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Sozio-ökonomische Bedeutung des Konsums in der Türkei nach 1980

©1998 Diplomarbeit 95 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In vielen Ländern der Welt, erzählen die Professoren an den Universitäten, bei der Einführung zur Wirtschaftswissenschaft folgende Geschichte:
Nach einem Schiffsunglück landen ein Chemiker, eine Physiker und ein Ökonom auf einer verlassenen Insel. Sie haben dabei das Glück, vom sinkenden Schiff ein paar Konservendosen ergattert zu haben. Nach einer Weile beginnt ihnen langsam der Magen zu knurren, und sie merken, dass sie nichts dabei haben, um die Konservendose zu öffnen. Daraufhin beginnen diese drei Wissenschaftler sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie sie am besten und schnellsten die Konservendose öffnen können:
Der Chemiker kam auf die Idee, die Dosen zu erhitzen, denn damit würden die Dosen zerbersten und sie könnten deren Inhalt wieder sammeln und sich damit den Hunger stillen. Der Physiker meinte, man solle die Dosen gegen die Felsen werfen. Das letzte Wort überließen sie dem Wirtschaftswissenschaftler, der auf Beschwichtigung aus war, und sagte: "Beruhigen wir uns, nehmen wir an, uns steht ein Dosenöffner zu Verfügung.".
Die Wirtschaftswissenschaftler haben lange Zeit ihre Theorien auf der Annahme aufgebaut, ihnen stehe ein Dosenöffner zur Verfügung. Es wäre falsch zu behaupten, sie wären sich der Tatsache nicht bewusst, dass zwischen ihren aufgestellten Theorien und der gelebten, praktischen Wirklichkeit große Unterschiede bestehen. Aber diese Diskrepanz stellte für sie kein Hindernis bei ihrer Arbeit dar, sie versuchen diesen Unterschied als einen Bestandteil des Ganzen, im Rahmen der methodischen Diskussion zu erfassen. Wann immer es zur Krise in der Ökonomie kam (globale Krisen in der Weltwirtschaft bzw. Krisen in der Disziplin "Wirtschaftswissenschaft"), wurden sie sich der Tatsache bewusst, dass ihnen ein "Dosenöffner" fehlt.
In Krisenzeiten merken wir, dass die "Wirtschaftswissenschaft" nicht nur als abstrakter Begriff zu werten ist, sondern vielmehr einen Lösungsansatz für die Lösung der Probleme im Geflecht "Individuum - Ökonomie - Gesellschaft" bietet.
Wenn wir an diesen Punkt gelangt sind, behandeln wir die Ökonomie nicht mehr nur als "wirtschaftliches Wissen" sondern als eine Betrachtungsweise der komplexen Beziehung von "Individuum, Wirtschaft und Gesellschaft". Das heißt, der "Dosenöffner" bezieht sich vielmehr auf die Verhaltensweisen der Menschen und auf die Ergebnisse, zu denen diese Verhaltensweisen führen. Die Diskussionen bezüglich der „Öffnung der Konservendose“ gehören zum […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6553
Cetin, Kemal: Sozio-ökonomische Bedeutung des Konsums in der Türkei nach 1980
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Wirtschaftsuniversität Wien, Wirtschaftsuniversität, Diplomarbeit, 1998
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

II
Vorwort
Mein besonderes Interesse für die Thematik der Konsumfunktion ist auf
meine während des Studiums in der Türkei erworbenen bzw. von mir selbst er-
fahrenen Gegebenheiten vor und nach dem Jahr 1980 zurückzuführen.
Denn, die Veränderungen in der sozio-ökonomischen Wirklichkeit waren,
innerhalb dieser zehn Jahre, ausgeprägter denn je zuvor. Das Jahr 1980 bedeutete
in jeder Hinsicht eine Kehrtwende für die Türkei, insbesondere, was die sozio-
ökonomischen Veränderungen sowie die gesellschaftlich- kulturelle Umwand-
lung betrifft.
Wenn wir die wirtschaftlichen und sozio-ökonomischen Daten der Türkei
vor und nach dem Jahre 1980 betrachten, so fällt uns nicht nur eine quantitative
sondern auch eine qualitative Veränderung auf. Im Vergleich zum Zeitraum vor
1980, stieg die Neigung zum Konsum in sehr deutlichem Ausmaß, was sich na-
türlich mit Zahlen belegen lässt.
Die Konsumenten zeigten auch ein gestiegenes Interesse für Güter aus
dem Import, besonders aus dem Westen. Dadurch sollte auch das Zugehörig-
keitsgefühl der Türkei zu Europa bestätigt werden.
Ich gehe in dieser Arbeit von der Grundannahme aus, dass es sich beim
Begriff ,,Konsum" nicht um einen reinen wirtschaftlichen Terminus Technicus
handelt ,sondern, dass dieser Begriff darüber hinaus soziologische und kulturelle
Inhalte verdeutlicht, und dass ich auch diese zu erklären versuche. Der moderne
,,homo ökonomicus" im westlichen Sinne lässt sich in der Türkei nicht genau
identifizieren. Dies ist vor allem auf die unterschiedlichen kulturellen und sozial-
geschichtlichen Faktoren zurückzuführen.
Diese Faktoren werden vor allem hinsichtlich Konsumsoziologie und Kul-
tursoziologie näher erläutert werden. Sie erscheinen mir bei der Analyse des
Konsumverhaltens besonders wichtig.
In der Türkei wurde zum ersten Mal im Jahre 1987 eine Untersuchung ü-
ber die Konsumausgaben der verschiedenen sozialen Klassen durchgeführt.

III
Die erste ausführliche und detaillierte Untersuchung über die Konsumaus-
gaben dieser sozialen Klassen, die aufgrund unterschiedlicher Einkommenshöhe
und im weiteren Sinne aufgrund ihrer Berufsgruppe, ihrer Beschäftigungsbran-
che und ihrer Einkommensart, identifiziert wurden, wurde vom statistischen
Zentralamt der Türkei durchgeführt. Bei den Untersuchungen davor handelte es
sich nur um Erkundigungen bezüglich allgemeiner Konsumneigungen.
Die Grundlagen meiner Arbeit bilden einerseits diese ausführliche Unter-
suchung aus dem Jahre 1987 und andererseits die diversen Erhebungen in den
Universitäten.
Mein besonderer Dank gilt meiner Betreuerin Frau Prof. Dr. Mikl-Horke
Gertraude, die ich nicht nur als stets hilfsbereite Betreuerin kennenlernte, son-
dern auch als hervorragende Wissenschaftlerin, die ihr tiefes Wissen mir jeder
Zeit gerne zu Verfügung stellte.
Weiters danke ich YÖK (Yüksek Ögrenim Kurumu/Unabhängige Dach-
organisation der Universitäten ), meinen Eltern und meiner Familie, da sie mir
durch die Zuverfügungstellung finanzieller Mittel- und Unterstützung mein Stu-
dium ermöglichten.
Einen besonderen Dank verdient auch Herr Evcin Yalcin für seine mühe-
volle Arbeit bei der Korrektur.
K
EMAL CETIN
Uni. Assistent an der Nigde Uni.
Wien, Ottakring - Mai 1998

IV
I
NHALTSVERZEICHNIS
S
EITE
1.
EINLEITUNG
1
2.
ZUM BEGRIFF ,,KONSUM" 7
2.1.
Konsum als ein rein ökonomischer Begriff
10
2.2.
Konsum als soziologischer Begriff
19
3.
ZUM BEGRIFF ,,KONSUMENT" (VERBRAUCHER)
23
3.1.
Konsument zwischen Lebenswelt und ökonomischem System
26
4.
THEORETISCHE DEFINITIONEN DER KONSUMFUNKTIONEN
29
4.1.
Theoretische Definitionen vor Keynes
29
4.2. Keynesianischer
Konsumbegriff
30
4.3.
Definition relativen Einkommens von Duesenberry
31
4.4.
Definition permanenten Einkommens von Friedman
32
5.
KONSUM ALS SOZIO-ÖKONOMISCHES FAKTUM
34
5.1.
Konsumsoziologie 35
5.2.
Konsumgesellschaft 38
5.2.1.
Die Werte der Konsumgesellschaft
38
5.2.2.
Der Wertekonflikt und seine Folgen in der Türkei
40
5.3.
Konsumkultur 44
5.3.1.
Über den Kulturbegriff
44
5.3.2.
Wirtschafts- und Konsumkultur
45
6.
DIE SOZIO-KULTURELLE UMWANDLUNG UND VERÄNDERUNGEN DER
KONSUMFORMEN IN DER TÜRKEI NACH 1980
49
6.1.
Charakteristikum der nach 1980 angewandten sozio-ökonomischen Politik
54
6.2.
Konsumformen in den sozialen Klassen und ihre Eigenschaften
60
6.2.1.
Zur Begriffe ,,soziale Klasse" und ,, Lebensstil"
60
6.2.2
Die soziale Klasse mit niedrigem und mittlerem Einkommen und deren Lebensstil
63
6.2.3
Die soziale Klasse mit dem höheren Einkommen und ihr Lebensstil
79
7.
SCHLUSSBEMERKUNGEN 82

1
1. Einleitung
In vielen Ländern der Welt, erzählen die Professoren an den Universitäten,
bei der Einführung zur Wirtschaftswissenschaft folgende Geschichte:
1
Nach einem Schiffsunglück landen ein Chemiker, ein Physiker und ein
Ökonom auf einer verlassenen Insel. Sie haben dabei das Glück, vom sinkenden
Schiff ein paar Konservendosen ergattert zu haben. Nach einer Weile beginnt
ihnen langsam der Magen zu knurren, und sie merken, dass sie nichts dabei ha-
ben, um die Konservendose zu öffnen. Daraufhin beginnen diese drei Wissen-
schaftler sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie sie am besten und schnellsten
die Konservendose öffnen können:
Der Chemiker kam auf die Idee, die Dosen zu erhitzen, denn damit wür-
den die Dosen zerbersten und sie könnten deren Inhalt wieder sammeln und sich
damit den Hunger stillen. Der Physiker meinte, man solle die Dosen gegen die
Felsen werfen. Das letzte Wort überließen sie dem Wirtschaftswissenschaftler,
der auf Beschwichtigung aus war, und sagte: ,,Beruhigen wir uns, nehmen wir
an, uns steht ein Dosenöffner zu Verfügung."
Die Wirtschaftswissenschaftler haben lange Zeit ihre Theorien auf der
Annahme aufgebaut, ihnen stehe ein Dosenöffner zur Verfügung. Es wäre falsch
zu behaupten, sie wären sich der Tatsache nicht bewusst, dass zwischen ihren
aufgestellten Theorien und der gelebten, praktischen Wirklichkeit große Unter-
schiede bestehen. Aber diese Diskrepanz stellte für sie kein Hindernis bei ihrer
Arbeit dar, sie versuchen diesen Unterschied als einen Bestandteil des Ganzen,
im Rahmen der methodischen Diskussion zu erfassen. Wann immer es zur Krise
in der Ökonomie kam (globale Krisen in der Weltwirtschaft bzw. Krisen in der
Disziplin ,,Wirtschaftswissenschaft"), wurden sie sich der Tatsache bewusst, dass
ihnen ein ,,Dosenöffner" fehlt.

2
In Krisenzeiten merken wir, dass die ,,Wirtschaftswissenschaft" nicht nur
als abstrakter Begriff zu werten ist, sondern vielmehr einen Lösungsansatz für
die Lösung der Probleme im Geflecht ,,Individuum - Ökonomie - Gesellschaft"
bietet.
Wenn wir an diesen Punkt gelangt sind, behandeln wir die Ökonomie nicht mehr
nur als ,,wirtschaftliches Wissen" sondern als eine Betrachtungsweise der kom-
plexen Beziehung von ,,Individuum, Wirtschaft und Gesellschaft". Das heißt, der
,,Dosenöffner" bezieht sich vielmehr auf die Verhaltensweisen der Menschen und
auf die Ergebnisse, zu denen diese Verhaltensweisen führen. Die Diskussionen
bezüglich der ,,Öffnung der Konservendose" gehören zum wesentlichen Bestand-
teil, zu jenem den das Menschenverständnis geformt hat. Zum Wissen über das
,,Wirtschaftsverhalten" der Menschen (d.h. zum Wissen, das darauf zurückzufüh-
ren ist, dass der Konsum nur aus ,,wirtschaftswissenschaftlicher" Sichtweise be-
trachtet wird), gelangen wir über die Betrachtung der Thesen, die zur Formung
der Weltanschauung des Wirtschaftswissenschaftlers führen.
Bei der Analyse eines jeden Zeitabschnittes der Geschichte, wird man er-
kennen dass eine Beziehung besteht, zwischen der Weltanschauung der Vertreter
einer Disziplin und den zu dieser Zeit vorherrschenden Überzeugungen, Vorlie-
ben und Ängsten der Menschen, die von dieser Disziplin näher betrachtet wer-
den.
Diese Beziehung in den Sozialwissenschaften (auch wenn ein Großteil der
Wirtschaftswissenschaftler sich nicht der Kategorie der ,,Sozialwissenschaft"
zugehörig fühlt), die sich in spezifischen Fällen sehr deutlich zeigt, sollte nicht
als eine einseitige ,,Beziehung" betrachtet werden. Das ,,ökonomische Denken"
spiegelt nicht nur die Weltanschauung, die Wertvorstellung und die Ängste einer
Zeit wider, sondern spielt auch bei deren Entstehung und deren Beeinflussung
der Verhaltensweisen von Menschen sowie der Beeinflussung des Aufbaues von
Institutionen eine wichtige Rolle. Das heißt, der Wirtschaftswissenschaftler wird
bei der Entwicklung seiner Thesen von der Weltanschauung beeinflusst, die zu
1
. Bugra Ayse; Iktisatcilar ve Insanlar ( Wirtschaftswissenschaftler und Menschen ), S 11

3
jenem Zeitpunkt die Gesellschaft dominiert und führt mit seinen sodann aufge-
stellten Thesen dazu, dass die Charakteristika, welche die Gesellschaft kenn-
zeichnen, noch mehr verstärkt werden.
2
Diese Wirkung entsteht teilweise durch das Anwenden einer bestimmten
Wirtschaftspolitik und weiters durch seinen Anteil, den der Wirtschaftswissen-
schaftler zur Selbstkenntnis und zur Selbstdefinition der Gesellschaft leistet.
In der heute weit verbreiteten Wirtschaftswissenschaft wird das Indivi-
duum in seinen Beziehungen in der Marktwirtschaft betrachtet, und auch die
Wirtschaft wird als ein Geflecht angesehen, das aus diesen Beziehungen der In-
dividuen besteht.
3
Hier wird die Wirtschaftswissenschaft auf den ,,Markt" reduziert und von
der Gesamtheit der Gesellschaft als getrennt betrachtet. Der ,,Markt" ist bekannt-
lich der Ort, an dem Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen. Es spielt keine
Rolle, welche Art von Menschen aufeinandertreffen. Weder deren sozialer Status
noch deren religiöse und soziale Weltanschauungen und schon gar nicht die
Sympathie oder Antipathie, die sie füreinander empfinden. Der Umtausch von
Geld, Gütern und Dienstleistungen ist das einzige Kriterium, das eine Beziehung
unter ihnen herstellt, das heißt, es geht nur darum was der eine hergibt, und der
andere nimmt.
4
Das heißt, der Markt ist ein Ort, wo Menschen unabhängig von ihrer ei-
gentlichen Identität und ohne Zwang von Institutionen und dergleichen, nur auf-
grund ihrer eigenen freien Willensentscheidung aufeinandertreffen. Das einzige
Ziel ist es, Nutzen aus dem Umtausch zu ziehen, und die Parteien halten ihre
,,marktwirtschaftlichen Beziehungen" nur solange aufrecht, solange ihnen diese
einen ,,Profit" bescheren.
In unterschiedlichen Gesellschaften stößt man teilweise auf solche Bezie-
hungen. Jedoch ist die freie Marktwirtschaft ein Charakteristikum einer freien
Gesellschaft. Hier findet der ganze wirtschaftliche Prozess unabhängig von ex-
2
. Vgl. Bugra Ayse; a.a.o., S 12
3
. Vgl. Demir Ömer; Kurumcu Iktisat ( Institutionelle Wirtschaft ), S 17
4
. Vgl. Demir Ömer; ebenda, S 17f

4
ternen Eingriffen und Kontrollen statt. Arbeit, Grund und Kapital werden ver-
mehrt auf dem freien Markt ausgetauscht, und es ist der Markt, der nur mehr ih-
ren Preis bestimmt. Faktoren wie gesellschaftliche Interessen und Prinzipien,
kulturelle Normen, politische Vorbehalte, ,,wer darf etwas produzieren und wer
darf dieses konsumieren, unter welchen Umständen werden Güter und Dienst-
leistungen hergestellt und verkauft scheinen immer mehr in den Hintergrund zu
treten".
5
Die wirtschaftlichen Beziehungen entsprechen immer mehr den markt-
wirtschaftlichen Beziehungen und den Handlungen, die von den Individuen ge-
setzt werden, um ihren eigenen Profit zu maximieren.
Ob es in der Geschichte schon einmal eine Gesellschaft gegeben hat, wel-
che die typischen Ausprägungen der heutigen ,,Konsumgesellschaft" gehabt hat,
darüber kann man diskutieren. Aber die Zunahme an marktwirtschaftlichen Akti-
vitäten in Europa, am Ende des 18. Jahrhunderts sowie im 19. Jahrhundert, hat
dazu geführt, dass man an eine universale Gültigkeit dieses Wirtschaftsmodells,
nämlich der freien Marktwirtschaft, geglaubt hat. Im Verlauf der Wirtschaftsge-
schichte kommt von vielen Wirtschaftswissenschaftlern daher auch immer wie-
der die Behauptung, dass diese Theorie universal angewandt werden kann. Die
Profitmaximierung als Hauptursache für das menschliche Verhalten, sollte daher
aus geschichtlicher Sicht analysiert werden, und zwar auch mit allen wirt-
schaftswissenschaftlichen Theorien, die davon handeln.
6
Aus dieser Sicht können
wir zwei Theorien betrachten, die uns die Entfaltung der freien Marktwirtschaft
im 18. Und 19. Jahrhundert näher erklären.
Die erste handelt davon, dass Entwicklung der Gesellschaften, objektiv,
d.h. ohne Einfluß der Wertvorstellungen des Wissenschaftlers, rein aus naturwis-
senschaftlicher Sicht (Biologie, Physik, Chemie etc.) erklärt werden können.
Diese Überzeugung beinhaltet einen Glauben an die effektive, nützliche An-
wendbarkeit naturwissenschaftlicher Theorien und an ihre Anwendbarkeit in
5
. Vgl. Bugra Ayse; a.a.o., S 13
6
. Vgl. Becker, Gary S; Ökonomische Erklärung menschlichen Verhaltens, S 3

5
geisteswissenschaftlichen Bereichen. Der Glaube an das rationale Handeln der
Individuen führt somit zur Überzeugung, dass auch die Wirtschaft mit ,,rationa-
len" Methoden erklärt werden kann.
7
Hier ist es wichtig zu erwähnen, dass die Annahme des rationalen Han-
delns bei den Individuen, aus zwei verschiedenen Sichten betrachtet wird. Diese
Annahme beruht nicht nur darauf, dass die Menschen nur auf Profitmaximierung
aus sind, sondern auch darauf, dass sie wissen, wie sie vorgehen müssen, bzw.
was sie tun müssen, um das Ziel der Profitmaximierung zu erreichen. Damit der
Preismechanismus das Gleichgewicht wiederherstellen kann, und das System,
ohne externe Eingriffe, die gewünschte Neuverteilung der Ressourcen vorneh-
men kann, müssen die individuellen Entscheidungen in einem Umfeld getroffen
werden, in dem es bezüglich Zielen und Mitteln keine Unbekannten gibt.
Eine andere Analyse betrachtet die Charakteristika der Beziehungen in der
idealen Form der freien Marktwirtschaft. In der idealen Form der freien Markt-
wirtschaft kommen die Teilnehmer am Markt, ohne jeglichen äußeren Einfluß,
zusammen.
,,Weder die soziale Lage noch die daraus resultierende wirtschaftliche
Kaufkraft werden in Betracht gezogen. D. h., es handelt sich um ein System, das
aufgrund von Angebot und Nachfrage auf dem Markt geregelt wird, ein freies
und unabhängiges System, das sich im Gleichgewicht befindet. Es gibt in der
idealen Form der marktwirtschaftlichen Theorie keine Interdependenzen, weder
in bezug auf Absicht noch in bezug auf Macht und Stärke der Marktteilnehmer,
die Bedürfnisse können unabhängig von diesen vollständig befriedigt werden.
Subjektive, willkürliche Eingriffe werden ausgeschlossen. Das System reguliert
sich immer wieder von selbst. Warum das Ziel der individuellen Profitmaximie-
rung hervorgehoben und instrumentalisiert wird, scheint uns somit klar zu wer-
den."
8
7
. Vgl. Mikl-Horke Gertraude; Wirtschaft als sozialer Prozess, In: Kellerman Paul/ Mikl- Horke Gertrau-
de(Hrg.); Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft, S 121f
8
. Bugra Ayse; a.a.o., S 13

6
,,Die bisherige Aufwärtsentwicklung des Lebensstandards in den industri-
alisierten Ländern ist einem bestimmten Typus von Wirtschaft zu verdanken, der
sich durch seinen Erfolg immer mehr verallgemeinert und in alle Lebensbereiche
hinein wirkt. Gerade dieser Erfolg erzeugt heute eine eigene Dynamik und Sach-
zwänge, die von einzelnen kaum mehr beeinflusst werden können. Je stärker sich
die Charakteristiken dieses Wirtschaftens in anderen Teilbereichen durchsetzen,
desto problematischer werden ihre praktischen Auswirkungen. Ressourcenman-
gel, Energieprobleme, drohende ökologische Selbstzerstörung, neue Armut,
Zweidrittelgesellschaft etc. sind hier nur einige Schlagworte.
Diese Tendenzen erfordern es, die Rolle der Wirtschaft in der heutigen
Gesellschaft neu zu überdenken. Für eine kritische Beurteilung gegenwärtiger
ökonomischer Paradigmen ist vor allem der interdisziplinäre ,,Blick" von Bedeu-
tung."
9
9
. Wilhelm Berger, Ada Pellert (Hg); Der verlorene Glanz der Ökonomie, S.9

7
2.
Zum Begriff ,,Konsum"
Der Begriff ,,Konsum" hat zwei lateinische Wurzeln: Die eine Wurzel ist
das Wort ,,consumare", das ,,verbrauchen" im Sinne von ,,gebrauchen", ,,auf-
brauchen" bedeutet. Die andere Wurzel ist das Wort ,,consummare", das ,,ver-
vollkommnen", ,,vollbringen" bedeutet. Während die englischen und deutschen
Begriffe ,,consumption"/ ,,to consume" und ,,Konsum"/ ,,konsumieren" auf die
erste Wurzel zurückgehen, beruhen die französischen Worte ,,consommation"
und ,,consommer" auf der zweiten Wurzel. Allerdings gibt es auch im Englischen
das Wort ,,to consummate" für vollenden, vervollständigen und im Französischen
das Wort ,,consumer" für zerstörerische Handlungen durch Feuer, Korrosion
oder auch Krankheiten.
10
Fast wie alle Menschen betreffende Begriffe ist der Begriff ,,Konsum"
Untersuchungsobjekt von verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen .D.h. ,,Der
Konsum ist Gegenstand der ökonomischen, psychologischen und soziologischen
Forschung."
11
Allerdings alle Disziplinen haben in ihren Formen den Begriff
,,Konsum" behandelt und untersucht.
Die Wissenschaftsbranche, die den Konsumbegriff am häufigsten behan-
delt hat, ist Ökonomie. Wenn wir also über Konsum sprechen, fällt uns wie einen
wirtschaftlichen Begriff ein, eine Untersuchung über diesen Begriff leitet uns
sofort zu ökonomischer Literatur.
Angesichts dem Konsum wurde immer wieder von verschiedenen Diszip-
linen wie Soziologie, Ökonomie, Anthropologie, Philosophie etc. behandelt. Im
Rahmen dieser Arbeit wird der Begriff ,,Konsum" nur in soziologischen und ö-
konomischen Disziplinen untersucht. In diesem Sinne werden wir den Begriff
interdisziplinär vorankommen und als sozio-ökonomischen Begriff behandelt.
10
. Knobloch Ulrike; Theorie und Ethik des Konsums, S 12
11
. Kutsch Thomas, Wiswede Günter.; Wirtschaftssoziologie, S. 208

8
Scherhorn versteht unter Konsumbegriff drei Bedeutungen:
12
Das Wort Konsum kann sich auf ein Verhalten, eine Gütermenge oder einen For-
schungsbereich beziehen. Die Definition des Konsums als Verhaltensweise folgt
im wesentlichen dem Konzept der Bedürfnisbefriedigung, die Definition des
Konsums als Gütermenge ist am Konzept der Marktentnahme orientiert, und die
Definition des Konsums als Forschungsbereich sollte folgerichtig vom Haushalt
als der Institution bestimmt sein, in der sich der Konsum als Verhaltensweise
vollzieht und für die der Konsum als Gütermenge produziert wird. Die Praxis
geht über diese Definitionskriterien teils hinaus, teils bleibt sie hinter ihnen zu-
rück.
Konsum als Verhaltensweise:
,,Konsumieren" bedeutet zunächst den Verzehr von Verbrauchsgütern, die
unmittelbar der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dienen, dann aber auch
die Inanspruchnahme von Dienstleistungen und die Be - und Abnutzung von
Gebrauchsgütern, soweit eben auch diese Verhaltensweisen den unmittelbaren
Zweck haben, Bedürfnisse zu befriedigen, und nicht z. B. dazu dienen, wirt-
schaftliche Güter in einen Verzehr- oder nutzbaren Zustand zu versetzen.
Die Verhaltensweise Konsum ist somit nicht so sehr an ihren Objekten als
viel mehr an ihren Zwecken zu erkennen; der Verzehr von Verbrauchsgütern, die
Benutzung von Gebrauchsgütern und die Inanspruchnahme von Diensten können
nicht nur dem Konsumieren, sondern auch dem Be- oder Verarbeiten von Gütern
dienen und damit in den Bereich des Produzierens gehören, sie können ferner
auch beim Verwalten der Mittel auftreten, die für Konsum und Produktion zur
Verfügung stehen, so etwa bei der Wartung von Gebrauchsgütern.
13
Konsum als Gütermenge (Marktentnahme):
Die zweite Bedeutung des Wortes Konsum ist nicht aus der ersten abgelei-
tet; die Gütermenge Konsum bestünde dann entweder aus konsumierten oder aus
12
. Scherhorn Gerhard ; Konsum, In: König Rene(Hrsg.); Handbuch der Empirischen Sozialforschung,
Band 11, S 194
13
. Scherhorn Gerhard; a.a.o., S. 194f

9
zu konsumierenden bestimmten Gütern. Tatsächlich rechnet man aber auch sol-
che Güter zum Konsum, die der hauswirtschaftlichen Produktion oder Verwal-
tung dienen oder gar im Haushalt als Vermögensgut oder Tauschgut fungieren.
Als Konsumgüter werden mithin im allgemeinen solche Waren und Dienstleis-
tungen bezeichnet, die vornehmlich im Haushalt Verwendung finden, gleich zu
welchem Zweck; die englischen Bezeichnungen ,,house hold goods ,,und ,,con-
sumer goods" treffen diese Wortinhalt besser. Sind solche Güter allerdings in der
Hauswirtschaft selber produziert worden, so bleiben sie vielfach unberücksich-
tigt. Das heißt freilich nicht, dass man in Konsum einfach die Summe jener Wa-
ren- und Dienstleistungen sähe, die aus dem Sektor ,,Unternehmen" in den Sektor
,,Haushalte" fließen; auch solche Güter zählen zum privaten Verbrauch der
Volkswirtschaft, die zwar vorwiegend für Haushalte produziert, aber auch von
Unternehmen gekauft und verwendet wenden.
Der zweite Gebrauch des Wortes Konsum ist somit am Konzept der
Marktentnahme orientiert: im Konsum einer Volkswirtschaft sind an Letztver-
wender verkaufte Konsumgüter zusammengefasst, gleichgültig ob der Käufer in
allen Fällen ein Haushalt oder nicht. Für bestimmte Zwecke wird auch die
,,Wertvernichtung", das klassische Konzept des Konsums zur Begriffsabgren-
zung verwendet; die nach diesem Kriterium definierte Gütermenge bemißt sich
nach dem tatsächlich erfolgten Verzehr (bei Verbrauchsgütern: Vernichtung, bei
Gebrauchsgütern: Abnutzung, bei Dienstleistungen: Inanspruchnahme) der dem
Markte entnommenen Konsumgüter.
14
Konsum als Forschungsbereich:
In seiner dritten Bedeutung pflegt der Konsum Begriff entschiedener an
der Institution orientiert zu sein, als deren eigentlicher Zweck das Konsumieren
angesehen wird: am Haushalt. Im Sinne eines Forschungsobjekts umfasst der
Begriff Konsum alles menschliche Handeln, das im Rahmen der Konsumenten-
Rolle erfolgt; der Konsument oder Verbraucher - aber die beiden Begriffe wer-
14
. Scherhorn Gerhard; a.a.o., S 195

10
den synonym verwendet - ist im allgemeinen durch die Zugehörigkeit zum priva-
ten Haushalt definiert, seine Rolle durch Erwartungen abgesteckt, die sich auf
Entscheidungen und Verhaltensweisen im Zusammenhang mit dem Beschaffen,
Produzieren und konsumieren von Gütern sowie dem Verwalten von Gütern und
Geldmitteln einschließlich Geldanlage richten.
Es mag dem soziologischen Rollenbegriff nicht ganz gerecht werden, all-
gemeinen von der Konsumentenrolle zu sprechen; in der Tat wird die Verwen-
dung des Begriffs es dort fruchtbar, wo das Wort Konsument nicht ein Haus-
haltsmitglied schlechthin bezeichnet, sondern dieses in einer sozialen Funktion
beschreibt, die zu anderen sozialen Funktionen dergestalt in Beziehung steht,
dass die aus diesen Funktionen erwachsenden Interessen des Subjekts und Erwar-
tungen an das Subjekt nicht mit denen identisch sind, die aus der Konsumenten-
rolle erwachsen, weshalb sowohl intra- als auch interpersonale Konflikte zwi-
schen den Rollen auftreten können.
15
2.1
Konsum als ein rein ökonomischer Begriff
Obgleich es Konsum und Konsument immer gegeben hat, solange es auch
Menschen gibt, hat man doch mit einem gewissen Recht sagen können, dass der
spezifische Begriff des Konsums, der der Wissenschaft heute Probleme aufgibt
und der eine neue Gewichtsverteilung im wirtschaftlichen und sozialen Prozess
zur Voraussetzung hat, ein historisches Novum darstellt.
16
,,Mit der Loslösung des Produktionsbereichs vom Haushalt und der Her-
ausbildung eines eigenständigen ökonomischen Systems eng verbunden ist die
für die heute übliche Definition des Ökonomischen grundlegende Vorstellung,
dass Konsum mit der Bedürfnisbefriedigung durch am Markt angebotene Güter
gleichgesetzt wird. Konsum wird damit zum Grenzbegriff zwischen Marktöko-
15
. Scherhorn Gerhard; a.a.o., S 195f
16
. Vgl. Wiswede Günter; Soziologie des Verbraucherverhaltens, S 3

11
nomie und Hauswirtschaft: Der Kauf von Marktgütern zur Befriedigung findet
im ökonomischen System statt."
17
In der ökonomischen Ideengeschichte bestehen über den Stellenwert des
Konsums unterschiedliche Ansichten (Abb. 2.1). Die heute in der ökonomischen
Literatur dominierende Schule ist die neo-klassische Schule. Deshalb möchte ich
im folgenden den Konsum in Zusammenhang mit der neo-klassischen Analyse
behandeln.
,,Unter Konsum versteht man den Verzehr von Leistungen knapper Güter
zum Zwecke der Bedürfnisbefriedigung eines Endverbrauchers. Je nach dem Ty-
pus des Endverbrauchers unterscheidet man dabei zwischen privatem und staatli-
chem Konsum. Handelt es sich bei dem Endverbraucher um ein ( rechtlich selb-
ständiges) privates Wirtschaftssubjekt als Einzelperson oder als Zusam-
menschluß mehrerer Individuen, dann spricht man von dem Konsum eines priva-
ten Haushaltes. Als öffentlichen Konsum bezeichnet man den Eigenverbrauch
aller Gebietskörperschaften, wobei die Bewertungsproblematik öffentlicher Leis-
tungen teils nur eine arbiträre Abgrenzung gegenüber den öffentlichen Investiti-
onen erlaubt. Nachfolgend werden wir nur den privaten Konsum behandeln (zum
öffentlichen Konsum vgl. ,,Ausgaben, öffentliche"). Die Einkommensverwen-
dung für Konsumgüter oder deren Marktentnahme wird hier als Konsumausgabe
definiert. Haushalt zur weiteren Leistungsausgabe zur Verfügung stehen, nicht
der Fall sein. Beispiele dafür sind Wohnungen, Autos und Kühlschränke. Für die
Abgrenzung entscheidend ist jedoch grundsätzlich die Länge der den Haushalts-
planungen zugrundeliegenden Einheitsperiode, so dass auch Güter mit einer ge-
ringerer Lebensdauer, wie Bekleidung, Schuhe u.ä., gegebenenfalls zur Katego-
rie dauerhafter Konsumgüter hinzuzurechnen sind."
18
In der mikroökonomischen Analyse wird die Konsumtheorie als Haus-
haltstheorie analysiert. ,,Alle Menschen leben in privaten Haushalten, die Einper-
sonenhaushalte oder Mehrpersonenhaushalte sein können. Der private Haushalt
17
. Knobloch Ulrike; Theorie- und Ethik des Konsums, S 43
18
. König, Heinz; Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Band IV, S. 514

12
wird in der Haushaltstheorie als eine ökonomische Einheit aufgefasst, die auf der
Basis gemeinsamer Willensbildung Entscheidungen trifft.
Der Haushalt muss entscheiden, wie er seine Nettoeinkommen, das ihm
nach Abzug der Steuern verbleibt, verwenden soll. Er muss festlegen, welchen
Teil des laufenden Einkommens er sparen und welchen Teil er für den Kauf von
Konsumgütern ausgeben soll .Ist die Entscheidung über die Ersparnis getroffen
worden, muss der Haushalt bestimmen, welche Mengen an Gütern mit der Kon-
sumsumme gekauft werden sollen. Man sagt auch, der Haushalt müsse seinen
Konsumplan bestimmen.
Man unterstellt, dass die Haushalte die realisierbaren Alternativen verglei-
chen können und sich so entscheiden, dass sie aus ihrer Lage das Beste machen.
In diesem Sinne sagt man, die Haushalte verhielten sich rational.
Bei der Bestimmung des optimalen Konsumplans werden die Haushalte also be-
strebt sein, ihre Bedürfnisse möglichst gut zu befriedigen. Ihre Wahlmöglichkei-
ten werden durch ihre Einkommen bzw. durch ihre Konsumsumme beschränkt.
Der Haushalt muss die Güter nach Art und Menge auswählen. Die Rationalitä-
tannahme besagt, dass er die alternativen Gütermengen (Güterbündel), die er mit
gegebenen Konsumsumme kaufen kann, vergleichend in eine Rangordnung brin-
gen kann und sich zum Kauf jenes Güterbündels entscheidet, das er anderen rea-
lisierbaren Güterbündel vorzieht.
19
,,Von besonderer Bedeutung für die Kennzeichnung der Lebenshaltung
privater Haushalte ist die Struktur des Verbrauchs, das innere Gefüge, das mit
Hilfe strukturbildender Merkmale aufgedeckt werden kann. Strukturbildende
Merkmale des privaten Verbrauchs sind Verwendungszwecke einerseits, Dauer-
haftigkeit und Wert andererseits. Erstere lassen sich in 9 Hauptgruppen, letztere
in 5 Hauptgruppen unterteilen."
20
19
. Demmler, Horst; Grundlagen der Mikroökonomie, S. 3,4
20
. Hesse Klaus(Hg.); Strukturen privater Haushalte und Familien, S 110

13
Gliederung des Privaten Verbrauchs nach Verwendungszwecken:
1.
Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren
2.
Bekleidung, Schuhe
3.
Wohnungsmieten
4.
Elektrizität, Gas, Brennstoffe
5.
Möbel, Haushaltsgeräte und andere Güter für die Haushaltsführung
6.
Güter für Gesundheits- und Körperpflege
7.
Güter für Verkehr und Nachrichtenübermittlung
8.
Güter für Bildung, Unterhaltung, Freizeit
9.
Güter für die Persönliche Ausstattung, Dienstleistungen des Beherber-
gungsgewerbes sowie Güter sonstiger Art.
Gliederung des Privaten Verbrauchs nach Dauerhaftigkeit und Wert:
1. Verbrauchsgüter,
Reparaturen
2.
Gebrauchsgüter von mittlerer Lebensdauer und/oder begrenztem Wert
3.
Langlebige, hochwertige Gebrauchsgüter
4.
Wohnungs- und Garagenmieten
5.
Sonstige Dienstleistungen.
Da sich die Gliederungen des privaten Verbrauchs nach Verwendungs-
zwecken und nach Dauerhaftigkeit und Wert kombinativ verwenden lassen, kann
beispielsweise festgestellt werden, welchen Verwendungszwecken langlebige,
hochwertige Gebrauchsgüter zuzuordnen sind bzw. aus welchen Gruppen nach
Dauerhaftigkeit und Wert die Güter für Verkehr und Nachrichtenübermittlung
bestehen."
21
,,Wir kennzeichneten den Haushalt als Einheit von Konsum und Produkti-
on, d.h. als Einheit von Konsum und Hauswirtschaft, und unterschieden dabei
21
. Hesse, Klaus (Hg.); Strukturen privater Haushalte und Familien, S. 110, 111

14
den Familienhaushalt im statistischen Sinn vom Haushalt einer wirklichen Fami-
lie. Die spezifische, werteschaffende Tätigkeit der ,,letzten Produktion" Haus-
wirtschaft wurde herausgearbeitet, um von ihr aus zu neuen Sichten des Kon-
sums zu gelangen. Wir sahen, dass die Produktivität der Hauswirtschaft vor al-
lem im Zusammenfügen von Gütern zu einem polar gegliederten, dauerhaften,
,,Konsumtion Lebensraum" besteht, zu welchem auch eine spezifische Atmo-
sphäre und ,,Wir Erlebnisse" der Familie gehören, wobei die Hauswirtschaft zu
dem durch Vorstellungen über angemessenen Verbrauch von der sozialen Grup-
pe geleitet wird, welcher ihre Konsumenten angehören."
22
Der Konsument im Haushalt ist fast völlig passiv. Ihm steht der aktive
haushaltslose Einzelkonsument gegenüber. Seine Verbrauchsgüter sind sehr viel
weniger komplementär und sehr viel weniger polar. Sein Konsum ist also viel
mehr eine ,,Lebenshaltung", d.h. viel mehr ein Verbrauch, wie ihn die Statistik zu
erfassen sucht, und zu dem viel loser durch konsumtive Vorstellungen sozialer
Gruppen gebunden. Wenn man bei dem Verbrauch des haushaltslosen Einzel-
konsumenten von dieser spezifischen bei ihm in sehr geringem Masse
vorkommenden Gleichheit mit dem Konsum im Haushalt absieht, dann erhält
man das Bild, welches die Grenznutzenschule von Konsum - allerdings vom
Konsum schlechthin - entwirft. Dieses Bild ist daher in bestimmter Hinsicht
abstrakt, doch umso wirklichkeitsnäher, je weiter wir in der Geschichte
zurückgehen. Unter dieser Verarbeitung der Empirie sind die Lehrsätze der
Grenznutzenschule also für ein fest abgegrenztes Gebiet des Konsums, d.h. nur
für den haushaltslosen Konsum, durchaus richtig gesehen, es sei denn, wir gehen
in ganz frühe, geschichtliche Zeiten zurück, wo sie auch auf den
Haushaltskonsum passen. Sie sind also nur relativ gültig. Ihre Erkenntnisse,
wenn sie dem Anspruch genügen sollen, in das Wesen einer Erscheinung
einzuführen, wenn sie also kein Hervorheben irgendeiner Seite des Phänomens
darstellen sollen, passen nicht auf die gesamte Sphäre des Verbrauchs, weil die
ihnen zugrundeliegende Abstraktion für fortgeschrittene Zeiten in bezug auf den
22
. Egner, Erich (Hg.); Von der Konsumtheorie zur Haushaltsökonomik, S. 51

15
schrittene Zeiten in bezug auf den Haushaltskonsum eine zu starke Entfernung
von der Wirklichkeit bedeuten würde. Die nur relativ gültige Lehre der Grenz-
nutzenschule bedarf also einer sie ergänzenden Theorie.
Die gleiche Abstraktion ist in bezug auf den haushaltslosen Einzel-
verbrauch berechtigter, weil eben hier Komplementarität, Polarität und soziale
Bindungen in so viel geringerem Masse vorkommen. Verarbeiten wir den empi-
risch gegebenen, haushaltlosen Einzelkonsum auf die angegebene abstrakte Wei-
se, so teilt sich der gesamte Konsum in der Volkswirtschaft in zwei klar geschie-
dene gegensätzliche Formen, wenn wir diesem Denkgebilde nun den Haushalts-
verbrauch mit seinen von uns klargelegten Eigenschaften idealtypisch gegen-
überstellen, wobei sich in jeder der beiden Formen der Einzelkonsum vertreten
findet.
Diese beiden Formen können auf Grund ihrer allerdings geringen Ge-
meinsamkeit mittels des bisher üblichen Begriffes des Konsums erfasst werden:
,,Konsum i.e. ist planmäßige, unmittelbare Bedürfnisbefriedigung mit wirtschaft-
lichen Mitteln." Doch wird dieser Begriff, wie gesagt, den spezifischen Eigen-
schaften des überwiegenden Teils des Konsums - dem Haushaltskonsum - nicht
gerecht, es sei denn, man will den Verbrauch geschichtlich ganz früherer Zeiten
definieren.
23
Abstrahieren wir bei dem haushaltslosen Einzelkonsum jedoch nicht von
der Komplementarität, Polarität, und Gebundenheit durch soziale Vorstellungen,
stellen wir uns bei seiner Erforschung also auf einen wirklichkeitsnäheren Stand-
punkt als die Grenznutzenschule es tut, dann können wir ihn und den Haushalts-
konsum, auch diesen, wie er empirisch gegeben ist, jetzt mit einem anderen ge-
meinsamen Begriff erfassen, der auf Grund unserer gefundenen Erkenntnisse in
seinem Umfang reicher ist, der daher der Eigenart des Haushaltskonsums besser
gerecht wird und zudem auch die Eigenständigkeit der Konsumsphäre gegenüber
der Produktionssphäre betont: ,,Konsum i.e.S. ist Lebensförderung durch plan-
23
. Egner, Erich (Hg.); a.a.o., S. 51

16
mäßige, unmittelbare Bedürfnisbefriedigung mit komplementären wirtschaftli-
chen Mitteln in gestalteter Form und sozialen Bindungen."
24
24
. Egner, Erich (Hg.); a.a.o., S. 51 f

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1998
ISBN (eBook)
9783832465537
ISBN (Paperback)
9783838665535
Dateigröße
762 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Wirtschaftsuniversität Wien – Volkswirtschaft
Note
2,0
Schlagworte
konsumformen soziale klasse frauen lebensstil unterschicht
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Titel: Sozio-ökonomische Bedeutung des Konsums in der Türkei nach 1980
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