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Organisationsimmanente Muster, Strategien und Ressourcen zur Qualitätssicherung an Hochschulen

©2002 Masterarbeit 71 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Abseits gängiger und quantifizierbarer Kriterien erscheint es sinnvoll, die Frage nach der Qualität von Hochschulen auch organisationstheoretisch zu untersuchen. D.h. konkret, dass die in wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Organisationen vergleichbarer Größe und Komplexität üblichen Fragen nach Leitbild und Zieldefinition, nach Führungsstruktur und Führungskultur, nach dem Verhältnis von Einzelleistung und Teamarbeit, nach offenen und transversalen Kommunikationsstrukturen, nach Veränderung und Innovation, nach Widerstand und kreativen Konflikten u.E. nach im System Hochschule heute noch weitgehend unbeantwortet bleiben. Genau an dieser Stelle will diese Arbeit ansetzen und nicht nur eine räumlich-hierarchisch verortete Landkarte des Qualitätsbemühens des Gesamtsystems Hochschule und seiner zahlreichen Sub- und Teilsysteme entwerfen, sondern auch eine, die die systemimmanenten Naht- und Bruchstellen zwischen einem strategisch gewollten Qualitätsbemühen und dessen Umsetzung in den operativen und normativen Entscheidungs- und Handlungsstrukturen darstellt.
Die Ausarbeitung verfolgt zwei wesentliche Ziele:
Die Erarbeitung einer „Landkarte“ des Qualitätsbemühens, die die Systemelemente, ihre Muster, Strategien und Ressourcen zur Qualitätssicherung im deutschen Hochschulsystem darstellt und die Identifikation von systemimmanenten Lücken, Einseitigkeiten und Widerständen im geforderten Veränderungsprozess.


Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.EINLEITUNG4
1.1METHODIK UND STRUKTUR DER ARBEIT5
2.DIE QUALITÄTSDISKUSSION6
2.1AUSGANGSLAGE7
2.2NATIONALER UND EUROPÄISCHER KONTEXT9
2.3ROLLENZUSCHREIBUNGEN10
2.4PROBLEMATISIERUNG12
2.5DER QUALITÄTSBEGRIFF13
2.5.1Qualitätsideen und Qualitätsideale im Hochschulkontext14
2.6ORTE DES QUALITÄTSBEMÜHENS16
2.6.1Das „Projekt Q“ der Hochschulrektorenkonferenz18
2.6.2Die Zentrale Evaluations- und Akkreditierungsagentur Hannover (ZEvA)19
2.6.3Der Verbund norddeutscher Hochschulen zur Evaluation von Studium und Lehre (Nordverbund)20
2.6.4Das Interdisziplinäre Zentrum für Hochschuldidaktik an der Universität Bielefeld (IZHD)20
2.7ORGANISATIONSIDENTITÄTEN21
2.7.1Motive und Motivationen für das Qualitätsbemühen22
2.8NORMEN, VERFAHREN UND STRATEGIEN DER QUALITÄTSSICHERUNG25
2.8.1Interne und externe Evaluation27
2.8.2Lehrberichte32
2.8.3Studentenbefragungen, Veranstaltungsbewertungen und Absolventenstudien33
2.8.4DIN-Normen und Total Quality […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

1 Einleitung
1.1 Methodik und Struktur der Arbeit

2 Die Qualitätsdiskussion
2.1 Ausgangslage
2.2 Nationaler und europäischer Kontext
2.3 Rollenzuschreibungen
2.4 Problematisierung
2.5 Der Qualitätsbegriff
2.5.1 Qualitätsideen und Qualitätsideale im Hochschulkontext
2.6 Orte des Qualitätsbemühens
2.6.1 Das „Projekt Q“ der Hochschulrektorenkonferenz
2.6.2 Die Zentrale Evaluations- und Akkreditierungsagentur Hannover (ZEvA)
2.6.3 Der Verbund norddeutscher Hochschulen zur Evaluation von Studium und Lehre (Nordverbund)
2.6.4 Das Interdisziplinäre Zentrum für Hochschuldidaktik an der Universität Bielefeld (IZHD)
2.7 Organisationsidentitäten
2.7.1 Motive und Motivationen für das Qualitätsbemühen
2.8 Normen, Verfahren und Strategien der Qualitätssicherung
2.8.1 Interne und externe Evaluation
2.8.2 Lehrberichte
2.8.3 Studentenbefragungen, Veranstaltungsbewertungen und Absolventenstudien
2.8.4 DIN-Normen und Total Quality Management
2.8.5 Sonstige Verfahren und Vorgehensweisen
2.9 Prozess- und Ergebnisverantwortung
2.9.1 Projekt Q
2.9.2 ZEvA
2.9.3 Nordverbund
2.9.4 IZHD
2.10 Ziele und Grenzen des Qualitätsbemühens
2.10.1 Projekt Q
2.10.2 ZEvA
2.10.3 Nordverbund
2.10.4 IZHD

3 Kritische Würdigung der Verfahren und Vorgehensweisen
3.1 Grenzen und Einseitigkeiten

4 Hochschule als Wissenschafts- und Wirtschaftssystem
4.1 Handlungs- und Entscheidungsalternativen
4.2 Widerstand und Veränderung
4.2.1 Strukturelle Gründe
4.2.2 Konzeptionelle Gründe
4.2.3 Organisatorische Gründe
4.3 Autonomie und Autonomiefähigkeit

5 Schlussfolgerungen

6 Verzeichnisse
6.1 Abkürzungen
6.2 Literatur
6.3 Internetadressen

7 Erklärung

1 Einleitung

Abseits gängiger und quantifizierbarer Kriterien[1] erscheint es uns sinnvoll, die Frage nach der Qualität von Hochschulen auch organisationstheoretisch zu untersuchen. D.h. konkret, dass die in wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Organisationen vergleichbarer Größe und Komplexität üblichen Fragen nach Leitbild und Zieldefinition, nach Führungsstruktur und Führungskultur, nach dem Verhältnis von Einzelleistung und Teamarbeit, nach offenen und transversalen Kommunikationsstrukturen, nach Veränderung und Innovation, nach Widerstand und kreativen Konflikten u.E. nach im System Hochschule heute noch weitgehend unbeantwortet bleiben. Genau an dieser Stelle wollen wir mit dieser Arbeit ansetzen und nicht nur eine räumlich-hierarchisch verortete Landkarte des Qualitätsbemühens des Gesamtsystems Hochschule und seiner zahlreichen Sub- und Teilsysteme entwerfen, sondern auch eine, die die systemimmanenten Naht- und Bruchstellen zwischen einem strategisch gewollten Qualitätsbemühen und dessen Umsetzung in den operativen und normativen Entscheidungs- und Handlungsstrukturen darstellt.

Die Ausarbeitung verfolgt zwei wesentliche Ziele:

1. Die Erarbeitung einer „Landkarte“ des Qualitätsbemühens, die die Systemelemente, ihre Muster, Strategien und Ressourcen zur Qualitätssicherung im deutschen Hochschulsystem darstellt und
2. die Identifikation von systemimmanenten Lücken, Einseitigkeiten und Widerständen im geforderten Veränderungsprozess .

Dieser Veränderungsprozess wird seit langer Zeit von Vertretern der Politik, der Wirtschaft und auch aus den Hochschulen selbst heraus angemahnt. Er wird dabei in Verbindung gebracht mit der Forderung nach einer qualitativen Entwicklung von Studium und Lehre oder es werden, in einer gegenläufigen Argumentation, die primär zur Qualitätssicherung eingesetzten Instrumente und Verfahren bereits als Garanten einer Veränderung, die per se schon positiv zu bewertet wäre, wahrgenommen.

Qualitative Aspekte und Fragestellungen die über die enggefassten Bereiche von Studium und Lehre hinausreichen und die auf die gegenseitigen Verknüpfungen zwischen den Fachgebieten und zwischen den wissenschaftlichen und administrativen Systembestandteilen hin fokussieren, treten dabei nur langsam in den Vordergrund. Dazu zählen wir auch Problemstellungen, die die Autonomiebestrebungen der Hochschulen betreffen und die mit der Überprüfung vorhandener Führungsstrukturen und Steuerungsinstrumente sowie den Bemühungen um eine eigenständige Profilentwicklung in Verbindung stehen.

1.1 Methodik und Struktur der Arbeit

In dieser Ausarbeitung werden auf der Basis von Literaturrecherchen, zahlreicher Gespräche und eigener Erfahrungen theoretische Überlegungen zum Verhältnis von Evaluation, Qualitätssicherung und Hochschul-entwicklung angestellt.

In einem ersten Teil versuchen wir einen Überblick über die Formen und die Orte des Qualitätsbemühens im deutschen Hochschulsystem zu erlangen und diese darzustellen. Dazu haben wir uns vier eigenständige Organisationen ausgewählt die, als Subelemente des Systems, an unterschiedlichen Stellen aktiv in die Prozessgestaltung und die Willens-bildung zur Qualitätssicherung eingreifen:

1. Das Projekt Q der Hochschulrektorenkonferenz;

2. Die Zentrale Evaluations- und Akkreditierungsagentur Hannover (ZEvA);
3. Den Verbund norddeutscher Hochschulen zur Evaluation von Studium und Lehre (Nordverbund);
4. Das Interdisziplinäre Zentrum für Hochschuldidaktik an der Universität Bielefeld (IZHD).

Den Zugang zum Wissensfeld haben wir uns über die Formulierung von vier Fragen und dem Versuch ihrer Beantwortung zu erschließen gesucht:

1. Welche Motive und Motivationen für das Qualitätsbemühen existieren in oder hinter diesen Organisationen?
2. Welche Normen, Verfahren und Strategien der Qualitätssicherung werden in ihrer Arbeit sichtbar?
3. Wer trägt in den Verfahren die Prozess- und Ergebnisverantwortung?
4. Wo werden Ziele und Grenzen des Qualitätsbemühens erkennbar?

In einem zweiten Teil versuchen wir auf der Grundlage dieses „Überblickswissens“ eine kritische Würdigung der Qualitätssicherungs-verfahren zu leisten und die inhaltlichen und methodischen Verbindungen zu einer handlungsorientierten Organisationsentwicklung herauszuarbeiten.

2 Die Qualitätsdiskussion

„Die Arbeit der Hochschulen in Forschung und Lehre, bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie der Erfüllung des Gleichstellungsauftrags soll regelmäßig bewertet werden. Die Studierenden sind bei der Bewertung der Qualität der Lehre zu beteiligen. Die Ergebnisse der Bewertungen sollen veröffentlicht werden.“[2]

Die gesamte Diskussion um die Themen „Qualitätsentwicklung“ und „Qualitätssicherung“ im deutschen Hochschulsystem muss im weiteren Kontext der in der politisch-rechtlichen Sphäre angesiedelten Hochschulreform einerseits und den Forderungen und Bemühungen nach einer größeren Autonomie -gepaart mit einer erweiterten Rechenschaftspflicht der Hochschulen gegenüber der Öffentlichkeit- andererseits betrachtet werden. Mit dem Fortschreiten dieser beiden verzahnt ablaufenden Prozesse lässt sich eine allmähliche, gewollte und ungewollte Veränderung tradierter Strukturen beobachten. Dieser Wandlungsprozess stößt oft auf erhebliche Widerstände in den Hochschulen und in ihren Unterstützungs-, ihren Zuliefer- und Abnehmersystemen.

2.1 Ausgangslage

Die Gründe für diese beiden Entwicklungen sind in der ständigen und sich scheinbar beschleunigenden Veränderung der relevanten externen Bezugssysteme der Hochschulen zu suchen. Heute und oft auch bereits seit langer Zeit, stehen in der allgemeinen Diskussion dabei vor allem die folgenden Veränderungen im globalen und nationalen Kontext im Mittelpunkt:

Globaler Kontext

- die Globalisierung ökonomischer, kultureller und kommunikativer Prozesse;
- die erhöhte Mobilität Studierender und Lehrender, ihres Wissens und ihrer Fähigkeiten (Internationalisierung der Schul-, Berufs- und Studienabschlüsse);
- die Verkürzung und Beschleunigung der Innovationszyklen in Forschung, Entwicklung und Wissensgenerierung;
- „die Digitalisierung aller Wirtschafts-, Berufs- und Lebensbereiche;
- die Virtualisierung des kollektiven Wissens, der Wertschöpfungsketten und der Erlebniswelten im World Wide Web.“[3]

Nationaler Kontext

- Die Grenzen der Finanzierbarkeit des Hochschulsystems;
- die zunehmende Ökonomisierung der Hochschulen, der Lehre, des Lernens und des Forschens gepaart mit der Forderung nach Profilbildung und Leistungstransparenz;
- globalisierte Haushalte in den Hochschulen und fallweise Einführung von Studiengebühren;
- die Forderung, Hochschulen als Dienstleistungsunternehmen zu verstehen mit dem Zwang zur Kundenorientierung;
- die Auseinandersetzung um Elitenbildung und Massenuniversität; die demographische Entwicklung von der Eliten- zur Massenhochschule einerseits und der umgekehrte Prozess andererseits durch den verstärkten Auftritt privater Hochschulen und kostenpflichtiger Studienangebote.

Globalisierung, technische Vernetzung, die Erhöhung der Mobilität im persönlichen und institutionellen Bereich und die Fragen nach alternativen Finanzierungsansätzen für das bundesdeutsche Hochschulsystem definieren demzufolge heute die Maßstäbe, die die Diskussion um Qualität und Qualitätsverbesserung in Lehre und Studium bestimmen. Aber nicht nur die äußeren Rahmenbedingungen haben sich gewandelt, sondern in deren Folge auch die Einschätzung dessen, was originäre Aufgabe der Hochschulen ist und wie sie am besten zu erfüllen ist.

Der „enzyklopädisch gebildete Gelehrte“[4] wurde ersetzt durch den hochspezialisierten Fachwissenschaftler, die in der Forschung üblichen Maßstäbe zur Reputationsbestimmung, wie Anzahl der Publikationen und Häufigkeit der Zitierverweise auf die eigene Arbeit, spielen für die Bewertung der Lehrqualität keine signifikante Rolle, der persönliche Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden ist mehr Ausnahme als Regel, das Wissen über die Vernetzung des Wissens wird oft wichtiger als das Wissen selbst. Diese und zahlreiche andere hochschulinterne Veränderungen stehen in einem konfliktträchtigen Verhältnis zu den vorhandenen, tradierten Strukturen und Verhaltensmustern dieser „organisierten Anarchien“.[5]

Die inhaltliche Fokussierung auf die Qualität von Lehre, Studium und Lernen in den hier zu behandelnden Qualitätssicherungsverfahren könnte als Versuch gewertet werden, die spezifischen Bedürfnisse zumindest einiger, der am Hochschulsystem partizipierenden Anspruchsgruppen, neu zu überdenken.

2.2 Nationaler und europäischer Kontext

Trotz immer noch erheblicher Vorbehalte, hauptsächlich begründet in der Unsicherheit über mögliche Konsequenzen der Qualitätssicherungs-verfahren, nehmen sowohl die wissenschaftlichen Schriften, als auch die praktischen Bemühungen zur Klärung der „Qualitätsfrage“ in Lehre und Studium inzwischen auch in Deutschland stetig zu. Auch die Auseinandersetzung mit den Erfahrungen in den Hochschulsystemen anderer Länder, ist intensiv, im Ergebnis aber keineswegs eindeutig oder gar konfliktfrei. Übereinstimmung herrscht weitgehend nur darüber, daß das Thema komplex, die Ausgangslage schwierig und der Lösungsdruck hoch ist.

Bereits heute zeichnet sich ab, daß schon die Bemühungen um eine nationale Vereinheitlichung der Methoden und Standards auf erhebliche und auch wohlbegründete Vorbehalte und Widerstände trifft. Gleiches gilt im europäischen Kontext.

„So unterscheidet sich das für Schweden vorgeschlagene Modell sowohl vom britischen, das sich auf leistungsorientierte Kennzahlen (Performance Indicators) verlässt, als auch vom französischen, in dem ein nationales Komitee ganze Universitäten evaluiert, und vom niederländischen, bei dem es intradisziplinäre Evaluationen an allen Universitäten in Übereinstimmung mit einem gesamtstaatlichen Fünfjahresplan gibt.“[6]

Neben den Lehrberichten, die in den meisten Bundesländern gesetzlich vorgeschriebenen sind, richtet sich die Aufmerksamkeit in der Bundesrepublik derzeit überwiegend auf das, in Anlehnung an das niederländische Modell[7], zweigeteilte Evaluationsverfahren mit einem internen und einem externen Zyklus.

2.3 Rollenzuschreibungen

Es sind nicht nur die Veränderungen in den Innen- und Außensystemen der Hochschulen die dazu beitragen, daß immer mehr Universitäten und Fachhochschulen dazu übergehen, Studiengänge und Fachbereiche zu evaluieren, sondern auch Vorgaben aus ihren rechtlich-politischen Sphären. Der § 6 des Hochschulrahmengesetzes[8] (HRG i.d.F. vom 20.8.1998) benennt den Punkt, macht aber keine Aussagen über die zur Verwendung kommenden Verfahren.

Da die Verantwortung für Studium und Lehre bei den Fakultäten und Fachbereichen liegt, entscheiden diese, in Abstimmung mit der Hochschulleitung, über die Methodik der Bewertung. Im Falle des intern/extern strukturierten Evaluationsverfahrens sind entweder länderbasierte Evaluationsagenturen (z.B. Zentrale Evaluations- und Akkreditierungsagentur Hannover (ZEvA); Evaluationsagentur Baden-Württemberg) oder externe Berater und Moderatoren (z.B. das Interdisziplinäre Zentrum für Hochschuldidaktik an der Universität Bielefeld; IZHD) in das Verfahren miteingebunden. Die Agenturen werden hauptsächlich koordinierend und unterstützend tätig und stellen ihre methodischen Kenntnisse und Erfahrungen in der Form von Leitfäden, Fragebögen und Checklisten zur Verfügung. Das IZHD, oder andere externe Berater, übernehmen dabei sehr viel weitergehende Verantwortung im methodisch-inhaltlichen Teil und ziehen das gesamte Verfahren weitgehend an sich. Die Verantwortung der internen Projektorganisation (Ansprechpartner, Steuerkreis, Meilensteine, Termintreue) liegt bei den Fachbereichen/Fakultäten. Fehlende Kenntnisse im Projektmanagement können im Regelfall aber ebenfalls durch die Agenturen aufgefangen werden.

Eine dritte Verfahrensmöglichkeit stellen Hochschulkooperationen wie z.B. der Verbund Norddeutscher Hochschulen zur Evaluation von Studium und Lehre (Nordverbund) oder der Hochschulverbund Halle-Leipzig-Jena dar. Hier entwickeln die Hochschulen in Eigenregie die methodischen Verfahren und die in ihnen maßgeblichen Beurteilungskriterien. Sie führen die Evaluationen in kollegialer Eigenverantwortung und mit gegenseitiger Unterstützung durch.

Von der Verfahrenswahl unabhängig kommen der Hochschulleitung unterstützende und kontrollierende Funktionen zu. Das gilt im Allgemeinen für Planung und Durchführung der Datenerhebung und im Besonderen bei der Umsetzung der im Abschlußbericht u.U. genannten Entwicklungs-optionen. Werden Zielvereinbarungen über zu leistende Entwicklungsschritte getroffen, kann sie gegenüber dem Fachbereich, der Fakultät die Rolle der Vertragspartnerin einnehmen.

Den Verfahren selbst können sehr unterschiedliche Rollen zugewiesen werden. Auf der praktischen Handlungsebene sind sie ein Interventions-instrument das Irritationen auslösen und Prozesse in Gang setzen kann und soll. Unter einer normativen Betrachtungsperspektive kann ihnen auch eine „Lückenbüßer-Funktion“ zugeschrieben werden. Damit meinen wir ihre Aufgabe als Steuerungsinstrument, daß versuchsweise die entstehende Lücke überbrücken oder ausfüllen soll, die zwischen dem Wegfall gesetzgeberischer Regularien und einer –noch- nicht implementierten autonomen, d.h. auch markt- und/oder kulturgesteuerten Hochschulführung entsteht. Ihre strategische Rolle sehen wir hauptsächlich in einer Signalfunktion die darauf hinweist, daß das Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Verwirklichung Humboldt´scher Ideale[9], staatlicher Reglementierung und veränderter Umweltanforderungen neu überdacht werden muss.

2.4 Problematisierung

Die Thematik scheint insgesamt schwierig zu sein, da bisher weder über die besonderen Bedingungen der Organisationsform „Hochschule“[10], noch über das Phänomen Qualität, weder über die Mittel zur Zielerreichung noch über die Ziele selbst abschließender oder auch nur vorübergehender Konsens besteht.

Laske (et al.) schreiben dazu:

„Sind Universitäten Institutionen, die noch nicht gemerkt haben, daß sich die gesellschaftlichen Maßstäbe für die Bewertung ihrer Qualität beständig verschieben, neu entstehen und / oder auflösen. Ist disziplinär orientierte Qualitätssicherung auf hohem Niveau angesichts der Herausforderungen einer zukünftigen Wissensgesellschaft an Verknüpfungswissen letztlich ein Rückschritt in Sachen individuell und gesellschaftlich relevanter Bildungsqualität? Wissen die „stakeholder“ der Universität, welche Qualität sie von der Universität überhaupt erwarten sollen, wollen und können?“[11]

Ergänzend dazu muß auf die Illusion der Homogenität in Begriff und Wesen der Hochschule einerseits und des Qualitätsbegriffs andererseits hingewiesen werden.

2.5 Der Qualitätsbegriff

Qualitätssicherungsverfahren wurden methodisch zuerst für wirtschaftlich orientierte Produktions- und Dienstleistungsbetriebe entwickelt. In der Folge fanden sie auch Anwendung auf Prozess und Angebot von „Non-profit-Organisationen“. Bei einer Übertragung auf Hochschulen müssten, neben die Überlegungen zur Übertragung strategischer und methodischer Vorgehensweisen auch diejenigen treten, die sich mit der Vergleichbarkeit der begrifflichen Inhalte befassen um die Schlüssigkeit der Verfahren zu gewährleisten.

„Qualis“ ist dem Lateinischen entlehnt und bedeutet „wie beschaffen“, oder auch „qualitas“ „die Beschaffenheit“[12]. Die DIN EN ISO 9000:2000 als technische Norm definiert Qualität:

„...als das Vermögen einer Gesamtheit von Merkmalen eines Produktes, Systems oder Prozesses zur Erfüllung von Forderungen von Kunden und anderen interessierten Partnern.“[13]

Damit wird Qualität in einen kontextuellen Bezug zu angenommenen oder tatsächlichen Kundenforderungen gesetzt. De Groot[14]

"Quality is determined by the degree to which the previously set objectives are met“

vereinfacht diese Beschreibung und lässt gleichzeitig offen, wer aus den relevanten Bezugsystemen die zu erfüllenden Kriterien definiert. Für unseren Kontext der Qualitätssicherung im systemischen Universum „Hochschule“, halten wir jedoch den Versuch von Harvey and Green[15]

"First, quality means different things to different people. Second, quality is relative to processes or outcomes."

für den praktikabelsten. Er verdeutlicht unsere eigene Einschätzung, daß Qualität nicht losgelöst vom fachlichen Kontext und damit allgemeingültig definierbar ist. Ein enger Bezugsrahmen zum systemischen Kontext, innerhalb dessen die Beschaffenheit eines Produktes, eines Subsystems oder Prozesses gemessen oder beurteilt werden soll, ist zwingend herzustellen.

Das bedeutet konsequenterweise, daß wir für diese Ausarbeitung einen Blick auf die Elemente des deutschen Hochschulsystems werfen und gleichzeitig den Versuch unternehmen müssen, die relevanten Bezugsysteme sowie deren Forderungen zu kennzeichnen. Technisch ausgedrückt gehen damit natürlich auch die Fragen nach dem Produkt und den Kunden von Hochschulen einher. Ob und wie weit diese ökonomischen Begrifflichkeiten auf das System Hochschule anwendbar sind.

2.5.1 Qualitätsideen und Qualitätsideale im Hochschulkontext

Wie bereits angedeutet, lehnen sich sowohl die zugrunde liegenden Werte als auch die Verfahren der Qualitätssicherung im Hochschulbereich in den allermeisten Fällen noch eng an die bereits entwickelten Vorstellungen aus dem produzierenden und/oder dienstleistenden Gewerbe an. Die Frage der Qualitätssicherung ist daher eng verknüpft mit derjenigen nach dem Selbstverständnis der Hochschulen in einem allgemeinen, hochschul-übergreifenden, aber auch in einem speziellen und individualisierten Sinne. Diese Unterscheidung scheint uns gerade im Hinblick auf die Organisations-spezifika der Hochschulen wichtig, da wir die doch weitgehend allgemeingebräuchliche Verwendung des Begriffes „Hochschule“ zur Bezeichnung einer „monolithisch“ erscheinenden Einheit für eine irreführende Fiktion halten.

Universitäten und Fachhochschulen sind aggregierte Konglomerate aus Instituten, Fakultäten, Fachbereichen, Studiengängen, Lehrstühlen und Einzelpersonen mit einer jeweils weitreichenden persönlichen und fachlichen Autonomie. D.h., daß nicht nur auf der Ebene des Gesamtsystems „Hochschule“ über qualitativ zu bewertende Produkte und Prozesse Konsens erzielt werden muss, sondern auch und gerade auf der fachspezifischen Ebene der jeweiligen Arbeitseinheiten (Fachbereiche, Studiengänge, Lehrstühle etc.).

Wenden wir, als Mittel zur konstruktiven Annäherung an das Phänomen Hochschule, ein der Wirtschaft entlehntes Vokabular innerhalb des Hochschulkontextes an, dann muss entweder schlüssig beantwortet werden, was in diesem Kontext „ Kunde, Entwicklung, Produktion, Dienstleistung und Vertrieb“ bedeuten, da dies die Kategorien sind auf die Qualitätssicherung im gewerblichen Kontext bezogen wird oder aber, es müsste der Versuch unternommen werden, für die Hochschulen eigenständige, fach- und fakultätsbezogene Definitionskategorien zu entwickeln.

Treiben wir diese Betrachtung noch einen Schritt weiter, dann kannn festgestellt werden, daß die Bemühungen des Hochschulsystems zur Entwicklung und zum Einsatz von Qualitätssicherungsverfahren nur eine Teilantwort auf eine noch weitgehend unbekannte oder zumindest ungenaue Fragestellung darstellen. Zuvor wäre vielmehr kritisch die grundlegende Qualitätsfähigkeit der bestehenden Systeme und Prozessbedingungen zu hinterfragen. Gleiches gilt selbstverständlich für die organisatorischen Voraussetzungen zur Umsetzung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung. So haben einige Hochschulen bereits der Hochschulleitung zugeordnete Stellen zur Qualitätssicherung eingerichtet (u.a. die Universitäten Hamburg, Bremen, Mannheim) oder sind länder- und/oder hochschulübergreifenden Evaluationsverbünden beigetreten. Dies aber sind noch Einzelbeispiele. Generelle Vorstellungen darüber, an welcher Stelle innerhalb des Organisationsgefüges welche Zuständigkeiten und Verantwortungen etabliert und mit Handlungsvollmachten ausgestattet werden müssten sind uns nicht bekannt geworden.

Die von uns betrachteten Organisationseinheiten richten ihre Qualitätsinteressen primär auf die Handlungsbereiche „Lehre“ und „Studium“. Die Qualität der „Forschung“ oder die Qualität der Verbindung derselben mit „Lehre“ und“ Lernen“ wird in dieser Diskussion, wenn überhaupt, sekundär behandelt. Dabei sind diese vier Tätigkeitsbereiche für unser Verständnis als die Kernaufgaben der Hochschulen zu identifizieren. Noch befremdlicher erscheint in diesem Zusammenhang, dass nur sehr geringe Aufmerksamkeit auf notwendige Neben- und Unterstützungs-prozesse dieser vier Kernaufgaben gerichtet wird. In der Zusammenfassung bedeutet dies, daß im Kontext der bundesdeutschen Hochschulentwicklung die momentan alles entscheidende Frage nicht die nach der Sicherung, sondern diejenige nach dem wie, wann und wo der Förderung von Qualität ist.

2.6 Orte des Qualitätsbemühens

Die Darstellung einer „Landkarte“ des Qualitätsbemühens soll einen groben Überblick über diejenigen Elemente, Teil- und Subsysteme der deutschen Hochschulstruktur ermöglichen, die durch Selbst- oder durch Fremdzuschreibung an der Qualitätsentwicklung und –sicherung im- oder explizit beteiligt sind. Dabei ignorieren wir an dieser Stelle diskursive und methodische Differenzen in Begriff und Bemühen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Orte des Qualitätsbemühens

Aus dieser schematisierten und an vielen Stellen unvollständigen Übersicht haben wir vier Organisationen für eine nähere Betrachtung ausgewählt:

[...]


[1] u.a. Notenschnitt, Anzahl der Abschlüsse, Verhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden etc.

[2] § 6 [Bewertung der Forschung, Lehre, Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und der Gleichstellung der Geschlechter] des Hochschulrahmengesetzes (HRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Januar 1999 (BGBl. I S. 18), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 16. Februar 2002 [BGBl. I S. 693].

[3] Erhardt, Manfred. Mehr Qualität und Leistung durch Wettbewerb und Eigenverantwortung. Zur Erneuerung deutscher Hochschulen. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.). Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 26/2002. Bonn, 01. Juli 2002. S. 3 – 6.

[4] Baumgarten, Marita. Professoren und Universitäten im 19. Jahrhundert. Zur Sozialgeschichte deutscher Geistes- und Naturwissenschaftler. Göttingen, 1997. (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; Bd.121). S. 17

[5] Wolff, Stephan. Sozialwissenschaftliche Grundlagen des Organisierens. Reader zum Studiengang Organization Studies der Universität Hildesheim. Hildesheim, 2000. S. 31.

[6] Bauer, Marianne; Franke-Wikberg, Sigbrit. Evaluation im schwedischen Hochschulwesen: Trends, Erwartungen und Risiken. In: Altrichter, Herbert; Schratz, Michael (Hrsg.): Qualität von Universitäten. Evaluation: Impulse für Innovation? Innsbruck, 1992. (Studien zur Bildungsforschung & Bildungspolitik; Bd. 6). S.140.

[7] Vgl.dazu: Centrum für Hochschulentwicklung / CHE; Hochschul-Informations-System GmbH / HIS (Hrsg.). Lehr- und Evaluationsberichte als Instrument zur Qualitätsförderung. Bestandsaufnahme der aktuellen Praxis. Ohne Ort und Datum. 18.07.02 Online in Internet. URL: http://www.che.de/assets/images/AP13.doc.
S. 19.

[8] „1Die Arbeit der Hochschulen in Forschung und Lehre, bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie der Erfüllung des Gleichstellungsauftrags soll regelmäßig bewertet werden.
2Die Studierenden sind bei der Bewertung der Qualität der Lehre zu beteiligen.
3Die Ergebnisse der Bewertungen sollen veröffentlicht werden.“

[9] Vgl. dazu: Humboldt, Wilhelm von. Schriften zur Politik und zum Bildungswesen. Fünfte, unveränderte Auflage. Stuttgart, 1996. (Werke in fünf Bänden, IV).

[10] Als Erklärungsversuch für das Phänomen “Hochschule” favorisieren wir in Ermangelung besserer Alternativen, immer noch das von March entwickelte “Mülleimer-Modell”. Nach: Wolff, Stephan. Sozialwissenschaftliche Grundlagen des Organisierens. Reader zum Studiengang Organization Studies der Universität Hildesheim. Hildesheim, 2000. S. 31.

[11] Laske, Stephan; Habersam; Michael; Kappler, Ekkehard. Vorwort. In: dieselben‚ (Hrsg.). Qualitätsentwicklung in Universitäten. Konzepte, Prozesse, Wirkungen. München, 2000. (Universität und Gesellschaft; Bd. 2). S. 5.

[12] Vgl. dazu: Kamiske, Gerd F.; Umbreit, Gunnar (Hrsg.). Qualitätsmanagement. Eine multimediale Einführung. Leipzig, 2001.

[13] ebd. S. 22.

[14] Vroeijenstijn, A. J.: Some Questions and Answers with Regard to External Quality Assessement. In: Higher Education in Europe, UNESCO-European Centre for Higher Education, VOL. XVIII, No. 3, 1993, S. 52. Zitiert nach: http://evanet.his.de/evanet/knowhow/kh.grund/kh.qualitat.html (02.08.02)

[15] a.a.O.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832466480
ISBN (Paperback)
9783838666488
DOI
10.3239/9783832466480
Dateigröße
649 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hildesheim (Stiftung) – unbekannt
Erscheinungsdatum
2003 (April)
Note
1,8
Schlagworte
evaluation hochschulentwicklung organisationsentwicklung systemtheorie forschung lehre
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