Beziehung zwischen Kulturlandschaft und Tourismus
Dargestellt am Beispiel der Saale-Unstrut-Region im Bundesland Sachsen-Anhalt
Zusammenfassung
Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts vollzieht sich in Europa ein Wandel von der Industrie- zur Freizeit- und Dienstleistungsgesellschaft. Kürzere Arbeitszeiten, höhere Einkommen und wachsende Mobilität sind die Ursachen für diesen Prozess. Die zunehmende Urbanisierung und Verschlechterung der Wohn- und Umweltsituation in den Städten lässt das Bedürfnis wachsen, die freie Zeit in Natur und Landschaft zu verbringen und sich dabei aktiv und passiv zu erholen. Historisch in besonderer Weise gewachsene Regionen, die Kulturlandschaften, werden zu begehrten Reisezielen. Aus diesem Bestreben nach freizeitorientierter Tätigkeit entwickelt sich der moderne Tourismus. Mit den neuen Erscheinungen der Internationalisierung und Globalisierung der gesellschaftlichen Prozesse wird der Tourismus zu einem eigenständigen und komplexen Wirtschaftszweig. Er bewirkt - besonders in seiner Extremform, dem Massentourismus - eine neue Qualität in den Folgen für die Kulturlandschaft. Positiv sind die finanziellen Mittel zu bewerten, die in die Kulturlandschaft fließen; negativ die mit dem Massentourismus verbundenen Folgen der Einflussnahme des Menschen, die bis hin zur Zerstörung der Kulturlandschaft führen können. Diesen Prozess aufzuhalten, wird es vieler Konzepte und Anstrengungen bedürfen, um sowohl die einzelnen Wirkungen in ihrer Ursächlichkeit zu bestimmen als auch langfristige, nachhaltige Maßnahmen zu ihrer Abwendung oder zumindest ihrer Verringerung durchzusetzen. Eine der Lösungen ist die Einrichtung von Schutzgebieten. Sie schaffen Rahmenbedingungen, in denen Tourismus und Kulturlandschaft gemeinsam existieren und Landschaften vor den Auswirkungen des Tourismus geschützt werden können. Ohne die Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft würde dem Tourismus die Grundlage entzogen.
Ziel dieser Arbeit ist die Darstellung und Untersuchung der Kulturlandschaft und des Tourismus sowie ihres zwiespältigen Verhältnisses. Einerseits ist die Kulturlandschaft Besuchsziel für den Touristen. Andererseits wirkt er mit seinen Ansprüchen, traditionellen Verhaltensmustern und den damit verbundenen Belastungen dem Erhalt von Natur und Kultur entgegen. Zugleich ist die Kulturlandschaft unter ökonomischen Gesichtspunkten am Tourismus interessiert, da er die Wirtschaftskraft der Region stärken, Arbeitsplätze schaffen und Geld für die Pflege und den Erhalt der schutzwürdigen Landschaft einbringen kann.
Kulturlandschaft und Tourismus unterliegen jedoch […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts vollzieht sich in Europa ein Wandel von der Industrie- zur Freizeit- und Dienstleistungsgesellschaft. Kürzere Arbeitszeiten, höhere Einkommen und wachsende Mobilität sind die Ursachen für diesen Prozess (EGLI 2000). Die zunehmende Urbanisierung und Verschlechterung der Wohn- und Umweltsituation in den Städten (KULINAT/STEINECKE 1984) lässt das Bedürfnis wachsen, die freie Zeit in Natur und Landschaft zu verbringen und sich dabei aktiv und passiv zu erholen. Historisch in besonderer Weise gewachsene Regionen, die Kulturlandschaften, werden zu begehrten Reisezielen. Aus diesem Bestreben nach freizeitorientierter Tätigkeit entwickelt sich der moderne Tourismus. Mit den neuen Erscheinungen der Internationalisierung und Globalisierung der gesellschaftlichen Prozesse wird der Tourismus zu einem eigenständigen und komplexen Wirtschaftszweig. Er bewirkt - besonders in seiner Extremform, dem Massentourismus - eine neue Qualität in den Folgen für die Kulturlandschaft. Positiv sind die finanziellen Mittel zu bewerten, die in die Kulturlandschaft fließen; negativ die mit dem Massentourismus verbundenen Folgen der Einflussnahme des Menschen, die bis hin zur Zerstörung der Kulturlandschaft führen können. Diesen Prozess aufzuhalten, wird es vieler Konzepte und Anstrengungen bedürfen, um sowohl die einzelnen Wirkungen in ihrer Ursächlichkeit zu bestimmen als auch langfristige, nachhaltige Maßnahmen zu ihrer Abwendung oder zumindest ihrer Verringerung durchzusetzen. Eine der Lösungen ist die Einrichtung von Schutzgebieten. Sie schaffen Rahmenbedingungen, in denen Tourismus und Kulturlandschaft gemeinsam existieren und Landschaften vor den Auswirkungen des Tourismus geschützt werden können. Ohne die Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft würde dem Tourismus die Grundlage entzogen.
Ziel dieser Arbeit ist die Darstellung und Untersuchung der Kulturlandschaft und des Tourismus sowie ihres zwiespältigen Verhältnisses. Einerseits ist die Kulturlandschaft Besuchsziel für den Touristen. Andererseits wirkt er mit seinen Ansprüchen, traditionellen Verhaltensmustern und den damit verbundenen Belastungen dem Erhalt von Natur und Kultur entgegen. Zugleich ist die Kulturlandschaft unter ökonomischen Gesichtspunkten am Tourismus interessiert, da er die Wirtschaftskraft der Region stärken, Arbeitsplätze schaffen und Geld für die Pflege und den Erhalt der schutzwürdigen Landschaft einbringen kann.
Kulturlandschaft und Tourismus unterliegen jedoch nicht nur dieser allgemeinen Wechselbeziehung, sondern auch anderen Beeinflussungsfaktoren, wie z.B. natürlich bedingten Veränderungen und solchen in der Gesellschaft. So vollzog sich auf dem Gebiet der DDR im Zuge der deutschen Wiedervereinigung ein gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und soziodemographischer Strukturwandel. Eine enorm rückläufige Zahl industrieller und landwirtschaftlicher Arbeitsplätze in Großbetrieben verursachte Arbeitslosigkeit und
Abwanderung der Bevölkerung. Ein Gebiet, das sich in einem solchen Wandlungsprozess befindet, ist die Saale-Unstrut-Region, die im Südwesten des Bundeslandes Sachsen-Anhalt liegt. Die Bevölkerung dieser Region nutzte den Neuanfang, sich auf ihre Geschichte und Traditionen zu besinnen. Die geographische Lage ermöglichte es ihr - und die wirtschaftliche Lage zwang sie dazu – den Tourismus als Wachstumsfaktor unter marktwirtschaftlichen Aspekten zu entwickeln. Die Regierung dieses Landes, die Kommunen und Menschen, die sich in ehrenamtlichen Vereinigungen engagiert zusammenschlossen, sehen gerade in der Entwicklung des Tourismus ein geeignetes Mittel, Chancen und Alternativen in der Wirtschaftsstruktur zu schaffen.
Insofern bietet der Zeitraum von ca. 12 Jahren (1990-2001) interessante Möglichkeiten, Entwicklungstendenzen und Beziehungen zwischen Kulturlandschaft und Tourismus zu untersuchen.
2. Untersuchungsziele
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Beziehungen zwischen Kulturlandschaft und Tourismus. Das erfordert, sich theoretisch mit dem Inhalt und der Entwicklung beider Begriffe auseinander zu setzen. Es wird der Versuch unternommen, den aktuellen Stand der Begriffsdiskussion vorzustellen. Dieser wird von den grundlegenden Umgestaltungen in der gesellschaftlichen Entwicklung um die Jahrtausendwende bestimmt. Ein verändertes Verständnis von der Kulturlandschaft und der Verantwortung des Tourismus hat neue Fragen aufgeworfen, die es zu beantworten gilt. Sie betreffen den Erhalt und die Pflege der Kulturlandschaft sowie die Stellung des Tourismus.
Am Beispiel der Saale-Unstrut-Region werden die natur- und kulturräumlichen Merkmale, d.h. die touristischen Potenziale dargestellt und bewertet. Sie bestimmen Inhalt und Formen des Tourismus. Untersuchungen sollen Aufschluss über das Verhalten des Touristen geben, mit dem er auf seine Umwelt direkt oder indirekt einwirkt. Es soll geprüft werden, welche Rahmenbedingungen es gibt, um die Kulturlandschaft zu schützen und zu erhalten und wie sie umgesetzt werden. Davon hängen in bedeutendem Maße die nachhaltige Regional-entwicklung und auch die wirtschaftliche Zukunft der Region ab. Aus der Beziehung zwischen Kulturlandschaft und Tourismus entstehen Chancen und Risiken, die zu analysieren sind. Wie das Verhältnis zwischen beiden reguliert und gesteuert wird, dürfte für die perspektivische Entwicklung beider Seiten von Bedeutung sein.
Es sollen folgende Fragen beantwortet werden:
- Ist die Saale-Unstrut-Region ein traditionelles Urlaubsgebiet?
- Welches sind die bestimmenden Tourismusarten?
- Welche Rolle spielt der Weinbau?
- Welche Maßnahmen werden zur Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft durchgeführt?
- Welche Chancen und Risiken gibt es für den Tourismus und die Kulturlandschaft?
- Hat sich der Tourismus zum Wirtschaftsfaktor entwickelt?
Zur Beantwortung der Fragen werden empirische Erhebungen im Untersuchungsgebiet zur Struktur des Tourismus, den Rahmenbedingungen für die Kulturlandschaft und zur Rolle des Tourismus in der Kulturlandschaft durchgeführt.
3. Kulturlandschaft und Tourismus
3.1 Kulturlandschaft
3.1.1 Inhalt und Entwicklung des Begriffs Kulturlandschaft
Natur- und Kulturlandschaften werden heute in den verschiedenen Fachrichtungen gesondert betrachtet. Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffs Kulturlandschaft, sondern je nach Aufgabenstellung (Behörden, Naturschutz, Geographen, Ökonomen...) eine spezifische inhaltliche Interpretation.
In der Literatur besteht Übereinstimmung darüber, dass Kulturlandschaften im Laufe historischer Zeiträume entstanden sind (BURGGRAAFF/KLEEFELD 1998; BRODENGEIER 1996; WAGNER 1999).
Einige Autoren bezeichnen Kulturlandschaften als Ergebnis bzw. Produkt historischen Wirkens des Menschen (REICHHOFF 1996; NEEF 1981). GUNZELMANN (1987) charakterisiert sie darüber hinaus als Integrationsergebnis von Kultur und Natur.
Seit dem ersten Eingriff des Menschen in die ursprüngliche Naturlandschaft findet nunmehr über Jahrtausende eine ständige Veränderung und Gestaltung der Landschaft statt. Die heutige Kulturlandschaft ist sowohl Ergebnis als auch Zwischenstadium in der Entwicklung. Natürliche und gesellschaftliche Prozesse werden die Landschaft auch künftig verändern.
Die beiden Wortbestandteile des Begriffs Kulturlandschaft heben sich voneinander ab. Kultur wird allein durch menschliches Handeln hervorgerufen. Der Begriff Landschaft geht dagegen auf natürliche Prozesse zurück und wird nicht mit der anthropogenen Überformung in Verbindung gebracht. SCHLÜTER (1928) stellt im Rahmen einer physischgeographischen Betrachtungsweise die kulturellen Kräfte in unterschiedlichen Zeiträumen in den Vorder-grund, die auf die Landschaft wirken und an der Entstehung der Kulturlandschaft beteiligt sind. Er bezeichnet das Ergebnis als Morphologie der Kulturlandschaft.
Früher ging man davon aus, dass sich die Menschen an die natürlichen Voraussetzungen anpassen (SIEMANN 2000).
Kulturlandschaften werden durch natürliche Ausgangsbedingungen und deren naturgesetzlich bestimmten Prozesse geprägt bzw. bestimmt (BRODENGEIER 1996; KLEIN et al. 1997). Für NEEF (1981) entsteht die Kulturlandschaft aus naturgegebener Materie, die den Ansatz für weitere Entwicklungen der Kulturlandschaft bildet.
Heute werden die anthropogenen Wirkungen auf Kulturlandschaften in den Mittelpunkt gestellt. Verschiedene Autoren beziehen den Kulturlandschaftsbegriff auf das Wirken und die Nutzung der Landschaft durch den Menschen (BRODENGEIER 1996; KLEIN et al. 1997; KONOLD 1996). Während KLEIN et al. die kulturhistorische bzw. sozioökonomische Entwicklung hervorheben, bezeichnet KONOLD die Kulturlandschaft als Kunstwerk, Wirtschaftsgut und Natur. Die anthropogene Überformung der Kulturlandschaft wird im Rahmen einer funktionalen Entwicklung vollzogen (NEEF 1981).
Laut NATURSCHUTZBUND (2001) bezog sich der Kulturlandschaftsbegriff inhaltlich lange Zeit vorwiegend auf die Kultivierung des Bodens. Dabei war das Landschaftsbild auf eine Agrarlandschaft mit Feldern, Dörfern und Wäldern beschränkt.
Die sozialgeographische Sichtweise der Münchner Schule rückt verstärkt die Verhaltens-weisen der Menschen in den Mittelpunkt und nicht mehr die Landschaft selbst (MAIER et al. 1977; RUPPERT 1976). MAIER et al. sehen die Kulturlandschaft als komplexes Gefügebild räumlicher Strukturmuster an, das gesellschaftliche Daseinsfunktionen erfüllt. BURGGRAAFF (2000) bezeichnet diese Funktionen als existenzielle, gesellschaftliche, wirtschaftliche und ästhetische Bedürfnisse.
WIRTH (1979) kennzeichnet die Kulturlandschaft als vom Menschen selbst geschaffene Umwelt. Er verweist aber auf ihre Bedeutung als persistente Rahmenbedingung, d.h. der menschlichen Gestaltung wird durch frühere Nutzungen ein Rahmen gesetzt.
Die Entwicklung der Landwirtschaft, des Handwerks, der Industrie, des Baugewerbes und der Infrastruktur führt zu einer wachsenden Einflussnahme des Menschen auf seine Umgebung und verändert damit auch die Bedeutung des Landschaftsbegriffs. Landschaft ist somit nicht mehr nur von der Natur bestimmt, sondern von den Menschen, die die Landschaft nach ihren Vorstellungen und Notwendigkeiten gestalten.
Mit Kulturlandschaften werden heute alle Aktivitäten des Menschen assoziiert, mit denen er auf seine Umwelt einwirkt.
Kulturlandschaften bestehen aus Elementen, die vom Menschen geschaffen und in den Naturraum integriert werden (GUNZELMANN 1987; BURGGRAAFF/KLEEFELD 1998). Während sich GUNZELMANN auf die räumliche Anordnung kultureller und anthropogener Elemente bezieht, unterscheiden BURGGRAAFF/KLEEFELD konkret Punkt-, verbindende Linien-, und zusammenfassende sowie zusammengehörige Flächenelemente. Sie sind in ihrer funktionalen und sich prozessual verändernden Struktur in der Kulturlandschaft sichtbar. BECKER (1998) differenziert zwischen Elementen, die durch Größe, Länge oder Netzstruktur flächenhaft und solchen, die durch ihren Charakter nur örtlich wirken.
Die Kulturlandschaft setzt sich vorwiegend aus Bauwerken, industriellen und landwirt-schaftlichen Zweckbauten, aber auch Straßen, Wegen und Bahnverbindungen, Wohn-anlagen sowie land- und forstwirtschaftlichen Flächen zusammen.
Aus der Dominanz bestimmter Elemente lassen sich Kulturlandschaftsarten ableiten, die durch natur- und kulturräumliche Faktoren im Laufe der Zeit geprägt wurden, eine typische Funktion und ein differenziertes Erscheinungsbild hervorbringen (WAGNER 1999; BURGGRAAFF/KLEEFELD 1998; JOB 1999). Dazu gehören beispielsweise Siedlungs- und Industrielandschaften.
REICHHOFF (1996) verwendet den Begriff „Historische Kulturlandschaft“ als Ergebnis einer über Generationen hinweg andauernden Nutzung des Naturraumes und seiner Potenziale. Sie zeichnet sich durch persistente Elemente und Strukturen aus, die sichtbar und landschaftsbestimmend sind (GUNZELMANN 1987).
Von Reichhoff wird als historische Kulturlandschaft vor allem eine ökologisch und kulturhistorisch erhaltenswerte Landschaft angesehen. Er führt Kriterien auf, die weitgehend Grundzielen des Naturschutzes entsprechen, wie natürliche Ausstattung, charakteristische Flächennutzung, Besonderheiten sowie historische Zeugnisse. Darunter fallen spezifische und wertsetzende Kriterien, wie
- ökologisch intakter Naturhaushalt und Reichtum an gebietsspezifischen Pflanzen, Tieren und deren Lebensräumen,
- gute Nutzbarkeit der Naturgüter,
- nachhaltige und gebietsspezifische Landnutzung,
- gebietsspezifische Schönheit, Vielfalt und Eigenart des Landschaftsbildes,
- gebietsspezifische Landschafts- und Kulturgeschichte
(REICHHOFF 1996, S. 7).
Landschaften, die solchen Kriterien entsprechen, wirken auf Menschen anziehend und eindrucksvoll. Nicht zuletzt werden sie auch deshalb zu Besuchsmotiven und touristischen Zielen. Historische Kulturlandschaften, mit denen sich Menschen identifizieren und die in nutzungsgeschichtlicher, kultureller, ökologischer und ästhetischer Tradition erlebbar werden, erlangen - auch wegen ihrer zunehmenden Gefährdung - eine besondere Wert-schätzung. Die historische Kulturlandschaft kann somit zur touristischen Aufwertung einer Region beitragen.
Von einem ästhetischen Aspekt der Kulturlandschaft spricht NEEF (1981). GUNZELMANN (1987) fügt unter ästhetischen Gesichtspunkten die Denkmalpflege hinzu. Kulturlandschaften werden hier als Integration von Naturschönem und Kunstschönem betrachtet. Er gibt dem Einfluss auf die Kulturlandschaft durch den Menschen insofern einen neuen Aspekt, indem er sagt, dass die Landschaft durch dieses Einwirken ihre Ursprünglichkeit verliert und damit ihre Ästhetik verändert wird. Diese ästhetische Gestaltung kann vor allem durch denkmal-pflegerische Maßnahmen erhalten und geschützt werden.
In den letzten Jahren hat der Kulturlandschaftsbegriff eine komplexere Definition nicht nur bei den Experten sondern auch bei den unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräften erfahren. Stärkere Gewichtung hat der aktive Anteil des Menschen an der Umgestaltung wie am Erhalt der Kulturlandschaft gewonnen. Die Veränderungen durch die globalen Wirkungen menschlicher Tätigkeit, bis hin zum Klima, haben das Bewusstsein für die Umwelt, sensibilisiert. Zugleich wird der Kulturlandschaft ein Auftrag zur eigenen Identifikation, zur Bildung und zur Geschichtsdiskussion zugewiesen. Die historischen Elemente veranlassen den Betrachter, sich mit den Zeugnissen vergangener Zeiten vertraut zu machen, sie schätzen zu lernen und sich mit ihnen auseinander zu setzen.
Um den Begriff der Kulturlandschaft im Rahmen spezifischer Aufgabenstellungen genauer zu definieren, werden den Landschaften bestimmte Merkmale zugeordnet. Das kann nach dem Grad der anthropogenen Beeinflussung des Naturraumes geschehen oder nach Funktionen, die in der Landschaft ausgeübt werden. Man verwendet dabei eine Verknüpfung des Wortes Landschaft mit einer typischen Merkmalsausprägung des Gebietes, z.B. Stadtlandschaft, Agrarlandschaft, Erholungslandschaft, Bäderlandschaft oder Weinbaulandschaft.
SCHÖNFELDER (1999) ist der Auffassung, für Natur- und Kulturlandschaft besser die Begriffe „Naturraum“ und „Landschaft“ zu verwenden. Bestätigt wird dieses Verständnis durch das BUNDESNATURSCHUTZGESETZ (1998). Es verwendet in seinem § 1 nicht den Begriff der Kulturlandschaft, sondern die Termini Natur und Landschaft, ohne sie näher zu bestimmen.
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es sich beim Schutz der Landschaft nicht um reine Naturlandschaften handelt, sondern um Gebiete, die durch anthropogene Elemente geprägt sind (SIEMANN 2000).
Den vorliegenden Kulturlandschaftsdefinitionen ist die Aussage gemeinsam, dass die Kulturlandschaft das Ergebnis menschlicher Einwirkung auf die (Natur)-Landschaft ist. Damit ist jede Industrielandschaft, Agrarlandschaft oder Siedlungslandschaft der Definition nach eine Kulturlandschaft. Entsprechend der Zielstellung der vorliegenden Arbeit werden nur solche Kulturlandschaften betrachtet, die aus Sicht des Tourismus ein Nachfrageziel darstellen. In diesem Fall sind Faktoren wie Attraktivität, Naturschönheit, Ästhetik, Kultur, Historizität zu berücksichtigen. Das schließt ein, dass beispielsweise eine Industrielandschaft im Zuge des Bildungstourismus ein touristisches Ziel sein kann.
3.1.2 Schutz der Kulturlandschaft
Die Auffassung, dass historische Kulturlandschaften zu erhalten, zu schützen und zu pflegen sind, ist weltweit unbestritten. Nachfolgend wird auf die bestimmenden internationalen und nationalen Regelungen zum Schutz von Kulturlandschaften eingegangen. Im Anschluss daran werden Grundaussagen zum Begriff und zum Inhalt der Kulturlandschaftspflege getroffen.
Die Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) hat am 16. November 1972 ein Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt geschlossen. Dieses hat folgende Ziele: „Erfassung, Schutz und Erhaltung in Bestand und Wertigkeit des Kultur- und Naturerbes sowie die Sicherstellung der Weitergabe an künftige Generationen. Die Vertragsstaaten sollen sich bemühen, eine allgemeine Politik zum Schutze der Landschaften von hervorragender Schönheit und Vielfalt sowie der Zeugnisse vergangener oder bestehender Kulturen zu verfolgen und erforderliche Maßnahmen setzen“ (CIPRA 2001).
Die Erhaltung des Erbes wird als wesentliche Aufgabe der nachhaltigen Entwicklung angesehen. Die internationale Gemeinschaft unterstützt und verwirklicht diese Aufgabe durch die Aufnahme herausragender Kulturlandschaften in die Weltkulturerbe-Liste der UNESCO. Damit wird nicht nur das Verständnis der Staaten gefördert, sondern auch ihre Verpflichtung hervorgehoben, diese Kulturlandschaften zu erhalten. Vorgesehene Veränderungen dürfen den historischen Charakter nicht beeinträchtigen. Als Sanktion wird die Nichtaufnahme in bzw. der Ausschluss aus der Welterbe-Liste angedroht, als Fördermaßnahme werden Naturschutzdiplome verliehen.
Auf europäischer Ebene gibt es aus dem UNESCO-Übereinkommen abgeleitete Maßnahmen, wie die Kampagne des Europarates 1999/2000 „Europa ein gemeinsames Erbe“. Darin werden die Mitgliedsstaaten aufgefordert, diese Aktion national bekannt zu machen und umzusetzen (JESCHKE 2001).
Die konkrete Verwirklichung dieser internationalen Festlegungen bedarf der Umsetzung in nationale Normen und Gesetze, um entsprechendes Handeln durchzusetzen.
In der Bundesrepublik Deutschland sind die grundsätzlichen Regelungen dazu im Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (BUNDESNATURSCHUTZGESETZ 1998) enthalten. Darin heißt es im § 1, Absatz 1 (S. 1):
„Natur und Landschaft sind im besiedelten und unbesiedelten Bereich so zu schützen, zu pflegen und zu entwickeln, dass
1. die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts,
2. die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter,
3. die Pflanzen- und Tierwelt sowie
4. die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft
als Lebensgrundlagen des Menschen und als Voraussetzung für seine Erholung in Natur und Landschaft nachhaltig gesichert sind“.
Im § 2, Ziffer 13 (S. 2) heißt es:
„Historische Kulturlandschaften und –landschaftsteile von besonders charakteristischer Eigenart sind zu erhalten. Dies gilt auch für die Umgebung geschützter oder schützenswerter Kultur-, Bau- und Bodendenkmäler, sofern dies für die Erhaltung der Eigenart und Schönheit des Denkmals erforderlich ist“.
Im §12, Absatz 1 (S. 8) wird festgelegt:
„Teile von Natur und Landschaft können zum
1. Naturschutzgebiet, Nationalpark, Biosphärenreservat, Landschaftsschutzgebiet, Naturpark oder
2. Naturdenkmal oder geschützten Landschaftsbestandteil erklärt werden“.
Im § 12, Absatz 2 (S. 8) wird dazu ausgeführt: „Die Erklärung bestimmt den Schutz-gegenstand, den Schutzzweck, die zur Erreichung des Zwecks notwendigen Gebote und Verbote und, soweit erforderlich, die Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen oder die Ermächtigungen hierzu“.
Ergänzt werden diese Maßnahmen durch die Arbeit der Kommunen, Vereine und Organisationen, die sich den Erhalt der Kulturlandschaften in ihrer jeweiligen Region zur Aufgabe gemacht haben.
Zwischen der allgemein festgestellten Schutzbedürftigkeit einer Kulturlandschaft und den unterschiedlichen Interessen der Gesellschaft und ihrer Vertreter kann es jedoch zu Konflikten kommen, die es einvernehmlich zu lösen gilt. Absicht des Gesetzgebers ist es, die damit verbundenen Probleme und Widersprüche so gering wie möglich zu halten. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen geschaffen hat, um den Kulturlandschaften oder einzelnen Objekten die notwendige Fürsorge zuteil werden zu lassen. Die weitere Konkretisierung der gesetzlichen Regelungen ist Aufgabe der Länder, die wiederum bestimmte Anordnungen mit den zuständigen Bundesministerien abzustimmen haben.
Bedeutender Aspekt des Schutzes der Kulturlandschaft ist die Kulturlandschaftspflege. Wenn Teile von Natur und Landschaft zu Schutzgebieten erklärt werden, so sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz in die Erklärung Maßnahmen zur Pflege und Entwicklung aufzunehmen. Die Begriffe der Pflege und Entwicklung bedürfen der Interpretation.
FEHN (2001) versteht darunter den konservierenden Schutz, die erhaltende Pflege und die substanzschonende Weiterentwicklung der Kulturlandschaft. Für den Naturschutz sieht er die Naturnähe als entscheidendes Kriterium, für die Landschaftspflege die Ästhetik und für die Denkmalpflege die historische Authentizität. Andere Autoren wie BURGGRAAFF/ KLEEFELD (1998) entwickeln eine Definition der Kulturlandschaftspflege, die vom Schützen über Pflegen bis zum Weiterentwickeln reicht. Unter „Schützen“ verstehen sie, bestimmte Kulturlandschaftsschutzgebiete aus der gegenwärtigen Nutzung herauszunehmen und quasi wie ein Museum zu konservieren. Unter „Pflegen“ verstehen sie entsprechende Bewirt-schaftung und Nutzung unter besonderer Berücksichtigung historischer Substanz. Unter „Behutsamen Weiterentwickeln“ verstehen sie die Schaffung von Konzepten zur Erhaltung und Weiterentwicklung des natürlichen Potenzials, des spezifischen Landschaftsbildes und der kulturhistorischen Entwicklung in Übereinstimmung mit dem gesellschaftlichen Werteverständnis.
3.2 Tourismus
3.2.1 Inhalt und Entwicklung des Begriffs Tourismus
Die begriffstheoretische Ausgangslage ist eine ähnliche wie bei der Kulturlandschaft. Die Definition variiert je nach Entstehungszeit, Fachrichtung und Definitionszweck.
In der Literatur gibt es sowohl den Begriff Tourismus als auch den Begriff Fremdenverkehr. Viele Autoren verwenden den Begriff Tourismus (BECKER et al. 1996; WOLF/JURCZEK 1986; JAGNOW 1998; ELLENBERG et al. 1997), andere Autoren, wie z.B. DODT (1967), haben sich auf den Terminus Fremdenverkehr festgelegt. BENTHIEN (1997), FREYER (1995), KASPAR (1996), EISENSTEIN (1996) und OPASCHOWSKI (1996) fassen beide Begriffe als Synonyme auf. Manche Autoren begründen die Entscheidung für den Begriff Tourismus mit der Internationalisierung und Globalisierung (BENTHIEN 1997) oder aber mit der Berücksichtigung wirtschaftlicher Effekte (WOLF/JURCZEK 1986).
Unter Beachtung, dass der Begriff Tourismus ein international anerkannter Terminus ist, wird er in der vorliegenden Arbeit verwendet.
Als charakteristisches Merkmal für touristische Aktivitäten wird ein Ortswechsel angesehen (KASPAR 1996; OPASCHOWSKI 1996; FREYER 1995; BECKER et al. 1996). OPASCHOWSKI präzisiert, dass sich Touristen an Orte außerhalb ihres gewohnten Umfeldes begeben. KASPAR erklärt, dass Touristen an Orte reisen, die nicht zu den hauptsächlichen und dauernden Wohn- und Arbeitsorten zählen. Der Autor definiert den Tourismus als Gesamtheit von Erscheinungen und Beziehungen, die durch den Aufenthalt von Personen entstehen.
Ehe ein Tourist reist, hat er Motive, die ihn zur Reise veranlassen. OPASCHOWSKI (1996) und ELLENBERG et al. (1997) haben konkrete Vorstellungen von den Tätigkeiten der Besucher. So verweisen sie darauf, dass sich die Besucher Wirtschafts- und Kulturgüter zu Nutze machen. Während OPASCHOWSKI diesen Besuchern freizeitorientierte, geschäft-liche und andere Zwecke zuordnet, sehen ELLENBERG et al. die körperliche und geistige Erholung sowie die zu erfüllenden Lebensbedürfnisse als Hauptziel der Tätigkeit an. Einige Autoren sind der Meinung, dass mit dem Tourismus keine Erwerbstätigkeit in Verbindung gebracht werden sollte. Dagegen plädiert OPASCHOWSKI für den Einschluss des „Geschäftstourismus“ in den Tourismus.
Weitere Differenzierungen des Tourismusbegriffs lassen sich nach der Aufenthaltsdauer der Besucher vornehmen. Eine besondere Rolle spielt die Unterscheidung in Tages- und Übernachtungstourismus sowie ihr Verhältnis zueinander. Unter einem Tagesausflug verstehen EISENSTEIN (1996), OPASCHOWSKI (1996) und FREYER (1995) den kurzfristigen Aufenthalt von Personen in Zielgebieten, der maximal auf einen ganzen Tag (ohne Übernachtung) beschränkt ist. KULINAT/STEINECKE (1984) und FREUND (1987) bezeichnen dies als Naherholung. Darunter werden raumbezogene Freizeitformen ohne Übernachtung verstanden.
Der Tagesausflug wird in primären und sekundären Tagesausflugsverkehr unterteilt. Bei Ersterem ist der Wohnort Start und Ziel, und beim Letzteren brechen die Besucher zu einem Ausflug im Zielgebiet auf (EISENSTEIN 1996).
Beim kurzfristigen Übernachtungstourismus unterscheidet DODT (1967) in eine sehr kurze Aufenthaltsdauer (maximal 2 Tage) eine kurze (bis zu 3 Tagen) und eine mittlere (4-5 Tage). OPASCHOWSKI (1996) bezeichnet diese Einteilung als Freizeittourismus bzw. Kurzurlaubsreise. Nach DODT (1967) beginnt der langfristige Aufenthalt ab 6 Tagen. FREYER (1995) teilt in kurzfristigen Tourismus und Erholungstourismus ein. ELLENBERG et al. (1997) vertreten die Auffassung, dass es sich beim Tourismus um einen vorüber-gehenden Aufenthalt handelt, ohne eine Unterscheidung in Tagesausflügler und Touristen vorzunehmen. Die Welttourismusorganisation stützt diese These, indem sie in ihrer Tourismusdefinition nur eine maximale Grenze der Aufenthaltsdauer bis zu einem Jahr angibt (JAGNOW 1998). Auch KASPAR (1996) differenziert nicht in Tages- und Über-nachtungstourismus. Die Organisation für ökonomische Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bezeichnet Tourismus als „über 24 Stunden hinausgehenden Reiseverkehr zum Zwecke der Erholung“ (ELLENBERG et al. 1997, S. 42). Dieser engen Auslegung schließt sich die Mehrzahl der Autoren nicht an. Sie geht davon aus, dass der Tagesausflügler zugleich Tourist sein kann.
Auch in der vorliegenden Arbeit wird der Tagesausflügler dem Tourismus zugerechnet und mit Ausflugsverkehr und Naherholung gleichgesetzt. Der Begriff Naherholung beschreibt mehr die Reichweite als die Aufenthaltsdauer. Es wird davon ausgegangen, dass Touristen einen Ortswechsel vornehmen, der von ihrem dauerhaften Wohn- und Arbeitsort ausgeht. Sie begeben sich in ein Zielgebiet, um dort freizeitorientierte Aktivitäten auszuüben. Sie können trotz fehlender Übernachtung als Tagestouristen alle touristischen Angebote nutzen.
Die theoretische Unterscheidung in primären und sekundären Tagesausflugsverkehr ist für diese Untersuchung insofern nicht von Bedeutung, als die Interessen, Verhaltensweisen und Wirkungen der Besucher in der Kulturlandschaft unabhängig von ihrer Aufenthaltsdauer untersucht werden sollen.
Ausgehend von der Vielfalt der touristischen Aktivitäten ist es erforderlich, den Oberbegriff Tourismus durch bestimmte Merkmale bzw. Motive zu klassifizieren. Kulturtourismus, Weintourismus, Kurtourismus, Naturtourismus, Radtourismus, Erholungstourismus oder Geschäftstourismus bilden die Grundlage für die jeweiligen konkreten Anforderungen an die Kulturlandschaft sowie für die Motive und Ansprüche des Touristen. Dies trifft gleichermaßen auf die Ausgestaltung und die damit verbundenen Wirkungen zu. So wird beispielsweise der Radtourismus andere Organisationsformen verlangen und andere Folgen für die Kulturlandschaft haben als der Kulturtourismus.
3.2.2 Sanfter Tourismus
Der Tourismus hat sich in vielen nationalen und internationalen Urlaubsgebieten zum Massentourismus entwickelt und zu schweren Belastungen der Umwelt und zur Zerstörung von Landschaften geführt. In den 70er und 80er Jahren wurde mit der Suche nach alternativen Konzepten und Formen des Tourismus begonnen.
So hielt Mitte der 80er Jahre der Begriff des sanften Tourismus Einzug in die tourismuspolitische Diskussion (ELSASSER 1995; KONIECKI 1992; BECKER et al. 1996). Bedeutung erlangte er vor allem durch Jost Krippendorf und Robert Jungk. Der eine unterstrich nachdrücklich die schädlichen gegenwärtigen und künftigen touristischen Auswirkungen auf die Natur. Der andere stellte Kriterien zu unterschiedlichem Reise-verhalten der Touristen auf (BECKER et al. 1996). Jungk unterscheidet dabei in Touristen, die sich als Gäste verstehen, Interesse für das Gebiet zeigen und sich angemessen verhalten (sanftes Reisen) und in solche, die wenig Zeit mitbringen, durch alle sehenswerten Objekte „durchgeschleust“ werden und sich nicht auf den Lebensstil der einheimischen Bevölkerung einstellen wollen (LOSANG 2000; SPITTLER 1996).
Der Begriff des sanften Tourismus wird heute meist im Rahmen eines wachsenden Umweltbewusstseins verwendet (BECKER et al. 1996; LOSANG 2000), wobei SCHEMEL (1992) eine ganzheitliche Betrachtung des sanften Tourismus und eine Zusammenarbeit mit anderen Wirtschafts- und Lebensbereichen fordert. Er warnt davor, den sanften Tourismus als Scheinbild für effektvolle Werbestrategien zu missbrauchen und fordert Überprüfbarkeit.
Der sanfte Tourismus beinhaltet nach KONIECKI (1992 ) vier Ziele:
- Umweltverträglichkeit (z.B. möglichst geringe Eingriffe in den Naturhaushalt, Erhaltung einer naturnahen Kulturlandschaft),
- Sozialverträglichkeit (u.a. Selbstbestimmung der einheimischen Bevölkerung),
- Neue Reisekultur mit optimaler Erholung (u. a. naturbezogene Freizeitaktivitäten und verantwortungsbewusstes Erholungsverhalten),
- Optimale wirtschaftliche Wertschöpfung (z.B. wirtschaftlicher Nutzen für Einheimische).
LOSANG (2000) fügt hinzu, dass eine mittel- bis langfristige Veränderung in den Köpfen der Anbieter und Nachfrager bewirkt werden sollte.
MOSE (1998) stellt zwei Grundlinien für die Entwicklung des sanften Tourismus auf. Einerseits sind unter Berücksichtigung der Prinzipien der Nachhaltigkeit theoretische Kriterien für den sanften Tourismus zu entwickeln. Andererseits gilt es, geeignete Modelle für deren Durchsetzung auszuarbeiten.
1. Der sanfte Tourismus im weiteren Sinne zielt auf eine Umorientierung der Tourismuspolitik. Die gesellschaftlichen Interessen der Region und ihrer Bevölkerung sind bereits bei der Planung touristischer Konzepte zu berücksichtigen und mit denen der Erholungssuchenden weitgehend in Übereinstimmung zu bringen. Tourismus-gebiete sollen als Lebens-, Wirtschafts-, und Erholungsräume nachhaltig gesichert werden.
2. Der sanfte Tourismus im engeren Sinne beinhaltet Elemente wie nicht-technisierte Tourismusangebote, landschaftsschonende touristische Erschließung, sozialverträg-liche Entwicklung und Einbindung des Tourismus in die Strategien einer eigenständigen Regionalentwicklung (MOSE 1988).
Als Ziel wird ein neues Verhältnis zwischen Tourismus, Umwelt und Region angestrebt (MOSE 1992). Wirtschaftlich gesehen sollte die Regionalentwicklung z.B. durch Direktvermarktung von lokalen und regionalen Produkten durch kleinere und mittlere Unternehmen gefördert werden, deren wirtschaftliche Erfolge der Region zugute kommen (KONIECKI 1992). RENES (2000) verweist auf die regionale Identität, die durch Bewahrung der natürlichen und kulturellen Qualitäten gestärkt werden soll.
Eine maximale Erschließung und Auslastung der Landschaft zugunsten des Tourismus in einer Region ist objektiv nicht mehr zu vertreten, d.h. touristische Entwicklungen sollen quantitativ und qualitativ begrenzt werden.
Zu den Konzepten im Rahmen des sanften Tourismus gehören die Forderungen nach umweltschonendem Tourismus sowie eigenständiger und nachhaltiger Regionalentwicklung (BENTHIEN 1995; BECKER 1995; RUST 1997).
Die Begriffe Nachhaltigkeit bzw. nachhaltige Entwicklung wurden durch den Brundtland-Bericht der Kommission für Umwelt und Entwicklung 1987 und durch die Umweltkonferenz 1992 in Rio de Janeiro populär (BECKER 1995). Durch die enge Verbindung zwischen Tourismus und Natur- bzw. Umweltschutz wurde der Aspekt der Nachhaltigkeit als theoretischer Ansatz auf die Tourismuswirtschaft übertragen (RUST 1997).
Nachhaltige Entwicklung soll die menschlichen Bedürfnisse gegenwärtiger Generationen gewährleisten, ohne die Landschaft für künftige Generationen zu gefährden (BECKER et al. 1996). MENCHEN (2001) fordert die Nachhaltigkeit so auszugestalten, dass ökologisch verantwortungsvoll, ökonomisch gewinnbringend und sozial verträglich gehandelt wird. PETERS/WITZEL (1995) fügen hinzu, dass der Tourismus an den Naturraum der Region anzupassen, die Teilnahme der Bevölkerung an touristischen Entscheidungen zu berücksichtigen und die regionale Wirtschaftsstruktur zu diversifizieren ist.
Allen Vorstellungen ist gemeinsam, eine Balance zwischen ökonomischem Wachstum, touristischer Nutzung und Bewahrung der Natur zu schaffen. Eine umweltverträgliche Nutzung der Kulturlandschaft im Sinne des sanften Tourismus kann in der Umstellungsphase zu einer geringeren wirtschaftlichen Wertschöpfung führen und damit Konfliktstoff in sich bergen. Auf lange Sicht wird der sanfte Tourismus sowohl für die Kulturlandschaft als auch für den Tourismus von Vorteil sein.
Im Zusammenhang mit der nachhaltigen Entwicklung sind neue Tourismusbegriffe entstanden, wie Öko- und Naturtourismus. Darunter sind Reisen zu relativ unberührter Natur zu verstehen, um Flora und Fauna zu besichtigen, Kultur zu studieren und die Bevölkerung wirtschaftlich am Tourismus zu beteiligen. Dieser Ansatz hat nach ELLENBERG et al. (1997) in der Praxis die negativen touristischen Auswirkungen jedoch nicht minimiert und wird von vielen Beobachtern überwiegend als Etikettenschwindel betrachtet. Um diesem entgegen-zuwirken, sind erfolgreiche Einzelbeispiele für Ökotourismus aufzugreifen und auf andere Regionen zu übertragen.
BECKER (1995) versteht unter ökologischer Dimension nachhaltiger Entwicklung des Tourismus u.a. die Verminderung des Energieaufwandes für den touristischen Verkehr. Das heißt im Einzelnen umweltschonende Verkehrssysteme zu entwickeln, Anreisemöglichkeiten mit dem öffentlichen Verkehr und dem Bus zu fördern, Nahverkehrsverbindungen zu den Nachbarorten einzurichten, das Umfeld von Urlaubsorten durch gut ausgebaute Wanderwege zu erschließen, die Tourismus- und Dienstleistungsbetriebe möglichst im Ort und in der Region zu etablieren. Ziel sind kleine überschaubare wirtschaftliche Kreisläufe.
3.2.3 Spannungsverhältnis Naturschutz - Tourismus
Tourismus und Ökologie sind durch ungehemmtes Wachstum des Tourismus in ein Spannungsfeld geraten (SCHLOEMER 1999). ELLENBERG et al. (1997, S. 32) versinn-bildlichen dies, indem sie feststellen, dass der „...Tourismus zerstört, was er sucht, indem er es findet...“. Das heißt Touristen scheuen keine Mühen und Kosten, um neue Ziele zu erkunden und damit schließlich Massen von anderen Besuchern nach sich zu ziehen. Die Landschaft verändert sich, sie verliert an eigenem Wert und letztlich an touristischem Wert.
Diese Gefahr ist einer der Gründe, warum die Naturschutzidee in der Industriegesellschaft entstanden ist. Die Deutschen entdeckten in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts das Wandern als Freizeitaktivität für sich. Daraus entwickelte sich eine Massenbewegung, die Ansprüche auf den unbegrenzten Zutritt in die Natur stellte. Unter anderem auch deshalb wurde im Jahre 1935 das Reichsnaturschutzgesetz verabschiedet. Die DDR veröffentlichte 1954 ihr Naturschutzgesetz, dem 16 Jahre später das Landeskulturgesetz folgte. In der Bundesrepublik wurde im Jahre 1976 das Reichsnaturschutzgesetz vom Bundesnaturschutzgesetz abgelöst (ELLENBERG et al. 1997).
Ein wesentliches Element des Naturschutzes ist die Einrichtung von Schutzgebieten. ELLENBERG et al. (1997) sehen unterstützende Möglichkeiten für den Aufbau und die Absicherung von Naturschutzvorhaben darin, dass die Bevölkerung und die Besucher für die Umwelt sensibilisiert werden. In Schutzgebieten ist in Informationszentren über die biologische Vielfalt, Bedeutung und Gefährdung der ökologischen Strukturen und über Maßnahmen zu ihrer Erhaltung Auskunft zu geben.
Der umweltfreundliche Tourismus steht vor dem Widerspruch, dass er zwar Naturräume als touristische Basis erhalten und schützen will, aber gleichzeitig mit seinem Vorhandensein objektiv natürliche Grundlagen beeinträchtigt. Im Rahmen des umweltfreundlichen Tourismus sollen u.a. touristische Einrichtungen Gebäuden in Siedlungen zugeordnet werden, ohne neue Flächen in der Landschaft erschließen zu müssen (BENTHIEN 1995). Das heißt, es geht um die Reduzierung des Flächenverbrauchs (Siedlungs- und Straßenbau) und um die Verringerung des motorisierten Verkehrs, die beide die Landschaft maßgeblich beeinträchtigen. Ziel ist es, dass der Tourist selbst als Naturschützer für die Erhaltung der Kulturlandschaft eintritt. Das hieße beispielsweise, den PKW nur zur Anreise zu nutzen und alle anderen Aktivitäten im Zielgebiet zu Fuß, mit dem Rad oder den dort vorhandenen öffentlichen Verkehrsmitteln durchzuführen. Der Tourist muss in einem längeren Prozess zum natur-, umwelt- und sozialbewussten Verhalten bewegt werden. Tourismus und Naturschutz können vorhandene Spannungen nur gemeinsam lösen, einerseits vor Ort in den Schutzgebieten und andererseits in den Tourismusorganisationen.
3.2.4 Wechselbeziehung Kulturlandschaft - Tourismus
Kulturlandschaften sind das Ziel der touristischen Nachfrage. Sie stehen mit ihren touristischen Potenzialen hoch in der Gunst der Touristen. Der Tourismus braucht diese Potenziale für seine Entwicklung. Nur wenn eine Landschaft für den Besucher interessant ist, wird die Tourismuswirtschaft vermarktungsfähige Angebote in diesen Räumen schaffen können. Andererseits braucht die Kulturlandschaft den Tourismus für ihre wirtschaftliche Entwicklung und für den Erhalt ihres Potenzials. Tourismus und Kulturlandschaft stehen somit in einem wechselseitigen Verhältnis. UTHOFF (1988) stellt fest, dass der Tourismus zu einem raumgebundenen und zugleich raumprägenden Phänomen wird. Dabei versteht er unter raumgebunden die räumlichen Voraussetzungen und unter raumprägend die räumlichen Auswirkungen des Tourismus.
Besucher üben während ihres Aufenthaltes verschiedene touristische Aktivitäten an unterschiedlichen Orten aus und wirken damit auf die Gestaltung der Kulturlandschafts-elemente ein. Landschaften, die nur wenig vom Tourismus in Anspruch genommen werden, gelten als intakt, soweit sie nicht von Industrie und Landwirtschaft belastet werden. Je stärker sich der Tourismus entwickelt, um so mehr besteht die Gefahr, dass die Kultur-landschaft verändert wird. Die Landschaft ist unabhängig vom Besucher und kann auch ohne ihn existieren, sie hat vorerst nichts mit Tourismus zu tun. Mit Kulturlandschaft verbindet man Natur, Landschaft und Sehenswürdigkeiten. Der Tourismus wiederum wird nahezu immer mit der Landschaft assoziiert.
Die kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in der Kulturlandschaft werden durch die Besucher verändert, so dass sie selbst als Teil der Landschaft zu betrachten sind (WOLF/JURCZEK 1986).
Für Poser beinhaltet der Tourismus „die lokale oder gebietliche Häufung von Fremden mit einem jeweils vorübergehenden Aufenthalt, der die Summe von Wechselbeziehungen zwischen den Fremden einerseits und der ortsansässigen Bevölkerung, dem Orte und der Landschaft andererseits zum Inhalt hat“. Der Autor spricht insofern von einer „Fremden-verkehrslandschaft als Sondertyp einer Kulturlandschaft“ (zit. in: BENTHIEN 1997, S. 21/22). BENTHIEN (2000) klassifiziert genetische Gestaltungstypen von Orten und belegt, dass es Sondertypen der Kulturlandschaft, wie z.B. Bäderlandschaften, gibt.
Die Kulturlandschaft bietet den Touristen kulturräumliche Potenziale, die es der lokalen Bevölkerung ermöglichen, Nutzen aus dem Tourismus zu ziehen. Sie kann u.a. privat Zimmer offerieren, den Bauernhof vermieten, die eigenen Produkte verkaufen, Wanderungen begleiten und Versorgung organisieren.
RENES (2000, S. 133) bezeichnet Tourismus als „parasitäre Aktivität“ und beschreibt damit die Wechselbeziehung zwischen Landschaft und Tourismus. Die Tourismuswirtschaft investiert vorrangig in neue touristische Projekte statt in Programme für die Erhaltung und Pflege der Landschaft. Kulturlandschaften können sich jedoch nicht von allein erhalten. Der Tourismus wird einen eigenen Beitrag dazu leisten müssen, um seine Entwicklung auf Dauer nicht zu gefährden. Dieser Aspekt verdeutlicht die unterschiedlichen Interessen, die die Beziehungen zwischen Kulturlandschaft und Tourismus beeinflussen und zu einem Spannungsverhältnis führen können.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Beziehungen zwischen Kulturlandschaft und Tourismus die Gesamtheit aller Prozesse und Sachverhalte beinhalten, die mit der Vorbereitung und dem Aufenthalt von Touristen in der Kulturlandschaft zusammenhängen. Sie repräsentieren in marktwirtschaftlicher Sicht die Verwirklichung von Angebot und Nachfrage. Dazu gehören das touristische Marketing, die touristische Infrastruktur, das touristische Angebot sowie alle Maßnahmen zum Erhalt, zur Pflege und zur Weiterentwicklung der Kulturlandschaft.
4. Die Kulturlandschaft der Saale-Unstrut-Region
Die Saale-Unstrut-Region besitzt ein großes landschaftliches und kulturhistorisches Potenzial. Sie liegt im ländlichen Raum und ihr Name beruht auf den beiden landschaftsprägenden Flüssen Saale und Unstrut. Die Region wird mehr mit ihrer Landschaft assoziiert, als dass man sie mit dem Tourismus verbindet. Sie gilt durch ihre naturräumliche Vielfalt und wechselvolle Geschichte als historisch bedeutend. So bezeichnete der Maler Max Klinger das Weinbaugebiet Saale-Unstrut als „Toskana des Nordens“.
Intensive Landwirtschaft, Weinbau auf fruchtbaren Lößböden und Handelsstraßen verhalfen ihr im Mittelalter zu reger Wirtschafts- und Handelstätigkeit. Heute sind die Tourismusrouten Straße der Romanik, Weinstraße und Blaues Band zukunftsweisende Tourismuskonzepte.
REICHHOFF (1996) nennt u.a. folgende Landschaftselemente als bestimmend für den heutigen Wert dieser Kulturlandschaft:
- Steile, terrassierte Weinberge mit Trockenmauern und typischen Weinberghäuschen, die im traditionellen Hackweinbau bewirtschaftet werden,
- Charakteristische Ortslagen an Plateaurändern und in Plateautälern,
- Historische Ortskerne mit Kirchen, Buntsandstein-, Fachwerk- und Lehmstampf-häuschen,
- Alte Streuobstwiesen, z.T. mit Wirtschaftsbauten sowie Obstreihen und Alleen an Straßen und Feldwegen,
- Burgen und Schlösser, Parkanlagen an Schlössern und Herrenhäusern,
- Wasser- und Windmühlen, Wehre an der Unstrut z.T. mit Wohn- und Wirtschaftsbauten,
- Altsteinbrüche (Buntsandstein und Muschelkalk) z.T. mit Wirtschaftsbauten,
- Bodenaltertümer als Zeugen früher und kontinuierlicher Besiedlung,
- Mittel- und Niederwälder mit Kopfbäumen,
- Trocken- und Magerrasen als Schafhutungsflächen.
Burgen und Schlösser, kleine Ortschaften, naturbelassene Täler mit Orchideen, günstiges mildes Klima, zahlreiche Wander- und Radwege, Sehenswürdigkeiten aus geschichts-trächtigen Zeiten und ein Naturpark als Vorbehaltsgebiet für Erholung und Tourismus machen diese Region mit ihrem unverwechselbaren Reichtum als Kulturlandschaft zu einem besonderen Touristenziel.
4.1 Lage und Abgrenzung des Untersuchungsgebietes
Die von REICHHOFF (1996) aufgestellten Kriterien bzw. Merkmale einer historischen Kulturlandschaft (vgl. Kapitel 3.1.1) sind für die Saale-Unstrut-Region zutreffend. Es handelt sich um eine räumliche Einheit, die sich in ihrer Entwicklung, ihrer natur- und kulturräumlichen Ausstattung und Besonderheit sowie ihrer Wirtschaftsstruktur innerhalb des Gebietes nicht unterscheidet (HEINTEL 2000).
Eine exakte Abgrenzung der Saale-Unstrut-Region wird durch unterschiedliche Abgrenzungskriterien und Gebietszuordnungen in den letzten 50 Jahren erschwert. Dazu gehören die Länder in der DDR, die Schaffung der Bezirke in der DDR, die Wiedereinführung der Länder nach der deutschen Vereinigung, die Gebietsreform 1994 und weitere administrative Eingriffe.
Ausgehend von Gesetzen und Verordnungen des Landes Sachsen-Anhalt, historischen Entwicklungen, Festlegungen von Verbänden und Vereinigungen und naturräumlichen Gegebenheiten wird nachfolgend eine Eingrenzung erörtert.
Die Saale-Unstrut-Region liegt im südlichen Teil des Bundeslandes Sachsen-Anhalt. Nach der Gemeindegebietsreform 1994 entstand aus den Kreisen Nebra, Naumburg und Zeitz der Burgenlandkreis. Er wird im Süden und Westen von Thüringen, im Nordosten von den anhaltischen Kreisen Weißenfels und nördlich von Merseburg-Querfurt begrenzt. Das Statistische Landesamt Halle unterscheidet in Sachsen-Anhalt fünf Reisegebiete, darunter Halle-Saale-Unstrut. Dieses Reisegebiet wird wiederum in die Kreise Halle, Saalkreis, Merseburg-Querfurt, Weißenfels und Burgenlandkreis unterteilt.
Im Gesetz über den Landesentwicklungsplan Sachsen-Anhalt (GVBl LSA 1999) wird das Saale-Unstrut-Tal als Teil der Wein- und Burgenregion erfasst.
Für die auf den Weinbau bezogene Abgrenzung bestätigt das Land Sachsen-Anhalt in seiner Verordnung zur Durchführung des Weinrechts folgende Gemeinden als Teil des Anbau-gebietes Saale-Unstrut: Freyburg, Laucha, Memleben, Nebra, Naumburg und Bad Kösen (GVBl LSA 2001). Dieses Weinbaugebiet liegt zum größten Teil im gleichnamigen Naturpark Saale-Unstrut-Triasland. Es erstreckt sich über die Bundesländer Sachsen-Anhalt (95%) und Thüringen. Hinzu kommen fünf ha in Werder bei Potsdam, die aus weingeographischen Gründen dem Weinbaugebiet Saale-Unstrut zugeordnet wurden.
Folgende Feststellungen könnten inhaltliche Eckpunkte einer Abgrenzung des Saale-Unstrut-Gebietes sein:
- Mittlerer und nördlicher Teil des Burgenlandkreises,
- Mittlerer Teil des Naturparks Saale-Unstrut-Triasland,
- Weinbaugebiet an der Weinstraße,
- Kulturhistorische Landschaft an der Straße der Romanik,
- Einzugsgebiet Saale-Unstrut um das Mündungsgebiet der Unstrut in die Saale,
- Die Städte Nebra, Bad Bibra, Laucha, Freyburg, Naumburg, Bad Kösen und die Gemeinde Memleben.
Eine Kongruenz der Kulturlandschaft und ihrer administrativen Einbindung wird damit jedoch nicht erreicht.
4.2 Der Naturpark Saale-Unstrut-Triasland
Der Naturpark Saale-Unstrut-Triasland nimmt eine herausragende Stellung in der Gestaltung der Beziehungen zwischen Kulturlandschaft und Tourismus ein. Er wurde im Wendejahr 1990 im Nationalparkprogramm der DDR konzipiert, im Jahre 1991 unter dem Namen „Unstrut-Triasland“ gegründet und Mitte 1993 auf „Saale-Unstrut-Triasland“ erweitert. Der Name beruht auf der landschaftlichen Bezeichnung der Region, wobei „Triasland“ der bestimmenden geologischen Formation entspricht.
Im Jahre 2000 wurde der Naturpark durch Verordnung der Regierung des Landes Sachsen-Anhalt festgelegt (GVBl LSA 2000). Er umfasst etwa 78.000 ha und erstreckt sich von Allstedt im Nordwesten, Querfurt im Norden, Weißenfels im Osten, Osterfeld im Südosten bis Eckartsberga im Süden.
Gemäß § 16 BUNDESNATURSCHUTZGESETZ (1998) und § 21 NATURSCHUTZGESETZ (1992) des Landes Sachsen-Anhalt gelten Naturparks als großräumige Gebiete, die vorwiegend aus Landschafts- und Naturschutzgebieten bestehen. Sie sind nach den Grundsätzen und Zielen der Raumordnung und Landesplanung für eine naturnahe Erholung vorgesehen.
Der Naturpark gliedert sich in drei Zonen:
Naturschutzzone (Zone I) als Totalreservat bzw. als Naturschutzgebiet für den Naturschutz, Landschaftsschutz- und Erholungszone (Zone II) für die landschaftsbezogene Erholung unter dem Aspekt eines naturverträglichen Tourismus, Puffer- und Entwicklungszone (Zone III) für den Lebens-, Wirtschafts- und Erholungsraum des Naturparks.
KRAY (2000) definiert, dass Naturparks zusammenhängende, kulturlandschaftlich wertvolle und schutzwürdige, meist strukturschwache Räume mit geringer Besiedlung sind, die zu Modellregionen nachhaltiger Entwicklung werden sollen.
Dem Naturpark obliegen neben der Koordinierung sämtlicher Nutzungsplanungen folgende Aufgaben:
- das Saale-Unstrut-Triasland als naturnahes Erholungsgebiet zu erhalten und weiterzuentwickeln,
- die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes und der Naturgüter nachhaltig zu sichern,
- die Arten- und Formenvielfalt von Flora und Fauna zu erhalten,
- die Kulturlandschaft und das kulturelle Erbe zu sichern und zu fördern,
- einen umwelt- und sozialverträglichen Tourismus („Ökotourismus“) zu entwickeln,
- landschaftstypische und umweltverträgliche Landnutzung zu fördern,
- Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung zu verwirklichen
(SÄUBERLICH 1994).
Die Gemeinden im Naturpark haben bei der Realisierung dieser Aufgaben mitzuwirken. Eine saubere und gepflegte Umwelt, die Erschließung neuer touristischer Möglichkeiten, der Aufbau einer breiten touristischen Infrastruktur, Zuschüsse durch das Land sowie Impulse für die Förderung der wirtschaftlichen Tätigkeit sind angestrebte Ziele (SÄUBERLICH 1994).
Eine besondere Förderung erfährt der Naturpark durch die Europäische Union mit der 1991 ins Leben gerufenen LEADER-Initiative. Sie erprobt auf lokaler Ebene neue Ansätze der ländlichen Entwicklung. Aus diesen Mitteln wurde die Saale-Unstrut-Region besonders unter Berücksichtigung von Weinbau und Tourismus sowie der Schaffung von Arbeitsplätzen gefördert (STADT FREYBURG o.J.). Dazu gehörten ein Beschäftigungsprogramm für das Management des Naturparks, die Erschließung des Wegenetzes für die sanfte touristische Nutzung und die Erhaltung der Klosterruine Memleben.
Ein weiteres Programm für die Entwicklung und Zusammenarbeit der kleineren Qualitäts-Weinbaugebiete in Europa ist das VINEST-Projekt der EU-Kommission. Mit diesem soll der Erfahrungsaustausch, der Zugang zu modernen Vermarktungs- und Werbestrategien gefördert, der Weintourismus entwickelt und das Anbaugebiet aufgewertet werden (AMELOTTI 1999).
Der Naturparkverein will die Landschaft als Vorbildlandschaft entwickeln, seine Philosophie „Schutz durch Nutzung“ zielt auf die Weiterentwicklung der Kulturlandschaft.
4.3 Bestandteile der Kulturlandschaft
Die natürliche und anthropogene Umwelt, d.h. die natur- und kulturräumlichen Elemente, die der Erholung und dem Tourismus dienen, werden als Rekreationspotenzial verstanden (BENTHIEN 1997). Zu den naturräumlichen Elementen gehört die physische Beschaffenheit der Landschaft wie Klima, Vegetation und Oberflächengestalt. Unter kulturräumlichen Elementen werden die Ergebnisse anthropogener Nutzung und Gestaltung zusammen-gefasst.
Im Folgenden werden die physische Beschaffenheit und die anthropogenen Verhältnisse im Untersuchungsgebiet im Überblick dargestellt.
4.3.1 Physische Beschaffenheit
Die Saale-Unstrut-Region wird geologisch von der erdgeschichtlichen Formation der Trias, dem ältesten Abschnitt des Erdmittelalters (vor 225 bis 195 Millionen Jahren) geformt (REICHHOFF/REFIOR 1994). Die Gesteine und Schichten der Trias und des salzführenden Zechsteins wirken landschaftsgestaltend und -prägend. Die horizontalen Buntsandstein- und Muschelkalkschichten wurden von Unstrut und Saale zerschnitten (REICHHOFF 1996). Durch das Vordringen der Gletscher in das Saaletal wurde der Buntsandstein an der Oberfläche abgeschliffen, wodurch der Muschelkalk übrig blieb. Bei der Entstehung der Taleintiefungen der Unstrut und ihrer Nebenflüsse trat der Kalk vor allem in den Flusstälern hervor. Er wurde zum wichtigsten Baustoff der Gegend. Die bei der Verlandung ent-stehenden Salzablagerungen waren später eine Grundlage für den wirtschaftlichen Auf-schwung der Region. Das Salz speist heutzutage die Solbäder an der Saale (FELSMANN 1992).
Die Oberflächengestalt der Saale-Unstrut-Region wurde von der Triasschichtung, der Hebung des Kyffhäusers in der Kreidezeit, den Ablagerungen des Eiszeitalters sowie der Auslaugung der Salze und Gipse im Untergrund und der Erosion an der Oberfläche geformt (REICHHOFF 1994).
Die Saale-Unstrut-Region wird im Nordwesten von Ausläufern des Südharzes, im Südwesten von der Finne, einem Randgebirge des Thüringer Beckens und im Nordosten von der Leipziger Tieflandsbucht begrenzt.
Die Landschaft der Region ist in Hochflächen, Stufenhänge, Täler und Nebentäler vielfältig gegliedert, sie charakterisiert den Wechsel von einer Mittelgebirgszone in eine Tieflandzone (FELSMANN 1992).
Die heutige Beschaffenheit des Bodens hat ihre Ursache in der chemischen und physikalischen Verwitterung des Locker- und Festgesteins. Der Löß ist die beherrschende Bodenart, auf der sich fruchtbare Ackerböden gebildet haben. Er schafft auf den nieder-schlagsärmeren Hochflächen Löß-Schwarzerde für den Ackerbau. In niederschlagsreicheren Gebieten entwickeln sich Löß-Parabraunerden oder –Fahlerden, die für die Forstwirtschaft genutzt werden (REICHHOFF/REFIOR 1994).
Das Klima der Saale-Unstrut-Region wird durch die Nähe zum Harz und zum Thüringer Mittelgebirge sowie durch den Kalkboden beeinflusst. Die Gebirge wirken als Wind- und Regenschutz für die im Lee gelegenen Gebiete und halten darüber hinaus kalte Luftströmungen auf. Der Kalkboden kann Wärme speichern und diese an die Umgebung zurückgeben. Er trägt somit zum milden Klima der Landschaft bei. Das Gebiet ist durch ein relativ niederschlagsarmes, sommerwarmes und wintermildes Klima mit hochsommerlichem Niederschlagsmaximum geprägt. Jährlich fallen durchschnittlich 500 mm Niederschlag und die Jahresdurchschnittstemperatur liegt bei 8-9 Grad Celsius. Im Juli werden Mittelwerte um 17-18 Grad Celsius erreicht, die Zahl der Sonnenstunden ist höher als an der Mosel (FELSMANN 1992).
Diese klimatischen Bedingungen ermöglichen trotz nördlicher Lage den Weinbau. Zugleich kann das Unstruttal durch thermische Aufwinde als Segelfluggebiet genutzt werden. Vor allem aber schafft das milde Klima auch günstige Voraussetzungen für den Tourismus.
Die Saale-Unstrut-Region verfügt über eine Vielfalt an seltenen und zum Teil vom Aussterben bedrohte Pflanzen- und Tierarten.
Das Wachstum der besonderen Flora wird durch die günstigen klimatischen Verhältnisse, insbesondere die Wärmespeicherung der Tal- und Plateauhänge und die damit verbundenen hohen Temperaturen in Erdbodennähe hervorgerufen (KUGLER/SCHMIDT 1988). Die Vegetation entspricht den Unterschieden in Boden, Klima, Gestein und Relief. In der Region wachsen 26 Orchideenarten, von denen 20 aufgrund ihrer Gefährdung unter gesetzlichen Schutz gestellt sind. Das Vorkommen dieser seltenen trockenwarmen Pflanzen wird durch die Muschelkalkschichtstufen, die Landnutzungsformen und die Trockenrasenflächen begünstigt. Sie stellen einen Indikator für eine intakte Umwelt dar. Eine weitere Besonderheit der Landschaft sind die zahlreichen Baumarten. So wachsen Traubeneichen-Hainbuchen-Wälder auf Muschelkalkstandorten, Eichen-Buchen-Wälder auf hochgelegenen Buntsand-steinplateaus sowie Eschen-Ulmen- und Weiden-Pappel-Auenwälder an der unteren Unstrut und im Freyburger Raum (FELSMANN 1992; REICHHOFF/REFIOR 1994; HEINZELMANN 1999).
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Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2002
- ISBN (eBook)
- 9783832466381
- ISBN (Paperback)
- 9783838666389
- DOI
- 10.3239/9783832466381
- Dateigröße
- 3.7 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Leipzig – Physik und Geowissenschaften, Geographie und Geologie
- Erscheinungsdatum
- 2003 (April)
- Note
- 1,7
- Schlagworte
- besucherbefragung kulturlandschaftselemente sanfter tourismus weinbau naturpark