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Die Auswirkungen der "Kokainindustrie" auf die Volkswirtschaften der Andenregion

©2002 Diplomarbeit 76 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die illegale Kokainindustrie ist ein internationaler Wirtschaftszweig mit Umsätzen in
Milliardenhöhe. Sie umfasst den Anbau der Kokapflanze, den Export des Kokains durch kriminelle Organisationen („Drogenkartelle“) und den Verkauf an den Endverbraucher. Diese Schattenwirtschaft entzieht sich der staatlichen Kontrolle, reagiert aber auf bekannte ökonomische Signale. Die betroffenen Länder sind die Andenstaaten Bolivien, Peru und Kolumbien, die für 99 % des weltweiten Kokainangebots verantwortlich sind, und auf der Nachfrageseite die westlichen Industriestaaten, von denen die USA den größten Anteil am Konsum haben. Das soziale Problem der Kokainabhängigkeit veranlasst die Regierungen der Konsumländer nicht nur den Handel, sondern auch den Kokaanbau als Quelle der Droge zu bekämpfen. Als globale Erscheinung wirkt sich die Kokainindustrie auf die Außenpolitik der betroffenen Länder aus und beschäftigt auch internationale Organisationen wie die UN. In dieser Arbeit soll untersucht werden, welche Auswirkungen eine Schattenwirtschaft von solcher Größe auf die relativ kleinen Volkswirtschaften der Andenländer hat. Dazu werden zunächst das Ausmaß und der Aufbau der Kokainindustrie erläutert, soweit es deren illegaler Charakter zulässt. Dann werden Entstehung und Entwicklung der Kokainindustrie und deren Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Politik in einer Einzelbetrachtung der drei Produktionsländer untersucht. Schließlich sollen Lösungsansätze für das Kokainproblem dargestellt und deren ökonomische Logik geprüft werden.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
INHALTSVERZEICHNISI
ABKÜRZUNGSVERZEICHNISIII
1.EINLEITUNG1
2.AUFBAU UND AUSMAß DER KOKAININDUSTRIE1
2.1Einleitung1
2.2Ausmaß der Kokainindustrie2
2.3Kokainproduktion3
2.4Export und Distribution des Kokains4
2.5Kokainkonsum6
2.6Kokainpreis8
3.DIE KOKAININDUSTRIE IN DEN ANDENLÄNDERN10
3.1Bolivien10
3.1.1Entstehung und Entwicklung der Kokainindustrie10
3.1.2Auswirkungen der Kokainindustrie auf Wirtschaft und Politik13
3.2Peru16
3.2.1Entstehung und Entwicklung der Kokainindustrie16
3.2.2Auswirkungen der Kokainindustrie auf Wirtschaft und Politik20
3.3Kolumbien23
3.3.1Entstehung und Entwicklung der Kokainindustrie23
3.3.2Auswirkungen der Kokainindustrie auf Wirtschaft und Politik27
3.3.2.1Einnahmen27
3.3.2.2Beschäftigte28
3.3.2.3Wirtschaftliche Auswirkungen29
3.3.2.4Das Verhältnis zu Guerilla und Paramilitärs34
3.3.2.5Konflikte mit dem […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6486
Lohse, Jan: Die Auswirkungen der "Kokainindustrie" auf die Volkswirtschaften der
Andenregion
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Passau, Universität, Diplomarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

I
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS I
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS III
1 EINLEITUNG
1
2 AUFBAU UND AUSMAß DER KOKAININDUSTRIE
1
2.1 Einleitung
1
2.2 Ausmaß der Kokainindustrie
2
2.3 Kokainproduktion
3
2.4 Export und Distribution des Kokains
4
2.5 Kokainkonsum
6
2.5 Kokainpreis
8
3 DIE KOKAININDUSTRIE IN DEN ANDENLÄNDERN
10
3.1 Bolivien
10
3.1.1 Entstehung und Entwicklung der Kokainindustrie 10
3.1.2 Auswirkungen der Kokainindustrie auf Wirtschaft und Politik 13
3.2 Peru
16
3.2.1 Entstehung und Entwicklung der Kokainindustrie 16
3.2.2 Auswirkungen der Kokainindustrie auf Wirtschaft und Politik 20
3.3 Kolumbien
23
3.3.1 Entstehung und Entwicklung der Kokainindustrie 23
3.3.2 Auswirkungen der Kokainindustrie auf Wirtschaft und Politik 27
3.3.2.1 Einnahmen 27
3.3.2.2 Beschäftigte 28
3.3.2.3 Wirtschaftliche Auswirkungen 29
3.3.2.4 Das Verhältnis zu Guerilla und Paramilitärs 34
3.3.2.5 Konflikte mit dem Staat 37
3.4 Zusammenfassung und Ergebnis
39
4 DROGENKONTROLLMAßNAHMEN
41
4.1 Einleitung
41
4.2 Die Rolle der USA
41
4.2 Prohibition
44
4.3 Bekämpfung des Kokainangebots
45
4.3.1 Ökonomische Theorie 45
4.3.2 Anbauvernichtung 47
4.3.3 Substitution 50

II
4.3.3.1 Ziele und Hindernisse 50
4.3.3.2 Substitution im ,,Simple Economic Model of Cocaine Production" 52
4.3.3.3 Schlussfolgerung 53
4.3.4 Alternative Entwicklung 54
4.3.5 Bekämpfung von Kokainproduktion und -handel 57
4.3.5.1 Ziele und Hindernisse 57
4.3.5.2 Bekämpfung von Kokainproduktion und -handel im ,,Simple Economic Model of
Cocaine Production" 57
4.3.5.3 Erfahrungen und Schlussfolgerung 58
4.3.6 Schlussfolgerung 59
4.4 Legalisierung
59
4.4.1 Einleitung 59
4.4.2 Ideologische und rechtliche Grundlage 60
4.4.3 Die Kosten der Prohibition 61
4.4.4 Die Folgen einer Legalisierung 62
4.4.5 Schlussfolgerung 65
5 ERGEBNIS
65
LITERATURVERZEICHNIS IV

III
Abkürzungsverzeichnis
APRA
Alianza Popular Revolucionaria Americana
AUC
Autodefensas Unidas de Colombia
Aufl.
Auflage
BMZ
Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit
BIP
Bruttoinlandsprodukt
BSP
Bruttosozialprodukt
BT-Drs.
Bundestag-Drucksache
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
DEA
Drug Enforcement Administration
d. h.
das heißt
ELN
Ejercito de Liberacion Nacional
EU
Europäische Union
evtl.
eventuell
FARC
Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia
GDP
Gross Domestic Product
ha
Hektar
HCL
Hydrochlorid
hrsg.
herausgegeben
INCSR
International Narcotics Control Strategy Report
IWF
Internationaler Währungsfond
Mio.
Millionen
Mrd.
Milliarden
Nr.
Nummer
ONDCP
Office of National Drug Control Policy
PIP
Policía Investigativa de Perú
RAND
Research and Development
S.
Seite
SL
Sendero Luminoso
t
Tonne
u. ä.
und ähnliches
UN
United Nations
UN ODCCP
United Nations Office for Drug Control and Crime Prevention
US
United Sates
USA
United States of America
USAID
United States Agency for International Development
vgl.
vergleiche
z. B.
zum Beispiel
zit.
zitiert

1
1 Einleitung
Die illegale Kokainindustrie ist ein internationaler Wirtschaftszweig mit
Umsätzen in Milliardenhöhe. Diese Schattenwirtschaft entzieht sich der
staatlichen Kontrolle, reagiert aber auf bekannte ökonomische Signale. Die
betroffenen Länder sind die Andenstaaten Bolivien, Peru und Kolumbien, die für
99 % des weltweiten Kokainangebots verantwortlich sind,
1
und auf der
Nachfrageseite die westlichen Industriestaaten, von denen die USA den größten
Anteil am Konsum haben.
2
In dieser Arbeit soll untersucht werden, welche Auswirkungen eine
Schattenwirtschaft von solcher Größe auf die relativ kleinen Volkswirtschaften
der Andenländer hat. Dazu werden in Abschnitt 2 zunächst das Ausmaß und der
Aufbau der Kokainindustrie erläutert, soweit es deren illegaler Charakter zulässt.
In Abschnitt 3 werden Entstehung und Entwicklung der Kokainindustrie und
deren Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Politik in einer
Einzelbetrachtung der drei Produktionsländer untersucht. In Abschnitt 4 sollen
schließlich Lösungsansätze für das Kokainproblem dargestellt und deren
ökonomische Logik geprüft werden.
2 Aufbau und Ausmaß der Kokainindustrie
2.1 Einleitung
Die Kokainindustrie wäre eigentlich ein bewundernswerter Wirtschaftszweig,
wenn sie nur legal wäre.
3
Zuerst einmal ist sie hochprofitabel. Ihre Güter werden
für einen Bruchteil des Preises produziert, den ihre Kunden zu zahlen bereit sind.
Sie hat geschickt die Globalisierung zu ihrem Vorteil genutzt und gewand auf
wechselnde Märkte und Transportwege reagiert. Sie ist global, aber verstreut, in
großem Ausmaß auf Vertrauen aufgebaut und vermarktet ihre Waren an die
Jugend ohne Ausgaben für konventionelle Werbung zu haben. Sie belohnt einige
der ärmeren Länder der Welt und beschäftigt viele Minderheiten und Ungelernte
1
Vgl. Clawson/Lee (1996), S. VIII
2
Vgl. BMZ (1999), S. 3
3
Im folgenden vgl. Cairncross (2001), S. 3-4 (dort bezogen auf Drogen allgemein). Eine
tatsächlich legale Kokainindustrie hätte natürlich andere Merkmale und wäre daher
wahrscheinlich weniger bewundernswert.

2
in der reichen Welt. Es mag geschmacklos erscheinen von Drogen als
Wirtschaftszweig zu sprechen, der auf normale ökonomische Signale reagiert.
Dabei soll aber nicht verneint werden, dass der Kokainhandel einige der bösesten
Menschen der Welt und einige der unangenehmsten Länder begünstigt. Auch sind
die gesundheitlichen Schäden, die Kokainmissbrauch Individuen zufügen kann,
nicht zu unterschätzen.
2.2 Ausmaß der Kokainindustrie
Alle Daten im Zusammenhang mit der Kokainindustrie sind sehr vage. Jede Zahl
über Produktion, Konsum und Preis von Drogen beinhaltet Vermutungen.
4
Zahlen
für einen identischen Zusammenhang variieren in verschiedenen Quellen teilweise
stark. Daher handelt es sich bei allen die illegale Kokainindustrie betreffenden
Zahlen in dieser Arbeit um grobe Schätzwerte, die sich aus den
vertrauenswürdigsten Quellen ergeben.
Der Gesamtwert des internationalen Drogenhandels wird vom United Nations
Office for Drug Control and Crime Prevention (UNODCCP) mit $ 400 Mrd. nach
Meinung vieler Autoren krass überschätzt. Cairncross hält den Wert $ 150 Mrd.
für realistischer, was der Hälfte des Umsatzes der legalen pharmazeutischen
Industrie entspräche und sich in derselben Liga wie die Verbraucherausgaben für
Tabak ($ 204 Mrd.) und Alkohol ($ 252 Mrd.) befände.
5
Hierbei handelt es sich
stets um den Drogenumsatz zu Einzelhandelspreisen. Zu Importpreisen ist der
Wert deutlich geringer (zwischen $ 20 und 25 Mrd.)
6
, weil der größte Teil der
Drogen-Endpreise am Ende der Distributionskette aufgeschlagen wird. Diese
Zahlen sollen nur einen groben Eindruck des Umfangs der Industrie unterstützen:
,,Though frail they [die Zahlen] should be good enough to help policy-makers and
others understand the broad significance of drug markets internationally,
domestically, and perhaps locally. ... A warning label `use with considerable
care' should be attached whenever they are published."
7
Von allen Drogen erbringt Kokain die höchsten Einnahmen. Auch wenn Heroin
von weitaus mehr Menschen konsumiert wird, so hat Kokain jedoch die meisten
Nutzer in den reichen Ländern.
8
4
Cairncross (2001), S. 3
5
Cairncross (2001), S. 3
6
Vgl. Greenfield/Reuter (2001), S. 162-163
7
Greenfield/Reuter (2001), S. 172
8
Vgl. Greenfield/Reuter (2001), S. 171, Fußnote

3
Laut International Narcotics Control Strategy Report (INCSR) 2001 des US-State-
Departments betrug die potenzielle Kokainproduktion im Jahr 2001 in der
Andenregion 780 t, davon in Bolivien 60 t, in Peru 140 t und in Kolumbien 580 t.
9
Der Bericht des UN ODCCP schätzt diesen Wert auf 827 t (Bolivien 60 t, Peru
150 t, Kolumbien 617 t).
10
Bildet man einen groben Mittelwert von 800 t und
multipliziert diesen mit dem geschätzten durchschnittlichen Einzelhandelspreis in
den USA von $ 100 pro Gramm
11
(der höhere europäische Preis soll hier zur
Vereinfachung ignoriert werden), dann ergibt sich ein Jahresgesamtumsatz von $
80 Mrd. Dieser erstaunlich hohe Wert beruht jedoch auf der Annahme, dass 100
% der geernteten Kokablätter zu Kokain verarbeitet werden.
12
Der reale
Produktionswert ist also deutlich geringer:
,,Of course, in the real world there are inefficiencies, bad weather, disease, and
deterrent effects of law enforcement."
13
Nach Miteinbeziehung von Verlusten durch diese Faktoren gelangen Clawson/Lee
zu einer vorsichtig geschätzten Spanne für die Größe des globalen Kokainmarktes
im Jahre 1993 von $ 47 Mrd. bis $ 74 Mrd.
14
Die wohl aktuellste Studie von
Greenfield/Reuter gibt eine sehr große Spanne an: von $ 35 Mrd. bis $ 115 Mrd.,
dem mehr als dreifachen.
15
Am besten solle man von ,,vielen zehn Milliarden"
(,,Many tens of billions"
16
) sprechen, um der erwähnten Unsicherheit gerecht zu
werden.
Die Kokainindustrie beschäftigt in der Andenregion Hunderttausende von
Menschen, wovon die meisten einfache Kokabauern sind.
17
Auf Anzahl und
Struktur der Arbeitsplätze soll in Abschnitt 3 genauer eingegangen werden.
2.3 Kokainproduktion
Die Kokainproduktion beginnt mit dem Anbau von Kokapflanzen in den Tälern
und höheren Dschungelregionen in Peru, Bolivien und Kolumbien, wo die
9
Vgl. U.S. Department of State (2002), Statistics
10
Vgl. UN ODCCP (2002A), S. 55
11
Vgl. ONDCP (2002), Drug Facts, Cocaine
12
Vgl. Ambos (1993), S.108
13
Clawson/Lee (1996), S. 5
14
Vgl. Clawson/Lee (1996), S. 7
15
Vgl. Greenfield/Reuter (2001), S. 171
16
Greenfield/Reuter (2001), S. 171
17
Vgl. Clawson/Lee (1996), S. 131

4
Bedingungen beinahe perfekt sind.
18
Tatsache ist, dass für den Anbau der relativ
anspruchslosen Pflanze Millionen von Hektar in den Anden geeignet sind.
19
Ein geringer Teil des in Peru und Bolivien angebauten Kokas ist legal und wird
für die jahrhundertealte Tradition des Kokablattkauens verwendet und dient
außerdem als Zutat von Produkten wie Augen- und Nasentropfen, Kokatee,
Kokawein und sogar Kokazahnpasta.
20
Auch im weltweit bekanntesten
Erfrischungsgetränk Coca-Cola ist Koka als Aromastoff enthalten, wobei jedoch
das Kokain und andere Alkaloide vorher entfernt werden.
21
Die Kokainkonzentration in Kokablättern beträgt zwischen 0,5 und 1,1 %.
22
Um
reines Kokain zu gewinnen, müssen die Blätter zuerst zu Kokapaste
weiterverarbeitet werden. Bei dieser Stufe der Kokainproduktion werden die
Alkaloide mithilfe von Chemikalien extrahiert.
23
Der nächste Schritt ist die
Entfernung von weiteren Unreinheiten, wodurch die Kokainalkaloide in
chemischen Prozessen stärker konzentriert werden.
24
Das Ergebnis heißt
Kokabase und ist zu 90 % reines Kokain.
25
Schließlich wird in einem weiteren
Schritt aus der Base Kokain-Hydrochlorid (HCL) gewonnen, das pulverförmige
Endprodukt.
26
Die zur Kokainproduktion benötigten Chemikalien sind recht
einfach zu beschaffen und werden auch von großen US-Konzernen wie Shell Oil
und Exxon in die Andenregion exportiert.
27
2.4 Export und Distribution des Kokains
Mit der Herstellung von Kokapaste beginnt der klar illegale Teil der
Kokainproduktion. Dies erfordert Vorsichtsmaßnahmen und Kosten für Sicherheit
und Unauffälligkeit.
28
Je weiter der Produktionsprozess fortschreitet, desto mehr
wird er von professionellen Organisationen kontrolliert, die als ,,Drogenmafia"
oder ,,Drogenkartelle" bekannt sind und hauptsächlich aus Kolumbien kommen.
Es handelt sich nicht um Kartelle im eigentlichen Sinn, also einen
18
Vgl. Kennedy/Reuter/Riley (1994), S. 42
19
Vgl. Clawson/Lee (1996), S. 216
20
Vgl. Kennedy/Reuter/Riley (1994), S. 42; auch Clawson/Lee (1996), S. 136-137
21
Vgl. Clawson/Lee (1996), S. 136
22
Vgl. Ambos (1993), S. 9; auch Kennedy/Reuter/Riley (1994), S. 42
23
Vgl. Kennedy/Reuter/Riley (1994), S. 43
24
Vgl. Kennedy/Reuter/Riley (1994), S. 43
25
Vgl. Clawson/Lee (1996), Appendix
26
Vgl. Clawson/Lee (1996), Appendix
27
z. B. Ethyläther, Aceton, Potassiumpermanganat; vgl. Muniz (1996); vgl. auch Hoffmann
(1991), S. 156-157

5
Zusammenschluss von unabhängigen Unternehmen der gleichen Wirtschaftsstufe
zur Beeinflussung des Wettbewerbs, sondern eher um Organisationen, die auf
freundschaftlichen oder familiären Bindungen beruhen und den Transport des
Kokains rationalisieren sollen, indem sie Exportmengen maximieren und das
Risiko für jeden Anbieter reduzieren.
29
Diese kolumbianischen
Drogenhandelsorganisationen produzieren den größten Teil des verfügbaren
Kokains. Sie importieren Hunderte von Tonnen Kokabase aus Peru und Bolivien,
verarbeiten diese in abgelegenen Drogenlabors in Kolumbien zu Kokain HCL und
exportieren das illegale Produkt in die USA und nach Europa.
30
Neuerdings wird
sowohl mehr Koka in Kolumbien selbst angebaut
31
als auch mehr Kokain direkt in
Peru und Bolivien produziert.
32
Die Vormachtstellung des Medellín-Kartells
33
,
das unter der Führung Pablo Escobars durch Terrorismus und Eingriffe in die
Politik und Gesellschaft Kolumbiens bekannt geworden war, wurde Anfang der
90er Jahre durch das weniger gewaltbereite Cali-Kartell gebrochen.
34
Der Export von Kokain erfordert internationale Kontakte und erfahrene
Schmuggler. Außerdem ist ein großer technischer Aufwand hinsichtlich des
Transports und der Sicherheit nötig. Die Kokainkartelle unterhalten
Langstreckenflugzeuge, Landebahnen, Zwischenlandepunkte, Boote und
Radare.
35
Als Zwischenlandepunkte für das US-Kokain dienen Verstecke in
Mittelamerika, Mexiko und auf karibischen Inseln, während nach Europa der
Seeweg mit verschiedenen Anlegepunkten genutzt wird.
36
Allerdings ändern sich
Methoden und Routen regelmäßig. Generell muss festgestellt werden, dass sich
die Kokainschmuggler durch höchste Flexibilität auszeichnen. Wie eingangs
erwähnt nutzen sie die Globalisierung zu ihrem Vorteil und bilden strategische
Allianzen:
,,A particularly alarming tendency in the global narcotics market is the
development of strategic cooperation among criminal empires that deal in illicit
drugs."
37
28
Vgl. Kennedy/Reuter/Riley (1994), S. 43
29
Vgl. Ambos (1993), S. 38-39; auch Clawson/Lee (1996), S. 38
30
Vgl. US DEA (1996), Introduction
31
Vgl. UN ODCCP (2002a), S. 55
32
Vgl. US DEA (1996), Introduction
33
Die Kartelle sind jeweils nach den Herkunftsstädten Medellín und Cali im Westen Kolumbiens
benannt.
34
Vgl. Ambos (1993), S. 22; auch 3.3
35
Vgl. Kennedy/Reuter/Riley (1994), S. 44
36
Vgl. Ambos (1993), S. 22-23
37
Clawson/Lee (1996), S. 62-63

6
Auf Anti-Drogen-Maßnahmen der USA reagieren die Drogenkartelle durch
Adaption und Innovation. Sie erhöhen ihre Ausgaben für Information, Sicherheit
und Bestechung.
38
Trotz dieser zusätzlichen Kosten, abnehmenden Konsums und
fallender Kokainpreise, finden die Kartelle immer noch Möglichkeiten ihre
Gewinnspannen zu steigern. Diese lassen sich in vier Bereiche unterteilen:
39
1. Steigerung der Produktivität durch chemische Wiederaufarbeitungs-
anlagen, Vakuumverpackungsmaschinen, Mikrowellenöfen und neue
Extraktionsmethoden;
2. Verbesserung und Diversifikation von Schmuggelmethoden durch den
Einsatz verschiedenster Transportmittel von Cargo-Containern bis hin zu
Mini-Unterseebooten und modernsten Kommunikationstechnologien;
3. Ausweitung des Geschäfts auf den unteren Teil der Distributionskette
durch das Einrichten von ,,Großhandelszellen" in US-Städten;
4. Produkt- und Marktdiversifikation durch die Entwicklung von Crack
40
als
Kokainvariante für die Unterschicht und die Erschließung des
europäischen Marktes.
Die Professionalität der Distributionsgruppen reicht sogar soweit, dass sie
Topmanager mit abgeschlossenem Wirtschaftsstudium einstellen.
41
Die Distribution innerhalb der reichen Länder wird auf mehreren Stufen von
kleineren kriminellen Organisationen ­ häufig Immigrantengruppen
42
-
durchgeführt, hinunter bis zum ,,Einzelhandel" auf der Straße. In den USA kann
die Distribution fünf oder sechs Stufen durchlaufen haben, bevor der
Endverbraucher seine Portion Kokain kauft.
43
2.5 Kokainkonsum
Das weiße, pulverförmige Kokain HCL wird hauptsächlich geraucht oder
geschnupft, wobei auch andere Formen der Einnahme existieren.
44
Verunreinigte
38
Vgl. Kennedy/Reuter/Riley (1994), S.44
39
Im folgenden gemäß Clawson/Lee (1996), S. 11-12
40
Kokain HCL gemischt mit Wasser und Backpulver, erhitzt und in kleine Stücke gebrochen. Vgl.
Clawson/Lee (1996), Appendix
41
Vgl. Cairncross (2001), S. 7; auch Clawson/Lee (1996), S. 40
42
Vgl. Cairncross (2001), S. 7
43
Vgl. Clawson/Lee (1998), S. 25
44
Vgl. Ambos (1993), S. 17

7
Nebenprodukte wie Crack oder das in Lateinamerika konsumierte Bazuco sollen
hier nicht weiter betrachtet werden.
Der Konsument greift zu Kokain um sein Wohlbefinden und seine
Leistungsfähigkeit zu steigern. Die Droge wirkt ,,einerseits ... betäubend und
andererseits über das zentrale und vegetative Nervensystem stimulierend"
45
. Für
eine Periode von zehn bis 40 Minuten erlebt der Konsument ein gesteigertes
Selbstvertrauen und ein euphorisches Hochgefühl.
46
Negative Kurzzeitwirkungen
sind Magen- und Muskelschmerzen, Reizbarkeit, Depressionen, Angstzustände,
Krämpfe, Kreislaufstörungen und Atemkollaps.
47
Mit zunehmendem Konsum
kommt es zu physischen und psychischen Störungen, außerdem gilt Kokain als
suchterzeugend, was sich durch starken Konsumdruck und den Verlust der
Selbstkontrolle ausdrückt.
48
Somit gehört Kokain zur Klasse der ,,harten Drogen",
wenn auch der Anteil der Abhängigen an der Gesamtzahl der Nutzer mit knapp
über 20 % im Gegensatz zu Nikotin (ca. 80 %) relativ gering ist und die
Erfolgsrate der Überwindung der Abhängigkeit (recovery rate des Amsterdamer
Suchtheil-Departments) mit 90 % weit über der von Heroin liegt (40-50 %).
49
Der
Handel, der Besitz und der Konsum von Kokain sind sowohl in den
Produktionsländern als auch in den Konsumländern illegal.
Drogenkonsum allgemein wird weitgehend als Modeerscheinung angesehen.
50
Die erste Kokain-,,Epidemie" begann schon 1885, als es günstig in reiner Form ­
und damals noch legal - verfügbar war und sogar Sigmund Freud die ,,magische
Substanz" lobte.
51
Der jüngste Kokainboom gipfelte in den achtziger Jahren, als
die Droge in der amerikanischen Oberschicht Mode wurde. Seitdem nimmt der
Trend ab, wobei der entscheidende Anteil der häufigen Nutzer, die das meiste
Kokain kaufen, nur wenig abfällt.
52
Dagegen nimmt das Wachstum in der
restlichen Welt zu:
,,A high rate of growth outside the United States plus a small decline in the United
States could translate into flat world demand."
53
45
Ambos (1993), S. 18
46
Vgl.Whitaker (1987), S. 177
47
Vgl. Thamm (1991), S. 23
48
Vgl. Ambos (1993), S. 18-19
49
Vgl. Cairncross (2001), S. 8-9
50
Vgl. Clawson/Lee (1996), S. 29, und Cairncross (2001), S. 5
51
Vgl. Nahas (1989), S. 30-31
52
Vgl. Clawson/Lee (1996), S. 7
53
Clawson/Lee (1996), S. 29

8
Das Konsumentenverhalten ist schwierig zu bestimmen, weil Marktforschung im
eigentlichen Sinn natürlich nicht möglich ist. Prinzipiell kann man aber auch auf
dem Drogenmarkt von rationalen Käufern ausgehen. Studien in den Konsum-
ländern belegen logisches Verhalten:
,,Here [in den reichen Konsumländern], not surprisingly, most people buy the
drugs that have the fewest side-effects and are least likely to cause addiction. In
that respect, drug users seem to behave as rationally as other consumers."
54
Die Struktur der Nachfrage ist sehr wichtig für die Erörterung des gesamten
Kokainproblems. Hat sie das Angebot erzeugt und damit die Probleme der
Andenländer verschuldet? Oder ist die Nachfrage eine Folge des Kokainangebots?
Sicherlich spielt der Preis eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung der
Kokainnachfrage.
2.5 Kokainpreis
Die Preisstruktur der Kokainindustrie ist auf jeder Stufe durch das hohe Ausmaß
des Risikos der Ungesetzlichkeit geprägt: das Risiko von Beschlagnahmung und
Verhaftung und die Unsicherheit, die dadurch entsteht, dass die Händler sich
hinsichtlich der Durchsetzung von Verträgen nicht auf das Gesetz verlassen
können.
55
Daher steigt der Preis pro pures Kilogramm von ca. $ 600 für
Kokablätter bis auf über $ 100.000 für Kokain HCL im US-Einzelhandel (vgl.
Tabelle 1). Die größte relative Preiserhöhung geschieht bei der Überschreitung
nationaler Grenzen, und die größte absolute Erhöhung ereignet sich innerhalb der
Konsumländer, weil die Risiken am Ende der Distributionskette am höchsten
sind.
56
Die Kokabauern erhalten nur einen geringen Anteil des hohen
Endverbraucherpreises (unter 1 %), während die Schmuggler und Großhändler in
den Importländern hohe Gewinne erzielen. Zu Beginn der achtziger Jahre konnten
Drogenhandelsorganisationen Gewinnspannen von bis zu 95 % realisieren.
57
Bis
zum Ende der achtziger fiel der US-Großhandelspreis von $ 45.000-55.000 im
Jahr 1982 auf $ 10.000-20.000 und ist seither nicht mehr über $ 30.000
54
Cairncross (2001), S. 8
55
Vgl. Cairncross (2001), S. 6
56
Vgl. Greenfield/Reuter (2001), S. 166 (hier bezogen auf Drogen allgemein)
57
Vgl. Clawson/Lee (1996), S. 40-41

9
gestiegen.
58
Dadurch liegen die Gewinnmargen der Schmuggler bei maximal 50
%.
59
Tabelle 1: Kokainpreise durch die Distributionskette (in US $ pro Äquivalent
eines puren Kilogramms Kokain)
Produkt
1986 1989
1995/96 1997
Kokablatt
500
1.000 610 650
Kokapaste
1.000
7.000 - -
Kokabase
1.500 -
860 -
Exportpreis/Andenregion
3.900
- 1.500 1.050
Importpreis/USA
15.000 20.000
- 23.000
US-Großhandel
40.000
- 25.250 33.000
US-Einzelhandel
135.000 250.000 110.000 188.000
Quellen: Hoffmann (1991), S. 135; Kennedy/Reuter/Riley (1994), S. 51; Cairncross (2001), S. 7;
Greenfield/Reuter (2001), S. 166
Die weite Spanne zwischen den Produktionskosten und dem Preis, den der
Endverbraucher zahlt, ist einer der Hauptgründe, warum Drogenpolitik häufig
scheitert.
60
Die mathematische Beziehung zwischen Produktionspreis und
Einzelhandelspreis ist entscheidend für den Erfolg der amerikanischen
Drogenkontrollmaßnahmen:
,,Nothing less than the value of a large part of federal government's drug law
enforcement effort is at stake in this debate over whether the relationship of retail
price to wholesale price is almost additive (with a small multiplicative term) or
almost multiplicative (with a small additive term)."
61
Auf die Drogenkontrollmaßnahmen und die Frage nach deren Erfolg, auch im
Zusammenhang mit der Kokain-Preistheorie, soll in Abschnitt 4 genauer einge-
gangen werden.
58
Vgl. Clawson/Lee (1996), S. 38-39; auch Cairncross (2001), S. 7, und Greenfield/Reuter (2001),
S. 166
59
Vgl. Clawson/Lee (1996), S. 40-41
60
Vgl. Cairncross (2001), S. 6
61
Kleiman (1992), S. 121 zitiert nach Clawson/Lee (1996), S. 215

10
3 Die Kokainindustrie in den Andenländern
3.1 Bolivien
3.1.1 Entstehung und Entwicklung der Kokainindustrie
Bolivien ist mit einem Bruttosozialprodukt von $ 990 pro Kopf das ärmste Land
Südamerikas und hat mit 8,5 Mio. die kleinste Bevölkerung in der Andenregion
62
.
Aufgrund der geringen Größe und der unterentwickelten, agrarbetonten
Wirtschaft zeigte sich Bolivien als das am stärksten von der Kokainindustrie
abhängige Land
63
. Obwohl Wirtschaft, Politik und Gesellschaft stark vom
Kokainhandel geprägt worden sind, präsentiert sich Bolivien jedoch als bei
weitem friedlichstes Land im Vergleich zu Peru und Kolumbien. Weder
kriminelle oder politische Gewalt noch Verletzungen von Menschenrechten haben
Ausmaße wie in den Nachbarländern angenommen
64
. Einer der Gründe dafür ist
die enge kulturelle Verbundenheit mit der Kokapflanze, die aus der indianischen
Tradition des Kauens von Kokablättern resultiert. Schon vor 2000 Jahren
verehrten die Indianer die ,,göttliche" Pflanze, mit der sie Hunger und Müdigkeit
bekämpften, um länger arbeiten zu können.
65
Bis zu den siebziger Jahren war der
Kokaanbau auf die Yungas-Region konzentriert
66
, wo auch heute noch legal
Kokapflanzen kultiviert werden
67
.
Neben der langen Kokatradition gibt es zwei weitere Faktoren, die Bolivien zum
Hauptproduktionsland ­ bis 1994 zweitgrößter Koka-Output nach Peru
68
- werden
ließen: die katastrophale Wirtschaftskrise der achtziger Jahre und der rapide
Nachfrageanstieg in den USA. Die geeigneten klimatischen Bedingungen in
Bolivien vorausgesetzt (,,The conditions there are nearly perfect for farming the
coca plant."
69
), fiel der US-Kokaintrend mit einem großen Angebot an
Arbeitskräften, dem entscheidenden Produktionsfaktor für Koka, in Bolivien
zusammen.
62
Vgl. Spiegel-Online (2002a), Wirtschaft
63
Vgl. Atkins (1998), S. 97 ; vgl. auch Hoffmann (1991), S. 135
64
Vgl. Atkins (1998), S. 98
65
Vgl. Goode (1972), S. 186
66
Vgl. Clawson/Lee (1996), S. 133
67
Nach Ambos (1993), S. 106, wurden Anfang der 90er 16 % für den legalen Konsum produziert.
68
Vgl. UN ODCCP (2002a), S. 55
69
Kennedy/Reuter/Riley (1994), S. 42

11
Während sich die Kokaproduktion zwischen 1963 und 1987 nach Ambos um das
31,5fache erhöht hat
70
, ist besonders die rapide Ausweitung der (illegalen) Koka-
Kultivierung in den achtziger Jahren signifikant. Laut Angaben der bolivianischen
Regierung stieg die Anbaufläche von 22.788 ha 1980 auf 60.956 ha im Jahre
1989, das US State Department schätzt 35.000 ha (1980) und 55.400 ha (1989)
71
.
Hier wird wieder die Ungenauigkeit der Daten deutlich, wobei der entscheidende
Trend jedoch klar erkennbar ist. Diese Expansion fand größtenteils in den
tropischen Zonen des Cochabamba-Departments, in der Chapare-Region, statt,
weit entfernt vom traditionellen, legalen Anbaugebiet, der Yungas-Region im
Department La Paz
72
.
Zu dieser Zeit erfuhr Bolivien die tiefste Wirtschaftskrise in seiner Geschichte, als
das Pro-Kopf-BIP (nur legales Einkommen) von 1975 bis 1985 um 40 % fiel
73
.
Die Inflation erreichte ein Rekordhoch von über 11.000 % im Jahre 1985
74
. Diese
ungeheure Geldentwertungsrate ließ zusammen mit einem hohen Haushaltsdefizit
und gefallenen Preisen für Boliviens Hauptexporte, Zinn und Erdgas
75
, die
Wirtschaft zusammenbrechen. Viele Arbeitslose suchten verzweifelt nach
Möglichkeiten ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dies bewirkte eine enorme
Migrationsbewegung in die Chapare-Region. Die Bevölkerungszahl stieg dort von
27.000 (1968) auf 84.000 (1981)
76
und bis 1987 weiter auf über 200.000
77
. Diese
Zuwanderer fanden größtenteils Arbeit in der Koka-Landwirtschaft und bildeten
so den ,,Input" für die florierende Koka-Industrie: ,,Without this migratory labor,
there could have been no coca boom."
78
Der fundamentale Grund für diesen Schritt in die Illegalität - und hier kommt der
bereits erwähnte Kokainboom in den USA zum Tragen - war rein wirtschaftlicher
Natur. Mitte der achtziger Jahre brachte ein Hektar Koka jährliche
Mindesteinnahmen von $ 5.000, vier- bis neunzehnmal mehr als das nächst
profitabelste Agrarprodukt.
79
70
Vgl. Ambos (1993), S. 105
71
Zitiert nach Atkins (1998), S.98; 52.900 ha für 1989 laut UN ODCCP (2002a), S. 55
72
Vgl. Atkins (1998), S. 98
73
Vgl. Clawson/Lee (1996), S. 27
74
Lindenberg/Ramirez (1990), S.1
75
Vgl. Atkins (1998), S. 98
76
Vgl. Hoffmann (1991), S. 136
77
Vgl. Atkins (1998), S. 99
78
Clawson/Lee (1996), S. 133
79
Vgl. Atkins (1998), S. 99

12
Da Kokain auf dem US-Markt zur ,,Modedroge" geworden war, waren die
Konsumenten bereit enorme Preise zu zahlen. So entstand ein Verkäufermarkt für
Kokain, also auch für das Basisprodukt Koka. Die vielen arbeitslosen Bolivianer
handelten rational, als sie sich für den Kokaanbau entschieden. Dabei gilt es zu
betonen, dass ihnen die Illegalität der Pflanze wegen der jahrhundertelangen
Tradition nicht bewusst war oder zumindest nicht einleuchtete.
Trotz dem volatilen Kokainpreis und dessen Verfall Ende der achtziger Jahre
hielten die Bauern im Chapare am Kokaanbau fest. Dazu trug die Tatsache bei,
dass es relativ wenig Geschicks und Erfahrung bedarf, Koka zu pflanzen, was den
als Bauern teilweise völlig ungeübten Zuwanderern entgegenkam.
80
Außerdem
ließ Koka immer noch Alternativprodukte wie Bananen und Ananas hinsichtlich
des Gewinns weit hinter sich.
81
Die Kokaernte wurde zu Beginn in Bolivien fast ausschließlich zu Paste
weiterverarbeitet und dann nach Kolumbien exportiert. Nur 10 % wurden 1988
direkt zu Kokain verarbeitet, 1991 waren es 30-40 %.
82
Besonders auf diesen
technisch aufwendigen Prozess lässt sich wohl Ambos' Argument beziehen, dass
der bolivianische Koka/Kokain-Boom auch ,,auf nur an ihrer persönlichen
Bereicherung interessierte Sektoren der Oligarchie und der Armee ...
zurückzuführen"
83
ist. Denn die Weiterverarbeitung zu Kokain HCL ist
anspruchsvoller als der Kokaanbau und durch die Konkurrenz zu
kolumbianischen Drogenhändlern und den selbstständigen Export gefährlicher,
folglich auch gewinnbringender.
Von 1989 bis 1997 blieb die Kokaanbaufläche in Bolivien in etwa konstant
zwischen 45.000 und 50.000 ha, wobei es 1995 auf den dritten Platz der
Kokaproduktionsländer hinter Kolumbien und Peru zurückfiel.
84
Bis zum Jahre
2000 verkleinerte sich die Gesamtfläche auf 14.600 ha.
85
Dieser
Angebotseinbruch bewirkte einen drastischen Anstieg des Kokapreises Mitte
1999, wodurch die Anbaufläche 2001 wieder auf knapp 20.000 ha vergrößert
wurde.
86
Die Gründe für den langfristigen Trend zur Produktionsabnahme sind die
80
Vgl. Clawson/Lee (1996), S. 134
81
Vgl. Atkins (1998), S. 99
82
Vgl. Ambos (1993), S. 106
83
Ambos (1993), S. 106
84
Vgl. UN ODCCP (2002a), S. 55
85
Vgl. UN ODCCP (2002a), S. 55
86
Vgl. UN ODCCP (2002a), S. 55 und S. 63

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832464868
ISBN (Paperback)
9783838664866
DOI
10.3239/9783832464868
Dateigröße
716 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Passau – Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2011 (September)
Note
1,7
Schlagworte
drogenhandel entwicklung kolumbien peru bolivien
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Titel: Die Auswirkungen der "Kokainindustrie" auf die Volkswirtschaften der Andenregion
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