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Professionalisierung und Qualitätssicherung in der rechtlichen Betreuung

Zu Konflikten zwischen Wohl und Wünschen der Betreuten

©2002 Diplomarbeit 187 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die Arbeit befasst sich mit dem aus mehreren Gründen aktuellen Problem der rechtlichen Betreuung von erwachsenen Menschen mit chronischen Erkrankungen und/oder Behinderungen.
Für die betroffenen alten, kranken und behinderten Menschen und deren Angehörige hat das Betreuungsrecht, das vor etwa 10 Jahren das alte Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht ablöste, von seiner Intention her ohne Zweifel Fortschritte gebracht, hinsichtlich seiner Umsetzung besteht jedoch nach wie vor erheblicher Diskussions- und Klärungsbedarf, der sich insbesondere an der Frage festmacht, wer als Betreuer eingesetzt wird, und ob dies immer zum Wohl des Betreuten geschieht. Nicht zuletzt kritische Berichte in den Medien haben auch die breitere Öffentlichkeit für diese Fragen sensibilisiert. Die besondere Aktualität des Themas ist auch vor dem Hintergrund der Bestrebungen der Bundesregierung zu einer erneuten Reform des Betreuungsrechts zu sehen.
Die Arbeit konzentriert sich zwar auf die in diesem Feld tätigen Berufsbetreuer, aber es bleibt nicht aus, dass auch auf die (vom Gesetzgeber favorisierten) ehrenamtlichen Betreuer eingegangen wird, so dass dem Leser die ganze Bandbreite des Problems vermittelt wird.
Das Augenmerk wird dabei auf zwei Aspekte gerichtet, die im gesamten Bereich des Gesundheits- und Sozialsystems von hoher Aktualität sind und sich insbesondere auch im Feld der gesetzlichen Betreuung widerspiegeln: die Etablierung eines neuen Berufs und die Entwicklung und Überprüfung von beruflichen Standards.
Beide Aspekte werden sowohl aus grundsätzlich theoretischer wie auch aus der engeren Perspektive des Themas kritisch beleuchtet (Kap. 3). Diesem Teil der Arbeit ist ein einführendes Kapitel vorgeschaltet, in dem die Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung erläutert werden. Analysen von Interviews mit Experten aus diesem Bereich Sozialer Arbeit stellen den Bezug zur Praxis her.
Jedem Kapitel ist eine kurze Zusammenfassung hintangestellt, die dem Leser den Überblick erleichtert.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Einleitung und Aufgabenstellung der Arbeit1
2.Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung5
2.1Zur geschichtlichen Entwicklung5
2.2Voraussetzungen der Betreuung12
2.3Zur Person des Betreuers15
2.4Aufgabenwahrnehmung des Betreuers zwischen dem Wohl und den Wünschen der Betreuten21
2.5Gesetzliche Möglichkeiten der Kontrolle und Qualitätssicherung25
2.6Zusammenfassung und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6513
Stangier, Jörg: Professionalisierung und Qualitätssicherung in der rechtlichen Betreuung
- Zu Konflikten zwischen Wohl und Wünschen der Betreuten
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Siegen, Universität - Gesamthochschule, Diplomarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

0. Inhalt
i
0. Inhalt
1. Einleitung und Aufgabenstellung der Arbeit ... 1
2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung ... 5
2.1. Zur geschichtlichen Entwicklung... 5
2.2. Voraussetzungen der Betreuung ... 12
2.3. Zur Person des Betreuers ... 15
2.4. Aufgabenwahrnehmung des Betreuers zwischen dem Wohl und den
Wünschen der Betreuten ... 21
2.5. Gesetzliche Möglichkeiten der Kontrolle und Qualitätssicherung ... 25
2.6. Zusammenfassung und Wertung... 29
3. Professionalisierung und Qualitätssicherung ... 33
3.1. Professionalisierungs- und Qualitätssicherungsprobleme in der Sozialen
Arbeit... 34
3.1.1. Professionalisierung ... 34
3.1.2. Qualitätssicherung... 38
3.2. Professionalisierungsbestrebungen in der rechtlichen Betreuung ... 42
3.2.1. Typologie der bisherigen Berufsentwicklung ... 43
3.2.2. Aktuelle Bestrebungen der Berufsverbände... 49
3.2.3. Bewertung der Professionalisierung in der rechtlichen Betreuung... 54
3.3. Qualitätssicherung in der rechtlichen Betreuung ... 59
3.3.1. Strukturqualität... 61
3.3.2. Procederequalität... 65
3.3.3. Wirkungsprozeßqualität ... 68
3.3.4. Produktqualität ... 70
3.4. Instrumente zur Weiterentwicklung von Professionalisierung und Qualität im
Betreuungswesen... 72
3.4.1. Das Stufenmodell zur Qualifizierung im Betreuungswesen ... 73
3.4.2. Case Management in der rechtlichen Betreuung ... 77
4. Professionalisierung und Qualitätssicherung aus dem Blickwinkel benachbarter
Professionen ... 87
4.1. Anlage der Studie... 87
4.2. Auswertung der Studie... 89
4.3. Ergebnis und Wertung... 105
5. Zusammenfassung und Stellungnahme... 109

0. Inhalt
ii
6. Literaturverzeichnis... 113
7. Abkürzungsverzeichnis ... 121
8. Anhang ... 123
8.1. Expertenbefragung in einem Wohnheim für Menschen mit einer geistigen
Behinderung ... 124
8.2. Expertenbefragung in einem kommunalen Altenheim ... 129
8.3. Expertenbefragung in einem privaten Altenheim ... 134
8.4. Expertenbefragung in einem konfessionellen Altenheim ... 139
8.5. Expertenbefragung in einem Wohnheim für Menschen mit einer geistigen
Behinderung ... 146
8.6. Befragung eines Vormundschaftsrichters ... 154
8.7. Befragung eines Rechtspflegers... 157
8.8. Expertenbefragung in einem sozialtherapeutischen Wohnheim ... 161
8.9. Expertenbefragung in einem Wohnheim für Menschen mit einer geistigen
Behinderung ... 168
8.10. Expertenbefragung in einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie... 176

1. Einleitung und Aufgabenstellung der Arbeit
1
1. Einleitung und Aufgabenstellung der Arbeit
Vor nun mehr als zehn Jahren, am 01.01.1992, trat in Deutschland das
Betreuungsgesetz in Kraft und löste damit das seit Einführung des Bürgerlichen
Gesetzbuches geltende Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht ab. Das
Betreuungsgesetz regelt die rechtliche Vertretung und Betreuung Volljähriger, die
aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder
seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr
besorgen können
1
. Mit Leben gefüllt wird dieses Rechtsinstitut durch die
gesetzlichen Betreuer
2
, die in Ehrenamtlichkeit oder Hauptamtlichkeit die
Betroffenen in ihrem Alltag unterstützen und dabei nicht selten Entscheidungen
treffen müssen, die sich in starkem Maße auf das Leben der betreuten Personen
auswirken. Soll dabei, wie es der Gesetzgeber mit der Reform des oft
entmündigenden, alten Rechts intendierte, der Selbstbestimmung aber auch dem
Wohl des Betroffenen so weit wie möglich entsprochen werden, entstehen Konflikte,
die der Betreuer verantwortungsvoll lösen muß. Denn obwohl er für viele
Handlungen der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf, unter dessen
Kontrolle er steht, ist er für sein Handeln für den Betreuten letztverantwortlich
3
, denn
auch eine erfolgte Genehmigung des Gerichts ist für den Betreuer nicht
handlungsbindend. Er hat also i. d. R.
4
mit sich selbst auszutragen, wie er das Wohl
und die Wünsche des Betreuten in einem angemessenen Verhältnis
5
zur Geltung
kommen läßt.
Hier wird schon die Brisanz des Themas deutlich, das in der öffentlichen
Wahrnehmung der letzten Jahre vor allem negativ auffiel. So widmeten sich TV-
Beiträge
6
vorzugsweise den ,,Schwarzen Schafen", die den Betroffenen
entmündigen, betrügen oder gegen seinen Willen ins Heim ,,abschieben". Auch wenn
sicherlich nur über die medienwirksamen negativen Höhepunkte berichtet wurde,
1
Vgl. § 1896 I 1 BGB.
2
Der besseren Lesbarkeit wegen verzichte ich auf eine Differenzierung in die maskuline und die
feminine Schreibform. Wird die maskuline Form verwendet, ist auch immer die feminine Form
gemeint. Desweiteren wird die vor dem 01.12.1995 geltende, alte Rechtschreibregelung verwendet.
3
Vgl. Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein (1999), S. 53 Rz. 155.
4
Siehe Abkürzungsverzeichnis unter 7.
5
Vgl. § 1901 BGB.
6
Beispielhaft die Sendungen ,,Panorama" (ausgestrahlt am 11.01.2001 in der ARD), ,,Wehe, wenn Du
alt wirst" (ausgestrahlt am 21.04.2001, 21.45 Uhr, und am 09.06.2001, 22.00 Uhr, im WDR) oder
,,Altersschwach und ausgeliefert ­ betreut bis zur Entmündigung?" (ausgestrahlt am 18.06.2001,
22.00 Uhr, im WDR).

1. Einleitung und Aufgabenstellung der Arbeit
2
zeigen diese Sendungen doch, daß hier großer öffentlicher Diskussionsbedarf
besteht. Denn gerade in Betreuungskonstellationen, in denen der Betreute kaum noch
eigene Angelegenheiten regeln kann, oder zur wirksamen Einwilligung in
Heilbehandlungen nicht mehr fähig ist, hat der Betreuer eine immense Machtposition
inne, was die Frage aufwirft, wie man das Recht der Person auf freie
Selbstbestimmung
7
gerade auch in solchen Lebenssituationen realisieren bzw. die
Betreuten effektiv vor einem potentiellen Machtmißbrauch ihrer Betreuer schützen
kann.
Dabei ist zu bedenken, daß es bisher keine verbindlichen Anforderungen an
die Fähigkeiten und Kenntnisse des Betreuers gibt. Der Weg zur Ausübung dieses
Amtes ist grundsätzlich jedermann offen. Dies ist dann relativ unproblematisch,
wenn ehrenamtliche Betreuer im Blickpunkt des Interesses stehen, die oftmals nur
ein oder zwei (einfachere) Betreuungen in ihrem Leben führen. Zweifelhaft erscheint
es aber, wenn Betreuer auch ohne einschlägige Ausbildung im Bereich des Rechts,
der Behinderten- oder der Altenarbeit 30 bis 40 Betreuungen berufsmäßig führen und
dabei wichtige und oft weitreichende Entscheidungen für die Betroffenen treffen. So
meint auch Margot von Renesse von der Parlamentarischen Arbeitsgruppe
,,Betreuungsrecht" in der Sendung ,,Panorama"
8
:
,,Nichts ist leichter, als gegenwärtig den Beruf des Berufsbetreuers zu
ergreifen. Sie brauchen dazu weder eine fachliche Voraussetzung, eine
Vorbildung, noch brauchen Sie dazu eine Prüfung, die in Richtung auf
persönliche Eignung geht, sondern Sie brauchen nichts anderes als die
Bereitschaft des Vormundschaftsrichters, ihren Namen aus einer
Vorschlagsliste herauszufischen und Sie als Betreuer einzusetzen. Dieses ist
für die verantwortungsvolle Aufgabe, die ein Betreuer in jedem Fall hat, ein
bißchen wenig."
Vor diesem Hintergrund sollen, nachdem ich die historischen und gesetzlichen
Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung erläutert habe, Bestrebungen von
Berufsverbänden, Wissenschaft und anderen Akteuren um eine Professionalisierung
und Qualitätssicherung in der rechtlichen Betreuung beleuchtet und kritisch
hinterfragt werden. Das soll allerdings nicht ohne weitere thematische Einengung
erfolgen, da die Bearbeitung dieser Fragen aufgrund ihres Umfanges nicht in einer
Diplomarbeit zu leisten wäre. M. E. konvergieren Fragen nach Professionalität und
Qualität in der betreuungsrechtlichen Dienstleistung in der Frage nach der
7
Vgl. Art. 2 GG.
8
Siehe Fn. 6.

1. Einleitung und Aufgabenstellung der Arbeit
3
Aufgabenwahrnehmung des Betreuers zwischen dem Wohl und den Wünschen der
Betreuten, zwischen deren Anspruch auf Rehabilitation und Reintegration einerseits
und dem Recht auf autonome Lebensführung andererseits. Die Hilfebeziehung in der
rechtlichen Betreuung weist an dieser Stelle deutliche strukturelle Parallelen zur
Hilfebeziehung in der Sozialen Arbeit
9
auf, in der auch Forderungen nach (oft
bevormundender) Hilfe und Selbstbestimmung der Klienten in Einklang gebracht
werden müssen. Aufgrund dieses Befundes und der Tatsache, daß viele
Berufsbetreuer ein sozialpädagogisches bzw. sozialarbeiterisches Ausbildungsprofil
aufweisen
10
, und Personengruppen, die unter Betreuung stehen, typischerweise auch
Zielgruppen Sozialer Arbeit sind, scheint es mir für die Bearbeitung dieses Themas
von Vorteil zu sein, auch Aspekte der Professionalisierungs- und
Qualitätssicherungsdiskussion in der Sozialen Arbeit einfließen zu lassen.
Eine Frage, die in diesem Zusammenhang von allergrößter Bedeutung ist, ist
die Frage nach der Umsetzung solcher Ansprüche in die Praxis. Hier soll die Analyse
von Interviews Aufschluß geben, die ich während meiner Diplomarbeit mit
Angehörigen solcher Berufe geführt habe, die im Rahmen ihrer Berufstätigkeit mit
der Arbeit der gesetzlichen Betreuer in Berührung kommen
11
. Auf diese Weise
erschließt sich mir eine Außenperspektive auf die rechtliche Betreuung, die für
Fragen der Professionalisierung und Qualitätssicherung verläßlicher erscheint, als
eine direkte Befragung der Betreuer. Desweiteren ergibt sich aus einer solchen
Befragung ein Anknüpfungspunkt zu einer übergreifenderen Qualitätsdiskussion in
dem Sinne, daß die Qualität in der rechtlichen Betreuung nicht im System der
Betreuung allein beantwortet werden kann. Schließlich wirkt sie nicht im ,,luftleeren
Raum", sondern ist eingebettet in andere Hilfen und Dienste für behinderte, alte und
psychisch kranke Menschen. Oft ist der Betreuer ja auf die Kooperation und
Informationen von Mitarbeitern des Heimes angewiesen, in dem der Betreute wohnt,
um in dessen Sinne handeln zu können. Auf dieses Problem machten bereits Von
9
Wenn hier und im folgenden von ,,Sozialer Arbeit" die Rede ist, ist zusammenfassend die
Berufstätigkeit von Sozialpädagogen und Sozialarbeitern gemeint.
10
Im Rahmen einer empirischen Erhebung von Adler (1998) unter Berufsbetreuern gaben 45,3 % der
Befragten an, ein sozialpädagogisches Studium abgeschlossen zu haben. Vgl. Adler (1998), S. 220f.
Nach einer von Schaub (2001) vorgestellten Studie bevorzugen Betreuungsbehörden in Nordrhein-
Westfalen Sozialarbeiter und Sozialpädagogen bei der Betreuerauswahl. Vgl. Schaub (2001), S. 356.
11
Meine (nicht repräsentative) Befragung führte ich mit Mitarbeitern in Alten-, Behinderten- und
sozialpsychiatrischen Wohnheimen, in Krankenhäusern sowie mit einem Vormundschaftsrichter und
einem Rechtspfleger durch.

1. Einleitung und Aufgabenstellung der Arbeit
4
Eicken/Ernst/Zenz (1990) in ihrer Untersuchung zum fürsorglichen Zwang noch vor
dem Hintergrund des alten Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts aufmerksam
12
.
Die Leitfrage, die ich im Rahmen dieser Arbeit auf theoretischer und
empirischer Basis erörtern werde, könnte also zusammenfassend wie folgt formuliert
werden: Wie könnten sich Professionalisierungsprozesse und Vorschläge zur
Qualitätssicherung im Betreuungswesen qualitativ auf eine am Wohl und den
Wünschen der Betreuten orientierten Betreuungsarbeit auswirken, und in welcher
Richtung sollten künftige Entwicklungen erfolgen?
12
So sorgte gerade auch die Unwissenheit von Mitarbeitern in Einrichtungen über die Zuständigkeiten
der Vormünder und Pfleger, gerade was Einwilligungserfordernisse im Bezug auf
freiheitsbeschränkende Maßnahmen betrifft, für oft entwürdigende Zustände, die sich jeder
gerichtlichen Kontrolle entzogen. Vgl. Von Eicken/Ernst/Zenz (1990), S. 54, 56f., 79f. 82, 93.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
5
2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
Klar ist, daß ich im Rahmen meiner Arbeit keine umfassenden Erläuterungen über
sämtliche gesetzliche Regelungen des Betreuungsrechts vornehmen kann. Ich
verweise daher an dieser Stelle auf die zahlreichen Kommentare
13
. Klar ist aber auch,
daß ich in meiner Beschreibung der Professionalisierung und Qualitätssicherung
nicht umhin komme, auch auf das Betreuungsgesetz näher einzugehen. Im folgenden
soll deshalb in fünf Schritten versucht werden, die für die Themenstellung
wesentlichen Hintergründe, Rahmenbedingungen und Regelungen des
Betreuungsrechts zu skizzieren.
Zunächst werde ich einen Überblick über die historische Entwicklung dieses
Rechtsinstituts geben, der dazu dienen soll, die heutigen Regelungen und
insbesondere die Rolle und Funktion des Betreuers besser zu verstehen, sowie
Hintergründe der Berufsentwicklung kennenzulernen. Im zweiten und dritten Schritt
werde ich mich dann den Fragen widmen, wann überhaupt eine Betreuung
notwendig ist, und wer schließlich zum Betreuer bestellt wird, um anschließend ­ im
vierten und fünften Schritt ­ die Aufgaben des Betreuers sowie gesetzlich verankerte
Möglichkeiten der Qualitätssicherung zu klären.
2.1. Zur geschichtlichen Entwicklung
14
Obwohl das Betreuungsrecht in seiner heutigen Form erst seit 1992 existiert (sieht
man einmal von der Reform im Jahre 1999 ab), erkannte man das Problem der
Notwendigkeit einer gesetzlichen Stellvertretung Volljähriger schon im Altertum. So
kannte schon das römische Zwölftafelgesetz um 450 v. Chr. die Rechtsfigur des
(männlichen) Kurators, der Macht und Gewalt über einen freien Bürger zu dessen
Schutz ausübte. Man differenzierte dabei zwischen der ,,cura furiosi", der
Stellvertretung eines psychisch Kranken, ohne vorherigen formalen Akt ausgeübt
durch einen nahen Verwandten
15
, und der ,,cura prodigi", der Stellvertretung eines
,,Verschwenders" durch einen vom Magistrat bestellten Kurator. Während sich die
,,cura prodigi" auf den Schutz des Vermögens des für geschäftsunfähig erklärten
,,Verschwenders" erstreckte, war der Kurator der ,,cura furiosi" sowohl für die
13
Z.B. Bienwald (1999), Jürgens (2001), Damrau/Zimmermann (1995).
14
einen ausführlichen Überblick über die Entstehung und Differenzierung der Berufsbetreuung gibt
Adler (1998), S. 52ff.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
6
Vermögens- als auch für die Personensorge verantwortlich. Eine Erweiterung der
Bestellung auf ,,Stumme", ,,Taube" und körperlich Gebrechliche sowie eine
Beschränkung auf einzelne Aufgabenkreise erfolgte im zweiten Jahrhundert vor
Christus. Der Kurator hatte Pflichten (z.B. bestimmte Genehmigungserfordernisse)
und Ansprüche (z.B. auf Auslagenersatz) und nahm somit bereits eine öffentliche
Aufgabe im Rahmen staatlicher Fürsorge wahr, die sich, wie auch die rechtliche
Betreuung heute, in einem spezifischen Verhältnis zwischen Selbst- und
Fremdbestimmung
16
, Hilfe und Kontrolle bewegte.
Im germanischen Recht gab es die ,,munt" als universelles Schutzverhältnis
für den Einzelnen, der sich nicht verteidigen konnte, durch den Muntverband der
Sippe. Ausführendes Organ der ,,munt" war eine Einzelperson, meist der männliche
Vorfahr väterlicherseits, der bei seiner Aufgabenwahrnehmung, die den umfassenden
Schutz für die Person und das Vermögen sowie die Vertretung des Mündels
beinhaltete, durch die Sippe beaufsichtigt wurde. Wer keinem Muntverband
angehörte, hatte ein Anrecht auf den Schutz durch den König, mit dem dieser einen
freien Mann beauftragen konnte
17
. Aus der Königsmunt, die mit zunehmender
Auflösung der Sippenverbände mehr und mehr die Regel wurde, entwickelte sich im
13. Jahrhundert die Vormundschaft als hoheitliche Aufgabe der Landesherren, die
den Vormund als Inhaber eines staatlich verliehenen, öffentlichen Amtes bestimmten
und beaufsichtigten. Zu dieser Zeit entstanden in den Städten die ersten
Vormundschaftsbehörden.
Die im 16. Jahrhundert im Zuge einer Vereinheitlichung landesrechtlicher
Bestimmungen ergangenen ,,Reichspolizeyordnungen" betonten den
ordnungsrechtlichen Charakter der Vormundschaft. ,,Geisteskranke",
,,Verschwender", sowie geistig und körperlich Gebrechliche, Kranke und
,,Abwesende" als Zielgruppen der Vormundschaft wurden zuvor entmündigt, und die
Vermögenssorge rückte zunehmend ins Zentrum der Aufgaben des Vormundes.
Im preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 regelten mehr als tausend
Paragraphen die Vormundschaft für ,,Blödsinnige", ,,Rasende", ,,Wahnsinnige" und
,,Verschwender", die nun auch nicht mehr in ,,lichten" Phasen rechtsgeschäftlich
handeln konnten, da ihre Geschäftsunfähigkeit öffentlich bekannt gegeben wurde.
15
Nach Adler gab es aber im Falle nicht vorhandener Verwandter auch schon damals eine subsidiäre
Lösung des ,,amtlich" bestellten Kurators. Adler (1998), S. 53, Fn. 2.
16
Fremdbestimmung ergab sich natürlich insbesondere im Rahmen der ,,cura prodigi", deren zentrale
Funktion der Schutz der Nachkommen vor Verarmung war.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
7
Die Vormundschaft wurde unentgeltlich geführt
18
. Der Vormund war dabei stark
eingebunden in die staatliche Sozialpolitik, als dessen Instrument er hauptsächlich
Verwaltungsaufgaben wahrnahm. Der ,,Code Civil" von 1803 stärkte dagegen wieder
die Rolle der Familie, die einerseits den Vormund ernannte und entließ und ihn
andererseits in seiner Tätigkeit beaufsichtigte
19
.
Die preußische Vormundschaftsordnung von 1875, die auch erstmals
beruflich geführte Vormundschaften vorsah
20
, unterschied zwischen Vormundschaft,
die sich als umfassende Fürsorge und Vertretung auf alle Angelegenheiten erstreckte,
und Pflegschaft, die sich auf einen oder mehrere Aufgabenkreise bezog. Der
Vormundschaft ging seit Einführung der Zivilprozeßordnung von 1877 die eigentlich
als Verfahrensschutz für die Betroffenen gedachte Entmündigung voraus, die sich
aber schnell verselbständigte, so daß die grundsätzliche Entmündigung psychisch
Kranker künftig nicht mehr in Frage gestellt wurde
21
.
Im Bürgerlichen Gesetzbuch, das am 01.01.1900 in Kraft trat, blieben die in
der preußischen Vormundschaftsordnung formulierten Regelungen über die
Vormundschaft und Pflegschaft erhalten, und es wurden zusätzlich zu den
Entmündigungsgründen ,,Geisteskrankheit" und ,,Verschwendungssucht" noch
,,Geistesschwäche" und ,,Trunksucht" eingeführt
22
. Das Vormundschafts- und
Pflegschaftsrecht vom Beginn des 20. Jahrhunderts blieb in wesentlichen Punkten bis
zur Einführung des Betreuungsrechts bestehen
23
. Es dauerte also erstaunlich lange
bis die z. T. erheblichen Diskrepanzen zum Charakter des Grundgesetzes, v. a. was
Fragen der Menschenwürde und der Selbstbestimmung betraf, Eingang in ein
Gesetzgebungsverfahren zur Reform des Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts
fanden
24
.
17
Vgl. Hahnkamp (2002), S. 16.
18
Vgl. ebd., S. 17.
19
Vgl. May (2000a), S. 102 und Adler (1998), S. 57f.
20
Vgl. Adler (1998), S. 59.
21
Vgl. ebd., S. 58f.
22
Vgl. Hahnkamp (2002), S. 18.
23
Änderungen waren: Einführung einer Genehmigungspflicht bei freiheitsentziehender Unterbringung
(1961), Möglichkeit der Übernahme von Vormundschaften durch Jugendämter und freie Träger
(1970), Einführung der ,,Rauschgiftsucht" als weiterer Entmündigungsgrund (1974), Stärkung der
rechtlichen Grundlage für finanzielle Leistungen an Berufsvormünder und Berufspfleger. Vgl.
Hahnkamp (2002), S. 18.
24
Hier waren insbesondere die von der Enquete-Kommission zur Psychiatrie im Jahre 1975
formulierten Bedenken gegen die meist lebenslange Entmündigung (,,bürgerlicher Tod")
ausschlaggebend. May (2000a), S. 102f. Zentrale Kritikpunkte der Psychiatrie-Enquete führt Brill
(1990), S. 8f. auf.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
8
Die meist anonyme Verwaltung der Vormundschaften und Pflegschaften
25
,
ein Umstand, der sich aus der besonderen Betonung der Vermögenssorge (gegenüber
der Personensorge) und der fehlenden Pflicht zur Beachtung der Wünsche des
Betroffenen ergab, war ein zentrales Defizit des alten Vormundschafts- und
Pflegschaftsrechts. Auch die automatische Entmündigung, die auf Dauer (und oft
lebenslang) angelegt war, da der Vormund sich nicht um die Ausschöpfung von
Rehabilitationsmöglichkeiten kümmern mußte, wurde als unverhältnismäßig starker
Eingriff in die Rechte der Betroffenen kritisiert, der auch wegen seiner öffentlichen
Bekanntmachung ,,zu einer unnötigen Diskriminierung und Stigmatisierung der
Betroffenen"
26
führte. Ein weiterer Kritikpunkt bezog sich auf die fehlende
Einflußmöglichkeit des Mündels, was die Person des Vormundes betraf. Hier
ergaben sich oft stillschweigend hingenommene Interessenkonflikte, wenn etwa der
Leiter eines Heimes zum Vormund für einen Bewohner bestellt wurde. Es mangelte
weiterhin an fehlender Kontrolle der Vormundschaften durch die Mündel, da diese
nicht verfahrensfähig waren, und auch die unzureichende Anwendung von
Verfahrensgarantien war höchst bedenklich
27
. Bestimmte Anforderungen an die
Qualifikation der Vormünder und Pfleger gab es nicht. Wegen der für ehrenamtliche
Vormünder meist zu komplexen Regelungen zur Vermögenssorge wurden oft
Rechtsanwälte bestellt, die ihre Vormundschaften beruflich führten. Andererseits
führte das Regelungsdefizit in den Aufgabenkreisen der Personensorge und die
mangelnde Qualifikation der ehrenamtlichen Vormünder und Pfleger zu häufig
unsicheren oder rechtlich unzulässigen Handlungen, wenn ein Vormund etwa seinen
Mündel bis an dessen Lebensende in ein Heim brachte, ohne sich gründlich mit der
Angemessenheit und der Tragweite dieses Schrittes auseinanderzusetzen
28
.
Vor diesem Hintergrund erscheint das am 12. September 1990 verabschiedete
und am 01.01.1992 in Kraft getretene Betreuungsgesetz
29
als großer Fortschritt. Die
Entmündigung wurde abgeschafft, und Vormundschaft und Pflegschaft wurden im
Rechtsinstitut der Betreuung zusammengefaßt. Endlich werden nun (zumindest auf
25
Oft bis zu 300 geführte Vormundschaften und Pflegschaften gleichzeitig. Vgl. Adler (1998), S. 64f.
26
Hahnkamp (2002), S. 20.
27
So hatten Richter oft nicht einmal persönlichen Kontakt zum Betroffenen, bevor sie eine
Entmündigung aussprachen. Vgl. Hahnkamp (2002), S. 22.
28
Vgl. Adler (1998), S. 65.
29
Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft über Volljährige. Hierbei handelt
es sich allerdings nicht um ein einheitliches Gesetz, ,,sondern um Veränderungen des materiellen
Rechts im BGB, Neuregelungen des Verfahrensrechts im FGG, Neuschaffung des BtBG und
Veränderungen in parallelen Vorschriften". Hensler (2001), S. 46.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
9
dem Papier) die Betroffenen als Träger eigener Rechte aufgefaßt und in ihrer
Eigenschaft als kranke oder behinderte Mitbürger ernst genommen
30
. So wird eine
Betreuung nur noch für die Aufgabenkreise eingerichtet, für die sie erforderlich ist,
gegenüber anderen Hilfen ist die Betreuung subsidiär
31
. Auch wirkt sich die
Betreuung nicht mehr auf die Geschäftsfähigkeit
32
der Betreuten aus.
Obwohl weiterhin der Betreuer die letztendliche Entscheidungsgewalt inne
hat, hat sich dieser am Wohl des Betreuten zu orientieren, zu dem auch die
Möglichkeit gehört, ,,im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach eigenen
Wünschen und Vorstellungen zu gestalten"
33
. Um das zu leisten, reicht es nicht aus,
daß man seine Betreuungsfälle überwiegend vom Schreibtisch aus führt. Gestärkt
wurde daher auch das Moment der persönlichen Betreuung, das in § 1897 I BGB
sogar zum Eignungskriterium erhoben wurde. ,,Der Betreuer soll bei allen von ihm
zu besorgenden Angelegenheiten des Betreuten dessen Interessen wahrnehmen, er
soll seine Wünsche beachten und nach seinem Wohl handeln"
34
. Nur so ist es
möglich, daß der Betroffene nicht mehr wie im alten Recht zum bloßen Objekt der
Fürsorge degradiert wird. Ein wichtiges Instrument, um diesem Anspruch gerecht zu
werden, stellt dabei die in § 1901 III 3 BGB geregelte Besprechungspflicht dar,
wonach der Betreuer wichtige Angelegenheiten, die zur Erledigung anstehen, mit
dem Betreuten bespricht.
Ein weiteres wichtiges Element der Reform ist die stärkere Fokussierung auf
Angelegenheiten der Personensorge. So hat jeder Betreuer im Rahmen ,,seines
Aufgabenkreises dazu beizutragen, daß Möglichkeiten genutzt werden, die Krankheit
oder Behinderung des Betreuten, zu beseitigen, zu bessern, ihre Verschlimmerung zu
verhüten oder ihre Folgen zu mildern"
35
. Für besonders schwierige und bedeutende
30
So äußerte der Bundesjustizminister in der ersten Lesung des Gesetzesentwurfes im Bundestag:
,,Das geltende Recht will menschlichen Defiziten mit Rechtseinschränkungen begegnen. Ziel des
Entwurfes ist es dagegen, die nötige Hilfe unter weitgehender Wahrung der individuellen
Freiheitsräume zu gewähren und die Betroffenen damit in die Lage zu versetzen, ein Leben, wo
immer es möglich ist, nach eigenen Wünschen und Vorstellungen zu führen". Zit. nach Schädle
(1990), S. 40.
31
§ 1896 II BGB. Hier wären etwa Vorsorgevollmachten zu nennen.
32
Die Geschäftsfähigkeit wird in den §§ 104 ff. BGB geregelt.
33
§ 1901 II 2 BGB. So kann auch das Verbleiben in einer ,,vermüllten" Wohnung, soweit diese
,,Vermüllung" ein bestimmtes (gesundheitsgefährdendes) Maß nicht übersteigt, im Sinne des Wohls
des Betreuten sein.
34
Vgl. Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein (1999), S. 56 Rz. 159. Die persönlich Betreuung
bezieht sich dabei nicht nur auf Angelegenheiten der Personensorge. Auch Aufgaben der
Vermögenssorge können nur im Sinne des Betreuungsgesetzes erledigt werden, wenn hierbei das
Wohl und die Wünsche des Betreuten beachtet werden.
35
§ 1901 IV BGB.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
10
Entscheidungen im Rahmen der Personensorge hat der Betreuer die Genehmigung
des Vormundschaftsgerichts einzuholen. Insbesondere die Aufgabe, zur
Rehabilitation der Betreuten beizutragen, kann als ein wesentlicher Grund für die
vermehrte Bereitschaft von Sozialarbeitern und Sozialpädagogen betrachtet werden,
im Betreuungswesen tätig zu werden, liegen doch gerade im Bereich der Vernetzung
von sozialen Hilfen deren Stärken. Außerdem ist in diesem Zusammenhang nicht zu
verachten, daß durch Verbesserungen im Bereich des Aufwendungsersatzes und der
Vergütung eine Möglichkeit für Sozialarbeiter/Sozialpädagogen geschaffen wurde,
sich als Berufsbetreuer selbständig zu machen
36
, obwohl die Betreuung weiterhin in
erster Linie ehrenamtlich und unentgeltlich geführt werden soll.
Schließlich wurde die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen ungeachtet seiner
Geschäftsfähigkeit auf alle Verfahren, die die Betreuung betreffen, ausgedehnt
37
.
Diese und weitere Schutzvorschriften, wie etwa die Bestellung eines speziellen
Verfahrenspflegers
38
oder die Erforderlichkeit von Sachverständigengutachten in
Genehmigungsverfahren, sollen dafür sorgen, daß eine Entscheidung so wenig wie
möglich von der Willkür eines einzelnen Richters abhängt. Zuständig für alle
Betreuungssachen ist das Vormundschaftsgericht
39
, das in seiner Arbeit von der bei
den Kreisen und kreisangehörigen Städten angesiedelten Betreuungsbehörde
unterstützt wird.
War die Gesetzesreform von 1992 vor allem durch hehre Motive der
Verbesserung der Rechtsstellung psychisch Kranker und Behinderter geprägt, folgte
nur wenig später die ­ zumindest finanzielle ­ Ernüchterung. So stellte man schnell
fest, daß personalintensive Betreuungsarbeit nicht zum Nulltarif zu haben ist. Der
vom Gesetz bevorzugte ehrenamtliche Betreuer ließ sich nicht in dem Maße
rekrutieren, wie es für ein funktionierendes Betreuungswesen nötig gewesen wäre
und selbständig arbeitende Berufsbetreuer strapazierten die öffentlichen Kassen (v. a.
die der Justiz) so stark, daß schon am 25.06.1998 ein
36
Hier soll nicht verschwiegen werden, daß Sozialpädagogen und Sozialarbeiter auch im Rahmen des
alten Rechts schon in großer Zahl als Amts- und Vereinsvormünder tätig waren. Vgl. Ruth (1999), S.
161.
37
Vgl. § 66 FGG.
38
Vgl. § 67 FGG.
39
Wenn im folgenden von ,,Gericht" die Rede ist, ist das Vormundschaftsgericht gemeint, mit
,,Richter" der Vormundschaftsrichter, es sei denn, es wird besonders erwähnt. Im Bezirk des OLG
Stuttgart ist das Bezirksnotariat zuständig. Dies wird im folgenden, wenn vom ,,Gericht" die Rede ist,
auch immer mitgedacht.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
11
Betreuungsrechtsänderungsgesetz (BtÄndG) verabschiedet wurde
40
, das v. a. von
leeren Haushaltskassen diktiert wurde
41
und dementsprechend herbe Kritik von
Seiten der Berufsverbände der Betreuer aber auch von der Fachöffentlichkeit
42
einstecken mußte. Damit sich zukünftig mehr Ehrenamtliche für die
Betreuungsarbeit gewinnen lassen, wurde der jährliche pauschale
Aufwendungsersatz von 375 auf 600 DM (Seit 01.01.2002: 312 EUR) erhöht
43
.
Dagegen wurde für die Vergütung der Berufsbetreuer ein neues Gesetz
verabschiedet
44
, das eine Staffelung der Vergütung pro Stunde vergütungsfähiger
Betreuungstätigkeit je nach Qualifikation des Berufsbetreuers einführte
45
. Mit der
Einführung des § 1836b BGB ist es dem Vormundschaftsgericht nun außerdem
möglich, die Vergütung des Betreuers pauschaliert auszuzahlen und die für die
Führung der Betreuergeschäfte erforderliche Zeit zu begrenzen, soweit diese
vorhersehbar ist.
Weiterhin wurde eine Änderung des Titels im BGB vorgenommen: statt
,,Betreuung" heißt es nun ,,Rechtliche Betreuung", damit sollte aber kein
Paradigmenwechsel vorgenommen, sondern klargestellt werden, daß tatsächliche
Hilfeleistungen des Betreuers für den Betreuten (z.B. Waschen eines
pflegebedürftigen Betreuten) keine vergütungsfähige Tätigkeit darstellen.
Vergütungsfähig ist weiterhin nur die rechtliche Besorgung der Angelegenheiten des
Betreuten
46
. Neu eingeführt wurde auch der § 1908k BGB, nach dem der
Berufsbetreuer einmal jährlich die Anzahl der von ihm geführten Betreuungen, die
dafür in Rechnung gestellte Zeit und die von ihm beantragte und erhaltene
Vergütung der Betreuungsbehörde mitzuteilen hat. Verfahrensrechtliche
Änderungen
47
sorgen für eine Aufweichung des Verfahrensschutzes, wenn die
Bestellung des Verfahrenspflegers nicht mehr zwingend ist
48
,
40
In Kraft trat das BtÄndG am 01.01.1999.
41
Vgl. Hensler (2001), S. 47.
42
Beispielhaft: Konrad (1998), VormundschaftsGerichtsTag (o. J. a), Feldt-Glenz (1999a)
43
,,Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, daß die Erstattung von Aufwendungen in den wenigsten Fällen
das entscheidende Kriterium für ehrenamtliches Engagement ist". Hensler (2001), S. 47.
44
Gesetz über die Vergütung von Berufsvormündern (Berufsvormündervergütungsgesetz ­
BVormVG)
45
35 DM/Stunde (Seit 01.01.2002: 18 EUR/Stunde) bei keinen für die Betreuung nutzbaren
Fachkenntnissen, 45 DM/Stunde (23 EUR/Stunde) bei nutzbaren Fachkenntnissen, die durch eine
abgeschlossene Lehre erworben wurden, 60 DM/Stunde (31 EUR/Stunde) bei nutzbaren
Fachkenntnissen, die durch eine abgeschlossene Hochschulausbildung erworben wurden (vgl. § 1
BVormVG). Vergütung erhält auch der Verein für den Vereinsbetreuer (vgl. § 1908e I 1 BGB).
46
Vgl. § 1901 I BGB.
47
Kritisch hierzu: Konrad (1998).
48
§ 67 FGG.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
12
Anhörungserfordernisse entfallen
49
und Gutachter und ausführender Arzt bei der
Genehmigung einer Einwilligung in eine riskante Heilbehandlung ausnahmsweise
identisch sein dürfen
50
.
Inzwischen ist eine weitere Reform des Betreuungsrechts geplant, die
eigentlich schon in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden sollte. Das wird
zwar zeitlich nicht mehr möglich sein, dennoch wollen die Justizminister in der Zeit
vom 10. bis 12. Juli 2002 im Rahmen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe erste
Reformvorschläge zu einer weiteren Änderung des Betreuungsrechts in einem
Zwischenbericht vorlegen. Schwerpunkte der nächsten Reform sollen folgende
Aspekte sein: Die Stärkung der Betreuungsvermeidung durch Vorsorgevollmachten,
die Normierung einer gesetzlichen Vertretungsmacht für nahe Angehörige, die
Stärkung der Befugnisse und Aufgaben der Betreuungsbehörden sowie weitere
Veränderungen im Vergütungssystem, etwa in der Erarbeitung einer
Vergütungsordnung für Berufsbetreuer
51
.
2.2. Voraussetzungen der Betreuung
Voraussetzung dafür, daß für einen Volljährigen
52
eine Betreuung eingerichtet wird,
ist das Vorliegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen, körperlichen oder
seelischen Behinderung
53
. Hierzu ist jedoch nicht in erster Linie ein psychiatrischer
Befund ausschlaggebend, sondern es kommt darauf an, ob bei dem Betroffenen
durch die diagnostizierte Störung der Erkenntnis-, Willensbildungs- oder
Willensbetätigungsprozeß in erheblicher Weise beeinträchtigt ist
54
. Auch das ist
jedoch für die Einrichtung einer Betreuung noch nicht ausreichend. Entscheidend ist,
daß der Betroffene aufgrund der Beeinträchtigung seine Angelegenheiten nicht mehr
regeln kann, hier muß also ein kausaler Zusammenhang bestehen.
49
Z.B. § 69i I 2 FGG.
50
§ 69d II 2 FGG.
51
Vgl. Grusdt (2002).
52
Bedingt möglich ist auch die Einrichtung einer Betreuung für einen 17-jährigen. § 1908a BGB.
53
Vgl. §1896 I 1 BGB. Psychische Krankheiten sind z.B. exogene und endogene Psychosen, geistige
Behinderungen sind angeborene oder frühkindlich erworbene Intelligenzminderungen verschiedener
Schweregrade, eine seelische Behinderung ist der infolge einer psychischen Krankheit eingetretene
dauerhafte Verlust soziokultureller Fähigkeiten. Körperliche Behinderungen kommen als
Voraussetzung zur Einrichtung einer Betreuung dagegen nur bedingt in Frage, meist nur wenn durch
die körperliche Beeinträchtigung die Kommunikation weitestgehend unmöglich wird, und dann auch
nur auf Antrag des Betroffenen (§ 1896 I 3 BGB). Vgl. Fröschle (2002), S4f.
54
Vgl. Fröschle (2002), S. 5.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
13
Was die Angelegenheiten des Betroffenen sind, ist nicht abstrakt zu
bestimmen, sondern richtet sich nach dessen individueller Lebenssituation
55
, sie
können rechtlicher (z. B. Geschäftsunfähigkeit
56
) oder tatsächlicher (z. B.
Unfähigkeit, die eigene Pflege sicherzustellen) Art sein. Möglich ist auch die
Einrichtung einer Betreuung allein im Interesse Dritter, wenn etwa die aus einer
Altersdemenz resultierende Geschäftunfähigkeit die wirksame Annahme einer
Kündigung des Mietverhältnisses unmöglich macht. Eine Betreuung kann also auch
gegen den Willen des Betroffenen angeordnet werden
57
. Angelegenheiten, zu deren
Besorgung auch ein nicht beeinträchtigter Volljähriger einen kompetenten Berater,
wie z. B. einen Rechtsanwalt, einschalten würde, begründen dagegen keine
Betreuungsbedürftigkeit
58
.
Eine Betreuung kann auf Antrag des Betroffenen oder auch von Amts wegen
eingerichtet werden. Mitteilungen von Angehörigen, Nachbarn
59
, Ärzten oder
Mitarbeitern in Heimen sind Anregungen, die das Vormundschaftsgericht zwingen
von Amts wegen tätig zu werden.
Obwohl die Betreuung zunächst einmal eine Hilfe für die Betroffenen
darstellt, ist sie auch immer mit einem Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des
Betreuten verbunden
60
. Der in § 1896 II BGB festgeschriebene Grundsatz der
Erforderlichkeit soll sicherstellen, daß der durch die Betreuung vorgenommene
Eingriff in die Rechte des Betroffenen nicht umfangreicher und intensiver ist, als es
nötig wäre. Dabei bezieht er sich sowohl auf die Einrichtung der Betreuung und
deren Dauer überhaupt, als auch auf die Angelegenheiten, die der Betreuer für seinen
Betreuten zu besorgen hat. ,,Bereiche, die der Betroffene noch selbst erledigen kann,
dürfen dem Betreuer nicht übertragen werden"
61
; wenn der Betroffene bestimmte
Angelegenheiten wieder selbst besorgen kann, ist die Aufgabenwahrnehmung des
Betreuers entsprechend einzuschränken oder die Betreuung ganz aufzuheben
62
.
55
Vgl. ebd. ,,Wer kein nennenswertes Vermögen hat, kommt auch ohne die Fähigkeit aus, Vermögen
zu ordnen und zu verwalten." Ebd.
56
Der Betreute ist im Gegensatz zum alten Recht nicht mehr automatisch geschäftsunfähig, möglich
ist aber die Einrichtung eines Einwilligungsvorbehalts gem. § 1903 BGB. Danach benötigt der
Betreute zum Abschluß von bestimmten Rechtsgeschäften die Einwilligung des Betreuers.
57
Allerdings nicht bei Körperbehinderten. Siehe Fn. 53.
58
Vgl. Fröschle (2002), S.5.
59
Kritisch hierzu: Winzen (1993), S. 12, der implizit bemängelt, daß sich ,,ein übelwollender Nachbar
an das Gericht wenden und auf jemanden aufmerksam machen [kann], der sich ungewöhnlich
verhält".
60
Vgl. Hahnkamp (2002), S. 34.
61
Ebd.
62
§ 1908d I BGB.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
14
Die vom Betreuer zu besorgenden Angelegenheiten werden i. d. R. zu
Aufgabenkreisen zusammengefaßt. Hier zeigt sich in der Praxis eine sehr
unterschiedliche Handhabung der Gerichte. Während einige Richter in der
Bestellungsurkunde
63
einzelne zu besorgende Angelegenheiten nennen (z.B.
Geltendmachung von Sozialhilfeansprüchen des Betreuten), formulieren andere
pauschale Aufgabenkreise wie ,,Vermögenssorge". Dies ist sicherlich in Fällen mit
schnell fortschreitender Erkrankung oder Behinderung (und damit sich schnell
erweiternden Erfordernissen der Betreuung) sinnvoll, schließlich vermeidet es auch
eine Menge Arbeit für das Gericht, andererseits nimmt es den
Erforderlichkeitsgrundsatz nicht ganz ernst. Hier ist m. E. eine größere Sorgfalt und
Differenzierung nötig. Die immer wieder beklagte Überlastung der
Vormundschaftsgerichte, läßt ansonsten nur den Schluß zu, daß im Betreuungswesen
die Aufgaben anders zu verteilen sind
64
, denn immerhin handelt es sich hier um
einen Grundsatz mit Verfassungsrang
65
.
Eine umfangreiche Betreuung und ein dementsprechend besonders starker
Eingriff in die Rechte des Betreuten bedeutet die Anordnung derselben für ,,alle
Angelegenheiten". Hier stellt der Erforderlichkeitsgrundsatz hohe Hürden auf, denn
dieser Aufgabenkreis kommt ja nur in Betracht, wenn der Betreute keine seiner
Angelegenheiten mehr selbst besorgen kann
66
. Daß die Einrichtung dieses
Aufgabenkreises jedoch prinzipiell möglich ist, zeigt das Gesetz in verschiedenen
Vorschriften
67
. Hiermit sind jedoch regelmäßig nicht erfaßt: Entscheidungen über
den Fernmeldeverkehr des Betreuten, über die Entgegennahme, das Öffnen und das
Anhalten seiner Post
68
sowie die Einwilligung in die Sterilisation der Betreuten
69
.
Damit erhält der Betroffene bei diesen besonders einschneidenden Eingriffen einen
zusätzlichen Verfahrensschutz.
Eine Betreuung wird nicht eingerichtet, wenn die Angelegenheiten des
Betroffenen durch andere Hilfen ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt
63
Vgl. § 69b II FGG.
64
Dies ist ja auch ein zentraler Punkt der anstehenden weiteren Reform des Betreuungsrechts. Vgl.
Grusdt (2002).
65
Vgl. Hahnkamp (2002), S. 34.
66
Etwa jemand, der dauerhaft im Wachkoma liegt.
67
Z.B. § 67 I 2 Nr. 2 FGG. Insbesondere schließt die Einrichtung der Betreuung für ,,alle
Angelegenheiten" vom Wahlrecht aus (§ 13 Nr. 2 BWahlG).
68
§ 1896 IV BGB: diese Angelegenheiten sind explizit zu nennen.
69
§ 1899 II BGB: hier ist ein besonderer Betreuer mit dem einzigen Aufgabenkreis ,,Einwilligung in
die Sterilisation der Betreuten" zu bestellen. Von Sterilisationen sind i. d. R. geistig behinderte,
weibliche Betreute betroffen.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
15
werden können
70
, sie ist gegenüber diesen Hilfen subsidiär. ,,Andere Hilfen" sind die
den Betroffenen umgebenden formellen
71
und informellen
72
Hilfesysteme, die dazu
beitragen, seine Defizite auszugleichen. Allerdings kann der Betroffene gerade mit
der Koordination und Überwachung dieser Hilfen überfordert sein, was wiederum
genau für diese Angelegenheit eine Betreuung erforderlich macht
73
. Ausdrücklich im
Gesetz genannt wird die Möglichkeit der Bevollmächtigung
74
auch für
höchstpersönliche Angelegenheiten, für die bisher ein Betreuer bestellt werden
mußte. So erlaubt § 1904 II BGB auch die Einwilligung in eine gefährliche
Heilbehandlung durch einen hierfür Bevollmächtigten, und gemäß § 1906 V kann
auch der Bevollmächtigte über die geschlossene Unterbringung des Vollmachtgebers
entscheiden, soweit seine Vollmacht diese Angelegenheit umfaßt. Zwar bedarf die
Vollmacht keiner besonderen Form ­ insofern handeln nahe Angehörige des
Betroffenen oft wirksam aufgrund einer stillschweigend erteilten Vollmacht ­ meist
ist die Schriftlichkeit (und notarielle Beurkundung) einer Vollmacht dennoch
anzuraten, da sich die Vollmacht sonst kaum im Rechtsverkehr beweisen läßt.
Erteilen kann der Betroffene eine Vollmacht natürlich nur, wenn er geschäftsfähig
ist, was aber eben bei einem phasenhaften Krankheitsverlauf
75
auch in ,,lichten
Momenten" der Fall ist
76
.
2.3. Zur Person des Betreuers
Die Frage der Auswahl des Betreuers wird in den §§ 1897 bis 1900 BGB geregelt.
Hier stellt das Gesetz mehrere Rangfolgen auf: Zunächst sollen nur natürliche
Personen zum Betreuer bestellt werden
77
, juristische Personen wie ein
Betreuungsverein oder die Betreuungsbehörde (in dieser Rangfolge) kommen als
Betreuer nur in Betracht, wenn der Betroffene nicht durch eine oder mehrere
70
§ 1896 II 2 BGB.
71
Z.B. der allzuständige ,,Allgemeine Sozialdienst", der Sozialdienst einer Einrichtung, in der der
Betroffene lebt, Hilfen nach § 72 BSHG (für Obdachlose, Wohnungslose ect.) o. ä.
72
Z.B. Angehörige, Nachbarn, Freunde.
73
Vgl. Fröschle (2002), S. 6.
74
Die Position der sogenannten Vorsorgevollmacht, die im Gegensatz zur bedingungslos erteilten
Vollmacht ihre Wirksamkeit erst entfaltet, wenn eine bestimmte Bedingung, etwa die
Geschäftsunfähigkeit, eintritt, wurde im Rahmen des BtÄndG gestärkt. So müssen Betreuungsvereine
und die Betreuungsbehörde planmäßig über solche Möglichkeiten der Betreuungsvermeidung
informieren. Näheres zur Vorsorgevollmacht findet man bei May (2000a), S. 160ff.
75
Z.B. im Rahmen von sogenannten Zyklothymien.
76
Vgl. Fröschle (2002), S. 8.
77
Vgl. § 1897 I BGB.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
16
Personen
78
(im Falle der Betreuungsbehörde zusätzlich auch nicht durch einen
Verein) hinreichend betreut werden kann
79
. Weiterhin hat die ehrenamtlich geführte
Betreuung Vorrang vor der hauptamtlich geführten
80
durch (keine Rangfolge!)
hauptamtliche Mitarbeiter eines Vereines (,,Vereinsbetreuer") oder einer Behörde
(,,Behördenbetreuer") oder durch selbständige Berufsbetreuer
81
.
Kann eine natürliche Person gefunden werden, kommt es darauf an, ob sie zur
Übernahme der Betreuung bereit
82
und geeignet ist. Bei der Feststellung der Eignung
hat das Vormundschaftsgericht zwei Aspekte zu berücksichtigen: Die als Betreuer in
Frage kommende Person muß geeignet sein, 1. ,,in dem gerichtlich bestimmten
Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen" und ihn 2.
,,in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen"
83
. Der erste Aspekt
bezieht sich auf die fachliche Eignung des Kandidaten. Nach Fröschle (2002) ist ein
Betreuer fachlich geeignet, ,,wenn er die ihm zugewiesenen Aufgabenkreise
zweckentsprechend besorgen kann"
84
. Der zweite Aspekt der persönlichen Eignung
spiegelt das im Reformvorhaben zentrale Motiv wider, nur solche Personen als
Betreuer zu bestellen, die auch in der Lage sind, persönlichen Kontakt zu ihren
Betreuten herzustellen, um so z.B. der Besprechungspflicht
85
nachzukommen, die ja
Grundvoraussetzung für eine an Wohl und Wünschen orientierten Betreuungsarbeit
ist
86
. Eine Regelung, die auch diesen Aspekt betrifft, ist wohl in § 1897 IV BGB zu
sehen, nach der Vorschlägen des Betroffenen zur Person des Betreuers zu
78
Vgl. § 1899 BGB. Mehrere Personen führen eine Betreuung als Nebenbetreuer (mehrere
Aufgabenkreise, jeder Betreuer ist in seinem Aufgabenkreis allein zuständig), Mitbetreuer (alle
Betreuer haben denselben Aufgabenkreis und können nur gemeinsam tätig werden), Ersatzbetreuer
(handelt, wenn der eigentliche Betreuer verhindert ist, in dessen Aufgabenkreis) oder Gegenbetreuer
(betreut selbst nicht, sondern hat den Aufgabenkreis ,,Kontrolle des Betreuers"). Einzelheiten bei
Fröschle (2002), S. 14f.
79
Vgl. § 1900 I 1 und IV 1 BGB. Betreuungsvereine und -behörde übertragen die Wahrnehmung der
Betreuung allerdings auch natürlichen Personen, also den jeweiligen Mitarbeitern des Vereins oder
der Behörde (§ 1900 II 1 BGB).
80
Vgl. § 1897 VI 1 BGB.
81
Während die Vereins- und Behördenbetreuer von ihrer jeweiligen Anstellungskörperschaft bezahlt
werden, erhalten die selbständigen Berufsbetreuer eine Vergütung gem. § 1836a BGB i. V. m. § 1
BVormVG. Ist im weiteren von ,,Berufsbetreuer" die Rede, sind alle hauptamtlichen Betreuer
gemeint.
82
Vgl. § 1898 BGB. Beim Vereinsbetreuer und bei Behördenbetreuer ist auch die Einwilligung der
jeweiligen Anstellungskörperschaft erforderlich (vgl. § 1897 II BGB).
83
Vgl. § 1897 I BGB.
84
Fröschle (2002), S. 9.
85
Vgl. § 1901 III 3 BGB.
86
An dem Aspekt der persönlichen Eignung wird sich wohl insbesondere die Eignung der
Berufsbetreuer messen lassen müssen, die ja oft sehr viele Betreuungen gleichzeitig führen. Sinn
dieser Vorschrift ist also die im alten Recht oft zu beobachtende ,,anonyme Verwaltung" von
Vormundschaftsfällen zu verhindern.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
17
entsprechen ist, sofern es dessen Wohl nicht zuwiderläuft
87
. Ein solch positiver
Vorschlag kann zumindest ein Indiz dafür sein, daß eine Eignung zur persönlichen
Betreuung besteht. Auf negative Vorschläge des Betroffenen, eine bestimmte Person
nicht zum Betreuer zu bestellen, soll Rücksicht genommen werden
88
.
Im Gesetz finden sich keine differenzierter ausgearbeiteten Eignungskriterien,
allenfalls kann man davon ausgehen, daß ein Geschäftsunfähiger wegen der Aufgabe
der gesetzlichen Vertretung des Betreuten nicht zum Betreuer bestellt werden kann
89
.
Eine abstrakte Eignungsfeststellung des Betreuers sei nach herrschender Meinung
sowieso nicht möglich, da diese Frage nur im Zusammenhang mit den
Anforderungen der Aufgabenkreise und der individuellen Situation des Betroffenen
entschieden werden könne
90
. Dennoch wurden von verschiedenen Seiten
Kriterienkataloge und Anforderungsprofile entworfen, die die Auswahl des
Gerichts
91
vereinfachen, standardisieren, verbessern und transparenter machen
sollten.
Da Betreuungen vorrangig ehrenamtlich geführt werden, stellt sich die Frage,
wann es nötig wird, einen Berufsbetreuer zu bestellen
92
. In der Mehrzahl der Fälle
finden sich Angehörige des Betroffenen, die geeignet und bereit sind, die Betreuung
zu übernehmen
93
. Sind keine (geeigneten) Angehörigen vorhanden, besteht weiterhin
die Möglichkeit über die Betreuungsvereine, die die Pflicht zur Gewinnung,
87
Was eine relativ hohe Hürde ist.
88
Solche Bestimmungen können auch weit vor der Eröffnung eines Bestellungsverfahrens gemacht
werden. Hier bietet sich die sogenannte Betreuungsverfügung an, ein Schriftstück, in dem konkrete
Wünsche für den Fall einer Betreuungsbedürftigkeit geäußert werden, wobei es sich dabei nicht auf
einen Vorschlag zur Person des Betreuers beschränken muß, sondern auch individuelle Wünsche und
Werte im Bezug auf die Ausgestaltung der Betreuung geäußert werden können. Vgl. May (2000a), S.
157ff. Betreuungsvereine und Betreuungsbehörden sind zur Information über Betreuungsverfügungen
verpflichtet (vgl. § 1908f I Nr. 2a BGB, § 6 BtBG). Wer ein solches Schriftstück findet, muß es dem
Vormundschaftsgericht abliefern, sobald er von der Einleitung eines Bestellungsverfahrens erfahren
hat (vgl. § 1901a BGB).
89
Vgl. 1902 BGB. Explizit ausgeschlossen sind weiterhin gem. § 1897 III BGB Mitarbeiter eines
Heimes, in dem der Betroffene lebt, oder Personen, die in einem sonstigen engen Verhältnis zu dieser
Einrichtung stehen. Auf sonstige mögliche Interessenkollisionen soll das Gericht lediglich Rücksicht
nehmen (§ 1897 V BGB).
90
Zu diesem Ergebnis kommt Fesel bei einem Vergleich einschlägiger Lehrbücher und Kommentare
zum Betreuungsrecht. Vgl. Fesel (1996), S. 57.
91
Bei der Auswahl wird das Vormundschaftsgericht durch die Betreuungsbehörde unterstützt (vgl. §§
1897 VII BGB, 68a 1 FGG, 8 BtBG), die i. d. R. über das Angebot an Betreuern oder an der
Betreuung interessierten Personen in ihrem Zuständigkeitsbereich Bescheid weiß.
92
Ob jemand Berufsbetreuer ist, stellt das Vormundschaftsgericht gem. § 1908i I BGB i. V. m. § 1836
I BGB bei der Bestellung zum Betreuer fest. Das soll i. d. R. dann der Fall sein, wenn der Betreuer
mehr als zehn Betreuungen führt oder für die Führung seiner Betreuungen nicht weniger als zwanzig
Stunden in der Woche erforderlich sind. Dabei genügt es auch, wenn die Erfüllung dieser
Voraussetzungen demnächst zu erwarten ist.
93
Vgl. Klie (1993), S. 75.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
18
Beratung und Fortbildung ehrenamtlicher Betreuer haben
94
, eine geeignete Person
zur unentgeltlichen Führung der Betreuung zu finden.
Die Hoffnung, daß sich auf diese Weise teure Berufsbetreuungen vermeiden
lassen, hat sich jedoch als trügerisch erwiesen. Dafür spielen m. E. im wesentlichen
drei Aspekte eine Rolle: Erstens sinkt vor dem Hintergrund der Auflösung
traditioneller sozialer Milieus und Wertgemeinschaften die Bereitschaft zum
ehrenamtlichen Engagement insgesamt, wobei die Übernahme einer Betreuung dabei
noch am unattraktivsten zu sein scheint
95
. Zwar hat man versucht durch eine
Erhöhung der Aufwandspauschale und die ,,Herabsetzung der bürokratischen
Hürden"
96
die Attraktivität dieses Ehrenamtes zu steigern, dennoch scheint es in
Zukunft nicht möglich zu sein, eine ausreichende Anzahl ehrenamtlicher Betreuer zu
werben
97
. Insbes. weil ­ zweitens ­ die ,,Betreuung", Beratung und Anleitung
ehrenamtlicher Betreuer (die sog. ,,Querschnittsarbeit") nur unzureichend von
Betreuungsvereinen und -behörden wahrgenommen zu werden scheint
98
. Drittens
sorgt der im Rahmen gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse erfolgte
Wertewandel dafür, daß ,,auch innerhalb der Familien die moralische Pflicht
ab[nimmt], sich in dieser Form um Angehörige zu kümmern"
99
. Wichtig erscheint
94
Vgl. § 1908f I BGB. Gewinnung, Einführung, Beratung und Fortbildung sind die sog.
Querschnittsaufgaben der Betreuungsvereine. Pflicht zur Beratung und Unterstützung der Betreuer hat
übrigens auch die Betreuungsbehörde (vgl. § 4 BtBG).
95
Hage (1992) zitiert eine Untersuchung von Braun/Röhrig, wonach schon zu Zeiten des alten Rechts
die geringe gesellschaftspolitische Anerkennung dieses Ehrenamtes zu einer rapiden Abnahme von
übernahmebereiten Personen führte. Vgl. Hage (1992), S. 53. Nach Harrer u.a. (2000), S. 20, gebe es
einen Wandel in der Bereitschaft ein Ehrenamt zu übernehmen. Ehrenämter würden heute eher
unverbindlich, lustbetont und eigenproblemorientiert übernommen. Das läßt sich wohl nur schwer mit
der relativ anspruchsvollen ehrenamtlichen Betreuung vereinbaren.
96
So Hage (1992), S. 53. Brucker (1997) stellt dagegen eine ,,Überflutung mit neuen gesetzlichen
Bestimmungen" fest, die dazu führen, daß der ehrenamtliche Betreuer ,,heutzutage mehr falsch
machen [kann] denn je". Vgl. Brucker (1997), S. 140f.
97
Vgl. Hage (1992), S. 53.
98
Für Brucker (1997) bekommen ehrenamtliche Betreuer trotz des Anspruches und der Schwierigkeit
der Aufgabe, die mit anderen sozialen Ehrenämtern kaum zu vergleichen sei, nicht die Anerkennung
und Unterstützung (insbes. nicht von den Betreuungsbehörden), die sie brauchten. V. a. den
Betreuungsvereinen, nach Brucker (1997) vom Gesetzgeber als ,,Heimathafen der Ehrenamtler"
konzipiert, sei es kaum möglich, finanziell zu überleben, ohne selbst Betreuungen (durch
Vereinsbetreuer) zu führen und damit Vergütungen zu erhalten. Darunter leide natürlich die
Querschnittsarbeit, die ,,vielerorts in völlig unzureichender Weise" stattfinde. Brucker (1997) fordert
daher eine ,,öffentliche Aufwertung der ehrenamtlichen Betreuung" durch die Implementierung von
,,ehrenamtsförderlichen flankierenden Maßnahmen". Nach Meinung des
VormundschaftsGerichtsTages e. V. (o. J. a) seien fehlende Ansprache und Anleitung die
Hauptgründe für den Mangel an ehrenamtlichen Betreuern und nicht fehlende Bereitschaft zu
ehrenamtlichem Engagement.
99
Hage (1992), S. 53. Hier soll aber nicht verschwiegen werden, daß nach wie vor Familieangehörige
die Mehrzahl der Betreuer ausmachen. So sind im Landkreis Saarlouis im Jahre 2000 etwa 64 % der
Betreuer Familienangehörige. Im Jahre 1997 waren es allerdings noch knapp 70 %. Siehe hierzu
Heck/Berty (2001), S. 158. Auch nach einer Erhebung des Bundesministeriums für Justiz stellen

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
19
mir in diesem Zusammenhang allerdings auch, daß verwandtschaftliche
Zusammenhänge oft nur über räumlich große Entfernungen bestehen, und daher in
vielen Fällen schon eine persönliche Eignung aufgrund der Tatsache mangelnder
Kontakte fraglich erscheint.
Neben diesen Gesichtspunkten, die ausreichendes ehrenamtliches
Engagement eher zweifelhaft erscheinen lassen, sorgen demographische
Entwicklungen dafür, daß wir in Zukunft noch mehr betreuungsbedürftige Menschen
zu erwarten haben
100
. Schon heute ist die Mehrzahl der Betreuten dem Typus des
geronto-psychiatrisch Erkrankten zuzurechnen
101
. Im Zuge der Überalterung
102
der
Gesellschaft wird dieser Anteil weiter steigen. Weitere Gründe für den
explosionsartigen Anstieg der Betreuungszahlen seit 1992
103
benennen Heck/Berty
(2001)
104
mit der Neuregelung und Vereinfachung des Verfahrens sowie der
zunehmenden Verrechtlichung
105
der Gesellschaft. Denkbar ist auch, daß der
qualitative Fortschritt des Betreuungsrechts im Bezug auf das alte Recht in der
Öffentlichkeit auch als solcher erkannt und anerkannt wurde
106
. Aufgrund dieser
Einschätzungen ist Hage (1992) zuzustimmen, die schon damals ein großes Defizit
an ehrenamtlichen Betreuern prognostizierte, das zukünftig ,,nur durch den Einsatz
Familienangehörige den größten Anteil der Betreuer mit 62,3 %. Vgl. Bundesministerium der Justiz
(2002), S. 25.
100
Zwar ist im Eckpunktepapier der interfraktionellen Arbeitsgruppe ,,Strukturreform des
Betreuungsrechts" von der Implementierung einer der eigentlichen Betreuung vorgeschalteten
,,Betreuungshilfestruktur" die Rede, die so zur Betreuungsvermeidung beitragen soll. Die
Finanzierung dieser ,,Betreuungshilfestruktur" ist jedoch noch weitgehend unklar. Vgl.
Interfraktionelle Arbeitsgruppe ,,Strukturreform des Betreuungsrechts" (2000).
101
Laut des Forschungsprojektes "Modellmaßnahmen zur Förderung der ehrenamtlichen Tätigkeit im
Betreuungswesen", das durch das Bundesministerium für Familie und Senioren und das
Bundesministerium für Gesundheit gefördert wurde, waren in den Jahren 1992 bis 1995 49,2 % der
Betreuten 60 Jahre und älter. Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 13/7133 (1997).
102
Vgl. Geißler (1996), S. 344.
103
Vgl. Bundesministerium der Justiz (2002), S. 26. Danach haben sich die Betreuungszahlen von
1992 (418.956) bis 2000 (924.625) mehr als verdoppelt.
104
Vgl. Heck/Berty (2001), S. 157.
105
Hierzu siehe auch Rauschenbach (1999), 145f. Rauschenbach beschreibt hier Habermas' Theorie
des kommunikativen Handelns. Im Bereich der staatlichen Sozialpolitik entstehe die Gefahr einer
(systemischen) Kolonialisierung der Lebenswelt, indem das Recht als reines Steuerungsmedium
benutzt wird und nicht mehr als eine ergänzende institutionelle (normative) Verankerung (wie etwa im
Verfassungs- und Strafrecht). ,,So werden im Netz familialer Kommunikation liegende Probleme wie
etwa Schwangerschaftskonfliktberatung, Sorgerechtsregelung oder die Fürsorge- und Aufsichtspflicht
des Jugendamtes formalrechtlich durchsetzt bzw. in Fälle und Klienten-Beziehungen transformiert".
Rauschenbach (1999), S. 146.
106
Dem widerspricht allerdings mein persönlicher Eindruck, den ich in Gesprächen mit anderen
Menschen gewonnen habe, daß das Betreuungsrecht noch weitgehend unbekannt und das alte Recht
der Vormundschaft und Entmündigung noch nicht aus den Köpfen verschwunden ist.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
20
professioneller Betreuer gedeckt werden" könne
107
. So wurden im Jahre 2000 bereits
für 30,3 % der neuen Betreuungen Berufsbetreuer bestellt
108
.
Dabei sollten Berufsbetreuer insbes. bei schwierigen Fällen mit komplexen
Problemlagen zum Einsatz kommen, mit denen ehrenamtliche Betreuer ohne
fachgerechte Ausbildung überfordert wären
109
. Wann eine Betreuung als ,,besonders
schwierig" einzustufen ist, versucht Wöhler (1999b) zu klären. So seien Merkmale
für ,,schwierige" Betreuungen etwa, wenn bei Betreuten keine Krankheitseinsicht
vorliege oder die Betreuung vom Betroffenen abgelehnt werde und daraus
Kommunikationsprobleme zwischen Betreuer und Betreutem resultierten. Ein
weiteres Kriterium sei die Erforderlichkeit bestimmter Fachkenntnisse und
Kompetenzen (z.B. juristische, sozialpädagogische oder wirtschaftliche Kompetenz),
wenn es nicht ausreiche, diese durch Beratungen und Beauftragungen einzuholen.
Ein problematisches soziales Umfeld (z.B. Angehörige behindern die
Betreuertätigkeit, problematische Lebens- und Wohnformen), besonders großer
Umfang und Intensität der Tätigkeit und anspruchsvolle Ziele und Perspektiven der
Betreuung (z.B. reintegrative Maßnahmen bei ,,Drehtürpatienten") wiesen ebenfalls
auf eine besonders schwierige Betreuung hin, für die im Regelfall ein Berufsbetreuer
zu bestellen sei. Nach Heck/Berty (2001) nimmt der Anteil dieser komplexen
Problemfälle weiter zu
110
.
In dem von mir thematisierten Zusammenhang könnte man eine ,,schwierige"
Betreuung unter Zusammenfassung der von Wöhler (1999b) aufgeführten Merkmale
als eine Betreuung charakterisieren, in deren Ausgestaltung durch den Betreuer ein
angemessenes Verhältnis des Wohles und der Wünsche des Betreuten nur sehr
schwer herzustellen ist. Sei es, daß wegen gravierender Kommunikationsprobleme
Wünsche und subjektives Wohl kaum zu eruieren sind, oder daß der Betreuer
deviante Wünsche, die aber der autonomen Lebensführung des Betroffenen
entspringen, gegen ein stark ablehnendes soziales Umfeld durchsetzen muß. Auf die
Aufgabenwahrnehmung des Betreuers zwischen dem Wohl und den Wünschen des
Betreuten gehe ich im nächsten Abschnitt näher ein.
107
Hage (1992), S. 54. Siehe dazu auch rückblickend Bauer (1999), S. 24.
108
Und dies mit steigender Tendenz insbes. bei den selbständig tätigen Berufsbetreuern (1999: 20,1
%, 2000: 21,1 %) und mit sinkenden Zahlen bei den nicht-angehörigen, ehrenamtlichen Betreuern
(1999: 9 %, 2000: 7,5 %). Zu den Zahlen von 1999 vgl. Fröschle (2002), S. 14. Zu den Zahlen von
2000 vgl. Bundesministerium der Justiz (2002), S. 25. Weiterhin ist bei diesen Zahlen zu bedenken,
daß sich die finanzielle Situation der Berufsbetreuer durch das BtÄndG nicht gerade verbessert hat.
109
Vgl. Hage (1992), S. 54, Klie (1993), S. 77, Wöhler (1999a), S. 148.
110
Heck/Berty (2001), S. 158.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
21
Trotz dieser anspruchvollen Aufgabenstellung gibt es für Berufsbetreuer
keine gesetzlich festgelegten Anforderungskriterien oder zwingende formale
Qualifikationen. Letztere sind vielmehr nur für die im BVormVG geregelte gestufte
Vergütung von Bedeutung. Dennoch findet de facto eine Auswahl nach bestimmten
Kriterien und Qualifikationen statt. So hatten nach einer empirischen Erhebung von
Adler (1998) mehr als 65 % der befragten Berufsbetreuer ein Studium
abgeschlossen, davon 45,3 % in sozialpädagogischen Studiengängen, jeweils 10,5 %
in Pädagogik/Psychologie und Jura/Rechtspflege, 9,3 % in
BWL/Sozialwissenschaften sowie 24,4 % in sonstigen Studiengängen
111
. Ähnliche
Ergebnisse stellt Schaub (2001) vor: Danach werden Sozialarbeiter/Sozialpädagogen
und Juristen von den Betreuungsbehörden bei der Betreuerauswahl vor anderen
Berufsgruppen bevorzugt
112
.
2.4. Aufgabenwahrnehmung des Betreuers zwischen dem Wohl und
den Wünschen der Betreuten
Die ,,Bestellung des Betreuers [erfolgt] im Interesse des Betroffenen ebenso wie im
Interesse des Staates an einem funktionierenden Gemeinwesen"
113
. Wie schon weiter
oben erwähnt, greift die rechtliche Betreuung in z. T. erheblichem Maße in die
Persönlichkeits- und Freiheitsrechte der Betroffenen ein. Die Betreuung ist daher nur
zu rechtfertigen, wenn durch sie das Recht des Betreuten auf Selbstbestimmung, auf
freie Entfaltung der Persönlichkeit und damit auf ein menschenwürdiges Leben
gefördert wird
114
. Denn genau dieses Grundrecht ist ja bei einer
betreuungsbedürftigen Person gefährdet, wenn deren Fähigkeit zur Erkenntnis- und
Willensbildung sowie zur Willensbetätigung erheblich beeinträchtigt ist. ,,Die
unterstützende Tätigkeit des Betreuers darf die Selbstbestimmung des Betreuten
[daher] nicht verringern, sondern muß sie erweitern, der Betreute darf nicht Objekt
der Fürsorge, sondern muß soweit möglich Subjekt der eigenen Lebensgestaltung
bleiben"
115
. Daraus ergibt sich auch, daß eine Entscheidung im Rahmen der
111
Adler (1998), S. 220f.
112
Schaub (2001), S. 356.
113
Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein (1999), S. 52 Rz. 153. Hierbei sei aber nach Bienwald
(1996), S. 201, die Vorstellung eines ,,doppelten Mandats" fehl am Platz. Dem ist zuzustimmen,
schließlich ist der Betreuer nur seinem Betreuten gegenüber verpflichtet. Dennoch sollte sich der
Betreuer aber klar machen, daß er bei seiner Arbeit oft unterschiedlichsten Interessen im Umfeld des
Betreuten ausgesetzt ist und versucht wird, Einfluß auf seine Arbeit zu auszuüben.
114
Vgl. Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein (1999), S. 53 Rz. 154.
115
Ebd.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
22
Betreuung nicht über den Kopf des Betreuten hinweg getroffen und auch der Prozeß
der Entscheidungsfindung selbst im Sinne dieser Intention des Betreuungsrechts
gestaltet werden soll
116
.
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, hat der Betreuer die
Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht
117
. Bei
der Wahrnehmung seiner Aufgaben ist der Betreuer aber auch ausdrücklich an die
Wünsche des Betroffenen gebunden
118
.
Mit ,,Wünschen" sind in diesem Zusammenhang nicht nur der von Krankheit
und Behinderung unbeeinflußte, aktuelle ,,freie" Wille gemeint, dem als Ausdruck
autonomer Selbstbestimmung bei der Entscheidungsfindung durch den Betreuer
unbedingter Vorrang eingeräumt werden muß
119
. Auch der aktuelle ,,natürliche"
Wille, der die ,,Wünsche" im engeren Sinne beschreibt, ist zu beachten, soweit dies
dem Wohl des Betreuten (dazu weiter unten) nicht zuwiderläuft und dem Betreuer
zuzumuten ist
120
. Dabei ist die Frage der Geschäftsfähigkeit des Betreuten ohne
Bedeutung, auch muß der Betreuer den Wunsch nicht für ,,vernünftig" halten
121
.
Neben den aktuellen Wünschen hat der Betreuer auch früher geäußerte
Wünsche des Betreuten zu beachten, es sei denn, dieser will erkennbar nicht mehr
daran festhalten.
122
. Meist kommen hier diejenigen Willensäußerungen in Betracht,
die im Rahmen einer Betreuungsverfügung schriftlich vorliegen. In welcher Form
116
Ebd., S. 57 Rz. 162. ,,Entscheidungsfindung" meint dabei die Art und Weise, wie Entscheidungen
zustande kommen, also ob der Betreuer eigenes rechtsgeschäftliches Handeln des Betreuten lediglich
unterstützt, oder ob er selbst im Rahmen seiner Vertretungsmacht (§ 1902 BGB) anstelle des
Betreuten tätig wird. Wichtig ist in diesem Zusammenhang v. a. die in § 1901 III 3 BGB geregelte
Besprechungspflicht.
117
Vgl. § 1901 II 1 BGB.
118
Vgl. § 1901 III 1 BGB.
119
Vgl. Fröschle (2002), S. 27. ,,Besitzt der Betreute die natürliche Einsichtsfähigkeit in die
Notwendigkeit einer medizinischen Maßnahme und lehnt er diese ab, kann der Betreuer ihr nicht
wirksam zustimmen". Ebd. Diese Bindung des Betreuers an die Wünsche des Betreuten hat allerdings
nur Auswirkungen auf das Innenverhältnis der Betreuung. Ein vom Betreuer im Rahmen seines
Aufgabenkreises getätigtes Rechtsgeschäft ist daher auch dann wirksam, wenn es den beachtlichen
Wünschen des Betreuten widerspricht. Hieraus können sich jedoch Haftungsansprüche des Betreuten
gegen den Betreuer ergeben.
120
Die Grenze des Wohls ist dabei erst überschritten, wenn eindeutig feststeht, daß der Wunsch dem
Wohl des Betreuten entgegensteht, verhält er sich zum Wohl neutral, ist dem Wunsch der Vorrang zu
geben. Vgl. Fröschle (2002), S. 28. Was die Grenze der Zumutbarkeit betrifft, so ist die Erfüllung der
Aufgaben des Betreuers im Interesse des Betreuten und unter der Beachtung dessen Wohles, für den
Betreuer immer zumutbar. Nur soweit der Betreuer in seinen eigenen Rechten betroffen ist (z. B. der
Betreute verlangt vom Betreuer gesetzwidriges Verhalten), kann die Grenze der Zumutbarkeit des
Betreuers in diesem Sinne überschritten sein. Vgl. Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein (1999), S.
59f. Rz. 168.
121
Vgl. Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein (1999), S. 58 Rz. 165.
122
Vgl. § 1901 III 2 BGB. ,,Erkennbar nicht mehr an den Wünschen festhalten" bedeutet, daß eine
echte innere Einstellungsänderung vorliegt. Vgl. Fröschle (2002), S. 28.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
23
diese Wünsche geäußert wurden, ist aber im Grunde ohne Bedeutung. Oft sind hier
aber wohl nur allgemeine Weisungen von Bedeutung (z.B. der Wunsch nach der
Unterbringung in einem bestimmten Altenheim), da sich konkrete aktuelle
Lebenssituationen natürlich nur grob vorhersagen lassen
123
. Fröschle (2002)
differenziert bei diesen früher geäußerten Wünschen nicht nach ,,natürlichem" und
,,freiem" Willen, da der in der Vergangenheit geäußerte Wille schon deshalb nicht
mit dem aktuellen gleichgesetzt werden könne, weil äußere Umstände und innere
Einstellung dem Wandel unterworfen seien. Schließlich könnten niemandem die
Folgen einer einmal getätigten Willensäußerung aufgezwungen werden, nur weil er
nicht mehr in der Lage ist, seine Meinung zu ändern, selbst wenn diese dem freien
Willen entsprungen sein sollte. Daher könne sich der Betreuer unter den in § 1901 III
1 BGB genannten Voraussetzungen auch über solche Willensäußerungen
hinwegsetzen
124
.
Instrumente, um von den ,,Wünschen" des Betreuten Kenntnis zu erlangen,
sind zum einen die in § 1901a BGB geregelte Pflicht zur Ablieferung von
Schriftstücken, die den Willen des Betroffenen dokumentieren, und zum anderen die
Pflicht zur Besprechung wichtiger Angelegenheiten in § 1901 III 3 BGB.
,,Besprechen bedeutet ein Informieren über den Stand der Angelegenheiten, die
möglichen Maßnahmen und Absichten des Betreuers sowie ein Gespräch mit dem
Betreuten mit dem Ziel, seine Vorstellungen, Wünsche und Werte zu ermitteln"
125
.
Solange den Betreuer nicht konkrete Wünsche binden, hat er die
Angelegenheiten des Betroffenen so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht
126
.
Was das Wohl des Betreuten ist, ergibt sich aus zweierlei: Einerseits hat der Betreuer
innerhalb seines Aufgabenkreises Möglichkeiten zur Rehabilitation und
Reintegration des Betreuten zu realisieren
127
. Andererseits hat er dem ,,subjektiven
123
Vgl. Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein (1999), S. 60 Rz. 170.
124
Vgl. Fröschle (2002), S. 28. Diese Argumentation ist sicherlich nachvollziehbar, dennoch bin ich
der Meinung, daß gerade auch solche, dem freien Willen entsprungene Willensäußerungen, wie sie
sich z. B. in Patientenverfügungen finden, nicht dann wirkungslos verpuffen sollten, wenn der
Betroffene am meisten auf sie angewiesen ist, nämlich wenn er sich z. B. nicht mehr selbst äußern
kann. Eine Patientenverfügung, die z. B. für Wiederbelebungsversuche ein Behandlungsverbot
ausspricht, könnte ja auf diese Weise vom Betreuer übergangen werden.
125
May (2000b), S. 14.
126
Das Wohl ist also gerade nicht der ,,oberste Maßstab für das Handeln des Betreuers" wie es
Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein (1999), S. 56 Rz. 160, formulieren.
127
Vgl. § 1901 IV BGB. Hierbei geht es nicht nur um das ,,medizinische Wohl", wie Fröschle (2002),
S. 29, meint, sondern sicherlich auch um ein ,,soziales Wohl", im Sinne einer Reintegration in die
Gesellschaft, denn was anderes wäre wohl mit der Milderung der Folgen einer Behinderung gemeint?

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
24
Wohl
128
" des Betreuten entsprechend zu handeln, indem er es zuläßt, daß der
Betroffene trotz seiner Beeinträchtigungen im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben
nach eigenen Vorstellungen und Wünschen gestaltet
129
. Hiermit sind nicht konkrete
,,Wünsche" gemeint, sondern die Beachtung des sog. ,,autonomen Lebensplans"
130
des Betroffenen, der eine Zusammenschau von dessen Gewohnheiten und
Lebensentscheidungen, konkret etwa von dessen Vorstellungen zu Fragen der
Hygiene oder des Wohnens darstellt. Erst wenn diese ,,subjektiven" Vorstellungen
keine Antwort bereithalten oder ,,objektive Interessen" von elementarer Bedeutung
dem entgegenstehen
131
, kann sich der Betreuer über den autonomen Lebensplan
hinwegsetzen und insoweit auch Maßnahmen unter Zwang gegen den Betreuten
durchsetzen.
Zusammenfassend hat Fröschle (2000) zur Aufgabenwahrnehmung des
Betreuers zwischen dem Wohl und den Wünschen des Betreuten fünf Thesen
formuliert
132
:
,,1. Der Betreuer hat Entscheidungen in aller Regel auf der Grundlage der
subjektiven Sicht des Betreuten zu treffen. Diese Grundlage wird von den
aktuellen Wünschen des Betreuten und/oder von dessen autonomem
Lebensplan gebildet.
2. In der Regel ist auf dieser subjektiven Grundlage eine objektive Wertung
zu treffen, welches Handeln dem Wohl des Betreuten entspricht bzw. nicht
widerspricht.
3. Auf objektiver Grundlage hat der Betreuer gegen die Wünsche und
Vorstellungen des Betreuten zu entscheiden, wenn a) gesetzlich vorgegebene
Wertungen keine andere Entscheidung zulassen, b) die äußeren Umstände
den Handlungsrahmen einengen oder c) eindeutige objektive Interessen von
elementarer Bedeutung entgegenstehen.
4. Wenn jegliche Hinweise auf die subjektive Sicht des Betreuten fehlen, hat
der Betreuer allgemeine Wertvorstellungen schon zur Basis seiner
Entscheidung zu machen.
5. Bleiben unter Berücksichtigung dieser Grundsätze mehrere
Handlungsmöglichkeiten, eröffnet dies dem Betreuer einen
Gestaltungsspielraum."
128
Zu den Begriffen ,,subjektives" und ,,objektives" Wohl, siehe Fröschle (2000), S. 75.
129
Vgl. § 1901 II 2 BGB.
130
Fröschle (2000), S. 76 und Fröschle (2002), S. 29.
131
Z. B.: Ein Betreuter lebt in einer derart ,,vermüllten" Wohnung, daß er hierdurch erhebliche
gesundheitliche Beeinträchtigungen zu befürchten hat. Bei einer zu treffenden Entscheidung
diesbezüglich, hat der Betreuer dann in Orientierung an den autonomen Lebensplan des Betreuten
eine Möglichkeit zu finden, die das Problem zwar löst, das bisherige Leben des Betroffenen aber nicht
direkt auf den Kopf stellt (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). Siehe auch eine Fallschilderung zum
,,Vermüllungssyndrom" in Klie (1993), S. 38.
132
Fröschle (2000), S. 77.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
25
Kritische Situationen, in denen eine Entscheidung zwischen dem Wohl und
den Wünschen des Betreuten getroffen werden muß, können sich in vielfältigen
Situationen einer Betreuung ergeben. Man denke hier etwa an den psychisch kranken
Betreuten, der sich aufgrund früherer schlechter Erfahrungen mit der psychiatrischen
Behandlung (insbes. was Psychopharmaka und deren Nebenwirkungen betrifft) einer
neuerlichen Unterbringung verweigert. Man denke hier an die vielen verwirrten alten
Menschen in Alten- und Pflegeheimen, deren Bewegungsfreiheit eingeengt wird,
indem sie an der Eingangspforte freundlich, aber bestimmt wieder zurückgeschickt
werden. Es sind dies Situationen, in denen fürsorglicher Zwang ausgeübt wird, in
denen ohne die Einwilligung der Betroffenen deren Bewegungsfreiheit eingeschränkt
wird, Zwangsbehandlungen durchgeführt werden, eigenes Geld vorenthalten wird,
Einwilligungsvorbehalte angeordnet werden, über den Aufenthalt der Betreuten
bestimmt wird usw. Gerade in solchen Situationen wird sich die Qualität einer
Betreuung erweisen.
2.5. Gesetzliche Möglichkeiten der Kontrolle und Qualitätssicherung
Schon im Gesetz wurden verschiedene Regelungen verankert, die dem Betroffenen
einen Schutz vor strukturellen Zwängen der Betreuung insgesamt und einem
potentiellen Amtsmißbrauch des Betreuers im Besonderen bieten sollen.
Eine wichtige Qualitätssicherungsfunktion kann dabei schon die Auswahl des
Betreuers durch das Vormundschaftsgericht erfüllen, die sich nach der persönlichen
und fachlichen Eignung richten, sowie Interessenkonflikte berücksichtigen und
eventuelle Wünsche des Betroffenen zur Person des Betreuers beachten soll.
Einzelheiten hierzu habe ich schon weiter oben geschildert (siehe 2.3.). Die
Erörterung verschiedener Kriterienkataloge und Anforderungsprofile folgt an anderer
Stelle (siehe 3.2.2.).
Eng mit der Frage nach der (fachlichen) Eignung verknüpft ist auch der
Aspekt der Nachqualifizierung von Berufsbetreuern gem. § 2 BVormVG. Danach
können die Bundesländer Regelungen zur Umschulung und Fortbildung von solchen
Berufsbetreuern erlassen, die im Vorfeld ihrer Betreuertätigkeit keine solche
Ausbildung genossen haben, die besondere, für die Betreuung nutzbare Kenntnisse

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
26
vermittelt hat
133
. Zwar haben von dieser Möglichkeit bisher noch nicht alle Länder
Gebrauch gemacht, aber in den meisten Bundesländern werden zumindest auswärtige
Prüfungen anerkannt. Diese Nachqualifizierungen bedeuten für die selbständigen
Betreuer zum einen eine Steigerung ihres Vergütungssatzes
134
, zum anderen werden
sie damit auch für anspruchsvolle Betreuungen das Kriterium der fachlichen Eignung
erfüllen. Durch solche Prüfungsregelungen in Verbindung mit dem § 1 BVormVG
scheint mir eine breit angelegte Höherqualifizierung der selbständigen
Berufsbetreuer möglich, was sich auf eine Qualitätsentwicklung im Betreuungswesen
nur positiv auswirken kann, wenn auch nicht muß
135
.
Während Eignung und Qualifikation des Betreuers allenfalls Indizien für eine
qualitativ gut geführte Betreuung sein können, greifen andere Regelungen direkt in
die Führung der Betreuung ein und bieten so ein höheres Maß an Kontrolle und
Schutz zugunsten des Betreuten. Von zentraler Bedeutung sind in diesem
Zusammenhang die §§ 1904 bis 1907 BGB, die spezielle Genehmigungsvorschriften
über besonders wichtige Bereiche der Personensorge und solche Angelegenheiten der
Vermögenssorge enthalten, die einschneidende Veränderungen der persönlichen
Lebensverhältnisse der Betreuten bewirken können.
Gem. § 1904 I 1 BGB erfordert eine Einwilligung des Betreuers in eine
ärztliche Maßnahme
136
, bei der die erhebliche Gefahr besteht, daß der Betreute
aufgrund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden Schaden
137
erleidet, die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.
133
Ausbildungen zum Alten- oder Krankenpfleger, zum Steuerberater und Studiengänge wie
Sozialpädagogik/Sozialarbeit, Jura oder Psychologie erfüllen i. d. R. diese Bedingung. Vgl. May
(2000a), S. 295f.
134
Die durch die Justiz vorgenommene Vergütungsentscheidung selbst ist ein nach Meinung des VGT
e. V. ungeeignetes Mittel zur Steuerung der Qualität der Betreuungsleistungen. Vgl.
VormundschaftsGerichtsTag e. V. (o. J. a).
135
Bienwald (2000), S. 157f., kritisiert hier zu Recht, daß die Nachqualifizierungskataloge, sowohl
klar formulierte Lernziele, als auch eine begründete Systematik vermissen lassen, und
Zusammenhänge auseinanderreißen. Insbes. sieht Bienwald hier die Gefahr des Erlernens von
schematisierten Arbeitsweisen, die die Individualität der Person des Betreuten nicht angemessen
würdigen.
136
Die Einwilligung des Betreuers ist natürlich nur erforderlich, soweit der Betreute zur Einwilligung
in diese Maßnahme nicht fähig ist. Dabei ist nach Schweitzer (1996), S. 1319, nicht schon von
Einwilligungsunfähigkeit auszugehen, wenn der Betreute ,,vernünftige" Maßnahmen ablehnt. Diese
Einschätzung ist jedoch in der Praxis nicht selten der Fall. Zu beachten ist weiterhin, daß nahezu jede
ärztliche Maßnahme bei fehlender Einwilligung des einwilligungsfähigen Betreuten den Tatbestand
der Körperverletzung gem. § 223 StGB erfüllt. Zur Definition der Einwilligungsunfähigkeit: Siehe
Schweitzer (1996), S. 1319. Die Entscheidung, ob der Betreuer anstelle des Betreuten in eine ärztliche
Maßnahme einwilligen soll, hat er wiederum nach einer angemessenen Abwägung des Wohles und
der Wünsche zu treffen.
137
Als ,,schwerer und länger dauernder Schaden" werden auch sog. Spätdyskinesien angesehen,
unwillkürliche Gesichtszuckungen, die oft nach längerer Neuroleptikabehandlung auftreten, nach

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
27
Auch die Einwilligung des Betreuers in eine Sterilisation der Betreuten bedarf
der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§ 1905 II 1 BGB). § 1905 BGB stellt
aber so hohe materielle und formelle Hürden an die Einwilligung eines Betreuers in
die Sterilisation einer Betreuten, daß diese Maßnahme heutzutage glücklicherweise
nicht mehr in dem Ausmaß wie noch unter dem alten Recht Anwendung findet
138
.
Beispielsweise darf eine Sterilisation nicht gegen den natürlichen Willen der
Betreuten durchgeführt werden, was Zwangssterilisationen künftig verhindern soll
139
.
§ 1906 I BGB regelt die Voraussetzungen der zivilrechtlichen
freiheitsentziehenden Unterbringung
140
des Betreuten, § 1906 IV BGB die anderer
freiheitsentziehender Maßnahmen
141
und § 1906 II BGB stellt die Einwilligung des
Betreuers in diese Maßnahmen, die ausdrücklich an das Wohl des Betreuten
gebunden sind, unter die Genehmigungspflicht durch das Vormundschaftsgericht.
Die Unterbringung oder die unterbringungsähnliche Maßnahme muß dabei
erforderlich und geeignet sein, den Betreuten vor Selbstgefährdungen zu schützen
oder einen ärztliche Eingriff einzuleiten, der ohne diese Maßnahme nicht möglich
wäre. Der Betreuer muß Unterbringung und Maßnahmen nach § 1906 IV BGB
beenden, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen (§ 1906 III BGB). Unterbringungen
oder aufenthaltsbestimmende Maßnahmen des Betreuers ohne freiheitsentziehenden
Charakter bedürfen nicht der Genehmigung des Gerichts.
Durch § 1907 I, II BGB wird auch der Verlust oder die Aufgabe der
Wohnung des Betreuten unter die Kontrolle des Gerichts gestellt. Die eigene
Wohnung stellt meist den Lebensmittelpunkt des Betreuten dar, und ein Verlust
derselben kommt daher oft einer Entwurzelung gleich. Deshalb hat der Betreuer
Kündigungen und Aufhebungen des Mietverhältnisses genehmigen zu lassen (§
Absetzen des Medikamentes nicht abklingen und eine oft sozial-ausgrenzende Wirkung haben. Vgl.
Fröschle (2002), S. 48f.
138
Vgl. Deinert (1998), S. 936. Allerdings war im Jahre 1996 ein deutlicher Anstieg von Anträgen
und Genehmigungen zu verzeichnen.
139
Vgl. Fröschle (2002), S. 51. Daß Zwangssterilisationen trotzdem noch stattfinden, zeigt eine
umstrittene Entscheidung des OLG Hamm (abgedruckt in BtPrax 4/2000, S. 168ff.), wonach die
Ablehnung einer ärztlichen Untersuchung an sich unbeachtlich in diesem Verfahren ist. Kritisch dazu:
Hahnkamp (2002), S. 60f.
140
Das Vorliegen einer freiheitsentziehende Unterbringung erfordert den ,,Entzug der persönlichen
Bewegungsfreiheit des Betreuten durch Festhalten auf einem beschränkten Raum" und, daß ,,die
Freiheitsentziehung dort, wo der Betreute lebt, institutionalisiert ist". Fröschle (2002), S. 55.
Außerdem muß sie gegen oder ohne den Willen des Betroffenen angeordnet sein, sonst wäre die
Einwilligung des Betreuers nicht notwendig.
141
Diese werden oft auch ,,unterbringungsähnliche" Maßnahmen genannt. Verstanden werden
darunter Fixierungen und sedierende Medikamente, die den Betroffenen in seiner Bewegungsfreiheit
einschränken sollen. Unzureichende materielle und personelle Ausstattung in Einrichtungen
rechtfertigen keine freiheitsentziehenden Maßnahmen. Vgl. Hahnkamp (2002), S. 68.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
28
1907 I BGB) und andere Umstände, aufgrund derer eine Beendigung des
Mietverhältnisses in Betracht kommt, dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.
Genehmigungserfordernisse, die das Vermögen des Betreuten schützen
sollen, regelt § 1908i I 1 BGB i. V. m. den §§ 1806ff. BGB.
Damit die Persönlichkeitsrechte des Betreuten und damit insbes. sein Wille
und seine Wünsche während dieser Genehmigungsverfahren angemessen zur
Geltung kommen, sind in den §§ 66ff. FGG besondere Verfahrensgarantien geregelt.
Beispielsweise ist, soweit es zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen
erforderlich ist, ein Verfahrenspfleger (gem. § 67 FGG) zu bestellen, der in
verschiedenen Verfahren im Rahmen einer Betreuung die Interessen des Betreuten
zu vertreten hat, indem er Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen einlegt,
Anträge stellt usw. Andere verfahrentechnische Instrumente sind etwa persönliche
Anhörungen verschiedener Beteiligter, Sachverständigengutachten oder
Beschwerdemöglichkeiten. Eine vollständige Aufzählung und Diskussion ist in
diesem Rahmen leider nicht möglich.
Schon bevor sich der Betreuer dazu entschließt, eine (eventuell auch
genehmigungspflichtige) Handlung in Stellvertretung des Betroffenen
durchzuführen, ist er selbstverständlich an die oben (unter 2.4.) näher erläuterten
Pflichten des § 1901 BGB gebunden, der insofern zunächst einmal eine
selbstreflexive Kontrollinstanz bildet. Dieser Maximen hat sich der Betreuer im
Verlauf seiner Tätigkeit immer zu vergewissern.
Pflichten des Betreuers, die eine Transparenz der Betreuung nach außen
herstellen sollen, sind die in § 1802 I 1 BGB formulierte Pflicht zur Anfertigung
eines Verzeichnisses über das Vermögen des Betreuten, die Pflicht des Betreuers,
dem Gericht auf Verlangen jederzeit Auskunft über die Führung der Betreuung und
die persönlichen Verhältnisse des Betreuten zu erteilen (§ 1839 BGB), sowie die
Pflicht zur jährlichen Berichterstattung über die persönlichen und finanziellen
Verhältnisse des Betreuten gem. § 1840 BGB. Mit Inkrafttreten des BtÄndG hat der
Berufsbetreuer, wie an anderer Stelle bereits erwähnt (unter 2.1.), auch gegenüber
der Betreuungsbehörde bestimmte Mitteilungspflichten (§ 1908k BGB), die auch
dieser eine gewisse Steuerungsfunktion gegenüber dem lokalen Betreuungsmarkt
verleihen, insbes. was die Fallzahl pro Betreuer betrifft.
Das Vormundschaftsgericht hat gem. §§ 1908i, 1837 II 1 BGB über die
Tätigkeit des Betreuers Aufsicht zu führen und gegen Pflichtwidrigkeiten durch

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
29
geeignete Gebote und Verbote einzuschreiten. Dadurch ergibt sich dann auch eine
externe Kontrolle der Betreuertätigkeit. Zur Durchsetzung seiner Anordnungen
gegenüber dem Betreuer kann das Vormundschaftsgericht auch Zwangsgeld
festsetzen (§ 1837 III 1 BGB).
Schließlich ist auch der die gesamte Betreuung durchdringende
Erforderlichkeitsgrundsatz als wichtige gesetzlich verankerte Schutzregelung zu
nennen, an der sich jede Betreuung und jede darin getroffene Entscheidung des
Betreuers messen lassen muß.
2.6. Zusammenfassung und Wertung
Die gesetzliche Stellvertretung Volljähriger ist ein altes Rechtsinstitut, dessen
gesellschaftliche Bedeutung und Struktur der Leistungserbringung sich in nahezu
2500 Jahren etabliert hat
142
. Wenn auch die eigentliche Aufgabe, die im Rahmen der
Tätigkeit als Kurator, ,,vormunt", Vormund, Gebrechlichkeitspfleger oder Betreuer
ausgefüllt wurde bzw. wird, im Vergleich recht unterschiedlich ist (z.B. Schutz des
Vermögens für die Nachkommen, umfassender Schutz für die Person im
,,muntverband", (Wieder)Herstellung der öffentlichen Ordnung, Sicherung des
Rechts- und Geschäftsverkehrs, Herstellung von Autonomie, Gesundheit und
gesellschaftlicher Integration), so ist diesen Formen der Stellvertretung gemeinsam,
daß ihnen seit jeher ein spezifisches Spannungsverhältnis zwischen den beiden Polen
der Selbstbestimmung und Fremdbestimmung zu eigen ist. Auch die
gesellschaftliche Funktion läßt Kontinuität erkennen: Immer wurde versucht, mithilfe
dieses Instrumentes Normalität herzustellen, die aus unterschiedlichsten Gründen
gefährdet erschien. Der Person, der diese Funktion anvertraut wurde, wurden dazu
umfassende Machtbefugnisse zugestanden. Dabei enthält das Gesetz nur
unzureichend geregelte Eignungs- und Anforderungskriterien, die die Ausstattung
mit einer solchen Macht legitimieren könnten.
Mit diesem Legitimationsdefizit
143
haben insbes. die Berufsbetreuer zu
kämpfen, die ja trotz eines weitgehend unklaren Anforderungsprofils des Betreuers
auch noch eine Vergütung ­ entweder aus dem Betreutenvermögen oder aus den
Justizkassen der Länder ­ verlangen können. Nachdem spätestens seit der
142
Vgl. Adler (1998), S. 311.
143
Denn eine gesellschaftliche Legitimation ergab sich nicht, wie Adler (1998), S. 332, meint, einfach
aufgrund der historischen Etablierung der Tätigkeit. Das zeigen schon die vielfach kritischen Beiträge
in den Medien.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
30
preußischen Vormundschaftsordnung des Jahres 1875 die Ausübung dieses Amtes
auch als berufliche Tätigkeit möglich wurde, scheinen die Berufsbetreuer für ein
funktionierendes Betreuungswesen in der heutigen Zeit jedoch unentbehrlich
geworden zu sein. Verrechtlichung, Pluralisierung, Individualisierung
144
, zunehmend
,,schwierige" Betreuungsfälle sowie eine ungünstige demographische Entwicklung
sorgen für steigende Betreuungszahlen bei sinkendem ehrenamtlichen Engagement.
Dies führt zu gewaltigen Kosten in den Haushalten der Länder, die dieser
Entwicklung ablehnend gegenüberstehen.
Ein einheitliches Berufsbild hat sich aufgrund fehlender gesetzlicher
Regelungen zum Berufszugang und der daraus folgenden unterschiedlichen
Qualifikationen, die die Betreuer mit in den Beruf bringen, bisher nicht entwickelt.
So versuchen gerade auch viele im Kampf um Arbeitsplätze auf der Strecke
Gebliebene, sich im selbständigen Betreuerberuf eine neue Lebensperspektive zu
schaffen, und werden sogar teilweise von den Arbeitsämtern gezielt auf diese
Tätigkeit hin geschult
145
.
Nicht vergessen sollte man allerdings, daß das Betreuungsgesetz zunächst
einmal einen riesigen Fortschritt gegenüber den alten Regelungen darstellte. Die
stigmatisierende Entmündigung wurde abgeschafft, grundgesetzlich geschützte
Rechtsgüter werden endlich auch in diesem Bereich geachtet, die Autonomie der
Betroffenen und Möglichkeiten der Kontrolle (gerade auch in Angelegenheiten der
Personensorge) wurden massiv gestärkt, jeglicher Eingriff ist an den Grundsatz der
Erforderlichkeit geknüpft (auch wenn dieser ernster genommen werden müßte, v. a.
im Hinblick auf die Formulierung der Aufgabenkreise), und Zielstellungen der
Betreuung wie Rehabilitation und Reintegration sorgen dafür, daß die Betreuung
kein Dauerzustand sein muß.
Dennoch muß man sehen, daß auch bestimmte Genehmigungserfordernisse ­
die im übrigen nur eine formelle, nicht aber eine inhaltliche Kontrolle bieten ­ dem
diffus qualifizierten Betreuer weder eine Anleitung für das Handeln geben noch ihm
Entscheidungen abnehmen. Selbst gesetzlich verankerte Verfahrensgarantien
verkommen bei massenhafter Erledigung von Betreuungssachen und unkritischer
Übernahme von Sachverständigengutachten durch den Richter
146
zu formalen
144
Gemeint sind hier die negativen Folgen der Entwicklung, die Beck (1986) mit dem Schlagwort der
,,Risikogesellschaft" umschreibt. Siehe hierzu: Rauschenbach (1999), S. 231ff.
145
Vgl. Richter/König (1996) oder auch Dreier (1999), S. 144.
146
Vgl. Walther (2001), S. 101.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
31
Legitimationsverfahren, anstatt ihrer eigentlichen Aufgabe gerecht zu werden, die
individuellen Hintergründe und die spezifische Situation des Betroffenen zu
erkunden, um daraufhin eine Entscheidung über Genehmigung oder Nicht-
Genehmigung im Sinne des Wohles und der Wünsche des Betreuten zu treffen
147
.
Und begründen läßt sich immerhin fast alles, was die gesetzlichen
Genehmigungserfordernisse als einen eher zweifelhaften Schutz für die Betroffenen
erscheinen läßt
148
.
Eher unglücklich wirkt auch die Rolle der Verfahrenspfleger. Entweder
werden sie rechtswidrig selbst in Unterbringungsverfahren ­ und dann mit
floskelhaften Begründungen des Gerichts ­ überhaupt nicht bestellt, oder sie nicken
,,die am Fließband gefällten Unterbringungsentscheidungen" lediglich ab
149
. Oft
werden ,,sogar in Unterbringungsverfahren ausgerechnet solche Angehörige zu
Verfahrenspflegern bestellt, die ein erhebliches Eigeninteresse am Ergebnis des
Verfahrens haben"
150
.
Weiterhin scheint das Gericht nicht in der Lage zu sein, die Kontrolle und
Aufsicht über die Tätigkeiten der Betreuer in einer Art und Weise auszuüben, wie es
nötig wäre. Meist wird die Justiz doch erst auf Antrag des Betreuers tätig. Und wenn
das Gericht vor vollendete Tatsachen gestellt wird, wird zum Schutz des Betroffenen
in vielen Fällen nichts mehr zu machen sein
151
.
Als Verbesserung könnten immerhin auch die neuen Mitteilungspflichten des
§ 1908k BGB gewertet werden, mithilfe derer insbes. die nach
Qualitätssicherungsaspekten wichtige Verhinderung einer schleichenden
Konzentration übermäßig vieler Betreuungen auf wenige Berufsbetreuer
bewerkstelligt werden soll. Gerade dazu ist diese Regelung jedoch ungeeignet, da
eine Angabe über die insgesamt im Kalenderjahr geführten Betreuungen (gem. §
147
Vgl. Klie (1996), S. 40f.
148
Vgl. Stolz/Jacobi (1996), 59f. Die Autoren machen den Versuch zweier völlig konträrer, aber
schlüssiger Begründungen für den Fall eines Antrags auf Genehmigung einer freiheitsentziehenden
Unterbringung.
149
Vgl. Bauer (1999), S. 36. Er kritisiert hier insbes., daß das Betreuungsgesetz Regelungen über
Aufgaben, Pflichten und Qualifikationen der Verfahrenspfleger vermissen läßt.
150
Ebd., S. 37.
151
Coeppicus (1993) kommt zu dem Schluß, daß auch das Betreuungsrecht die Betroffenen nicht
angemessen schützt. Denn sämtliche Verfahrensvorschriften zum Schutz der Betroffenen hätten gegen
das tatsächliche Handeln der Betreuerin, des Sozialamtes und des Heimes in dem von ihm
geschilderten Fall nichts genutzt. Das neue Recht helfe den alten Menschen nicht, wenn die
Beteiligten gegen seine Bestimmungen handeln. Vgl. ebd., S. 1019.

2. Rahmenbedingungen der rechtlichen Betreuung
32
1908k I Nr. 1 BGB) keinen Aufschluss über die tatsächliche aktuelle Belastung des
Berufsbetreuers gibt
152
.
Vor diesem eher düster wirkenden Hintergrund sollen im folgenden
Bemühungen um eine Professionalisierung der Berufsbetreuer und Maßnahmen zur
Qualitätssicherung und -entwicklung erörtert werden, mithilfe derer eine an der
Autonomie und dem Wohl der Betroffenen orientierte Betreuungsarbeit zuverlässig
und regelmäßig erbracht werden könnte.
152
Vgl. Walther (2000), S. 8, der auch verfassungs- und datenschutzrechtliche Bedenken äußert.
Kritik an dieser Regelung kommt auch von Seiten des BdB e. V., nach dem durch den § 1908k BGB
auch die gewachsene Zusammenarbeit zwischen Behörden, Gerichten, Betreuern, Vereinen und
Betreuten potentiell zerstört wird. Vgl. Berufsverband der Berufsbetreuer/-innen e. V. (2001a).

3. Professionalisierung und Qualitätssicherung
33
3. Professionalisierung und Qualitätssicherung
Obwohl Professionalisierung und Qualitätssicherung in diesem Abschnitt getrennt
voneinander behandelt werden, ist diese Trennung immer eine nur künstliche. Es
handelt sich hierbei um verschränkte Prozesse, bei denen der eine den jeweils
anderen immer mitbedingt. So können Maßnahmen zur Qualitätssicherung in einem
bestimmten Beruf zur Professionalisierung desselben beitragen, wie auch umgekehrt
sich Professionalisierungsbemühungen i. d. R. positiv auf die Qualität einer
Dienstleistung auswirken. Meist wird allerdings die Professionalisierung als der
grundlegendere Prozeß angesehen, andererseits ist eine gelungene
Professionalisierung keine zwingende Voraussetzung zur Entwicklung von
Qualitätssicherungsinstrumenten (hier ist die Soziale Arbeit wohl das beste Beispiel).
Fragen nach Professionalität, professionellem Handeln, nach Qualität und
deren Sicherung werden aus höchst unterschiedlichen Motivationen heraus gestellt.
So hat der Nutzer einer Dienstleistung i. d. R. ein Interesse daran, daß die Arbeit, die
für ihn und ­ im Rahmen personenbezogener sozialer Dienstleistungen, zu denen
man auch die rechtliche Betreuung zählen kann ­ auch an ihm und mit ihm geleistet
wird, qualitativ ,,gut" ist, ihm also auch nützt. Die Kostenträger solcher Dienste sind
v. a. an Effizienz, also an einem möglichst optimalen Verhältnis zwischen
eingesetzten Ressourcen und dem zu erreichenden Ziel interessiert. In diesem
Zusammenhang sollen etwa die Leistungsvereinbarungen des § 93 II BSHG für eine
Kostendämpfung sorgen. Aus der Perspektive der Berufsrolleninhaber, etwa der
Berufsbetreuer, dienen Professionalisierungsbestrebungen und Überlegungen zur
Qualitätssicherung der Entwicklung eines beruflichen Selbstverständnisses und damit
der Erleichterung der Kommunikation über ihre Arbeit und das, was sie zu leisten
vermögen. Berufliches Handeln kann so verläßlicher und überprüfbarer ausgeübt
werden, woraus sich eine gewisse Entlastung durch bewährte Verhaltensweisen
ergibt. Für die Berufsbetreuung wird hier insbes. ein Rahmen für vergütungsfähige
Tätigkeiten angestrebt
153
. Auch ,,beschreibt Professionalisierung gleichzeitig Weg
und Ziel eines durch die Berufsinhaber kollektiv verfolgten Berufsaufstiegs"
154
.
Schließlich können solche Entwicklungen auch den Ausgangspunkt für eine
berufseigene, praxisorientierte Forschung darstellen.
153
Gregersen (1999) hat dazu einen Tätigkeitskatalog für Betreuer entwickelt.
154
Adler (1998), S. 29.

3. Professionalisierung und Qualitätssicherung
34
Im folgenden werden zunächst ­ auch im Hinblick auf eine
Begriffsbestimmung ­ Probleme der Professionalisierung und Qualitätssicherung in
der Sozialen Arbeit erörtert und in Beziehung zum Betreuungswesen gesetzt, bevor
im Anschluß daran Professionalisierungsbestrebungen und die
Qualitätssicherungsdebatte in der rechtlichen Betreuung kritisch beleuchtet werden.
3.1. Professionalisierungs- und Qualitätssicherungsprobleme in der
Sozialen Arbeit
Definitionen dessen, was unter Begriffen wie ,,Professionalisierung", ,,Qualität" und
,,Qualitätssicherung" verstanden werden soll, können nicht isoliert vorgenommen,
sondern müssen im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Entwicklungen und
Erfordernissen erörtert werden. Dabei möchte ich an verschiedenen Stellen auf
problematische Aspekte der Professionalisierung und Qualitätssicherung innerhalb
der Sozialen Arbeit hinweisen, die m. E. auch im Rahmen der Bestrebungen im
Betreuungswesen zu beachten sind.
3.1.1. Professionalisierung
Professionalisierung beschreibt zunächst einmal ,,den historischen Prozeß
155
, durch
den es bestimmten Berufsgruppen gelang, sich für die Ausübung ihrer Tätigkeit ein
(staatlich) lizenziertes Kompetenzmonopol und in der Folge eine Berufsdomäne zu
sichern"
156
, indem sie die Gesellschaft von ihrer Nützlichkeit zu überzeugen wußten.
In der Ausübung ihrer Berufstätigkeit bedienen sich die Berufsrolleninhaber eines
meist in langen Ausbildungsgängen erworbenen wissenschaftlichen Wissens sowie
einer spezifischen Methodik, wodurch sich die typische und öffentlich anerkannte
Diskrepanz zwischen Experten und Laien ergibt. Gegenstand der Tätigkeit der
Professionellen, die unter großer beruflicher Autonomie und oft auch selbständig
ausgeübt wird, ist meist ein zentraler gesellschaftlicher Wert, den es zu erhalten oder
herzustellen gilt, wie z. B. Gesundheit, Gerechtigkeit, Normalität oder Bildung.
Diese Dienstleistung wird von den Profis i. d. R. in face-to-face-Situationen mit dem
Nutzer und nicht auf Vorrat erbracht. Schließlich verfügen Professionen über
155
Als Vorstufe der Professionalisierung wird meist die sog. ,,Verberuflichung" angesehen, im
Rahmen derer sich eine laienhaft-lebensweltlich erbrachte Tätigkeit durch zunehmende Qualifizierung
und Spezialisierung zum Beruf wandelt. Vgl. Depner/Trube (2001), S. 230. Nach Adler (1998), S. 32,
unterscheiden sich ,,Verberuflichung" und ,,Professionalisierung" v. a. dadurch, daß der Prozeß der
Professionalisierung durch die Berufsrolleninhaber selbst gesteuert werde, während die
Verberuflichung eine weitgehend fremdgesteuerte Entwicklung sei.

3. Professionalisierung und Qualitätssicherung
35
berufsständische Organisationen, die neben der Vertretung der sozioökonomischen
Interessen ihrer Mitglieder die Aufgabe haben, einheitliche Standards zur
Ausbildung, zum Berufszugang und hinsichtlich der allgemeinen beruflichen
Tätigkeiten zu entwickeln und zu kontrollieren sowie die Wahrung einer
berufsständischen Ethik zu sichern
157
(z. B. mithilfe einer berufsständischen Schieds-
und Ehrengerichtsbarkeit). Letzteres ist v. a. deshalb von Bedeutung, weil die
fehlende Möglichkeit einer unmittelbaren sozialen Kontrolle und das große
Machtgefälle zwischen dem professionellen Experten und dem Laien einen
besonderen Bedarf an Legitimation impliziert
158
. Als Beispiele für die Entwicklung
im Rahmen eines solchen Professionsverständnisses gelten die sog. ,,klassischen
Professionen", zu denen z. B. die (niedergelassenen) Ärzte
159
und Anwälte gezählt
werden.
Legt man den Grad der Professionalisierung in der Sozialen Arbeit an jene
Maßstäbe an, kann man sie sicherlich als mißlungen bezeichnen
160
. So wurde Soziale
Arbeit im Vergleich mit dem Entwicklungsmodell der ,,klassischen Professionen"
häufig als ,,Semiprofession" mit unscharfem Aufgabenbereich, heterogenen
Berufsfeldern, geringer beruflicher Identität sowie unzureichend abgesicherten
Beschäftigungsverhältnissen charakterisiert
161
. Dringender Handlungsbedarf besteht
hier nach Depner/Trube (2001)
162
v. a. in einer theoretischen Fundierung des
Wissensbestandes und der berufsspezifischen Methoden Sozialer Arbeit und damit
einer Förderung der Binnenlegitimation einerseits, sowie in einer Herstellung von
Leistungsbeweisen gegenüber der Gesellschaft und damit einer Stärkung der
Außenlegitimation andererseits. Letzteres könnte dabei ­ abgesehen von Maßnahmen
der Qualitätssicherung, die weiter unten erläutert werden ­ in der Herausbildung und
Formulierung einer eigenen beruflichen Ethik vonstatten gehen, die es etwa ,,Sozialer
Arbeit und Sozialen Diensten untersagen würde[n], an sozialer Selektion und
156
Dewe/Otto (1987), S. 789.
157
Vgl. Depner/Trube (2001), S. 231.
158
Vgl. Dewe/Otto (1987), S. 789.
159
Von den Erfolgen, die die Ärzteschaft im 19. Jahrhundert im Kampf gegen die
Infektionskrankheiten verbuchen konnte, zehrt dieser Berufsstand bis heute.
160
Vgl. Müller (1993), S. 15. Depner/Trube (2001) bezweifeln allerdings, daß es sinnvoll wäre, wenn
die Soziale Arbeit ungeprüft den Professionalisierungsprozessen der Ärzte und Anwälte folgte. Vgl.
ebd., S. 231f.
161
Vgl. Dewe/Ferchhoff/Scherr/Stüwe (2001), S. 50f.
162
Vgl. Depner/Trube (2001), S. 232ff.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832465131
ISBN (Paperback)
9783838665139
DOI
10.3239/9783832465131
Dateigröße
983 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Siegen – unbekannt
Erscheinungsdatum
2003 (März)
Note
1,0
Schlagworte
betreuungsrecht berufsbetreuer sozialarbeit ethik vormundschaft
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