Die subjektive Erwartungsnutzentheorie und ihre Erweiterungen
Der Erklärungsbeitrag von Kapazitäten und Verlustaversion zu beobachteten Phänomenen auf Kapitalmärkten
©2002
Diplomarbeit
65 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Kapitalmarktforschung wird seit den 60er Jahren durch das capital asset pricing model (CAPM) geprägt. Dieses Modell setzt sich mit Anlageentscheidungen und den am Kapitalmarkt herrschenden Bedingungen theoretisch auseinander. Die Kernaussagen und Implikationen des CAPM wurden in den vergangenen drei Jahrzehnten in den unterschiedlichsten Tests auf ihre Gültigkeit überprüft. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass obwohl das Modell in all seinen Varianten wichtige Erklärungen über Eigenschaften und Determinanten effizienter Kapitalmärkte vermittelt, sich systematische Abweichungen zwischen dem prognostizierten und empirisch beobachteten Verhalten einzelner Marktteilnehmer (MT) sowie des Aggregats konstatieren lassen. Da das CAPM eine typische Anwendung der subjective expected utility theory (SEU) ist, die nach der herrschenden Meinung rationales Entscheidungsverhalten unter unsicheren Erwartungen definiert, wird als wesentliche Ursache für diese Abweichungen der Umstand angesehen, dass das CAPM trotz seines deskriptiven Charakters nicht den realen, sondern ausschließlich den rationalen Entscheider als repräsentatives Individuum betrachtet. Die vorliegende Arbeit kritisiert dieses als neoklassisch bezeichnete Paradigma ökonomischen Verhaltens und erweitert ihr Forschungskonzept um solche entscheidungstheoretischen Modelle, die verhaltenswissenschaftliche Aspekte mit einbeziehen. In diesen unter dem Begriff der behavioral decision theory zusammengefassten Ansätze werden die Postulate der SEU soweit verallgemeinert, dass auch die hiervon abweichende Verhaltensweisen erfasst werden können.
Da eine Beschäftigung mit der gesamten Bandbreite verhaltenswissenschaftlicher Modelle im Rahmen einer Diplomarbeit nicht zu leisten ist, beschränken sich die Ausführungen mit Verlustaversion und Kapazitäten auf zwei der wichtigsten Elemente der von TVERSKY & KAHNEMAN konzipierten cumulative prospect theory (CPT) eine der am meisten untersuchten Alternativen zur SEU. In diesem Kontext lautet die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit, inwieweit die Berücksichtigung von Verlustaversion und Kapazitäten im Rahmen der Kapitalmarktforschung einen Beitrag zur Erklärung von Beobachtungen leistet, die nicht mit den Kernaussagen des CAPM vereinbar sind. Zur Klassifizierung dieser empirischen Phänomene orientiert sich die Arbeit am strukturellen Aufbau des CAPM. Es werden drei Stufen unterschieden. Erstens, die aus der SEU […]
Die Kapitalmarktforschung wird seit den 60er Jahren durch das capital asset pricing model (CAPM) geprägt. Dieses Modell setzt sich mit Anlageentscheidungen und den am Kapitalmarkt herrschenden Bedingungen theoretisch auseinander. Die Kernaussagen und Implikationen des CAPM wurden in den vergangenen drei Jahrzehnten in den unterschiedlichsten Tests auf ihre Gültigkeit überprüft. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass obwohl das Modell in all seinen Varianten wichtige Erklärungen über Eigenschaften und Determinanten effizienter Kapitalmärkte vermittelt, sich systematische Abweichungen zwischen dem prognostizierten und empirisch beobachteten Verhalten einzelner Marktteilnehmer (MT) sowie des Aggregats konstatieren lassen. Da das CAPM eine typische Anwendung der subjective expected utility theory (SEU) ist, die nach der herrschenden Meinung rationales Entscheidungsverhalten unter unsicheren Erwartungen definiert, wird als wesentliche Ursache für diese Abweichungen der Umstand angesehen, dass das CAPM trotz seines deskriptiven Charakters nicht den realen, sondern ausschließlich den rationalen Entscheider als repräsentatives Individuum betrachtet. Die vorliegende Arbeit kritisiert dieses als neoklassisch bezeichnete Paradigma ökonomischen Verhaltens und erweitert ihr Forschungskonzept um solche entscheidungstheoretischen Modelle, die verhaltenswissenschaftliche Aspekte mit einbeziehen. In diesen unter dem Begriff der behavioral decision theory zusammengefassten Ansätze werden die Postulate der SEU soweit verallgemeinert, dass auch die hiervon abweichende Verhaltensweisen erfasst werden können.
Da eine Beschäftigung mit der gesamten Bandbreite verhaltenswissenschaftlicher Modelle im Rahmen einer Diplomarbeit nicht zu leisten ist, beschränken sich die Ausführungen mit Verlustaversion und Kapazitäten auf zwei der wichtigsten Elemente der von TVERSKY & KAHNEMAN konzipierten cumulative prospect theory (CPT) eine der am meisten untersuchten Alternativen zur SEU. In diesem Kontext lautet die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit, inwieweit die Berücksichtigung von Verlustaversion und Kapazitäten im Rahmen der Kapitalmarktforschung einen Beitrag zur Erklärung von Beobachtungen leistet, die nicht mit den Kernaussagen des CAPM vereinbar sind. Zur Klassifizierung dieser empirischen Phänomene orientiert sich die Arbeit am strukturellen Aufbau des CAPM. Es werden drei Stufen unterschieden. Erstens, die aus der SEU […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
ID 6573
de Ruiter, Bastiaan M.: Die subjektive Erwartungsnutzentheorie und ihre Erweiterungen -
Der Erklärungsbeitrag von Kapazitäten und Verlustaversion zu beobachteten
Phänomenen auf Kapitalmärkten
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Bonn, Universität, Diplomarbeit, 2002
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany
II
,,Ich behaupte, dass die Rolle der Psychologie im Börsengeschehen gar nicht überschätzt
werden kann: Kurz- und mittelfristig macht sie 90 Prozent aus. Börsenpsychologie ist eine
Wissenschaft. [...] Die schwächste Aktie an allen Börsen der Welt ist heute die Aktie der
Logik-AG, denn ihre Kurse folgen dem Trend überhaupt nicht.".
(André Kostolany in: Kostolanys Börsenpsychologie)
III
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis ... IV
Abbildungsverzeichnis ... V
Übersicht der Axiome ... VI
Einleitung ... 1
Teil A: Zentrale Begriffe... 3
I.
Begriff der Rationalität... 3
II.
Begriff der Unsicherheit ... 4
Teil B: Entscheidungstheoretische Analyse ... 6
III.
Rationale Verhaltenspostulate ... 6
III.1.
Entscheidungsprinzip... 7
III.2.
Axiomensysteme... 9
IV.
Verhaltenswissenschaftliche Erklärungsansätze ... 14
IV.1.
Definition und Modellierung von Verlustaversion ... 15
IV.2.
Definition und Modellierung von Ambiguitätsaversion... 19
IV.3.
Axiomatische Fundierung ... 24
V.
Deskriptiver Anspruch: Ein Vergleich... 26
Teil C: Mikroökonomische Analyse... 27
VI.
Portefeuilletheoretische Verhaltenspostulate... 27
VII.
Der Dispositionseffekt ... 29
VIII.
Der Home Bias ... 30
IX.
Relevanz von Entscheidungskontroversen für Kapitalmärkte... 31
Teil D: Makroökonomische Analyse... 32
X.
Gleichgewichtstheoretische Verhaltensannahmen... 32
XI.
Das Equity Premium Puzzle... 34
XII.
Das Excess Volatility Puzzle ... 36
Fazit und Ausblick... 37
Persönlicher Kommentar... VII
Anhang ... VIII
Literaturverzeichnis ...XV
IV
Abkürzungsverzeichnis
Modelle und Phänomene
SEU
subjective expected utility theory
PT
prospect
theory
RDEU
rank dependent expected utility theory
CEU
choquet expected utility theory
CPT
cumulative prospect theory
CAPM
capital asset pricing model
CCAPM
consumption based asset pricing model
APM
standard asset pricing models
PST
portfolio selection theory
WTP - WTA
willingness to pay / willingness to accept
EPP
equity premium puzzle
EVP
equity volatility puzzle
Wichtige Symbole
f, g
Handlungen,
Alternativen
x, y
Konsequenzen einer Alternative
p(.)
Wahrscheinlichkeitsfunktion
u(.)
Nutzenfunktion
E(.)
Erwartungswert
von
v(.)
Wertfunktion
g(.)
Gewichtungsfunktion
q
Kapazitäten
f Präferenzrelation
Abkürzungen
bsp.
beispielsweise
d.h.
das
heißt
o.a.
oben
aufgeführt
vgl.
Vergleiche
bzw.
beziehungsweise
u.a.
und
ähnliches
MT
Marktteilnehmer, Anleger, Entscheider
p.a.
per
anno
i.H.v.
in Höhe von
i.S.d.
im Sinne der
V
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Entscheidungssituation im ,,Ellsberg three-colour Paradoxon"
I
... 20
Abbildung 2: Entscheidungssituation im ,,Ellsberg three-colour Paradoxon"
II
... 25
Abbildung 3: Beispiele für Entscheidungsräume in der
SEU
... IX
Abbildung 4: Repräsentativer Verlauf der
CPT
- Wertfunktion... X
Abbildung 5: Entscheidungssituation im ,,Ellsberg two-colour Paradoxon"... XI
Abbildung 6: Repräsentative Wahrscheinlichkeitsgewichtungsfunktion der
CPT
... XII
Abbildung 7: Tabelle
1
(
EPP
) - Risikoprämie in den
USA
zwischen
1802-2000
... XIII
Abbildung 8: Tabelle
2
(
EPP
) Internationale Risikoprämie zwischen
1947-1999
... XIII
Abbildung 9: Eine
1$
Investition Aktien versus Anleihen ...XIV
VI
Übersicht der Axiome
Zur Unterscheidung werden die Axiome
1
von
SAVAGE
mit
P
und die von
ANSCOMBE & AU-
MANN
mit
A
gekennzeichnet:
SAVAGE
P1
:
Ordering
P1
´
Completeness
P1
´´
Transitivity
P2
:
State Independence
P3
:
Eventwise Monotonicity
P4
:
Comparative Probability
P5
:
Nondegeneracy (Solvability)
P6
:
Archimedeanness (Continuity)
P7
:
2
ANSCOMBE & AUMANN
A1
:
Ordering
A1
´
Completeness
A1
´´ Transitivity
A2
:
Mixture Independence
A3
:
Continuity
A4
:
Nondegeneracy (Solvability)
A5
:
Strict Monotonicity
A2.b
: Comonotonic Independence
1
Da in der Literatur oft gleichbedeutend von Axiomen und Postulaten gesprochen wird, verwendet diese Arbeit den
Begriff der Axiome im Sinne einer Erfüllung gewisser Anforderungen. Demgegenüber wird von Postulaten gesprochen,
falls ein Entscheider diese als Grundlage seines Verhaltens ansieht und sich nach ihnen richtet.
2
Die Beschränkung auf eine endliche Menge von Konsequenzen ermöglicht ohne Verlust der Allgemeinheit die Ver-
nachlässigung des ausschließlich technischen Axioms [A7].
1
Einleitung
Die Kapitalmarktforschung wird seit den 60er Jahren durch das ,,capital asset pricing model"
(CAPM)
geprägt. Dieses Modell setzt sich mit Anlageentscheidungen und den am Kapital-
markt herrschenden Bedingungen theoretisch auseinander. Die Kernaussagen und Implika-
tionen des
CAPM
wurden in den vergangenen drei Jahrzehnten in den unterschiedlichsten
Tests auf ihre Gültigkeit überprüft. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass obwohl das
Modell in all seinen Varianten wichtige Erklärungen über Eigenschaften und Determinanten
effizienter Kapitalmärkte vermittelt, sich systematische Abweichungen zwischen dem prog-
nostizierten und empirisch beobachteten Verhalten einzelner Marktteilnehmer
(MT)
3
sowie
des Aggregats
4
konstatieren lassen.
Da das
CAPM
eine typische Anwendung der ,,subjective
expected utility theory"
(SEU)
ist, die nach der herrschenden Meinung rationales Entschei-
dungsverhalten unter unsicheren Erwartungen definiert,
5
wird als wesentliche Ursache für
diese Abweichungen der Umstand angesehen, dass das
CAPM
trotz seines deskriptiven
Charakters nicht den realen, sondern ausschließlich den rationalen Entscheider als reprä-
sentatives Individuum betrachtet. Die vorliegende Arbeit kritisiert dieses als neoklassisch
bezeichnete Paradigma ökonomischen Verhaltens und erweitert ihr Forschungskonzept um
solche entscheidungstheoretischen Modelle, die verhaltenswissenschaftliche Aspekte mit
einbeziehen. In diesen unter dem Begriff der ,,behavioral decision theory" zusammengefass-
ten Ansätze werden die Postulate der
SEU
soweit verallgemeinert, dass auch die hiervon
abweichende Verhaltensweisen erfasst werden können.
6
Da eine Beschäftigung mit der gesamten Bandbreite verhaltenswissenschaftlicher Modelle
im Rahmen einer Diplomarbeit nicht zu leisten ist, beschränken sich die Ausführungen mit
Verlustaversion und Kapazitäten auf zwei der wichtigsten Elemente der von
TVERSKY &
KAHNEMAN (1992)
konzipierten ,,cumulative prospect theory"
(CPT)
eine der am meisten
untersuchten Alternativen zur
SEU
.
7
In diesem Kontext lautet die zentrale Fragestellung der
vorliegenden Arbeit, inwieweit die Berücksichtigung von Verlustaversion und Kapazitäten im
Rahmen der Kapitalmarktforschung einen Beitrag zur Erklärung von Beobachtungen leistet,
die nicht mit den Kernaussagen des
CAPM
vereinbar sind. Zur Klassifizierung dieser empiri-
schen Phänomene orientiert sich die Arbeit am strukturellen Aufbau des
CAPM
. Es werden
3
Die Begriffe des Marktteilnehmers und Anlegers werden in dieser Arbeit als synonym betrachtet.
4
Die Begriffe des Aggregats und Marktverhaltens werden in dieser Arbeit synonym verwendet.
5
Vgl. Drukarczyk (1980), Franke & Hax (1994) und Loistle (1994). Bei Ambiguitätssituationen wird jedoch schon disku-
tiert, ob die SEU überhaupt ein Modell rationalen Verhaltens sein kann, vgl. Kapitel 2 und Schoemaker (1991).
6
Vgl. Camerer & Weber (1992), Eisenführ & Weber (1999) S.357-396, Jungermann & Pfister & Fischer (1998), Weber &
Camerer (1987). Vgl. auch den Überblick über ,,behavioral finance" Ansätze in de Bondt & Thaler (1995).
7
Für die Forschungsresultate über menschliche Entscheidungen in Situationen der Unsicherheit, welche die Grundlage
für die zusammen mit dem 1996 verstorbenen Amos Tversky entwickelten ,,prospect theory" (PT) bildeten, erhielt Kah-
neman den diesjährigen Nobelpreis (2002) für Wirtschaft.
2
drei Stufen unterschieden. Erstens, die aus der
SEU
bestehende entscheidungstheoretische
Stufe. Zweitens, die mikroökonomische Stufe, basierend auf der ,,portfolio selection theory"
(PST)
, in der die Verhaltenspostulate der
SEU
beibehalten und für das spezifische Problem
der Anlageentscheidung konkretisiert werden. Drittens, die makroökonomische Stufe, auf der
die in der
PST
modellierten Angebots- und Nachfragetransaktionen aggregiert werden, um
Aussagen über den am Markt zugrundeliegenden Preisbildungsprozess von Wertpapieren zu
treffen. Da das
CAPM
annimmt, dass im Gleichgewicht individuelle Abweichungen von der
SEU
bzw.
PST
durch den im Kapitalmarkt herrschenden Wettbewerb ausgeglichen wurden,
ist diese Stufe aus ökonomischer Sicht von besonderem Interesse.
8
Die vorliegende Arbeit betrachtet jede der drei o.a. Stufen als eigenständige Analyseebene.
Entsprechend der Fragestellung werden die Kernaussagen des
CAPM
nur skizziert, da der
Schwerpunkt auf der Darstellung der in diesem Modell aufgestellten Annahmen über indivi-
duelles Verhalten liegt. Dabei bildet der Vergleich zwischen den Verhaltenspostulaten der
SEU
und den in den Modellen
9
der Verlustaversion und Kapazitäten enthaltenen Verhaltens-
hypothesen zum einen das entscheidungstheoretische Fundament der empirischen Evalua-
tion von Verlustaversion und Kapazitäten, zum anderen ermöglicht er eine gezielte Analyse,
an welchen Stellen die Aussagekraft des
CAPM
aufgrund des neoklassischen Paradigmas
eingeschränkt ist. Das methodische Problem, dass sich die deskriptiven Hypothesen nicht
unmittelbar mit den normativen Postulaten vergleichen lassen, wird dadurch gelöst, dass im
Rahmen des
CAPM
die
SEU
als Erklärungsmodell für tatsächliches Anlegerverhalten umge-
deutet wird. Die Darstellung der in der
PST
und im Gleichgewicht aufgestellten Annahmen
dienen als Vergleichsparameter, an denen Abweichungen festgestellt werden können. Dem-
entsprechend ist die vorliegende Arbeit folgendermaßen aufgebaut: Nach einer Klärung der
zentralen Begriffe in Teil
A
werden in Teil
B
die Modelle der Verlustaversion und Kapazitäten
anhand der
WTA-WTP
Disparität und dem ,,Ellsberg Paradoxon" systematisch dargestellt. Die
Überprüfung der in den beiden Modellen enthaltenen Verhaltensannahmen vor dem Hinter-
grund des Kapitalmarktes erfolgt in Teil
C
anhand des Dispositionseffektes und ,,home bias"
zunächst auf der Individualebene. In Teil
D
wird diese aber mit dem ,,equity premium puzzle"
und ,,equity volatility puzzle" auf der Marktebene fortgeführt. In einem Fazit werden die in den
einzelnen Analyseebenen gewonnen Ergebnisse schließlich zusammengefasst.
8
Vgl. auch Kapitel IX und Fazit der vorliegenden Arbeit.
9
Der Begriff des Modells wird verwendet, falls es sich um die spezifische Formalisierung bestimmter Annahmen handelt.
Demgegenüber umfasst eine Theorie die Gesamtheit aller Annahmen.
3
Teil A: Zentrale Begriffe
Das kennzeichnende Element des
CAPM ist
die ausschließliche Modellierung eines rationa-
len Anlegers. Der Rationalitätsbegriff wird dabei unmittelbar durch die
SEU
konkretisiert. Im
Gegensatz zur deskriptiven Entscheidungstheorie, die sich die Frage stellt, wie Entscheidun-
gen in der Realität getroffen werden, analysiert dieser normative Ansatz idealtypisches Ent-
scheidungsverhalten mit Hilfe der Entscheidungslogik.
10
Die postulierten Entscheidungsprin-
zipien bzw. -regeln
11
besitzen aber nur vor dem Hintergrund der jeweils zugrundeliegenden
Rationalitätsvorstellung Gültigkeit, so dass Verstöße gegen eines der Prinzipien immer nur in
Bezug auf die beschriebenen Vorstellung als irrational bezeichnet werden können. Daher
wird von der
SEU
abweichendes Verhalten in dieser Arbeit als kontrovers bezeichnet. Eine
Basis für die hierauf bezogene Analyse, bildet die Darstellung der zentralen Begriffe in den
beiden folgenden Kapiteln: Rationalität und Unsicherheit.
I.
Begriff der Rationalität
In einer allgemeinen Umschreibung versteht man unter Rationalität bewusste, überlegte und
begründbare Entscheidungen, durch die ein angestrebtes Ziel verspricht realisiert zu wer-
den.
12
Ein erster Ansatzpunkt zur Definition von Rationalität könnte daher das erzielte Ent-
scheidungsergebnis sein. Obwohl der Zweck der Rationalität darin liegt im Durchschnitt er-
folgreichere Entscheidungen zu treffen, erweist sich diese Vorgehensweise als unzurei-
chend, da rationales Verhalten bei Unsicherheit keine Garantie für den Erfolg einer Ent-
scheidung darstellt. Als erstes Beurteilungskriterium findet daher die prozedurale Rationalität
Verwendung, in der Anforderungen an den Entscheidungsprozeß gestellt werden. Ein zwei-
tes Kriterium stellt die Forderung nach der logischen Konsistenz des Handelns dar (Wider-
spruchsfreiheit). Als wichtigste Anforderungen werden dabei die Zukunftsorientierung, das
Dominanzprinzip, die Transitivität und die Invarianz von Präferenzen betrachtet.
13
Diesem
Verständnis folgend basiert die
SEU
auf einer subjektiven Formalrationalität, d.h. bei der ge-
gebenen, subjektiv wahrgenommenen Informationsmenge sollte sich ein rationaler Entschei-
der gemäß der spezifizierten Entscheidungslogik verhalten und seine Ziele konsistent verfol-
gen.
14
Das zugrundeliegende Menschenbild stellt dabei der ,,homo oeconomicus" dar, der
einerseits in der Lage ist, das Entscheidungsproblem gemäß der in Kapitel
III
genannten E-
10
Auf der Basis normativer Vorstellungen werden in der präskriptiven Entscheidungstheorie konkrete Handlungsemp-
fehlungen für reale Entscheidungssituationen formuliert, vgl. Kühberger (1994).
11
Entscheidungsprinzipien beinhalten lediglich eine Zielvorschrift. Entscheidungsregeln legen zusätzlich noch den Ziel-
inhalt fest und sind damit als konkrete Ausgestaltung des Entscheidungsprinzips zu verstehen, vgl. Laux (1995).
12
Vgl. Jungermann (1976) S. .
13
Vgl. Allais (1979) S.78f, Bamberg & Coenenberg (1994) S.3f, Eisenführ & Weber (1999) S.5-7 und Schneewiß (1967)
S.78. Die genannten Prinzipien werden im Rahmen der Axiomensysteme in Abschnitt III.2. genauer betrachtet.
14
Vgl. Bamberg & Coenenberg (1994) S.4 und Jungermann (1976) S. .
4
lemente zu strukturieren und andererseits mit Hilfe entscheidungstheoretischer Prinzipien die
Alternative auszuwählen, die seine individuelle Zielfunktion maximiert. Dies impliziert die un-
verzerrte Verarbeitung der zur Verfügung stehenden Informationen.
15
Ein anderes Verständ-
nis von Rationalität liefert
SIMON
mit seinem Entwurf der ,,bounded rationality".
16
Danach wird
nicht mehr nutzenmaximierendes, sondern an Anspruchsniveaus orientiertes Verhalten un-
terstellt und somit der begrenzten kognitiven Kapazität von Personen Rechnung getragen.
Als rational ist der Entscheidungsprozess dann anzusehen, wenn er bewusst und geplant
abläuft und im Einklang mit dem individuell vorhandenen Wissen und der begrenzten Verar-
beitungskapazität steht. Die grundlegende Motivation, subjektiv optimale Entscheidungen zu
treffen, wird also nicht aufgegeben. Trotz seiner empirischen Bestätigung konnte sich dieses
Rationalitätsverständnis in der Ökonomie bisher nicht durchsetzen.
17
Jedoch wird in dieser
Arbeit mit der
CPT
eine Theorie präsentiert, die zumindest Teilelemente einer ,,bounded rati-
onality" aufgreift.
II.
Begriff der Unsicherheit
In einer allgemeinen Umschreibung versteht man unter Unsicherheit, dass die Konsequen-
zen einer Alternative mit Ereignissen verbunden sind, über deren Einflussfaktoren der Ent-
scheider keine vollständige Kontrolle besitzt. Numerisch wird die Unsicherheit in der
SEU
durch Wahrscheinlichkeiten
(WSK)
ausgedrückt. Die Diskussion darüber, ob die
WSK
ledig-
lich objektiv interpretiert werden sollen oder, ob auch subjektive
WSK
eine Grundlage für
Entscheidungen bilden können, weist eine lange Tradition auf.
18
Obwohl die
SEU
keine Un-
terscheidung zwischen den beiden Konzeptionen trifft, geht sie grundsätzlich davon aus,
dass Objektivität nicht erreichbar ist. Eine Ansicht, die durch die Tatsache untermauert wird,
dass der objektive Wahrscheinlichkeitsbegriff in realen Entscheidungssituationen kaum an-
wendbar ist. Insbesondere ist unklar, wie die Unsicherheit bei Investitionsentscheidungen mit
Hilfe von objektiven
WSK
quantifiziert werden könnte, da die Konsequenzen häufig von ein-
maligen Ereignissen beeinflusst werden und somit keine Erfahrungswerte verfügbar sind. Die
von
DE FINETTI
und
RAMSEY
entwickelte subjektivistische Konzeption ist jedoch nur bei Ein-
behaltung einer Reihe von Axiomen, die unter anderem die auch der objektiven Definition
zugrundeliegenden Axiome von
KOLMOGOROV
einschließen, mit rationalem Verhalten ver-
einbar. Die Intersubjektivität
wird dabei durch die Anzahl von Personen bestimmt, die einem
Zufallsereignis dieselbe subjektive
WSK
zuordnen.
19
Das
CAPM
führt keine eigenständige
15
Vgl. zu den Eigenschaften des ,,homo oeconomicus" beispielsweise Ramb (1993).
16
Vgl. Kühberger (1994) S.6-7, Rubinstein (1998) und Simon (1986).
17
Vgl. Selten (1991) S.17.
18
Vgl. beispielsweise Bea (1995) S.6-9.
19
Vgl. Bea (1995) S.8, de Finetti (1937/1964), Gärdenfors & Sahlin (1988), Kolmogorov (1933), Ramsey (1931/1988)
und Savage (1954/1972).
5
Definition von Unsicherheit ein, sondern beschränkt sich auf die Annahme rationalen Verhal-
tens im Sinne der
SEU
. Im Gegensatz zur
SEU
, die das Risiko lediglich implizit durch die ge-
samte Wahrscheinlichkeitsverteilung repräsentiert, berücksichtigt das
CAPM
dieses jedoch
als eigenständiges Attribut.
20
Dabei wurde in der ökonomischen Diskussion zur Risikoerfas-
sung schon früh vorgeschlagen, dass Präferenzfunktionen nicht von der gesamten Vertei-
lung, sondern nur von einigen Parametern abhängen sollen. Da, bis auf wenige Ausnahmen,
alle bekannten Verteilungen eindeutig durch ihre Momente beschrieben werden können,
entspricht die Bewertung der isolierten Größen der Bewertung der gesamten Verteilung. Die
im Rahmen der einfacheren Anwendung praktizierte Verdichtung ist aber nur dann zulässig,
wenn diese zur vollständigen Charakterisierung der Verteilung hinreichend ist. Hiernach gibt
es also für eine Verteilung z eine Präferenzfunktion
V
, die nur von
n
Parametern abhängt:
V
(z) =
V
(
1
,...,
n
).
21
Um die Kongruenz mit der
SEU
zu erreichen, ist die Angabe zusätzlicher
Prämissen erforderlich.
22
Wie die
SEU
erfasst die
CPT
das Risiko lediglich implizit. Mit der
Einführung von Referenzpunkten betrachten
KAHNEMAN & TVERSKY
jedoch die individuell
unterschiedlich definierten Gewinne bzw. Verluste und die damit korrespondierenden
WSK
als Risikodimension. Die zur Messung des Risikos erforderliche Verknüpfung von
WSK
und
Ereignissen wird als multiplikativ unterstellt. Diese Annahme entspricht zumindest strukturell
dem Grundgedanken der
SEU
.
Trotz der im Detail verschiedenen Begriffsverwendungen lassen sich zwei Grundelemente
identifizieren: die
WSK
des Eintretens eines bestimmten Ereignisses und dessen Bedeutung
für den Entscheider. Da beide Größen nur aus Sicht des Entscheiders beurteilt werden kön-
nen, liegt letztlich immer eine subjektive Begriffsdefinition vor, d.h. die unterschiedlichen Ein-
schätzungen der Zukunft und Ziele lassen zwei Entscheider in einer äußerlich gleichen Ent-
scheidungssituation zu verschiedenen Entscheidungen kommen, ohne dass einer rationaler
handelt als der andere. Da Informationen hierbei eine große Rolle spielen, richtet sich die
vorliegende Arbeit bei der Klassifizierung von Entscheidungssituationen an der informations-
orientierten und statistischen Perspektive aus.
23
Nach dieser Auffassung resultiert Unsicher-
heit aus einem subjektiv als unvollständig empfundenen Informationsstand über zukünftige
Entwicklungen, welcher durch die wahrgenommene Information sowie deren Verarbeitung
bestimmt wird.
24
Unsicherheit wird hier als Oberbegriff für die darunter subsumierten Ent-
20
Vgl. Allais (1979) S.104, der die Vernachlässigung einer Risikodimension als fundamentalen Fehler der am Bernoulli-
prinzip orientierten amerikanischen Schule bezeichnet. Hinsichtlich der Auflösung bestehender Paradoxa der SEU sagte
bereits Keynes: ,,... must be brought about, I think by a development of the theory of risk", vgl. Keynes (1921) S. 352.
21
Vgl. Unser (1999) S. 83-89.
22
Vgl. Laux (1995) S.161-166 und Schneeweiß (1967) S.46f.
23
Vgl. die Übersicht über die in den Verhaltenswissenschaften vorgeschlagenen Definitionen in Unser (1999) S.47-59.
24
Vgl. Jungermann & Pfister & Fischer (1998) S.140.
6
scheidungssituationen Risiko und Ambiguität betrachtet. Eine Risikosituation liegt dann vor,
wenn auf der Basis von relativen Häufigkeiten, bekannten stochastischen Prozessen oder
Überzeugungen
WSK
subjektiv gebildet worden sind. Demgegenüber beschreibt Ambiguität
eine Situation, in der Ereignisse durch einen hohen Informationsmangel gekennzeichnet sind
und keine eindeutige Wahrscheinlichkeitszuteilung erzielt werden kann.
25
Die im sogenann-
ten ,,Ellsberg Paradoxon" nahegelegte Präferenz für mehr Information in derartigen Situatio-
nen wird im Rahmen der
CPT
mit Hilfe sogenannter Kapazitäten formalisiert.
26
Teil B: Entscheidungstheoretische Analyse
III. Rationale
Verhaltenspostulate
In diesem Kapitel wird das Konzept der
SEU
vorgestellt. Der Ausgangspunkt in diesem Kon-
zept besteht in einer Reduktion der eigentlichen Entscheidung. Hierzu wird die Struktur jeder
Entscheidungssituation in ihre Komponenten zerlegt, so dass die Wirklichkeit sich mit Hilfe
von Umweltzuständen, Eintrittswahrscheinlichkeiten, Alternativen und dem Zielsystem des
Entscheiders vereinfacht in einer Entscheidungsmatrix abbilden lässt.
27
Dabei gehen prak-
tisch-normative Ansätze wie die
SEU
von einem konstruierten Idealfall einer Entscheidungs-
person aus, die sämtliche Handlungsoptionen und -ergebnisse kennt und diese simultan
verarbeiten kann.
28
Das Ziel ist die Optimierung der Entscheidung unter bestimmten Rah-
menbedingungen.
29
Ein Anleger besitzt demnach grundsätzlich das Problem, wie er ein ge-
gebenes Anfangsvermögen
A
zu einem Zeitpunkt
t = 0
gemäß seinen Präferenzen optimal
auf einem Kapitalmarkt anlegen sollte. Hierfür stehen
n
Wertpapiere als Anlagealternativen
zur Verfügung. Die Aufgabe eines Anlegers mit Planungshorizont in
t = 1
besteht nun darin,
aus der Menge aller möglichen Wertpapiere genau eines auszuwählen. Das Endvermögen
Z
als Zielgröße stellt allerdings in
t = 0
eine unsichere Größe dar, so dass eine einfache Rei-
hung nach den erreichbaren Endvermögenswerten nicht möglich ist. Die Frage nach der op-
timalen Anlage von
A
kann nur dann beantwortet werden, wenn neben den denkbaren Hand-
lungsalternativen auch eine Präferenzfunktion des Entscheidungsträgers näher spezifiziert
wird, durch die der Anleger jeder, über eine entsprechende Anlage erreichbaren, Wahr-
scheinlichkeitsverteilung von
Z
einen Präferenzwert zuordnet. Anhand dieser Werte lassen
sich alle für den Anleger möglichen Anlagealternativen nach ihrer Vorteilhaftigkeit sortieren.
25
Abweichend von der hier vertretenen Auffassung werden Risikosituationen häufig mit dem Vorliegen von objektiven
WSK und Ambiguität mit dem Vorliegen von subjektiven WSK gleichgesetzt, vgl. Knight (1921). Die Definition von Ambi-
guität ist daher umstritten .Vgl. auch Abschnitt IV.2.
26
Vgl. auch Gilboa & Schmeidler (1989), die ein Menü von additiven Wahrscheinlichkeitsmaßen verwenden.
27
Die Darstellungsweise orientiert sich an der traditionellen Vorstellung von einer Entscheidungssituation, vgl. Gärden-
fors & Sahlin (1988) S.2, und wird hier lediglich in einen Kapitalmarktzusammenhang gesetzt, vgl. Breuer (1999) S.5-6.
28
Die Forschung zur Vollständigkeit der Repräsentation von Entscheidungsproblemen zeigt, dass diese oft unvollstän-
dig repräsentiert werden, vgl. Fischhoff & Slovic & Lichtenstein (1978) und Hirt & Castellan (1988).
29
Vgl. Camerer (1995), March (1978) und Ramb (1993).
7
Sieht der Anleger die
SEU
als Grundlage seines Verhaltens an, gilt folgendes Entschei-
dungsprinzip: Wähle jene Alternative, deren subjektiv zu erwartender Nutzen maximal ist.
III.1. Entscheidungsprinzip
Das o.a. Entscheidungsprinzip
30
für unsichere Entscheidungssituationen hat sich seit der
formalen Fundierung durch die von
VON NEUMANN & MORGENSTERN (1947)
und
SAVAGE
(1954/1972)
vorgestellten Axiomensysteme in der Entscheidungstheorie durchgesetzt. Das
von
BERNOULLI
bereits
1738
entwickelte Prinzip entstand aus der Erkenntnis, dass die bis
dahin vorherrschende Bayes-Regel nicht uneingeschränkt für die Bewertung von Glücksspie-
len tauglich ist. Hierbei wählt der Entscheider diejenige Alternative, für die der Erwartungs-
wert der Ergebnisverteilung maximal ist. Diese Vorgehensweise kann beispielsweise nicht
das Bietverhalten beim sogenannten St. Petersburger Spiel erklären.
BERNOULLI
geht davon
aus, dass der Wert einer Lotterie individuell verschieden ist und von der jeweiligen Vermö-
gensposition abhängt. Dabei wird für jede Alternative der zu erwartende Nutzen bestimmt.
31
Nutzen ist ein Maß dafür, in welchem Ausmaß die Konsequenzen von Alternativen das Er-
reichen von Zielen ermöglichen, d.h. der subjektive Wert einer Alternative. Die Entscheidung
wird letztlich durch das Prinzip der Maximierung des Erwartungsnutzens bestimmt, wobei die
Konsequenzen als Endvermögensgrößen betrachtet werden.
32
(Prinzip der Maximierung des Erwartungsnutzens)
(
)
( )
1
... , ...
max!
n
i
i
i
EU
f g
u x p
=
=
Die Verbindung zwischen den Axiomensystemen und dem von
BERNOULLI
vorgeschlagenen
Auswahlprinzip liegt darin, dass ein Entscheidungsverhalten gemäß der Axiome zur Auswahl
der Alternative führt, die den erwarteten Nutzen maximiert, d.h. falls f
g
f , dann verhält sich
der Entscheider als ob
( )
( )
EU f
EU g
gilt (Erwartungsnutzen-Hypothese). Den einzelnen
Konsequenzen können also auf der Grundlage präferentieller
33
Urteile über Lotterien auf
einer breiten Skala gemessen - derart numerische Größen zugeordnet werden, dass die E-
xistenz einer dieser Präferenzen abbildenden Nutzenfunktion sowie deren Eigenschaften
abgeleitet werden kann. Die Intention einer solchen Messung ist neben der Festlegung einer
Rangordnung auch die Reflektion der relativen Stärke der Präferenz. Diese auch als kardinal
bezeichneten Nutzenfunktionen sind bis auf eine positive affine Transformation eindeutig
30
Das Prinzip wird auch als Bernoulliprinzip bezeichnet. In dieser Arbeit wird jedoch ausschließlich der Begriff des Er-
wartungsnutzenprinzips (SEU-Prinzip) verwendet. Vgl. zur Begründung die weiteren Ausführungen in diesem Abschnitt.
31
Vgl. Bernoulli (1738/1996) und Eisenführ Weber (1999) S.202.
32
Vgl. Gärdenfors Sahlin (1988) S.3-6 und Kühberger (1994) S.7 16.
33
Im Gegensatz zu evaluativen Urteilen, reflektieren präferentielle Urteile lediglich die relative Stärke der Präferenz.
8
bestimmt:
( )
( )
,
0
U f
aU f
b mit a b
und a
=
+
. Da hierbei der Begriff des Nutzens un-
abhängig von inhaltlichen Überlegungen verwendet wird, kann die tatsächliche Gestalt der
Nutzenfunktion offen gelassen werden kann.
34
Die Rückschlüsse auf die Wahrscheinlich-
keitsfunktion lassen sich als subjektive Grade der Überzeugung interpretieren, mit der ein
bestimmtes Ereignis eintritt. Dabei wird jedem Zustand in der Art eine
WSK
zugeordnet wird,
dass
1
1
n
i
i
p
=
=
gilt. Aufgrund eines solchen eindeutigen und additiven Wahrscheinlichkeits-
maßes erfasst die
SEU
lediglich Risikosituationen.
35
(Eigenschaften von additiven Wahrscheinlichkeitsmaßen)
36
(
a
)
( )
1
q
=
S
(
b
)
( )
0
P A
(
c
)
(
)
( )
( )
A
B
P A
B
P A
P B
=
=
+
BERNOULLI
begründet den von ihm vorgeschlagenen Verlauf der Risikonutzenfunktion mit
der abnehmenden Rate des Grenznutzens von Geld und hat somit eine reine Höhenpräfe-
renzfunktion im Auge.
37
Bei präferentiellen Urteilen hingegen äußern die Befragten simultan
eine Höhen- und Risikopräferenz
38
, so dass sich eine auf Basis von Axiomen empirisch ab-
geleitete Risikonutzenfunktion auch aus diesen beiden Bestandteilen zusammensetzt.
39
Die
Vermischung von Risiko und Wert wirft aber die Frage auf, welche Aussagen in Bezug auf
die Risikoeinstellung des Entscheiders aus dem Verlauf einer solchen Funktion getroffen
werden können. Wie die Ergebnisse einiger empirischer Untersuchungen zeigen, können
hierüber Schlussfolgerungen gezogen werden. Diese können aber nicht von der Höhenpräfe-
renz getrennt werden.
40
Nimmt man vereinfachend an, dass die Funktion der Höhenpräfe-
renz linear ist, bringt die zweite Ableitung der Risikonutzenfunktion, die deren Konvexität
oder Konkavität determiniert, drei Grundformen der Risikoeinstellung zum Ausdruck. Ein
34
In der Literatur häufig als v.-Neumann-Morgenstern-Nutzen bezeichnet. Die Begriffsverwendung ist jedoch nicht ein-
heitlich, vgl. den Überblick über die unterschiedlichen Definitionen in Jungermann Pfister Fischer (1998).
35
Vgl. Gärdenfors Sahlin (1988) S.4 und Kühberger (1994) S. 7.
36
Vgl. mit den Eigenschaften von Kapazitäten in Abschnitt IV.2.2.
37
Die Risikobewertung erfolgt implizit durch die vorgegebene Struktur des Spiels, da mit einer steigenden Auszahlung
auch ein höheres Risiko im Sinne einer abnehmenden Gewinnwahrscheinlichkeit verbunden ist, vgl. Coombs Dawes
Tversky (1975) S.145 und Drukarczyk (1980) S.123.
38
Die Risikopräferenzfunktion zielt direkt auf die Wahrscheinlichkeitsstruktur einer Alternative ab.
39
In der Literatur wird eine Kontroverse darüber geführt, welche Eigenschaften die Risikonutzenfunktion wiederspiegelt.
Zur Ansicht der Befürworter des SEU- Prinzips vgl. Allais (1979) S.103 und Bell Raiffa (1988) und zur Ansicht der
Kritiker beispielsweise Krzysztofowicz (1992).
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2002
- ISBN (eBook)
- 9783832465735
- ISBN (Paperback)
- 9783838665733
- DOI
- 10.3239/9783832465735
- Dateigröße
- 4 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn – Wirtschaftswissenschaften
- Erscheinungsdatum
- 2003 (März)
- Note
- 2,5
- Schlagworte
- rationalität deskriptive entscheidungsmodelle dispositionseffekt home bias equity premium puzzle
- Produktsicherheit
- Diplom.de