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Teens im Netz

Eine vergleichende Studie zu den Auswirkungen des Internetnutzungsverhaltens von sporttreibenden und nicht-sporttreibenden Jugendlichen

©2002 Diplomarbeit 114 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
„Die Medien haben sich vor allem aus zwei Gründen so in das Rampenlicht der Aufmerksamkeit gedrängt: Sie sind erstens die Botschafter ihres eigenen Siegeszuges; sie haben die Macht, indem sie sie verkünden. ... Sie haben sich zweitens ungeheuer schnell durchgesetzt, so dass unser Nachdenken unserem Staunen weit hinterherhinkt. ... Erfolg und Folgen ... sind dramatisch, und die Auswirkungen nicht entfernt abzusehen. Das erzeugt natürlich beides: Hoffnung und Angst.“
Das Medium Internet ist aus dem modernen Alltag nicht mehr wegzudenken. Fast kein Büro oder Privathaushalt kommt mehr ohne Internetzugang aus, und fast jeder zweite Bundesbürger versteht mit dem nun nicht mehr ganz so neuen Medium umzugehen.
Während viele Erwachsene den Umgang erlernen mussten wie früher das Schreiben, wachsen die Kinder und Jugendlichen mit dem Medium auf und sind oftmals besser als die Erwachsenen in der Lage, das Internet und die dazugehörigen Möglichkeiten zu nutzen.
Auch der Sport spielt nach wie vor im Leben der Jugendlichen eine wichtige Rolle. Trotz der sich in den letzten Jahren häufenden Meldungen in den Medien über den Bewegungsmangel und den dazugehörigen Auswirkungen ist der Sport immer noch ein Ort der Begegnung und Mittel zu noch zu beschreibenden Zwecken.
In dieser Arbeit sollen nun diese Themenkomplexe Jugend, Sport und Internet miteinander in Beziehung gesetzt und mögliche Wechselwirkungen eruiert werden. Dabei schließt sich eine allgemeine Betrachtung der Freizeitaktivitäten der Jugendlichen nicht aus.
Nach dieser kurzen Einleitung werden im ersten Teil der Arbeit die drei Themenkomplexe Jugend, Internet und Sport getrennt voneinander erläutert und die Entwicklung bzw. der aktuelle Forschungsstand der Jugendforschung zusammenfassend dargestellt.
Im nächsten Punkt wird das Verfahren zur Durchführung der Interviews und die darauf folgende Auswertungsmethode erklärt. Es schließt sich die Auswertung der Interviews und die Erläuterung der Ergebnisse an, wobei auch die subjektiven Zukunftsaussichten der Jugendlichen beschrieben werden sollen. Der letzte Teil beinhaltet eine Zusammenfassung der Arbeit.
Diese Arbeit soll all diejenigen erreichen, die sich für die Kombination der Themen Jugend, Sport und Internet interessieren und die ähnliche Unsicherheiten zum Thema verspüren wie der oben zitierte Pädagoge.
Im Anhang sind einige Webseiten aufgeführt, die im Text als Quellenangabe dienen. Leider kann hier nicht garantiert […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Darstellungen

Vorwort

1. Einleitung

2. Theoretische Erläuterungen
2.1.1 Einordnung des Theoriebegriffes Jugend
2.1.1.1 Die Entwicklungsaufgaben
2.1.1.2 Die Statuspassagen – Vom Kind zum Erwachsenen
2.1.1.3 Dynamischer Interaktionismus
2.1.1.4 Sozialisations-theoretischer Ansatz
2.1.2 Die Familie
2.1.3 Die Peergroup
2.1.4 Vereine und Gruppen
2.1.5 Zusammenfassung
2.2 Jugend und Sport
2.2.1 Entwicklung des Sports allgemein
2.2.2 Entwicklung des „jungen Sports“
2.2.3 Das Bewegungsverhalten Jugendlicher
2.2.3.1 Die sekundäre Datenanalyse
2.2.3.2 Die repräsentative Befragung
2.2.3.3 Der Bewegungs-Check-up
2.2.4 Zusammenfassung
2.3 Jugend und Internet
2.3.1 Das Internet – ein Steckbrief
2.3.2 Internet im Jugendzimmer
2.3.3 Empirische Daten
2.3.3.1 JIM 2001
2.3.3.2 ARD/ZDF-Online-Studie
2.3.4 Chancen und Risiken
2.3.5 Wirkungsforschung im Internet
2.3.5.1 Das SR/SOR-Modell
2.3.5.2 Der Agenda-Setting-Approach
2.3.5.3 Increasing-Knowledge-Gap
2.3.5.4 Das dynamisch-transaktionale Modell
2.3.6 Zusammenfassung
2.4 Fazit

3. Methode
3.1 Grundlagen eines Leitfadengespräches
3.1.1 Arbeitsschritte bei qualitativen Interviews
3.1.2 Vorbereitung des Interviews als soziale Situation
3.2 Das Interview
3.2.1 Die Probanden
3.2.2 Die Interviewdurchführung
3.2.3 Der Leitfaden
3.3 Auswertung
3.3.1 Die Grounded Theorie
3.3.2 Tipps zum einfachen Kodieren

4. Ergebnisse
4.1 Die Kernaussage
4.1.1 Die Freizeitaktivitäten
4.1.2 Die zeitlichen Dimensionen
4.1.3 Die Abhängigkeiten
4.1.4 Die Auswirkungen
4.2 Sport, Internet und Jugend
4.2.1 Die Art der Internetnutzung
4.2.1.1 Die persönliche Kommunikation
4.2.1.2 Die Informationsgewinnung
4.2.1.3 Unterhaltende Kommunikation
4.2.1.4 Unterhaltung
4.2.1.5 Materialgewinnung
4.2.2 Die zeitlichen Dimensionen der Internetnutzung
4.2.3 Die Abhängigkeiten der Internetnutzung
4.2.3.1 Die multimediale Ausstattung
4.2.3.2 Die persönlichen Fertigkeiten
4.2.3.3 Die zeitliche Verfügbarkeit
4.2.3.4 Die finanziellen Möglichkeiten
4.2.3.5 Relevanz für Peegroup/Familie
4.2.3.6 Klimatische Bedingungen
4.2.3.7 Zusammenfassung
4.2.4 Die Auswirkungen der Internetnutzung
4.3 Die Jugendlichen im Vergleich
4.3.1 Internet und Sport – Ein Gegensatz?
4.3.2 Internet und Adipositas – Eine Folgeerscheinung
4.3.3 Geschlechtsstereotypische Unterschiede
4.4 Aussichten
4.4.1 Aus der Sicht der Jugendlichen
4.4.2 Prognosen

5. Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis

Anhang

Darstellungen

Tabellen

Tabelle 1 Onlineeinsatzmöglichkeiten im Altersvergleich

Tabelle 2 Pro/Contra zum Sport

Tabelle 3 Pro/Contra zum Internet

Tabelle 4 Die Jugendlichen im Vergleich

Diagramme

Diagramm 1 Die Statuspassagen

Diagramm 2 Sportlerverteilung in Deutschland – gestern, heute, morgen

Diagramm 3 Der Niedergang der Traditionsvereine

Diagramm 4 Altersverteilung im Dt. Sportbund

Diagramm 5 Freizeitbeschäftigungen Jugendlicher

Diagramm 6 Vereinsmitglieder – gestern, heute, morgen

Diagramm 7 Vergleich übergewichtiger Jungen und Mädchen

Diagramm 8 Zusammenhang zwischen Schulsport und der Bedeutung des Sporttreibens

Diagramm 9 Medienausstattung in Haushalten mit Jugendlichen

Diagramm 10 Medienausstattung Jugendlicher

Diagramm 11 Beschäftigung mit dem Computer

Diagramm 12 Geschlechtsspezifische Nutzungsunterschiede

Diagramm 13 Einflussfaktoren

Diagramm 14 Zeitliche Dimensionen und Auswirkungen

Vorwort

An dieser Stelle möchte ich all den Menschen danken, die mir während dieser Arbeit so tatkräftig zur Seite gestanden haben.

An erster Stelle sollte hier Oliver Förster stehen. Danke Olli!

Daneben gebührt auch meiner Freundin Nicole Moiser sowie meinen Eltern mein Dank, die sich nicht nur als begeisterte Korrekturleser empfohlen haben, sondern mich auch schon viel länger in meinem Leben immer wieder unterstützten und immer ein offenes Ohr für mich hatten.

Zum Schluss danke ich meinem Freund Martin Steffens.

Und natürlich auch allen anderen lieben Menschen und Korrekturlesern.

Danke schön.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

„Die Medien haben sich vor allem aus zwei Gründen so in das Rampenlicht der Aufmerksamkeit gedrängt: Sie sind erstens die Botschafter ihres eigenen Siegeszuges; sie haben die Macht, indem sie sie verkünden. ... Sie haben sich zweitens ungeheuer schnell durchgesetzt, so dass unser Nachdenken unserem Staunen weit hinterherhinkt. ... Erfolg und Folgen ... sind dramatisch, und die Auswirkungen nicht entfernt abzusehen. Das erzeugt natürlich beides: Hoffnung und Angst.“

(v. Hentig 1998, 32)

Das Medium Internet ist aus dem modernen Alltag nicht mehr wegzudenken. Fast kein Büro oder Privathaushalt kommt mehr ohne Internetzugang aus, und fast jeder zweite Bundesbürger versteht mit dem nun nicht mehr ganz so neuen Medium umzugehen.

Während viele Erwachsene den Umgang erlernen mussten wie früher das Schreiben, wachsen die Kinder und Jugendlichen mit dem Medium auf und sind oftmals besser als die Erwachsenen in der Lage, das Internet und die dazugehörigen Möglichkeiten zu nutzen.

Auch der Sport spielt nach wie vor im Leben der Jugendlichen eine wichtige Rolle. Trotz der sich in den letzten Jahren häufenden Meldungen in den Medien über den Bewegungsmangel und den dazugehörigen Auswirkungen ist der Sport immer noch ein Ort der Begegnung und Mittel zu noch zu beschreibenden Zwecken.

In dieser Arbeit sollen nun diese Themenkomplexe Jugend, Sport und Internet miteinander in Beziehung gesetzt und mögliche Wechselwirkungen eruiert werden. Dabei schließt sich eine allgemeine Betrachtung der Freizeitaktivitäten der Jugendlichen nicht aus.

Nach dieser kurzen Einleitung werden im ersten Teil der Arbeit die drei Themenkomplexe Jugend, Internet und Sport getrennt voneinander erläutert und die Entwicklung bzw. der aktuelle Forschungsstand der Jugendforschung zusammenfassend dargestellt.

Im nächsten Punkt wird das Verfahren zur Durchführung der Interviews und die darauf folgende Auswertungsmethode erklärt. Es schließt sich die Auswertung der Interviews und die Erläuterung der Ergebnisse an, wobei auch die subjektiven Zukunftsaussichten der Jugendlichen beschrieben werden sollen. Der letzte Teil beinhaltet eine Zusammenfassung der Arbeit.

Diese Arbeit soll all diejenigen erreichen, die sich für die Kombination der Themen Jugend, Sport und Internet interessieren und die ähnliche Unsicherheiten zum Thema verspüren wie der oben zitierte Pädagoge.

Im Anhang sind einige Webseiten aufgeführt, die im Text als Quellenangabe dienen. Leider kann hier nicht garantiert werden, wie lange die Informationen unter dieser Adresse aufgerufen werden können.

Alle Tabellen und Grafiken sind basierend auf den angegebenen Daten von mir persönlich entworfen.

2. Theoretische Erläuterungungen

In diesem Kapitel werden die drei Begriffe Jugend, Sport und Internet theoriebezogen erklärt und mit neuesten empirischen Daten aufbereitet. Ausgehend vom Begriff des Jugendalters in der pädagogischen Theorie, erfolgt hierauf aufbauend die Verknüpfung mit den Aspekten Sport und Internet.

2.1 Das Jugendalter

Die Jugend gilt im Allgemeinen als Inbegriff für Vitalität, Spontanität und Unbekümmertheit und wird meist mit einem positiven Gefühl von Ideal oder auch Idol in Verbindung gebracht (vgl. Oerter/Dreher, 1995, 311). Allerdings ist Jugend weitaus mehr als das. Es ist eine Phase im Leben, die ständig wechselnden Bedingungen unterworfen ist und als eine Art Zwischenstadium betrachtet werden kann auf dem Weg von der Kindheit zum Erwachsenendasein.

Im demographischen Sinne kann man nicht von einem überschaubaren und einheitlichen Jugendbegriff ausgehen. Auch unter pädagogischer Betrachtung trifft die Vorstellung einer linearen Jugendphase nicht zu (vgl. Mansel/Klocke 1996, 7). Dies liegt an der sich immer schneller verändernden Gesellschaft, die eine genauere theoretische Einbettung des pädagogischen Begriffs Jugend notwendig macht.

2.1.1 Einordnung des Theoriebegriffes Jugend

Der Jugendbegriff, so wie wir ihn heute kennen, entwickelte sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung und der Installation eines allgemeinen Schulsystems. Vorher wurden Kinder als „kleine Erwachsene“ betrachtet und in der Gesellschaft auch als solche behandelt. Jugend als solche wurde nicht wahrgenommen, bis die Gesellschaft den Kindern die Gelegenheit gab, sich auf das spätere Erwachsenendasein mit all seinen Facetten (Beruf, Familie etc.) vorzubereiten.

Als „Entdecker der Kindheit“ wird häufig der französische Aufklärungsphilosoph Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) erwähnt. Rousseau sieht den Menschen in seinem Urzustand als vollkommen an.

„Alles, was aus den Händen des Schöpfers kommt, ist gut; alles entartet unter den Händen des Menschen.“

(Rousseau 1978, 107)

Dadurch bekommt auch die Kindheit – und dementsprechend auch die Jugend – eine ganz andere Bedeutung zugeschrieben als früher. In seinem Buch „Émile“ von 1762 beschreibt er sein Erziehungsideal. Dabei wird betont, dass der heranwachsende Mensch ferngehalten werden soll von sogenannten verbildenden Einflüssen. Rousseau wollte versuchen, die originale, perfekte Natur des Kindes mittels einer sorgfältigen Kontrolle der Erziehung zu bewahren und dabei die verschiedenen körperlichen und geistigen Entwicklungsstufen des Kindes zu berücksichtigen.

„Darum wollte Rousseau auch die Kinder so lange wie möglich in ihrem natürlichen Zustand der Unschuld leben lassen.“

(Gaarder 1993, 372)

Aufgrund dieser Einstellung gilt Rousseau als „Urvater“ der antiautoritären Erziehung.

Früh im letzten Jahrhundert ist der Jugendbegriff dann als Forschungsthema entdeckt worden, wurde aber bis zu den 1970er Jahren nicht wesentlich beachtet. Es sind beispielsweise Tagebücher von Jugendlichen als Analysegrundlage benutzt worden, in denen schwerpunktmäßig die Betrachtung biologischer Veränderungen im Vordergrund stand. Ab den 70er Jahren dann fand der Jugendbegriff mehr Beachtung. Die verschiedensten Fachbereiche (Pädagogik, Psychologie, Soziologie etc.) und deren bekanntesten Autoren beschäftigten sich damit und entwickelten die unterschiedlichsten Theorien zum Oberbegriff Jugendalter. Um einen gewissen Überblick zu behalten, lassen sich die verschiedensten Theorien unter vorgelagerten Grundannahmen der Entwicklung der Persönlichkeit unterscheiden (vgl. Hurrelmann 1999b, 55 f.).

a) In der ersten Gruppe befinden sich die Theorien, in denen die Umwelt als Ursache und Ausgangspunkt für die Entwicklung einer Person angenommen wird. Die Person soll sich demnach in gesellschaftlich vordefinierte Normen und Werte einfügen. Schelsky hat sich beispielsweise in seinem Buch „Die skeptische Generation“ mit diesem Thema beschäftigt. Er definiert Jugend als einen Abschnitt des „Nicht mehr“ und des „Noch nicht“ und stellt die Ablösung von der „Primärgruppe“ Familie und die Hinwendung zu der „Sekundärgruppe“ Gesellschaft in den Vordergrund, was folglich zu einem inneren Konflikt des Jugendlichen und somit zu einer Verhaltensunsicherheit führe (vgl. Schelsky 1957, 43).

b) In der nächsten Gruppe steht das Individuum als wichtigster Entwicklungsfaktor selber im Mittelpunkt. Die Persönlichkeit des Jugendlichen entsteht durch aktive Verarbeitung von Informationen durch den Jugendlichen selbst. Als Beispiel hierfür soll die sogenannte „Sturm und Drang“ Theorie dienen, die als „adjustment vs. turmoil“ Thematik fortgeführt und erweitert wurde. Auch das von Havighurst 1948 vorgelegte Modell der Entwicklungsaufgaben (s. Kap. 2.1.1.1) gehört in diese Gruppe der Theorien (vgl. Oerter/Dreher 1995, 313).

c) Der dritten Gruppe der Theorien liegt ein System von Person und Umwelt zugrunde. Hier wird von einer wechselseitigen Beziehung zwischen Individuum und Umwelt ausgegangen. Beide Faktoren beeinflussen sich gegenseitig. Bronfenbrenner hat 1981 in Anlehnung an das biologische Ökosystem das Konzept der ökologischen Systeme erstellt. Vier Arten von Systemen (Mikro-, Meso-, Exo- und Makrosystem) werden hierbei unterschieden, die jeweils voneinander abgegrenzt sind, sich allerdings gegenseitig beeinflussen können. Die Entwicklung des Jugendlichen stellt sich somit als eine Entwicklung in Systemen dar (vgl. Hurrelmann 1999b, 56).

d) Das letzte Modell ähnelt dem vorherigen, unterscheidet sich allerdings dadurch, dass es die bewusste Reflexion des Individuums auf die eigenen Entwicklungsmöglichkeiten fokussiert. Die Entwicklung ist somit bewusst interaktiv zwischen Individuum und Gesellschaft. Lerner hat in seinem Modell des „dynamischen Interaktionismus“ diese Theorie verarbeitet (vgl. Oerter/Dreher 1995, 325; s. auch Kapitel 2.1.1.2).

Im Folgenden sollen drei für diese Arbeit relevante Theorien näher erläutert werden, die ihren Ursprung in der Psychologie haben, allerdings ihren Fortlauf in der Soziologie finden.

2.1.1.1 Die Entwicklungsaufgaben

Robert J. Havighurst beschäftigte sich während der 30er und 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts mit dem Konzept der Entwicklungsaufgaben und legte 1948 eine umfassende Darstellung unter dem Titel „Developmental tasks and education“ vor (vgl. Oerter/Dreher 1995, 326). Die Idee dieses Konzeptes beruht darauf, dass die Entwicklungsaufgaben eigentlich Lernaufgaben zum Erwerb von Fertigkeiten und Kompetenzen sind. Diese sollen den Jugendlichen befähigen, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden. Der Jugendliche, so Havighurst, befindet sich in einem Spannungsverhältnis zwischen seinen individuellen Bedürfnissen und den Anforderungen, die seine spezielle Gesellschaft an ihn stellt. Die Entwicklungsaufgabe ist also der Weg zur Lösung des entstandenen Konfliktes. Für die Jugendphase sind folgende Entwicklungsbereiche mit ihren spezifischen Aufgaben von Belang (vgl. Hurrelmann 1999b, 33):

a) Entwicklung einer intellektuellen und sozialen Kompetenz für das spätere Berufsleben und die eigene Existenz
b) Entwicklung der eigenen Geschlechterrolle und Kompetenz, um ein soziales Verständnis für Gleichaltrige des eigenen und des anderen Geschlechts aufzubauen
c) Entwicklung einer Handlungskompetenz zur Nutzung der in der Gesellschaft vorhandenen Konsumgüter (inkl. der Medien) zur Findung eines eigenen, den Angeboten entsprechenden Lebensstiles
d) Entwicklung eines Bewusstseins für die in der Gesellschaft wichtigen Werte und Normen, so dass das eigene Verhalten mit diesen in Übereinstimmung gebracht werden kann, um ein eigenständiges, ethisch vertretbares Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

Das Individuum steht bei allen diesen Aufgaben im Mittelpunkt und muss aktiv an der Entwicklung der Kompetenzen arbeiten. Wichtig bei diesen Entwicklungsaufgaben ist es, sie von denen der Kindheit zu unterscheiden. Dort handelt es sich primär um die Entwicklung elementarer kognitiver Kompetenzen (z. B. der Sprache), welche die Basis für die weitere Entwicklung im Jugendalter bildet.

2.1.1.2 Die Statuspassagen – vom Kind zum Erwachsenen

Die Jugend ist eine eigenständige Lebensphase, die durch ein

„... Nebeneinander von noch unselbständigen, ..., und selbständigen, ..., Handlungsanforderungen charakterisiert ist."

(Hurrelmann 1999b, 46)

In Anlehnung an die Entwicklungsaufgaben wurde von Hurrelmann 1999 ein Modell entwickelt, welches die verschiedenen Aufgaben und Übergänge (Statuspassagen) auf dem Weg vom Kind zum Erwachsenen aus soziologischer Sicht anschaulich zusammenfasst:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diagramm 1

(vgl. Hurrelmann 1999b, 47)

Die Entwicklungsaufgaben sind klar definiert und das Überwinden der Statuspassagen sichert das Erreichen der nächsten Entwicklungsstufen. Allerdings stellt sich dieses Modell in der Wirklichkeit keinesfalls als so statisch dar wie im Schema gezeigt. Die Übergänge sind fließend.

Der Kernpunkt der soziologischen Sichtweise ist also die Integration des jungen Menschen in die vorhandenen gesellschaftlichen Strukturen und die Schaffung eines soziokulturell autonomen Mitglieds dieser Gesellschaft.

2.1.1.3 Dynamischer Interaktionismus

Der Begriff „dynamischer Interaktionismus“ (in der weiteren Forschung auch als „Developmental Contextualism“ genannt) beschreibt eine andere Theorie nach Lerner, die

“... von einem reziprok interaktiven Individuum-Umwelt-System ausgeht.“

(Oerter/Dreher 1995, 324)

Es existiert ein System von verschiedenen Faktoren (z. B. biologische oder soziologische Prozesse), die gegenseitig aufeinander wirken können und so immer wieder zu Veränderungen der allgemeinen Lebenssituation führen.

„Die Konzeption des Developmental Contextualism geht von einem Modell der moderierten oder vermittelten Effekte … aus: Sozial-situationale und individuelle Faktoren moderieren die Wirkung von hormonellen und physischen Veränderungen auf das Verhalten und weitere psychische Variablen.“

(Oerter/Dreher 1995, 325)

Das Individuum ist natürlich auch ein Teil dieses Systems und muss folglich selbst Einfluss auf die anderen Teile des Systems nehmen. Bei diesem Modell werden personenbezogene Aspekte mit gesellschaftlichen in Verbindung gesetzt, so dass ein ganzheitliches Bild der Entwicklung im Jugendalter entsteht. Es wirken zum Beispiel die biologische Verfassung (Größe, Gewicht, Hautbild etc.), der soziokulturelle Hintergrund (Eltern, Freundeskreis, Schulbildung etc.) und individual-psychologische Kriterien (das Selbstbild etc.) aufeinander und miteinander. Wichtig ist hierbei, dass das Individuum der moderierende Faktor ist.

2.1.1.4 Sozialisations-theoretischer Ansatz

Im Folgenden soll ein Ansatz vorgestellt werden, der die vorhergegangenen miteinander verbindet und einen vereinfachten Zugang zur Lebensphase Jugend geben soll. Ausgangspunkt hierbei ist eine wechselseitige Beziehung zwischen individueller und gesellschaftlicher Entwicklung.

Hurrelmann beschreibt acht Maxime, die im Jugendalter wirken (vgl. Hurrelmann 1999b, 72 ff.):

1. Jugendliche sind eigenständige, schöpferische Konstrukteure ihrer eigenen Umwelt.
2. Jugendliche haben erstmalig die Chance, eine eigene Ich-Identität zu entwickeln.
3. Jugendliche befinden sich in einem Spannungsverhältnis zwischen eigener Individuation[1] und Integration in die Gesellschaft, was einerseits positiv-stimulierend, andererseits auch belastend wirken kann.
4. Folglich kann der Sozialisationsprozess krisenhafte Formen annehmen, wenn der Jugendliche mit dem in Punkt 3 genannten Spannungsverhältnis nicht zurechtkommt.
5. Der Jugendliche benötigt Bewältigungsstrategien für diesen Individuations- und Integrationsprozess.
6. sowie Unterstützung der wichtigsten Bezugsgruppen.
7. Die Handlungsspielräume der Gesellschaft sind ausschlaggebend dafür, ob das Stimulierungs- oder Belastungspotenzial überwiegt.
8. Es gibt also eine eigene Lebensphase mit dem Namen Jugend.

Dieses Modell von Hurrelmann ist für diese Arbeit zielführend, da es von sich aus verschiedene Aspekte des Jugendalters verbindet.

Da auch der Einfluss der in Kapitel 2.1.1.3 genannten Gruppen auf die Jugendlichen nicht unerheblich an dieser Aufgabe beteiligt ist und auch in Bezug zu dieser Arbeit steht, soll im Folgenden darauf eingegangen werden.

2.1.2 Die Familie

Trotz der langsam fortschreitenden Ablösung von der Familie spielt diese in der Jugend weiterhin eine sehr wichtige Rolle für die Entwicklung der Jugendlichen (vgl. Fischer et al 2000, 14).

Es geht darum

„... eine Balance zwischen selbständigem Handeln und Kommunikation, zwischen Trennung und Bindung und zwischen Konflikt und Harmonie in familiären Beziehungen herzustellen.“

(Oerter/Dreher 1995, 363)

Wie der familiäre Interaktionsstil und die Entwicklung im Jugendalter miteinander in Beziehung stehen, erläutert Baumrind 1991 (vgl. Oerter/Dreher 1995, 363).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Jugendliche aus Familien mit autoritativem[2] und demokratischen[3] Erziehungsstil die günstigsten Entwicklungsbedingungen erfahren können. Auch gibt es interessante geschlechtsspezifische Unterschiede, denn es werden mehr Mädchen als Jungen im autoritativen Stil erzogen (vgl. ebd., 365).

Die Familie – insbesondere die Eltern – trägt mit einem großen Teil zu der Entwicklung des Jugendlichen bei (vgl. Hurrelmann 1999, 128) und hat somit auch immensen Einfluss auf das Mediennutzungsverhalten und die sportliche Entwicklung desselben. Dies fängt wie alle Erziehungsmomente schon in frühesten Kinderjahren an, findet dann seinen Fortgang im Jugendalter.

2.1.3 Die Peergroup

Im Laufe der Entwicklung nimmt die Peergroup[4] neben der Familie eine weitere wichtige Position ein. Sie kann als Übergangsmoment von der Familie zur Partnerschaft gesehen werden. Der Jugendliche findet in der Peergroup gleichaltrige Bezugspersonen, die eventuell besser als die Familie die neue Lebenssituation beurteilen und auch miterleben können. Er fühlt sich in der Gruppe geborgener und besser verstanden als in der Familie (vgl. Fritzsche 2000, 211).

Eine ausgeprägte Gruppendynamik ist fast in jeder dieser sozialen Bezugsgruppen zu finden. Constanzo zeigt dies 1970 in einer Untersuchung von Gruppenmitgliedern im Alter von sieben bis 21 Jahren, wobei festzuhalten ist, dass der Gruppendruck in der frühen Adoleszenz zwischen elf und 15 Jahren am höchsten ist (vgl. Oerter/Dreher 1995, 375). Dieser Konformationsdruck kann einerseits positiven Einfluss auf die Entwicklung haben, andererseits sich vor allen Dingen in subkulturellen Milieus ausgesprochen negativ auf das Individuum auswirken.

Außerdem haben

„... die Freundschaftsbeziehungen auch eine große Bedeutung für die Gestaltung der freizeit- und konsumrelevanten Kontakte.“

(Hurrelmann 1999b, 150)

Dies bedeutet implizit, dass auch die Mediennutzung und die Sportaktivitäten abhängig von dem Einfluss der Peergroup sind.

2.1.4 Vereine und Gruppen

Auch die oben schon erwähnten Vereine und Gruppen, denen Jugendliche zugehörig sind, spielen in deren Leben eine außerordentlich wichtige Rolle. Oftmals nehmen sie die Rolle der „neuen“ Familie an, in der der Jugendliche scheinbar mehr Verständnis findet und sich gerne in diese Gruppen flüchtet. Dabei verwischt die Grenze zwischen der Peergroup und den Vereinen. Diese „neue“ Familie ist gerade bei der hohen Anzahl der Scheidungskinder bzw. der Familien mit zwei erwerbstätigen Eltern im Leben der Jugendlichen ausgesprochen wichtig. Diese Vereinsaktivitäten beschränken sich hierbei nicht nur auf den sportlichen Bereich.

2.1.5 Zusammenfassung

Seit ca. Mitte des 19. Jahrhunderts wird die Jugendphase als ein einzelner, sehr wichtiger Abschnitt im Leben eines jeden Menschen bezeichnet.

Unterschiedliche Theorien, Ansätze und Sichtweisen in den verschiedenen geisteswissenschaftlichen Bereichen versuchen diese Phase zu erklären.

Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt dabei auf dem sozialisations-theoretischen Ansatz nach Hurrelmann, der versucht, die Individuation und die Integration in der Lebensphase Jugend mit Hilfe seiner acht aufgestellten Maxime zu erklären. Die der Theorie zugrunde liegende Annahme ist, dass es eine wechselseitige Beziehung zwischen individueller Entwicklung und Integration in die Gesellschaft gibt. Dabei weist Hurrelmann auch auf die Bedeutung der Familie und der Peergroup hin.

Wichtig für das weitere Verständnis der folgenden Ausführungen ist, sich der Bedeutung der Lebensphase Jugend und ihrer Bezugsgruppen bewusst zu sein.

2.2 Jugend und Sport

„Studien zufolge ist es um die Fitness der Jugendlichen in Deutschland nicht zum Besten bestellt. ... Auch die Dehnbarkeit beim Rumpfbeugen ist deutlich zurückgegangen.“

(Kölner Stadtanzeiger, 14. Januar 2002)

In jüngster Zeit häufen sich solche oder ähnliche, besorgniserregende Meldungen in den Medien über ein generell schlechter werdendes Bewegungsverhalten der Jugendlichen.

Der Begriff „Sport“ hat sich im letzten Jahrzehnt stark verändert. Wo früher die traditionellen Sportarten der Verbände gemeint waren (Handball, Fußball, Leichtathletik, etc.), ist heute eine Fülle neuer Sportmöglichkeiten dazugekommen, die es vor einigen Jahren noch nicht gab. Dieser Wertewandel im Sport geht einher mit einem Wertewandel des Begriffes Freizeit und damit auch dem Wertewandel der gesamten Gesellschaft. Nach dem Wirtschaftsaufschwung der 50er und 60er Jahre kam es zu einer Krise der Industriegesellschaft und ihrer Ideale sowie zu einem Wandel vom Wertverhalten insbesondere der Jugend (vgl. Digel, 1986, 14 ff.). Eingefasst in einen sozialen Umbruchprozess kennzeichneten vor allem Veränderungen im Bereich des Arbeitslebens und Einstellungsänderungen zur Freizeit dieses Phänomen. Die Verschiebung im Arbeitszeit-Freizeitverhältnis führte quantitativ zu einem Bedeutungszuwachs der frei zu gestaltenden Zeit. Freizeit gewann für das Leben vermehrt einen sinnspendenden Zweck. Hedonistische[5] Werthaltungen bestehen heute neben Leistungsprinzipien. Genussansprüche werden an Arbeit und Freizeit gestellt. Dies spiegelt sich auch im Sport wider. Ein neues Sportverständnis ist entstanden, in dem

- der Erlebnis-/ Lustaspekt dominiert,
- individuell-private oder privatwirtschaftlich-kommerzielle Organisationsformen und
- unterhaltende und konsumierbare Aspekte betont werden.

Freizeit wird heute sehr viel aktiver genutzt als früher. So ergibt sich folglich auch ein neues Freizeitsportverständnis, das vielfältige Individualisierung zulässt.

Wo man früher zum Schwimmtraining ging, trifft man sich heute unverbindlich und zwanglos zum Beachvolleyball (vgl. Dietrich/Heinemann 1999, 9 f.). Vor allen Dingen denkt die junge Generation vielmehr an Fun- oder Abenteuersport. Auch die Konkurrenten des Sports (Kultur, Medien, Tourismus etc.) sind in den letzten Jahren immer beliebter geworden, da das Angebot immer differenzierter wurde. Man spricht in diesem Zusammenhang von der sogenannten „Multi-Options-Gesellschaft“. So stellt sich die Frage, ob der „alte“ Sport ausstirbt. Und wie verhält es sich mit dem Sporttreiben im Allgemeinen? Machen Jugendliche nun mehr Sport als in den Jahrzehnten zuvor, oder hat sich die gleichzeitige Mediatisierung (DVD, Internet, Playstation, etc.) negativ auf die allgemeine Sportlichkeit ausgewirkt?

Im folgenden Abschnitt dieser Arbeit sollen einige Zahlen zusammengetragen und die relevantesten erläutert werden.

2.2.1 Entwicklung des Sports allgemein

Von insgesamt ca. 82 Millionen Bundesbürgern ergibt sich folgendes Bild:

Sportlerverteilung in Deutschland – gestern, heute, morgen[6]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diagramm 2

(vgl. Opaschowski 2001, 157)[7]

So zeigt sich in dieser Tabelle, dass die Anzahl der häufig sporttreibenden Menschen in den letzten vier Jahren relativ stark gesunken ist. Auch haben die Sportvereine sinkende bzw. seit Jahren stagnierende Mitgliederzahlen zu verzeichnen.

Waren es 1990 noch 29%, die angaben, Mitglied in einem Sportverein zu sein, sind es im Jahr 2000 nur noch 21%, mit weiter sinkender Tendenz. Statistische Prognosen schätzen die Zahl der Sportvereinsmitglieder auf ca. 18% im Jahre 2010 (vgl. Diagramm 3).

Der Niedergang der Traditionsvereine

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diagramm 3

(vgl. Opaschowski 2001, 159).

Meine eigene Erfahrung unterstreicht dieses Bild zudem: 1994 gab es noch sieben Damenmannschaften in der Abteilung Volleyball des MTV KÖLN 1850. Im Jahr 2002 sind es nur noch fünf.

Auch die Personenzahl derer, die sich als Sportler bezeichnen, geht dramatisch zurück. Folglich ist auch die Zahl der Nicht-Sportinteressierten von 1987 bis 2000 von 24% auf 35% gestiegen (vgl. Opaschowski 2001, 159).

Beim Deutschen Sportbund sind über 23 Mio. Mitglieder registriert, davon sind über 8 Mio. älter als 40 Jahre (vgl. Diagramm 4).

Altersverteilung im Dt. Sportbund

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diagramm 4

(vgl. Deutscher Sportbund 2001, 78)

„Sportler werden zur Minderheit.“

(Opaschowski 2001, 161)

2.2.2 Entwicklung des „jungen Sports“

Wie aus der abgebildeten Tabelle auf S.22 ersichtlich, ist auch der Rückgang der Sportaktivität nicht spurlos an der Jugend vorbeigegangen. Besonders die für diese Arbeit relevante Gruppe der ab 14-Jährigen hat einen negativen Zuwachs zu verzeichnen.

Von den ca. 5 Mio. 14- bis 19-Jährigen treiben rund 50% regelmäßig[8] Sport. Damit rangiert „Sporttreiben“ auf Platz sechs der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen noch hinter „Fernsehen“ (91%), „Ausschlafen“ (73%), „Nichtstun“ (56%), „Videogucken“ (55%) und Zeitunglesen (54%) (vgl. Diagramm 5). Interessant ist die Tatsache, dass es sich hierbei komplett um nicht-körperliche Betätigungen handelt.

Freizeitbeschäftigungen Jugendlicher

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diagramm 5

(vgl. Opaschowski 2001, 161)

Auch in einer anderen Studie namens JIM 2001[9] hat der Sport keine „Pol-Position“: 88% von 1.200 Befragten im Alter zwischen zwölf und 19 Jahren treffen sich am liebsten mit Freunden, danach folgt der Sport mit 69% und „Sich-Ausruhen“ mit 60%[10]. Dabei sind allerdings nur die nicht-medialen Freizeitaktivitäten abgefragt worden (vgl. Feierabend/Klingler 2001, 10).

Auch aus den Sportvereinen sind negative Zahlen zu verzeichnen. Gaben noch 1990 43% der Befragten zwischen 14 und 29 Jahre an, Mitglied in einem Sportverein zu sein, sind es im Jahr 2000 nur noch 30% (vgl. Opaschowski 2001, 163). Die Prognosen für die Zukunft sehen noch wesentlich schlechter aus.

Vereinsmitglieder – gestern, heute, morgen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diagramm 6

(vgl. Opaschowski 2001, 163)

Besonders die für diese Arbeit interessante Altersgruppe der 14- bis 17-Jährigen verlässt die Vereine. Von 53% im Jahr 1993 ist der Prozentsatz auf 36% im Jahr 2000 gesunken. Gleichzeitig droht eine „Vergreisung“ der Vereine. Der Anteil der Rentner ist im selben Zeitraum von 5% auf 10% gestiegen.

2.2.3 Das Bewegungsverhalten Jugendlicher

„Generation XXL – Die Süße Sucht“. So titelte die Zeitschrift „Der Spiegel“ im Dezember 2000 und beschrieb darin unter anderem das Bewegungs- und Essverhalten der Jugendlichen in Deutschland (vgl. Blech 2000, 146 ff.). Solche und ähnliche Nachrichten finden sich immer häufiger in den Medien. Darin wird vor allem die wachsende Anzahl der adipösen Kinder und Jugendlichen sowie die Gründe hierfür diskutiert.

Die Anzahl der fettsüchtigen Jugendlichen nimmt stetig zu. Zwar gibt es sehr unterschiedliche Zahlen hierüber, aber die Grundtendenz ist steigend. So beschreibt Blech in seinem Beitrag zwei Millionen Jugendliche in Deutschland als zu dick. Das bedeutet einen exorbitanten Zuwachs in den letzten 15 Jahren: Bei den Mädchen stieg die Zahl der Übergewichtigen[11] von 10,6% im Jahr 1985 auf 33% im Jahr 2000, bei den Jungen war diese Entwicklung nicht ganz so dramatisch, dort stieg die Zahl von 11,5% auf 25,3%.

Vergleich der übergewichtigen Jungen und Mädchen

1975 - 2000

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diagramm 7

(vgl. Blech 2000, 146)

Gründe sind u.a. das Bewegungsverhalten der Jugendlichen, die zunehmende Mediatisierung der Jugendzimmer und das Essverhalten.

Ob dieser zunehmenden Meldungen wurde die WIAD-Studie im Jahr 1999 vom Deutschen Sportbund und dem AOK-Bundesverband in Auftrag gegeben. Ausführendes Institut war das Wissenschaftliche Institut der Ärzte Deutschlands (WIAD). Dieses Institut ist eine gemeinnützige interdisziplinäre Einrichtung der Gesundheitsforschung, die sich primär aus Drittmitteln finanziert (vgl. www.wiad.de).

Ziel der Studie war es, umfassende Daten zum Bewegungsverhalten von Kindern und Jugendlichen zu sammeln und auszuwerten. Die Studie ist in drei Komplexe geteilt. Zunächst wurde durch eine sekundäranalytische Sichtung der Datenlage in den neunziger Jahren ein valider Überblick geschaffen, der dann in einer repräsentativen Befragung der zwölf bis 19-jährigen Kinder und Jugendlichen in Deutschland und einem Bewegungs-Check-up derselben verglichen wurde. Die wichtigsten Daten sollen hier vorgestellt werden.

2.2.3.1 Die sekundäre Datenanalyse

Bei der Datenanalyse ergeben sich insgesamt ähnliche Zahlen wie in den vorangegangenen Studien beschrieben.

Besonders interessant ist, dass der Studie zufolge das Sporttreiben mit der Zugehörigkeit zu höheren Schichten zunimmt. Entsprechend treiben auch Realschüler und Gymnasiasten mehr Sport als Hauptschüler. Insbesondere bei der Sportvereinsmitgliedschaft fallen schichtspezifische Disparitäten stärker aus als bei der Frage nach der Häufigkeit des Sporttreibens.

Außerdem ist zu bemerken, dass das Pensum des Sporttreibens bei zwölf bis 19-Jährigen – sowohl Vereins- als auch Freizeitsport – mit zunehmendem Alter abnimmt.

Der Schulsport ist immer noch das liebste Fach der Jugendlichen. Allerdings lehnen auch ca. 25% der Jugendlichen und jungen Erwachsenen den Schulsport ab oder stehen ihm zumindest gleichgültig gegenüber.

2.2.3.2 Die repräsentative Befragung

1.075 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zwölf und 18 Jahren wurden bei dieser Stichprobe befragt.

60% aller Jugendlichen treiben dieser Analyse nach in ihrer Freizeit ein bis zwei Stunden Sport in der Woche. Besonders im weiter fortgeschrittenen Jugendalter zeigt sich ein Nachlassen der Sportaktivitäten und auch der allgemeinen Bewegung. Dies hängt vor allem mit dem häufigeren Wegfall des Sportunterrichts zusammen. Generell hat der Schulsport einen großen Einfluss auf das allgemeine Sporttreiben der Jugendlichen (vgl. Diagramm 8).

Zusammenhang zwischen Schulsport

und Bedeutung des Sporttreibens

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diagramm 8

(vgl. WIAD-Studie 2000, 8)

45% der Jugendlichen, die nicht in einem Sportverein sind, geben als Begründung an, dass sie sich nicht zeitlich festlegen möchten. 29% ist die Vereinsmitgliedschaft zu teuer und 28% haben keine Lust auf Vereinsleben.

Die wichtigsten Vereinssportarten sind Fußball (31%), Tennis (13%), Volleyball (10%) und Handball und Schwimmen (je 8%). Bei den Freizeitsportarten dominiert das Radfahren (67%) vor dem Inline-Skating (42%), Fußball und Schwimmen (jeweils 40%) und Jogging (30%). Hierbei ist interessant, dass sich diese Sportarten besonders durch eine ausgeprägte Fitnessorientierung bzw. durch Fortbewegungsaspekte auszeichnen und sich daher von den Vereinssportarten unterscheiden. Festzuhalten ist, dass sich neue Sportarten wie zum Beispiel das Inline-Skaten oder das Beachvolleyball eher im Freizeitbereich etablieren.

Außerdem wurden in der Studie in Anlehnung an die ATPA-D Skala die sportrelevanten Motivstrukturen erfasst. Dabei handelt es sich um die Dimensionen

- Asketische Erfahrung (Bereitschaft zu langem, intensiven Training, zu harten Wettkämpfen, Opferbereitschaft für den sportlichen Erfolg)
- Ästhetische Erfahrung (Eleganz, Schönheit etc.)
- Soziale Erfahrung (Sport als Medium der sozialen Interaktion, Geselligkeit)
- Gesundheit/Fitness (Sporttreiben um der Gesundheit willen)
- Spannung/Risiko (Wagnis, Gefahr, Nervenkitzel)
- Katharsis [12] (Lösung von seelischen Spannungen, Abbau von aufgebauten Aggressionen, Ausgleich, Erholung von Alltagsbelastungen)

(vgl. Singer et al. 1980, 73)

In allen drei Zusammenhängen des Sports mit Schule, Freizeit und Verein sind die Motive „Gesundheit/Fitness“ und „soziale Erfahrung“ die stärksten, das Motiv „Ästhetik“ das schwächste. „Katharsis“ ist relativ selten im Schulsport zu finden, wird jedoch häufig als Motiv für den Vereinssport angegeben. Ähnlich verhält es sich mit der Dimension „Askese“. Man ist eher im Sportverein zu einem intensiven Training und zu harten Wettkämpfen bereit, in der Schule spielt dieser Aspekt kaum eine Rolle.

Geschlechtsstereotypische Unterschiede sind bei der Motivwahl sichtbar. Während Jungen eher Spannung und Risiko bevorzugen, ist für Mädchen der ästhetische Aspekt wichtiger. Hier spiegelt sich das nach wie vor bestehende Bild der Geschlechter wider.

2.2.3.3 Der Bewegungs-Check-up

„Neben Bewegungsmangel führen falsche, einseitige und unsinnige Essgewohnheiten, die zunehmende Verbreitung elektronischer Medien, Verhäuslichung durch den immer stärker werdenden Verkehr sowie erlebnisarme Umwelten zu organischen Störungen... .“

(WIAD-Studie 2000, 17)

Diese Störungen sollen der Studie zufolge die psychische Befindlichkeit von Kindern und Jugendlichen beeinflussen, Bewegungshemmungen auslösen und abweichendes Sozialverhalten bewirken.

Ziel des Check-ups, der auf dem Münchner Fitnesstest (MFT)[13] basiert, welcher die Komponenten Kraft, Ausdauer, Koordination und Flexibilität enthält, war es, die Bewegungsfähigkeit bzw. die -deprivation von Schülerinnen und Schülern zu erfassen. Diese Testergebnisse wurden mit den 1995 von Rusch/Irrgang gewonnenen verglichen (vgl. WIAD-Studie 2000, 22).

Bei der Frage nach der Häufigkeit des Sporttreibens werden von den Jugendlichen 6,5 Stunden als Mittelwert angegeben. Jungen treiben mit 10,6 Stunden im Durchschnitt mehr Sport als Mädchen (3,9).

Bei der eigenen Einschätzung der sportlichen Leistungsfähigkeit zeichnet sich ein durchweg positives Bild ab. Die Jugendlichen sind von ihrer eigenen Fähigkeit größtenteils überzeugt (55,3% urteilten „sehr gut“ und „gut“), wobei die Mädchen weniger euphorisch sind als die Jungen.

Im Vergleich mit den 1995 gewonnenen Daten zeigt sich nun eine generelle Verschlechterung aller Komponenten des Checks. Die Jugendlichen haben besonders bei den Übungen „Ballprellen“ (Koordination), „Halten im Hang“ (Kraft) und „Stufensteigen“ (Ausdauer) wesentlich schlechter abgeschnitten als bei den Werten von Rusch/Irrgang. Diese Ergebnisse belegen trotz einer relativ kleinen Stichprobe den Negativtrend der in den Medien thematisierten sportmotorischen Entwicklung.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist die völlig fehlerhafte Selbsteinschätzung der mit ausreichend und schlechter bewerteten Getesteten. Diese Jugendlichen sehen ihre eigenen Leistungen nicht schlechter an als die der Mitschüler. Die selbst gegebenen Noten variieren zwischen „befriedigend“ und „sehr gut“. Eine sehr realitätsferne und in der Konsequenz gefährliche Entwicklung, da oft die Notwendigkeit, diese Diskrepanz zu beseitigen, unterschätzt wird.

Die Studie hat aufgezeigt, welche Defizite im Bewegungsstatus und Bewegungsverhalten von Jugendlichen vorhanden sind. Viele verschiedene Gründe spielen hierbei zusammen und ergeben das vorliegende Bild, welches für die Zukunft Sorge bereiten muss.

[...]


[1] Prozess der Selbstwerdung des Menschen, in dessen Verlauf sich das Bewusstsein der eigenen Individualität bzw. der Unterschiedenheit von anderen zunehmend verfestigt (Duden - Das Fremdwörterbuch)

[2] Die autoritativen Familien sind prosozial und kompetent. Die Eltern lassen sich durch rationale Kontrolle, Wechselseitigkeit zwischen Gemeinschaftlichkeit und Selbständigkeit und eine ausgeglichene Einstellung zu „Rechten und Pflichten“ kennzeichnen.

[3] Die demokratischen Familien ähneln denen der autoritativen Familien, neigen allerdings eher zum Nachgeben und setzen weniger Grenzen.

[4] Die Gruppe der Gleichaltrigen und Gleichgesinnten

[5] gr.: Hedonismus; in der Antike begründete philosophische Lehre, nach welcher das höchste ethische Prinzip das Streben nach Sinneslust und Genuss ist

[6] Antworten auf die Frage: Wie oft machen sie Sport?

[7] basierend auf einer repräsentativen Umfrage von 2000 Personen durchgeführt vom British American Tobacco Freizeitforschungsinstitut, Quelle:www.bat.de

[8] lt. Definition ist mind. einmal in der Woche regelmäßig.

[9] Jugend, Information, (Multi-) Media 2001

[10] Frequenz: mind. einmal die Woche

[11] verwendet wurde eine in Frankreich übliche Definition von Übergewicht (vgl. Blech 2000, 146)

[12] gr.: Reinigung, hier: Spannungsabbau

[13] nach Rusch/Irrgang (vgl. WIAD-Studie 2000, 22)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832464431
ISBN (Paperback)
9783838664439
DOI
10.3239/9783832464431
Dateigröße
715 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Deutsche Sporthochschule Köln – unbekannt
Erscheinungsdatum
2003 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
mediennutzung jugend grounded theorie wirkungsforschung leitfadengespräch
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Titel: Teens im Netz
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