Lade Inhalt...

Computerunterstützte Planspiele in der Personalauswahl

©2002 Diplomarbeit 97 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Inhaltsangabe:
Viele Unternehmen – insbesondere in der IT-Branche – beklagen seit vielen Jahren, dass der Markt an qualifizierten Fachkräften geradezu leer gefegt sei. Als Folge dessen ist ein regelrechter ‚War for Talents‘ entfacht, bei dem selbst hohe Ausgaben für Rekrutierungsaktivitäten keinen Erfolg mehr auf dem Arbeitsmarkt garantieren können. Erfolgreiche Personalbeschaffung wird somit zu einem strategischen Schlüssel langfristigen Unternehmenserfolges.
Gleichzeitig wird nach ganz neuen Rekrutierungs- und Personalauswahlmethoden gesucht. Die Zeit der klassischen Bewerbungsmappe mit Anschreiben, tabellarischem Lebenslauf, Zeugnissen und sonstigen Dokumenten scheint ihrem Ende entgegen zu gehen. Angesichts der Diskussion um neue Wege bei der Personalauswahl rückt auch das Planspiel stärker in das Blickfeld des Interesses. Die technischen Fortschritte im Computerbereich und die enorme Ausweitung des Internets lassen völlig neue Varianten bei der Entwicklung von Personalauswahlverfahren als möglich erscheinen – so auch im Hinblick auf die Verwendung von computerunterstützten Planspielen in der Personalauswahl. Aber nicht alles, was technisch durchführbar ist, erweist sich auch als hilfreich. Wo liegen folglich die Möglichkeiten und Grenzen?
Diese Diplomarbeit gibt einen Überblick über die Entwicklung und die aktuelle Situation von computerunterstützten Planspielen in der Personalauswahl und beschreibt - in Verbindung mit dem Einsatz über das Internet - ein Szenario für die zukünftige Entwicklung. Das Szenario stellt eine Diskussionsgrundlage für den aus der Sicht des Autors unaufhaltbaren Weg von computerunterstützten Planspielen in der Personalauswahl über das Internet dar.
Nach einer ausführlichen Beschreibung der aktuellen Situation der betrieblichen Personalauswahl und einer detaillierten Darstellung der Komponenten in Planspielen wird insbesondere auf den Veränderungsprozess eingegangen, in dem sich die betriebliche Personalauswahl derzeit befindet. In diesem Zusammenhang wird auch der Einsatz von Planspielen in deutschen Unternehmen diskutiert. Voraussetzung für einen verstärkten Einsatz ist allerdings eine intensivere Grundlagenforschung, um Möglichkeiten und Probleme beim Einsatz von computerunterstützten Planspielen zu analysieren sowie deren wissenschaftlich messbaren Erfolg auf eine fundierte Basis stellen zu können. Zu diesem Thema ist noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten, bevor Planspiele nicht […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

1. Einführung
1.1. Vorwort
1.2. Ziel und Aufbau der Arbeit
1.3. Eigene Motive

2. Personalauswahl
2.1. Begriffsklärung
2.1.1. Personal und Auswahl
2.1.2. Personalauswahl
2.2. Personalauswahl innerhalb der Personalwirtschaft
2.2.1. Personalwirtschaft: Ziele und Aufgaben
2.2.2. Einordnung der Personalauswahl
2.3. Methoden der Personalauswahl
2.4. Die Geschichte der Personalauswahl
2.4.1. Die Entwicklung der Personalauswahlverfahren bis 1970
2.4.2. Einflüsse auf Personalauswahlverfahren (seit ca. 1970)
2.5. Die Erfolgsmessung von Personalauswahlverfahren
2.5.1. Validität, Reliabilität und Objektivität
2.5.2. Soziale Validität
2.6. Zusammenfassung

3. Planspiele
3.1. Geschichtliche Entwicklung des Planspiels
3.2. Begriffsklärung und Komponenten
3.2.1. Begriffsklärung: Plan und Spiel
3.2.2. Komponenten: System, Modell, Simulation, Regel- und Rollenspiel
3.2.3. Definitionen
3.3. Ablauf eines Planspiels
3.4. Einsatzmöglichkeiten von Planspielen
3.5. Klassifizierung
3.5.1. Formale Kriterien
3.5.2. Inhaltliche Kriterien
3.6. Zusammenfassung

4. Computerunterstützung
4.1. Computerunterstützte Personalauswahl
4.2. Computerunterstützte Planspiele (CUP)
4.3. Zusammenfassung

5. Computerunterstützte Planspiele in der Personalauswahl
5.1. Kritik an der klassischen Personalauswahl
5.2. Einsatz von computerunterstützten Planspiele zur Personalauswahl
5.2.1. Möglichkeiten und Probleme
5.2.2. Validität, Reliabilität und Objektivität
5.2.3. Soziale Validität
5.3. Computerunterstützte Planspiele und Personalauswahl – am Beispiel Internet
5.3.1. Personalauswahl über das Internet
5.3.2. Computerunterstützte Planspiele in der Personalauswahl über das Internet
5.4. Zusammenfassung

6. Resümee

7. Ausblicke
7.1. Gibt es überhaupt DIE richtige (Personal)Entscheidung ?
7.2. Vernetzte Strukturen
7.3. Der Mitarbeiter der Zukunft
7.4. Entwicklung der Personalauswahl im Internet (in der Zukunft)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Gesamteinsatzhäufgkeiten der Verfahren zur externen Personalauswahl

Tabelle 2: Unterscheidung von Auswahlverfahren nach Ihrer prognostischen Validität

Tabelle 3: Innere und äußere Formalkriterien

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Phasen der Personalauswahl

Abbildung 2: Zusammenhang zwischen System, Modell, Simulation und Planspiel

Abbildung 3: Komponenten des Planspiels

Abbildung 4: Ablaufphasen einer Planspieldurchführung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einführung

1.1. Vorwort

Viele Unternehmen – insbesondere in der IT-Branche – beklagen seit vielen Jahren, dass der Markt an qualifizierten Fachkräften geradezu leer gefegt sei.[1] Als Folge dessen ist ein regelrechter ‚War for Talents‘ ent-facht, bei dem selbst hohe Ausgaben für Rekrutierungsaktivitäten keinen Erfolg mehr auf dem Arbeitsmarkt garantieren können. Erfolgreiche Per-sonalbeschaffung - Rekrutierung oder ‚Recruiting‘ - wird somit zu einem strategischen Schlüssel langfristigen Unternehmenserfolges.

Um jedoch im Wettbewerb um gute Mitarbeiter[2] zu bestehen, muss sich ein Unternehmen nicht nur attraktiv präsentieren und innovative Ideen in der Personalarbeit entwerfen, sondern darüber hinaus neue, ungewöhn-liche Rekrutierungswege beschreiten. Das Internet hat sich in diesem Zu-sammenhang in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Instrument des Personalmarketing und der Personalbeschaffung entwickelt.

Gleichzeitig wird nach ganz neuen Rekrutierungs- und Personalaus-wahlmethoden gesucht. Die Zeit der klassischen Bewerbungsmappe mit Anschreiben, tabellarischem Lebenslauf, Zeugnissen und sonstigen Doku-menten scheint ihrem Ende entgegen zu gehen – nicht nur, weil der damit verbundene Arbeitsaufwand bei mehreren zehntausend Bewerbungen pro Jahr extrem hoch ist, sondern auch, weil potentielle Führungskräfte nicht länger durch ein Auswahlrost von Abschlussnoten, exotischen Studien-fächern oder ‚Jugendsünden‘ fallen sollen. Die HypoVereinsbank bei-spielsweise verzichtet mittlerweile ganz auf die Auswertung von Zeug-nissen und Noten bei der Auswahl neuer Mitarbeiter.[3] Die Suche nach neuen Verfahren, bei dem Bewerber in möglichst realitätsnahen Situa-tionen ihre Eignung beweisen sollen, hat begonnen.

Angesichts dieser Diskussion um neue Wege bei der Personalauswahl rückt auch das Planspiel in das Blickfeld des Interesses. Die technischen Fortschritte im Bereich der privat genutzten PCs und die enorme Aus-weitung des Internets lassen völlig neue Varianten bei der Entwicklung von Personalauswahlverfahren als möglich erscheinen – so auch im Hin-blick auf die Verwendung von computerunterstützen Planspielen. Aber nicht alles, was technisch durchführbar ist, erweist sich auch als hilfreich. Es stellt sich daher die Frage, wo die Möglichkeiten und Grenzen von computerunterstützen Planspielen in der Personalauswahl liegen.

1.2. Ziel und Aufbau der Arbeit

Das übergeordnete Ziel dieser Diplomarbeit besteht darin, einen Überblick über die Entwicklung und die aktuelle Situation von computerunterstützten Planspielen in der Personalauswahl zu geben und - in Verbindung mit dem Einsatz über das Internet - ein Szenario für die zukünftige Entwick-lung zu beschreiben, das eine Diskussionsgrundlage für weitere Entwick-lungen darstellt.

Zu Beginn erläutere ich dazu im zweiten Kapitel die aktuelle Situation der betrieblichen Personalauswahl. Neben der begrifflichen Bestimmung und einer Einordnung in die Personalwirtschaft werden dabei insbesondere die klassischen Methoden der Personalauswahl und die Kriterien der Erfolgs-messung dargestellt. Dabei wird deutlich, dass der Personalauswahl-prozess in Organisationen[4] von Auswahlmethoden geprägt ist, die in der Wissenschaft als wenig aussagekräftig in Bezug auf die Vorhersage der beruflichen Eignung gelten. Demgegenüber wird z.B. das Assessment-Center, das in der wissenschaftlichen Forschung als ein Instrument mit hö-herer Aussagekraft gilt, in geringerem Umfang in deutschen Unternehmen eingesetzt. Computerunterstützte Planspiele werden erst seit einigen Jahren für die Personalauswahl ‚entdeckt‘ - und dies wiederum aus-schließlich als ein Baustein in Assessment-Centern - , wofür die Gründe unter anderem in der historischen Entwicklung sowohl der Personal-auswahl als auch von Planspielen zu finden sind. Zwei aktuelle personal-wirtschaftliche Tendenzen - das Personalmarketing sowie die Berück-sichtigung der Bewerberperspektive -, die die weitere Entwicklung von Planspielen als Personalauswahlinstrument unterstützen könnten, werden ebenfalls im zweiten Kapitel erläutert.

Das Planspiel ist Thema des dritten Kapitels. Nach einer kurzen Dar-stellung der historischen Entwicklung und einer Begriffsklärung stehen dabei die wesentlichen Komponenten, die in einem Planspiel wirken, im Zentrum der Betrachtung. Die Komponenten und deren vielfältige Ver-knüpfungsmöglichkeiten gestatten eine auf den Verwendungszweck zugeschnittene Konstruktion und damit den Einsatz von Planspielen in sehr unterschiedlichen Anwendungsbereichen. In der Praxis wurde in Fol-ge dessen ein breites Spektrum an Klassifizierungsansätzen entwickelt. Um dem Leser die Auswahlkriterien der Planspiele, die für die Personal-auswahl entweder in Assessment-Centern, als Einzelinstrument oder im Internet geeignet sind, zu erläutern, werden die verschiedenen Ansätze dargestellt.

Im vierten Kapitel wird schließlich der Einfluss der Computerunterstützung auf die beiden Bereiche Personalauswahl und Planspiele kurz erörtert.

Zu Beginn des fünften Kapitels stelle ich den Veränderungsprozess dar, in dem sich die betriebliche Personalauswahl derzeit befindet. In diesem Zu-sammenhang wird auch der Einsatz von Planspielen in deutschen Unternehmen verstärkt diskutiert. Voraussetzung dafür ist allerdings eine intensivere Grundlagenforschung, um Möglichkeiten und Probleme beim Einsatz von computerunterstützten Planspielen zu analysieren sowie deren wissenschaftlich messbaren Erfolg auf eine fundierte Basis stellen zu können. Einen Überblick über den aktuellen Stand der Diskussion in diesen Bereichen gibt der zweite Teil des fünften Kapitels. Im dritten Teil stelle ich ein Szenario für die Verbindung mit dem Internet vor, das auch kurz in seinen Vor- und Nachteilen diskutiert wird. Ich möchte damit einen ersten Diskussionsbeitrag für den aus meiner Sicht unaufhaltbaren Weg von computerunterstützten Planspielen in der Personalauswahl über das Internet leisten. Zu diesem Thema ist noch viel Forschungs- und Ent-wicklungsarbeit notwendig, bevor Planspiele nicht nur als Spielerei, son-dern als aussagekräftiges Instrument eingesetzt werden können.

Am Ende der Diplomarbeit ist es mein Bestreben, mit verschiedenen Aus-blicken über den Tellerrand von Personalauswahl und Planspielen hinweg zu Diskussionen in einem globaleren Kontext anzuregen. Dabei steht weniger die wissenschaftliche Erörterung der jeweiligen Themen des siebten Kapitels im Mittelpunkt meiner Betrachtung als vielmehr die Dar-stellung einiger Thesen, die computerunterstützte Planspiele in der Personalauswahl nur am Rande berühren.

Im Anhang ist neben einem exemplarischen Planspiel-Seminarablaufplan der Fragebogen und das Ergebnis einer eigenen E-Mail-Umfrage unter den 100 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands zum Einsatz com-puterunterstützter Planspiele in der Personalauswahl aufgeführt. Zusätz-lich zur Liste der verwendeten Literatur findet sich dort auch eine Zusam-menstellung weiterführender Literatur zu bestimmten Stichworten.

1.3. Eigene Motive

Das Interesse an Planspielen entspringt vorallendingen meiner Begei-sterung für Wirtschafts-Simulationsspiele. Ursprünglich war geplant, als Thema dieser Arbeit den Einsatz von Planspielen in der Personal-entwicklung in den Mittelpunkt zu stellen. Durch einen Zeitungsartikel bin ich jedoch auf die Verwendung von Planspielen im Internet als Personal-auswahlinstrument aufmerksam geworden.[5] Da mich die Behandlung einer neu aufgekommenen Entwicklung trotz des Problems der schwieri-gen Literaturlage enorm reizt, habe ich mich auf diese Fragestellung konzentriert.

Seit Jahren beschäftige ich mich mit Spielen in jeder vorhandenen Form: dies reicht von sportlichen Wettkampfspielen über - der Entspannung die-nenden - Gesellschaftsspielen bis zur Erörterung und Durchführung von Rollenspielen im beruflichen Bereich. Mit der geplanten Existenzgründung im Bereich Event-Management (als Spiel-Event-Agentur) beabsichtige ich, auch beruflich in diesem Bereich tätig zu werden.

2. Personalauswahl

Dieses Kapitel gibt einen Überblick über den Bereich Personalauswahl in Unternehmen. Die ausführliche Darstellung der beiden Begriffe ‚Personal‘ und ‚Auswahl‘ (2.1.) bietet eine Grundlage zur Einschätzung verschie-dener Auswahlmethoden bezüglich ihrer Eignung zur Personalauswahl. Nach der Definition des Begriffs wird die Stellung der Personalauswahl innerhalb der Personalwirtschaft beschrieben (2.2.), mit dem Ziel, die Rolle im Personalbeschaffungsprozess zu verdeutlichen.

Die Praxis der Personalauswahl unterscheidet sich deutlich vom technisch Machbaren. Dies wird an den eingesetzten Methoden und der Einsatz-häufigkeit in deutschen Unternehmen deutlich (2.3.). Einen Erklärungs-ansatz für diese Situation bietet die geschichtliche Entwicklung (2.4.).

Die Beschreibung der Erfolgsmesskriterien für Auswahlmethoden (2.5.) erfolgt am Ende dieses Kapitels. Die speziell aus wissenschaftlicher Sicht wichtigen so genannten klassischen Gütekriterien eines Auswahlver-fahrens bilden eine Grundlage für die Untersuchung des Planspielein-satzes im fünften Kapitel.

2.1. Begriffsklärung

2.1.1. Personal und Auswahl

- Personal

Mit dem Begriff ‚Personal‘ werden die „in abhängiger Stellung arbeitenden Menschen bezeichnet, die innerhalb einer institutionell abgesicherten Ordnung eine Arbeitsleistung gegen Entgelt erbringen“.[6] Diese neutrale Definition bewegt sich bewusst zwischen zwei unterschiedlichen Sicht-weisen von Personal in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur: Personal als Objekt und Personal als Subjekt.[7]

Die objektivistische Auffassung ordnet das Personal als dispositiven Faktor, als Träger des Produktionsfaktors Arbeit ein. So definiert beispiels-weise Jung als ‚Objekte der Personalwirtschaft’ die in einem Unternehmen beschäftigten Menschen, die in ihrer Gesamtheit als Belegschaft oder auch als Personal bezeichnet werden.[8] Diese Ansicht geht in letzter Kon-sequenz vom Personal als homogenen Produktionsfaktor mit fest-stehenden Bedürfnissen aus. Wenn im folgenden unter der Bezeichnung Personalwirtschaft z.B. die Bereiche Planung, Beschaffung, Einsatz, Führung und Entwicklung von Personal erläutert werden, dann sind diese durch die beschriebene objektivistische Auffassung geprägt. Sie belegen eine „instrumentalistische Sicht des zum Verfügungsobjekt gemachten Personals“.[9]

Demgegenüber wird in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur immer wieder darauf hingewiesen, dass das Personal - als Träger des Produk-tionsfaktors Arbeit - Besonderheiten aufweist, die den Unterschied zu den anderen elementaren Produktionsfaktoren Betriebsmittel und Werkstoffe ausmachen.[10] Das Personal, d.h. die einzelnen Mitarbeiter sind unter-schiedlich aktiv, motiviert und beeinflussbar. Sie zeichnen sich durch eine eigene Individualität aus und gehören verschiedenen sozialen Gruppen an. Jeder Mitarbeiter ist ein Subjekt mit sich wandelnden und im Einzelfall stark voneinander abweichenden Bedürfnissen. Personal in seiner Gesamtheit ist demzufolge auch subjektivistisch zu betrachten.

In dieser Arbeit sind für das Personal im Rahmen der Personalauswahl beide Perspektiven bedeutsam. In diesem Zusammenhang wird insbeson-dere das Spannungsverhältnis berücksichtigt, das durch die objektivisti-sche Sichtweise der Organisation und die subjektivistische Sichtweise des Bewerbers entsteht.

- Auswahl

Der Begriff ‚Auswahl‘ bzw. ‚Selektion‘ bezeichnet einen Vorgang innerhalb eines Systems gegenüber der Umwelt. Im Selektionsprozess werden Eigenschaften von Elementen, in diesem Fall Personen, mit bereits vor-liegenden Bedingungen verglichen.[11] In Bezug auf das System ist es somit möglich, zwischen den ihm zugehörigen Elementen und den Elementen der Umwelt zu unterscheiden. Die Unterscheidung ist notwendig für das Erkennen der eigenen Identität und die Abgrenzung zur Umgebung.[12]

Ein Beispiel findet sich in der natürlichen Selektion der darwinistischen Evolutionstheorie. Nach Darwins Auffassung erfolgt der Selektionsprozess nach dem Prinzip des ‚survival of the fittest‘. Vor allem im deutsch-sprachigen Raum wird dieses Prinzip häufig als das Überleben des Stärkeren interpretiert. ‚Fit‘ wird dabei im Sinne von Fitness als Leistungs- und Lebensfähigkeit aufgefasst. ‚Fit‘ kann jedoch auch im Verständnis von ‚passend‘ aufgefasst werden, woraus sich eine andere Ansicht des ‚survival of the fittest‘ ergibt: es überlebt derjenige, der sich dem ihn umge-benden System am besten anpassen kann. Gemäß dieser Betrachtungs-weise gibt es keinen ‚Besseren‘, da es von der Interaktion des Systems mit seiner Umwelt abhängt, ob jemand in das System ‚paßt‘.[13]

Auf den Auswahlprozess im Personalbereich einer Organisation über-tragen lässt dies meines Erachtens zwei Schlussfolgerungen zu: Zum einen dient die Personalauswahl der Identitätsstiftung, da das Unter-nehmen aufgefordert ist, eigene Wertmaßstäbe und Anforderungen zu for-mulieren und festzulegen. Zum anderen gilt die Suche für eine zu be-setzende Stelle nicht unbedingt dem Bewerber, der alle Anforderungen am besten erfüllt, sondern jenem, der für eine Stelle am besten ‚paßt‘, d.h. sich in Bezug auf das soziale Umfeld und die Anforderungen der Stelle am besten eignet. Dieser Gedanke wird im Abschnitt 5.1. erneut aufgegriffen.

2.1.2. Personalauswahl

Personalauswahl ist ein Selektionsprozess in Organisationen und be-schreibt die Auswahl von Menschen für Berufe, Tätigkeiten oder Verän-derungsmaßnahmen.[14]

Im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich wird Personalauswahl auf zwei unterschiedliche Arten definiert: Zum einen ist damit im weiteren Sinne der Gesamtvorgang, zum anderen im engeren Sinne ein spezieller Prozess gemeint. Im Handwörterbuch des Personalwesens beispielsweise wird Personalauswahl in folgende Teilprozesse gegliedert: (1) Anforderungs-ermittlung, (2) Ansprache und Werbung, (3) Personalauswahl, (4) Einstel-lung und (5) Einführung.[15]

Personalauswahl im weiteren Sinne beginnt dementsprechend bei der Bedarfs- bzw. Anforderungsermittlung, d.h. der Feststellung, dass die durchzuführenden Aufgaben vom vorhandenen Personal nicht mehr bewältigt werden können und ein Bedarf nach weiteren Mitarbeitern besteht. Sie endet bei der Einstellung bzw. Einführung der ausgewählten Personen. Dieser Gesamtvorgang wird in der Regel jedoch als Per-sonalbeschaffung bezeichnet.[16]

Mit Personalauswahl im engeren Sinne ist der Teilprozess gemeint, der eine Selektion der vorhandenen Bewerber bezüglich einer zu besetzenden Stelle darstellt. Er beginnt nach der Personalwerbung, die eine bestimmte Anzahl an Interessenten hervorbringt und endet mit der Auswahlent-scheidung für einen oder mehrere Kandidaten. In diesem Sinne besteht die Aufgabe bei der Personalauswahl in der Feststellung des Eignungs-potentials von Bewerbern mit dem Ziel, diejenigen auszusuchen, die die Anforderungen der zu besetzenden Stellen bestmöglich erfüllen.[17]

Zur terminologischen Abgrenzung wird im folgenden der Gesamtprozess als Personalbeschaffung bezeichnet, während der Begriff Personalaus-wahl im engeren Sinne zu verstehen ist.

2.2. Personalauswahl innerhalb der Personalwirtschaft

2.2.1. Personalwirtschaft: Ziele und Aufgaben

In der Personalwirtschaftslehre werden viele Begriffe sehr unterschiedlich, teilweise widersprüchlich von den Autoren verwendet.[18] Zur Klärung wer-den daher eine von mir gewählte Definition, sowie die Aufgaben und Ziele der Personalwirtschaft vorangestellt.

Personalwirtschaft wird definiert als die Gesamtheit der mitarbeiter-bezogenen Gestaltungs- und Verwaltungsaufgaben in einem Unterneh-men, während unter Personalwesen die Organisationseinheit in einem Unternehmen zu verstehen ist, die sich mit diesen Aufgaben befasst.[19]

Personalwirtschaftliches Handeln ist in erster Linie auf wirtschaftliche und soziale Ziele ausgerichtet. Das wesentliche wirtschaftliche Ziel der Per-sonalwirtschaft ist die Versorgung des Unternehmens mit den am besten geeigneten Mitarbeitern unter Berücksichtigung des ökonomischen Prin-zips. Das soziale Hauptziel besteht in der bestmöglichen Gestaltung der Arbeitsumstände für die Mitarbeiter. Diese beiden Intentionen lassen sich jeweils in eine Vielzahl weiterer, empirisch feststellbarer Ziele gliedern, die hier aus Platzgründen nicht näher ausgeführt werden und für die Erörte-rung der Themenstellung nicht relevant sind.[20]

Neben den genannten müssen aber auch weitere Ziele berücksichtigt wer-den, z.B. rechtliche, wie das Erreichen von Rechtssicherheit für das Unter-nehmen, oder organisatorische Ziele wie beispielsweise der angemessene Einsatz von Mitarbeitern innerhalb der Organisation.[21]

Die Aufgaben der Personalwirtschaft lassen sich in folgende Bereiche gliedern:[22]

- Der Bereich ‚personelle Leistungsbereitstellung‘ umfasst die Personal-bedarfsplanung, die Personalbeschaffung, den Personaleinsatz, die Personalentwicklung und die Personalfreisetzung.
- Der Bereich ‚Leistungserhalt und -förderung‘ beinhaltet die Personal-führung sowie die Personalentlohnung.
- Im Bereich ‚Informationssysteme der Personalwirtschaft‘ sind die Per-sonalbeurteilung und die Personalverwaltung zusammengefasst.

Die einzelnen Bereiche sind jedoch nicht eindeutig voneinander zu trennen. Zum einen sind die Grenzen im zeitlichen und organisatorischen Ablauf teilweise fließend, zum anderen wirken verschiedene Bereiche auf-einander ein. Hentze verweist z.B. darauf, dass die Personalinfor-mationssysteme alle anderen Bereiche überlagern und daher gesondert gesehen werden können.[23]

2.2.2. Einordnung der Personalauswahl

Die Personalauswahl ist im Rahmen der Personalwirtschaft innerhalb einer Organisation in den Aufgabenbereich der Personalbeschaffung einzuordnen. Die Personalbeschaffung hat das Ziel, Personal zur Be-seitigung einer personellen Unterdeckung nach Anzahl (quantitativ), Art (qualitativ), Zeitpunkt und Dauer (zeitlich) sowie Einsatzort (örtlich) bereit-zustellen.[24] Die Bereitstellung kann durch die externe Gewinnung neuer Mitarbeiter oder die interne Rekrutierung aus bereits beschäftigtem Per-sonal erfolgen.[25] In dieser Arbeit ist eine Beschränkung auf die externe Personalbeschaffung sinnvoll, da die Teilnahme an einem Planspiel im wesentlichen bei einer externen Personalauswahl erfolgt.

Beim Prozess der Personalbeschaffung sind vier Phasen zu unter-scheiden:[26]

- Gewinnung und Analyse der für die Personalbeschaffung relevanten Informationen
- Ermittlung und Bestimmung von Beschaffungsarten und –wegen
- Personalauswahl
- Personalbindung

Zur Gewinnung der für die Personalbeschaffung relevanten Informationen zählt insbesondere die Ermittlung des Personalbedarfs, sowohl in quanti-tativer als auch in qualitativer Hinsicht.[27] Zu diesem Zweck wird von der zu besetzenden Stelle in der Regel ein Anforderungsprofil[28] erstellt bzw. herangezogen, das im späteren Personalauswahlprozess als Entschei-dungsgrundlage dient. Bei der Analyse der relevanten Informationen sind u.a. die Bedingungen auf den internen und externen Arbeitsmärkten zu prüfen, z.B. im Hinblick auf das Angebot und die Nachfrage nach poten-tiellen Bewerbern.

Die Ermittlung und Bestimmung von Beschaffungsarten und –wegen er-folgt nach der Prüfung der entsprechenden Arbeitsmärkte. Mit Be-schaffungsarten sind die Maßnahmen der Beschaffung - z.B. Versetzung oder Werkvertrag - im Unterschied zu den Wegen der Beschaffung - z.B. Nachwuchskartei oder Arbeitsamtvermittlung - gemeint.[29] Welche Art bzw. welcher Weg bei der Personalbeschaffung gewählt wird, hängt unter an-derem von den Charakteristika der vakanten Stelle im Unternehmen ab.

Die Personalauswahl wird mit dem Ziel durchgeführt, diejenigen Bewerber auszusuchen, die dem Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle best-möglich entsprechen. Die Aufgabe der Personalauswahl besteht in der Feststellung des Eignungspotentials, d.h. in der Beurteilung der Quali-fikation und Motivation der Bewerber. Die für den Vergleich von Eignun-gen und Anforderungen erforderlichen Daten werden in der Regel einer-seits mit Hilfe der verschiedenen Personalauswahlmethoden, andererseits in den Bereichen Personalbedarfsermittlung bzw. Personaleinsatz er-mittelt.

Die Personalbindung stellt die letzte Phase im Personalbeschaffungs-prozess dar. Neben der rechtlichen Bindung, die durch den Abschluss eines Arbeitsvertrages geregelt wird, sollte auch eine emotionale Bindung - durch den Abschluss eines sogenannten „psychologischen Vertrages“[30] - zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erfolgen. Nur dadurch ist die Aussicht gegeben, dass die Leistung des neuen Mitarbeiters im Umfang, in der Intensität und der Qualität den Erfordernissen des Unternehmens entspricht. Die Tragfähigkeit eines solchen psychologischen Vertrages hängt auch von der Gestaltung des Personalbeschaffungsprozesses und der eingesetzten Personalauswahlmethoden ab.[31]

Die Personalauswahl wird in mehrere hintereinander geschaltete Stufen unterteilt.[32] Die Gesamtzahl der Bewerber reduziert sich kontinuierlich in jeder Phase, bis nach der letzten Phase die Entscheidung für einen oder mehrere Kandidaten gefallen ist.

In der Vorauswahl werden die meisten Bewerber aufgrund des ersten Kontaktes, der fast immer durch die Bewerbungsunterlagen zustande kommt, selektiert. Bei der anschließenden Grobauswahl wird aufgrund zu-sätzlicher Informationen, wie z.B. zusätzliche Referenzen oder Personal-fragebögen, entschieden, welche Bewerber in die Feinauswahl übernom-men werden. Diese Phase ist gekennzeichnet durch die Anwendung verschiedener Instrumente und Methoden, die die Eignung der Bewerber feststellen sollen – so genannte eignungsdiagnostische Instrumente. Die Feinauswahl stellt die letzte Phase im Personalauswahlprozess dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Durch die Vereinbarung einer Probezeit schließt sich der Feinauswahl noch die Phase der Nachauswahl an, die möglicherweise die Zahl der ausgewählten Bewerber erneut reduziert. Die Nachauswahl ist bereits dem Bereich des Personaleinsatzes zuzuordnen.

Abbildung 1: Phasen der Personalauswahl

2.3. Methoden der Personalauswahl

Um einen Überblick über die bestehende Praxis der Personalauswahl zu geben, folgt in diesem Abschnitt eine kurze Beschreibung der am häufig-sten verwendeten Methoden zur externen Personalauswahl. Zu den Me-thoden der internen Personalauswahl verweise ich auf die Literatur.[33] Tabelle 1 am Ende dieses Abschnittes gibt Aufschluss über die Einsatz-häufigkeit der Verfahren im Jahre 1990. Planspiele wurden 1997 bei ca.19% der deutschen Unternehmen und 2001 nach einer eigenen Umfra-ge bei 4 von 48 Großunternehmen zur Personalauswahl, allgemein im Rahmen eines Assessment-Centers, eingesetzt.[34]

Die Eignung der einzelnen Methoden aus wissenschaftlicher Sicht wird insbesondere mit Hilfe der Validität angegeben. Eine Übersicht dazu er-folgt im Abschnitt 3.5.1., einen vollständigen Überblick zur Validität verschiedener Auswahlmethoden geben Schmidt/Hunter und Schuler/ Frier/Kauffmann.[35]

- Auswertung der Bewerbungsunterlagen

Die Analyse der Bewerbungsunterlagen ist der Ausgangspunkt nahezu aller Auswahlentscheidungen. Meist dient sie der Vorauswahl, bei der – speziell bei vielen Bewerbungen – schon eine große Zahl an Bewerbern aus dem weiteren Verfahren ausgeschlossen wird.[36]

Eine Bewerbung wird in aller Regel auf formale, z.B. Vollständigkeit, und inhaltliche Aspekte, z.B. Ausbildung, geprüft. Geachtet wird dabei insbe-sondere auf biographische Merkmale, Sozialisationshintergrund, beruf-lichen Werdegang sowie die fachliche Qualifikation. Die Auswertung er-folgt mangels wissenschaftlich fundierter Verfahren überwiegend nach subjektiven Kriterien.[37]

- Auswahlgespräche (Interview)

Das Interview ist neben der Auswertung der Bewerbungsunterlagen die verbreitetste Grundlage von Personalauswahlentscheidungen. Im Vorder-grund dieser „zielgerichteten mündlichen Kommunikation“[38] steht die Infor-mationssammlung über den Bewerber mit dem Ziel der Eignungs-diagnose. Daneben werden dem Bewerber in der Regel aber auch Infor-mationen über das Umfeld der zu besetzenden Stelle gegeben und ein persönliches Kennenlernen der beteiligten Personen ermöglicht.

Die Struktur variiert von völlig freien bis zu vollstrukturierten Gesprächen, in denen ein standardisierter Frageablauf vorgegeben ist. Am häufigsten werden Mischformen, d.h. teilstrukturierte Interviews durchgeführt.[39]

- Psychologische Tests

Psychologische Tests sind standardisierte, wissenschaftliche Instrumente, die eine Stichprobe aus dem Verhalten und Erleben eines Menschen dar-stellen. Aus den Messwerten wird auf Persönlichkeitsmerkmale geschlos-sen, die dem Verhalten der getesteten Personen zugrunde liegen. Diese bilden die Grundlage einer Verhaltensprognose für zukünftige Situa-tionen.[40]

Zur Auswahl von Mitarbeitern werden vor allem Intelligenztests, Leistungs-tests und Persönlichkeitstests eingesetzt.[41]

- Assessment-Center

Beim Assessment-Center (AC) werden mehrere eignungsdiagnostische Instrumente und leistungsrelevante Aufgaben zusammengestellt. Dies sind z.B. Gruppendiskussionen, Plan- und Rollenspiele, Fallstudien, Ar-beitsproben, Vorträge, Präsentationen, Einzelaufgaben und psychologi-sche Tests. Durch die Vielfalt der eingesetzten Einzelverfahren ist mit dem AC eine umfassende Beobachtung und Bewertung der Bewerber möglich. ACs werden allerdings häufiger in der Personalentwicklung des eigenen Führungskräftenachwuchses als in der Personalauswahl eingesetzt.[42]

Das Assessment-Center hat als Personalauswahl- und Personalentwick-lungsmethode in den vergangenen Jahren eine enorme Verbreitung erfah-ren, zumal der Aufwand durch die computerunterstützte Verwaltung und Auswertung der Beobachtungsdaten wesentlich verringert wurde.[43]

- Zusätzliche Referenzen

Aufgrund der unterschiedlichen Eindrücke, die durch Bewerbungsunter-lagen, Arbeitszeugnisse und ersten Kontakten mit Bewerbern entstehen können, werden häufig zusätzliche Referenzen eingeholt. Diese sollen Auskunft über die Gesamtpersönlichkeit geben bzw. Lücken oder Wider-sprüche in der Darstellung des Bewerbers aufklären.[44]

- Gruppengespräch, Gruppendiskussion

Bei der Gruppendiskussion werden bestimmte Aspekte wie Aktivität, Kon-takt oder Argumentation der Teilnehmer von Beobachtern bewertet. An einem Gespräch bzw. einer Diskussion nehmen zumeist 4-8 Bewerber teil, die eines oder mehrere Themen diskutieren. Verbreitet ist die Form der ‚führerlosen‘ Diskussion, bei der sich etwaige Rollen erst über einen gruppendynamischen Prozess ergeben.[45]

- Personalfragebogen bzw. Biographischer Fragebogen

Der biographische Fragebogen ist im Wesentlichen eine konzentrierte Erfassung jener biographischen Informationen, die Bewerbungsunterlagen und Interviews liefern. Er wird eingesetzt mit dem Ziel, einen Vergleich zu den Daten von erfolgreichen oder weniger erfolgreichen Mitarbeitern her-zustellen und daraus die Eignung des Bewerbers zu prognostizieren.[46]

- Arbeitsproben

Unter Arbeitsproben werden standardisierte Aufgaben verstanden, die Stichproben des beruflichen Verhaltens darstellen. Die Abgrenzung zu psychologischen Tests ist bisweilen schwierig, wobei Arbeitsproben nicht indirekt, sondern direkt tätigkeitsbezogenes Verhalten testen. Von Arbeits-proben wird häufig dann gesprochen, wenn sie (auch) motorische Anteile enthalten.[47]

- Graphologisches Gutachten

Die Deutung der Handschrift soll Aussagen über Persönlichkeitsmerkmale liefern. Das graphologische Gutachten wird in Deutschland sowie in ande-ren europäischen Ländern trotz zahlreicher Kritik immer noch zur Per-sonalauswahl herangezogen. In den USA hingegen finden sich z.B. keine wissenschaftlichen Arbeiten über Graphologie als ernst zu nehmende diagnostische Methode.[48]

- Medizinische Begutachtung

Ärztliche Untersuchungen werden durchgeführt, um das Unternehmen vor krankheitsbedingten Ausfallzeiten und den Bewerber vor gesundheitlichen Risiken und Belastungen zu schützen.[49]

Die Einsatzhäufigkeit der beschriebenen Personalauswahlverfahren in 105 deutschen Großunternehmen verdeutlicht folgende Tabelle:[50]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Gesamteinsatzhäufgkeiten der Verfahren zur externen Personalauswahl

2.4. Die Geschichte der Personalauswahl

2.4.1. Die Entwicklung der Personalauswahlverfahren bis 1970

Die Geschichte der Personalauswahl wird anhand der Entwicklung der wichtigsten Methoden und Verfahren dargestellt.[51] Das Assessment-Cen-ter bildet den Mittelpunkt in diesem Abschnitt, da Planspiele bisher aus-schließlich im Rahmen dieser Personalauswahlmethode Verwendung fin-den.

Der erste Intelligenztest wurde 1894 von Alfred Binet und Theodore Simon in Frankreich entworfen. Im Rahmen des ersten Weltkriegs setzten die Vereinigten Staaten einen dem Intelligenztest vergleichbaren psycholo-gischen Test - den so genannten ‚Army-Alpha-Test‘ - erstmals in großem Rahmen zur Rekrutenauswahl ein. Eines der ersten Personalauswahl-verfahren konzipierte Hugo Münsterberg 1913 zur Auswahl von Straßen-bahnführern für die Bostoner Straßenbahn. James Scott setzte 1915 in einem Auswahlverfahren für Verkäufer bereits eine Vielzahl von Instru-menten ein, so z.B. ein Formular für Referenzen, ein Interview, einen Vor-läufer des biographischen Fragebogens und einen Reaktionstest.[52] Diese Instrumente kommen – wenn auch modifiziert – noch heute in der Praxis zum Einsatz.

Als Vorläufer des heutigen Assessment-Center gilt ein aus verschiedenen Methoden entwickeltes komplexes Verfahren, beispielsweise bestehend aus Interview, Arbeitsproben und Tests. Es wurde erstmals in Deutschland nach dem ersten Weltkrieg zur Auswahl von Führungskräften im militäri-schen Bereich eingesetzt.[53] Die britische Armee übernahm diese Konzep-tion ab 1942 zur Pilotenauswahl. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde sie auch in den USA zur Geheimagentenauswahl verwendet. Die ursprüng-lichen Verfahren wurden zu diesem spezifischen Zweck verfeinert, die Abstimmung mit den ‚Stellenanforderungen‘ verbessert und Skalen für die Beurteilung eingeführt.[54]

Die für die spätere Verbreitung der Assessment-Center-Methode wichtig-ste Studie im zivilen Bereich wurde ab 1956 bei der amerikanischen Telefongesellschaft AT & T durchgeführt. Hierbei wurden neben psycholo-gischen Tests auch Aufgaben eingesetzt, darunter die Postkorbübung, Wirtschaftsspiele und führerlose Gruppendiskussionen.[55] Das Assess-ment-Center erfuhr in den folgenden Jahren eine immer größere Bedeu-tung. Bereits 1976 setzten etwa 1000 amerikanische Unternehmen das AC ein, drei Jahre später fand in Köln der erste AC-Kongress im deutsch-sprachigen Raum statt.

Die Entwicklung der Computer führte schließlich dazu, dass viele Metho-den, die seit jeher mit Papier und Bleistift durchgeführt wurden, auf den Computer übertragen wurden. Besondere Aufmerksamkeit zieht seit eini-gen Jahren die computerunterstützte Eignungsdiagnostik auf sich. Compu-ter werden in diesem Zusammenhang auch zur Realisierung neuer Aufga-ben- und Testkonzepte, zu denen auch Simulationen und mehrstufige Diagnoseverfahren zählen, genutzt.[56]

2.4.2. Einflüsse auf Personalauswahlverfahren (seit ca. 1970)

Die vorangegangenen Abschnitte verdeutlichen, dass nahezu alle heute bekannten Instrumente der Personalauswahl bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt wurden. In dieser Zeit übte die angewandte Psy-chologie den größten Einfluss auf die Entwicklung der Personalauswahl aus, was unter anderem dazu führte, dass Weiterentwicklungen vor allem bezüglich der Messung und der statistischen Auswertung und weniger in der Entfaltung neuer Methoden stattgefunden haben.[57]

Erst seit Ende der 20er-Jahre rückte die Personalwirtschaft auch ins Blick-feld der Betriebswirtschaftslehre, wobei es noch einmal 40 Jahre dauerte, bis 1963 der erste deutsche Lehrstuhl für Personalwesen an der Universi-tät Mannheim besetzt und die Personalwirtschaft in den Bereich der Betriebswirtschaft integriert wurde. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Weiterentwicklung der Personalauswahl dann zunehmend unter dem Einfluss aktueller betriebswirtschaftlicher Tendenzen vollzogen, zu denen insbesondere das Personalmarketing und die Berücksichtigung der Bewerberperspektive zählen.

Der seit Jahrzehnten bestehende Bedarf an Fach- und Führungskräften veranlasst viele Unternehmen, Marketingmaßnahmen auch im Personal-werbungsbereich durchzuführen.[58] Das Ziel ist dabei, sich im Konkurrenz-kampf um qualifiziertes Personal von anderen Unternehmen hervorzu-heben und ein positives Image als Arbeitgeber - das ‚Personalimage‘ - zu schaffen. Ein gutes Personalimage erleichtert die Kontaktaufnahme zu den ‚High Potentials‘ und bildet damit die Basis für eine erfolgreiche Per-sonalauswahl.[59]

Gleichzeitig wird in wissenschaftlichen Arbeiten die Bewerberperspektive stärker betont.[60] Es hat sich gezeigt, dass die Einstellung der Bewerber zum neuen Arbeitsverhältnis auch abhängig von den Informationen und Ereignissen im Personalauswahlprozess ist. In diesem Zusammenhang teile ich die Auffassung einiger Autoren, dass dies bei den Methoden der Personalauswahl von den Unternehmen berücksichtigt werden müsse.[61]

[...]


[1] vgl. Kerkow/Kipker (2000), S.192 und Wild/de la Fontaine/Schafsteller (2001), S.66

[2] Ich verzichte in dieser Arbeit zugunsten der besseren Lesbarkeit auf die durchaus berechtigte (und z.B. in Stellenausschreibungen notwendige) geschlechtsneutrale Schreibweise eines/r Mitarbeiters/in.

[3] vgl. Schwertfeger (2000a), S.226

[4] Ich verwende die Begriffe ‚Organisation‘ und ‚Unternehmen‘ trotz der unterschiedlichen Bedeutungen synonym, da die Erkenntnisse dieser Arbeit sowohl für Organisationen als auch für Unternehmen Gültigkeit haben.

[5] vgl. Henkel, Regina C.:Keine Spur von Zurückhaltung. Tagesspiegel, 28.07.2001.

[6] Oechsler (2000), S.1

[7] vgl. Neuberger (1997), S.19

[8] vgl. Jung (1999), S.8

[9] Neuberger (1997), S.21

[10] vgl. u.a. Olfert/Steinbuch (1998), S.31; Oechsler (2000), S.1; Kompa (1989), S.1

[11] vgl. Kompa (1989), S.3

[12] vgl. Schwarb (1996), S.23

[13] vgl. ebenda, S.24

[14] vgl. Schuler (1996), S.231

[15] vgl. Finzer/Mungenast (1992), Sp.1584

[16] vgl. u.a. Olfert/Steinbuch (1998), S.26 und Hentze (1994), S.219. Eine andere Auffassung zum Verhältnis Personalbeschaffung und Personalauswahl formulieren u.a. Kompa (1989), S.5f. und Bisani (1992), Sp.1620f.: In ihrem Verständnis ist die Personalbeschaffung die der Personal-auswahl unmittelbar vorausgehende Phase im Stellenbesetzungsprozess.

[17] vgl. Hentze (1994), S.252

[18] vgl. Neuberger (1997), S.7. An dieser Stelle finden sich auch Verweise auf Autoren, die die ver-schiedenen Begriffe kommentieren.

[19] vgl. Olfert/Steinbuch (1998), S.22

[20] vgl. Hentze (1994), S.57

[21] vgl. Olfert/Steinbuch (1998), S.24

[22] vgl. Jung (1999), S.4

[23] vgl. Hentze (1994), S.30

[24] vgl. Jung (1999), S.5

[25] Einen Vergleich zwischen interner und externer Personalbeschaffung bieten Klimecki/Gmür (1998), S.159 und Hentze (1994), S.250f.

[26] vgl. Hentze (1994), S.219

[27] vgl. Bisani (1992), Sp.1622

[28] zum Anforderungsprofil vgl. Bisani (1989), S.230ff.

[29] Einen Überblick über Beschaffungsarten gibt Strutz (1989), S.125ff., zu Beschaffungswegen vgl. Olfert/Steinbuch (1998), S.116ff.

[30] Schwarb (1996), S.187

[31] vgl. ebenda

[32] vgl. Finzer/Mungenast (1992), Sp.1585

[33] Für einen sehr detaillierten Überblick über die gebräuchlichen Methoden zur externen und internen Personalauswahl wird auf Sarges (1990) und Schuler/Funke (1991) verwiesen.

[34] vgl. Bronner (1998), S.48. Die von mir initiierte Umfrage ist im Anhang aufgeführt.

[35] Schmidt/Hunter (1998) und Schuler/Frier/Kaufmann (1993), S.27-70

[36] vgl. Finzer/Mungenast (1992), Sp.1585

[37] vgl. Schuler/Frier/Kauffmann (1993), S.14

[38] Sarges (1990), S.371

[39] vgl. ebenda, S.380 und Kompa (1989), S.159ff.

[40] vgl. Grubitzsch (1991), S.277

[41] Einen Überblick über gebräuchliche Testverfahren bieten Lang-von Wins/von Rosenstiel (1998), S.85.

[42] vgl. Schuler/Stehle (1992), S.4

[43] Weiterführende Literatur ist im Anhang unter dem Punkt Assessment-Center aufgeführt.

[44] vgl. von Gleichen/ Böhme (1989)

[45] vgl. Schuler/Frier/Kauffmann (1993), S.16

[46] vgl. Stehle (1990)

[47] vgl. Lang-von Wins/ von Rosenstiel (1998), S.81

[48] vgl. Heinze (1990)

[49] vgl. Lössl (1992), Sp. 761

[50] entnommen aus Schuler/Frier/Kauffmann (1993), S.34

[51] Die umfassendste Darstellung der Geschichte der Personalauswahl bietet Schwarb (1996), S.31-67. Dieser Abschnitt beruht daher im wesentlichen auf seinen Ausführungen.

[52] vgl. Schwarb (1996), S.42

[53] vgl. Schuler (1995), S.18

[54] vgl. Schwarb (1996), S.49

[55] vgl. Schuler/Moser (1990), S.24

[56] vgl. Schorr (1991), S.6ff.

[57] vgl. Schwarb (1996), S.65f.

[58] Zum Thema Personalmarketing vgl. insbesondere Strutz (1989).

[59] vgl. Becker (1989), S.127

[60] vgl. Köchling (2000), S.8

[61] vgl. Schwarb (1996), S.63

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832465667
ISBN (Paperback)
9783838665665
DOI
10.3239/9783832465667
Dateigröße
714 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2003 (März)
Note
1,0
Schlagworte
personal computereinsatz erfolgsmessung simulationsmodell validität
Zurück

Titel: Computerunterstützte Planspiele in der Personalauswahl
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
97 Seiten
Cookie-Einstellungen