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Die UN-Friedensmissionen

Fallbeispiele in Afrika

©2002 Diplomarbeit 138 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Frühjahr 2003, eine internationale Koalition souveräner Staaten führt Krieg im Irak. Nach dem Ende der unmittelbaren Kampfhandlungen werden erhebliche Anforderungen an die globale Staatengemeinschaft zur Friedensschaffung (Peacemaking) Friedenssicherung (Peacekeeping) und Friedenskonsolidierung (Peacebuilding) im Land gestellt. Die Medien werden darüber ausgiebig berichten.
Doch was geschah und geschieht in den afrikanischen Konfliktregionen? Nur wenig dringt über die internationalen Medien an die Weltöffentlichkeit. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem friedenspolitischen Engagement internationaler Akteure, insbesondere der Vereinten Nationen, in diesem Kontinent.
Ziel der Arbeit ist es, unter Berücksichtigung des Völkerrechts, der Politikwissenschaft, der afrikanischen Landeskunde und Zeitgeschichte eine umfassende systematische Untersuchung der UN-Friedenssicherung in dieser Region. Die zentrale Frage ist dabei, unter welchen Voraussetzungen eine erfolgreiche Friedenssicherung zu einem nachhaltigen Frieden führen kann.
Die Arbeit beschäftigt sich mit verschiedenen Problemkreisen der UN-Friedenssicherung aus afrikanischer Sicht. So werden die kollektiven Maßnahmen nach den Kapiteln VI und VII UN-Charta unter Berücksichtigung afrikanischer Besonderheiten untersucht. Die implizite rechtliche Grundlage von Peacekeeping in der UN-Charta wird mit der Darstellung der Kompetenzverteilung der UN-Haupt- und Nebenorgane verdeutlicht. Nach der wissenschaftlichen Typisierung der Formen der Friedenssicherung erfolgt eine komplexe und kritische Darstellung aller bisherigen und andauernden UN-Friedensmissionen in Afrika. Dabei werden, unter Berücksichtigung der politischen Hintergründe, einzelne Missionen (etwa Ruanda, Kongo, Mosambik, Angola, Somalia, Sierra Leone) aufgrund aktueller Problematiken (Sanktionsmöglichkeiten der Vereinten Nationen, Humanitäre Intervention, Blockadehaltung im Sicherheitsrat, „Uniting for Peace“ Resolution, Westliches Engagement in afrikanischen Konflikten, u.a.) besonders hervorgehoben.
Die Arbeit kann und will keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Unvollständigkeiten können jedoch über die weiterführende Literatur (über 70 Literaturhinweise zu Monographien, Aufsatzsammlungen, Zeitschriften u.a.) sowie explizite Internethinweise kompensiert werden. Im Anhang finden sich Kartenmaterial und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6710
Schweiger, Martin: Die UN-Friedensmissionen - Fallbeispiele in Afrika
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: München, Universität, Diplomarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

2
Inhaltsverzeichnis
Seite
Abkürzungsverzeichnis
5
A. Einleitung
7
B. Das System der kollektiven Sicherheit in den Vereinten Nationen
9
I. Begriff und Ausgestaltung
9
II. Friedliche Beilegung von Streitigkeiten, Kapitel VI UN-Charta
10
1. Beilegung durch diplomatische Verfahren
11
2. Streitabschließende Entscheidungsverfahren
12
III. Maßnahmen nach Kapitel VII UN-Charta
12
1. Feststellung der Friedensbedrohung, Art. 39 CVN
13
2. Vorläufige Maßnahmen, Art. 40 CVN
14
3. Empfehlungen und Entscheidungen, Art. 39 CVN
14
4. Nichtmilitärische Zwangsmaßnahmen, Art. 41 CVN
15
5. Militärische Zwangsmaßnahmen, Art. 42 ff CVN
15
IV. Rechtliche Grundlagen von Peacekeeping in der UN-Charta
17
1. Völkerrechtliche Einordnung von Peacekeeping
17
2. Die Kompetenzen des Sicherheitsrates
18
3. Die Kompetenzen der Generalversammlung
19
4. Die Rolle des Special Commitee on Peacekeeping Operations
21
5. Die Rolle des Military Staff Commitee
22
6. Die Kompetenzen des Generalsekretärs
23
V. Arten von UN-Friedensmissionen
24
1. Begriffliche Einordnung von Peacekeeping
24
2. Kategorien friedenssichernder Operationen
26
a. UN-Friedensmissionen der ersten Generation
27
b. UN-Friedensmissionen der zweiten Generation
28
c. UN-Friedensmissionen der dritten Generation
30
C. Fallbeispiele in Afrika
32
I. Abgeschlossene Missionen
32
1. Fallbeispiel: Kongo (ONUC)
33
a. Einrichtung der ONUC
33

3
b. Verlauf der ONUC
34
c. Wertung der ONUC
36
2. Fallbeispiel: Namibia (UNTAG)
38
a. Konfliktkonstellation bis 1988
38
b. Verlauf der UNTAG
40
c. Wertung der UNTAG
42
3. Fallbeispiel: Angola (UNAVEM I-III, MONUA)
44
a. Konfliktkonstellation
44
b. Einrichtung und Verlauf der UNAVEM I
46
c. Einrichtung und Verlauf der UNAVEM II
46
d. Einrichtung und Verlauf der UNAVEM III
49
e. Einrichtung und Verlauf der MONUA
50
f. Wertung der UN-Friedensmissionen in Angola
51
4. Fallbeispiel: Mosambik (ONUMOZ)
54
a. Konfliktkonstellation
54
aa. Unabhängigkeitskrieg
54
bb. Bürgerkrieg
54
b. Einrichtung und Verlauf der ONUMOZ
57
c. Wertung der ONUMOZ
59
5. Fallbeispiel: Somalia (UNOSOM I-II)
60
a. Konfliktkonstellation
60
b. Einrichtung und Verlauf der UNOSOM I
61
c. Einrichtung und Verlauf der UNOSOM II
64
d. Wertung der UN-Friedensmissionen in Somalia
67
6. Fallbeispiel: Ruanda (UNOMUR und UNAMIR)
70
a. Ausgangslage- Herrschaftskonflikt zwischen Hutu und Tutsi
70
b. Verlauf der UNOMUR-Mission
71
c. Verlauf der UNAMIR-Mission
72
aa. Einrichtung der UN-Friedensmission
72
bb. UN-Reaktion auf den Völkermord
73
cc. Die Operation Türkis
75
d. Wertung der UNAMIR
75
aa. Vorwarnung eines Völkermordes
76
bb. UN-Haltung nach dem 6. April 1994
76
7. Fallbeispiel: Liberia (UNOMIL)
79
a. Konfliktkonstellation und Einsatz der ECOMOG
79
b. Einrichtung und Verlauf der UNOMIL
81
c. Wertung der UNOMIL
82
8. Fallbeispiel: Tschad-Libyen (UNASOG)
84
a. Konfliktkonstellation
84
b. Einrichtung, Verlauf und Wertung der UNASOG
84
9. Fallbeispiel: Zentralafrikanische Republik (MINURCA)
85
a. Konfliktkonstellation
85

4
b. Einrichtung und Verlauf der MINURCA
86
c. Wertung der MINURCA
87
10. Fallbeispiel: Sierra Leone (UNOMSIL)
88
a. Konfliktkonstellation
88
b. Einrichtung und Verlauf der UNOMSIL
89
II. Andauernde Missionen
90
1. Fallbeispiel: West Sahara (MINURSO)
90
a. Konfliktkonstellation
90
b. Einrichtung und Verlauf der MINURSO
90
c. Wertung der MINURSO
92
2. Fallbeispiel: Sierra Leone (UNAMSIL)
92
a. Einrichtung und Verlauf der UNAMSIL
92
b. Wertung der UN-Friedensmissionen in Sierra Leone
94
3. Fallbeispiel: Demokratische Republik Kongo (MONUC)
95
a. Konfliktkonstellation
95
b. Einrichtung und Verlauf der MONUC
96
c. Wertung der MONUC
97
4. Fallbeispiel: Äthiopien-Eritrea (UNMEE)
98
a. Konfliktkonstellation
98
b. Einrichtung, Verlauf und Wertung der UNMEE
99
D. Analytische Zusammenfassung der afrikanischen
UN-Friedensmissionen
100
I. Weitgehender Erfolg
101
II. Mäßiger Erfolg
102
III. Fehlschläge
103
IV. Schlussfolgerungen
105
E. Ausblick
108
Literaturverzeichnis
110
Anhangsverzeichnis 117

5
Abkürzungsverzeichnis
AFL
Armed Forces of Liberia
AFRC
Armed Forces Revolutionary Council
CCPM
Comissão Conjunta Político-Militar
CIVPOL
Civilian Police Component
CVN
Charta der Vereinten Nationen
DPKO
(UN) Department for Peacekeeping Operations
DTA
Democratic Turnhalle Alliance
ECOMOG
ECOWAS Ceasefire Monitoring Group
ECOWAS
Economic Community of West African States
FAA
Forces Armades de Angola
FNLA
National Front for the Liberation of Angola (Frente Nacional de
Libertação de Angola)
FRELIMO
Front for the Liberation of Mozambique (Frente de Libertação de
Moçambique)
GA Res.
Generalversammlungs-Resolution
ICTR
International Criminal Tribunal for Rwanda
INPFL
Independent National Patriotic Front of Liberia
JMC
Joint Military Commission
MINURCA
UN Mission in the Central African Republic
MINURSO
UN Mission for the Referendum in Western Sahara
MONUC
UN Organization Mission in the Democratic Republic of the Congo
MISAB
Mission interafricaine de surveillance des accords de Bangui
MLC
Movement for the Liberation of the Congo
MPLA
Movement for the Independence of Angola (Movimento Popular de
Libertação de Angola)
NPF
Indedependent National Patriotic Front
NPFL
National Patriotic Front of Liberia
OAU
Organisation of African Unity
OIC
Organization of the Islamic Conference
ONUC
UN Operation in the Congo (Opération des Nations Unies au
Congo)
ONUMOZ
UN Operation in Mozambique (Operaçaões das Nações Unidas em
Moçambique)
PLAN
People`s Liberation Army of Namibia
POLISARIO (Frente Popular para la Liberación de Saguia el-Hamra y de Río de
Oro)
RCD
Congolese Rally for Democracy
RENAMO Mozambique
National
Resistence (Resistência Nacional Moçambi-
cana
RPF
Rwandese Patriotic Army
RUF
Revolutionary United Front

6
SADC
Southern African Development Community
SADCC
Southern African Development Coordination Conference
SADF
South African Defence Force
SNA
Somali National Alliance
SR Res.
Sicherheitsrats-Resolution
SSA
Somali Salvation Alliance
SWAPO
South West African People`s Organization
SWAPOL
South West Africa Police
TWP
True Whig Party
UN United
Nations
UNAMIR
UN Assistance Mission for Rwanda
UNAMSIL
UN Mission in Sierra Leone
UNASOG
UN Aouzou Strip Observer Group
UNAVEM
UN Angola Verification Mission
UNHCR
UN High Commissioner for Refugees
UNIC
UN Information Center
UNITA
National Union for the Total Independence of Angola (União
Nacional para a Independência Total de Angola)
UNITAF
United Task Force
UNMEE
UN Mission in Ethiopia and Eritrea
UNOA
UN Office in Angola
UNOHAG
UN Office for Humanitarian Assistance Coordination
UNOL
UN Peace-building Support Office in Liberia
UNOMIL
UN Observer Mission in Liberia
UNOMSIL
UN Observer Mission in Sierra Leone
UNOMUR
UN Observer Mission in Uganda-Rwanda
UNOSOM
UN Operation in Somalia
UNTAG
UN Transition Assistance Group
UNTSO
UN Truce Supervision Organization
USC
United Somali Congress
VN
Vereinte Nationen

7
A. Einleitung
Mit dem Ende des Kalten Krieges setzte ein Rückzug der Supermächte aus vielen
Regionen der Welt ein. Die gleichzeitig weggefallene wechselseitige Blockadepolitik
im Sicherheitsrat, ermöglichte den Vereinten Nationen neue Wege der
Friedenssicherung. Nunmehr wurde den Vereinten Nationen die Rolle einer
weltweiten Friedensstiftung zugeschrieben. Die Anzahl der vergebenen UN-
Mandate stieg sprunghaft an und neben klassischen Einsätzen, wie der
Überwachung von Waffenstillständen und der Pufferbildung bei
zwischenstaatlichen Konflikten kamen neue Aufgaben der humanitären
Hilfsleistung, der Entwaffnung von Kriegsparteien oder der Wahldurchführung
hinzu. So herrschte zu Beginn der 90`er Jahre ein großer Optimismus globale
Probleme, wie Kriege und kriegerische Konflikte mittels Friedenssicherung zu
verringern.
Seit Gründung der Vereinten Nationen erteilte der Sicherheitsrat in 54 Fällen ein
Mandat zu UN-Friedensmissionen. Während bis 1987 lediglich 13 Missionen
begannen, waren es seitdem 41 neue Operationen. Bei den afrikanischen UN-
Missionen waren es sogar 18 von 19 Missionen.
1
Nach der friedlichen Beilegung
von afrikanischen Konflikten, wie etwa in Namibia und Mosambik, erlitten die
Vereinten Nationen herbe Rückschläge in Somalia und Ruanda.
Es stellt sich insoweit die Frage, ob und wie die Auswahl der bisherigen
Lösungskonzepte, der kollektiven Sicherheit in den Vereinten Nationen, den
komplexen afrikanischen Konfliktsituationen gerecht werden kann. Insbesondere
Schwarzafrika sieht sich mit einer Vielzahl von kriegerischen Konflikten und
Kriegsursachen konfrontiert. Deren Spektrum reicht von antikolonialen und
antirassistischen Befreiungskämpfen, verspäteten Entkolonisierungskonflikten,
Sezessionskriegen, Anti-Regimekriegen, Modernisierungs- und Identitätskonflikten,
sowie ethnisch und religiös geprägten Kriegen bis hin zu Grenzkonflikten und auch
Mischtypen der Kriege.
2
1
Vgl. Abb. 16 u.17 im Anhang, S. XVI.
2
Vgl. Matthies, Volker: Kriegerische Konflikte und friedliche Konfliktbearbeitung in Afrika, in:
Ferdowsi, Mir A. (Hrsg.): Afrika zwischen Agonie und Aufbruch, München 1998, S. 50-56.

8
Die vorliegende Arbeit führt die Untersuchung unter Zuhilfenahme der
Konstellationsanalyse. Mit der Analyse der bisherigen und noch andauernden UN-
Friedensmissionen in Afrika soll aufgezeigt werden, dass erfolgreiches
Peacekeeping für einen dauerhaften Frieden nur unter bestimmten
Voraussetzungen möglich wird. Neben der Krisenprävention und
Friedenskonsolidierung kommt, aufgrund der geänderten Konflikttypen, dem
,,robusten" Peacekeeping
3
eine zentrale Bedeutung bei der Friedenssicherung zu.
Der Einleitung schließt sich in Teil B. die Darstellung des Systems der kollektiven
Sicherheit in den Vereinten Nationen an. Dabei soll, unter Berücksichtigung der
Anwendung kollektiver Maßnahmen in Afrika, eine Abgrenzung, der nicht in der
Charta erwähnten UN-Friedenssicherungseinsätze, gegenüber den normierten
Friedenssicherungsmöglichkeiten, nach Kapitel VI und VII UN-Charta,
vorgenommen werden. Die implizite rechtliche Grundlage von Peacekeeping in der
UN-Charta, soll mit der Kompetenzerklärung der UN-Haupt- und Nebenorgane
sowie der Peacekeeping-Abteilung (DPKO) verdeutlicht werden.
Nach der begrifflichen Einordnung von Peacekeeping werden die bisherigen Arten
und Kategorien der friedenssichernden Operationen ausgeführt. Die
eingeschlossene kurze Darstellung bisheriger afrikanischer UN-Missionen soll zu
den unter Teil C. analysierten Fallbeispielen hinführen und deren inhaltliche
Vielfältigkeit aufzeigen.
Teil C. beschäftigt sich mit allen bisherigen und noch andauernden afrikanischen
UN-Friedensmissionen. Die Fallbeispiele werden unter den Gesichtspunkten der
Konfliktursache - Konfliktkonstellation, Mandatsgestaltung - Mandatsumsetzung,
sowie des operativen Verlaufs der Missionen aufgeschlüsselt. Jedes Fallbeispiel
soll durch eine Erfolgsbewertung der Friedensmission abgeschlossen werden.
In Teil D. soll eine analytische Zusammenfassung darüber gegeben werden,
inwieweit die jeweiligen Missionen als Erfolg oder Misserfolg zu werten sind. Es
folgt schließlich der Versuch einer Bilanz über die UN-Friedensmissionen in Afrika.
Bezüglich der Literaturlage sind folgende Bezugspunkte festzuhalten. Bei der
Darstellung der UN-Maßnahmen nach Kapitel VI und VII UN-Charta konnten
völkerrechtliche Standardwerke herangezogen werden (Graf Vitzthum 2001, Ipsen
3
Vgl. hierzu B.V.2.c.

9
1999). Zu den Kompetenzen der UN-Organe bezüglich von Peacekeeping (Löwe
1994). Für die Einordnung der UN-Friedensmissionen dienten im wesentlichen
(Klingenburg/Schnabel 1997, Freudenschuß 1993, auch Kühne 1993).
Bei den Fallbeispielen konnte bei den schon länger zurückliegenden Missionen auf
eine Reihe von Monographien zurückgegriffen werden wie bei Angola (James
1992), Mosambik (Berman 1996), Somalia (Bartl 1999, Rezwanian-Amiri 2000)
oder Ruanda (Strizek 1998, Hasenclever 2000). Zudem kamen für diese
Fallbeispiele Artikel aus Zeitschriften in Betracht (Der Überblick, Internationales
Afrikaforum, Vereinte Nationen) oder auch Aufsatzsammlungen
(Klingenburg/Ehrhart 1996, Matthies 1995 u. 1997, auch Pfetsch 1996). Allgemein
zu Peacekeeping in Afrika (Berman/Sams 2000), sowie zu den aktuellen
Friedensmissionen (Africa Recovery, der Überblick, Süddeutsche Zeitung, Vereinte
Nationen, und auch der Internetauftritt der UN).
B. Das System der kollektiven Sicherheit in den Vereinten Nationen
I. Begriff und Ausgestaltung
Das Prinzip der kollektiven Sicherheit stellt auf ein Verfahren ab, in dem die
Verletzung des Gewaltverbotes durch einen Staat alle übrigen Staaten zu einem
gemeinsamen Handeln gegen den Aggressor zusammenführt. So setzen sich die
Vereinten Nationen in Art. 1 Nr. 1 der Charta der Vereinten Nationen (CVN) das
oberste Ziel:
,,den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem
Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens
zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche
zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem
Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der
Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen;"
4
Als ,,wirksame Kollektivmaßnahmen" zur Wahrung des Weltfriedens und der
internationalen Sicherheit werden bestimmte Friedenssicherungsmechanismen
4
Art. 1 Nr. 1 Charta der Vereinten Nationen; vgl. Randelzhofer, Albrecht (Hrsg.): Völkerrechtliche
Verträge, 8. Aufl., Berlin 1998, S. 1-2. (Alle Artikel Zitate der UN-Charta sind dieser
Normensammlung entnommen).

10
angesehen. Diese werden, unter strikter Beachtung des Erstanwendungsverbotes
von Waffengewalt, einem potentiellen Aggressor, gleichwohl von außerhalb oder
innerhalb des Systems, als kollektive Macht der Mitgliedsstaaten
gegenübergestellt.
5
Es wird zudem in Art. 1 Nr. 1 CVN eine ,,friedliche"
Streitbeilegung unter der Beachtung der ,,Grundsätze der Gerechtigkeit und des
Völkerrechts" betont.
Das Handeln der Weltorganisation und ihrer Mitglieder, die sich von den Zielen des
Art. 1 CVN leiten lassen sollen, richtet sich nach den in Art. 2 CVN aufgeführten
Grundsätzen. So verpflichten sich die Mitgliedsstaaten internationale Streitigkeiten
mit friedlichen Mitteln beizulegen, Art. 2 Nr. 3 CVN. Zudem sollen die Mitglieder die
,,Androhung oder Anwendung von Gewalt" unterlassen, Art. 2 Nr. 4. Schließlich
ergibt sich für die UN-Mitglieder aus Art. 2 Nr. 5 CVN die rechtliche Verpflichtung
den Vereinten Nationen ,,jeglichen Beistand bei jeder Maßnahme, welche die
Organisation im Einklang mit dieser Charta ergreift" zu leisten.
6
Jeder Mitgliedstaat
ist insoweit rechtlich verpflichtet an kollektiven Maßnahmen teilzunehmen.
Im Folgenden werden kurz die Verfahren und Methoden der friedlichen
Streitbeilegung nach Kapitel VI CVN und die Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII
CVN dargestellt. Es soll damit die Abgrenzung zu den friedenssichernden
Missionen der Vereinten Nationen herausgestellt werden, die gelegentlich auch als
Kapitel VI ½
7
oder auch VI a
8
CVN bezeichnet werden, da sie in der UN-Charta
nicht explizit erwähnt werden.
II. Friedliche Beilegung von Streitigkeiten, Kapitel VI UN-Charta
Nach Art 2 Nr. 3 CVN sind internationale Streitigkeiten der UN-Mitgliedsstaaten
durch friedliche Mittel beizulegen. Somit werden in der Regel nur
Auseinandersetzungen zwischen Staaten von dem Gebot der friedlichen
5
Vgl. Fischer, Horst in: Ipsen, Knut: Völkerrecht, 4. Aufl., München 1999, S. 964.
6
Opitz, Peter J.: Das UN-System kollektiver Sicherheit, in: Opitz Peter J. (Koordination): Die
Vereinten Nationen, 3. Aufl., München 2000, S. 41.
7
Vgl. Schmidl, Erwin A.: Friedensoperationen, in: Volger, Helmut (Hrsg.): Lexikon der Vereinten
Nationen, München u.a. 2000, S. 155; ,,Erweitertes" sowie ,,robustes" Peacekeeping wurde teilweise
auch als ,,Kapitel VI ¾" bezeichnet, vgl. ders.: Im Dienste des Friedens. Die österreichische
Teilnahme an Friedensoperationen seit 1960, Graz 2001, S. 11.
8
Der damalige Generalsekretär Dag Hammarskjöld sprach sich insoweit dafür aus
Friedenssicherungsaktionen in ein Kapitel VI a UN-Charta einzuordnen. In systematischer Hinsicht
ist diese Einordnung zwischen Kapitel VI und VII UN-Charta zwar richtig, juristisch aber nicht
begründet, da es ein Kapitel VI a UN-Charta eben nicht gibt, vgl. Tomuschat, Christian: Die
Rechtslage für Peacekeeping-Einsätze nach der UNO-Charta, in: Koch, Ernst (Hrsg.): Die
Blauhelme. Im Einsatz für den Frieden, Frankfurt/M. 1991, S. 48.

11
Streitbeilegung erfasst. Streitigkeiten zwischen Staaten und Internationalen
Organisationen sind jedoch, ebenso wie Differenzen eines Staates mit de-facto
Regimes oder nationalen Befreiungsbewegungen, von der Pflicht zur friedlichen
Streitbeilegung ausgenommen. Es handelt sich dabei eben nicht um rein
innerstaatliche Konflikte, die zum Vorbehaltsbereich eines Staates gehören
9
,
sondern um Streitigkeiten eines Staates mit anderen Völkerrechtssubjekten.
10
Die Methoden und Verfahren friedlicher Streitbeilegung werden im Kapitel VI von
Art. 33 Abs. 1 CVN aufgelistet. Es sollen nun kurz die einzelnen Mittel
11
dargestellt
werden.
1. Beilegung durch diplomatische Verfahren
Darunter fallen Verhandlung, Untersuchung, Vermittlung
12
und Vergleich. Die
Konfliktparteien behalten bei diesen Verfahren die Kontrolle über den Konflikt und
können insoweit eingebrachte Lösungsvorschläge annehmen oder verwerfen.
In erster Linie werden Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien als
Lösungsmethode in Anspruch genommen. Da die Auseinandersetzungen unter
Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden können die souveränen Konfliktparteien
frei von externer Einflussnahme Verhandlungen durchführen.
Unter Mitwirkung Dritter stehen indes die Verfahren der Untersuchung, Vermittlung
und des Vergleichs. Durch die Beteiligung Dritter kann eine angespannte
Streitatmosphäre so positiv beeinflusst werden, dass eine Konfliktlösung möglich
9
Eine klare Abgrenzung zwischen internationalen und internen Konflikten lässt sich nicht eindeutig
ziehen, jedenfalls liegt dann ein internationale Streitigkeit vor wenn dem Staat ein
Völkerrechtssubjekt gegenübersteht, vgl. Schröder, Meinhard in: Graf Vitzthum, Wolfgang (Hrsg.):
Völkerrecht, 2. Aufl., Berlin 2001, S. 579-580.
10
,,Völkerrechtssubjekt" ist nur, wer ,,Träger völkerrechtlicher Rechte und/oder Pflichten ist, und
wessen Verhalten unmittelbar durch das Völkerrecht geregelt wird", vgl. Hailbronner, Kay, in: Graf
Vitzthum, a.a.O., S. 169.
So besitzen unbeschränkte Völkerrechtssubjektivität nur Staaten, die Träger sämtlicher
völkerrechtlicher Rechte und Pflichten sind. Beschränkte Völkerrechtssubjekte sind u.a. staatliche
Internationale Organisationen; Aufständische, wenn sie in einem Teil des Staatsgebietes die
effektive Herrschaft besitzen und damit ihre Position verfestigt haben; Befreiungsbewegungen, wenn
sie ein Mindestmaß an Organisation aufweisen und von der UNO oder Regionalorganisationen ihrer
Völker als legitime Vertreter des Volkes anerkannt werden; sowie De-facto Regimes, die
staatsähnliche Aufgaben erfüllen und sich gegenüber Dritten an das Gewaltverbot zu halten haben,
vgl. Hailbronner in: Graf Vitzthum, a.a.O., S. 170-180.
11
Den Konfliktparteien stehen zur friedlichen Streitbeilegung folgende Mittel zur Verfügung:
Verhandlung, Untersuchung, Vermittlung, Vergleich, Schiedsspruch, gerichtliche Entscheidung,
Inanspruchnahme regionaler Einrichtungen, Abmachungen oder andere friedliche Mittel eigener
Wahl, Art. 33 Abs. 1 CVN, vgl. Randelzhofer, a.a.O., S. 8.
12
In den Bereich der Vermittlung fallen auch die sog. ,,Guten Dienste", die in Art. 33 Abs. 1 CVN
nicht eigens erwähnt werden; dabei versucht eine dritte Partei die streitenden Beteiligten zur
Aufnahme von zuvor unterbrochenen Kontakten bzw. Wiederanbahnung von Verhandlungen zu
bewegen, vgl. Schröder in : Graf Vitzthum, a.a.O., S. 580 u. 582.

12
wird. Das Einverständnis der Streitparteien auf ihre alleinige Konfliktregelung zu
verzichten, ist Voraussetzung für diese Verfahrensarten.
13
2. Streitabschließende Entscheidungsverfahren
Bei einem Schiedsspruch sowie der Entscheidung eines internationalen Gerichtes
14
erklären sich die Parteien im voraus bereit das Urteil der streitentscheidenden
Instanz als bindend zu akzeptieren. Internationalen Gerichte sind ständige
Einrichtungen mit grundsätzlich feststehender Zuständigkeit und
Verfahrensordnung, die streitenden Parteien haben zudem keinen Einfluß auf
deren Zusammensetzung. Schiedsgerichte hingegen werden ad hoc für eine
bereits bestehende Streitigkeit und von den Konfliktparteien selbst eingesetzt.
15
Den beteiligten Staaten obliegt es also diese Mittel bzw. auch andere friedliche
Mittel eigener Wahl in Anspruch zu nehmen. Dennoch kann der Sicherheitsrat gem.
Art. 36 Abs. 1 CVN in jedem Stadium der Streitigkeit geeignete Verfahren und
Methoden für deren Bereinigung empfehlen, und auch selbst, auf Antrag der
Streitparteien, gem. Art. 38 CVN vermitteln.
16
III. Maßnahmen nach Kapitel VII UN-Charta
Kapitel VI CVN beschreibt Verfahren der friedlichen Streitbeilegung und betrifft jene
Situationen, bei denen eine lediglich mittelbare Friedensbedrohung
17
vorliegt, so
dass der Konflikt mit den aufgeführten präventiven Maßnahmen gelöst werden
kann.
13
Vgl. Schröder in: Graf Vitzthum, a.a.O., S. 581-583.
14
Zu den Schiedsgerichten zählt u.a. der auf den Haager Friedenskonferenzen von 1899 u. 1907
geschaffene und heute noch bestehende Ständige Schiedshof in Den Haag.
Zu den internationalen Gerichten gehört der Nachfolger des Ständigen Internationalen
Gerichtshofes
(StIGH), der Internationale Gerichtshof (IGH), welcher als
Hauptrechtsprechungsorgan der VN (Art. 92 CVN), über Rechtsstreitigkeiten zwischen
Mitgliedsstaaten entscheidet, vgl. Seidl-Hohenveldern Ignaz, Stein Torsten (Hrsg.): Völkerrecht, 10.
Auflage, Köln u.a. 2000, S. 340 ff..
15
Vgl. Schröder in: Graf Vitzthum, a.a.O., S. 583-585.
16
Falls der Sicherheitsrat, der die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens hat (Art. 24
CVN), die Kompetenzen nach Art. 36 Abs. 1 und Art. 38 CVN nicht wahrnimmt, hat auch die
Generalversammlung die Befugnis Lösungsvorschläge zur friedlichen Streitbeilegung vorzubringen.
So kann sie u.a. gem. Art. 11 Abs. 2 CVN die Angelegenheit erörtern und Empfehlungen abgeben,
vgl. Opitz: Die Vereinten Nationen, S. 42-43.
17
Friedlich sind Streitigkeiten beizulegen ,,deren Fortdauer geeignet ist, die Wahrung des
Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu gefährden", vgl. Art. 33 Abs. 1 CVN.

13
Die repressiven Maßnahmen sind indes im Kaptitel VII CVN geregelt. Ein
Aggressor, der durch sein Verhalten eine friedensbedrohende Situation
herbeigeführt hat, soll durch friedliche oder militärische Zwangsmaßnahmen zur
Abkehr von seinem Handeln veranlasst werden.
Ein Vorgehen der Vereinten Nationen gegen Rechtsbrecher wird jedoch durch die
fünf ständigen vetoberechtigten Sicherheitsratsmitglieder
18
relativiert. Da für die
Beschlussfassung des Sicherheitsrates vier Stimmen der nichtständigen und aller
fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder notwendig sind, Art. 27 Abs. 2 CVN.
1. Feststellung der Friedensbedrohung, Art. 39 CVN
Nach Art. 39 1 HS. CVN stellt der Sicherheitsrat fest, ob eine Friedensbedrohung
bzw. ein Friedensbruch oder eine Angriffshandlung vorliegt. Alle drei Begriffe
werden jedoch in der UN-Charta nicht definiert. Nur die Angriffshandlung fand 1974
eine Definition durch die Generalversammlung.
19
Dem Sicherheitsrat bleibt für die Feststellung einer Bedrohung des Friedens nach
Art. 39 CVN ein weiter Ermessensspielraum, der von Bürgerkriegssituationen in
einem Staat bis zu wirtschaftlichen Interventionen einer Staatengruppe reicht. Bis
1991 bezeichnete der Sicherheitsrat nur zwei Situationen als eine Bedrohung des
Friedens i.S.d. UN-Charta. 1966 bewertete er die internen Verhältnisse und
Handlungen des weißen Minderheitsregimes in Rhodesien
20
und 1977 die des
Apartheidregimes in Südafrika
21
als eine internationale Friedensbedrohung. Erst zu
Beginn der neunziger Jahre begann der Sicherheitsrat interne Situationen, wie
massive Menschenrechtsverletzungen und die Unterdrückung bestimmter
Völkerrechtsgruppen, unmittelbar als Bedrohung des Friedens zu bezeichnen. Aus
18
Nach Art. 24 Abs. 1 CVN sind dies China, Frankreich, Russland, Großbritannien und die USA.
19
Nach der Aggressionsdefinition der Vereinten Nationen vom 14.12.1974 zählen als
Angriffshandlungen die Beschießung oder Bombardierung des Hoheitsgebietes eines Staates durch
die Streitkräfte eines anderen Staates, ein Angriff eines Staates gegen die Land-, See- oder
Luftstreitkräfte oder die See- oder Luftflotte eines anderen Staates. Sowie Handlungsformen der
indirekten Aggression, wie die Entsendung bewaffneter Banden, Gruppen, Freischärler oder
Söldner in einen anderen Staat, um dort mit Waffengewalt Handlungen auszuführen. So verurteilte
der Sicherheitsrat als Aggressionshandlung die Interventionen Südafrikas in Angola, Mosambik oder
Namibia, vgl. Fischer in: Ipsen, a.a.O., S. 967, sowie Ansprenger, Franz: Politische Geschichte
Afrikas im 20. Jahrhundert, 2. Auflage, München 1997, S. 71ff..
20
Sicherheitsratsresolution (SR Res.) 221 v. 9.4.1966, in: VN, 2/1966, S. 68-69.
21
SR Res. 418 v. 4.11.1977: ,,The Security Council,...determines, having regard to the policies and
acts of the South African Government, that the acquisition by South Africa of arms and related
mat
riel constitutes a threat to the maintenance of international peace and security;", vgl.
www.un.org/documents/sc/res/1977/77r418e.pdf.

14
afrikanischer Sicht fielen darunter Somalia 1993, Ruanda 1994 und Sierra Leone
22
,
wo humanitäre Krisen als Friedensbedrohung angesehen wurden.
Ein Friedensbruch nach Art. 39 CVN liegt vor, wenn Kampfhandlungen zwischen
den Streitkräften zweier Staaten ausbrechen. Beispiele hiefür waren der
Falklandkonflikt und die irakische Invasion Kuwaits.
23
Sofern der Sicherheitsrat
nach Art. 39 CVN eine entsprechende Feststellung getroffen kann er Folgendes
unternehmen:
2. Vorläufige Maßnahmen, Art. 40 CVN
Noch vor der Abgabe von Empfehlungen nach Art. 39 CVN kann der Sicherheitsrat
die beteiligten Parteien auffordern, die von ihm für notwendig erachteten
vorläufigen Maßnahmen zu befolgen, Art. 40 Satz 1 CVN. Die Maßnahmen zur
Konfliktentschärfung richten sich danach, ob die vorliegende Situation als eine
Bedrohung, als ein Bruch des Friedens oder als eine Aggression eingestuft wird.
Als Handlungen können dies Aufforderungen zu einer Feuereinstellung oder zum
Rückzug von Truppenteilen sein, wie beispielsweise im ersten Golfkrieg 1987.
24
3. Empfehlungen und Entscheidungen, Art. 39 CVN
Falls der Sicherheitsrat die vorläufigen Maßnahmen zur Beilegung der
friedensgefährdenden Situation für nicht ausreichend hält, kann er Empfehlungen
abgeben. Da der Sicherheitsrat die rechtliche Verbindlichkeit der Empfehlungen
selbst festlegt, kann er bei Nichtbeachtung entscheiden welche Maßnahmen nach
Art. 41 und 42 CVN zur Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen
Sicherheit zu ergreifen sind.
22
Somalia: SR Res. 794 v. 3.12.1992: ,,Der Sicherheitsrat...feststellend, daß das Ausmaß der durch
den Konflikt in Somalia verursachten menschlichen Tragödie, die noch weiter verschärft wird durch
die Hindernisse, der Verteilung der humanitären Hilfsgüter in den Weg gelegt werden, eine
Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt," in: VN 2/1993, S. 65-66;
Ruanda: SR Res. 929 v. 22.6.1994 in: VN 4/1994, S. 153-154;
Sierra Leone: SR Res. 1132 v. 8.10.1997 vgl. www.un.org/Docs/scres/1997/9726713E.htm.
23
Falkland/Malvinas: SR Res. 502 v. 3 April 1982: ,,...Determining that there exists a breach of the
peace in the region of the Falkland Islands;", vgl. www.un.org/documents/sc/res/1982/82r502epdf.
Irak: SR Res. 660 v. 2.8.1990 vgl. www.un.org/Docs/scres/1990/660epdf.
24
SR Res. 598 v. 20.7.1987: ,,The Security Council...demands that...the Islamic Republic of Iran and
Iraq observe an immediate cease-fire, discontinue all military actions on land, at sea and in the air,
and withdraw all forces to the internationally recognized boundaries without delay;"
vgl. www.un.org/Docs/scres/1987/598e.pdf; sowie Fischer in: Ipsen, a.a.O., S. 967.

15
4. Nichtmilitärische Zwangsmaßnahmen, Art. 41 CVN
Um seinen Beschlüssen Wirksamkeit zu verleihen, kann der Sicherheitsrat
Zwangsmaßnahmen nicht-militärischer Art ergreifen, Art. 41 Satz 1 CVN. Eine nicht
abschließende Aufzählung wirtschaftlicher und diplomatischer
Sanktionsmaßnahmen findet sich in Art. 41 Satz 2 CVN.
25
Wirtschaftliche
Sanktionen wurden erstmals 1966 gegen Rhodesien
26
verhängt, in den neunziger
Jahren folgten weitere Sanktionsbeschlüsse nach Kapitel VII CVN u.a. gegen
Angola, Liberia und Somalia.
27
Nach Art. 25 CVN sind die Mitgliedsstaaten
verpflichtet, den Aufforderungen des Sicherheitsrates zu folgen.
28
5. Militärische Zwangsmaßnahmen, Art. 42 ff. CVN
Gelangt der Sicherheitsrat zu der Auffassung, dass Maßnahmen nach Art. 41 CVN
unzulänglich sind bzw. sich als unzulänglich erwiesen haben, kann er militärische
Sanktionsmaßnahmen durchführen, Art. 42 Satz 1 CVN.
29
Die Maßnahmen werden vom Sicherheitsrat selbst durchgeführt, wobei ihm die
Mitgliedsstaaten Streitkräfte zur Verfügung stellen, Art. 42 Satz 1 i.V.m. Art. 43 Abs.
1 CVN. Durch Sonderabkommen werden die nationalen Streitkräfte der
Mitgliedsstaaten dem Sicherheitsrat zur Verfügung und damit unter seinen Befehl
gestellt. Da diese Sonderabkommen nach Art. 43 CVN nie geschlossen wurden fällt
diese militärische Maßnahme des kollektiven Sicherheitssystems der UN aus.
30
Auch die Regelungen der Art. 44 bis 47 CVN blieben bisher ohne praktische
Bedeutung, da keine Sonderabkommen nach Art. 43 CVN geschlossen wurden.
25
Ausdrücklich werden in Art. 41 Satz 2 CVN genannt: Eine vollständige oder teilweise
Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen, des Eisenbahn-, See- und Luftverkehrs, der Post-,
Telegraphen- und Funkverbindungen sowie schließlich der Abbruch diplomatischer Beziehungen,
vgl. Randelzhofer, a.a.O., S. 10.
26
SR Res. 221 v. 9.4.1966: Unter anderem wurde Portugal aufgefordert kein Öl mittels einer
Pipeline nach Rhodesien zu fördern, vgl. www.un.org/documents/sc/res/1966/S66r221epdf.
27
Angola: Waffen- und Ölembargo gegen die UNITA, SR Res. 864 v. 15. 9.1993, vgl. VN 1/1994, S.
39-40.
Liberia: Waffenembargo, SR Res. 788 v. 19.11.1992, vgl. VN 3/1993, S. 117-118.
Somalia: Waffenembargo, SR Res. 733 v. 23.1.1992, vgl. VN 2/1993, S. 61-62.
28
Unser, Günther: Die UNO, Aufgaben und Strukturen der Vereinten Nationen, 6. Aufl., München
1997, S. 93-94.
29
Der Sicherheitsrat kann: ,,mit Luft-, See- oder Landstreitkräften die zur Wahrung oder
Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen
durchführen.", Art. 41 Satz 1 CVN.
30
Ein Problem zum Abschluss dieser Sonderabkommen liegt darin, dass die Abkommen von den
verfassungsrechtlich zuständigen Organen ratifiziert werden müssen, Art. 43 Abs. 3 Satz 2 CVN;
zudem besteht Disput über Truppenstärke und Stationierung der Streitkräfte, vgl. Schmahl, Stefanie:
Das Verfahren nach dem VII. Kapitel der UN-Satzung, in: Seidl-Hohenveldern, Ignaz: Vereinte
Nationen, Menschenrechte und Sicherheitspolitik- Völkerrechtliche Fragen zu internationalen
Konfliktbegrenzungen, München 1994, S. 168.

16
Als weitere Maßnahme stehen dem Sicherheitsrat die Ermächtigung von
Mitgliedsstaaten zur Durchführung seiner gefassten Beschlüsse zur Verfügung, Art.
48-49 CVN.
31
So autorisierte der Sicherheitsrat 1992 die USA ,,...alle erforderlichen
Mittel einzusetzen, um so bald wie möglich ein sicheres Umfeld für die humanitären
Hilfsmaßnahmen in Somalia zu schaffen".
32
Ein weiteres, auf derselben rechtlichen Grundlage stehendes Beispiel ist die
,,Operation Turquoise" bei der Frankreich in Ruanda zum Schutz von Flüchtlingen
und Vertriebenen intervenierte.
33
Zudem kann er nach Kapitel VIII UN-Charta regionale Abmachungen oder
Einrichtungen ,,zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen unter seiner Autorität" in
Anspruch nehmen, Art. 53 Abs. 1 CVN. Darunter ist beispielsweise die
Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU) zu zählen. Nach vorheriger
Genehmigung des Sicherheitsrates können diese regionalen Organisationen
militärische Zwangsmaßnahmen in einzelnen konkreten Fällen durchführen.
34
Die beiden angesprochenen Möglichkeiten (Art. 48/49 u. Art. 53 CVN) erwiesen
sich jedoch oftmals als schwierig und in ihrer Umsetzung als zu langsam, um einem
schnellen und wirksamen Handeln der Vereinten Nationen durch den
Sicherheitsrat, gem. Art. 24 CVN, gerecht zu werden. Zudem hatte der
Sicherheitsrat, beispielsweise bei seiner Resolution 678 zum zweiten Golfkrieg,
durch Übertragung des Kommandos an Mitgliedsstaaten, keine Leitungsfunktion
mehr wie es ursprünglich in der Charta konzipiert ist.
35
Aufgrund dieser Situation
regte der damalige Generalsekretär Boutros-Ghali den Sicherheitsrat an, Truppen
zur Friedensdurchsetzung (Peaceenvorcement) nach Art. 40 CVN als vorläufige
31
Für den Bereich des Kapitel VII UN-Charta wiederholt hier Art. 48 CVN die Verpflichtung der
Mitgliedsstaaten Beschlüsse des Sicherheitsrates durchzuführen, wie dies bereits in Art 25 CVN
festgelegt ist. Art. 49 CVN regelt die Beistandspflicht der Mitgliedsstaaten bei der Durchführung vom
Sicherheitsrat beschlossener Maßnahmen, vgl. Schmahl, a.a.O., S. 169-170.
32
Vgl. SR Res. 794 v. 3.12.1992, Ziffer 10, in: VN 2/1993, S. 66.
33
Der Sicherheitsrat ermächtigte den Mitgliedsstaat Frankreich nach Kapitel VII UN-Charta für
Flüchtlinge humanitäre Zonen einzurichten und die Verteilung von Hilfsgütern zu gewährleisten, vgl.
Ziffer 3 der SR Res. 929 v. 22.6.1994, in: VN 4/1994, S. 154.
34
Vgl. Bothe in: Graf Vitzhum, a.a.O., S. 637.
35
Vgl. die Sicherheitsratsresolution zum zweiten Golfkrieg 1991, SR Res. 678 v. 29.11.1990: Der
Sicherheitsrat ermächtigte hier unter dem Kapitel VII UN-Charta die Mitgliedsstaaten alle
erforderlichen Mittel einzusetzen, um den internationalen Frieden und Sicherheit in der Region
wiederherzustellen, vgl.
www.un.org/Docs/scres/1990/678e.pdf., sowie Unser, a.a.O., S. 95-96.

17
Maßnahme wie etwa zur Aufrechterhaltung von Waffenstillständen einzusetzen,
36
(vgl. B.V.1).
Bevor auf die einzelnen Arten und Kategorien von Peacekeeping
37
eingegangen
wird, sollen die organisatorischen ,,Schaltzentralen" für diese friedenserhaltenden
Operationen aufgezeigt werden, um den rechtlichen Ursprung von Peacekeeping in
der UN-Charta zu verdeutlichen.
IV. Rechtliche Grundlagen von Peacekeeping in der UN-Charta
1. Völkerrechtliche Einordnung von Peacekeeping
In der Generalversammlungs-Resolution 45/75 vom 11. Dezember 1990 heißt es in
der Präambel:
,,Convinced that the United Nations peace-keeping operations are an integral
component of enhancing the effectiveness of the United Nations in the
maintenance of international peace and security,"
38
Es wird also festgehalten, dass die Friedenssicherungseinsätze ein fester
Bestandteil zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit sind.
Umstritten ist jedoch die rechtliche Einordnung von Peacekeeping Operationen, da
die Resolutionen oftmals ohne Bezugnahme auf Kapitel VI oder VII erfolgen.
Ein Teil der Wissenschaft ordnet die friedenssichernden Missionen dem Kapitel VI
UN-Charta unter, da als Rechtsgrundlage nur Art. 29 und Art. 34 CVN in Frage
kommen. In Kapitel VI verdeutlicht Art. 34 Un-Charta insoweit, dass es sich bei
Peacekeeping nicht um Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII UN-Charta handeln
könne.
Ein anderer Teil der Wissenschaft subsumiert die Friedensmissionen unter Kapitel
VII UN-Charta, ohne dass sie jedoch Zwangsmaßnahmen darstellen würden.
Schließlich wird ein Kompromiss vorgeschlagen sowohl Kapitel VI als auch Kapitel
VII UN-Charta als Rechtsgrundlage anzusehen, da ja Peacekeeping je nach
Mandatslage beiden Kapiteln zuordenbar ist.
39
36
Vgl. Opitz, a.a.O., S. 45.
37
Zur Definition von ,,Peacekeeping" vgl. Fn. 33.
38
Generalversammlung Res. (G Res.): A/Res/45/75 v. 11.12.1990,
vgl. www.un.org/documents/ga/res/45/a45r075.htm.
39
Löwe, Volker: Peacekeeping-Operationen der UN- Aspekte einer Beteiligung der Bundesrepublik
Deutschland, Münster u. Hamburg 1994, S. 63-65.

18
Eine eindeutige rechtliche Einordnung kann jedoch dahingestellt bleiben, da eine
definitorische Eingliederung die jeweiligen Missionen in ihren Einsatzmöglichkeiten
beschränken würde und damit die Flexibilität bei der Mandatsvergabe verloren
ginge. Zudem ist Peacekeeping als völkerrechtlich unstrittiges Instrument der UNO
von allen Mitgliedsstaaten akzeptiert, vgl. Resolution 45/75.
40
2. Die Kompetenzen des Sicherheitsrates
Neben der Generalversammlung und dem UN-Sekretariat ist der Sicherheitsrat
eines der drei für Peacekeeping relevanten UN-Hauptorgane. Er setzt sich aus fünf
ständigen Mitgliedern (China, Frankreich, Großbritannien, Russland, USA) sowie
zehn nichtständigen Mitgliedern
41
zusammen, Art. 23 Abs. 1 CVN. Letztere werden
von der Generalversammlung für eine zweijährige Amtszeit gewählt, Art. 23 Abs. 2
CVN. Ihre Auswahl richtet sich in erster Linie nach ihrem Beitrag zur Wahrung des
Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, und wie sie zur Verwirklichung der
sonstigen Ziele der Vereinten Nationen beitragen. Zudem erfolgt die Auswahl nach
einem Regionalschlüssel.
42
Der Sicherheitsrat trägt innerhalb des UN-Systems die Hauptverantwortung für die
Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, Art. 24 Abs. 1 CVN.
43
Bei der Erfüllung seiner Pflichten hat er sich gem. Art. 24 Abs. 2 CVN an den
Kapiteln VI (friedliche Streitbeilegung), VII (Maßnahmen bei Friedensbedrohung,
Friedensbruch, Angriffshandlungen), VIII (Regionale Abmachungen) zu
orientieren.
44
Aus Art. 27 CVN ergibt sich ein Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder für alle
Entscheidungen. Darunter fallen alle materiellen Entscheidungsfragen (z.B.
Aufnahme neuer Mitglieder, Entscheidungen über Friedensoperationen) mit
Ausnahme von Verfahrensfragen, die einer Zustimmung von neun Mitgliedern
40
Vgl. Tomuschat in: Koch, a.a.O., S. 48-49.
41
Nichtständige Mitglieder: Bis 31.12.2002: Irland, Kolumbien, Mauritius, Norwegen, Singapur; bis
31.12.2003: Bulgarien, Guinea, Kamerun, Mexiko, Syrien, vgl. www.un.org/Docs/scinfo.htm.
42
Vgl. Art. 23 Abs. 1 Satz 2 CVN: Eine ,,angemessene geographische Verteilung der Sitze"
bedeutet, dass vereinbarungsgemäß fünf Sitze den afro-asiatischen Staaten, zwei den
lateinamerikanischen Staaten, einer den Staaten Osteuropas und zwei den Staaten Westeuropas
und Anderen zufallen, vgl. Opitz, a.a.O., S. 17.
43
Seine Aufgaben ergeben sich aus Art. 24 Abs. 1 CVN: ,,Um ein schnelles und wirksames Handeln
der Vereinten Nationen zu gewährleisten, übertragen ihre Mitglieder dem Sicherheitsrat die
Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit und
erkennen an, dass der Sicherheitsrat bei der Wahrnehmung der sich aus dieser Verantwortung
ergebenden Pflichten in ihrem Namen handelt."
44
Zum Inhalt der einzelnen Verfahren siehe B.II. u. III..

19
bedürfen, Art. 27 Abs. 2 CVN. Entgegen dem nicht eindeutigen Wortlaut des Art. 27
Abs. 3 CVN, der zwingend eine Zustimmung sämtlicher ständiger Mitglieder
verlangt, stellen Nichtteilnahme an der Sitzung, Nichtabstimmung oder Enthaltung
nach Praxis des Sicherheitsrates kein Veto dar, welches das Zustandekommen von
Beschlüssen verhindern könnte. Ein Beschluss im Sicherheitsrat kann also nur
durch ein ausdrückliche erklärtes Veto zum Scheitern gebracht werden. So konnte
auch 1950 der sowjetische Boykott einer Sicherheitsratsitzung die
Beschlussfassung nicht verhindern.
45
In der Vergangenheit ist das Vetorecht häufig
in Anspruch genommen worden. Zu Zeiten des Ost-West-Konfliktes legte vor allem
das Sicherheitsratsmitglied Sowjetunion sein Veto ein,
46
was schließlich zur
,,Uniting for Peace Resolution" führte.
Nach Art. 29 CVN kann der Sicherheitsrat Nebenorgane, wie Peacekeeping-
Einheiten einsetzen, wenn er dies für die Wahrnehmung seiner Aufgaben, wie die
Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, für erforderlich hält.
47
Das Mandat zu einer UN-Friedenstruppe bzw. UN-Beobachtern wird in der Regel
vom Sicherheitsrat mittels Resolution vergeben. Nur drei Mandate (UNEF I, UNSF,
ONUVEH) wurden bislang von der Generalversammlung erteilt.
48
3. Die Kompetenzen der Generalversammlung
Das UN-Plenum, in dem alle Mitgliedsstaaten eine Stimme haben (Art. 18 Abs. 1
CVN) hat, verglichen mit den weitreichenden sicherheitspolitischen Kompetenzen
des Sicherheitsrates nur eine untergeordnete Funktion durch die Art. 10, 11, 12
und 14 CVN. Nach Art. 10 CVN kann die Generalversammlung zwar alle zur
Wahrung des Friedens relevanten Fragen erörtern und zu diesen Fragen auch
45
Nach dem Angriff Südkoreas durch nordkoreanischer Truppen am 25.6.1950 wurde im
Sicherheitsrat eine Resolution (SR. Res. 82) verabschiedet, welche die Einstellung der
Kampfhandlungen und den Rückzug der Nordkoreaner forderte. Das SR-Mitglied der Sowjetunion
blieb der Sitzung, wegen der Anerkennung der Regierung der Chinesischen Republik auf Taiwan,
fern. Diese Abwesenheit wurde nicht als Ausübung des Vetorechts gewertet, so dass der Beschluss
ohne Gegenstimme (mit der Stimmenhaltung Jugoslawiens) gefasst wurde, vgl. Epping, Volker in:
Ipsen, S. 425; sowie www.un.org/documents/sc/res/1950/s50r82e.pdf.
46
Zwischen 1946 und 1990 wurden insgesamt 234 Vetos eingelegt: Sowjetunion (115), USA (69),
Großbritannien (30), Frankreich (18), China (2); danach bis ins Jahr 2000 insgesamt nur noch 8
Vetos, vgl. Klein Eckart in: Graf Vitzthum, a.a.O., S. 329.
47
Darunter fallen auch der Militärische Generalstabsausschuss, oder die ad hoc Tribunale in Den
Haag und Arusha, welche als Nebenorgane nach Art. 29 CVN, die Aufgabe des Sicherheitsrates zur
Wahrung des Weltfriedens mittels justizieller Aufarbeitung schwerer Verletzungen des humanitären
Völkerrechtes wahrnehmen, vgl. Arnold, Pascal: Der UNO-Sicherheitsrat und die strafrechtliche
Verfolgung von Individuen, Basel u.a. 1999, S. 73-74.
48
UNEF I: (1. UN Emergency Force); Ägypten/Israel; 1956-1967. UNSF: (UN Security Force in West
Guinea/West Irian); Neu-Guinea; 1962-1963; ONUVEH: (UN Observer Group for the Verification of
the Elections in Haiti); 1990-1991, vgl. Ehrhard/Klingenburg, a.a.O., S. 30-35.

20
Empfehlungen an den Sicherheitsrat und Mitgliedsstaaten richten. Aber gem. Art.
11 i.V.m. Art. 12 Abs.1 CVN nur subsidiär zum Sicherheitsrat, solange sich dieser
nicht damit befasst. Die Empfehlungsberechtigung der Generalversammlung für
Maßnahmen der friedlichen Streitbeilegung nach Art. 14 CVN, wird ebenfalls durch
die Art. 11 i.V.m. 12 Abs. 1 CVN beschränkt. Nach Art. 18 Abs. 2 CVN kann die
Generalversammlung, mit Zwei-Drittel-Mehrheit der anwesenden und
abstimmenden Mitglieder, über Empfehlungen zur Wahrung des Weltfriedens und
der internationalen Sicherheit Beschlüsse fassen. Die bindende Wirkung von
Beschlüssen bleibt indes dem Sicherheitsrat vorbehalten.
49
Eine politische Aufwertung erfuhr die Generalversammlung durch die ,,Uniting for
Peace" Resolution im Jahre 1950. Aufgrund der sowjetischen Blockadepolitik im
Sicherheitsrat nach Ausbruch des Koreakrieges im Juni 1950, kam es am 3.
November 1950 zur Verabschiedung der Resolution 377. Die von den USA initiierte
Resolution sah vor, dass bei einer akuten Krisensituation sowie bei Unstimmigkeit
unter den ständigen Sicherheitsratsmitgliedern, so dass der Sicherheitsrat seiner
Hauptverantwortung für die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der
Sicherheit nicht wahrzunehmen vermag, die Generalversammlung die
Angelegenheit unverzüglich beraten und den Mitgliedsstaaten Empfehlungen für
Kollektivmaßnahmen geben kann.
50
Die Generalversammlung sollte also zur Sicherung des Weltfriedens handeln, wenn
der Sicherheitsrat seiner Primärverpflichtung, wegen des häufigen sowjetische
Vetorechtsgebrauchs, nicht nachkommen kann. Begründet wurde diese bis heute
umstrittene Resolution mit dem Erörterungsrecht der Generalversammlung nach
Art. 10 CVN und mit Art. 24 CVN, der dem Sicherheitsrat zwar die
Hauptverantwortung aber nicht das ausschließliche Recht gewährt, den Weltfrieden
zu wahren. Aufgrund dieser Resolution kann die Generalversammlung, um ein
49
Hahlbohm, Dörte: Peacekeeping im Wandel, Frankfurt/M. 1993, S. 31-33.
50
Generalversammlung Res. (GA Res.) 377 v. 3.11.1950: ,,The General Assembly...resolves that if
the Security Council because of lack of unanimity of the permanent members fails to exercise its
primary responsability for the maintenance of international peace and security in any case, where
there appears to be a threat to the peace or act of aggression, the General Assembly will consider
the matter immediately with a view to making appropriate recommendations to the members for
collective measures, including in case of breach of the peace or act of aggression, the use of armed
force when necessary to maintain and restore international peace and security, vgl. www.palestine-
un.org/tenth/intro2.html.

21
schnelles Eingreifen in Konflikte zu gewährleisten, zu Notstandssondertagungen
(Emergency Special Sessions) binnen 24 Stunden einberufen werden.
51
Realpolitisch ist diese Resolution jedoch obsolet, da sich schon bald nach
Verabschiedung der Resolution alle ständigen Ratsmitglieder der Vorzüge ihres
Organs beim Peacekeeping besannen. Denn nur im Sicherheitsrat besitzen sie ein
Vetorecht, zudem führte das starke Anwachsen der UN-Mitgliederzahl zu einem
Verlust der Einflussnahme durch die Großmächte bzw. Machtblöcke in der
Generalversammlung.
52
4. Die Rolle des Special Commitee on Peacekeeping Operations
Dieser Peacekeeping-Sonderausschuss, wegen seiner ursprünglich 34 Mitglieder
,,C-34" genannt,
53
wurde im Zuge der UN-Mission im Kongo 1965 eingerichtet.
54
Die Aufgabe dieses Komitees besteht darin, bei den UN-Mitgliedern einen
möglichtst breiten Konsens für Peacekeeping zu schaffen, indem die
Voraussetzungen für friedenserhaltende Operationen definiert werden. Bei einer
Reihe von Streitpunkten über die Funktion und Kompetenzverteilung bei UN-
Missionen konnte durch den Ausschuss eine Lösung gefunden werden. Umstritten
war beispielsweise die konkrete Zuständigkeit des Generalsekretärs für
Peacekeeping. Im Peacekeeping-Sonderauschuss wurde schließlich der informelle
Kompromiss gefunden, dass der Generalsekretär die Zusammenstellung der
Missionstruppe festlegt und den Kommandeur vorschlägt.
55
In diesem Zusammenhang nimmt die Peacekeeping-Abteilung (DPKO), als
Führungs- und Kommandoeinheit für die UN-Friedenssicherung, eine
herausragende Stellung ein. Ein Beispiel für die Leistungsfähigkeit des DPKO war
1998 die UN-Mission in die Zentralafrikanische Republik (MINURCA). So hat die
Peacekeeping-Abteilung ein Konzept zur Truppenbereithaltung (,,Stand-by Forces
Concept") erarbeitet. Hierbei informieren die UN-Mitgliedstaaten das DPKO über
solche Truppenteile, die für Friedensmissionen verfügbar sind. Da Daten, wie Art
51
Diese Möglichkeit wurde in der Vergangenheit einige Male genutzt: 1956- Suez-Krise; 1980-
Russischer Einmarsch in Afghanistan, vgl. Epping in: Ipsen, a.a.O., S. 420.
52
Vgl. Tomuschat in: Koch, a.a.O., S. 49; sowie Löwe, a.a.O., S. 48.
53
Vgl. Kühne, Winrich: Der Brahimi-Report ­ ein Jahr später, in: SWP-Aktuell, 13/01 September
2001, S. 2. Teilweise wird der Ausschuss auch ,,Komitee der 33", wobei hier China nicht mitgezählt
wurde, dass erst 1988 dem Sonderausschuss beitrat, vgl. Keil, Imke/Lobner, Sabine: UNO ­
Weltpolizei auf dem Prüfstand, Münster u. Hamburg 1994; sowie Bardehle: Internationale
Konsensbildung, S. 40.
54
Das ,,Special Commitee on Peacekeeping Operations" wurde am 18.11.1965 von der
Generalversammlung eingerichtet, vgl. www.un.org/Depts/dpko/dpko/ctte/CTTEE.htm.
55
Vgl. Bardehle: Internationale Konsensbildung, S. 41.

22
und Stärke der Einheiten, Ausrüstungsstand, Vorlaufzeiten und dergleichen ständig
gespeichert und aktualisiert werden, wird die Planung und Einsatzvorbereitung des
DPKO erheblich verkürzt. Im o.g. Fall konnte bereits 19 Tage nach
Resolutionsverabschiedung die Einsatzbereitschaft eines Großteils der Truppe in
der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui gemeldet werden.
56
In diesem Zusammenhang sei der im August 2000 von der sogenannten Brahimi-
Kommission vorgelegte Bericht angesprochen. Eine zentrale Forderung des
Reports zur Verbesserung von Friedenseinsätzen ist die personelle und finanzielle
Aufstockung der Mittel für diese Peacekeeping-Abteilung. Die damit aufgewertete
Führungsabteilung könnte mit ihrer Planungs-, Führungs- und
Unterstützungsfunktion die Peacekeeping Einsätze erheblich verbessern.
57
5. Die Rolle des Military Staff Committee
In seiner ersten Resolution 1946 setzte der Sicherheitsrat den Militärischen
Generalstabsausschuss (Military Staff Committee) ein. Gem. Art. 29 CVN ist er ein
Hilfsorgan des Sicherheitsrates. Der Generalstabsausschuss soll den Sicherheitsrat
in allen Fragen beraten und unterstützen, Art. 47 Abs. 1 CVN.
58
Unter der Autorität
des Sicherheitsrates ist der Ausschuss für die strategische Leitung aller dem
Sicherheitsrat zur Verfügung gestellten Streitkräfte verantwortlich, Art. 47 Abs. 3
CVN. Nach Art. 47 Abs. 2 CVN besteht der Ausschuss aus den Generalstabschefs
der fünf ständigen Mitglieder.
Während des Kalten Krieges spiegelten sich die Spannungen zwischen den
Großmächten insbesondere auch im Generalstabsausschuss wieder. Wegen
derselben Machtverteilung wie im Sicherheitsrat konnte der Ausschuss kaum eine
eigenständige Beraterfunktion erfüllen. So trafen sich die Vertreter der
Generalstabschefs zwar regelmäßig, aber vertagten sich mangels Tagesordnung
bereits nach wenigen Minuten wieder. Der Ausschuss, als einziges Hilfsorgan der
Hauptorgane in der UN-Charta erwähnt, hat also weniger eine praktische sondern
eher eine theoretische Funktion in dem UN-System kollektiver Sicherheit. Die
56
Vgl. Volger: Lexikon der Vereinten Nationen, a.a.O., S. 162-163.
57
Kühne, Winrich: Der Brahimi-Report ­ ein Jahr später, S. 1-2. Die weiteren Forderungen des
Brahimi-Reports werden im Lauf der Arbeit noch angesprochen;
der gesamte Report ist unter www.un.org/reports/peace_operations/docs/full_report.htm. einsehbar.
58
Die Unterstützungs- und Beratungstätigkeit bezieht sich auf alle Fragen des Sicherheitsrates,
welche seine militärischen Bedürfnisse zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen
Sicherheit, den Einsatz und die Führung der ihm zur Verfügung gestellten Streitkräfte, die
Rüstungsregelung und eine etwaige Abrüstung betreffen, Art. 47 Abs. 1 CVN.

23
relative Bedeutungslosigkeit der Kommission trägt der Tatsache Rechnung, dass
eine militärische Konfliktlösung nicht mehr allein Aufgabe der Großmächte ist,
sondern dass die UN-Konflikt- und Krisensteuerung stärker kleinere Staaten
einbindet. Insoweit stellt die Nichtumsetzung des Art. 47 CVN eine wesentliche
Begünstigung der Entwicklung von UN-Peacekeeping als ein Element kollektiver
Sicherheit dar.
59
6. Die Kompetenzen des Generalsekretärs
Der Generalsekretär steht als höchster Verwaltungsbeamter der Vereinten
Nationen an der Spitze des Sekretariats, Art. 97 CVN. In dieser Funktion nimmt er
an den Sitzungen der Generalversammlung, des Sicherheitsrats, des Treuhandrats
und des Wirtschafts- und Sozialrats teil und übernimmt auch alle sonstigen von den
Organen zugewiesenen Aufgaben wahr, Art. 98 CVN. Falls er eine
Friedensgefährdung feststellt hat er die Befugnis den Sicherheitsrat auf diese
Situation aufmerksam zu machen, Art. 99 CVN. Daraus wird das Recht des
Generalsekretärs abgeleitet eigene diplomatische Initiativen zu ergreifen. So kann
er den Streitparteien seine Vermittlungsdienste anbieten, Sonderbotschafter
entsenden oder Tatsachenermittlungsgruppen und Untersuchungskommissionen
einsetzen.
60
So wurde beispielsweise 1999 der Carlsson-Bericht im Auftrag des
Generalsekretärs Kofi Annan erstellt. Eine Untersuchungskommission sollte, unter
Leitung des ehemaligen schwedischen Ministerpräsidenten Ingvar Carlsson, die
Rolle der UN-Friedenstruppen bei dem ruandischen Genozid 1994 klären.
61
Dieses über die reine Information des Sicherheitsrats hinausgehende Initiativrecht
war früher jedoch umstritten. Bei der Kongo-Mission forderte die Sowjetunion im
September 1960 die Ablösung des damaligen Generalsekretärs Dag Hammarskjöld
durch ein drei Personen umfassendes Exekutivorgan. Dadurch sollte die angeblich
pro-westliche Kongopolitik Hammarskjölds beendet und eine stärkere
Einflussnahme auf das UN-Sekretariat möglich werden. Die Sowjetunion konnte
sich mit ihrer Forderung jedoch nicht durchsetzen, zudem nahmen die
59
Vgl. Löwe, a.a.O., S. 45-46.
60
Vgl. Löwe, a.a.O., S. 49.
61
Auf diesen Punkt wird noch im Fallbeispiel der Ruanda-Friedensmission (UNAMIR) eingegangen,
vgl. Strizek, Helmut: Der Völkermord, den man hätte stoppen können, in: Internationales Afrikaforum
(IAF), 2/2001, S. 155.

24
Hammarskjöld nachfolgenden Generalsekretäre für sich in Anspruch eigenständig
diplomatische Initiativen gem. Art. 99 CVN zu ergreifen.
62
V. Arten von UN Friedensmissionen
1. Begriffliche Einordnung von Peacekeeping
63
Seit Ende des Kalten Krieges stieg die Zahl von UN Friedensmissionen sprunghaft
an. Im Vordergrund der UN Einsätze stand nicht mehr die Friedenssicherung in
zwischenstaatlichen Konflikten (interstate conflicts), sondern das Peacekeeping in
zahlreichen innerstaatlichen Konflikten (intra-state conflicts). Diese quantitative und
qualitative Erscheinung charakterisierte Generalsekretär Boutros-Ghali: ,,Ohne
Übertreibung lässt sich feststellen, dass es heutzutage ebenso viele Arten von
Friedensoperationen gibt wie Arten von Konflikten."
64
Ebenso stieg auch die Anzahl der Bezeichnungen und Definitionen für die UN-
Friedensmissionen. Zur Abgrenzung der Maßnahmen kann der 1992 von Boutros-
Ghali vorgelegte Report unter dem Titel ,,Agenda für den Frieden"
65
herangezogen
werden, indem erstmals die, seit geraumer Zeit benutzten, englischen Begriffe
,,Preventive Diplomacy", ,,Peacemaking", ,,Peacekeeping" und ,,Peacebuilding"
definiert wurden.
66
Diese friedlichen Maßnahmen der UN-Friedenssicherung
werden, falls die erhoffte Gewaltvorbeugung bzw. Gewalteindämmung nicht eintritt,
durch ,,Peaceenforcement" erweitert.
- Preventive Diplomacy (Vorbeugende Diplomatie): Ziel der Maßnahmen ist es
das Entstehen von Streitigkeiten zwischen einzelnen Parteien zu verhüten,
die Eskalation bestehender Streitigkeiten zu Konflikten zu verhindern und
diese nach einem eventuellem Ausbruch einzugrenzen. Mittel dazu sind
Vertrauensbildung und Tatsachenermittlung durch den Generalsekretär, den
62
Volger, Helmut: Geschichte der Vereinte Nationen, München u.a. 1995, S. 115; sowie Bardehle:
Internationale Konsensbildung, S. 40-41.
63
Übersetzt wird ,,Peacekeeping" mit Begriffen wie ,,Friedenswahrung", Friedensbewahrung",
Friedenserhaltung", Friedenssicherung" oder ,,Blauhelmeinsätze", vgl. Ehrhart, Hans-
Georg/Klingenburg, Konrad: Was heißt Peacekeeping?, in: Dies.: UN-Friedenssicherung 1985-1995,
1. Auflage, Baden-Baden 1996, S. 25.
64
Vgl. Boutros-Gali in seinem Jahresbericht 1993, Dokument A/48/1 bei der DGVN, zit. nach Unser,
a.a.O., S. 107.
65
Vgl. dazu auch Abb. 18 im Anhang, Seite XVII.
66
Die Definitionen der Begriffe befinden sich unter Punkt 20 des Berichtes: An Agenda for Peace,
Preventive diplomacy, peacemaking and peace-keeping. Report of the Secretary-General pursuant
to the statement adopted by the Summit Meeting of the Security Council on 31 January 1992.
A/47/277-S/24111, 17 June 1992, vgl. www.un.org/Docs/SG/agpeace.html.

25
Sicherheitsrat oder die Generalversammlung. Ferner gehört dazu die
Zusammenarbeit mit den UN-Sonderorganisationen und
Regionalorganisationen die gemeinsam ein Frühwarnsystem bilden.
Schließlich werden auch vorbeugende Einsätze und entmilitarisierte Zonen
als Instrumente der Vorbeugenden Diplomatie angesehen.
67
- Peacemaking (Friedensschaffung): Bei diesem Verfahren sind die
feindlichen Parteien durch friedliche Mittel nach Kapitel VI UN-Charta zu
einer Einigung zu bringen. Vornehmlich ist Peacemaking dem politisch-
diplomatischen Bereich zuzurechnen.
68
- Peacekeeping (Friedenssicherung): Nach der UN-offiziellen Bestimmung ist
Peacekeeping die Errichtung einer Präsens der Vereinten Nationen vor Ort
mit der Zustimmung aller beteiligten Parteien. Daran beteiligt sind in der
Regel Militär- bzw. Polizeikräfte sowie oftmals Zivilpersonal. Die
Friedenssicherung erweitert noch die Möglichkeiten sowohl für eine
Konfliktverhütung als auch Friedensschaffung.
69
- Peacebuilding (Friedenskonsolidierung): Ziel ist die Stabilisierung eines
geschlossenen Friedens durch Kooperationsprojekte, um nicht nur zur
wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung beizutragen sondern auch das
Vertrauen von ehemaligen Feinden zu vergrößern. Jedenfalls soll ein
Rückfall in den Konflikt vermieden werden.
70
- Peaceenvorcement (Friedenserzwingung): Falls friedliche Maßnahmen
scheitern sollten, können militärische Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII
Un-Charta ergriffen werden, um den Weltfrieden und die internationale
Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen. Bei Truppen der
Friedenserzwingung bzw. Friedensdurchsetzung handelt es sich weder um
Streitkräfte nach Art. 43 CVN, noch um Einheiten zur Durchführung von
67
Vgl. Fn. 17, Punkt 23-33 des Berichtes; sowie Bardehle, Peter, in: Vereinte Nationen (VN) 5/1992,
40. Jg., S. 166.
68
Vgl. Fn. 17, Punkt 34-40 des Berichtes; sowie Bardehle, ebd., S. 166-167.
69
Vgl. Fn. 17, Punkt 20 des Berichtes. Aufgrund der Tatsache das Peacekeeping auch ohne
Beteiligung der UN durchgeführt wurde, z.B. in der Dominikanischen Republik 1965 oder Rhodesien
1980-1982, ließ Bardehle schon 1991 zu seiner Definition von Peacekeeping kommen:
,,Peacekeeping ist die friedliche Intervention Dritter in einem potentiell internationalen Konflikt mit
dem Konsens aller Beteiligten, vor allem der Streitparteien selbst. Die friedliche Intervention besteht
aus dem Einsatz von Militär oder Polizei, die mit friedlichen Mitteln nach einer zuvor geschlossenen
Waffenruhe weitere Gewalttätigkeiten im Konfliktgebiet unterbinden sollen, um eine friedliche
Konfliktlösung zu ermöglichen". Vgl. Bardehle, Peter: Internationale Konsensbildung, Baden-Baden
1991, S. 20.
70
Vgl. Fn. 17, Punkt 55-59 des Berichtes; sowie Bardehle, in VN 5/1992, S. 166.

26
friedensstiftenden Maßnahmen. Die Truppen werden als sogenannte
vorläufige Maßnahmen nach Art. 40 CVN zur Wiederherstellung oder
Aufrechterhaltung einer Waffenruhe eingesetzt. Die setzen sich aus
Freiwilligen, die stets abrufbar sind, zusammen, sind schwerer bewaffnet als
Friedenstruppen und umfassend durch ihre nationalen Streitkräfte
ausgebildet. Dem UN-Generalsekretär unterstellt, werden sie durch
Ermächtigung des Sicherheitsrates zu den jeweiligen Missionen entsandt.
71
Die dargestellte Typisierung spiegelt die bisherigen Formen von Peacekeeping
wieder. Eine starre Einteilung und Trennung der Maßnahmen kann der Vielfältigkeit
der jeweiligen Friedensmissionen aber nicht gerecht werden. Sie stellen vielmehr
ein Kontinuum mit fließenden Übergängen dar. So kann ein Lösungsversuch von
jeweils unterschiedlichen Konflikten nur mit Friedensoperationen erfolgen, deren
Mittel und Komponenten sich ergänzen.
Seit dem ersten Friedenssicherungseinsatz, der Überwachung des
Waffenstillstandes in Palästina (UNTSO) im Jahre 1948,
72
werden bis heute 54 UN-
Friedensmissionen gezählt, die in drei Generationen eingeteilt werden können. Im
Folgenden sollen die Kategorien, die sich nicht immer eindeutig voneinander
abgrenzen lassen, mit afrikanischen Missionsbeispielen dargestellt werden.
Gleichzeitig soll damit auch die Problematik angesprochen werden, die unter Punkt
C. anhand von Fallbeispielen behandelt wird, ob die jeweiligen UN-
Friedensmissionen für die Lösung der entsprechenden Konflikte angemessen
waren.
2. Kategorien friedenssichernder Operationen
Die UN-Friedensmissionen werden zum Großteil in der Literatur und von den
Vereinten Nationen selbst in drei Generationen eingeteilt.
73
Zwischen den drei
71
Vgl. Fn. 17, Punkt 44-45 des Berichtes; sowie Bardehle, in: VN 5/1992, S. 166-167.
72
Nachdem es zu einem Krieg zwischen arabischen Staaten und Israel gekommen war, schlug der
damalige UN-Generalsekretär Trygve Lie die Friedensmission UNTSO (United Nations Truce
Supervision Organisation) vor. Zwischen Israel und Palästina wurde im Juni 1948 eine
Feuereinstellung (truce) vereinbart, so dass genau genommen nicht einmal von einen
Waffenstillstand gesprochen werden kann, vgl. Ansprenger, Franz: Blauhelme- Markenzeichen und
Alpdruck der Vereinten Nationen, in: Hüfner, Klaus (Hrsg.): Die Reform der Vereinten Nationen,
Opladen 1994, S. 56.
73
Vgl. u.a.: Freudenschuß, Helmut: Drei Generationen von Friedensmissionen der Vereinten
Nationen: Stand und Ausblick, in: Österreichisches Jahrbuch für Internationale Politik, (10. Jg.),
Wien 1993, S. 46-68; Klingenburg, Konrad/Schnabel, Albrecht: Quo Vadis Peacekeeping? Hamburg

27
Generationen gibt es teilweise auch Überschneidungen der Maßnahmen, die dann
gesondert mitbehandelt werden. So sind zu unterscheiden:
a. UN-Friedensmissionen der ersten Generation
Die Friedensmissionen der ersten Generation werden auch als traditionelle bzw.
klassische UN-Missionen bezeichnet. Als deren Hauptaufgaben werden
unterschieden: ,,observing the peace (i.e., monitoring and reporting on maintenance
of cease-fires): and keeping the peace (i.e., providing an international buffer
between belligerents and establishing zones of disengagement)"- also
Beobachtermissionen und Friedenssicherung im engeren Sinne.
74
Im Allgemeinen können jedoch folgende Aufgaben unterschieden werden:
- Beobachtung und Überwachung von bereits eingetretenen
Waffenstillständen.
- Pufferbildung bei zwischenstaatlichen Konflikten.
- Konsens der am Konflikt beteiligten Parteien über Art und Umfang der
Mandatsausübung. Das Mandat selbst ist in der Regel klar, durchführbar und
relativ leicht zu erfüllen.
75
- Gewaltanwendung und Waffengebrauch nur zur Selbstverteidigung. Daraus
ergibt sich auch die nur leichte Bewaffnung der Truppe.
- Konsequente Neutralität der UN-Soldaten.
- Freiwillige Entsendung der Soldaten durch die Mitgliedsstaaten, zum
Großteil aus kleinen neutralen Staaten.
- Eindeutige Unterstützung durch den Sicherheitsrat.
76
1997, S. 18 ff.; Hillen, John: Blue Helmets: The strategy of UN Military Operations, Washington u.
London 1998, S. 79 ff.; sowie Unser, a.a.O., S. 107-109.
Eine andere Einteilung unternimmt Ansprenger, der zwischen vier Formen unterscheidet: Typ A-
Stolperdraht-Modell, Typ B- Stabilisator-Modell, Typ C- Entkolonisierungs-Modell und Mischformen
aus den Genannten, vgl. ders.: Blauhelme - Markenzeichen und Alpdruck der Vereinten Nationen,
in: Hüfner, a.a.O., S. 59-68.
74
Weiss, Thomas G.: Problems for Future U.N. Military Operations in "Agenda for Peace", in:
Kühne, Winrich: Blauhelme in einer turbulenten Welt, a.a.O., S. 179.
75
Klingenburg/Schnabel, a.a.O., S. 21; Ausnahmen bilden indes die noch andauernden Missionen
im Mittleren Osten: UNTSO (UN Truce Supervision Organization) seit Juni 1948 oder im Libanon
UNIFIL (UN Interim Force in Lebanon) seit März 1978. Die Erfüllbarkeit mangelt aber eher an der
Haltung der Parteien als am konkreten UN-Mandat, vgl. Freudenschuß: Drei Generationen von
Friedensmissionen der Vereinten Nationen: Stand und Ausblick, a.a.O., S. 46.;
sowie www.un.org/Depts/dpko/dpko/cu_mission/body.htm.
76
Kühne, Winrich: Völkerrecht und Friedenssicherung in einer turbulenten Welt: Eine analytische
Zusammenfassung der Grundprobleme und Entwicklungsperspektiven, in: Ders.: Blauhelme in einer
turbulenten Welt, a.a.O., S. 51; Freudenschuß, a.a.O., S. 46-48.

28
Aus afrikanischer Sicht können zu den Beobachtermissionen gezählt werden:
UNAVEM (UN Angola Verification Mission), I (1988-1991), Überwachung des
Rückzugs kubanischer Truppen, und II (1991-1995), Verifikation eines
Friedenabkommens zwischen Regierung und UNITA, wegen u.a. der Überwachung
und Verifikation von Wahlen kann UNAVEM II auch zu den Friedensmissionen der
zweiten Generation gerechnet werden, vgl. B.V.2.b..
MINURSO (UN Mission for the Referendum in Western Sahara), seit 1991;
aufgrund der Referendumsdurchführung kann MINURSO auch zur zweiten
Generation gezählt werden. Ebenso kann die Beobachtermission in Liberia
UNOMIL (UN Observer Mission in Liberia), 1993-1997, aufgrund der Durchführung
und Überwachung von Wahlen, sowie humanitären Hilfsmaßnahmen in die zweite
Generation eingeteilt werden, vgl. B.V.2.b..
UNOMUR (UN Observer Mission Uganda-Rwanda), 1993-1994.
UNASOG (UN Aouzou Strip Observer Group), 1994.
77
Zu den traditionellen Missionen der Friedenssicherung in Afrika kann ferner
zugeordnet werden:
Die UN-Mission in der zentralafrikanischen Republik MINURCA (UN Mission in
Central African Republic), 1998-2000, konnte aufgrund der Konfliktkonstellation als
ein traditioneller Blauhelmeinsatz durchgeführt werden..
b. UN-Friedensmissionen der zweiten Generation
Während die Peacekeeping-Missionen der ersten Generation im Hinblick auf die
Konfliktlösung relativ statisch sind, werden die Missionen der zweiten Generation in
ihrem Aufgabenspektrum erweitert. So sind sie einerseits dynamisch bezüglich
eines im Einsatz angelegten Prozesses zur Konfliktlösung und andererseits durch
ihren multidimensionalen Charakter auf zivile Komponenten, je nach konkreter
Konfliktsituation, erweiterbar.
Erst nach Ende des Kalten Krieges konnte im Sicherheitsrat nicht nur über
Waffenstillstände entschieden werden, sondern auch Resolutionen zu
Konfliktlösungen verabschiedet werden, ohne das Veto der einen oder anderen
Großmacht hervorzurufen.
77
Vgl. Hillen, a.a.O., S. 21; sowie Klingenburg/Schnabel, a.a.O., S. 20-25.

29
Die Aufgaben des traditionellen Peacekeeping werden durch folgende, zum Teil
nichtmilitärische, Komponenten erweitert:
- Rückführung und Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen.
- Organisation, Absicherung und Bereitstellung humanitärer Hilfe.
- Schutz und Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung bis hin zur
teilweisen oder völligen Übernahme von Polizei-, Verwaltungs- und
Rechtspflegeaufgaben.
- Überwachung der Konfliktparteien bei der Einhaltung von Menschenrechten.
- Beobachtung, Verifikation, Kontrolle und Organisationsunterstützung bei der
Durchführung demokratischer Wahlen oder Referenden.
- Entwaffnung, Zusammenfassung und Demobilisierung der Truppenteile der
Streitparteien.
- Minenräumung.
- Aufbau neuer Streitkräfte.
78
Als bereits abgeschlossene afrikanische UN-Missionen können der zweiten
Generation zugerechnet werden:
In Namibia die UNTAG (UN Transition Assistance Group), 1989-1990; u.a. Aufsicht
und Kontrolle von Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung.
UNAVEM II, und III (1995-1997); u.a. Vermittlung zwischen den Konfliktparteien,
Überwachung und Verifizierung der Ausweitung staatlicher Verwaltung,
Koordinierung humanitärer Hilfe.
UNOSOM I (UN Operation in Somalia), 1992-1993, u.a. Überwachung einer
Waffenruhe und Schutz humanitärer Güter.
ONUMOZ (UN Operation in Mozambique), 1992-1994; u.a.
Truppendemobilisierung, Überwachung der Sammlung und Zerstörung von Waffen,
Koordination humanitärer Hilfsmaßnahmen.
UNAMIR (UN Assistance Mission for Rwanda), 1993-1994;
Waffenruheüberwachung, Hilfeleistung bei der Wiederaufnahme humanitärer Hilfe.
UNOMIL in Liberia; sowie die noch andauernde Mission MINURSO in der
Westsahara.
79
78
Klingenburg/Schnabel, a.a.O., S. 26; sowie Kühne, Winrich: Völkerrecht und Friedenssicherung in
einer turbulenten Welt: Eine analytische Zusammenfassung der Grundprobleme und
Entwicklungsperspektiven, in: Ders., Blauhelme in einer turbulenten Welt, a.a.O., S. 51-52.
79
Klingenburg/Schnabel, a.a.O., S. 24-25; sowie Informationszentrum der Vereinten Nationen
(UNIC), (Hrsg.): 50 Jahre Friedenssicherung 1948-1998, Bonn 1998, S. 19 ff.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832467104
ISBN (Paperback)
9783838667102
Dateigröße
6.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München – Sozialwissenschaftliche Fakultät
Note
1,9
Schlagworte
peace keeping internationale politik humanitäre intervention konflikt
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Titel: Die UN-Friedensmissionen
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