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Untersuchungen zur Verhaltensphänotypisierung bei Mäusen

©2001 Diplomarbeit 91 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Zur Charakterisierung von Tiermodellen auf der Verhaltensebene ist vor allem eine zuverlässige und reproduzierbare Verhaltensphänotypisierung notwendig. Die in der biomedizinischen Forschung bisher üblichen Verhaltensanalysen auf der Basis von multiplen Testbatterien (mTb) haben sich diesbezüglich als problematisch erwiesen, da nicht nur Diskrepanzen zwischen verschiedenen Laboratorien sondern auch zwischen wiederholten Testungen innerhalb einer Arbeitsgruppe zustande kamen. Aufgrund dessen war das Ziel der vorliegenden Arbeit Validität und Reproduzierbarkeit eines komplexen ethologischen Verhaltenstests, des modified hole boards (mHb) zu untersuchen. Diese Verhaltensanalyse wurde gewählt, da sie nicht nur die Verhaltensphänotypisierung von Nagetieren innerhalb eines Tests ermöglicht sondern auch eine Reduktion der benötigten Tierzahl sowie des Zeit- und Kostenaufwands bedeutet.
Im ersten Teil der Arbeit wurden die beiden Mausinzuchtlinien BALB/c und C57BL/6N im mHb verhaltensphänotypisiert. Diese beiden Mauslinien wurden gewählt, da sie bereits umfangreich und in hohem Maße widersprüchlich auf der Basis von mTb charakterisiert wurden. Ergebnisse der basalen Verhaltensphänotypisierung zeigten, dass BL6N Mäuse tendenziell weniger ängstlich waren als BALB/c. Desweiteren wurde festgestellt, dass beide Inzuchtlinien sehr unterschiedliche Explorationsstrategien anwendeten, welche sich bei C67BL/6N in einer ausgeprägten Thigmotaxis, dagegen bei BALB/c in der Bildung einer home base darstellten. Diese Beobachtungen konnten die widersprüchlichen Ergebnisse aus der Literatur insofern aufklären, als da gezeigt wurde, dass klassische Parameter zur Messung von Angst bei Nagern (Vermeidungsverhalten gegenüber einem ungeschützten Areal) für BALB/c Mäuse aufgrund ihrer Explorationsstrategie keine Aussagekraft hatten. Dies führte zu der Schlussfolgerung, dass ein direkter Vergleich dieser beiden Mauslinien nur eingeschränkt möglich ist.
Im Anschluss daran wurde untersucht, wie sich verschiedene Vorerfahrungen auf das Verhalten von BALB/c und C57BL/6N im mHb auswirken. Dafür wurden die Tiere vor der Erstexposition unterschiedlich behandelt (Kontrolle, Vehikel-Injektion; Diazepam-Injektion) und wiederholt getestet. Die Ergebnisse zeigten bei BALB/c Mäusen eine angstlösende Wirkung und in der höheren Dosierung (3mg/kg) zusätzlich einen sedativen Effekt, welcher bei C57BL/6N Tieren in beiden Dosierungen überwog. Insgesamt war zu […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6592
Binder, Elke: Untersuchungen zur Verhaltensphänotypisierung bei Mäusen
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: München, Universität, Thesis, 2001
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis I
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ...1
1.1. Ethologische Verhaltensanalyse bei Mäusen...3
1.1.1. Das mHb als komplexer Verhaltenstest...3
1.1.2. Der Einfluss von Vorerfahrung auf das Verhalten im mHb...4
1.2. Das mHb als Hochdurchsatzverfahren zur Verhaltensphänotypisierung...4
1.2.1. Zuverlässigkeit der Verhaltensphänotypisierung mit dem mHb ...9
1.2.2. Analyse der Zuverlässigkeit von Grenzwerten zur Identifikation von Mutanten
im mHb...9
2. Material und Methoden ...11
2.1. Versuchtstiere und Haltung ...11
2.2.1. Ethologische Verhaltensanalyse bei Mäusen...11
2.2.2. Das mHb als Hochdurchsatzverfahren zur Verhaltensphänotypisierung...11
2.3. Das modified hole board ( mHb)...12
2.3.1. Verhaltensparameter...13
2.4. Versuchsdurchführung...16
2.4.1. Ethologische Verhaltensanalyse bei Mäusen...16
2.4.1.1. Das mHb als komplexer Verhaltenstest...16
2.4.1.2. Der Einfluss von Vorerfahrung auf das Verhalten im mHb...16
2.4.1.2.1. Blutentnahme...17
2.4.1.2.2. Blutanalyse...17
2.4.2. Das mHb als Hochdurchsatzverfahren zur Verhaltensphänotypisierung...17
2.4.2.1. Zuverlässigkeit der Verhaltensphänotypisierung mit dem mHb...17
2.4.2.2. Analyse der Zuverlässigkeit von Grenzwerten zur Identifikation von
Mutanten im mHb...18
2.5. Statistik...18
3. Ergebnisse...19
3.1. Ethologische Verhaltensanalyse bei Mäusen...19
3.1.1. Vergleich des basalen Verhaltens von BL6N und BALB Mäusen...19
3.1.2. Effekte von Diazepam auf das Verhalten im mHb ...22
3.1.2.1. Vergleich der Experimentalgruppen innerhalb der BALB Mauslinie .22
3.1.2.2. Vergleich der Experimentalgruppen innerhalb der BL6N Mauslinie .26
3.1.2.3. Vergleiche des Verhaltens der jeweiligen Experimentalgruppen der
beiden Mauslinien BL6N und BALB im mHb ...30
3.1.2.4. Die Blutanalyse...34

Inhaltsverzeichnis II
3.1.3. Der Einfluss von Vorerfahrung auf das Verhalten im mHb...35
3.1.3.1. Vergleich des Verhaltens während der Erst- und Zweitexposition in-
nerhalb der Mauslinie BALB ...35
3.1.3.2. Vergleich des Verhaltens während Erst- und Zweitexposition in-
nerhalb der Mauslinie BL6N ...40
3.1.4. Zuverlässigkeit der Verhaltensphänotypisierung mit dem mHb...44
3.1.4.1. Vergleich der Verhaltensanalyse zwischen unterschiedlichen Ver-
suchstagen...48
3.1.5. Etablierung von zuverlässigen Grenzwerten zur Identifikation von Mutanten im
mHb...50
4. Diskussion...52
4.1. Ethologische Verhaltensanalyse bei Mäusen...52
4.1.1. Das mHb als komplexer Verhaltenstest...52
4.1.2. Der Einfluss von Vorerfahrung auf das Verhalten im mHb...54
4.1.2.1. Die Wirkung von Diazepam auf das Verhalten von BALB und BL6N
Mäusen ...54
4.1.2.1.1. Blutanalyse...55
4.1.2.2. Vergleich des Verhaltens während der Erstexposition und der
Zweitexposition innerhalb der Mauslinie BALB...57
4.1.2.3. Vergleich des Verhaltens während der Erstexposition und der
Zweitexposition innerhalb der Mauslinie BL6N...60
4.1.3. Zuverlässigkeit der Verhaltensphänotypisierung mit dem mHb...63
4.1.3.1. Basale Verhaltensphänotypisierung...64
4.1.3.2. Verhaltenskonfirmation im mHb...65
4.1.3.3. Vergleich der Verhaltensphänotypisierung von Hybriden an unter-
schiedlichen Tagen ...65
4.1.4. Analyse der Zuverlässigkeit von Grenzwerten zur Identifikation von Mutanten
im mHb...67
4.1.4.1. Prüfung der Normalverteilung der baseline Daten...67
5. Zusammenfassung...69
6. Anhang...71
6.1. Effekte von Diazepam auf das Verhalten im mHb...71
6.2. Vergleich des Verhaltens während der Erst- und Zweitexposition innerhalb der
Mauslinie BALB...71

Inhaltsverzeichnis III
6.3. Vergleich des Verhaltens während der Erst- und Zweitexposition innerhalb der
Mauslinie BL6N...72
6.4. Zuverlässigkeit der Verhaltensphänotypisierung mit dem mHb...72
7. Literarturverzeichnis...73
Danksagung...83

Einleitung 1
1. Einleitung
Tiermodelle sind eine wichtige Grundlage zur Untersuchung von neurobiologischen Me-
chanismen und deren pathologischer Veränderungen. Um die Symptomatik eines
Krankheitsbildes modellhaft am Tier darzustellen, wird diese in der Regel pharmakolo-
gisch oder verhaltensbiologisch induziert (Willner 1994). Die Validität solcher
Tiermodelle ist jedoch insofern zweifelhaft, als das pathologische Erscheinungsbild aus-
schließlich situativ und vorübergehend vorhanden (state) ist, während psychische Er-
krankungen oftmals einen dauerhaften Zustand (trait) darstellen (Andreatini & Bacellar
2000). Insbesondere für Krankheitsbilder, denen eine genetische Prädispositionen zu-
grunde liegt, erscheint es daher sinnvoll, auf der Basis genetischer Manipulationen ad-
äquate Tiermodelle zu entwickeln, die einer Erkrankung nicht nur in ihrer Symptomatik
entsprechen, sondern auch in Bezug auf Ursache und Behandlungsmöglichkeiten aus-
sagefähig sind (Mckinney & Bunney 1969). Da 90% des Genmaterials der Maus mit
dem des Menschen übereinstimmt und Ontogenese sowie Physiologie beider Spezies
durchaus miteinander vergleichbar sind, werden Mäuse vielfach als Modell zur Erfor-
schung der Genetik und Pathogenese von humanen Erkrankungen eingesetzt (Brown
1998; Gardier et al. 2000; Hunter et al. 2000). Die Vorrangstellung der Maus als Lab-
ortier wird zusätzlich von deren geringem Haltungs- und Zuchtaufwand bestimmt.
Um den genetischen Hintergrund eines Tiermodells in seiner Varianz einzuschränken
und grundlegende Einblicke in die Funktionsweise von Genen zu erhalten, etablierte
Clarence Cook Little 1909 erstmals eine Mausinzuchtlinie (Festing et al. 2000). Auf-
grund ihres homozygoten Genoms zeigen Inzuchtlinien eine größere Homogenität im
Bezug auf ihren Phänotyp als Auszuchtlinien. Entsprechend ist es möglich, für jede In-
zuchtlinie beispielsweise typische Verhaltenscharakteristika zu definieren, die sie für ein
Experiment mehr oder weniger gut geeignet scheinen lassen (Gingrich et al. 2000). Die
kleinere interindividuelle Variabilität vereinfacht es zudem, gezielte genetische Manipu-
lationen (z.B. knockout Methode) vorzunehmen und die hierdurch induzierten Ver-
änderungen auf der Verhaltensebene zu untersuchen (Paigen et al. 2000). Inzwischen
gibt es eine große Anzahl etablierter Inzuchtlinien, die sich nicht nur in ihrer Morpholo-
gie, sondern auch im Verhalten gravierend voneinander unterscheiden.
Trotz der geringeren Varianz zwischen den Individuen einer Linie stößt man vor allem

Einleitung 2
im Bereich der Verhaltensphänotypisierung auch bei Inzuchtlinien auf Schwierigkeiten.
Die Problematik liegt hier nicht nur in der Definition und Messung von Verhaltenspa-
rametern, sondern auch in der Komplexität des Verhaltens, das durch externe (z.B. so-
ziales Umfeld, Haltungsbedingungen) wie auch interne (z.B. Hormone, Neurotrans-
mitter) Einflüsse modifiziert werden kann (Gardier & Bourin 2000, Griebel et al. 1999).
Oft können Versuchsergebnisse unter minimal veränderten Bedingungen (Licht, Ver-
suchsanordnung) nicht repliziert werden, was die Verlässlichkeit von Verhaltenstests in
Frage zu stellen scheint.
Die qualitative und quantitative Analyse des Verhaltens von Nagern stützt sich zumeist
auf Verhaltenstests für nicht erlerntes (unkonditioniertes) Verhalten. In der Regel sind
solche Tests auf die Untersuchung nur einer spezifischen Verhaltensdimension aus-
gerichtet (z.B. Angst, Neugier, Aggressivität). Um ein Gesamtbild des Verhaltensphä-
notyps einer Mauslinie zu erhalten, werden daher eine Reihe von Tests hintereinander
geschaltet (multiple Testbatterie, mTB). Hierbei sollte idealerweise jeder Test mit einem
naiven Tier durchgeführt werden, da jegliche Vorerfahrung das Verhalten des Individu-
ums modifiziert und somit die Ergebnisse in den folgenden Tests beeinflussen kann
(Andreatini & Bacellar 2000; Espejo 1997). Häufig ist diese Vorgehensweise jedoch
nicht praktikabel, da sie in zu großen Tierzahlen resultiert. Demzufolge sind Test-indu-
zierte Vorerfahrungen möglicherweise mit dafür verantwortlich, dass verschiedene La-
boratorien widersprüchliche Ergebnisse in mTB erhalten (Crawley 1985; Crabbe 1982;
Espejo 1997).
Um diese Problematik genauer zu untersuchen, führten Crabbe et al. (1999) mit zwei
weiteren Laboratorien ein Experiment durch, in welchem acht Inzuchtlinien in einer
identischen mTB untersucht wurden. Trotz weitestgehend übereinstimmender Ver-
suchsdurchführung zwischen den Laboratorien kamen die einzelnen Arbeitsgruppen zu
verschiedenen Resultaten. Crabbe erklärte diese Diskrepanzen durch Abweichungen in
der Tierpflege und Testumgebung und schlug für die Zukunft größere Übereinstim-
mungen zwischen den Laboratorien vor.
Ein weiteres Problem von mTB könnte in dem Konzept begründet sein, einen Verhal-
tensphänotyp
als
Summe
unabhängig
voneinander
untersuchter
Verhaltens-

Einleitung 3
dimensionen darzustellen: Da ein Verhaltensphänotyp eine Einheit aus miteinander in-
teragierenden Verhaltensdimensionen bildet, kann auf der Basis von mTB ein unrealis-
tisches Verhaltensprofil entstehen. Die Reproduktion eines so entstandenen Verhalten-
sphänotyps erwies sich als problematisch, da die gemessenen Parameter für jede
Verhaltensdimension jeweils identisch sein müssen und somit eine Abweichung in nur
einem Test bereits einen scheinbar veränderten Phänotyp darstellen kann.
1.1. Ethologische Verhaltensanalyse bei Mäusen
Um die genannten Probleme bei der Verhaltensphänotypisierung zu umgehen, scheint
es sinnvoll, die Vielzahl der einzelnen, unabhängigen Tests durch nur einen komplexen
ethologischen Test zu ersetzen. Solch einen Test stellt das modified hole board (mHb)
dar. Bisherige Studien konnten zeigen, dass mit Hilfe des mHb ein breites Verhaltens-
spektrum in einer kontrollierten Umgebung differenziert dargestellt und Verhaltens-
dimensionen wie Angst, Exploration, Hemmung bei der Futteraufnahme, Kognition und
soziale Affinität voneinander unterschieden werden können (Ohl et al. 2001a). Diese
komplexe Vorgehensweise ermöglicht nicht nur die Verhaltensphänotypisierung von
Nagetieren innerhalb eines Tests (in einer umfassenden Analyse), sondern bedeutet
auch eine Reduktion der benötigten Tierzahl und somit des Zeit- und Kostenaufwandes
(Ohl et al. 2001b).
1.1.1.
Das mHb als komplexer Verhaltenstest
Im ersten Teil dieser Arbeit sollten die beiden Mausinzuchtlinien Balb/c (BALB) und
C57BL/6N (BL6N) mit dem mHb phänotypisiert werden. In der Literatur wird der Verhal-
tensphänotyp dieser Linien vielfach widersprüchlich dargestellt (Kopp et al.1999; Avgus-
tinovich et al.2000; Griebel et al. 2000). Bei selektiven Angsttests, wie z.B. der
light/dark box, wurde bei BALB Mäusen häufig ein stärker ausgeprägtes Angstverhalten
beobachtet als bei BL6N Mäusen, wobei auch hier Diskrepanzen zwischen verschie-
denen Arbeitsgruppen auftraten (Kopp et al. 1999; Griebel et al. 2000). Die Darstellung
anderer Verhaltensdimensionen, wie z.B. Lokomotion, sind für diese beiden Linien
ebenfalls nicht übereinstimmend: Während Kopp et al. (1999) fanden, dass BL6N
Mäuse bei der Exploration einer neuen Umgebung lokomotorisch aktiver sind als Tiere

Einleitung 4
der BALB Linie, konnte Avgustinovich et al. (2000) keine signifikanten Unterschiede in
der Lokomotion im open field Test erkennen.
Das Ziel des ersten Teils der vorliegenden Arbeit war es, zu untersuchen, wie sich der
Phänotyp dieser beiden Inzuchtlinien darstellt, wenn alle Verhaltensdimensionen als
Einheit im mHb untersucht werden.
1.1.2.
Der Einfluss von Vorerfahrung auf das Verhalten im mHb
Wie bereits erwähnt, spielen Vorerfahrungen eine wichtige Rolle bei der Verhaltensphä-
notypisierung und stellen ein großes Problem bei der Anwendung von mTB dar. Viele
Arbeitsgruppen haben sich damit beschäftigt, wie eine wiederholte Testung sich auf das
Verhalten auswirkt, um dadurch die Ergebnisse einer mTB besser analysieren zu
können. So hat Espejo (1997) festgestellt, dass wiederholte Testungen im elevated plus
maze (EPM) eine Verstärkung des Angstverhaltens hervorrufen, dagegen andere Pa-
rameter wie Lokomotion und Exploration nicht beeinflussen. Eine andere Studie von
File & Wardill (1975) untersuchte die Zuverlässigkeit von wiederholten Testungen im
klassischen hole-board, welches einen etablierten Test zur Untersuchung des Explora-
tionsverhaltens von Nagern (Boissier & Simon 1962) darstellt. Es wurde gezeigt, dass
die Resultate vor allem in Bezug auf die Anzahl der besuchten Löcher im zweiten Test
weitestgehend reproduziert werden konnten, wohingegen die erhobenen Daten anderer
Verhaltensdimensionen, wie z.B. generelle Aktivität, vom ersten Test abwichen.
Um differenzieren zu können, wie sich verschiedene Vorerfahrungen auf das Verhalten
von Mäusen im mHb auswirken, wurden Tiere der beiden Inzuchtlinien BALB und BL6N
wiederholt getestet, wobei die Tiere vor der Erstexposition unterschiedlich behandelt
wurden: Während eine Experimentalgruppe unbehandelt blieb, wurde einer zweiten
Gruppe eine Vehikelsubstanz injiziert und zwei weiteren Gruppen Diazepam als Stan-
dardanxiolytikum (Lepicard et al. 2000; Griebel et al. 1999) in unterschiedlichen Do-
sierungen verabreicht. Eine Woche nach der Erstexposition wurden alle Tiere ohne
pharmakologische Behandlung erneut im mHb untersucht.

Einleitung 5
1.2. Das mHb als Hochdurchsatzverfahren zur Verhaltensphänotypisierung
Die genetische Forschung hat in den letzten Jahren verschiedene Ansätze zur Aufklä-
rung der Bedeutung von Genen in Bezug auf die Pathogenese humaner Krankheiten
entwickelt (Pickar & Rubinow 2001; Gardier & Bourin 2001). Hierbei ist das Ziel, verant-
wortliche Gene für eine Krankheit zu finden, um auf diesem Wissen aufbauend Ansätze
für neue Therapien zu erarbeiten. Allerdings ist die Suche nach Genen, die an der Aus-
prägung eines bestimmten Phänotyps beteiligt sind (Kandidatengene) aufgrund der
großen Anzahl der Gene (ca. 30 000 bei Mäusen) und deren komplexer Interaktion
nicht unproblematisch. Oft ist es eine Kombination aus verschiedenen, über das ge-
samte Genom verteilten Genen, die zusammen ein bestimmtes Krankheitsbild hervor-
rufen.
Eine Möglichkeit, die Funktion von ausgewählten Genen zu untersuchen, stellen knock-
out Mäuse dar. Bei der knockout Methode werden embryonale Stammzellen (ES) einer
befruchteten Eizelle in vitro kultiviert. Dabei ersetzt man einen bestimmten Genabschnitt
durch eine nicht funktionsfähige Sequenz, welche mittels homologer Rekombination in
das Genom eingebaut wird. Diese genetisch manipulierten ES werden in eine Blasto-
zyste injiziert und anschließend in den Uterus einer Amme transferiert. Mit den daraus
resultierenden, meist chimären Nachkommen, bei denen der zu untersuchende Genab-
schnitt auch in den Keimzellen ausgeschaltet ist, wird eine Zucht aufgebaut. Bei den
daraus resultierenden Mäusen kann man im Phänotyp die Aufgabe des fehlenden
Proteins ermitteln, welches aufgrund der Genmanipulation nicht exprimiert werden
kann. Auf diese Weise wurden corticotropin-releasing hormone receptor 1 (CRH-R1)
knockout Mäuse entwickelt, welche ein reduziertes Angstverhalten zeigten, da diesen
Mäusen einer der beiden CRH Rezeptoren fehlte und es somit zu einer verminderten
Stress-induzierte Kortikosteron Produktion kam (Timpl et al. 1998; Contario et al. 1999).
Jedoch erhält man auf der Basis des knockout Verfahrens häufig einen unerwarteten
Phänotyp, welcher durch Kompensations- oder Reparaturmechanismen der DNS ent-
stehen kann. Desweiteren kann das fehlende Gen eine Veränderung in der Entwicklung
der gesunden Gene und demzufolge einen nicht vorhersehbaren Phänotyp hervorrufen
(Ginrich & Hen 2000; Crawley & Paylor 1997).
Ein anderer Ansatz zur Erforschung einer Genfunktion ist die Züchtung von transgenen

Einleitung 6
Mäusen. Bei dieser Verfahrensweise wird ein bekanntes Gen in großen Mengen in die
Vorkerne einer befruchteten Eizelle injiziert, welche in den Ovidukt einer Amme transfe-
riert wird. Das Gen wird an verschiedenen, nicht vorhersehbaren Stellen in das Genom
des Empfängers integriert und somit überexprimiert (Stenzel-Poore et al. 1992). Im
Phänotyp der Nachkommen kann die Funktion des entsprechenden Gens anhand der
exprimierten Proteine untersucht werden. Einige der Nachkommen tragen das Trans-
gen auch in den Keimzellen und können somit zum Aufbau einer Zucht der entspre-
chenden transgenen Linie eingesetzt werden. Im Gegensatz zu CRH-R1 knockout
Mäusen konnte bei CRH überexprimierenden transgenen Mäusen aufgrund einer
erhöhten Kortikosteron Produktion ein verstärktes Angstverhalten festgestellt werden
(Heinrich et al. 1996). Beide Methoden, sowohl knockout als auch transgene Mäuse,
haben zur Klärung einer Vielzahl von Fragen im Bezug auf die Rolle der Gene bei der
Entstehung von Krankheiten beigetragen.
Ein neuer Ansatz zur Aufklärung der Auswirkung genetischer Defekte stellt die ENU
Methode dar (Takahashi et al. 1989; Nolan et al. 1999; Hrabé de Angelis et al. 2000).
ENU (Ethyl-Nitroso-Urease) ist eine mutagene Verbindung, welche die Mutationsrate
insbesondere in spermatogenen Zellen von (männlichen) Mäusen drastisch erhöht
(Russell et al. 1989). Durch eine intraperitoneale ENU-Injektion werden Mutationen in
den premeiotischen spermatogenen Stammzellen induziert (Abb.2), wobei es sich in
Abb.1: Schematische Darstellung der unterschiedlichen in vivo Verfah-
ren zur Untersuchung von Genfunktionen.
Verhalten
Gen
k
n
o
c
k
o
u
t
tr
a
n
s
g
e
n
E
N
U

Einleitung 7
diesem frühen Stadium der Spermatogenese häufig um Punktmutationen handelt (Popp
et al. 1983; Rusell 1990). Durch Verpaarung der behandelten Mäuse mit Wildtyp Weib-
chen der gleichen Linie entsteht eine große Anzahl mutierter Nachkommen (Nolan et al.
2000; Soewarto et al. 2000). Zur Identifizierung von relevanten Mutanten muss eine zu-
verlässige und genaue Phänotypisierung bei jedem Individuum dieser Nachkommen
(F1-Generation) durchgeführt werden. Das Ziel der ENU-Methode ist es, neue, klinisch
relevante Tiermodelle zu entwickeln und im Rahmen von Erhaltungszuchten zu
etablieren. Im Gegensatz zu knockout und transgenen Verfahren, welche von der Gen-
mutation ausgehend das Verhalten untersuchen, analysiert man bei der ENU Methode
zuerst die Verhaltensabweichungen und sucht anschließend nach dem Kandidatengen
(Abb. 1).
Der Vorteil der ENU-Methode besteht darin, dass die entstehenden Mutationen willkür-
lich sind, wodurch die Chance, noch nicht erforschte Kandidatengene zu identifizieren,
steigt. Dies kann aufgrund der großen Anzahl von Mutanten in vergleichsweise kurzer
Zeit erreicht werden. Das ENU-Verfahren wird zur Zeit unter anderem am Forschungs-
zentrum für Umwelt und Gesundheit (GSF, Neuherberg, Deutschland) innerhalb eines
Verbundprojekts angewendet, worin unter anderem das Max-Planck-Institut für Psychia-
trie (München) involviert ist. Für die Zucht der Mutanten wurde die Inzuchtlinie
C3HeB/FeJ (C3H) ausgewählt, da C3H Mäuse auch nach einer ENU Behandlung eine
stabile Fortpflanzungsrate zeigen. Bei der Phänotypisierung wird unterschieden zwi-
schen rezessiven und dominanten Mutationen, wobei dominante Mutationen heterozy-
got sein können, wohingegen rezessive Mutationen homozygot im Genom des Mu-
tanten vorkommen müssen, um Auffälligkeiten im Phänotyp zu zeigen. Um nach der
Phänotypisierung bei den entsprechenden Tieren eine Genotypisierung vornehmen zu
können, ist eine zweite Mauslinie zur Auskreuzung (outcross, Abb. 3) notwendig. Hierfür
werden bevorzugt C57BL/6J (BL6J) Mäuse eingesetzt, da diese, verglichen mit C3H
Mäusen, einen großen Unterschied in Bezug auf die Verteilung und Länge von polymor-
phen Sequenzen im Genom aufweisen. Bei diesen polymorphen Konstrukten handelt
es sich um kurze nonsens DNS Abschnitte, die aus Wiederholungen bestimmter Basen-
folgen bestehen (z.B. ATTATTATT...) und in großer Zahl im Genom eines jeden
Organismus vorhanden sind, wobei ihre Länge bei jedem Individuum unterschiedlich ist.
Sie dienen in der Humangenetik unter anderem dazu, einen genetischen Fingerabdruck

Einleitung 8
einer Person erstellen zu können. Im Falle einer Inzuchtlinie gibt es keine individuellen,
sondern linienspezifische Sequenzen.
Für die Genotypisierung im Rahmen des ENU-Projektes wurde der sogenannte Mikro-
satelliten-Polymorphismus verwendet. Mikrosatelliten sind sehr kurze Sequenzen, be-
stehend aus 10-50 Kopien von Folgen aus 1-6 Basenpaaren. Bei den C3H und BL6J In-
zuchtmäusen sind eine Vielzahl dieser Sequenzen in Bezug auf ihre Länge und Vertei-
lung im Genom bekannt. Im Mikrosatelliten Center in Berlin wurden eine Reihe von
polymorphen Markern entwickelt, die sich über das gesamte Genom von Hybriden aus
C3H und BL6J Mäusen verteilen und an spezifische Mikrosatellitensequenzen binden
(Soewarto et al. 2000).
Zur Genotypisierung wird die entsprechende Mutante mit einer BL6J Maus gekreuzt
(Abb.3), um bei den hybriden Nachkommen die Anzahl der C3H Gene zu reduzieren.
Diese Reduktion vereinfacht ein genmapping zur Ortung der Mutation. Nach diesem
Kreuzungsschritt müssen die Nachkommen erneut phänotypisiert werden, wobei die-
jenigen Tiere für die Rückkreuzung (backcross Abb. 3) ausgewählt werden, welche den
relevanten Phänotyp unverändert aufweisen. Bei den im Phänotyp bestätigten N2-
Nachkommen (Abb.3) kann mit Hilfe der Mikrosatelliten-Marker das Genom in die
beide, ihm zugrunde liegenden Mauslinien differenziert werden: Mit steigender Anzahl
von konfirmierten N2-Nachkommen wird die Genauigkeit des genmapping erhöht.
Abb. 2: Schema der Herstellung von ENU Mutanten. * deutet eine von vielen mögli-
chen Mutationen in den Spermien des Männchen an. (wt = Wildtyp; F1 = erste
Generation der Nachkommen)
(
*
*
*
*
F1
ENU
*
x
wt
wt
(
..
..

Einleitung 9
Ein solches Verfahren, das darauf beruht, eine möglichst große Anzahl von potentiellen
Mutanten hervorzubringen, kann nur funktionieren, wenn viele Tiere in kurzer Zeit effek-
tiv phänotypisiert werden können. Dementsprechend muss auch für die Verhaltensphä-
notypisierung ein Hochdurchsatzverfahren gefunden und etabliert werden. Hier wird die
Problematik der mTB besonders deutlich: Da ausschließlich Einzelindividuen getestet
werden, ist es nicht möglich, für jeden Test ein naives Tier einzusetzen. Dagegen
ermöglicht eine komplexe ethologische Analyse in nur einem Verhaltenstest jedes Indi-
viduum ohne die Vorerfahrung anderer Tests in allen Verhaltensdimensionen basal zu
untersuchen. Entsprechend sollte das mHb als Hochdurchsatzverfahren im Rahmen
des ENU-Projektes etabliert werden.
1.2.1.
Zuverlässigkeit der Verhaltensphänotypisierung mit dem mHb
Um Mutanten identifizieren zu können, sind Referenzwerte der Stammlinien nötig.
Diese sogenannte baseline sollte im Rahmen der vorliegenden Arbeit erstellt werden,
indem die Stammlinien (C3H und BL6J) und deren Hybriden in Bezug auf ihr basales
Verhalten im mHb getestet wurden. Im Abstand von einer Woche wurden die gleichen
Tiere erneut im mHb getestet, um zu prüfen, ob die für das ENU-Projekt notwendige
Verhaltenskonfirmation mit dem mHb zuverlässig durchführbar ist. Außerdem sollte der
Abb. 3: Kreuzungsschema zur Genotypisierung von ENU-Mutanten. Eine im Phänotyp bestätigte Mu-
tante wird mit einem Wildtyp (wt) der BL6J Mauslinie gekreuzt (=outcross), die daraus entstandene
Hybridengeneration (N1) wird erneut untersucht und bestätigte Tiere wiederum mit einem Wildtyp
(=backcross) verpaart. Das Genom dieser Nachkommen (N2) wird anschließend genotypisiert.
C3H (Mutante) x C57BL/6J (wt)
outcross
C3HBL6 (N1) x C57BL/6J (wt) backcross
C3HBL6BL6 (N2)

Einleitung 10
Vergleich von baseline Daten, die an unterschiedlichen Tagen erhoben wurden, zeigen,
wie stark das Verhalten der Tiere im mHb durch haltungsbedingte Variablen (z.B. Reini-
gung der Räume, Umsetzen in frische Käfige) beeinflusst wird.
1.2.2.
Analyse der Zuverlässigkeit von Grenzwerten zur Identifikation von Mutanten im
mHb
Um ein Tier als Mutante selektieren zu können, muss dessen Verhaltensphänotyp als
von der Norm abweichend identifiziert werden können. Entsprechend müssen für jeden
Verhaltensparameter Grenzwerte festgelegt werden. Empirische Studien besagen, dass
99% aller Tiere einer Normalverteilung innerhalb einer Grenze der 2,5fachen Stan-
dardabweichung (SD) liegen müssen, während Daten, die außerhalb der 3fachen SD
liegen, nicht mehr einer Normalverteilung zugeordnet werden (Field 2000). Auf der Ba-
sis dieser Definitionen wurde eine Toleranzbreite von ± SD x 2,75 als Grenze festge-
legt. Abweichungen von diesen Grenzwerten mussten sich im Konfirmationstest bestä-
tigen, bevor sie als Verhaltensveränderung registriert wurden. Aufgrund der ent-
scheidenden Rolle der baseline und den daraus abgeleiteten Grenzwerten ist es von
großer Bedeutung, dass diese einmal erhobene Norm zuverlässig und dauerhaft ange-
wendet werden kann. Um die Reliabilität der Grenzwerte zu untersuchen, wurde der An-
teil der konfirmierten Mutanten pro Zeiteinheit ermittelt, wobei baseline-Daten nur dann
als langfristig anwendbar gelten können, wenn sie langfristig in einem statistisch zu
erwartenden Wert resultieren.

Material und Methoden 11
2. Material und Methoden
2.1. Versuchtstiere und Haltung
2.2.1.
Ethologische Verhaltensanalyse bei Mäusen
In dieser Versuchsreihe wurden naive männliche Mäuse (Charles River Laboratorien,
Sulzfeld, Deutschland) der Linien BL6N (n=5) und BALB (n=5) untersucht. Die Tiere
wurden zwei Wochen im Tierstall des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie (MPI) in
München habituiert und im Alter von zehn Wochen getestet. Während der Habituation
wurden alle Mäuse einzeln in Plexiglaskäfigen (30 x 20 x 14cm) unter Standardbe-
dingungen (12 Stunden hell-dunkel Zyklus, Licht an um 6.00 Uhr, Beleuchtung ca. 280
Lux, 22±2°C Raumtemperatur, 60±5% Luftfeuchtigkeit) gehalten. Die Tiere erhielten
Wasser und Futterpellets (Altromin 1314, Lage, Deutschland) ad libitum. Einmal pro
Woche, jeweils am gleichen Wochentag, wurden alle Tiere in saubere Käfige umge-
setzt. Zwei Tage vor dem Verhaltenstest bekam jedes Tier täglich ein kleines Stück ge-
trocknete Mandel (ca. 0,05g), da Mandelstücke im Verhaltenstest als bekanntes Futter
eingesetzt wurden (s. Parameter).
2.2.2.
Das mHb als Hochdurchsatzverfahren zur Verhaltensphänotypisierung
Alle Tiere aus dem ENU-Projekt wurden im Forschungszentrum für Umwelt und
Gesundheit (GSF, Neuherberg) gezüchtet, wobei C57BL/6J (BL6J) und C3HeB/FeJ
(C3H) als Stammlinien 1996 von Jackson Laboratories (Bar Harbor, Maine, USA) bezo-
gen wurden. Nach der Geburt blieben alle Nachkommen bis zum Alter von drei Wochen
bei der Mutter und wurden anschließend in Plexiglaskäfigen (30 x 20 x 14 cm) zu je fünf
gleichgeschlechtlichen und gleichaltrigen Tieren gehalten. Wenn es nicht möglich war,
diese Gruppen mit einem Wurf zu erhalten, wurden auch Tiere aus verschiedenen
Würfen zusammengesetzt. Die Tiere wurden in den Haltungsräumen der GSF an eine
Trinkanlage gewöhnt, die jeden Käfig individuell versorgte. Es herrschten stan-
dardisierte Haltungsbedigungen (12 Stunden hell-dunkel Zyklus, Licht an um 7.00 Uhr,
22±2 °C Raumtemperatur, 60±5 % Luftfeuchtigkeit). Futterpellets (Altromin 1314, Lage,
Deutschland) und Wasser standen nach Bedarf zur Verfügung. Einmal pro Woche, je-
weils am gleichen Wochentag pro Raum, wurden alle Tiere in saubere Käfige umge-

Material und Methoden 12
setzt. Drei Tage vor dem Verhaltenstest wurde in die jeweiligen Käfige ein sechse-
ckiges, zylinderförmiges Objekt aus Messing (2 x 2 x 1cm) gelegt. Das Objekt blieb
zwei Tage im Käfig und wurde einen Tag vor der Verhaltenstestung entfernt. Es diente
im Test als bekanntes Objekt (s.Parameter).
2.3. Das modified hole board ( mHb)
Das mHb stellt eine Kombination aus open field und hole board dar. Das open field ist
ein validierter Verhaltenstest, der die Lokomotion von Nagetieren untersucht (Kelley,
1993). Das hole board wurde ursprünglich entwickelt, um exploratives Verhalten bei
Nagern zu erforschen (File & Wardill, 1975). Eine modifizierte Variante des hole boards
wurde dazu benutzt, kognitive Eigenschaften von Tupaias zu analysieren (Ohl et al,
1998; Ohl & Fuchs, 1999), und wurde dann als komplexer ethologischer Test für Nage-
tiere etabliert (Ohl et al, 2001a,b)
Das hole board besteht aus grauem PVC (60 x 20 x 2 cm) mit 23 eingestanzten Lö-
chern (1,5 x 0,5 cm) in drei Reihen, jeweils versetzt angeordnet (Abb. 4). Jedes Loch ist
mit einem Deckel verschlossen, der sich leicht zur Seite wegdrehen läßt und aus dem
gleichen Material wie das board besteht. Das board befindet sich in der Mitte einer PVC
box (150 x 50 x 50 cm), deren Boden durch graues Klebeband in 12 Quadrate unterteilt
Abb. 4: Schema des modified hole board.
150
c m
5
0
c
m
board
box
bekanntes
Objekt
unbekanntes
Objekt
Gruppen
kompartment
Start

Material und Methoden 13
ist (15 x 15 cm). Ein Drittel der gesamten box wird durch eine Trennwand aus durch-
sichtigem PVC abgetrennt, welche 120 in Reihen angeordnete Löcher enthält. Dieser
Teil der box dient während des Experimentes als Gruppenkompartment (s. Abb. 4) und
ermöglicht den Kontakt zwischen dem Versuchstier und seiner sozialen Gruppe.
2.3.1.
Verhaltensparameter
Während eines Versuchsdurchlaufs wurden, der Kategorisierung von Ohl et al. 2001a
entsprechend, folgende Parameter gemessen und bestimmten Verhaltensdimensionen
zugeordnet:
Angstverhalten:
Mäuse haben die Eigenheit, in einem neuen Areal zuerst an der Wand entlang, d.h. im
geschützten Areal, zu explorieren und erst später die freien Flächen, also das unge-
schützte Areal, zu erforschen (Crawley, 2000). Bei Unsicherheit in einer neuen Umge-
bung tasten sich Nager zaghaft voran und zeigen durch eine komplett durchgestreckte
Körperhaltung (stretched attends) eine vorsichtige Exploration der näheren Umgebung,
was meist auf eine erhöhte Angst der Tiere schließen läßt (Rodgers & Johnson 1996).
Dieses Verhalten wird auch als Risikoabschätzung (risk assessment) bezeichnet. Das
Angstverhalten im mHb wurde daher durch folgende Parametern gemessen bzw. be-
rechnet:
% der Zeit, welche das Tier mit mindestens zwei Beinen auf dem board verbringt (%
Zeit auf dem board)
Latenz bis zum ersten Betreten des boards (Latenz board)
Anzahl der Eintritte auf das board (Eintritt board)
Risk assessment:
Anzahl der durchgestreckten Körperhaltung (stretched attends)
Exploration:
Die gerichtete Erforschung einer neuen Umgebung geschieht bei Mäusen, wie auch bei
anderen Nagern, vor allem, indem unbekannte Strukturen beschnuppert werden. Als In-
dikator einer generellen, ungerichteten Exploration können rearings verstanden werden.
Hierbei steht die Maus nur auf den Hinterbeinen, der Oberkörper ist dabei aufgerichtet.

Material und Methoden 14
Desweiteren kann der Explorationspfad und der prozentuelle Anteil der explorierten Flä-
che zur Beurteilung der Explorationsstrategie einer Maus herangezogen werden. Bei
den gemessenen bzw. berechneten Parametern im mHb wurde unterschieden zwi-
schen
gerichteter Exploration:
Anzahl der explorierten Löcher (explorierte Löcher)
und ungerichteter Exploration:
Anzahl der rearings in der box (rearings box)
%explorierte Quadrate (%Quadrate)
Lokomotion:
Jedes sichtbare Verhalten eines Tieres beruht letztlich auf dem Vorhandensein oder
Fehlen von Bewegung. Aus diesem Grund ist es notwendig, die allgemeine Aktivität zu
messen. Es wurden folgende Parameter erhoben:
Linienübertritte (Linienübertritte)
%starre, vollständige Bewegungslosigkeit (%Immobilität)
Fresshemmung:
Es ist bekannt, dass bei Mäusen in einer neuen Umgebung eine Hemmung der Futter-
aufnahme auftritt (Crawley 1985; Skolnick Trullas1993). Diese Fresshemmung wurde
durch folgende Parameter gemessen:
Latenz bis zum Fressen des bekannten Futters (Latenz Fressen)
Exploration von Unbekanntem Futter:
Untersuchungen mit bekanntem und unbekanntem Futter haben gezeigt, dass Mäuse
unbekanntes Futter später als bekanntes Futter explorieren (Crawley 1985). Die Mo-
tivation, etwas Unbekanntes zu untersuchen, kann z.B. durch Stress oder Angst
vermindert werden. Um die Test-induzierte Inhibition der Exploration unbekannten Fut-
ters abschätzen zu können, wurden folgende Parameter gemessen :
Latenz bis zur Exploration des unbekannten Futters (Latenz unbekanntes Futter)
Latenz bis zur Exploration des bekannten Futters (Latenz bekanntes Futter)
Physiologische Erregung:

Material und Methoden 15
Physiologische Erregung äußert sich in vermehrtem Absetzen von Kotbällchen (Flint et
al. 1995) sowie im Reinigen des eigenen Fells (grooming) (To et al. 1999). Entspre-
chend wurden folgende Parameter erhoben:
Anzahl der Kotbällchen (Defäkation)
Latenz bis zum ersten grooming (Latenz grooming)
Kognition:
Versuche haben gezeigt, dass ein Nagetier sich mehr für ein unbekanntes Objekt inter-
essiert als für ein bekanntes (Spreng et al. 2001). Da ein unbekanntes Objekt primär
einen aversiven Reiz darstellt, findet die Exploration des unbekannten Objektes zwar
mit einer größeren Latenz statt, dafür verbringt das Tier aber mehr Zeit mit dem unbe-
kannten Gegenstand (Misslin 1981). Entsprechend wird eine längere Exploration des
bekannten Objektes als Indiz für eine verminderte Gedächtnisleistung interpretiert. Als
Indikatoren für Kognition, wurden daher folgende Quotienten berechnet
% der Zeit welche das Tier mit der Objektexploration verbrachte (% Zeit unbekann-
tes / bekanntes Objekt)
Quotient 1: unbekanntes Objekt wurde länger exploriert.
Latenz bis zur ersten Exploration (Latenz unbekanntes / bekanntes Objekt)
Quotient 1: unbekanntes Objekt wurde vor dem bekannten exploriert.
Häufigkeit der Exploration (Frequenz unbekanntes / bekanntes Objekt)
Quotient 1: unbekanntes Objekt wurde häufiger exploriert.
Soziale Affinität
Soziale Isolation stellt für Tiere, die in Gruppen leben (wie z.B. Mäuse) einen immensen
Stress dar (Valzelli et al. 1974). Im Zusammenhang mit einem Verhaltentest, der das
basale Verhalten einer Maus untersuchen soll, ist Stress ein Störfaktor, der so klein wie
möglich gehalten werden muss. Um dies zu gewährleisten, ist es den Tieren im mHb
möglich, den Kontakt zu der jeweiligen sozialen Gruppe aufrechtzuerhalten. Die Zeit,
die eine Maus in Kontakt mit der sozialen Gruppe verbringt, wurde als Indikator für so-
ziale Affinität gewertet (Ohl et al. 2001c) und mit Hilfe folgender Parameter gemessen
bzw. berechnet:
% der Zeit an der Trennwand mit dem Kopf zur Gruppe (%Gruppe)
Latenz bis zum ersten Kontakt mit der Gruppe ( Latenz Gruppe)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2001
ISBN (eBook)
9783832465926
ISBN (Paperback)
9783838665924
DOI
10.3239/9783832465926
Dateigröße
892 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München – Biologie, Zoologisches Institut
Erscheinungsdatum
2003 (März)
Note
1,0
Schlagworte
hochdurchsatzverfahren enu-mutanten
Produktsicherheit
Diplom.de
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Titel: Untersuchungen zur Verhaltensphänotypisierung bei Mäusen
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