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Ausbildung für den Kulturgutschutz

Europäische Ausbildungsmodelle der Denkmalpflege im Vergleich

©2002 Masterarbeit 59 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
„Nicht restaurieren - wohl aber konservieren!“ lautet Georg Dehios berühmter Ausspruch zu den historisierenden Rekonstruktionsmaßnahmen der denkmalpflegerischen Arbeit im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert. Neben dem klaren Hinweis auf die Gegensätze in den der Denkmalpflege zu Grunde liegenden Theorien weist dieses Zitat auch auf zwei der vielen Aufgabenbereiche der Denkmalpflege, sowie auf zwei der mit denkmalpflegerischer Arbeit betreuten Professionen hin. Die Denkmalpflege umfasst neben dem Konservieren und Restaurieren eine große Fülle von Arbeitsgebieten, in denen sehr viel mehr Berufsgruppen als nur Konservatoren und Restauratoren tätig sind. Da sich die Denkmalpflege keiner einzelnen Wissenschaft wie Kunst-, Geschichts- oder Naturwissenschaften allein zuordnen läßt, wird sie von einer Vielfalt von Berufsgruppen, wie den Kunst- und Baugeschichtswissenschaftlern, den Archäologen und Historikern, den Architekten und Bauingenieuren sowie den Stadt- und Landschaftsplanern ausgefüllt. Die Ausbildungswege dieser Berufsgruppen qualifizieren in ihrer ursprünglichen Ausrichtung nicht zur Betreuung des kulturellen Erbes. Dennoch arbeiten in der Denkmalpflege viele engagierte Personen, die über keine spezielle Ausbildung für den Kulturgutschutz verfügen und sich ihre Kenntnisse häufig erst bei und neben der praktischen Tätigkeit in der Denkmalpflege erworben haben.
Zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der identitätsstiftende Wert des kulturellen Erbes der Länder und Staaten erkannt und seine Erhaltung erstmals durch europäische Gremien (z.B. Europarat) wie auch internationale Organisationen (z.B. UNESCO) aktiv gefördert. In diesem Zusammenhang wurde die Forderung nach geschultem Fachpersonal für den Kulturgutschutz formuliert. Als Reaktion wurden auf nationaler Ebene die bereits bestehenden Ausbildungswege überarbeitet oder neue eingerichtet. Aufgrund der nationalen Unterschiede in den Bildungssystemen setzen die Ausbildungsmodelle für den Kulturgutschutz jedoch unterschiedliche Schwerpunkte hinsichtlich der Ausbildungsinhalte und der Gewichtung von Theorie und Praxis. Entsprechend lässt sich der Qualifizierungsstand des mit dem Kulturgutschutz befaßten Personals nur schwer vergleichen. Zudem stellt die Weiterentwicklung und Verbesserung der Ausbildungsmodelle auf ein den internationalen Anforderungen entsprechendes Mindestniveau eine schwierige Aufgabe dar.
Vor diesem Hintergrund erscheint es um so […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Aufgabenstellung
1.2 Material / Literatur
1.3 Vorgehensweise

2 Die Denkmalpflege in Europa im 19. Jahrhundert
2.1 Ein kurzer geschichtlicher Abriss zur Denkmalpflege
2.2 Herausragende Persönlichkeiten der Denkmalpflege des 19. und frühen 20. Jahrhunderts
2.3 Denkmalschutz und Denkmalpflege in Deutschland
2.4 Denkmalschutz und Denkmalpflege in Schweden

3. Ausbildungsmodelle für den Kulturgutschutz
3.1 Forderungen an die Ausbildung für den Kulturgutschutz
3.2 Kriterienkatalog für die Bewertung von Ausbildungsmodellen für den Kulturgutschutz
3.3 Ausbildungswege für die Arbeit im Kulturgutschutz
3.3.1 Ausbildungswege für den Kulturgutschutz in Deutschland
3.3.2 Ausbildungswege für die Arbeit im Kulturgutschutz in Schweden

4. Vergleich und Analyse der Ausbildungsmodelle für den Kulturgutschutz in Deutschland und Schweden
4.1 Gegenüberstellung der Ausbildungswege für den Kulturgutschutz Deutschlands und Schwedens
4.2 Vergleichende Beschreibung der Ausbildungswege für den Kulturgutschutz Deutschlands und Schwedens
4.3 Analyse der Inhalte der Ausbildungswege für den Kulturgutschutz Deutschlands und Schwedens

5. Diskussion und Auswertung

6. Literatur

7. Anhang

1. Einleitung

"Nicht restaurieren - wohl aber konservieren!" lautet Georg Dehios berühmter Ausspruch zu den historisierenden Rekonstruktionsmaßnahmen der denkmalpflegerischen Arbeit im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert[1]. Neben dem klaren Hinweis auf die Gegensätze in den der Denkmalpflege zu Grunde liegenden Theorien weist dieses Zitat auch auf zwei der vielen Aufgabenbereiche der Denkmalpflege, sowie auf zwei der mit denkmalpflegerischer Arbeit betreuten Professionen hin. Die Denkmalpflege umfasst neben dem Konservieren und Restaurieren eine große Fülle von Arbeitsgebieten, in denen sehr viel mehr Berufsgruppen als nur Konservatoren und Restauratoren tätig sind. Da sich die Denkmalpflege keiner einzelnen Wissenschaft wie Kunst-, Geschichts- oder Naturwissenschaften allein zuordnen läßt, wird sie von einer Vielfalt von Berufsgruppen, wie den Kunst- und Baugeschichtswissenschaftlern, den Archäologen und Historikern, den Architekten und Bauingenieuren sowie den Stadt- und Landschaftsplanern ausgefüllt. Die Ausbildungswege dieser Berufsgruppen qualifizieren in ihrer ursprünglichen Ausrichtung nicht zur Betreuung des kulturellen Erbes. Dennoch arbeiten in der Denkmalpflege viele engagierte Personen, die über keine spezielle Ausbildung für den Kulturgutschutz verfügen und sich ihre Kenntnisse häufig erst bei und neben der praktischen Tätigkeit in der Denkmalpflege erworben haben.

Zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der identitätsstiftende Wert des kulturellen Erbes der Länder und Staaten erkannt und seine Erhaltung erstmals durch europäische Gremien (z.B. Europarat) wie auch internationale Organisationen (z.B. UNESCO) aktiv gefördert[2]. In diesem Zusammenhang wurde die Forderung nach geschultem Fachpersonal für den Kulturgutschutz formuliert[3]. Als Reaktion wurden auf nationaler Ebene die bereits bestehenden Ausbildungswege überarbeitet oder neue eingerichtet. Aufgrund der nationalen Unterschiede in den Bildungssystemen setzen die Ausbildungsmodelle für den Kulturgutschutz jedoch unterschiedliche Schwerpunkte hinsichtlich der Ausbildungsinhalte und der Gewichtung von Theorie und Praxis. Entsprechend lässt sich der Qualifizierungsstand des mit dem Kulturgutschutz befaßten Personals nur schwer vergleichen. Zudem stellt die Weiterentwicklung und Verbesserung der Ausbildungsmodelle auf ein den internationalen Anforderungen entsprechendes Mindestniveau eine schwierige Aufgabe dar.

Vor diesem Hintergrund erscheint es um so notwendiger, die Ausbildungssysteme für den Kulturgutschutz und die Denkmalpflege in den einzelnen europäischen Ländern hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit den internationalen Forderungen zu untersuchen. Darüber hinaus sollten Vorstellungen entwickelt werden, wie die Grundlagen für eine bessere Zusammenarbeit bei der Ausbildung von Kulturgutschützern und Denkmalpflegern in Europa beschaffen sein sollten.

1.1 Aufgabenstellung

Anhand einer umfassenden Recherche relevanter Fachpublikationen sollen in der vorliegenden Arbeit verschiedene Ausbildungswege für den Kulturgutschutz zweier europäischer Länder – Deutschland und Schweden – dargestellt und verglichen werden.

Die Unterschiede in den Ausbildungsmodellen der beiden Länder resultieren unter anderem aus den jeweiligen historischen Entwicklungen in der Denkmalpflege. Schweden kann auf eine lange und kontinuierliche Herausbildung einer institutionalisierten Denkmalpflege zurückblicken, mit der die frühe Etablierung spezialisierter Ausbildungswege in engem Zusammenhang steht[4]. Deutschland besitzt ebenfalls eine lange Tradition der Denkmalpflege und des Denkmalschutzes. Allerdings wurde die Formulierung von Gesetzen und die Schaffung von Institutionen zum Schutz der Kulturgüter hier vergleichsweise spät und weniger konsequent umgesetzt[5]. Entsprechend existiert in Deutschland eine Vielzahl unterschiedlichster Ausbildungswege für die Arbeit im Kulturgutschutz.

In der vorliegenden Arbeit soll eine repräsentative Auswahl von Ausbildungswegen in Schweden und Deutschland hinsichtlich ihres aktuellen Aufbaus und ihrer Übereinstimmung mit den international geforderten Standards bzw. Mindestanforderungen von ICOM, ICOMOS oder E.C.C.O. untersucht werden[6]. Hierbei sollen die zahlreichen Schwerpunktstudiengänge und Vertiefungsmöglichkeiten im Fach Denkmalpflege der Architekturstudiengänge, die postgradualen Studienmöglichkeiten und die Studiengänge der Konservierung / Restaurierung zur Qualifizierung in der Arbeit des Kulturgutschutzes verglichen werden. Um den Vergleich auf eine übersichtliche Gruppe zu begrenzen und um den Forderungen, die Ausbildung für den Kulturgutschutz auf Ebene der Hochschulen zu etablieren, nachzukommen, werden die Ausbildungswege des Handwerks und des technischen Personals in der Denkmalpflege in dieser Arbeit nicht berücksichtigt.

Abschließend sollen, unter Verwendung der gewonnenen Erkenntnisse zu den Defiziten und Vorteilen des deutschen und des schwedischen Ausbildungsmodells für den Kulturgutschutz, Empfehlungen für deren Weiterentwicklung im Zuge einer einheitlicheren europäischen Linie der Ausbildung für den Kulturgutschutz skizziert werden.

1.2 Material / Literatur

Bei der Erstellung der vorliegenden Arbeit wurde ausschließlich auf publiziertes Material und Informationen der Hochschulen aus dem Internet zurückgegriffen; eigene Erhebungen zum Thema wurden nicht vorgenommen[7].

Die Arbeit stützt sich auf Einzelpublikationen verschiedenster Herkunft. Den überwiegenden Anteil stellen dabei Aufsätze zu Grundsatzthemen, die in Sammel- und Tagungsbänden der großen Organisationen und Verbände der Denkmalpflege, wie ICOMOS, UNESCO, dem Deutschen Nationalkomitee und dem VDR erschienen sind. Ergänzend wurden spezifische Artikel aus den einschlägigen Fachzeitschriften[8] und Dissertationen zum Thema ausgewertet. Zur Entwicklung des Kriterienkataloges wurden vorrangig Richtlinien und Definitionen der internationalen Organisationen von Denkmalschutz und Denkmalpflege zum Berufsbild und zur Ausbildung für den Kulturgutschutz herangezogen. Diese sind in den jeweiligen Statuten der Organisationen festgeschrieben oder sind, da sie im Rahmen von Kongressen erstellt wurden, häufig den jeweiligen Tagungsbänden vorangestellt.

1.3 Vorgehensweise

Einleitend wird sich die vorliegende Arbeit mit der Entwicklung der Denkmalpflege im Europa der letzten 200 Jahre beschäftigen. Hierbei wird ein kurzer historischer Abriss gegeben, der auch einen Überblick zu den Persönlichkeiten beinhaltet, deren Wirken die Denkmalpflege nachhaltig beeinflußt hat. Dargestellt werden hier auch die Entwicklung und Aufgaben, der Denkmalbegriff sowie die Strukturen von Denkmalschutz und Denkmalpflege in Deutschland und Schweden.

In Kapitel drei wird auf Grundlage der von internationalen Organisationen aufgestellten Mindestanforderungen der Ausbildung für den Kulturgutschutz ein Kriterienkatalog entwickelt. Hierbei werden auch die Ausprägungen der einzelnen Parameter erfasst, welche international als notwendig festgelegt sind, um denkmalpflegerische Aufgaben sachgerecht ausführen zu können. Im Anschluß werden anhand einer repräsentativen Auswahl unterschiedlicher Ausbildungswege für den Kulturgutschutz, die aktuell in Deutschland und Schweden angebotenen Qualifikationsmöglichkeiten dargestellt.

In Kapitel vier wird eine Gegenüberstellung und Analyse der Ausbildungswege Deutschlands und Schwedens vorgenommen. Um hierbei einen strukturierten Vergleich zu ermöglichen, werden die einzelnen Ausbildungswege der betrachteten Länder in einer umfassenden Tabelle nach den Punkten des Kriterienkatalogs geordnet dar- und gegenübergestellt. Nunmehr erfolgt ein Vergleich der jeweiligen Ausbildungswege in Deutschland und Schweden anhand des in Kapitel drei aufgestellten Kriterienkataloges. In einem weiteren Schritt wird analysiert, inwieweit das in Deutschland und Schweden bestehende Ausbildungsmodell – als Gesamtheit aller Ausbildungswege – den internationalen Anforderungen genügt.

Im Schlußteil der Arbeit werden die Ergebnisse des Vergleichs der Ausbildungswege des Kulturgutschutzes Deutschlands und Schwedens aus Kapitel vier diskutiert. Zudem werden die Entwicklungsnotwendigkeiten der jeweiligen Modelle in Deutschland und Schweden erörtert. Im Ergebnis stehen abschließend die einheitlichen Ansprüche an eine gesamteuropäische Linie in den Ausbildungsmodellen für den Kulturgutschutz.

2 Die Denkmalpflege in Europa im 19. Jahrhundert

Im folgenden Kapitel wird zunächst ein Überblick zur Denkmalpflege der letzten 200 Jahre (Kapitel 2.1) gegeben. Im Anschluß erfolgt eine Kurzdarstellung zu den herausragenden Persönlichkeiten der Denkmalpflege des 19. / frühen 20. Jahrhunderts (Kapitel 2.2). Das Kapitel wird mit den Darstellungen zu Denkmalschutz und Denkmalpflege in Deutschland (Kapitel 2.3) und Schweden (Kapitel 2.4) abgeschlossen.

2.1 Ein kurzer geschichtlicher Abriss zur Denkmalpflege

Im Verlauf der europäischen Geschichte kann ein großer Verlust von Kulturgut verzeichnet werden. Als sich Anfang des 19. Jahrhunderts ein Bewußtsein für die massive Gefährdung der Kulturgüter entwickelte, waren diese zu großen Teilen bereits unwiderruflich verändert oder nicht mehr vorhanden[9]. Die Dringlichkeit, das Kulturerbe in seiner Einzigartigkeit zu schützen und entsprechend in seiner überlieferten Form zu wahren, wurde erkannt und Maßnahmen zur Erhaltung des Kulturgutes wurden zunehmend gefördert. Der Beginn einer organisierten denkmalpflegerischen Arbeit wird demnach auf das frühe 19. Jahrhundert festgelegt[10]. Diese Zeit war zum einen eng mit den aufklärerischen Ideen der Romantik verbunden, zum anderen durch ein erstarkendes Nationalgefühl samt neuem Interesse für die Geschichte besonders des Mittelalters geprägt[11]. Erste Maßnahmen zum Erhalt des Kulturerbes beschränkten sich auf herausragende historische Baulichkeiten im öffentlichen Besitz, wie mittelalterliche Kirchen, Klöster, Burgen und Stadtbefestigungen. Eingriffe an Monumenten bestanden in historisierenden Ergänzungen oder in Rückführungen im Sinne einer Stileinheit der Entstehungszeit[12]. Die Maßnahmen waren jedoch kaum oder nur bedingt an gesetzliche Strukturen gebunden. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts existierten lediglich in Frankreich und Schweden erste Gesetzgebungen zum Denkmalschutz[13]. Des Weiteren werden in Preußen (1815), Bayern (1826), dem römischen Kirchenstaat (1820) und Griechenland (1834) frühe Verordnungen und Gesetze erlassen[14]. Erst mit der Einrichtungen von Behörden zur Um- und Durchsetzung der Verordnungen wurde die Erhaltung des kulturellen Erbes zunehmend gewährleistet[15].

2.2 Herausragende Persönlichkeiten der Denkmalpflege des 19. und frühen 20. Jahrhunderts

Die geistigen Anfänge der Denkmalpflege sind u. a. durch Veröffentlichungen Goethes[16] oder Gillys[17] gekennzeichnet, die in ihren Schriften richtungsweisende Fürsprache zum Erhalt des kulturellen Erbes formulierten[18]. Diese Entwicklungen wurden durch von Görres und Schinkel in ihren Plädoyers für den Weiterbau des Kölner Domes fortgesetzt[19].

Die Praxis der Denkmalpflege des frühen 19. Jahrhunderts war durch das Bestreben nach einem stilistisch einheitlichen Erscheinungsbild der Monumente gekennzeichnet. Hierbei wurden die historisch gewachsenen Phasen der Baulichkeiten entfernt und diese in ihren 'ursprünglichen Zustand' der Entstehungszeit, meist der Gotik, zurückgeführt. In Frankreich wurde diese Herangehensweise der Denkmalpflege maßgeblich durch die theoretischen wie auch ausführenden Arbeiten Violett-le-Ducs geprägt. Parallel dazu arbeitete in England Gilbert Scott nach ähnlichen Theorien und Grundsätzen[20].

Ab 1840 wurde Kritik an den zerstörenden Eingriffen der Denkmalpflegepraxis laut. Sie wurde von John Ruskin und William Morris[21] formuliert. Morris' Protest resultierte in der Gründung der Society for the protection of ancient buildings. Zum Ende des 19. mit Beginn des 20. Jahrhunderts entstand eine Gegenströmung, die die rein konservierende, den Alterswert betonende Zielsetzung vertrat und im Gegensatz zur historisierend, stilpuristischen stand[22]. Im Ergebnis der Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Strömungen lagen die von Alois Riegl[23] zum Wert und der Qualität von Denkmalen und von Max Dvorák[24] zur Restaurierungspraxis veröffentlichten Grundsatztheorien der Denkmalpflege vor, die auch heute noch Bestand haben[25].

Durch Georg Dehios theoretische Grundlagen zur Denkmalpflege[26] wurde im frühen 20. Jahrhundert die endgültige Absage an die rekonstruierenden Maßnahmen des Historismus formuliert[27]. Dehio äußerte seine vielseitigen Auffassungen zur Denkmalpflege in zahlreichen Vorträgen und Aufsätzen, darunter auch Vorstellungen und Vorschläge zur Berufsausbildung der Denkmalpfleger in 'Vorbildung zur Denkmalpflege' auf dem Tag für Denkmalpflege 1903 in Erfurt[28].

2.3 Denkmalschutz und Denkmalpflege in Deutschland

Entwicklung und Aufgaben der Denkmalpflege in Deutschland

Die moderne Denkmalpflege in Deutschland entstammt in ihren der Praxis zugrunde liegenden Grundsätzen der Zeit der Romantik und des Historismus[29]. Alarmiert durch die immensen Verluste während der Säkularisation, macht Karl Friedrich Schinkel zum Anfang des 19. Jahrhunderts als einer der ersten Vertreter der Denkmalpflege in Deutschland auf den bedenklichen Zustand der Monumente in Preußen aufmerksam[30]. In seinem Bericht von 1815 forderte er eine Reihe von Maßnahmen zum Erhalt des kulturellen Erbes, wie die Einrichtung einer zentralen Behörde, einer Schutzdeputation, die Erfassung der Denkmale, einen Erhaltungsplan sowie die Förderung des Volksinteresses[31]. Mit der Ernennung Ferdinand von Quasts zum Konservator der Kunstdenkmäler bekam Preußen jedoch erst 1843 eine zentrale Denkmalbehörde[32]. Weitere Behörden der Denkmalpflege entstanden in Bayern (1835), Baden (1853) und Württemberg (1858)[33].

Der Aufbau der schon im 19. Jahrhundert eingerichteten Denkmalbehörden wurde nach den Weltkriegen in die föderalen Ebenen der Bundesländer übernommen[34]. Wo diese Amtsstrukturen nicht vorhanden waren mußten entsprechende Ämter eingerichtet und der allgemeinen Verwaltung angegliedert werden. Mit diesen Strukturen war den Denkmalpflegern der frühen Bundesrepublik jedoch keine Legitimation gegeben, da die Basis und der öffentliche Auftrag nach wie vor nicht gesetzlich verankert waren. Eine Wende ergab sich erst durch die Initiativen im Rahmen des Europäischen Denkmaljahres 1975, die ein Erstarken der Denkmalpflege in Deutschland bewirkten und die Erschaffung und Umsetzung gesetzlicher Regelungen zur Folge hatten. Entscheidend für den langen Entwicklungszeitraum der Denkmalpflege in Deutschland scheint der Umstand zu sein, dass die Theorien der Denkmalpflege zwar bereits Anfang des 20. Jahrhundert entwickelt und formuliert wurden, diese jedoch erst zum Ende des letzten Jahrhunderts in die Praxis umgesetzt werden konnten.

Um Geschichte für die Gegenwart anschaulich und für die Zukunft erkennbar zu machen, hat die Denkmalpflege in Deutschland folgende Aufgabenfelder zu erfüllen: die Erforschung, die Inventarisation (Beschreibung, Deutung und Auflistung), die Sicherung durch konservierende Maßnahmen und die Erhaltung (Restaurierung, Renovierung und Rekonstruktion) der Denkmäler[35].

Denkmalbegriff in Deutschland

Seit der Zeit der Aufklärung kann für den Denkmalbegriff, der Definition dessen, was als erhaltenswert und schutzwürdig erachtet wird, eine kontinuierliche Erweiterung beobachtet werden. An den Denkmalbegriff sind die Denkmalwerte und die Denkmaleigenschaften gebunden. Als wichtigste Eigenschaft eines Denkmals gilt hierbei, die durch Authentizität und Wahrhaftigkeit begründete Fähigkeit eine direkte Verbindung zur Vergangenheit herzustellen. Es folgen die künstlerischen Qualitäten, die kulturgeschichtliche Informationsdichte und oft der Seltenheitswert eines Objektes[36]. Weiterhin wird der Denkmalbegriff über die Entstehungszeit und Sachkategorien definiert[37].

Strukturen von Denkmalschutz und Denkmalpflege in Deutschland

Der Denkmalschutz hat die Erhaltung von Denkmalen durch Maßnahmen der Verwaltung und durch Handhabung der Denkmalschutzgesetze zur Aufgabe[38]. Nach den im Grundgesetz festgelegten Bestimmungen liegt der Denkmalschutz in Deutschland in der Kulturhoheit der Bundesländer[39]. Bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts arbeitete ein Großteil der Länder der alten Bundesrepublik auf Grundlage von veralteten Verordnungen aus der Zeit der Jahrhundertwende oder mit nur unzureichenden Gesetzgebungen. Lediglich Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg haben bereits direkt nach dem Zweiten Weltkrieg ihre gut ausgearbeiteten Regelungen novelliert bzw. ein neues Gesetz zum Denkmalschutz erlassen[40]. Die Denkmalschutzgesetze in Deutschland sind nach den föderalistischen Grundprinzipien im Detail sehr vielfältig, ähneln sich jedoch in vielen Aspekten, wie dem Umgebungs- und Ensembleschutz oder den Genehmigungspflichten, so dass von einer gemeinsamen Grundlinie des Denkmalschutzes in Deutschland gesprochen werden kann[41].

Die Institutionen von Denkmalschutz und Denkmalpflege sind den zentralen Einrichtungen der Länder, wie z.B. den Kultus- oder Wissenschaftsministerien unterstellt[42]. Der Denkmalschutz wird hierbei von den Denkmalschutzbehörden - oft in untere und obere Schutzbehörde untergliedert - vollzogen, welche die direkte Entscheidungsbefugnis bei der Handhabung der Gesetze innehalten.

Die Denkmalfachbehörden führen erhaltende Maßnahmen zum Denkmalschutz aus[43], indem sie durch ihre fachlich beratende Tätigkeit auch die wissenschaftliche Grundlage des Denkmalschutzes liefern[44]. Ein Beispiel für die in den Bundesländern unterschiedlich gestalteten institutionalisierten Strukturen von Denkmalschutz und Denkmalpflege zeigt die Abb. 1 im Anhang.

2.4 Denkmalschutz und Denkmalpflege in Schweden

Entwicklung und Aufgaben der Denkmalpflege in Schweden

Die Anfänge der schwedischen Denkmalpflege reichen auf die Altertumsforschung des 17. Jahrhunderts zurück[45]. Schon um 1620 wurden im königlichen Auftrag erhaltende Maßnahmen, welche auf historisch wertvolle Bauten und Altertümer ausgerichtet waren, ergriffen[46]. Das Königreich Schweden präsentierte sich als neue politische Großmacht, welche ein gesteigertes Interesse für die Geschichte des Landes entwickelte. Dieses Interesse führte 1666 zum Erlaß einer Verordnung über Altertümer[47], die erstmals unbewegliches Kulturgut, wie Monumente, Bodendenkmale und teilweise auch Kirchen samt ihrer Inventare, vor Zerstörungen unter Schutz stellte. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts bekam die Organisation der Denkmalpflege zunächst mit dem 'Archiv für Altertümer', später mit der 'Königlichen Akademie für Literatur, Geschichte und Kulturdenkmäler' sowie der Benennung eines Reichsdenkmalpflegers institutionalisierte Strukturen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde auch Schweden von den romantisierenden Vorstellungen aus Deutschland erfasst. Hieraus folgte 1828 der Erlaß einer neuen Verordnung, welche der Akademie die oberste Verantwortung über die Altertümer einräumte sowie den Schutz auf alle Ruinen bemerkenswerter Gebäude und Kirchen mitsamt ihrer Wandmalereien erweiterte. Daneben wurde die gezielte Inventarisation und Inspektion von vorgeschichtlichen Funden, Altertümern und Kirchenbauten ermöglicht[48]. Mit einer 1867 überarbeiteten Fassung der Verordnung über Altertümer wurden die Schutzbestimmungen verschärft und die Baudenkmalpflege zum Teil in die Befugnis der Denkmalpflege eingegliedert. Die Verordnungen und Gesetze von 1920 (Verordnung über die bemerkenswerten Gebäude im öffentlichen Besitz) und 1942 (Gesetz über Altertümer und vorgeschichtliche Funde; Verordnung über den Unterhalt bestimmten kirchlichen Inventars) ermöglichten schließlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts die gebündelte Arbeit einer institutionalisierten Denkmalpflege auf allen denkmalpflegerisch wichtigen Sachgebieten.

Die Erhaltung des Kulturerbes in Schweden ist in den Richtlinien der schwedischen Kulturpolitik festgeschrieben. Baudenkmale bzw. Ensembles, Kulturdenkmale und Altertümer sind aus historischen und umweltpolitischen Gründen sowie im Hinblick auf sozioökonomische Überlegungen zu erhalten, zu pflegen[49], zu ihrer Nutzung zugänglich zu halten und anschaulich darzustellen[50].

Der Denkmalbegriff in Schweden

Der Denkmalbegriff veränderte sich auch in Schweden mit der Entwicklungsgeschichte der Denkmalpflege. So unterlag der Schutz des kulturellen Erbes im frühen 19. Jahrhundert den Aspekten der Erhaltung von Anschauungsmaterial der Geschichte und veränderte sich in der zweiten Hälfte zu einer romantischen Geschichtsbetrachtung[51]. Im 20. Jahrhundert, insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg, richtete sich das Interesse zunehmend auf gesamte Kulturmilieus und die Erhaltung historischer Kontinuität ganzer Einheiten, so dass nunmehr die bestehende Umwelt im Ganzen Gegenstand der Erhaltung war[52].

Als schützenswertes Kulturerbe gelten in Schweden allgemein ortsfeste Altertümer, die bekannt oder unbekannt, sichtbar oder verborgen sein dürfen. Hierbei wird der Begriff Altertümer weit gefasst und reicht von verlassenen Gebäuden, Resten von Wohngebieten, Gräbern und 'errichteten Steinen' bis hin zu Brücken und bemerkenswerten Straßen[53]. Zu den Überresten vorgeschichtlicher Zeit zählen auch bestimmte Wracks von geschichtlicher Bedeutung. Bemerkenswert ist, dass auch der umliegende Boden der Altertümer in den Schutz integriert ist, damit diese in ihrem gewachsenen Milieu bestehen bleiben[54].

Strukturen von Denkmalschutz und Denkmalpflege in Schweden / Organisation

Die schwedische Denkmalpflege ist heute Teil der Landesplanung und eingebettet in eine übergreifende Kultur- und Sozialpolitik[55]. Kernpunkt ist die Zusammenarbeit der denkmalpflegerischen Behörden mit anderen politischen Sektoren[56]. Seit 1976 wird die Kulturpolitik im gleichen Maße von der Regierung, den Provinzialregierungen und den Gemeinden getragen, wobei den Provinzen und Gemeinden ihre eigene Entscheidungsbefugnis zusteht[57]. Das Zentralamt für Denkmalpflege (Riksantikvarieämbetet), welches dem Kulturministerium direkt unterstellt ist, hält die zentrale behördliche Verantwortung über Fragen der Denkmalpflege inne. Es garantiert die Einhaltung der Schutzgesetze, ist beratend tätig und führt die archäologischen Untersuchungen durch[58]. Die Provinzialregierungen (länsstyrelser) mit jeweils einem Provinzial-Konservator sind mit der Aufgabe der regionalen Überwachung betraut[59] und führen beispielsweise die Aufsicht über die ortsfesten Altertümer[60]. Die Museen in den Provinzen (länsmuseer) sind freie kulturelle Institutionen. Sie führen die Inventare und sind für die Erstellung und Verwaltung der Dokumentationen denkmalpflegerischer Maßnahmen verantwortlich[61].

In der schwedischen Denkmalpflege kommen verschiedene Gesetze zum Schutz, zur Pflege und zur Verwaltung der historischen Denkmale zur Anwendung. Einigen Kulturgütern, wie archäologischen Stätten und Kirchengebäuden, erwächst der Schutz hierbei automatisch aus ihrer Tradition. Daneben regeln die Gesetze über Altertümer und vorgeschichtliche Funde, über den Schutz von kirchlichem Inventar sowie über Bauwerke von geschichtlicher Bedeutung die Erhaltung des kulturellen Erbes[62].

[...]


[1] DEHIO 1905, S. 17

[2] DEUTSCHES NATIONALKOMITEE 1996, S. 52

[3] DEUTSCHES NATIONALKOMITEE 1996, S. 63

[4] ÖSTERGREN 1981, S. 35ff

[5] HAMMER 1995, S. 388f

[6] ICOM: 'The Conservator / Restorer: A Definition of the Profession', Kopenhagen, 1984; ICOMOS: 'Guidelines for Education and Training in the Conservation of Monuments, Ensembles and Sites', Colombo, 1993; E.C.C.O.: 'Professional Guidelines III: Basic Requirements for Education in Conservation / Restoration', Brüssel, 1994

[7] Insofern läßt sich nicht belegen, ob die von den Hochschulen veröffentlichten Programme zu den Inhalten der Studiengänge für den Kulturgutschutz im Lehrbetrieb in der beschriebenen Form umgesetzt werden.

[8] Als Material wurden in dieser Arbeit unter anderem folgende Fachzeitschriften verwendet: Deutsche Kunst und Denkmalpflege, Arbeitsblätter für Restauratoren, Restauratorenblätter, Journal of Architectural Conservation.

[9] HAMMER 1995, S. 12ff

[10] GEBESSLER 1975, S. 157

[11] KURMANN 1991, S. 14

[12] GEBESSLER 1975, S. 157

[13] HAMMER 1995, S. 68

[14] GEBESSLER 1975, S. 157

[15] HAMMER 1995, S. 75

[16] Straßburger Aufsatz 'Von der deutschen Baukunst' (1773)

[17] Werk über das Deutschordensschloß Marienburg (1799)

[18] KIESOW 2000, S. 15

[19] GEBESSLER 1975, S. 157

[20] JOKILEHTO 1999, S. 17f

[21] JOKILEHTO 1999, S. 18

[22] GEBESSLER 1975, S. 158

[23] Der moderne Denkmalkultus (1903)

[24] Katechismus der Denkmalpflege (1916)

[25] GEBESSLER 1975, S. 158

[26] Denkmalschutz und Denkmalpflege im 19. Jahrhundert (1905)

[27] BESELER 2000, S. 214

[28] DEHIO 1910, S. 19f

[29] SAUERLÄNDER 1975, S. 120

[30] HERBST 1995, S. 112

[31] BESELER 2000, S. 212

[32] HUSE 1996, S. 69

[33] KIESOW 2000, S. 21

[34] KIESOW 2000, S. 25

[35] SCHIEDERMAIR 1991, S. 30ff

[36] DEUTSCHES NATIONALKOMITEE 1983, S. 5

[37] GEBESSLER 1975, S. 159f

[38] DEUTSCHES NATIONALKOMITEE 1983, S. 23

[39] KIESOW 2000, S. 98

[40] GEBESSLER 1975, S. 159

[41] DEUTSCHES NATIONALKOMITEE 1983, S. 23

[42] DEUTSCHES NATIONALKOMITEE 1983, S. 23

[43] SCHIEDERMAIR 1975, S. 149

[44] KIESOW 2000, S. 99

[45] ÖSTERGREN 1981, S. 35

[46] SCHWEDISCHES INSTITUT 1998, S. 4

[47] WIGERTZ 1981, S. 185

[48] ÖSTERGREN 1981, S. 36

[49] PALSSON, 1981, S. 18

[50] SCHWEDISCHES INSTITUT 1998, S. 4

[51] MESCHKE 1981, S. 169

[52] PALSSON, 1981, S. 18

[53] PALSSON 1981, S. 19

[54] MESCHKE 1981, S. 169

[55] SCHWEDISCHES INSTITUT 1998, S. 4

[56] PALSSON, 1981, S. 18

[57] SCHWEDISCHES INSTITUT 1998, S. 1

[58] PALSSON, 1981, S. 19

[59] PALSSON, 1981, S. 18

[60] MESCHKE 1981, S. 171

[61] SCHWEDISCHES INSTITUT 1998, S. 3

[62] PALSSON, 1981, S. 19

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832466947
ISBN (Paperback)
9783838666945
DOI
10.3239/9783832466947
Dateigröße
625 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Kulturwissenschaften
Erscheinungsdatum
2003 (April)
Note
2,1
Schlagworte
kulturgüter denkmalschutz schweden restaurierung konservierung qualifizierung kulturarbeit
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Titel: Ausbildung für den Kulturgutschutz
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