C
OMMUNITIES
...111
4.5.1. Yorkship Village (Fairview), New Jersey ... 112
4.6. D
IE ERSTEN
G
ARTENSIEDLUNGEN
...113
4.6.1. Forest Hills Gardens, New York... 115
4.6.2. Sunnyside Gardens, New York ... 120
4.7. D
IE
A
NFÄNGE UND
I
DENTIFIKATIONSMERKMALE DER AMERIKANISCHEN
G
ARTENSTADT
...124
4.7.1. Neighborhood Unit ... 125
4.7.2. Superblocks... 127
4.7.3. Hierarchische Straßenordnung... 128
4.7.4. Trennung von Fußgänger- und Automobilverkehr ... 129
4.8. R
ADBURN
, N
EW
J
ERSEY
- D
IE ERSTE AMERIKANISCHE
G
ARTEN
(
VOR
)
STADT
...130
4.9. W
EITERE
R
EALISIERUNGEN VOR DEM
Z
WEITEN
W
ELTKRIEG
...138
4.10. G
REENBELT
T
OWNS
...140
4.10.1. Greenbelt, Maryland ... 145
4.10.2. New Communities... 149
4.11. U
NTERSCHIEDE ZWISCHEN DER AMERIKANISCHEN UND DER ENGLISCHEN
G
ARTENSTADT
...151
5. G
ARTENSTÄDTE IN
K
ANADA
... 156
5.1. K
APUSKASING
...156
5.2. K
ITIMAT
...159
5.3. K
ANATA
...159
5.4. O
TTAWAS
G
REENBELT
T
OWNS
...161
5.5. K
ANADA UND DIE
G
ARTENSTADT
...162

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3
6. D
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ARTENSTADTBEWEGUNG IN
A
USTRALIEN UND
N
EUSEELAND
... 164
6.1. A
USTRALISCHE
G
ARTENSTÄDTE
...165
6.1.1. Städteplanerische Situation in Australien Ende des 19. Jahrhunderts und
Anfang des 20. Jahrhunderts ... 165
6.1.1.1. Daceyville ... 166
6.1.1.2. Canberra - Gartenhauptstadt Australiens... 167
6.1.2. Australien zwischen den beiden Weltkriegen ... 169
6.1.2.1. Adelaide... 170
6.1.2.2. Industrie-Gartenstädte... 172
6.1.3. Australien nach dem Zweiten Weltkrieg - New Towns... 174
6.1.4. Australien und die Gartenstadt... 175
6.2. N
EUSEELÄNDISCHE
G
ARTENSTÄDTE
...176
6.2.1. Durie Hill und Orakei ... 178
6.2.2. Neuseeland und die Gartenstadt ... 180
7. W
AS BLIEB VON DER
G
ARTENSTADTBEWEGUNG
?... 181
7.1. B
EDEUTUNGSWANDEL DES
B
EGRIFFS
G
ARTENSTADT
IM
L
AUFE VON
100 J
AHREN
...181
7.2. D
IE
G
ARTENSTADT
: U
TOPIE ODER
R
EALITÄT
- R
ÜCKBLICK
...184
7.3. D
IE
G
ARTENSTADT
: U
TOPIE ODER
R
EALITÄT
- A
KTUELLER
S
TATUS UND
A
USBLICK
...188
8. A
RBEITSGRUNDLAGEN
... 192
8.1. L
ITERATUR
...192
8.2. E
LEKTRONISCHE
D
ATENQUELLEN
...194

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B
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B
I
I
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S
V
V
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Z
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E
I
I
C
C
H
H
N
N
I
I
S
S
Abbildung 1: (a) Spinnende Frauen (Gemälde von G
EORGE
W
ALKER
, 1814); (b) Arbeit am Handwebstuhl (Maler
unbekannt)...18
Abbildung 2: Weber und Spinner in einer Textilfabrik ...18
Abbildung 3: Straßenansicht in einem englischen Arbeiterviertel im 19. Jahrhundert...22
Abbildung 4: R
OBERT
O
WEN
(Gemälde von
J
OHN
C
RANCH
, 1845)...24
Abbildung 5:
New Lanark
Cotton Mill: (a) 1810; (b) 2001...24
Abbildung 6: R
OBERT
O
WENS
Industriedorf (1817)...25
Abbildung 7: C
HARLES
F
RANCOIS
F
OURIER
...26
Abbildung 8: J
AMES
S
ILK
B
UCKINGHAM
...27
Abbildung 9: Idealstadt
Victoria
(1849): (a) Grundriss; (b) Planungsansicht ...28
Abbildung 10: T
ITUS
S
ALT
...29
Abbildung 11:
Saltaire
Mill: (a) ca. 1860; (b) ca. 1990...29
Abbildung 12:
Saltaire:
(a) Plan von 1851; (b) Luftbild von 2001...31
Abbildung 13: E
DWARD
A
KROYD
...31
Abbildung 14:
Akroydon
: (a) Gesamtansicht (ca. 1862); (b) Reihenhauszeile (Photo von 1911)...32
Abbildung 15:
Bedford Park:
(a) Bebauungsplan (1877); (b) Luftbild (2001) ...33
Abbildung 16: Doppelhäuser in
Bedford Park
...34
Abbildung 17: G
EORGE
C
ADBURY
...34
Abbildung 18: Haus mit Garten in
Bournville
(ca. 1911)...35
Abbildung 19:
Bournville:
(a) Stand der Bebauung von ca. 1911; (b) Luftbild von 2001...36
Abbildung 20: Werbung für C
ADBURYS
Schokolade...37
Abbildung 21: W
ILLIAM
H
ESKETH
L
EVER
...38
Abbildung 22:
Port Sunlight
- Arts and Crafts-Architektur: (a) Photo von 1911; (b) Photo von 2001...38
Abbildung 23: Historischer Bebauungsplan von
Port Sunlight
(1911)...39
Abbildung 24: Luftbild von
Port Sunlight
(2001)...40
Abbildung 25: J
OSEPH
R
OWNTREE
...40
Abbildung 26:
New Earswick
, Bahnhofstraße...41
Abbildung 27: (a) Haus vom einfachen Typ (Architekten P
ARKER
U
NWIN
); (b) Torbogen mit Blick auf Gärten...42
Abbildung 28:
New Earswick
(links oben, blau hervorgehoben), Hartrigg Oaks (jüngerer Siedlungsteil, Mitte rechts)...42
Abbildung 29: Plan von
Brentham Garden Suburb
...43
Abbildung 30: Bau von
Brentham Garden Suburb
...44
Abbildung 31:
Brentham
aus der Luft (ca. 1950) ...45
Abbildung 32:
Brentham Garden Suburb
(2000)...46
Abbildung 33: S
IR
E
BENEZER
H
OWARD
...47
Abbildung 34: Vergleich verschiedener Idealstadtgrundrisskonzepte mit ihren angestrebten Bevölkerungsdichten...50
Abbildung 35:
Rurisville
...51
Abbildung 36: Radiale Stadtentwürfe: (a) V
ITRUVIANISCHE
Idealstadt (ca. 40 v. Chr.); (b) P
EMPERTONS
Happy
Colony
(1854); (c) H
OWARDS
Rurisville
(1890)...52
Abbildung 37:
Adelaide
: (a) H
OWARDS
Referenz in seinem Buch; (b) L
IGHTS
Original-Konzept...54

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5
Abbildung 38: Sozialstadt-Konzept (Social-City-Conurbation)...54
Abbildung 39: Garden City ...58
Abbildung 40: Social-City-Conurbation (Gartenstadt im Städteverband)...58
Abbildung 41: Die drei Magnete...60
Abbildung 42: Detailplan der Gartenstadt ...62
Abbildung 43: Arts and Crafts - Cottage - Stil in
Letchworth
(a) Werbeprospekt (1903); (b) Photo von 1999...64
Abbildung 44: Cul-de-Sac/Wohnhof (
Hampstead Garden Suburb
)...64
Abbildung 45: Rushby Mead,
Letchworth
(1902)...65
Abbildung 46: Karte von London und Umgebung ...67
Abbildung 47: R
AYMOND
U
NWIN
...69
Abbildung 48: Bebauungsprojekt,
Letchworth
(1903) ...70
Abbildung 49: Luftbild (1996) hinterlegt mit Stand der Bebauung von 1910...72
Abbildung 50: Automobilverkehr in
Letchworth
(ca. 1930)...73
Abbildung 51: Vergleich des Gesamtplanungskonzeptes von 1903 mit einem aktuellen Luftbild von 1996 (hinterlegt
mit Stand der Bebauung von 1910) ...74
Abbildung 52: Pix Road (a) 1902; (b) 2001...75
Abbildung 53: (a)
Letchworth
- Westholm; (b)
Letchworth
- Townsquare...75
Abbildung 54: (a) The Arcade (Photo von 2001); (b) Broadway Cinema (Photo von 1999)...76
Abbildung 55: Leisure Center (Photo von 2001) ...76
Abbildung 56: Hampstead und
Hampstead Garden Suburb
(rot hervorgehobene Fläche)...77
Abbildung 57: H
ENRIETTA
B
ARNETT
...78
Abbildung 58: Entwicklungsphasen von
Hampstead Garden Suburb
...79
Abbildung 59: (a) Bebauungsprojekt laut Hampstead Garden Suburb Act 1906; (b) Luftbild von 2000...80
Abbildung 60:
Hampstead Garden Suburb
(1923)...81
Abbildung 61:
Hampstead Garden Suburb
- Cul-de-Sac-Variationen (gelb und magenta hervorgehoben)...82
Abbildung 62: Unbefestigte, schmale Straße in
Hampstead Garden Suburb
(1911) ...83
Abbildung 63: Vergleich
Hampstead Garden Suburb - Letchworth Garden City
(a) Unbefestigte Straße in
Hampstead Garden Suburb
, Asmuns Hill (1910); (b) Befestigte Straße in
Letchworth
Garden City
(1911)...83
Abbildung 64: (a) Vorschlag für den Hauptplatz von
Hampstead Garden Suburb
; (b) Rothenburg ob der Tauber -
Marktplatz ...85
Abbildung 65: Cul-de-Sac/Wohnhof (a) 1910; (b) 1997 ...85
Abbildung 66:
Hampstead
Garden Suburb
- Alleeartige Straßenbepflanzung: (a) ca. 1910; (b) 1997...86
Abbildung 67: S
IR
F
REDERICK
O
SBORN
im Garten seines Hauses in
Welwyn
...86
Abbildung 68:
Welwyn
- Einkaufsstraße mit Gebäuden im Red Brick Style ...87
Abbildung 69: (a) The Orchard; (b) Woodhall Court ...87
Abbildung 70: Luftbild (ca. 1955) von
Welwyn
mit gartenstadttypischen Cul-de-Sacs...88
Abbildung 71: Gesamtplan von
Welwyn Garden City
von L
OUIS DE
S
OISSONS
(1920) ...89
Abbildung 72: (a) The Mall (1921); (b) Parkway (1973)...90
Abbildung 73: (a) Campus (1973); (b) H
OWARD
'
S
Gate (1973) ...90
Abbildung 74: Die New Towns von London ...94
Abbildung 75: Luftbild von
Crawley
(ca. 1965) ...95
Abbildung 76: (a) Grünflächen in
Crawley
; (b) Straßenrand mit Grünstreifen ...96

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6
Abbildung 77: Wohn- und Industrieviertel von
Crawley
...97
Abbildung 78: Die Siedlung
Harmonie
in Indiana, später
New Harmony
...102
Abbildung 79: R
OBERT
O
WENS
Vision von
New Harmony
...103
Abbildung 80:
New Harmony
(Karte von 2001) ...103
Abbildung 81: Gedenkstein in
New Harmony
...104
Abbildung 82:
Fairfield
, Alabama: (a) Grundriss ca. 1890; (b) Luftbild 2001...106
Abbildung 83: A
LEXANDER
T. S
TEWART
(1869) ...107
Abbildung 84:
Garden City
, Long Island (ca. 1910)...107
Abbildung 85:
Garden City
, Long Island: (a) Kartenausschnitt (2001); (b) Luftbild (2001) ...108
Abbildung 86:
Yorkship
(
Fairview
): (a) Kartenausschnitt (2001); (b) Luftbild (2001) ...113
Abbildung 87: C
LARENCE
S
TEIN
...114
Abbildung 88: Gartenvorstädte im Großraum New York...115
Abbildung 89:
Forest Hills Gardens
: (a) Grundriss mit Bebauung von 1930; (b) Vogelperspektive...116
Abbildung 90:
Forest Hills Gardens
: (a) Straßenansicht (ca. 1920); (b) Photo von 2000 ...117
Abbildung 91: (a) aktueller Parkinnenhof; (b) mögliche spätere Parzellen für Bebauung ...118
Abbildung 92: Vergleich: (a)
Bedford Park
; (b)
Forest Hills Gardens
...119
Abbildung 93:
Forest Hills Gardens
heute: (a) Kartenausschnitt (2001); (b) Luftbild (2001)...119
Abbildung 94:
Sunnyside Gardens
: (a) Generalplan (ca. 1928); (b) Luftbild (2001)...120
Abbildung 95: (a) Blockstruktur von
Sunnyside Gardens
(Carolin Str./Foster Ave.); (b) Photo 1925...121
Abbildung 96: Luftbild aus dem Jahr 2001 (Carolin Str./Foster Ave.) ...122
Abbildung 97: Siedlung in Long Island City ...122
Abbildung 98: (a) Innenhof eines 1927 gebauten Blockes (Photo von 1949); (b) und (c) Innenhofansichten (2001)...123
Abbildung 99: C
LARENCE
P
ERRYS
Neighborhood Unit ...126
Abbildung 100: Einfachblock-Varianten: (a)
Forest Hills Gardens
(1912); (b)
Sunnyside Gardens
(1924); (c)
Radburn
(1929) ...127
Abbildung 101:
Superblock
bestehend aus mehreren
Einfachblocks
(Detail siehe Abbildung 100 (c))...128
Abbildung 102: Trennung von Fußgänger- und Straßenverkehr ...129
Abbildung 103: Fußgängerunterführungen: (a)
Radburn
(Photo 1990); (b) Central Park New York (Willowdell
Bridge, Photo 2001) ...130
Abbildung 104:
Radburn
/Fairlawn ...131
Abbildung 105: Drei Siedlungskerne ...132
Abbildung 106: (a)
Radburn
B-Park, Häuserfront mit Blick auf Park (1990); (b) Häuserrückseite mit Straßenzugang
(2000)...133
Abbildung 107: Realisierter Teil der Gartenstadt
Radburn
(Luftbild von 1955)...134
Abbildung 108: Generalplan der gesamten Gartenstadt...135
Abbildung 109: Luftbild ca. 1990 (realisierte Siedlungsanlage nach dem Radburn-Layout in Bildmitte) ...136
Abbildung 110: Parkansichten: (a) Photo (ca. 1940); (b) Photo (2000)...137
Abbildung 111: Fußwege: (a) in den Parks; (b) als Verbindung innerhalb des Superblocks...138
Abbildung 112: (a) Fußgängerunterführung (ca. 1940); (b) Unterführung (ca. 1990) ...138
Abbildung 113:
Chatham Village
(ca. 1950) ...139
Abbildung 114:
Baldwin Hills
(Bildmitte) (Photo ca. 1945) Kontrast zu herkömmlichen Siedlungsanlagen nördlich
und südlich ...140

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Abbildung 115: Vergleich der drei Greenbelt Towns (a)
Greenbelt
, MD (21.000 EW); (b)
Greendale
, WI (15.000
EW); (c)
Greenhills
, OH (5.000 EW)...142
Abbildung 116: Washingtons Greenbelt Towns
Reston
,
Greenbelt
,
Columbia
(von Ost nach West)...143
Abbildung 117:
Greenbelt
...145
Abbildung 118: (a) Innenhof; (b) Fußgängerunterführung ...146
Abbildung 119:
Greenbelt
Neighborhood Unit (Luftbild von 1938)...147
Abbildung 120: (a) Stadtplan von
Greenbelt
(1944); (b) Luftbild ca. 2000...147
Abbildung 121:
Greenbelt
Town Center (Luftbild von 1996) ...149
Abbildung 122: (a) Plan von
Reston
, VA; (b) Plan von
Columbia
, MD ...150
Abbildung 123: Vergleich der Wohnsituation (a) Mittelklassehaus in
Reston
; (b) Mehrfamilienkomplex in
Columbia
...151
Abbildung 124: (a)
Kapuskasing
-Stadtplan (1922); (b) Gartenstadtkonzept nach H
OWARD
(1902)...157
Abbildung 125:
Kapuskasing
heute (2001)...158
Abbildung 126: (a)
Kapuskasing
-Generalbebauungsplan (1922); (b) Luftbild von 1972 ...158
Abbildung 127:
Kitimat
(Luftbild ca. 1999) ...159
Abbildung 128: (a)
Kanata
(Luftbild von 1975); (b)
Radburn
(Plan von 1920)...160
Abbildung 129:
Ottawa
: (a) Neighborhoods; (b) Greenbelt...161
Abbildung 130: Gartenvorstädte von
Ottawa
...162
Abbildung 131: Plan von
Daceyville
(1917)...166
Abbildung 132: Begrünte, kurvige Straßenführung in
Daceyville
(ca. 2000)...167
Abbildung 133: G
RIFFINS
Plan von
Canberra
(ca. 1912)...168
Abbildung 134: (a)
Canberra
Entwicklungsvorschlag (1909); (b)
Canberra
(ca. 2000)...168
Abbildung 135: C
OLONEL
W
ILLIAM
L
IGHT
...171
Abbildung 136: C
OLONEL
L
IGHTS
Plan von
Adelaide
und
North Adelaide
...171
Abbildung 137: (a) Übersicht von
Colonel Light Gardens
; (b) Eigenheim in
Colonel Light Gardens
...172
Abbildung 138: Parklandschaften von
Adelaide
: (a) Greenbelt; (b) Zentrum...172
Abbildung 139:
Yallourn
(ca. 1930)...173
Abbildung 140:
Electrona
: (a) Planung; (b) Realisierung...174
Abbildung 141: Neighborhood Distrikte von
Canberra
(1965) ...175
Abbildung 142: Plan von
Durie Hill Garden Suburb
...178
Abbildung 143: (a)
Durie Hill
Gesamtansicht (ca. 1928); (b) Wohnhausanlage (1921) ...179
Abbildung 144:
Orakei
: (a) Bebauungsplan (1925); (b) Wohnanlagen (1930)...179

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Das Gartenstadtkonzept kann als Lösungsversuch bezüglich der miserablen
sozialen Lage verbunden mit der schlechten Wohnsituation der Arbeiterschicht in den
Industriegebieten der englischen Städte zur Zeit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert
gesehen werden. Ein Pionier auf diesem Gebiet war der Engländer E
BENEZER
H
OWARD
,
der als erster ein realisierbares Gesamtkonzept, sowohl bezüglich sozialer als auch
städtebaulicher Maßnahmen, für die Verbesserung der Wohnsituation der Arbeiterschaft
entwickelte. Obwohl es schon vor H
OWARDS
Gartenstadtkonzept visionäre
Städteplanungen und sozial ausgewogene Fabriksiedlungen gab, war er der erste, der ein
gesamtheitliches Konzept von einer lebensfähigen, eigenständigen Gartenstadt lieferte.
H
OWARD
stellte das Gartenstadtmodell in seinem Buch Garden Cities of To-
morrow (1902) vor. Er verweist dort darauf, dass sein Modell eine Verschmelzung von im
Wesentlichen drei Konzepten ist. Er nennt dabei W
AKEFIELDS
und M
ARSHALLS
organisierte Siedlungsbewegungen in Bezug auf Kolonisation und Städtegründungen,
S
PENCES
und S
PENCERS
System der Bodennutzung bezüglich genossenschaftlicher
Prinzipien und B
UCKINGHAMS
Idealstadt
Victoria
. Auf all diese städteplanerischen und
sozialreformerischen Konzepte wird im Laufe dieser Arbeit näher eingegangen werden
(siehe u.a. Abschnitt 2.6). Sie seien hier lediglich als Einstieg erwähnt um zu
verdeutlichen, dass H
OWARDS
Gartenstadt nicht allein seine Schöpfung war, sondern er
diese teilweise visionären Ideen zu einem realisierbaren Gesamtmodell vereinigte und
darauf aufbauend eigene, praxisorientierte Überlegungen anstellte.
Für H
OWARD
standen die sozialen Verbesserungen, die seine Stadtstruktur mit sich
bringen sollte, im Vordergrund. Er wollte durch eine lebenswertere Wohnumgebung eine
soziale Verbesserung für die Arbeiterschaft schaffen, die schließlich wieder positiv auf
Fabriksansiedlungen rückwirken sollte. Er meinte zu Recht, dass ein positives Umfeld
auch ein entsprechendes Arbeitskräftepotential schaffen würde und Fabriken und
Industriebetriebe davon profitieren könnten, was schon realisierte Beispiele, wie die
Musterfabriksstädte
Saltaire
(Abschnitt 2.5.2),
Bournville
(Abschnitt 2.5.5) oder
Port
Sunlight
(Abschnitt 2.5.6), um nur einige auszugsweise zu nennen, schon bewiesen hatten.

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H
OWARD
definierte das Ziel seiner Gartenstadtidee folgendermaßen
(Zitat aus der von J
ULIUS
P
OSENER
ins Deutsche übersetzten Ausgabe von H
OWARDS
Garden Cities of To-morrow):
Es soll eine Siedlungsbewegung der Bevölkerung aus überfüllten Zentren in spärlich besiedelte
Distrikte organisiert werden.
Man soll jedoch im Publikum nicht glauben, daß dabei sofort an ein Unternehmen im nationalen
Maßstab gedacht sei. Die Organisatoren sollten vielmehr ihre Gedankenarbeit und Aufmerksamkeit
ungeteilt auf ein einzelnes Unternehmen konzentrieren. Dieses soll aber auf der anderen Seite so
umfangreich sein, daß es zweckdienlich und aussichtsreich erscheint und dadurch die nötige
Anziehungskraft ausübt (...H
OWARD
wollte keine landesweite Reformbewegung auslösen sondern
vielmehr durch verwirklichte Einzelprojekte überzeugen. [eigene Anmerkung]).
Der zuwandernden Bevölkerung soll durch geeignete, vor Einleitung der Siedlungsbewegung zu
treffende Maßnahmen eine Garantie dafür geboten werden, daß der durch die Siedlung herbeigeführte
Wertzuwachs ihr Eigentum wird. Dies soll durch Schaffung einer Organisation (...der späteren
Gartenstadtgesellschaft/Genossenschaft [eigene Anmerkung]) geschehen, die ihren Gliedern (...den
Gartenstadtbewohnern [eigene Anmerkung]) volle Freiheit lässt, all das zu tun, was ihnen gut erscheint
(vorausgesetzt, dass sie die Rechte aller nicht verletzen) und die alle »Steuerrenten« entgegennimmt und
für solche öffentlichen Arbeiten verwendet, welche durch die Siedlungsbewegung notwendig werden
oder für sie dienlich erscheinen; auf diese Weise soll die Notwendigkeit einer zwangsweisen
Steuererhebung fortfallen oder zum wenigsten doch sehr eingeschränkt werden. (...Abkehr von Steuern an
den Staat, stattdessen Abgabe einer Grundstückspacht/Rente an die Genossenschaft [eigene Anmerkung])
Die Tatsache, daß sich auf dem Siedlungsgebiet nur wenige Gebäude, Straßen und sonstige
Anlagen befinden, soll im vollsten Umfang genutzt werden (...geringe Bevölkerungsdichte [eigene
Anmerkung]). In der Gartenstadt werden die freien Gaben der Natur - frische Luft, Sonnenschein, Raum
zum Atmen sowie für Spiel und Erholung - auch bei einem Anwachsen der Stadt in weitgehendstem
Maße gesichert sein, und die Hilfsmittel der modernen Wissenschaft werden so angewendet werden, daß
die Kunst die Natur ergänzt und das Leben zu einer immerwährenden Freude und Lust wird.
Es ist sicher noch wichtig, darauf aufmerksam zu machen, daß dieser vielleicht noch
unvollkommen dargestellte Plan nicht in einer schlaflosen Nacht in einem fiebernden Gehirn eines
Schwärmers ausgeklügelt worden ist, sondern daß er dem tiefsinnigen Studium vieler Geister und dem
unermüdlichen Streben warmherziger Menschen seiner Umgebung verdankt. Jeder hatte ein wertvolles
Element zur Entwicklung beigetragen, und als der rechte Augenblick kam, genügte nur ein geringer
Scharfblick, diese Elemente zu einem fruchtbringenden Ganzen zu verschmelzen.
(Auszug aus H
OWARD
E., 1902, P
OSENER
J., 1968: S. 128-129)
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Problemstellung war, aufbauend auf der Analyse des gesellschaftssozialen
Einflusses des Gartenstadtkonzeptes, die Ursprünge und den gegenwärtigen Stand von
Gartenstadtanlagen zu untersuchen. Das Gartenstadtkonzept von E
BENEZER
H
OWARD
verbindet dabei sozialreformerische Gedanken mit städtebaulichen Prinzipien. Es galt,
die humangeographische Funktion dieses Städtemodells hinsichtlich der Auswirkungen
auf die Städtemorphologie und das soziale Gesellschaftsgefüge zu untersuchen.

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Um das Gartenstadtmodell zu verstehen, sind umfangreiche Untersuchungen der
historischen Hintergründe anzustellen. Daneben ist eine georelationale Analyse des
Raumes hinsichtlich der geographischen Einflussfaktoren notwendig. Zusätzlich
müssen kulturgeographisch bedingte Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. All
diese genannten Faktoren wirkten einerseits auf die Entstehung des
Gartenstadtkonzeptes ein und bilden andererseits gegenwärtig die Auslöser für
Gartenstadtsiedlungsprojekte bzw. gartenstadtähnliche Anlagen.
Da es in den vergangenen 100 Jahren, nach der Grundsteinlegung 1902 für
die erste Gartenstadt der Welt,
Letchworth
, eine starke Verbreitung des
Gartenstadtgedankengutes gab (Großbritannien, europäisches Festland [Deutschland,
Österreich, Frankreich, Spanien, Finnland, Russland...], Amerika [USA, Kanada,
Chile...], Asien [Japan, Singapur...], Afrika [Südafrika, Nigeria...], Australien und
Neuseeland), ist es im Zuge dieser Diplomarbeit nur möglich, ausgewählte
Kulturbereiche zu untersuchen.
Neben den historischen Entwicklungen und Gartenstadtvorläufern, den
realisierten Gartenstädten und gartenstadtähnlichen Anlagen sowie Einflüssen des
Gartenstadtkonzeptes auf Städteplanungen in Großbritannien wird vorwiegend der
angelsächsische Kulturraum untersucht. Weiters ist zu analysieren, inwieweit sich in
den entsprechenden Erdteilen aufgrund der verschiedenen kulturellen
Weiterentwicklungen auch das Gartenstadtkonzept veränderte und seinerseits wieder
auf andere Regionen ein- bzw. rückwirkte.
Auszugsweise werden schließlich die wichtigsten Projekte analysiert und es soll
vor allem der aktuelle Status dieser Realisierungen dargestellt werden. Die
Untersuchungen haben dabei nach Möglichkeit alle human- und kulturgeographischen
Aspekte zu berücksichtigen.
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1
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.
2
2
.
.
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A
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B
B
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Im folgenden Abschnitt werden auszugsweise die wichtigsten Arbeitsgrundlagen
kurz beschrieben. Es kann jedoch aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht auf alle

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Quellen detailliert eingegangen werden. Somit beschränkt sich diese Beschreibung auf
die wesentlichsten Werke und Aufsätze. Bezüglich der Internetquellen seien neben
elektronischen Nachschlagewerken auszugsweise nur einige wenige näher beschrieben.
1.2.1. Literatur in Buchform
Obligatorisches Standardwerk für das Studium der Gartenstadt war E
BENEZER
H
OWARDS
Buch Garden Cities of To-morrow, 1902, die zweite Auflage von To-
morrow: A Peaceful Path to Real Reform, 1898. Die deutsche Übersetzung
Gartenstädte von morgen - Das Buch und seine Geschichte stammt von J
ULIUS
P
OSENER
aus dem Jahr 1968. In dieser vorliegenden Diplomarbeit werden bezüglich
der Literaturangaben beide Autoren, E
BENEZER
H
OWARD
und J
ULIUS
P
OSENER
,
genannt. P
OSENERS
Übersetzung bietet neben einer kritischen Betrachtung von
H
OWARDS
Ideen und zahlreichen Anmerkungen zum übersetzten Text von H
OWARDS
Buch auch einen chronologischen Überblick über die wichtigsten Vordenker
H
OWARDS
, die Vorläufer der Gartenstadt sowie die allgemeine soziale Lage in
England von der Zeit vor der Industriellen Revolution bis ins 20. Jahrhundert. Das
Hauptaugenmerk liegt aber auf der detailgetreuen Übersetzung von H
OWARDS
Buch.
Einen historischen Hintergrund, angefangen vom Mittelalter bis zum Ende
des 19. Jahrhunderts, und eine detaillierte Beschreibung der sozialen Situation der
Arbeiterschaft in England liefert B
ERLEPSCH
-V
ALENDÁS
H.
E.
V
., 1912, mit seinem
Werk Die Gartenstadt in England, ihre Entwicklung und ihr jetziger Stand.
Neben einem ausführlichen geschichtlichen Teil beschreibt der Autor auch
zahlreiche Musterstädte vor der Gartenstadt. Eingehend werden auch
Letchworth
und
Hampstead
Garden Suburb
diskutiert.
Für die Untersuchung der amerikanischen Gartenstadt- und
Gartenvorstadtprojekte sowie der Greenbelt Cities ist das Buch Towards New
Towns for America von S
TEIN
C.,
1957, unerlässlich. C
LARENCE
S
TEIN
war vom
Anfang der Gartenstadtentwicklung in Amerika maßgeblich an deren amerikanischer
Adaption beteiligt. So zieht sich seine Handschrift von
Sunnyside Gardens
über
Radburn
und
Greenbelt
bis hin zu späteren Entwicklungen wie
Baldwin Hills
. Sein

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konzeptionell einflussreichstes aber leider finanziell fehlgeschlagenes Projekt war
die New Yorker Gartenvorstadt
Radburn
(
Radburn - Town for the Motor Age
).
Von der aktuellen Literatur ist H
ALL
P., 1988, mit Cities of Tomorrow - An
Intellectual History of Urban Planning and Design in the Twentieth Century zu
erwähnen. H
ALL
beschreibt mit kritischem, zeitgemässen Blick die Entstehung der
Gartenstadtidee und ihre Auswirkung auf die Stadtplanung. Weiters wird die
Gartenstadtbewegung in Europa und Amerika erörtert.
Eine weitere wichtige aktuelle Quelle stellt W
ARD
S.,
(E
D
.),
1992 mit The
Garden City - Past, Present and Future dar. Dieses Werk beinhaltet zu einem
Großteil gesammelte Aufsätze von namhaften Autoren, die sich mit der Gartenstadt
beschäftigen. Es kann als einführendes Werk bzgl. der Gartenstadt in Großbritannien,
den USA, Australien sowie anderen Teilen der Welt gesehen werden. Es ist
allerdings zu bemerken, dass es aus einem Tagungsband hervorging, wobei die
Aufsätze teilweise gekürzt bzw. detailärmer sind als die entsprechenden
Veröffentlichungen in den einschlägigen Journalen. Ein vertiefendes Studium der in
den jeweiligen Literaturlisten der Aufsätze angeführten Quellen ist daher
empfehlenswert und wurde teilweise, z.B. für die Untersuchungen über den
Gartenstadteinfluss in Australien, durchgeführt.
Daneben wurden noch zahlreiche Werke zwecks Vergleich und
Detailbeschreibungen einzelner Gebiete verwendet. Eine Auflistung davon ist
Abschnitt 8.1 zu entnehmen.
1.2.2. Literatur in Form von wissenschaftlichen Aufsätzen in Journalen
und Zeitschriften
Als zweite Quelle wurde Literatur in Aufsatzform (wissenschaftliche
Veröffentlichungen) über die Gartenstadt verwendet. Vor allem aus Journalen wie
dem Journal of the American Planning Association, Planning Perspectives und dem
Town Planning Review konnten mehrere Aufsätze entnommen werden. Daneben
erschienen aber auch in anderen Journalen Arbeiten zu diesem Thema.

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Ein wichtiger Aufsatz erschien im Town Planning Review von R
OCKEY
J.,
1983, mit dem Titel From Vision to Reality: Victorian Ideal Cities and the Model
Towns in the Genesis of E
BENEZER
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OWARD
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Garden City. R
OCKEY
behandelt
darin die visionären Gedanken von einigen von H
OWARDS
Vordenkern auf dem
Gebiet von sozial ausgewogenen Modellstädten. Er analysiert auch den Werdegang
von H
OWARDS
Gartenstadtmodell und konzentriert sich dabei vor allem auf die 1898
erschienene Ausgabe von H
OWARDS
Buch.
Eine weitere wichtige Publikation wurde dem Journal of the American
Planning Association entnommen. In dem Aufsatz C
LARENCE
S
TEIN
and the
Greenbelt Towns - Settling for Less beschreibt P
ARSONS
K.
C., 1990, den Einfluss
S
TEINS
auf die amerikanische Gartenstadt- und Greenbelt Town - Entwicklung.
Aus Planning Perspectives wurde der Aufsatz Developing and Financing
the Garden Metropolis: Urban Planning and Housing Policy in Twentieth-
Century America (W
EISS
M.,
A.,
1990). Dieser Aufsatz beschäftigt sich mit den
finanziellen Problemen der Gartenstadt in Amerika, unter denen auch die
Entwicklung von
Radburn
zu leiden hatte.
Bezüglich der australischen Gartenstädte war der Aufsatz The Garden City
in Australia von F
REESTONE
R., 1982 aus dem Journal Australian Geographical
Studies von besonderer Bedeutung. Hier wird die Rolle der Gartenstadt in der
australischen Planungsszene detailliert geschildert.
Bezüglich der Geschichte der neuseeländischen Gartenstadt ist die Arbeit
Avoiding the Mistakes of the 'Mother Country': The New Zealand Garden City
Movement 1900-1926 von S
CHRADER
B.,
1999 nennenswert.
Eine detaillierte Auflistung aller verwendeten Aufsätze ist Abschnitt 8.1 zu
entnehmen.

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1.2.3. Internet und elektronische Medien
Als dritte wichtige Informationsquelle ist das Internet mit seinem zumeist
aktuellen Inhalt zu nennen. Oft konnten hier aktuelle Beiträge mit photographischer
Dokumentation der Entwicklungsgeschichte bezüglich Garten- und ehemaliger
Musterstädte gefunden werden. Dabei sind vor allem Webseiten von Städten,
Kommunen, Siedlungsgenossenschaften oder gemeinnützigen Organisationen zu
erwähnen (z.B. Städte- und Kommunalwebseiten:
Hampstead Garden Suburb
,
Saltaire
,
Crawley
New Town, Christchurch, Greenbelt
;
Siedlungsgenossenschaften:
Radburn Association; oder gemeinnützige Organisationen: Letchworth Heritage
Organization, Brentham Heritage Society, Long Island History).
Weiters konnte mittels Internet auch auf aktuelle Bevölkerungsdaten und
Luftbilder zugegriffen werden. Hier sind vor allem die Webseiten von
Multimap.com (Schwerpunkt: Großbritannien) und Mapquest.com
(Schwerpunkt: Nordamerika) zu nennen, von denen zahlreiche Luftbilder und
Kartenausschnitte von Muster- und Gartenstädten in ausreichender Auflösung
bezogen werden konnten. Daneben war es gelegentlich auch möglich aktuelle
Zeitungsartikel (z.B. Gazetteer for Scotland), Abdrucke von Aufsätzen
aus Fachzeitschriften (E
CKDISH
K
NACK
R., 1998) zu erhalten oder Ergebnisse von
Forschungsarbeiten zum Thema Gartenstadt von Universitäten abzurufen (z.B.
Gesammelte und editierte Aufsätze von J. R
EPS
, em. Univ. Prof. der Cornell
University).
Beim Zugriff auf private Webseiten und der Verwendung von Informationen
daraus ist generell mit Sorgfalt vorzugehen, da diese Daten nicht korrekt sein müssen
und eine Überprüfung nur schwer möglich ist. Vergleiche mit anderen
Internetquellen können gewisse Unsicherheiten abbauen. Vielfach konnte aber
durchaus brauchbares Bildmaterial und in gewissem Maße textliche Information von
diesen Quellen bezogen werden. Zu den elektronischen Datenquellen zählen aber
neben Internetseiten auch elektronische Enzyklopädien und Nachschlagewerke auf
CD-ROM.

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Anmerkung zur Angabe von Internetadressen: Internetadressen wurden im
Text nicht angeführt. Es wurden jedoch die Namen der Internetseiten bzw. der
Organisationen oder der Betreiber angegeben. Damit kann im Abschnitt 8.2 die
entsprechende Interneteinstiegsseite aufgerufen werden.

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Im Jahre 1898 veröffentlichte der Parlamentsschreiber E
BENEZER
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(1850-
1928) sein Buch To-morrow: A Peaceful Path to Real Reform. Darin propagiert er die
Idee einer idealen Stadt, der Gartenstadt. Sein Konzept war insofern neu, als da es die
Vorteile einer Stadt mit der gesunden Umwelt des Landlebens verbinden sollte. Wirkliche
Gartenstädte wurden aber bloß zwei realisiert:
Letchworth
und
Welwyn
. Die
Entwicklungen und Vorgänger auf dem Gebiet des Städtebaus, die H
OWARD
selbst und
sein Gartenstadtmodell beeinflussten, reichen aber bis weit in die Anfänge des
19. Jahrhunderts und davor zurück.
(Mastering the City [Internet])
Um 1800 gab es in Europa zwei Millionenstädte: Paris und London. Allgemein
kann man davon sprechen, dass das Städtewachstum in Europa und speziell in Frankreich
und England ungelenkt vor sich ging. Klagen über die damit einhergehende soziale
Verschlechterung in den Städten kamen unter anderen seitens der Sozialreformer C
HARLES
F
RANCOIS
F
OURIER
aus Frankreich und R
OBERT
O
WEN
aus England. Um den teilweise
slumartigen Bedingungen zu entfliehen, wanderten schließlich einige Industrielle, wie etwa
S
IR
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ITUS
S
ALT
(Textilfabrikant und Gründer der Stadt
Saltaire
), G
EORGE
C
ADBURY
(Schokoladenfabrikant und Gründer der Stadt
Bournville
) oder W.H. L
EVER
(Seifenfabrikant und Gründer der Stadt
Port Sunlight
), um nur einige zu nennen, samt ihrer
Arbeiterschaft aus den meist verschmutzten Großstädten aus und gründeten neue
Produktionsniederlassungen, um welche oft ganze Arbeiterstädte entstanden (siehe
Abschnitt 2.5).
(H
OWARD
E., 1902, P
OSENER
J., 1968: S. 7-8)
Der Parlamentsstenograph
E
BENEZER
H
OWARD
versuchte in seinem
Gartenstadtmodell das griechische Kolonialstadtsystem für England zu adaptieren und
somit dem unkontrollierten Städtewachstum Einhalt zu gebieten. Einer seiner
Leitgedanken war eine obere Einwohnergrenze von 32.000 für seine Stadt. Zwei seiner
Idealstädte wurden schließlich verwirklicht:
Letchworth
(1903), die erste Gartenstadt,
und später
Welwyn
(1919). In
Hampstead
hingegen wurde das Gartenstadtleitmotiv für die
Gestaltung einer Gartenvorstadt,
Hampstead Garden Suburb
(1907), also für eine nicht
eigenständige Anlage, herangezogen. Vielerorts wurden später Komponenten von

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Gartenstadt für neue Stadtgründungen, Stadterneuerungen oder
Stadterweiterungen herangezogen. Vor allem zwischen und nach den beiden Weltkriegen
wurden aufgrund des Mangels an Wohnungen für die Kriegsheimkehrer vielerorts neue
Städte bzw. Vorstädte gegründet. Meist entstanden aber, wie schon erwähnt, keine
eigenständig lebensfähigen Gartenstädte, sondern lediglich Vorstädte, wie etwa
Hampstead Garden Suburb
, ein Gartenvorort 5 km nordwestlich von London, oder
beispielsweise der New Yorker Vorort
Radburn
(1929), oder es wurden ursprünglich
eigenständige Gartenstädte mit der Zeit zu Satelliten der nahegelegenen Metropolen, wie
es etwa das Schicksal
Letchworths
war, das in die Reihe der New Towns von London
eingegliedert wurde.
(H
OWARD
E., 1902, P
OSENER
J., 1968: S. 7-8)
Im folgenden Abschnitt soll nun die soziale Lage des England des 19. Jhdts.
beschrieben werden. Jene Entwicklungen, die nachhaltig die sozialen Reformbestrebungen
in Form von H
OWARDS
Gartenstadtmodell beeinflussten, sind eng verbunden mit den
gesellschaftlichen Veränderungen und den städtebaulichen Umstrukturierungen aufgrund
der Industriellen Revolution.
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Die Entwicklung des Englischen Industrialismus wurde weitgehend aus B
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.,
1912 (S. 1-12) entnommen. Zusätzliche Informationen konnten von der Internetquelle Teaching
History Online bezogen werden.
England spielte im Mittelalter eine nicht besonders wichtige Rolle als Handels-
und Industriemacht. So wurde beispielsweise Wolle mangels
Verarbeitungsmöglichkeiten ausgeführt und als Tuch wieder nach England importiert.
Die Arbeiterschaft und der Bauernstand vegetierten in einem schlechten sozialen
Umfeld. Auch der Adel trug wesentlich zur Verschlechterung dieser Situation bei. Mit
K
ÖNIGIN
E
LISABETH
(1533-1603) trat zwischenzeitlich eine Entlastung ein.
Verbesserungen in der Landwirtschaft wurden durchgeführt. Wichtiger war jedoch die
Unterstützung und Aufnahme protestantischer Flüchtlinge aus den Niederlanden,
Spanien und Frankreich. Diese brachten neue Handwerks- und Industriearbeitszweige,
vor allem im Textilbereich, nach England, was schließlich den Grundstein für den
später erfolgten industriellen Aufschwung bilden sollte. Vorerst fand die

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Textilverarbeitung aber noch größtenteils in kleinen Familienbetrieben statt (Abbildung
1 (a) und (b)).
Abbildung 1: (a) Spinnende Frauen (Gemälde von G
EORGE
W
ALKER
, 1814);
(b) Arbeit am Handwebstuhl (Maler unbekannt)
Quelle: Teaching History Online [Internet]
Das Kolonialwesen spielte ebenfalls eine wichtige Rolle in der
Industrialisierung. So konnten beispielsweise Waren aus den Kolonien trotz des langen
Seeweges immer noch billiger eingeführt werden, als die Produktion im Mutterland
kostete. Dies förderte den Erfindungsgeist bzgl. neuer Maschinen, um billiger und
effektiver produzieren zu können und auch Umstrukturierungen von
Klein/Familienbetrieben zu Großbetrieben/Fabriken mit Massenproduktion
(zumindest was man damals unter Massenproduktion verstand). Abbildung 2 lässt
erahnen, unter welch schwierigen Bedingungen sich die Arbeit auf engstem Raum in
einer Textilfabrik darbot.
Abbildung 2: Weber und Spinner in einer Textilfabrik
Quelle: Teaching History Online [Internet]

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Durch diese Industrialisierung der Städte und die durch die Verbesserung der
Verkehrsinfrastruktur erleichterten Versorgungsmöglichkeiten veränderte sich auch die
Physiognomie der Stadt. Während Industriestädte, wie etwa Manchester oder Leeds,
stark anwuchsen, verödeten Landstädte zumeist. Die in den ländlichen Gebieten
aufgrund der beginnenden Industrialisierung arbeitslosen ehemaligen Handarbeiter
flüchteten zunehmend in die Städte.
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Die Ausführungen dieses Abschnitts halten sich an B
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., 1912 (S. 15-42).
Zwischen Ende des 18. und Mitte des 19. Jahrhunderts stiegen die
Einwohnerzahlen in vielen Städten, besonders in Textilindustriestädten (Manchester,
Leeds, Bradford, Halifax) aufgrund der Landflucht enorm an. Teilweise kam es zu
Einwohnerverdoppelungen innerhalb von 30-40 Jahren. Dies führte zu einer massiven
Verschlechterung der sozialen Lage der Arbeiterschicht. Land wurde von
rücksichtslosen Industriellen billigst von der in die Städte strömenden, ehemaligen
Handwerker- und Bauernschaft erworben. Neben dem Zweck der Errichtung von
Industrie- und Produktionsstätten hatte dies aber auch politische Gründe. Nach der
englischen Gesetzgebung gab nur wirklicher Besitz, i.e. Grundbesitz, die Befähigung
politische Ämter zu bekleiden. Das Bestreben des Adels und der Industriellen nach
Land war also darin begründet, politische Macht zu erreichen, welche weitgehend zum
Zwecke des Eigennutzes bzgl. der Gesetzgebung eingesetzt wurde. Gesetze wurden
meist zum alleinigen Vorteil der herrschenden Oberschicht zurechtformuliert.
Die Erlangung von Rechten und somit eine Verbesserung der Lebenssituation
für die Arbeiterschaft wurde dadurch bewusst unterdrückt und hinausgezögert. So
wurde beispielweise die Schulpflicht (2 Stunden Unterricht täglich) erst 1833
eingeführt. Lange wurde nicht erkannt, dass besser ausgebildete Arbeiter für jeden
Betrieb wertvoller waren als reine Hilfsarbeiter. Die Absenz der Schulpflicht bzw. das
Fehlen von Konsequenzen bei Verabsäumen des Besuchs des Schulunterrichts und auch
das sehr geringe Lohnniveau waren mitverantwortlich für die an der Tagesordnung

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stehende Kinderarbeit. Neben der Unterdrückung der Rechte der unteren
Gesellschaftsschichten wurde auch das Land als Nahrungslieferant vernachlässigt. So
wurden die erworbenen, bewirtschaftbaren Ländereien oft in unproduktive Jagdgebiete,
im besten Fall in Weideland, umgewandelt.
Mit dem Kleingrundbesitz verschwand auch der unabhängige Bauernstand und
es entwickelte sich das Arbeiterproletariat, das aufgrund der Vielzahl von Tagelöhnern
und Fabriksarbeitern den rücksichtslosen Industriellen die Möglichkeit gab, aus einem
großen Angebot an Arbeitskräften zu schöpfen. Auf einen Arbeitsplatz kamen mehrere
Arbeitssuchende. Lohndumping war die natürliche Folge. Oft wurde Land bloß zum
Zwecke der Vergrösserung des Realbesitzes gekauft und dann wieder an die ehemaligen
Besitzer gegen hohe Landrenten (Rentenkapitalismus) zurückverpachtet. Schon bald
gingen die Landerträge zurück und die Regierung erließ Kornzölle (1815), um
Billiggetreideimporten aus dem Ausland vorzubeugen, die die Situation noch verschärft
hätten.
Mit den hohen Getreidepreisen stiegen auch die Preise für Brot, was die
Schraube der sozialen Verschlechterungen für die niedrigsten Schichten bis hin ins
20. Jahrhundert weiter anzog. Aufgrund der hohen Nahrungsmittelpreise wurden oft
entweder verdorbene oder mit Zusatzstoffen gestreckte Nahrungsmittel gegessen.
Angesichts der trostlosen Lage und der Tatsache, dass es einfach war eine Konzession
für den Alkoholausschank zu erwerben, wurde Alkohol in großen Mengen konsumiert.
Neben der ohnehin schon höheren Erwachsenensterblichkeit unter der Stadtbevölkerung
verglichen mit der Landbevölkerung kam noch die enorme Kindersterblichkeit, die sich
vom Land noch krasser unterschied.
In Manchester starben zu Beginn des 19. Jahrhunderts mehr als 50% der Kinder
vor ihrem fünften Lebensjahr. Diejenigen, die überlebten, mussten schon ab ihrem
neunten Lebensjahr täglich 6 Stunden arbeiten. Dies steigerte sich bis zum Alter von 18
Jahren, ab dem sie dann mehr als 12 Stunden arbeiten mussten. Körperliche
Beeinträchtigungen zeigten sich somit schon oft ab einem Alter von 30 Jahren. Dies
hatte verheerende volksgesundheitliche Folgen. Daneben waren körperlich

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beeinträchtigte Männer schließlich auch für den Militärdienst ungeeignet, was im
Kriegsfall eine starke Benachteiligung in der Landesverteidigung darstellen konnte.
Bei der weiblichen Arbeiterschaft kam es oft zu Fehlgeburten, da jede Frau aus
Angst um ihren Arbeitsplatz bis kurz vor der Entbindung arbeitete. Fabriksgeburten
waren keine Seltenheit. Zusätzlich zur physischen Degeneration eines Großteils der
Bevölkerung, der ja durch die Arbeiterschaft gestellt wurde, kam auch der moralische
Verfall.
Gesetz- und Sittenlosigkeit erwuchsen einerseits aus dem sozial niedrigen Milieu
des Arbeiterproletariats, trugen andererseits aber in einer Art Teufelskreis wieder zu
weiterer Verschlechterung bei. Bei allem Verderbnis, das anscheinend von der Stadt
ausging, darf allerdings nicht übersehen werden, dass schlussendlich doch die meisten
der Verbesserungen bzgl. der Bildung der Arbeiterschaft oder der Erlassung neuer
Gesetze zu Gunsten der sozial schwächsten Schichten von den Städten ausgingen. Doch
dazu bedurfte es eines langen Weges.
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Quellen für diesen Abschnitt waren B
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H. E.
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., 1912 (S. 23-62) und die Internetseite
Letchworth - The First Garden City.
England wurde aufgrund der Errungenschaften, die aus der Industriellen
Revolution hervorgingen, wie der mechanischen Spinnmaschine (J
AMES
H
ARGREAVES
,
1764) der Dampfmaschine (J
AMES
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ATT
, 1776) oder auch dem mechanischen
Webstuhl (E
DMUND
C
ARTWRIGHT
, 1785), die führende Weltwirtschaftsmacht. Durch
diesen Aufschwung musste sich zwangsläufig auch das Erscheinungsbild der Städte
ändern. Dabei ergaben sich verschiedene Szenarien: Einerseits wuchsen bestehende
Städte durch die neue Industrie sprunghaft an, zum anderen fand aber teilweise auch
eine Aufwertung bisher unscheinbarer Kleinstädte durch die Ansiedlung von
Industriebetrieben statt und drittens entstanden neue Städte aus ursprünglichen
Produktionsstätten mit Arbeiterquartieren. Aber bei all diesen Entwicklungen, die mit

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den Industrieansiedlungen einhergingen, wurden so gut wie keine infrastrukturellen
Überlegungen unternommen. Meist waren die Stadterweiterungen und Verdichtungen
ein reines Aneinanderreihen von Wohneinheiten unter bestmöglicher Ausnutzung des
Baulandes (Abbildung 3).
Abbildung 3: Straßenansicht in einem englischen Arbeiterviertel
im 19. Jahrhundert
Quelle: B
ERLEPSCH
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ALENDÁS
H.
E.
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., 1912: S. 17
Negativ wirkte sich der Mangel an Gesetzen bezüglich der Bebauungsdichte auf
die Großstadtbildung aus. Dieser Gesetzesmangel ließ den Bauherrn völlig freie Hand.
Die Bauherrn, die oft auch Industrielle waren, mussten keinerlei hygienische Standards
erfüllen, was verstärkt zum Ausbruch von Krankheiten, wie der Cholera, Tuberkulose
oder Typhus, führte. Dem konnte schließlich die Regierung, die bisher dem Treiben
tatenlos zugesehen hatte, nur durch teure Abbruchmaßnahmen in verseuchten
Stadtteilen beikommen. Aber der dadurch entstandene Wohnungsmangel
verschlechterte die Situation noch weiter.
Die Zustände, die im 19. Jahrhundert für die Arbeiterschaft in den Fabriks- und
Handelsstädten herrschten, waren vielfach unbeschreiblich. Doch nach und nach wurde
schließlich damit begonnen, die Wohnungssituation zu verbessern, da man erkannte,
dass durch eine gesündere Lebensumgebung auch die Volksgesundheit gehoben werden
konnte. Zwar wurden zu diesem Zwecke in England noch keine städtebaulichen
Maßnahmen, wie etwa eine vorgegebene Baufluchtlinie, die eine bessere Durchlüftung
hätte ermöglichen können, in Betracht gezogen, doch legte man Wert auf eine
lebenswertere Wohneinheit.

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Besonders geachtet wurde dabei auf genügend Lichteinfall und auch eine
Verbesserung der hygienischen Zustände, da es bis dato noch viele Wohnungen in
Kellern oder engen Innenhöfen gab, in die keine Sonnenstrahlung einfallen konnte und
die auch keine Mindeststandards bezüglich der Entsorgung menschlichen Abfalls
erfüllten. Schon damals wurde Sonnenlicht als für die Gesundheit in zweierlei Hinsicht
positiv erkannt: Einerseits sollte es die Abwehrkräfte stärken, andererseits sollte es aber
auch zur psychischen Ausgeglichenheit nach der harten Fabriksarbeit beitragen.
In England gehörte Grund und Boden grundsätzlich dem Staat und wurde als
Lehen an Land-Lords (
?
Gutsverwalter) weitergegeben. Die an den Staat abgegebenen
und von den Bewohnern der Lehen eingehobenen Steuern wurden dabei vielfach als
Abfindung an den Staat angesehen, wodurch schließlich das Lehen mehr oder weniger
in den Besitz des Lehenshalters überging. Da sich die Land-Lords die Landrente für die
Zukunft sichern wollten, wurde das Land nicht verkauft sondern auf eine bestimmte
Zeit (meist 99 Jahre, für größere Ansiedlungen 999 Jahre) verpachtet. Es konnte sich
also kein wie in anderen Ländern schon existierender Liegenschaftsverkehr bilden.
Boden war kein Spekulationsobjekt. Der Wert des Bodens war also eher gering, was die
Errichtung von Kleinwohnhäusern sehr förderte.
1851 wurde anlässlich der ersten Weltausstellung ein Arbeiterhaus entwickelt,
das möglichst viel Lichteinfall gewähren konnte. Dieses zweistöckige Doppelhaus sollte
schließlich durch seine platzsparende Bauweise auf dem Grundstück mehr Raum für
Gartenflächen bieten, was schon die Anfänge der frühen Gartenstadtströmung erkennen
lässt. Dieses, den neuen Baurichtlinien folgende Umdenken förderte aber auch die
Suburbanisierung in massiver Weise.
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Erste Anzeichen für das Aufkommen von planerischen und sozialreformerischen
Eingriffen in die Stadtgestaltung, insbesondere zugute der Arbeiterklasse, ließen sich
vereinzelt schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts entdecken. In den folgenden
Abschnitten seien nun zwei der wichtigsten Sozialreformer und deren Idealstädte kurz
beschrieben.

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2.4.1. Robert Owen
1784 gründeten die Textilunternehmer R
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und R
ICHARD
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RKWRIGHT
am Ufer des Flusses Clyde in Schottland eine Baumwollfabrik inklusive
Arbeiterwohnhäusern und Schule. Das Industriedorf erhielt den Namen
New Lanark
(Abbildung 5 (a)). Im 18. Jahrhundert war dies die größte Industrieanlage Englands.
70% der Arbeiter waren Frauen und Waisen, die jedoch für die damalige Zeit
außergewöhnlich gut behandelt wurden. Die Gebäude sind auch heute noch erhalten
und bilden einen Stadtteil von
Lanark
(Abbildung 5 (b)). 1799, nach dem Tod
D
ALES
, kaufte R
OBERT
O
WEN
(1771-1858) dessen Besitz und schuf eine Kommune,
in der Ausbildung und sozialer Frieden, aufbauend auf einer besseren Lebens- und
Wohnsituation, vorherrschen sollten. O
WEN
wollte mit
New Lanark
eine
geschlossene, autarke Einheit schaffen.
(Gazetteer for Scotland [Internet])
Abbildung 4: R
OBERT
O
WEN
(Gemälde von
J
OHN
C
RANCH
, 1845)
Quelle: New Harmony - Scientists, Educators, Writers Artists [Internet]
Abbildung 5:
New Lanark
Cotton Mill: (a) 1810; (b) 2001
Quellen: (a) Teaching History Online [Internet]; (b) Gazetteer for Scotland [Internet]
Von diesem unabhängigen Arbeiterdorf leitete er sozial weitreichende
Folgerungen ab. So schlug der Industrielle und Sozialreformer O
WEN
vor, die seiner
Meinung nach beängstigend anwachsenden Industriegroßstädte durch kleinere

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Industriedörfer zu ersetzen. Diese sollten eine maximale Einwohnerzahl von 800-
1.200 nicht überschreiten. Weiters sollte solch ein Ort von landwirtschaftlichen
Flächen zwecks Nahrungsmittelversorgung umgeben sein. Das Dorf selbst sollte eine
Kirche, eine Schule, Wohnungen der Arbeiter, Freizeit- und Erholungseinrichtungen
und natürlich als Zentrum die Fabrik enthalten. Mit diesen Einrichtungen sollte eine
vollständige Unabhängigkeit erreicht werden. Der wohl revolutionärste Gedanke war
das Verbot von Kinderarbeit. All das sollte in seinen Entwürfen für die
Industriedörfer zum Ausdruck gebracht werden (Abbildung 6).
(B
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H.
E.
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., 1912: S. 15-16)
Abbildung 6: R
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Industriedorf (1817)
Quelle: H
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E., 1902, P
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J., 1968: S. 15
Doch es sollten lediglich Entwürfe bleiben, die niemals in der von ihm
geforderten Weise verwirklicht wurden. Ein möglicher Grund lag vielleicht darin,
dass er wesentliche, das Gemeinschaftsleben fördernde Faktoren nicht
berücksichtigte. Viel wichtiger als die Größe einer Ansiedlung ist ein gemeinsames
Ideal, und damit sollte nicht die in O
WENS
Zentrum stehende Fabrik gemeint sein.
Darunter könnte man möglicherweise einen religiösen Mittelpunkt in Form einer
Kirche, einen politischen mittels Rathaus oder Regierungsgebäude, einen
wirtschaftlichen mit einem Markt- und Handelsplatz oder einen gesellschaftlichen
Mittelpunkt in Form eines sozial ansprechenden Hauptplatzes verstehen. Doch indem
O
WEN
, der ein Kritiker der Kirche war, die für viele Menschen wichtigen religiösen
Stätten ignorierte oder in seinem Modell nicht ausreichend berücksichtigte, zeigte er

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eine Schwäche, die vielleicht dazu beitrug, dass seine Visionen nicht realisiert
wurden.
(Multimedia Lexikon 2001; University of Michigan [Internet])
In den USA hatte er mehr Erfolg. Dort wurden einige dieser
Arbeiterkommunen (Owanite Communities) in teilweise abgewandelter Form
verwirklicht. Eine davon, vielleicht die wichtigste, ist
New Harmony
im Bundesstaat
Indiana. Die Kommune
New Harmony
wurde von R
OBERT
O
WENS
Sohn, R
OBERT
D
ALE
O
WEN
, gegründet. (siehe Abschnitt 4.2.1)
2.4.2. Charles Francois Fourier
Abbildung 7: C
HARLES
F
RANCOIS
F
OURIER
Quelle: Comprehensive Policy Making [Internet]
Weitaus extremer als O
WENS
Ideen formulierte der französische
Sozialphilosoph C
HARLES
F
RANCOIS
F
OURIER
(1772-1837)
seine industriellen und
sozialreformerischen Visionen in seinem Buch Le Nouveau Monde Industriel et
Sociétaire, 1829. So sollten sich seiner Ansicht nach im von ihm entwickelten
System des utopischen Sozialismus 300-400 Familien auf der Basis von kleinen,
autarken Lebensgemeinschaften in sogenannten
Phalanstéres
, Kommunen ähnlich
geschlossenen Renaissance-Palästen, zusammenschließen.
(University
of
Michigan [Internet]; Multimedia Lexikon 2001)
Ein solches von F
OURIER
beeinflusstes Kommunenprojekt wurde schließlich
vom französischen Stahlindustriellen G
ODIN
in
Guise
, Frankreich, verwirklicht. Dies
war eine der ersten Realisierungen von kollektiven Arbeiteranlagen, die sowohl
Wohn- als auch Kommunalzweck erfüllten.
(M
UMFORD
L.,
1958: S. 393)

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Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit den Idealstädten und Siedlungen, die zu
einem Großteil auch verwirklicht wurden. Diese teilweise einschneidenden, neuen
Konzepte sollten gewichtigen Einfluss auf H
OWARDS
Gartenstadtmodell ausüben und
können somit als prägende Vorläufer der Gartenstadt gewertet werden.
2.5.1. Idealstadt Victoria
Die Ausführungen dieses Abschnitts über die Idealstadt
Victoria
wurden aus H
OWARD
E., 1902,
P
OSENER
J., 1968 (S. 20, 61, 127), B
UCKINGHAM
J. S., 1849 (S. 183-199) und Lucey N., 1973
[Internetauszüge aus L
UCEYS
Thesis Work] entnommen.
Neben O
WEN
hatte in England auch der Reformer J
AMES
S
ILK
B
UCKINGHAM
(1787-1855) großen Einfluss. Er war im Gegensatz zu O
WEN
ein reiner Reformer, der
seine Idealstädte nicht selbst verwirklichen konnte. B
UCKINGHAMS
Stadt
Victoria
(Abbildung 9) sollte einen quadratischen Grundriss und als eine der ersten Städte eine
strikte Bevölkerungslimitierung aufweisen. Die Maximalbevölkerung
Victorias
sollte
bei 10.000 Einwohnern liegen. Bei Überschreitung dieser Zahl sollten, wie im antiken
Griechenland, neue Kolonien gegründet werden. Die Stadt sollte ferner im Grünen, also
auf landwirtschaftlichem, billigem Grund und Boden gebaut werden und das Land sollte
im Besitz der Stadtgemeinde verbleiben. B
UCKINGHAM
forderte auch, dass es, wo/wann
auch immer dies möglich wäre, eine Kooperation zwischen der Landwirtschaft und der
Industrie geben sollte. Er wollte sogar, soferne es die örtlichen Gegebenheiten zuließen,
einen abwechselnden Schichtbetrieb in der Landwirtschaft und der Industrie einführen.
Abbildung 8: J
AMES
S
ILK
B
UCKINGHAM
Quelle: R
OCKEY
J.,
1983

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Abbildung 9: Idealstadt
Victoria
(1849): (a) Grundriss; (b) Planungsansicht
Quellen: H
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E., 1902, P
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J., 1968: S. 21; R
OCKEY
J.,
1983
Die Einwohnerschaft hätte nach B
UCKINGHAMS
Vorstellungen in Klassen geteilt
werden sollen. Zugehörige einer bestimmten Gesellschaftsschicht sollten sich nur in
dem ihnen zugewiesenen Stadtviertel niederlassen dürfen. Die Größe
Victorias
würde
auf etwa 1.600 ha beschränkt sein, wobei bloß ein Zehntel dieser Fläche bebaut werden
sollte, der Rest war als Agrarland gedacht. In H
OWARDS
Gartenstadt ist dieses
Verhältnis 5:1 - 2.000 ha Gesamtfläche bei einer Bebauung von 400 ha (siehe Abschnitt
2.6.3). In einem äußeren Quadrat sollte Raum für etwa 1.000 Gebäude mit Gärten zur
Verfügung stehen. Im folgenden zweiten, inneren Quadrat würden unter überdachten
Arkaden Handwerks- und andere Läden untergebracht werden (vgl. ähnliche Struktur in
Letchworth
Abbildung 54 (a)). Auffallend sind auch die radial angelegten Boulevards
wie später bei der Gartenstadt.
2.5.2. Saltaire
Durch die große Anzahl von Fabriken und somit auch Rauchfängen in
Bradford, Nordengland, dem Zentrum der Kammgarnspinnerei und Weberei im
England des 18. und 19. Jahrhunderts, kam es zu starken
Trinkwasserverschmutzungen, was schließlich Cholera- und Typhusepidemien
auslöste. Nur 30% der Kinder von Textilarbeitern erreichten ihr 18. Lebensjahr. Das
war eine der geringsten Lebenserwartungen in ganz England. In Bradford besaß der
Textilfabrikant T
ITUS
S
ALT
(1803-1876) einige Fabriken.
(B
ERLEPSCH
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H. E.
V
.,
1912: S. 63-64)

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Abbildung 10: T
ITUS
S
ALT
Quelle: Teaching History Online [Internet]
Es war eines der Hauptanliegen für S
ALT
, die Lebenssituation für die Arbeiter
in Bradford zu verbessern. Da ihm das als Bürgermeister, zu dem er 1848 gewählt
worden war, aufgrund zu großen Widerstands von Seiten der anderen Fabrikanten
nicht gelang, entschloss er sich 1853 mitsamt seiner Belegschaft aus Bradford
abzuziehen und eine eigene Siedlung zu gründen. Da diese 5 km von Bradford
entfernt am Fluss Aire liegen sollte, nannte er sie
Saltaire
(Abbildung 11).
(Teaching History Online [Internet])
Abbildung 11:
Saltaire
Mill: (a) ca. 1860; (b) ca. 1990
Quellen: H
OWARD
E., 1902, P
OSENER
J., 1968: S. 24; Saltaire [Internet]
Der Stadtplan (Abbildung 12 (a)) zeigt durchwegs rechtwinkelig angeordnete
Straßenzüge, die aber kurz und überschaubar sind. Durch die Topographie (leicht
hügeliges Gelände) fällt die monotone Gitterstruktur daher nicht negativ auf. Trotz
der Reihenhausbebauung wurde darauf geachtet, dass genügend Lichtzufuhr möglich
war, was durch eine Begrenzung der Gebäudehöhen erreicht wurde. Frischluftzufuhr
ergab sich durch den flussbedingten Durchlüftungseffekt.
Saltaire
hatte ca. 4.000
Einwohner, die aber keineswegs in ihrem Industriedorf eingesperrt waren, wie es bei
O
WENS
Entwurf von autarken Industriekommunen den Anschein hatte. Vielmehr

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30
sorgten Gärten, Parks, Spielplätze und sonstige Freizeitanlagen am Stadtrand für
reichlich Entspannungsmöglichkeiten.
(B
ERLEPSCH
-V
ALENDÁS
H. E.
V
., 1912: S. 63-69)
Welchen Stellenwert hygienische Einrichtungen hatten, zeigte die Tatsache,
dass es große Zentralwaschhäuser und in jeder Wohnung ein WC gab. Schnell
wurden die positiven Folgen wahrnehmbar. Cholerafälle verringerten sich, die
Kindersterblichkeit sank und es wurde sogar ein starker Rückgang von unehelichen
Kindern vermerkt, was möglicherweise einerseits mit dem Fehlen von
Gastwirtschaften und Alkohol in
Saltaire
und dem damit nicht so zügellosen
Lebensstil und andererseits mit dem Bildungsangebot, das S
ALT
seinen Arbeitern
offerierte, zusammenhing.
(B
ERLEPSCH
-V
ALENDÁS
H. E.
V
., 1912: S. 63-69)
Heute ist
Saltaire
Stadtteil von Shipley, der neben Bradford nächstgrößeren
Stadt. Die von T
ITUS
S
ALT
gegründete Textilfabrik mit den dazugehörigen
Arbeiterwohnanlagen ist nach wie vor erhalten, wie aus Abbildung 12 hervorgeht.
Saltaire
galt als erste große Schöpfung des Paternalismus. Paternalisten waren
praktische Wohltäter, Verwirklicher, die ihre sozialen Visionen realisierten und eine
Aufwertung der Lebenssituation für ihre Arbeiterschaft in die Tat umsetzten, im
Gegensatz zu den reinen Reformern und Visionären, die sich mit theoretischen
Modellen befassten.
(H
OWARD
E., 1902, P
OSENER
J., 1968: S. 22-27)

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Abbildung 12:
Saltaire:
(a) Plan von 1851; (b) Luftbild von 2001
Quellen: (a) H
OWARD
E., 1902, P
OSENER
J., 1968: S. 25; (b) Multimap [Internet]
2.5.3. Akroydon
Der folgende Abschnitt über
Akroydon
hält sich an H
OWARD
E., 1902, P
OSENER
J., 1968 (S. 21-23) und
B
ERLEPSCH
-V
ALENDÁS
H. E.
V
., 1912 (S. 69-73).
Vom Kammgarnfabrikanten E
DWARD
A
KROYD
(1810-1887) wurde in den
Jahren 1861-1863 die Wohnsiedlung
Akroydon
bei Halifax, in der Umgebung von
Leeds, gegründet.
Abbildung 13: E
DWARD
A
KROYD
Quelle: Halifax Today [Internet]

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Dabei handelte es sich um eine im Stil von B
UCKINGHAMS
Idealstadt
Victoria
geplante Wohnanlage mit etwa 120 Häusern, die in einem Quadrat um einen
Brunnen angeordnet sein sollten (Abbildung 14 (a) und (b)). A
KROYD
achtete auch
auf Bildung und ließ mehre Schulen erbauen. Die Häuser und Bauplätze verkaufte er
billig an Arbeiter, die schnell den hohen Wohnstandard schätzen lernten. Auch ließ
der Fabriksbesitzer A
KROYD
einige gemeinnützige Genossenschaften und Stiftungen,
die sich hauptsächlich mit Finanzierungsfragen beschäftigten und billige Kredite
vergaben, einrichten. Diese und andere Vereinigungen, wie die
Gartenbaugesellschaft, eine Arbeiterbibliothek, The Working Men's Club oder eine
Genossenschaftsküche für die Bereitstellung billiger Menüs, wirkten sich auf die
Entwicklung der späteren genossenschaftlichen Prinzipien der Gartenstadtbewegung
aus.
Abbildung 14:
Akroydon
: (a) Gesamtansicht (ca. 1862); (b) Reihenhauszeile (Photo von 1911)
Quelle: H
OWARD
E., 1902, P
OSENER
J., 1968: S. 22-23
2.5.4. Bedford Park
Der folgende Abschnitt hält sich weitgehend an (H
OWARD
E., 1902, P
OSENER
J., 1968 (S. 27-29) und
B
ERLEPSCH
-V
ALENDÁS
H. E.
V
., 1912 (S. 84-86).
Die erste Gartenvorstadt (Garden Suburb) war das 1875 gegründete
Bedford
Park
, 20 km südlich von London. Geplant wurde diese kleine Anlage von
J
ONATHAN
T. C
ARR
in Zusammenarbeit mit dem Architekten N
ORMAN
S
HAW
. Man
wollte eine reine Wohnsiedlung im Grünen, aber trotzdem noch mit guter
Verkehrsanbindung an die Großstadt.
Bedford Park
kann als Vorläufer von
Hampstead Garden
Suburb
(Architekten R
AYMOND
U
NWIN
und B
ARRY
P
ARKER
)

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gesehen werden, wobei dort, in
Hampstead Garden Suburb
, noch mehr von den
Normen abgegangen wurde (keine Baufluchtlinien, freiräumliche Gruppierungen...).
Bemerkenswert war in
Bedford Park
die Abkehr vom monotonen
Reihenhausstil hin zum Doppelhaus (Abbildung 16). Weiters wurde auf weitläufige
Bebauung geachtet, um den Parkcharakter beizubehalten. Hier wurde auch zum
ersten Mal bei der Planung der Straßenführung Rücksicht auf alte Baumbestände
genommen, was später auch bei der Planung von
Letchworth Garden City
Einzug
fand (vgl. Abschnitt 3.1). Dies kann als Verdienst der von C
ANON
H
ORSLEY
gegründeten Gesellschaft für Gartenpflege und Naturkunde gewertet werden. Diese
Gesellschaft hatte Vorbildwirkung für spätere Entwicklungen bzgl. der
Gartenstadtbewegung. In
Bedford Park
entwickelte sich auch das Ideal vom
Arbeiterhaus mit Garten.
Abbildung 15:
Bedford Park:
(a) Bebauungsplan (1877); (b) Luftbild (2001)
Quellen: (a) H
OWARD
E., 1902, P
OSENER
J., 1968: S. 27; (b) Multimap [Internet]; ((a) und (b) bearbeitet,
Ersichtlichmachung einer charakteristischen Straßenkreuzung zum besseren Vergleich der beiden Abbildungen)
Wie man aber durch einen Vergleich des Bebauungsplanes von 1877
(Abbildung 15 (a)) mit einem aktuellen Luftbild (Abbildung 15 (b)) erkennen kann,
ist zwar von den ursprünglich großzügigen Grün- und Waldflächen nicht mehr viel
vorhanden, der Baubestand aus der Gründungszeit sowie nicht bebaubare
Grünflächen, hauptsächlich spitze Restflächen oder schmale Streifen, sind ebenfalls
noch erhalten.

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Abbildung 16: Doppelhäuser in
Bedford Park
Quelle: H
OWARD
E., 1902, P
OSENER
J., 1968: S. 29
2.5.5. Bournville
Die Beschreibung der Musterindustriesiedlung bezieht sich im Wesentlichen B
ERLEPSCH
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H.
E.
V
., 1912 (S. 87-90, 94, 101).
Der Schokoladefabrikant G
EORGE
C
ADBURY
(1839-1922) griff die
Entwicklung vom Arbeiterhaus mit Garten (Abbildung 18), die von
Bedford Park
ausging, auf und gründete 1895
Bournville
, 6 km südwestlich von Birmingham. Die
Siedlung begründete sich auf eine schon 1879 durch die Verlegung der Kakaofabrik
aus Birmingham entstandene Fabriksanlage mit einigen wenigen Arbeiterhäusern.
(H
OWARD
E., 1902, P
OSENER
J., 1968: S. 29)
Abbildung 17: G
EORGE
C
ADBURY
Quelle: Teaching History Online [Internet]

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C
ADBURY
wollte eine lockere Bebauung mit Doppelhäusern entlang von
geschwungenen Straßen (Abbildung 19). Die gesamte Anlage zeigte mehr einen
dörflichen Charakter als den einer Industriesiedlung. Man wollte bewusst das äußere
Erscheinungsbild einfach und für den Arbeiter ansprechend halten und nicht eine
regelmäßige Gitterstruktur mit monumentalen Bauten errichten, wie das in
Saltaire
(siehe Abschnitt 2.5.2) der Fall war. Besonderen Reiz sollte auch die Variation in
den Haustypen bieten.
(Lucey N., 1973 [Internetauszüge aus L
UCEYS
Thesis Work])
Abbildung 18: Haus mit Garten in
Bournville
(ca. 1911)
Quelle: Halifax Today [Internet]
Obwohl C
ADBURY
nicht auf weibliche Arbeiter verzichten konnte, stellte er
doch nur ledige Frauen ein und ermutigte die Frauen somit, länger zu arbeiten und
erst später zu heiraten, was sie schließlich auch sozial besser stellen und finanziell
abgesicherter machen sollte. Verheiratete Frauen sollten sich um die Kinder
kümmern und ihnen eine Erziehung zukommen lassen, die sich im sozial
ausgewogenen Familienbereich vollzog. Diese für den Nachwuchs positiven
Umgebung sollte sich nachhaltig auf die kommenden Generationen auswirken.
(Lucey N., 1973 [Internetauszüge aus L
UCEYS
Thesis Work])

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Abbildung 19:
Bournville:
(a) Stand der Bebauung von ca. 1911; (b) Luftbild von 2001
Quellen: (a) H
OWARD
E., 1902, P
OSENER
J., 1968: S. 32; (b) Multimap [Internet]
In
Bournville
wurde, wie schon in
Saltaire
, kein Alkohol ausgeschenkt. Wie
in
Bedford Park
ging man auch hier von der geschlossenen Bauflucht ab und
gruppierte die Häuser um sogenannte Cul-de-Sacs (Sackstraßen) in Form von
Wohnhöfen (siehe auch Abbildung 44). C
ADBURY
bestand auch nicht darauf, dass
seine Bewohner seinem Werk angehören mussten, was wohl mit zu einer stärkeren
Diversifizierung der Einwohnerschaft beitrug. Zentrale Philosophie war es, eine
gesellschaftliche Mischung zu erzeugen, um die sozial niedrigeren Schichten
anzuspornen, durch Selbsthilfe auch das Niveau der Bessergestellten zu erreichen.
(H
OWARD
E., 1902, P
OSENER
J., 1968: S. 29-34; Teaching History Online [Internet])
Er ging sogar noch weiter und überließ die Verwaltung von
Bournville
einer
Stiftung, der Bournville Village Trust, die von den Bewohnern gemeinschaftlich
geführt und dazu verwendet wurde, verschiedene Bauvorhaben, die das
Gemeinschaftsleben in
Bournville
betrafen, zu finanzieren, aber auch, um in andere,
gleichgesinnte Betriebe und ähnliche Siedlungen zu investieren und eine
Teilhaberschaft zu erwerben. In jüngster Vergangenheit stellte der Bournville Village
Trust £7.500 für die Entwicklung des dritten Gartenstadtprojektes
Lightmoor
, etwa

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30 km nordwestlich von Birmingham, zur Verfügung (vgl. Abschnitt 7.3).
(Teaching History Online [Internet]; University of Birmingham [Internet])
Die Rentabilität des Bournville-Projektes gab ähnlichen Vorhaben Auftrieb
und wirkte beeinflussend auf H
OWARDS
Finanzierungsmodell der Gartenstadt. Der
Gartenstadtgedanke floss auch direkt in die Vermarktung von C
ADBURYS
Produkt,
der Schokolade, ein (Abbildung 20). Hier wirkte vor allem der erzeugte Effekt des
Zusammenspiels von gesunder Umgebung und einem dadurch hochwertigeren
Produkt eine Rolle.
Abbildung 20: Werbung für C
ADBURYS
Schokolade
Quelle: W
ARD
S.,
(E
D
.),
1992: S. 190
1901 wurde hier unter der Organisation von C
ADBURY
die erste Tagung der
Garden City Association abgehalten und im Jahre 1989 fand hier neuerlich eine
internationale Gartenstadtkonferenz statt. Heute ist
Bournville
Teil von Birmingham.
Die Schokoladefabrik ist aber noch immer ansässig und auch die Strukturen der von
C
ADBURY
gegründeten Siedlung sind noch erhalten (Abbildung 19).
(Birmingham
City Council [Internet])
2.5.6. Port Sunlight
Zur Zeit der Gründung
Bournvilles
, etwa 1895, entstand unter der Führung
des Seifenfabrikant W
ILLIAM
H
ESKETH
L
EVER
(1851-1925) auch die
Siedlungsanlage
Port Sunlight
am Fluss Mersey nahe Liverpool.
(Port Sunlight
[Internet])

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832467296
ISBN (Paperback)
9783838667294
DOI
10.3239/9783832467296
Dateigröße
17.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Karl-Franzens-Universität Graz – Geographie
Erscheinungsdatum
2003 (April)
Note
1,0
Schlagworte
howard letchworth welwyn radburn greenbelt
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Titel: Das Gartenstadtmodell
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