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Soziale Arbeit

Zwischen Ökonomisierung und Menschenrechtsprofession

©2002 Diplomarbeit 161 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Themen der Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession, der Ökonomisierung in der Sozialen Arbeit und ihre Bedeutung für die Soziale Arbeit mit ihren Methoden. Die Themenbereiche werden benannt und es findet eine Gegenüberstellung statt, anschließend wird anhand von Empowerment als handlungsleitendes Konzept die Vereinbarkeit der Bereiche erläutert.
Die Themenbereiche dieser Arbeit stehen immer wieder in der aktuellen Diskussion, die Menschenrechtsprofession und die Ökonomisierung Sozialer Arbeit. Generell habe ich festgestellt (d.h. in der gängigen Literatur und den Medien), dass immer der eine oder der andere Themenkomplex im Bezug auf die Soziale Arbeit abgearbeitet wird, positiv und / oder negativ. Geht es um eine Verbindung der Bereiche, wird in der Regel eine kritische Auseinandersetzung mit den ethischen Gesichtspunkten einer ökonomischen Anwendung von Sozialer Arbeit betrieben. Grundsätzlich ist eine Aufsplittung in der Bearbeitung von Ökonomie, Menschenrechten und Methoden vorzufinden, gerade dies wird häufig bemängelt.
Handlungsrahmen, Rahmenbedingungen und Gesamtkonzepte mit methodologischen Grundlagen und Handlungsweisen werden gefordert. Mit dieser Arbeit möchte ich den Versuch unternehmen eine 'Brücke zu schlagen'. Die Verbindung zwischen Menschenrechtsprofession mit ihren ethischen Grundlagen, einer ökonomischen Anwendung in der Sozialen Arbeit und sich daraus ergebende Handlungskonzepte, soll hergestellt werden. Dabei geht es nicht um die rein positive oder negative Darstellung von Ethik oder Ökonomie, sondern um den Versuch einer komplexen Darstellung einer ethischen, ökonomischen und wissenschaftlich fundierten Sozialen Arbeit mit möglichen Handlungskonzepten. Die Darstellung von Teileinheiten die ein Ganzes bilden können. Eine Profession bildet sich aus einer Komplexität die benannt werden muss und die einer Gesamtüberlegung bedarf.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
VorwortIV
AbkürzungsverzeichnisVI
1.Einleitung1
1.1Begründung der Themenwahl1
1.2Erkenntnisinteresse und Eingrenzung2
1.3Vorschau2
1.4Hinweise zur Schreibweise und Begriffsverwendung3
2.Die Entstehung der Menschenrechte4
3.Soziale Arbeit als Menschenrechtprofession5
3.1Sozialarbeit im historischen Kontext – vom Mittelalter zur Neuzeit6
3.1.1Das hohe Mittelalter7
3.1.2Die Industrialisierung9
3.1.3Das Elberfelder System11
3.1.4Das Straßburger System12
3.1.5Die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Themen der Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession, der Ökonomisierung in der Sozialen Arbeit und ihre Bedeutung für die Soziale Arbeit mit ihren Methoden. Die Themenbereiche werden benannt und es findet eine Gegenüberstellung statt, anschließend wird anhand von Empowerment als handlungsleitendes Konzept die Vereinbarkeit der Bereiche erläutert.

1.1 Begründung der Themenwahl

Die beiden Themenbereich dieser Arbeit stehen immer wieder in der aktuellen Diskussion von Sozialer Arbeit, die Menschenrechtsprofession und die Ökonomisierung Sozialer Arbeit. Generell habe ich festgestellt (d.h. in der gängigen Literatur und den Medien), dass immer der eine oder der andere Themenkomplex im Bezug auf die Soziale Arbeit abgearbeitet wird, positiv und / oder negativ. Geht es um eine Verbindung der Bereiche, wird in der Regel eine kritische Auseinandersetzung mit den ethischen Gesichtspunkten einer ökonomischen Anwendung von Sozialer Arbeit betrieben. Grundsätzlich ist eine Aufsplittung in der Bearbeitung von Ökonomie, Menschenrechten und Methoden vor zu finden, gerade dies wird häufig bemängelt. Handlungsrahmen, Rahmenbedingungen und Gesamtkonzepte mit methodologischen Grundlagen und Handlungsweisen werden gefordert. Mit dieser Arbeit möchte ich den Versuch unternehmen eine ' Brücke zu schlagen'. Die Verbindung zwischen Menschenrechtsprofession mit ihren ethischen Grundlagen, ökonomischer Anwendung in der Sozialen Arbeit und sich daraus ergebende Handlungskonzepte, soll hergestellt werden. Es geht nicht um die rein positive oder negative Darstellung von Ethik oder Ökonomie, sondern um den Versuch einer komplexen Darstellung einer ethischen, ökonomischen und wissenschaftlich fundierten Sozialen Arbeit mit möglichen Handlungskonzepten. Die Darstellung von Teileinheiten die ein Ganzes bilden können. Eine Profession bildet sich aus einer Komplexität die benannt werden muss und die einer Gesamtüberlegung bedarf.

1.2 Erkenntnisinteresse und Eingrenzung

Mein Erkenntnisinteresse ist es zu zeigen, dass eine Kombination von Ökonomie und ethischen Grundlagen in der Sozialen Arbeit mit entsprechenden handlungsleitenden Konzepten möglich ist und so eine sinnvolle Ergänzung, als Beitrag einer zukünftigen Sozialen Arbeit mit neuen an sie gestellten Anforderungen, zur Professionalisierung und einer eigenen Identität, geschaffen werden kann. Der Bezugsrahmen dieser Arbeit ist eher theoretischer Natur und macht sich an keinem speziellen Arbeitsfeld fest. Dies ist beabsichtigt, da es um eine mögliche Übertragung auf sämtliche Bereiche Sozialer Arbeit gehen soll und um ein grundlegendes Gesamtkonzept von Sozialer Arbeit, dass für alle Bereiche Gültigkeit haben kann.

1.3 Vorschau

Im ersten Teil der Arbeit habe ich den Begriff der Menschenrechtsprofession untersucht. Zuerst ist die Entwicklung der Menschenrechte und ein historischer Bezugsrahmen zur Sozialen Arbeit beschrieben, um die Bedeutung für die Soziale Arbeit unter theoretischen und berufsethischen Gesichtspunkten zu beleuchten. Anschließend sind Ursachen und Risiken der Ökonomisierung in der Sozialen Arbeit erläutert. Unter diesem Aspekt findet eine kritische Auseinandersetzung mit derzeitigen Neuerungen in der Sozialen Arbeit statt, z. B. die Neue Steuerung, Fachleistungsstunden etc. aber auch eine marktwirtschaftliche Betrachtung von Sozialer Arbeit. Eine - positive - Gegenpositionierung wird mit der Beschreibung von Chancen der Ökonomisierung deutlich. Die Kombination von verschiedenen ökonomischen Strategien mit Sozialer Arbeit zeigen, inwieweit eine hilfreiche Anwendung möglich sein kann und der Professionalisierung dienlich. Beispielhaft habe ich versucht mögliche Verwendung aufzuzeigen und Verbindungen zwischen Ökonomie und Sozialer Arbeit auf einer ethischen Grundlage herzustellen. Die beschriebene Corporate Identity[1] ist beispielsweise eine Möglichkeit, die eine nutzbare Anwendung erkennen lässt .

Im dritten Teil der Arbeit sind die klassischen Methoden von Sozialer Arbeit dargestellt. Anschließend wird das handlungsleitende Konzept des Empowerment mit seinen ökonomischem und humanistischen Bezügen erklärt und eine kritische Auseinandersetzung findet statt. Zum Schluss ist die Bedeutung des Empowerment für die Soziale Arbeit, als Beispiel eines gelingenden ökonomisch und humanen Konzepts Sozialer Arbeit beschrieben.

1.4 Hinweise zur Schreibweise und Begriffsverwendung

Die männliche und weibliche Form verwende ich durchgängig. Im Bereich der Berufsbezeichnungen halte ich mich vorwiegend an den Begriff der Sozialen Arbeit, der hier synonym für die Berufe Sozialarbeit und Sozialpädagogik stehen soll. Zwar haben sich alle drei Begriffe aus unterschiedlichen Richtungen entwickelt aber sie können auch nicht eindeutig und klar voneinander abgegrenzt werden. Aufgrund der Professionalisierungsdebatte und der Zusammenlegung der Fachbereiche Sozialarbeit/Sozialpädagogik in neuerer Zeit, erachte ich es allerdings als sinnvoll den Begriff ”Soziale Arbeit” als Oberbegriff für Sozialarbeit und Sozialpädagogik zu gebrauchen.[2]

2. Die Entstehung der Menschenrechte

In ihrem Ursprung sind die Menschenrechte[3] eine philosophische Idee. Schon die Griechen , Römer und das Christentum bildeten in ihrem Glauben grundlegende Elemente der Menschenrechte. ZENON führte mit der Schule der Stoa (im jüdischen Glauben), die Idee der ” Einen Welt” und des Weltbürgers ein und damit die Idee von der Gleichwertigkeit der Menschen und des gleichen Rechtsstatus aller Menschen. Damit wird die Idee des Naturrechts begründet: Der Mensch ist Kraft seines Menschseins natürlicher Träger und Besitzer dieser Rechte. Durch John LOCKE (1632 – 1704) wurde der Menschenrechtsgedanke entscheidend geprägt. Er forderte, „...dass niemand – da alle gleich und unabhängig sind – einen anderen in dessen Leben, seiner Gesundheit, Freiheit oder seinem Eigentum beeinträchtigen solle.”

Die ersten Menschenrechtsgedanken hielten Einfluss in die amerikanische Verfassung. Für Deutschland und auch für Europa, war der Philosoph KANT in Menschenrechtsgedanken sehr bedeutend, u.a. mit seiner Schrift ”Zum ewigen Frieden.” Der amerikanische Präsident WOODROW Wilson versuchte erstmals 1918 die Menschenrechtsfrage mit der 14 – Punkte – Erklärung (Nachkriegsordnung) international wirksam werden zu lassen. 1919 wurde auf Initiative WOODROWS der Völkerbund gegründet und 1941 (erst 22 Jahre späte ) formulierte man die Atlantik - Charta. Diese Nachkriegsordnung sollte aus dem Selbstbestimmungsrecht der Völker und den unveräußerlichen Menschenrechten bestehen. Die UNO wurde 1945 gegründet. In der Charta der Vereinten Nationen wurde in mehreren Artikeln Bezug auf die Menschenrechte genommen. Die 50 Gründungsnationen UNO verabschiedete am 10. Dezember 1948 – Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte -. So sind auf international höchster Ebene, die Menschenrechte als Idee, zum politischen Leitsatz geworden.[4] Historisch betrachte haben die Menschenrechte also eine europäisch – amerikanische Geschichte. Sie entstanden als Produkt von Aufklärung und bürgerlicher Revolution 1789 und waren Abwehr – und Bürgerrechte eines absolutistischen Staates. Im 19. Jahrhundert entstanden als Reaktion auf die sozialen Probleme frühkapitalistischen, europäischen Industrialisierung, die sozialen Rechte. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948, wurde zur Basis für alle von der UNO seither geschaffenen Konventionen und Verfahren zur Umsetzung universeller Standards für weltweite und lokale Probleme. Die Erklärung entstand unter dem Eindruck des Zusammenhangs zwischen ideologisch – kultureller und menschlicher Katastrophe vor und während des zweiten Weltkrieges. Menschen – und Sozialrechte können heute als Normen betrachtet werden, welche die Umsetzung zentraler, humaner und sozialer Werte einer in Entstehung begriffenen, universellen Kultur der Weltgesellschaft schützen sollen. Dabei stehen sie in Konkurrenz zu anderen Rechten (Eigentums - , Handels – und Gewerbefreiheit) u.a. universellen, kulturellen und hauptsächlich ökonomischen Wirtschaftswerten.

3. Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession

Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession zu bezeichnen mag für viele arrogant erscheinen. Sicherlich ist eine solche Bezeichnung diskussionswürdig, aber nicht utopisch. In neuerer Zeit bietet diese Überlegung durchaus eine vielversprechende Basis für eine internationale Soziale Arbeit. Nicht allein aus einer bestimmten Ideologie heraus, sondern auch aus internationalen und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten, auf die ich später noch eingehen werde. Ausgehend von einer wissenschaftliche Definition der Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession, ist die Bezeichnung von einer bestimmten Betrachtungsweise über die Funktion Sozialer Arbeit abhängig und bedarf in - der Frage von Sozialer Arbeit als Wissenschaft - einer Klärung.

Die Diskussion über eine wissenschaftliche Festlegung der Begriffe und einer Abgrenzung zu anderen wissenschaftlichen Disziplinen, wie der Soziologie, Psychologie, Erziehungswissenschaften und Anderen, führe ich hier nicht weiter aus. In der Auseinandersetzung ist die Überlegung erlaubt, inwieweit Soziale Arbeit ein Verständnis entwickeln kann, sich als Menschenrechtprofession zu verstehen. Stellt man die menschen – und sozialgerechte Gesellschaft in den Mittelpunkt der Bemühungen Sozialer Arbeit und bezieht sich nicht nur darauf, dass die Menschen für ihr Überleben und Wohlbefinden nicht ausschließlich auf eine natur – und menschengerechte, ökologische Umwelt angewiesen sind[5], so ergibt sich eine begriffliche Rechtfertigung. Um die Herleitung des Begriffes ”Menschenrechtsprofession” zu verstehen, ist es allerdings notwendig sich mit dem historischen Kontext der Sozialen Arbeit auseinander zu setzen.

3.1 Sozialarbeit im historischen Kontext – vom Mittelalter zur Neuzeit

In der Tradition der Sozialen Arbeit ist es Aufgabe, den Menschen in ihren spezifischen Lebenssituationen und Lebenswelten beruflich kompetent zu helfen. Es lassen sich drei globale Entwicklungslinien in der Sozialarbeit erkennen. Die Hilfeleistung aus barmherzig religiöser Motivation, aus der ehrenamtlichen und institutionalisierten fürsorglichen Linie, aus den sozialen Bewegungen und aus der sie beeinflussenden sozialpädagogischen Linie, die in der geisteswissenschaftlichen Linie beheimatet ist entstanden. Im Folgenden ist die historische Entwicklung der Sozialen Arbeit anhand von Eckdaten beschrieben. Maßgeblich sind die Punkte, die zur Entstehung der ethischen und moralischen Werte in der Sozialen Arbeit beigetragen haben. 3.1.1 Das hohe Mittelalter Das hohe Mittelalter, ist durch wirtschaftlichen Aufschwung und die Ausdehnung des Handwerks und Handels geprägt. Dies diente als Grundlage neuer Stadtgründungen. Die Kirche ist die größte Geldmacht in dieser Zeit und beeinflusst den Umgang mit der Armut. Auf dem Land herrschte immer noch die feudale Gesellschaft mit ihrer Ständeordnung. Die Städte bildeten die Elemente der Veränderung. Die Bedürftigen wurden nach ihren Bezugsgruppen versorgt, zum Einen im Familienverbund, in organisierten Handwerksorganisationen oder zum Anderen durch private Liebestätigkeit, durch die Kirche und den Ordensgemeinschaften. Durch die Einflüsse des Christentums, herrscht in dieser Zeit das Gebot der religiösen und weltlichen Nächstenlieb.

Anfang des 13.Jahrhunderts beschäftigt sich Thomas VON AQUIN in der Summa Theologica mit Themen ”Sozialer Arbeit”. Seine vorherrschende These war die, dass ökonomische, soziale und politische Ungleichheiten der Menschen gottgewollt sind. Er sah die Verpflichtung der Menschen darin, den hilfsbedürftigen Menschen Gutes zu tun, barmherzig zu sein und Almosen zu geben. Er stellte den religiösen – ethischen Aspekt sozialer Hilfeleistung in den Mittelpunkt.[6]

„Geber Verdienste erwerben können, das ist es, was die Notleidenden als Empfänger der Almosen für die mittelalterliche Gesellschaft wertvoll macht.”

Durch AQUIN wird der Subsidiaritätsgedanke entwickelt. Er verband die christliche Liebestätigkeit (caritas) und die christliche Soziallehre. Es entstand ein Zusammenhang zwischen christlich – wohlfahrtlicher und staatlich – institutioneller Hilfe.

Im Verlauf des 13. und mit beginnendem 14. Jahrhundert, löste sich die Ständegesellschaft auf. Die Naturalwirtschaft wurde durch die Geldwirtschaft abgelöst. Merkantelistische[7] Interessen traten in den Vordergrund und es entstanden neue soziale und wirtschaftliche Verfassungen. Humanistische Ideale und katholische Glaubensgrundsätze wurden verbunden. Vor allem Juan Luis VIVES (1492 – 1540) zeichnete sich durch besondere Gedanken und Maßnahmen aus, die als Vorläufer der heutigen Sozialen Arbeit zu bezeichnen sind. 1525 formulierte er eine Schrift ” Über die Unterstützung der Armen”, die auch heute noch die Aufgaben der Sozialen Arbeit bestimmt. Heute gilt VIVES als Begründer der Theoriebildung Sozialer Arbeit in ihren Anfängen.

Die Stadtflucht und die damit verbundene Massenverelendung und sozialen Notstände in den Städten und den sich bildenden Armenvierteln, erforderten andere Maßnahmen und Umgehensweisen mit der Hilfsbedürftigkeit der Menschen. Es bildete sich eine individuelle Armut heraus, die aus eigenem Versagen entstand. Für viele wurde Betteln einzige Einnahmenquelle. Die Stadtverwaltungen erstellten Armen - und Bettelordnungen, um die Verelendung zu organisieren. Die Zuständigkeit für die Vergabe von Almosen ging in den kommunalen Zuständigkeitsbereich über. Im 17. Jahrhundert war die Sicherstellung und Versorgung tatsächlich Bedürftiger das Hauptthema der Armenordnungen. Armenkassen und Almosenämter dienten der Durchsetzung dieser Ziele. Die öffentliche Armenpflege finanzierte sich aus Unterstützungsleistungen der Kirchen, Spendenaufforderungen und Haussammlungen in caritativer Tradition. Die Armut breitete sich jedoch so stark aus, dass dies nicht mehr ausreichte. Arbeits – und Zuchthäuser wurden eingerichtet, die gegen Leistungsmissbrauch abschrecken sollten und die Verstöße gegen hoheitliche Gewalt ahndeten.[8] Durch die Verstaatung, dem Aufbau organisierter Staats – und Verwaltungsbehörden und dem Aufbau des Justizwesens zeigte sich der Wertmaßstab der Aufklärung und des vernunftgelenkten Handelns. Die Folge der Verstaatung, des wirtschaftlich – - technischen Fortschritts und der Veränderung des Weltbildes zur Zeit der Aufklärung war, dass sich auch die gesellschaftlich – sozialen Strukturen ändern mussten. Die Menschen wurden unzufrieden und sie forderten Veränderungen in den Machtverhältnissen und kritisierten ihre eigene Unfreiheit. Die Geschichte der Sozialen Arbeit ist in enger Verbindung mit der Wirtschaftsgeschichte und den geistigen Entwicklungen zu sehen. Die Entdeckung des Individuums und der Ratio durch die Aufklärung, waren Grundlage für die Lösung des Menschen aus den alten Bindungen der gottgegebenen Ordnung in der Feudalgesellschaft. Mit der französischen Revolution 1789, wurden Individualrechte für jeden Menschen eingefordert.

3.1.2 Die Industrialisierung

Zu Beginn der Industrialisierung ist die Nächstenliebe als eine humanitäre Verpflichtung gegenüber den Armen verstanden worden. Doch mit der industriellen Revolution Ende des 18. Jh., änderte sich dies grundlegend. Es entstand eine Zweiklassengesellschaft, die der Arbeiter und die der Unternehmer und eine neue Armut der sogenannte Pauperismus.[9] Eine Armut als Anklage der neuen Gesellschaftsordnung, die das Bürgertum zu tiefst beunruhigte. Die soziale Frage[10] wurde erstmals diskutiert. Der Übergang zur Industriegesellschaft war durch eine fortschreitende Individualisierung gekennzeichnet und durch die zunehmende Bedeutung außerhäuslicher Arbeit. Die Trennung von Lebens – und Arbeitswelt, von privatem und öffentlichen Bereich wurde zu einem Charakteristikum der bürgerlichen Gesellschaft. Die sich so bildende soziale Sphäre,[11] in der die Bürger nun vielfach ihren eigenen Handlungs – und Interessenbereich herausbildeten, diente somit als Feld für die Anfänge der individuellen Lebensentwürfe, in denen auch die Möglichkeit ihres Scheiterns inbegriffen war. Diese soziale Sphäre ist wohl auch der Ort, an dem die Entstehung und professionelles Wirken der Sozialen Arbeit anzusiedeln ist. WENDT beschreibt diesen Vorgang als Wandel in die Ökonomie. Eine kapitalistisch orientierte Gesellschaft entstand. Gleichzeitig bildete sich außerdem eine neue Gesellschaftsstruktur. Theologie und Philosophie verloren an Bedeutung. Die Naturwissenschaften wurden wichtigste Grundlage der Industriegesellschaft. Die Trennung von Arbeit und Kapital sowie die Entstehung des Proletariats, führten zu weiteren sozialen Missständen und sozialen Notlagen in der Bevölkerung. Aus diesen Umständen heraus gründeten sich Arbeiterbewegungen (z.B. Gewerkschaften, Genossenschaften, Arbeiterparteien) aber auch private und kirchliche Träger der Wohlfahrt.[12] Im 19. Jahrhundert entstanden staatliche, kommunale und private Organisationsformen für die Versorgung und Unterstützung der Armen. Die kommunale Armenpflege regelte die Versorgung der Armen und deren Hilfsbedürftigkeit. Die Armenfürsorge hatte einen repressiven Charakter. Sie galt zwar als etabliertes Hilfssystem, aber es bestand kein Rechtsanspruch und sie war der Armenpolizei angegliedert. Ihr Ziel, sollte eine Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zum Schutz des Wirtschaftsliberalismus[13] sein. Das 18. und 19. Jahrhundert bildete restriktive Organisationsstrukturen und erstmals festgeschriebene Bedürftigkeitsmerkmale für den Bezug von Unterstützungsleistungen. Eine Verstaatlichung der Sozialen Arbeit mit erziehenden Charakter.[14]

3.1.3 Das Elberfelder System

Erste Verbesserungen finden erst nach dem Vorbild des ” preußischen Gesetzes über die Verpflichtung zur Armenfürsorge” (1842) und dem Elberfelder System statt. Durch das ” preußische Gesetz”, kommt es 1871 reichsweit zu der Neuregelung des ” Wohnsitzprinzips.”[15] Damit wurde das ” Heimatprinzip” abgelöst. Außerdem regelte das Gesetz erstmals Fragen der Kostenübernahme und der Zuständigkeiten.

Das Elberfelder System,[16] war ein System, dass durch die Elberfelder Armenordnung 1852 zur Armenverwaltung eingeführt wurde.

Es beruhte auf den Grundlagen der Dezentralisierung, der Individualisierung und der Ehrenamtlichkeit.

Die öffentliche Aufgabe der Armenpflege wurde unter der Regie der Stadtverwaltung, ausschließlich durch ehrenamtliche Hilfsorgane gelöst, die selbständige Entscheidung über öffentliche Mittel eingeschlossen.

Die ehrenamtlichen ArmenpflegerInnen, wählte man auf Vorschlag der Kirche durch die Stadtverordnetenversammlung. Er/Sie war für die Armen seines/ihres Quartiers zuständig (höchstens vier Familien).

Der/die Armenpfleger/in nahm Hilfeanträge für Bedürftige an und prüfte ihre Verhältnisse, brachte den Hilfeantrag in die Bezirksversammlung ein, teilte den Armen deren Beschluss mit und führte diesen auch aus.

Die Bezirksversammlung setzte sich aus den ArmenpflegerInnen eines Armenbezirks zusammen. Es waren je 15 ArmenpflegerInnen, unter dem Vorsitz eines Mitgliedes der Armenverwaltung, mit gleichberechtigtem Stimmanteil.

Bei regelmäßigen Kontrollbesuchen führte er/sie sogenannte Abhörbögen und nahm Einfluss auf die Lebensführung der Armen. Im persönlichen Kontakt zu den Hilfsbedürftigen waren die PflegerInnen selbständig.

3.1.4 Das Straßburger System

Das Elberfelder System fand viele Nachahmer, die es zum Teil modifizierten. Nach und nach wurde die Entscheidungsbefugnis der Pflegerversammlung eingeschränkt, bis endlich im Straßburger System das Armenamt, mit hauptberuflichen ArmenpflegerInnen, alle Entscheidungen fällte.

Diese Entwicklung ist mit den komplizierten Rechtsverhältnissen, die häufig die Sachkunde der Ehrenamtlichen überforderte, zu erklären. Das 50 Jahre jüngere Straßburger System[17] hat das Elberfelder System als Organisationsmodell städtischer Wohlfahrtspflege weitgehend abgelöst.

Das nach der Stadt Straßburg im Elsass benannte System wirkte wie das Elberfelder System, aus dem es um 1907 herausgebildet worden ist, auf die soziale Arbeit bis heute nachhaltig ein, besonders auf deren Organisation.

Die Aufgaben der öffentlichen Fürsorge, die im Elberfelder System fast nur von ehrenamtlichen MitarbeiterInnen verantwortlich wahrgenommen wurde, wurden im Straßburger System neu verteilt.

Die Hilfsbedürftigen wandten sich direkt oder mittelbar zuerst an die Zentralstelle der Verwaltung (Armenrat/Armenamt) oder an die Bezirkskommission, in welcher mehrere Pflegebezirke zusammengefasst waren.

Hier wurde der jeweilige Fall von Verwaltungsfachkräften geprüft und die ihnen adäquaten Hilfsmassnahmen eingeleitet. Der/die Hilfeempfänger/in kam z.B. in ein Krankenhaus, oder er/sie wurde einem für ihm/sie geeigneten ehrenamtliche/n Armenpfleger/in zugewiesen.

Da im Straßburger System schon deutlich in Innendienst und Außendienst gegliederte wurde, war es scheinbar notwendig, die Fachkräfte aufzunehmen, die an den neuen Sozialen Frauenschulen ausgebildet wurden. Sie traten hauptberuflich vor allem in den Außendienst ein. Die Sozialen Frauenschulen bildeten sich aus dem Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge, der den Sozialberuf 1907 herbeigeführt hatte.[18] Im Straßburger System ging es erstmals um finanzielle und an die Person gerichtete persönliche Hilfeleistungen, einmalig aber auch kontinuierlich. Bis 1970/75 diente das Straßburger System, als Grundlage sozialarbeiterischen Handelns. 3.1.5 Die Reichsversicherungsordnung Die Umsetzung der Reichsversicherungsordnung (RVO) Ende des 19. Jahrhunderts durch BISMARCK, war zentral für die weitere Entwicklung der Sozialen Arbeit. An die ausschließliche Stelle öffentlicher und privater Armenfürsorge, trat ein Recht auf Versorgung durch anteilige Beitragszahlungen. Dadurch wurde die Subsidiarität[19] der öffentlichen Armenfürsorge festgeschrieben.

3.1.6 Soziale Arbeit als Beruf

Endes des 19. Jahrhunderts führte die Erkenntnis, dass die helfende und Almosen verteilende Soziale Arbeit nicht mehr ausreicht, zu einer neuen Fachlichkeit. Besonders die bürgerliche Frauenbewegung forderte Veränderungen. Professionalität, das Erkennen gesellschaftlicher Zusammenhänge und Reformen waren notwendig, um einen neuen Umgang und eine neue Herangehensweisen an soziale Probleme zu schaffen.

In der Sozialen Arbeit bestand ein diakonisch - caritatives Leitbild, welches von Entwürfen sozialer Bewegungen geprägt wurde. Die herrschende altruistische[20] Professionalisierung der Sozialen Arbeit ging in ihrer Berufsaufassung davon aus, dass das Können und Tun auf einer sogenannten Gabe beruht, die sich im Berufsein zeigt. Immer auf Grundlage ethisch – moralischer Verpflichtungen. Erst auf dem Hintergrund von traditionellen geisteswissenschaftlicher Forschung Anfang des 20. Jahrhunderts, wurde diese Denkweise abgelöst.

Die erste Soziale Frauenschule (s.h. Fußnote 16) ermöglichte eine Ausbildung und Qualifizierung in Verbindung mit reflektierender beruflicher Praxis. Sie wurde 1908 von Alice SALOMON gegründet. A. SALOMON schuf damit ein erstes Ausbildungssystem der Sozialen Arbeit in Deutschland. Ihr Verdienst ist die theoretische Entwicklung begründeter Handlungsvollzüge, auf wissenschaftlicher Grundlage.[21] Alice SALOMON gilt auch heute noch als Begründerin der Sozialen Arbeit in Deutschland. In ihren Ideen wurde SALOMON von Jane ADDAMS beeinflusst. Jane ADDAMS (1860 – 193 ), gilt in den USA als führend in der Theoriebildung Sozialer Arbeit ihrer Zeit. Sie war die Wegbereiterin wissenstheoretischer Bemühungen. Ihre Forschungen dienten dem Erkenntnisinteresse, die Bedingungen die zu sozialen Problemen führen, zu erkennen und nachhaltig zu beseitigen. Soziale Gerechtigkeit, Sozialbewusstsein, Frieden und die Verknüpfung Sozialer Arbeit mit politischem Handeln waren in ihrer Arbeit immer mit menschenrechtlichen Aspekten verknüpft.

Auch Alice SALOMON stellte menschenrechtliches Denken und Handeln in den Vordergrund.

3.1.6.1 Alice Salomon als Begründerin der Sozialen Arbeit in Deutschland

Um die Situation zu Beginn 20. Jahrhunderts zu verstehen und ihre Bedeutung für die Entwicklung der Sozialen Arbeit, ist es sinnvoll das Werk und die Person Alice SALOMON (1872 – 1948) exemplarisch zu betrachten.[22]

Alice SALOMON ist mit ihrem Werk wegweisend in einer sozialen Ethik, zu der die Verbindung und Balancierung privater und öffentlicher sozialer Verantwortung gehören, neben weiteren Wegbereiterinnen der Sozialen Arbeit, wie z.B. Jeanette SCHWERIN (1850 – 1917), Helene WEBER (1881 – 1962), Siddy WRONSKI (1883 – 1947) u.a. mehr.[23]

Alice SALOMON formulierte in einer Zeit, in der die überkommene christlich – religiöse Begründung öffentlicher Moral in Frage gestellt wurde und die nach grundlegenden neuen Begründung von Moral und Verantwortung verlangte, solche Begründung nicht gegen die Bedürfnisse des Einzelnen, sondern in bewusster Reflexion von diesen.

Ihre Schriften stehen dabei auch für den Versuch einer wirklichen Assimilation und Integration jüdischer sozialer Tradition in die deutsche Kultur.

Alice SALOMONS Werk zeigt, wie soziale Themen und Probleme formuliert werden und in den öffentlichen Diskurs treten. Der herkömmliche Gegensatz zwischen Theorie und Praxis wird als Fiktion deutlich. Für die aktuelle Debatte um eine Neudefinition sozialer Wahrnehmung und Verantwortung, sind die Schriften A. SALOMONS von grundlegender Bedeutung.

Ihr umfangreiches schriftliches Werk, ist ein beeindruckendes Dokument der Sozial – und Frauengeschichte des 20. Jahrhunderts. Zentrales Thema der Schriften ist die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und Wahrnehmung sozialer Verantwortung im Zusammenhang mit Frauenemanzipation sowohl in der Praxis wie in der Pädagogik und in der politischen Theorie.

Ihr Lebenswerk muss vor dem Hintergrund der sozialen Umbrüche des 19. Jahrhunderts betrachtet werden. Mit der sich ausbreitenden Industrialisierung wandelte sich die Struktur des Familienlebens. Die Frau wurde in den Arbeitsprozess außerhalb des Hauses einbezogen. Die missbräuchliche Ausnutzung der weiblichen Arbeitskraft, Kinderarbeit, die Ballung großer Menschenmassen in den Städten und Industrieregionen schufen eine Fülle von Problemen. Vor allem musste das Armenwesen neu geregelt werden. A. SALOMON kommt der Verdienst zu, an der Entwicklung der Sozialarbeit als eigenständige Disziplin maßgeblich beteiligt gewesen zu sein. Damit verbunden war ihr Engagement in der Frauenbewegung. Soziale Arbeit sollte den Frauen ein selbständiges berufliches Betätigungsfeld eröffnen. Insofern gilt A. SALOMON als Begründerin des sozialen Frauenberufes in Deutschland. Denn angesichts der sich wandelnden gesellschaftlichen Strukturen, bedurfte die Soziale Arbeit einer besseren systematischen Vorbereitung und Organisation. Der Armut und Verelendung breiter Bevölkerungsschichten, war nicht mehr länger durch Wohltätigkeit im Sinne planlos sentimentalen Almosengebens zu begegnen. Kenntnisse der rechtlichen und ökonomischen Struktur der Gesellschaft waren unverzichtbar. Helfen als Beruf setzte ein klares politisches Konzept voraus. An die Stelle des Prinzips der Mildtätigkeit, sollte staatliche Sozialpolitik und Soziale Arbeit treten. An die Stelle der Abhängigkeit der/des Almosensempfängers/in sollte Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden. Im Zentrum des Interesses stand weniger die Barmherzigkeit gegenüber den Notleidenden, als vielmehr die Forderung nach Gerechtigkeit für alle gesellschaftlichen Schichten. – In ihrer Dissertation war A. SALOMON zu dem Schluss gekommen,

„ .. dass mit der Beseitigung der schlechteren Bezahlung der Frauen so lange nicht zu rechnen ist, wie nicht der dilettantische, provisorische und zufällige Charakter der Frauenarbeit auf der ganzen Linie beseitigt wird.”

A. SALOMON gehörte zu den engagiertesten Publizistinnen ihrer Generation, die mit Reflexionen zu Themen der Frauenbewegung und zu Fragestellungen des gesamten sozialwissenschaftlichen Bereichs an die Öffentlichkeit traten. Sie war Herausgeberin der Schriftenreihe der Deutschen Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit sowie der Forschungen über Bestand und Erschütterung der Familie in der Gegenwart.

Ihr lange vergessenes Werk, wird in neuerer Zeit mit der Verleihung des Alice – Salomon – Preises gewürdigt, der für hervorragende Leistungen in Wissenschaft und Praxis auf dem Gebiet der sozialen und frauenspezifischen Arbeit auszeichnet.

Ein wesentlicher Teil A. SALOMONS Arbeit, lag in der praktischen Umsetzung ihrer Vorstellungen vom sozialen Beruf. Eine weitere Leistung war der theoretische Beitrag zu wesentlichen Grundfragen der Sozialen Arbeit.

A. SALOMON hat kein geschlossenes, logisches Theoriegebäude vorgelegt. Ihre Definitionen und ihre theoretischen Positionen zu Grundfragen der Sozialen Arbeit sind in ihren vielen Schriften verstreut, und sie selbst hat sie nicht systematisch zusammengefasst. Trotzdem war sie eine Pionierein der Wissenschaft der Sozialen Arbeit und ihr Beitrag war es vor allem, dass sie Perspektiven und Fragestellungen eröffnete. Vieles von dem, was heute ganze Forschungseinrichtungen bestimmt.

Ihr Gesamtwerk gibt eine zusammenhängende Perspektive Sozialer Arbeit wieder, die wissenschaftlichen Erkenntnisse verschiedener Disziplinen jeweils auf das Erkenntnisinteresse über - die Frage nach der Qualität sozialer Arbeit – konzentriert.

SALOMON wollte die Welt nicht vorrangig neu erklären sondern zur Gestaltung und Veränderung auffordern. Sie wollte nicht Soziologie oder Ökonomie betreiben sondern aus allen Wissenschaftsbereichen mit ihren Erkenntnissen, eine Handlungswissenschaft der Sozialen Arbeit am Gegenstand der Praxis entwickeln.

Ihre Absicht war ein Beitrag zur Entstehung einer sozialen Ordnung mit mehr Gerechtigkeit.

Das Wissen sollte der praktischen Anwendung dienen. Für A. SALOMON waren sozial – und politikwissenschaftliche Theorien und Soziale Arbeit nicht zwei getrennte Gebiete sondern zwei miteinander verknüpfte Arbeitsgebiete.

Wesentliche Themen in ihrem Werk sind, die Frage nach der Ursache sozialer Not, die Frage nach dem Gegenstand Sozialer Arbeit sowie die Fragen nach Zielen und Methoden. Sie nutzte die wissenschaftlichen Disziplinen der Geschichte, Philosophie, Pädagogik oder Soziologie, um das Handlungsfeld der Sozialen Arbeit aufzuklären und kam darüber zu einer politischen Auffassung und zu einer untrennbaren ethischen Dimension des Handelns in diesem Feld.

Durch die Vielfältigkeit der einzelnen Menschen, ergab sich für sie auch die Vielfältigkeit der Sozialen Arbeit, aus den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen.

Grundlage ihrer theoretischen Erkenntnisse und ihres praktischen Handelns, war ihr Menschenbild:

- Die Gleichheit aller Menschen in Bezug auf ihre Würde und ihre Rechte sowie die Einzigartigkeit eines jeden Menschen, der in jeder pädagogischen und Sozialen Arbeit Rechnung getragen werden muss.
- Größter Feind des Menschen ist der Egoismus und die Gedankenlosigkeit.
- Umwelt und Anlage beeinflusse den Menschen ein Leben lang. Das Ergebnis dieser Wechselwirkung ist der Charakter.
- Wille und innere Kraft ist eine entscheidende Größe im Leben und muss von Erziehung und Sozialer Arbeit berücksichtigt werden.
- Der Mensch ist mit der Gesellschaft verflochten und steht deshalb immer in einer Schuld in der Gesamtheit.
- Die Arbeit macht einen großen Teil des Menschen aus, nur mit ihr kann er wachsen, aber auch Menschen ohne Arbeit bleiben Menschen mit Wünschen und Hoffnungen die nach Trost und Aufrichtung verlangen (Arbeitslose, Nicht – Sesshafte...).

Nach A.SALOMON, musste der Staat die Schwachen vor den egoistischen Interessen der Starken schützen. Er sollte die gemeinsamen Interessen fördern und der Wirtschaft grenzen setzen, um dieses Ziel zu erreichen.

„Das Wirtschaftssystem ist für den Menschen da und nicht umgekehrt. Was ethisch verwerflich ist, kann volkswirtschaftlich nicht gut sein, sonst müsste man auch z.B. Erdbeben schätzen, weil sie Arbeitsgelegenheiten schaffen. Die Wirtschaft sollte da eingeschränkt werden, wo sie die Gesamtheit bedrohe.”

3.1.6.2 Die Soziale Arbeit nach Alice Salomon

„Soziale Arbeit beruht auf dem Grundsatz, dass die Gesamtheit für die schwächeren Glieder Verantwortung übernehmen muss. Und die Gesamtheit trägt die Schuld für alle Ungerechtigkeiten, Selbstsucht, Rücksichtslosigkeit, die sie im sozialen Kampf zugelassen hat. Sie muss die Schäden, die daraus entstanden, gutmachen, die Leiden der Opfer zu beseitigen versuchen.”[24]

Ihr Interesse galt einer professionalisierten Sozialen Arbeit nicht mehr Almosenhaft, sondern in allen Bereichen gezielt (in der Gesamtheit gekoppelt z.B. Gesundheitsfürsorge und Jugendwohlfahrt), organisiert und erlernt ausgeführt.

A. SALOMON schuf den Begriff der KlientInnen im Gegensatz zu den Hilfsbedürftigen und Armen, in bewusster Analogie zu RechtsanwältInnen, ÄrztInnen etc., denn auch in der Sozialen Arbeit kommen Menschen mit einem speziellen Anliegen und haben ein Recht auf Beratung und Unterstützung.

Sie verknüpfte pädagogische und Soziale Arbeit, im Hinblick auf die Gesamtheit und das Einwirken auf den Einzelnen, dass nur in Kombination von Beidem möglich ist.

Deshalb wurden die Fächer Pädagogik und Psychologie Mittelpunkt der sozialen Ausbildung.

Die Herstellung der Beziehung zwischen Einzelfall und sozialem Problem, war ein weiterer Punkt in der Entwicklung von Sozialer Arbeit durch A.SALOMON.

Ab ca. 1930 benutzte sie nicht mehr den Begriff FürsorgerIn, sondern SozialarbeiterIn. Denn Fürsorge umfasst nicht die Gesamtheit Sozialer Arbeit.

Sozial bedeutete für S. nicht wertfrei gesellschaftlich, sie verstand sozial eng verknüpft mit Gerechtigkeit.

Gerechtigkeit aber immer in religiöser – sittlicher Verankerung.

A. SALOMON verstand die Soziale Arbeit als ganzheitliche Methode, auf den Menschen bezogen, da ein einseitiges Blickfeld nicht wirklich zu Lösungen führen kann.

Methoden waren für sie allerdings nur nützliche Werkzeuge, sie sah eine emotionale Bindung von SozialarbeiterInnen und KlientInnen und dies erfordere deshalb schöpferische Gestaltungskraft und die Kunst des Fallverstehens und des entsprechenden Handelns. Somit handelt es sich bei Sozialer Arbeit, um die Verknüpfung von sachlichen und menschlich – persönlichen Aufgaben.

Um Professionalität zu erreichen entwickelte sie ein eigenständiges Theorie – Praxiskonzept in der Ausbildung zum Sozialen Beruf. Theoretische Grundlage und praktische Anleitung waren ihr Konzept, dass wir auch heute noch in der Ausbildung wieder finden.

Tun, das durch Wissen, Denken und Urteilen kontrolliert und geleitet wird und Wissen, das sich in Tun und Handeln umsetzt.

„Der soziale Beruf ist weder ein gelehrter noch im engeren Sinne praktischer Beruf. Er fordert fortgesetzt geistige Entscheidungen im Hinblick auf praktische Angelegenheiten und Ergebnisse.”

A. SALOMON bildete eine Berufidentität und Berufsethik ähnlich die der Ärzte. Die sozial Berufenen sollten von der Sozialen Idee motiviert sein. Im Unterricht fand ein starker Praxisbezug statt, Fallbeispiele etc., Fachzeitschriften wurden vorgestellt und die Auszubildenden nahmen an Tagungen von z.B. Dachverbänden teil. Die SchülerInnen sollten befähigt werden, zu lernen und sich Befähigungen selbst an zu eignen.

Heute versuchen die Fachhochschulen diesen Praxisbezug zu schaffen, im Gegensatz zu den Universitäten die eher theoretische Grundlagen lehren und den wissenschaftlichen Bereich mit ein beziehen, was zu einer stärkeren Anerkennung der Sozialen Arbeit, als Profession beigetragen hat.

Schwerpunkt der Sozialen Arbeit, war nach A.SALOMON, für die Frauen bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Dies verstand sie, als soziale Mission der Frauenbewegung.

Frauen waren damals in allen Bereichen stark benachteiligt, hatten kaum Rechte und Schutz vor der Gewalt der Männer.

Gewalt lehnte sie grundsätzlich ab. Ihrer Meinung nach könnten Frauen niemals auf die Erfüllung ihrer Interessen hoffen, so lange Gewalt herrsche.

„Die Frau ist ihrer Natur nach nicht am Machtkampf interessiert. Sie kann kein freies Ringen zwischen Starken und Schwachen wollen, weil sie selbst überall, wo Gewalt und Macht herrschen, unterliegen muss.”

A. SALOMON vertrat die Auffassung, dass Frauen die besseren sozialen HilfsarbeiterInnen wären, da sie ihre (sowieso) vorhandenen Ressourcen dabei ein bringen könnten. Der Einsatz sollte natürlich erlernt und geschult stattfinden. Sie forderte eine aktive sozialpolitische Einmischung zur Behebung von Klassenunterschieden und keine mütterliche Caritas. Die Differenz zum Mann sah sie in der Mutterschaft, die bei Frauen besondere Kräfte freisetze und sie in besondere Beziehung zu Kindern und Hilfsbedürftigen bringe. Wobei sie die Geschlechterunterschiede in anderen Bereichen nicht sah Zit.: „... es gibt männlicher Frauen, als Männer.” Frauen schrieb sie eine Wert – und Höherschätzung des einzelnen Menschenlebens zu und hoffte, dass sie diese auch irgendwann in die Politik einbringen könnten.

SALOMONS Konzept, war demnach kein Konzept biologischer Unterordnung der Frau, sondern beruhte auf der Philosophie der mütterlichen Lebenspraxis.

Soziale Arbeit, sah sie als königliche Domäne der Frau. In der sie autonom und kreativ wirken konnte. Das Männer sich einmal dieser Domäne zu ordnen würden, hielt sie für unwahrscheinlich, sie wurden in ihrer vereinzelten Erscheinung als Randgruppen betrachtet.

Die Jugendwohlfahrt nach dem 1. Weltkrieg und die Verknüpfung von pflegerischen und verwaltungstechnischen Aufgaben, änderten dies.

In der Zusammenfassung über Alice SALOMON wird deutlich, dass sie die Verbindung der professionellen Sozialen Arbeit mit humanistischen – ethischen Werten gesucht hat. Eine Wertschätzung der Menschen wird bei ihr klar erkennbar und die Verbindung dieser Vorstellungen mit ihren Ausbildungs - und Lernkonzepten, die auch heute noch bzw. wieder aktuell sind.

3.1.7 Soziale Arbeit im 1. und 2. Weltkrieg

Durch den 1. Weltkrieg, war es die Aufgabe der Sozialen Arbeit, die schweren Schäden der Zerstörung und materielle Not zu lindern. Nach dem Wirtschaftswachstum der 20er Jahre, kam eine große Wirtschaftskrise. Sie war durch hohe Arbeitslosigkeit geprägt (6 Millionen Menschen im Deutschen Reich). Die Soziale Arbeit mit ihren freien und öffentlichen Trägern versuchte der Arbeitslosigkeit, Armut und sozialer Missstände zu begegnen. Die Wohlfahrtspflege und die Sozialgesetze der Weimarer Republik sollten dies unterstützen.

3.1.8 Im 3. Reich

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 konnte keine differenzierte Sozialarbeit mehr statt finden. Die öffentliche Fürsorge wurde zur Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV). Die freien Träger der Wohlfahrt gerieten unter Druck und konnten mit ihrer Arbeit nicht mehr wie bisher fortfahren.

Der Nationalsozialismus führte zum Ende des Individualismus. Die Wohlfahrtspflege und Soziale Arbeit, sollte dem Volkskörper zu Gute kommen. Aus der Wohlfahrtspflege wurde die Volkspflege und die Wohlfahrt wurde die Volkswohlfahrt. Im NS – Wohlfahrtsstaat kam es zu einer Polarisierung. Auf der einen Seite gab es die funktionierende Mehrheit, der es an nichts mangelte und auf der anderen Seite eine geringe funktionsunfähige Minderheit, deren Mitglieder wurden im Einzelfall aus gesondert. Vor allem Behinderte und Geisteskranke fielen der Euthanasie[25] zum Opfer. Lt. Nürnberger Prozess wurden zwischen 1933 und 1945 500.000 Menschen zwangssterilisiert und 275.000 Menschen ermordet. Ab 1941 fand ”die Endlösung der Judenfrage” statt, es wurden 6 Millionen Jüdinnen und Juden ermordet. Zuerst die EmpfängerInnen von Fürsorgeleistungen zur Entlastung der Wohlfahrtskassen. Der Nationalsozialismus wollte die Soziale Arbeit überflüssig machen. Durch Aussonderung, Rassen – und Erbkontrolle, sollte die Wohlfahrt auf ein Minimum beschränkt werden. Reichszuschüsse wurden gekürzt und die Unterstützung Bedürftiger deutlich gesenkt. Förderung erhielt nur das Gesundheitswesen. Hier wurde unter den Nationalsozialisten, Rassenbiologie und Gesundheitsforschung, überwiegend durch Ärzte und Medizinalbeamte, betrieben.

Soziale Arbeit wurde als Frauentätigkeit gesehen. Die beigeordnete FürsorgerInnen an den Gesundheitsämtern, erledigten Aufgaben des von den Nationalsozialisten erlassenen Erbgesundheitsgesetzes und erstellten sogenannte Sippentafeln. Diese Arbeiten dienten der Entscheidung über Zwangssterilisation und Euthanasie von Menschen. Die Konferenz der Sozialen Frauen – und Wohlfahrtsschulen, wurden in Reichszusammenschluss staatlich anerkannter Schulen für Volkspflege umbenannt. Bis 1937 kamen sie den Forderungen der Nationalsozialisten weitgehend nach, lösten sich dann aber auf. Auch die Berufsverbände wurden umbenannt und zusammengelegt. Fragen der Ausbildung, Reflektion der beruflichen Tätigkeit und Qualitätskontrollen fanden nicht mehr statt. Eine große Anzahl von Angehörigen der Wohlfahrtspflege emigrierte bis 1938. Viele dieser Personen waren im Exil weiter sozial tätig, z.B. Ruth FISCHER, Walter FRIEDLÄNDER oder Gisela KONOPKA. Andere EmigrantInnen konnten außerhalb des eigenen Landes nicht mehr weiter arbeiten. Trotzdem gab es im Exil viele sozial organisierte Projekte, die der Rückkehr nach Deutschland nach dem 2. Weltkrieg sowie dem Wiederaufbau des Sozialstaates dienten.

Betrachtet man die Handlungsfelder der Sozialen Arbeit in der NS – Zeit, hat sich oberflächlich wenig verändert. Es gab die Familienfürsorge mit der notwendigen Ergänzung im Bereich der Jugendhilfe, das Gesundheitswesen, die Wohnungsfürsorge, die betriebliche Sozialarbeit, die öffentliche und eine freie Wohlfahrtspflege, sogar das Personal blieb weitgehend dasselbe. Trotzdem war alles anders. Durch rechtliche und organisatorische Veränderungen wurde ein anderer Geist gefordert. Dunkle Schatten und Teile der Geschichte auch für die Soziale Arbeit.[26] Ethische Grundlagen und Menschenrechte spielten im NS – Regime der deutschen Vergangenheit von 1933 – 1945 keine Rolle.

3.1.9 Die Soziale Arbeit nach 1945

Die Nachkriegszeit ist vor allem durch Kriegsfolgeleistungen gekennzeichnet. Ca. 600.000 Menschen standen vor dringenden Problemsituationen, die es zu bewältigen gab. Neben der Problematik der beiden sich herausbildenden Großmächte, der USA im Westen und der UDSSR im Osten, fanden 1945/46 die Nürnberger Prozesse statt.

Nach der Verabschiedung der Menschenrechte am 10. Dezember 1948 durch die UNO (s.h. oben), wird am 08.05.1949 eine neue Parlamentarische Ordnung für die Bundesrepublik Deutschland geschaffen und am 23. Mai 1949 das Grundgesetz verkündet. Im Rahmen des Einigungsvertrages vom 30. August 1990 gilt dies heute für das gesamte Deutsche Volk. Im Grundgesetz sind die Grundrechte Artikel 1 - 19[27] verankert. In den Grundrechten ist der Schutz jedes einzelnen Menschen oberstes Gebot. Im Grundgesetz sind unveräußerliche und unverletzliche Menschenrechte verankert worden, die Grundlage jeder Gemeinschaft bilden.

In der Nachkriegszeit wurden zahlreiche neue Gesetze begründet. 1953 wird das Gesetz der Jugendwohlfahrt als Grundlage des Jugendhilferechts erlassen. Es ersetzte damit das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz.1962 löst das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) die Armenfürsorge ab. Individuelle Hilfeleistungen werden nach Bedürftigkeit geregelt und das Verhältnis der öffentlichen zu den freien Trägern der Wohlfahrtspflege wird fest geschrieben. Die Ausbildung für SozialarbeiterInnen wird von nun an, an Höheren Fachschulen durchgeführt, deren Grundlage und Ausbildungsinhalte sich an der in den USA entwickelten Social Work ausrichten.

Mitte der 60 Jahre, kommt es nach dem Wirtschaftswunder zu den ersten wirtschaftlichen Krisen in der Bundesrepublik Deutschland. Die Wirtschafts – und Sozialstruktur gerät erstmals ins wanken. Vor allem Studenten fordern Reformen und politische Veränderungen. Die Armut wird als soziale Ungleichheit definiert.. In dieser Zeit bildet sich die Basis des psychologisch – therapeutischen Denkens der 60er und 70er Jahre. KlientInnen sollen bei abweichendem Verhalten durch Beratung und Therapie in die Gesellschaft rehintegriert werden. Die Soziale Arbeit orientiert sich nun an psychologischen Handlungsmodellen und definiert ihren Beruf danach. Das Aufgabenfeld der Sozialen Arbeit wird so unbegrenzt erweitert.

Durch die Europäische Union und im Rahmen der weltweiten Globalisierung entstanden europaweit neue Dimensionen, neue soziale Problemlagen und neue soziale Brennpunkte.

1989 verabschiedete die Europäische Union eine Gemeinschafts – Charta, die soziale Grundrechte innerhalb der Gemeinschaft bestätigt und bekräftigt.

3.2 Denken und Handeln im Sinne der Menschenrechte

Im historischen Rückblick wird klar, dass die Strukturen der Gesellschaft gewachsen sind. Dies gilt auch für die Soziale Arbeit und ihre Strukturen. Sie hat sich den Lebensumständen der Gesellschaft und ihren Anforderungen angepasst. Soziales Helfen kann als kulturgeschichtliches Phänomen[28] innerhalb bestimmter Gesellschaften betrachtet werden, immer mit sachlicher und ethischer Grundlage.

Die Anpassung der Sozialen Arbeit in ihrer Geschichte, diente der Aufrechterhaltung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit, neben christlich motivierten Aspekten. Auch wenn die Soziale Arbeit häufig zu strategischem Einsatz kam, z.B. zur Erhaltung bestimmter politischer Systeme (Stichwort: Soziale Frage[29]), so legitimiert sie sich doch durch die Hilfe die sie leistet, für Einzelne oder Gruppen unter Berücksichtigung einer bestimmten ethischen Qualität.

Das Soziale darf aber nicht nur als sozialstaatlich geliehen, oder interessenpolitisch gebildet, formuliert werden, sondern muss als historisch gewachsenes Mandat verstanden werden. Dieses Mandat bezieht sich auf Institutionen und Organisationen aber auch auf Menschen, Sozialchancen und Lebensrechte d.h. aus einem besonderen Zugang zum Menschen. Soziale Arbeit bildet somit Gestaltungsperspektiven vom Menschen her – das unterscheidet sie von der Sozialpolitik – und macht ihre sozialpolitische Kraft aus.

Soziale Arbeit hat sich aus bestimmten gesellschaftlichen und christlichen Wertvorstellungen entwickelt, die zu Beginn einer ersten Phasen von Professionalisierung[30] nach Alice SALOMON, einen festen Platz bekamen. Dabei spielten vor allem die christliche und weltliche Nächstenliebe, Gemeinschaft, Solidarität, Weltanschauungen und der Humanismus[31] eine entscheidende Rolle. Nicht alle Beweggründe, die zur Institutionalisierung professioneller sozialer Hilfe geführt haben, sind ethische zu rechtfertigen, aber wohl jene – aus traditionell ethischer Sicht – deren motivierende Kraft in der Anerkennung der menschlichen Würde der Hilfsbedürftigen liegt, denen auf diesem Weg geholfen werden soll.

Die Gedanken des Humanismus sind in der Neuzeit für die internationale Soziale Arbeit aufgegriffen worden.

Schon 1976 und in Erweiterung 1982 und 1994 bildeten die Menschenrechte die Grundlage für die ”Ethics of Social Work Principles and Standards”[32] der International Federation of Social Work (IFSW). Der erste Ethik – Code für die Soziale Arbeit. Er soll einer Berufsgrundlage dienen und formuliert als diese, ethische Werte Sozialer Arbeit. Der Inhalt bezieht sich sowohl auf einen internen, wie externen Verhaltenskodex der u.a. Hilfen für die Ausübung Sozialer Arbeit anbietet. Ein Beispiel dafür ist die Prioritätenliste zur Entscheidungsfindung bei Problemlagen, die zu einer Verletzung ethischer Grundlagen durch die Soziale Arbeit führen könnten. GITTERMAN und GERMAIN haben in ihrem Buch - das ”Life Model” der praktischen Sozialen Arbeit - Beispiele dargestellt.[33] LOEWENBERG und DOLGOFF brachten Teile davon in vereinfachte Anwendung.

Ethical Principles Screen nach Loewenberg und Dolgoff

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Schutz des Lebens

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Gleichheit und Ungleichheit

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Autonomie und Freiheit

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Geringster Schaden

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Lebensqualität

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Privatsphäre und Verschwiegenheit

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Wahrhaftigkeit und Vollständigkeit der Mitteilung

3.2.1 ”Kampagne für die Menschenrechte”

Aus Anlass der weltweiten ”Kampagne für Menschenrechte” haben Vertreter des ”Centre of Human Rights” der Vereinten Nationen (UNO) in Genf und die Internationalen Verbände der Sozialen Arbeit zum einen der IFSW (International Federation of Social Workers) und der IASSW (International Association of School of Social Work) 1992 Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession[34] proklamiert und ein Manual ”Human Rights and Social Work” erstellt. Sinn dieser Proklamation ist es, im Hinblick auf die Globalisierung, Soziale Arbeit als Profession zu definieren die international für ein human gestaltetes Dasein arbeitet und dies propagiert. So soll eine weltweite Unterstützung und Umsetzung für eine Politik der Menschen - und Sozialrechte erreicht werden und der weltweit in Gang gesetzte ”Bewusstseinsprozess”[35] im ökologischen Bereich auf den Bereich sozialer Probleme übertragen werden.

„Die Professionellen der Sozialen Arbeit haben sich für die Verbesserung der Menschenrechtslage in ihrem Kulturraum und weltweit einzusetzen.”[36]

Das Manual, in Form eines interkulturell[37] ausgerichteten Handbuches, beinhaltet die Menschenrechte, sie werden erläutert und es wird eine Vorstellung von Sozialer Arbeit als Menschenrechtsprofession entwickelt.

1997 ist der Deutsche Berufsverband für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Heilpädagogik e. V. (DBSH), als Mitglied des IFSW, seiner Verpflichtung nachgekommen, berufsethische Prinzipien der Sozialen Arbeit für Deutschland zu formulieren.[38]

3.2.2 Die Definition von Sozialer Arbeit des IFSW

Der IFSW verabschiedete 2000 auf der IFSW Hauptversammlung in Montreal/ Kanada eine neue Definition von Soziale Arbeit, die für das 21. Jahrhundert Gültigkeit haben soll. Sie sieht die Soziale Arbeit in ihren verschiedenen Formen an die vielfältigen und komplexen Beziehungen zwischen Menschen und ihrer Umwelt gerichtet, basierend auf humanitären und demokratischen Idealen, und diese Werte resultierend aus dem Respekt vor der Gleichheit und Würde aller Menschen. Dabei dienen Menschenrechte und die Gerechtigkeit der Motivation sozialarbeiterischen Handelns.

„Soziale Arbeit als Beruf fördert den sozialen Wandel und die Lösung von Problemen in zwischenmenschlichen Beziehungen, und sie befähigt die Menschen, in freier Entscheidung ihr Leben besser zu gestalten. Gestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse über menschliches Verhalten und soziale Systeme greift soziale Arbeit dort ein, wo Menschen mit ihrer Umwelt in Interaktion treten. Grundlage der Sozialen Arbeit sind die Prinzipien der Menschenrechte und sozialen Gerechtigkeit.”[39]

Ich stelle fest, dass die Menschenrechte ein untrennbarer Bestandteil der Sozialen Arbeit sind. Dieser in der historischen Entwicklung entstandenen Wertevorstellungen, muss sich die Soziale Arbeit bewusst werden. Eine erste internationale Linie konnte mit dem Manual gefunden werden, trotz der Skepsis über die Vereinbarkeit unterschiedlicher religiöser, gesellschaftlicher und kultureller Vorstellungen.[40]

3.2.3 Die Menschenrechte als Fundament einer Theorie Sozialer Arbeit

Geht man davon aus, dass die Menschenrechte das Fundament der Sozialen Arbeit bilden, so muss sich die Soziale Arbeit in ihrem Tun entsprechend entfalten.

Notwendigerweise kann dies nur durch eine entsprechende Theoriebildung, mit einer Gegenstandbestimmung gleichermaßen für alle geschehen. Eine Gegenstandsbestimmung[41] Bezug nehmend auf die Wertfrage, ist für die nationale und internationale Berufsidentität Sozialer Arbeit, im Rahmen der Professionalisierung, als sinnvoll zu erachten. Werte bilden eine implizite Auffassung von Sozialer Arbeit die der Ziel – und Aufgabenformulierung dienen können. Durch einen Wertebezug können alle Bereiche der Sozialen Arbeit erfasst werden und die Spezifizierungen vieler Arbeitsbereiche bleiben erhalten.

3.2.4 Die Theorie der ”Menschenrechtsprofession” nach S. Staub – Bernasconi

Frau STAUB – BERNASCONI bezieht sich in ihrer Theorie auf die Bedürfnisse des Menschen, wie auch schon die Österreicherin Ilse ARLT[42] (Gründerin der ersten Schule für Soziale Arbeit in Wien und Theoretikerin der Sozialen Arbeit) und MASLOW.

Die Maslowsche Bedürfnispyramide

5. Entwicklungsbedürfnisse
4. Wertschätzungsbedürfnisse
3. Soziale Bedürfnisse
2. Sicherheitsbedürfnisse
1. Grundbedürfnisse

Beide gingen davon aus, dass der Mensch an sich Gut ist und das Ausgang und Ziel der Sozialen Arbeit der Mensch sein muss.

Die Grundlage der genannten Theorie, ist die Frage nach den Bedingungen und Folgen von unerfüllten Bedürfnissen (mangels Ressourcen) und menschengerechten Gesellschaftsstrukturen.

Aus den menschlichen Grundanliegen erwachsen auch die Menschenrechte, dies bedeutet, dass sich die Menschenrechte aus fundamentalen und universal menschlichen Bedürfnissen bilden. Aus diesem Selbstverständnis kann man den Auftrag ableiten. Für die Soziale Arbeit ist es,

„...die Chance aus der vielfach bestehenden Fremdbestimmung durch externe Auftraggeber herauszukommen und auf einen eigenen wissensbasierten Auftrag hinzuarbeiten bzw. einen solchen theoretisch zu begründen.”[43]

[...]


[1] Vgl. Kapitel Corporate Identity

[2] Vgl. ENGELKE, E. 1999 S.18 in: Soziale Arbeit als Wissenschaft.

[3] s.h. Anlage 1

[4] Vgl. SCHRUBA, B. Menschenrechte und Dritte Welt 2001 S.103ff, in: Soziale Arbeit im Blick auf die Menschenrechte.

[5] Vgl. STAUB – BERNASCONI, S. 1994 Soziale Arbeit als Gegenstand von Theorie und Wissenschaft in WENDT, W. – R. Soziale Arbeit als Gegenstand von Theorie und Wissenschaft.

[6] Vgl. FLIEDNER, G. 2001 S.152 ff das ALTE ist für das NEUE nutzbar zu machen, in: Soziale Arbeit im Hinblick auf die Menschenrechte.

[7] MERKANTELISMUS: Wirtschaftspolitik im Zeitalter des Absolutismus, die den Außenhandel und damit die Industrie förderte, um den nationalen Reichtum und die Macht des Staates zu vergrößern, in: Das Fremdwörterbuch, DUDEN 2001

[8] Vgl. SACHSSE /TENNSTEDT, F. 1980, Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland, Bd. 1, Vom Spätmittelalter bis zum 1. Weltkrieg.

[9] PAUPERISMUS der; (lat.) (bes. im 19 Jh.) Verarmung, Verelendung breiter Bevölkerungsschichten, bes. auch in intellektueller u. psychischer Hinsicht, in: Das Fremdwörterbuch, DUDEN 2001

[10] Vgl. HERING, S. / MÜNCHMEIER, R. 2000 S. 27, in: Geschichte der Sozialen Arbeit.

[11] Vgl. WENDT, Wolf Rainer 1995 S. 6, in: Geschichte der Sozialen Arbeit.

[12] Vgl. MÜLLER, C. W. 1999, Wie Helfen zum Beruf wurde Bd. 1 und HERING, S./MÜNCHMEIER, R. , 2000 S. 19 ff Geschichte der Sozialen Arbeit.

[13] LIBERALISMUS: Im Individualismus wurzelnde, im 19. Jh. In politischer, wirtschaftlicher, u. gesellschaftlicher Hinsicht entscheidend prägende Denkrichtung u. Lebensform, die Freiheit, Autonomie, Verantwortung u. freie Entfaltung der Persönlichkeit vertritt u. staatliche Eingriffe auf ein Minimum beschränkt sehen will. In: Das Fremdwörterbuch, DUDEN 2001.

[14] Vgl. SACHSSE, CH. / TENNSTEDT, F. 1980 Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland. Bd.1

[15] D. h. , nicht die Gemeinde, in der man geboren ist sondern diejenige in der man zur Zeit lebt, ist für die Fürsorge in Notfällen verantwortlich. In: HERING, S. / MÜNCHMEIER, R. 2000 S. 29/30Geschichte der Sozialen Arbeit.

[16] Vgl. in: Das Fachlexikon der sozialen Arbeit, 4.Auflage 1997.

[17] Vgl. Das Fachlexikon der sozialen Arbeit 4.Auflage 1997.

[18] Die Soziale Frauenschule in Berlin - Schöneberg, wurde 1908 von Alice Salomon gegründet und wurde zur ersten sozialen Fachausbildung; vgl. KUHLMANN, C. 2000, in Alice Salomon.

[19] SUBSIDARITÄT, ist ein gesellschaftspolitisches Prinzip, nach dem übergeordnete gesellschaftliche Einheiten (z.B. Staat) nur solche Aufgaben übernehmen sollen, zu deren Wahrnehmung untergeordnete Einheiten (z.B. Familie) nicht in der Lage sind. In: Das Fremdwörterbuch, DUDEN 2001. Vgl. hierzu auch die Enzyklika Papst Pius.

[20] ALTRUISMUS, durch Rücksicht auf Andere gekennzeichnete Denk – u. Handlungsweise; Selbstlosigkeit im Gegensatz zum Egoismus. In: Das Fremdwörterbuch, DUDEN 2001

[21] Vgl. KUHLMANN, C. 2000 Alice Salomon.

[22] Vgl. KUHLMANN, C. 2000 Alice Salomon – Ihr Lebenswerk als Beitrag zur Entwicklung der Theorie und Praxis Sozialer Arbeit.

[23] Vgl. mit EGGEMANN, M. / HERING, S. 1999, In: Wegbereiterinnen der modernen Sozialarbeit.

[24] Vgl. KUHLMANN, C. 2000, Alice Salomon – Ihr Lebenswerk als Beitrag zur Entwicklung der Theorie und Praxis Sozialer Arbeit.

[25] EUTHANASIE (nationalsozialistisch verhüllend) systematische Ermordung psychisch kranker, geistig u. körperlich behinderter Menschen; aus: das Fremdwörterbuch DUDEN 2001

[26] Vgl. HERING, S. / MÜNCHMEIER, R. 2001 S.159 ff in Geschichte der Sozialen Arbeit.

[27] s.h. Anlage 2

[28] Vgl. BAUM, HERMANN 1996 S.94 ff Ethik sozialer Berufe, Schöningh

[29] Vgl. HERING / MÜNCHMEIER S. 26 ff Geschichte der Sozialen Arbeit , 2000, Juventa.

[30] Vgl. hierzu Alice Salomon Kapitel 3.1.6.1 und 3.1.6.2

[31] HUMANISMUS, auf das Bildungsideal der griechisch römischen Antike gegründetes, Denken und Handeln im Bewusstsein der Würde des Menschen; Streben nach einer echten Menschlichkeit, in: Das Fremdwörterbuch DUDEN 2001./ HUMANISMUS ist das Bemühen um Humanität, um eine Menschenwürde und freie Persönlichkeitsentfaltung entsprechende Gestaltung des Lebens und der Gesellschaft durch Bildung und Erziehung und der Schaffung der dafür notwendigen Lebens – und Umweltbedingungen / Text aus De digniate hominis - Über die Würde des Menschen 1486 / Pico della Mirandola

[32] Vgl. Anlage 2. In: GERMAIN / GITTERMAN,1999 Praktische Sozialarbeit, das "Life – Model " Sozialer Arbeit, 3. Auflage Enke

[33] Vgl. GERMAIN / GITTERMAN,1999 S.40 ff Praktische Sozialarbeit, das ”Life – Model” Sozialer Arbeit, 3. Auflage Enke

[34] Vgl. WALZ, H. Soziale Arbeit als Menschenrechtberuf, in: Soziale Arbeit. Fachzeitschrift des Schweizerischen Berufsverbandes Sozialer Arbeit, 30 (1998) 21, S. 17 –28.

[35] Vgl. STAUB – BERNASCONI S. 12 Soziale Arbeit als Menschenrechtprofession, in: Dokumentation der Fachhochschule Coburg 1998 zur Fachtagung: Menschenrechte und Soziale Arbeit

[36] Zitat: KELLER, HANSJÖRG Präsident SBS/ASPAS, 2001, in: Sozial Aktuell Nr.9

[37] Vgl. WALZ, H. S.19 Soziale Arbeit als Menschenrechtsberuf, in: Soziale Arbeit. Fachzeitschrift des Schweizerischen Berufsverbandes Sozialer Arbeit, 30 ( 1998 ) 21.

[38] Vgl. hierzu die Berufsethischen Prinzipien des DBSH 1997 S.85 ff, in: Aus der Praxis in die Praxis, 1998 Eigenverlag.

[39] Definition des IFSW von der Generalhauptversammlung in Montreal/ Kanada 2000.

[40] Vgl. WALZ, H. 1998 S. 23ff Soziale Arbeit als Menschenrechtsberuf, in: Fachzeitschrift des Schweizerischen Berufsverbandes Soziale Arbeit SBS,30 ( 1998 ) 21.

[41] Vgl. ENGELKE, ERNST S. 111 1996, in: Soziale Arbeit als Wissenschaft, Lambertus

[42] Vgl. STAUB-BERNASCONI, S. 2000 S.136 Seitenwechsel – Chancen und Risiken von Grenzüberschreibungen zwischen Wirtschaft und Sozialer Arbeit, in: WALLIMANN/LANGE/ELSEN (Hrsg.) 2000 Soziale Arbeit und Ökonomie, Luchterhand

[43] Vgl. STAUB – BERNASCONI, 1995 S. 57 ff Das fachliche Selbstverständnis Sozialer Arbeit – Wege aus der Bescheidenheit Soziale Arbeit als "Human Rights Profession", in:WENDT, W.- R. 1995 Soziale Arbeit im Wandel ihres Selbstverständnisses, Lambertus.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832464387
ISBN (Paperback)
9783838664385
DOI
10.3239/9783832464387
Dateigröße
861 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Dortmund – Sozialarbeit
Erscheinungsdatum
2003 (Februar)
Note
1,0
Schlagworte
theorie management empowerment methoden geschichte
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Titel: Soziale Arbeit
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