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Österreich - Slowakei

Gegenseitige Wahrnehmung, Vorurteile, Stereotypen

©1999 Magisterarbeit 161 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Als geborenem Slowaken und Wahlösterreicher liegt mir dieses Thema sehr nahe. Wie sieht das eigentlich mit dem Österreichbild in der Slowakei und dem Slowakeibild in Österreich aus? Wie nehmen sich diese zwei Völker gegenseitig wahr? Was wissen die Bewohner dieser Länder über den jeweiligen Nachbarn?
Bei einem Interview wurde mir gesagt:
„Für die Preßburger lag Moskau näher als Wien, und die Wiener wußten mehr über New York als über Bratislava.“
Der Proband ergänzte diese Aussage noch weiter:
„Jetzt braucht man keinen Eisernen Vorhang mehr; es gibt noch immer einen Vorhang von Vorurteilen, nationalen Stereotypen und eine geographische Grenze, die wirtschaftlich zwei Welten trennt und mit dem Inkrafttreten des Schengener Abkommens Europa wieder in zwei Lager trennen wird. Diese Grenze ist effektiver als die eiserne. Die Slowaken bauen wieder Wien auf, aber nur als Schwarzarbeiter. So sind Sie willkommen.“
Ist das wirklich so? Auch diese Fragen will ich in meiner Diplomarbeit untersuchen.
Meine Arbeit ist als empirisch-deskriptive Arbeit gedacht. Sie soll in erster Linie das Slowakeibild (Image) in Österreich und das Österreichbild (Image) in der Slowakei und die gegenseitige Wahrnehmung Slowakei–Österreich untersuchen und darstellen. Theoretische Erklärungen, tiefergehende Bild- bzw. Imageanalysen werden eventuell in einer Dissertation versucht.
Einleitung:
„Die Beziehungen zwischen modernen europäischen Völkern werden weitgehend durch deren Geschichtsbilder bestimmt, in denen oft weit zurückliegende Ereignisse von größter Bedeutung sind“, formulierte der heutige Doyen der deutschen und österreichischen Osteuropa-Historiographie, Günther STÖKL, bereits vor zwanzig Jahren.
Die alten, gewachsenen, aus dem vorigen Jahrhundert geprägten ethnisch-nationalen Vorurteile in den Köpfen der Österreicher gegenüber den Slowaken gehören zu den vielen Bildern (Images), die sich gegenüber den verschiedensten Völkern etabliert haben und einen nachhaltigen, starken Einfluß auf die politisch-sozialen, aber auch auf die wirtschaftlichen Beziehungen ausüben.
Somit wird eine Neudefinition unserer Beziehung – passend zu der veränderten politischen Situation im Osten – unumgänglich, da unsere Begriffs- und Denkmodelle der neuen europäischen Lage nicht mehr gerecht werden.
Der Tübinger Osteuropa-Historiker Dietrich Geyer schloß einen öffentlichen Vortrag mit dem Zitat: „...daß wir nicht zu uns selber kommen werden, solange wir […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6379
Siptak, Ivan: Österreich - Slowakei - Gegenseitige Wahrnehmung, Vorurteile, Stereotypen
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Karls-Franzens-Universität Graz, Universität, Magisterarbeit, 1999
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http://www.diplom.de, Hamburg 2003
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Danksagung
Ich möchte mich auf diesem Wege bei allen bedanken, die mir
beim Schreiben dieser Arbeit geholfen haben; namentlich bei
den Mitarbeitern der Universität Zilina, Lehrstuhl für
Sozialwissenschaften, besonders bei Dipl.-Ing. Mará
cek und
bei Judr. Eva Ková
ciková, die mir während meines Aufenthalts
an der Universität Zilina und nachher jede mögliche
Unterstützung gegeben haben, bei meinem Betreuer Herrn O.
Univ.-Prof. Dr. Max Haller für seine fachliche und
persönliche Unterstützung und bei allen anderen, die mir bei
sprachlichen und stilistischen Korrekturen geholfen haben.
Ivan Siptak

INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT ... 4
1
EINFÜHRUNG ... 6
2
SLOWAKEI-ÖSTERREICH: EINE ÜBER 1000 JAHRE
ALTE BEZIEHUNG ... 14
2.1.1
Österreich-Slowakei bis 1635 ...15
2.1.2
Österreich und die Slowakei 1635-1800 ...16
2.1.3
Wien als Zentrum der slowakischen Identität und der
nationalen Bewußtseinsbildung im 19. und 20.
Jahrhundert ...17
2.1.4
Entwicklung bis 1989 ...17
2.1.5
Entwicklung nach dem Jahr 1989 ...18
2.1.6
Die ,,Spuren" dieser Beziehung ...19
2.1.7
Persönlichkeiten ...20
3
(ARBEITS)HYPOTHESEN ... 22
4
ANZUWENDENDE SOZIOLOGISCHE THEORIEN UND
BEGRIFFE ... 23
4.1
EINFÜHRUNG ... 23
4.2
DEFINITIONEN ... 24
4.2.1
Stereotyp: ...24
5
PRESSESPIEGEL ... 49
5.1
Slowakei ... 49
5.1.1
ERSTELLUNG DES PRESSESPIEGELS ...49
5.1.2
Pressestatistik ...49
5.2
Österreich ... 51
5.2.1
ERSTELLUNG DES PRESSESPIEGELS ...51
5.2.2
Zeitungsarchive im Internet: Presseseiten ­ Presse-
Online-Kataloge. ...52
6
PRETEST ... 67
6.1
Pretest in der Slowakei ... 67

3
6.1.1
Die Fragestellung ...67
6.1.2
Die Ergebnisse ...67
6.1.3
Österreich ...68
6.1.4
Österreicher ...71
6.2
Pretest in Österreich ... 73
6.2.1
Die Fragestellung ...73
6.2.2
Was fällt Ihnen zum Stichwort Slowakei ein? ...74
6.2.3
Was fällt Ihnen zum Stichwort Slowake ein? ...76
7
DER FRAGEBOGEN ... 77
7.1
Einführung ... 77
7.2
Die Datenerhebung ... 78
7.3
Unterteilung des Fragebogens ... 79
7.3.1
Statistischer Teil ...79
7.3.2
Teil 1 ­ Der assoziative Frageteil ...80
7.3.3
Teil 2 ­ Fragenkatalog ...81
7.4
DIE FRAGESTELLUNGEN ... 81
7.5.
Allgemeiner Querschnitt und Dokumentation über die
Ergebnisse des Fragebogens ... 90
8
AUSWERTUNG FRAGEBOGEN ... 107
9
ZUSAMMENFASSUNG ... 119
9.1
Image Österreichs in der Slowakei ... 119
9.2
Slowakei-Image in Österreich ... 120
10
LITERATURVERZEICHNIS ... 123
11
WEITERFÜHRENDE LITERATUR ... 125
11.1
Studien ... 126
11.2
Belletristik ... 127
11.3
Zeitschriften ... 127
ANHANG 1: LEGENDA ... 129
ANHANG 2: FRAGEBOGEN ... 130
ANHANG 3: KODIEREN VOM FRAGEBOGEN UND
STATISTISCHE DATEN ... 131

VORWORT
Warum dieses Thema?
Als geborenem Slowaken und Wahlösterreicher liegt mir dieses
Thema sehr nahe. Wie sieht das eigentlich mit dem
Österreichbild in der Slowakei und dem Slowakeibild in
Österreich aus? Wie nehmen sich diese zwei Völker gegenseitig
wahr? Was wissen die Bewohner dieser Länder über den
jeweiligen Nachbarn?
Bei einem Interview wurde mir gesagt:
,,Für die Preßburger lag Moskau näher als Wien, und
die Wiener wußten mehr über New York als über
Bratislava."
Der Proband ergänzte diese Aussage noch weiter:
,,Jetzt braucht man keinen Eisernen Vorhang mehr; es
gibt noch immer einen Vorhang von Vorurteilen,
nationalen Stereotypen und eine geographische Grenze,
die wirtschaftlich zwei Welten trennt und mit dem
Inkrafttreten des Schengener Abkommens Europa wieder
in zwei Lager trennen wird. Diese Grenze ist
effektiver als die eiserne. Die Slowaken bauen wieder
Wien auf, aber nur als Schwarzarbeiter. So sind Sie
willkommen."
Ist das wirklich so? Auch diese Fragen will ich in meiner
Diplomarbeit untersuchen.
Meine Arbeit ist als empirisch-deskriptive Arbeit gedacht.
Sie soll in erster Linie das Slowakeibild (Image) in
Österreich und das Österreichbild (Image) in der Slowakei und
die gegenseitige Wahrnehmung Slowakei ­ Österreich

5
untersuchen und darstellen. Theoretische soziologische
Erklärungen, tiefergehende Bild- bzw. Imageanalysen werden
eventuell in einer Dissertation versucht.
Abbildung 1: Grenzübergang Kittsee/Jarovce

6
1 EINFÜHRUNG
,,Die Beziehungen zwischen modernen europäischen Völkern
werden weitgehend durch deren Geschichtsbilder bestimmt,
in denen oft weit zurückliegende Ereignisse von größter
Bedeutung sind, formulierte der heutige Doyen der
deutschen und österreichischen Osteuropa-Historiographie,
Günther STÖKL, bereits vor zwanzig Jahren."
1
Die alten, gewachsenen, aus dem vorigen Jahrhundert
geprägten ethnischen Vorurteile in den Köpfen der
Österreicher gegenüber den Slowaken gehören zu den vielen
Bildern (Images), die sich gegenüber den verschiedensten
Völkern etabliert haben und einen nachhaltigen, starken
Einfluß auf die politisch-sozialen, aber auch auf die
wirtschaftlichen Beziehungen ausüben.
Somit wird eine Neudefinition unserer Beziehung ­ passend
zu der veränderten politischen Situation im Osten ­
unumgänglich, da unsere Begriffs- und Denkmodelle der
neuen europäischen Lage nicht mehr gerecht werden.
Der Tübinger Osteuropa-Historiker Dietrich Geyer schloß
einen öffentlichen Vortrag mit dem Zitat: "...daß
wir nicht zu uns selber kommen werden, solange wir keine
genaueren, keine vernünftigeren Begriffe von unseren
Nachbarn haben ­ und gerade von unseren Nachbarn im
Osten!"
2
Ob im privaten Umgang mit einzelnen Menschen, ob in der
Welt der Medien oder auf Staatsebene: Ethnische Vorurteile
waren und sind eine Konstante, welche sich auf alle
1
Arnold Suppan Jahrgang 29, Wien 1987, ,,Der Nachbar als Freund und
Feind"
2
Dietrich Geyer schloß einen öffentlichen Vortrag mit diesem Zitat

7
Bereiche des Umgangs zwischen zwei Nachbarländern wie z.
B. Österreich und Slowakei auswirkt.
Diesem global zu beobachtenden Oberflächenphänomen gab
erstmals der amerikanische Journalist Walter Lippmann in
seinem Buch "Public Opinion" einen Namen, welcher seither
zu einem wissenschaftlichen Begriff bei der Erforschung
jener ,,Bilder in unserem Kopf" (Images) wurde, nämlich die
Stereotypen.
Diese Vorstellungen einer Nation von sich und ihrem
Nachbarland sind althergebrachte Fiktionen von Feindes-
und Freundesbildern, wobei erstere zumeist überwiegen. So
kann man sagen, daß das Image eines Landes keine
realitätsbezogene Relevanz hat. Eher schon entspricht es
einem Klischee, das die ethnischen Attribute des Landes
und der Menschen übertüncht. Lebensbezogene Wahrheiten
werden in den Hintergrund verdrängt.
Schon im vorigen Jahrhundert wurde von politischen Medien,
wie z. B. vom ,,Floh", einer in Wien seit 1869 erschienenen
politisch-satirischen Wochenschrift, der Slowake auf
Karikaturen in Bauerntracht dargestellt, wenn auch nicht
unfreundlich charakterisiert.
Vor dem 1. Weltkrieg war jenes Image des simplen Bauern
bereits zu einem Tölpel mutiert (politische Zeitschrift
,,Kikeriki"). Die herablassende Art, mit der die
Österreicher das Bild des Slowaken zeichneten, wurde nicht
einmal revidiert, als aufgrund akuten Kohle- und
Zuckermangels in Deutschland und Österreich nach dem 1.
Weltkrieg die Abhängigkeit von den Slowaken für Jahre
unleugbar hoch und unübersehbar geworden war. Dieses tief
verinnerlichte Stereotyp blieb damals bei den
Österreichern unverändert, trotz der veränderten politisch
und wirtschaftlichen Grundsituation. Dies zeigt den

8
unbewußt wirkenden Faktor, der dem Phänomen des Stereotyps
eigen ist.
Die "Images", sowohl der Österreicher als auch der
Slowaken, haben sich zwar mit der Zeit von den alten
konkreten Inhalten weg entwickelt, die Intensität der
Auswirkungen auf die beidseitigen Beziehungen und die
Inhalte jedoch nicht.
Der heutige Österreicher hat zum Osten ein distanziertes
Verhältnis. Dieses demoskopisch belegte Faktum schlägt
sich in Desinformiertheit und Desinteresse nieder. Daß
Wien weiter östlich liegt als Prag, ist, um hier kurz ein
kleines Beispiel zu nennen, sehr vielen Wienern nicht
bewußt. Sie assoziieren mit Städten wie Prag den ,,Osten".
Seit dem historisch bedeutsamen Beschluß des Vertrags von
Maastricht 1992 sind die Länder Europas in eine neue Ära
eingetreten. Der Fall des Eisernen Vorhangs, der Untergang
des kommunistischen Systems, die erfolgreichen
Bestrebungen vieler Völker im Osten Europas nach einem
eigenen, autonomen und demokratischen Staat haben eine
neue Qualität des Umgangs miteinander geschaffen .
Eine ,,europäische Gesellschaft"
3
(KAEBLE 1987) ist denkbar
geworden.
Obwohl Österreich sich mit einer überzeugenden
Abstimmungsbeteiligung von 81% und einer Mehrheit von zwei
Dritteln bei der Volksabstimmung für den Beitritt zur
Europäischen Gemeinschaft entschieden hat, muß doch
festgestellt werden, daß dieses Ergebnis letztendlich nur
durch massive Werbekampagnen und das Pro-EU-Engagement
maßgeblicher Personen des öffentlichen Lebens, die vor den
3
Kaeble Hartmut (1987), ,,Auf dem Weg in eine europäische Gesellschaft"

9
Folgen eines Nichtbeitritts gewarnt hatten, zustande
gekommen ist.
Mit dem Beitritt zur Europäischen Union hat Österreich für
sich eine völlig neue Ausgangssituation geschafffen, und
zwar in politischer wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht.
Somit wurde Österreich aufgrund seiner geographischen
Gegebenheiten die Aufgabe zuteil, die vollzogene
Ostöffnung nun in Richtung eines gemeinsamen Europa weiter
voranzutreiben, was aber, wie schnell offensichtlich
wurde, den Prozeß einer eigenen Neudefinition der
nationalen Identität notwendig werden ließ und läßt. ­
,,Ist tatsächlich zu erwarten, daß als Folge dieser
Prozesse Europa ,,immer mehr als eine Einheit mit einer
eigenen Identität in den Mittelpunkt unseres Lebens rückt,
und die alten nationalstaatlichen Identitäten in den
Hintergrund gedrängt werden?"
4
(HALLER 1996; MÜNCH,
1993:8)
Österreich als östlichstes Mitglied der EU hat als ,,Hüter"
der EU-Grenzen mehr noch als die anderen EU-Staaten die
Chance, anstatt eine Systemgrenze zu errichten, eine neue
,,Möglichkeit des wirtschaftlich-sozialen Austausches und
der politischen Kooperation zwischen West- und Osteuropa
zu eröffnen." (HALLER 1996)
5
Trotz dieser Erwartungshaltung ist es eine unübersehbare
Tatsache, daß zwischen Österreich und dem östlichen
Nachbarstaat Slowakei auch heute in den Zeiten einer
allgemeinen Globalisierung ein distanziertes, ja zuweilen
gespanntes Verhältnis vorherrscht, welches zu den
Bestrebungen nach einer Vereinheitlichung, einem
4
Haller Max, Richter Rudolf, Hrsg. (1994) ,,Toward A European Nation?"
Political Trends in Europe. East and West, Center and Periphery,
Amonk/N.Y/ London : .E:Sharpe
5
Molden Otto, (1990), Dier europäische Nation, München: Herbig

10
Zusammenrücken Europas im Widerspruch steht. Hier stellt
das vorherrschende Image des Ostens, im speziellen das
Image der Slowakei in Österreich, einen nicht zu
unterschätzende Behinderung dar und steht konträr zu den
formalen Konzepten der Bemühungen um ein gemeinsames
Europa. Dazu kommt noch, daß innenpolitische Probleme auch
außenpolitische Relevanz haben, was auf Dauer Schatten auf
die bilateralen Beziehungen der Länder wirft. Das
Atomkraftwerk Mochovce an der Grenze zu Österreich hat das
Bild der Slowakei in Österreich sicherlich abgewertet und
um stellt einen emotional sehr negativen Aspekt dar.
Gerade die Grenzlage sowie die Taktik der slowakischen
Verhandler mit Österreich hinterließen bei den
Österreichern den Eindruck, es werde mit der ,,Bedrohung"
eine Art Erpressungstaktik verfolgt, mit der Österreich
für den Verzicht auf die Inbetriebnahme des slowakischen
Atomkraftwerks ungerechtfertigte Verpflichtungen auferlegt
würden, Österreich also erpreßt würde. Diesen Eindruck
vermittelten die österreichischen Medien. Österreich
bietet sich weiters das Bild, daß der
Demokratisierungsprozeß ist in der rückständigen Slowakei
noch längst nicht abgeschlossen ist, was nicht zuletzt am
Stil der Regierung Meciar und dessen Außenpolitik lag.
Auf der anderen Seite wird die Slowakei bei den besser
informierten Österreichern als wirtschaftlich gut
entwickelt und noch weiter entwicklungsfähig eingestuft.
Einen Überschuß im Budget zu erwirtschaften, löst die
Bewunderung vieler Österreicher aus, erweckt den Eindruck
der EU-Fähigkeit dieses Landes und revidiert alte
Klischees, die Slowakei wäre ein ökonomisches
Entwicklungsland.
Das alte Modell des einzelnen Nationalstaats in Europa
scheint sich in Richtung einer ,,Nation Europa" (MOLDEN

11
1990)
6
(s.331 Haller)
7
zu transformieren. Dem entgegen
scheint sich in den postkommunistischen Oststaaten eine
Entwicklung von der einst kommunistischen Ideologie zu
einer nun um so stärkeren nationalistischen Identifikation
hin anzubahnen. Aufgrund der Erkenntnis, die
paneuropäische Integration, die im Westen ihren Anfang
nahm, also die offenbar unaufhaltsame Transformation hin
zur europäischen Supranationalität zu versäumen, befindet
sich die Slowakei genauso wie alle anderen an das Gebiet
der EU grenzenden Staaten im Osten in einem Dilemma. Was
die rein national getragenen Identitätsempfindungen und
Assimilierungsängste anbelangt, so stellen sich diese
spezifischen Probleme mit den meisten westlichen Staaten,
wie zum Beispiel Österreich (Volksabstimmung-EU-
Werbekampagne) auf vergleichbare Weise dar. Die empfundene
nationale und die noch nicht neu definierte supranationale
Identität stehen dem Streben nach EU-Mitgliedschaft also
noch im Wege. Hinzu kommt die sprachliche Barriere, welche
sich zwischen Ost und West auch ergibt, die wegen der
Zugehörigkeit zu verschiedenen Sprachfamilien ein viel
schwerer wiegendes Problem darstellt bei den
Denationalisierungsbemühungen und bei der notwendigen
Transformation hin zum gemeinsamen Europa. ,,Gemäß der
großen Bedeutung von Kommunikation für die kapitalistisch-
industrielle Gesellschaft erfolgt die Ausgrenzung primär
über die Sprache. Die nationale Sprache, die mit
vertrauten Werten und Kindheitserinnerungen im Einklang
steht, kann das Identitäts-und Zugehörigkeitsgefühl
6
Molden Otto, (1990), ,,Die europäische Nation", Herbig, München
7
Haller Max, (1995), ,,Das Vereinte Europa als demokratisch
föderalistische Staatenunion", in: Langer/Pöllauer, ,,Kleine Staaten in
großer Gesellschaft"

12
stärken, aus Fremden Volksgenossen machen." (HALLER 1996,
S.330 )
8
Grundsätzlich wird also mit der Entwicklung in Europa
nicht nur der Nationalstaat in Frage gestellt, sondern die
Nationen selbst haben ihre Nationalismen in Frage zu
stellen, um der notwendigen Entwicklung nicht selbst im
Wege zu stehen. Leider fehlt es in dieser Hinsicht bisher
an Lösungsmodellen; ja es wird teilweise sogar bezweifelt,
daß es hier überhaupt Lösungen geben könnte.
Der Zerfall der CSFR war die Folge einer ethnisch-
nationalen Mobilisierung. Die unblutige, von Vernunft
bestimmte Trennung von Tschechien und der Slowakei war ein
historisches Beispiel für alle zivilisierten Völker und
hat das Bild der Österreicher von seinen nunmehr zwei
Nachbarstaaten sicherlich positiv beeinflußt.
Interessant ist auch, daß die Eskalation ethnischer
Konflikte und das Autonomiestreben nichts ­ wie von
manchen Wissenschaftlern angenommen ­ mit dem
wirtschaftlichen Entwicklungsstatus eines Landes oder
einer Region zu tun haben, wie man das an verschiedenen
Konflikten dieser Art in verschiedenen westeuropäischen
Ländern bzw. verschiedenen westlichen Ländern beobachten
kann. ,,Die Problematik des (Wieder)-Aufbrechens alter und
neuer ethnisch-nationaler Loyalitäten und Konflikte, die
die traditionellen Nationalstaaten unter erhebliche
interne und externe Spannungen setzen, stellt sich auch in
den entwickelten Staaten Westeuropas, ja der ganzen
westlichen Welt." (HALLER 1996 )
9
8
Haller Max, (1996), ,,Identität und Nationalstolz der Österreicher", in:
Die Deutsche Bibliothek
9
Haller Max, (1996), ,,Identität und Nationalstolz der Österreicher", in:
Die Deutsche Bibliothek

13
Wettbewerbsdruck und erschwerte Beschäftigungssituation,
Belebung alter Sprachen und ethnischer Traditionen durch
Bildungseliten, nationale Identifikation und die
politische Emanzipation und Bewußtseinsbildung tragen zur
Intensivierung von regionalen Konflikten bei. So am
hervorstechendsten bei den Basken in Spanien, den
Katalanen, Südtirolern, Oberitalienern, Korsen, Walisern
und Schotten, Flamen und Wallonen, Iren und Briten in
Nordirland, aber auch bei einer Menge anderer Völker in
der EU. Zum Nordirlandkonflikt wäre anzumerken, daß hier
ein Verquickung mit religiösen Aspekten gegeben ist. Ein
interessanter Aspekt ist, daß Vernetzung und elektronische
Medien diesen Tendenzen offenbar keinen Abbruch tun.
Abbildung 2: Die Slowakei

14
2 SLOWAKEI-ÖSTERREICH: EINE ÜBER 1000 JAHRE
ALTE BEZIEHUNG
Die Slowakei ist eine relativ junge Republik. Die erste
slowakisch-mährisch-österreichische Staatsform entstand im 7.
Jahrhundert (Samo-Reich). Diese Staatsform erstreckte sich
über Teile der heutigen Slowakei und des heutigen Österreich
(Marchgebiet) und Mähren. Vorher gehörten Teile Österreichs
und der Slowakei zum Römischen Reich (bis Trencin). Ein
entwickelter hochmittelalterlicher Staat war die Vereinigung
der Fürstentümer Mähren und Neutra (833, Neutra seit 880
Bistum).
Nach dem Untergang des großmährischen Reiches im 9.
Jahrhundert fiel die Slowakei in den ungarischen
Vielvölkerstaat. Ungarn und ungarisch wurden sowohl für die
einzelnen Menschen als auch für die nationale Gemeinschaft
zur Bezeichnung für die Staatsangehörigkeit, die den Namen
des Ursprungslandes und der Nationalität ersetzte. Das
Königreich Ungarn selbst wurde im 16. Jh. der Monarchia
Austriaca einverleibt. ,,Die Zugehörigkeit der Slowaken zur
Masse des von außen vielfach undifferenziert gesehenen
Slawentums erschwerte die ethnische Identifizierung noch
zusätzlich. Im 18. und 19. Jahrhundert führte dies sogar in
manchen politischen Visionen und Theorien zur Identifizierung
der Slowaken mit anderen, größeren slawischen Nationen. Auf
Grund dessen wurde die reale Existenz der Slowaken dermaßen
überdeckt, daß sie sowohl für die Geschichtsschreibung als
auch für die Zeitgenossen fast unsichtbar blieben"1 [Nach der
Gründung des tschechoslowakischen Staates wurde dieser Trend
teilweise fortgesetzt. Die Slowaken werden sehr oft als
Tschechen bezeichnet (siehe Pretestergebnisse), d. Verf.].
Trotz ihrer erwähnten Stellung war die Slowakei keineswegs

15
ein weißer Fleck auf der Landkarte. Die Slowakei ist als
Randgebiet der öst.-ung. Monarchie zu einem Schnittpunkt von
Handelswegen (Süd-Nord, Ost-West) und geistigen Strömungen
geworden.
Abbildung 3: Österreich und seine Nachbarn.
2.1.1 Österreich-Slowakei bis 1635
Die osmanische Besetzung Ungarns machte die Slowakei zum
politischen und kulturellen Zentrum der Länder der
Stephanskrone und somit indirekt auch des habsburgischen
Reiches. Preßburg/Bratislava war bis zum Jahr 1830
Krönungsstadt der ungarischen Könige aus dem Hause Habsburg.
In Trnava und Kaschau (Kosice) wurden die zwei einzigen
Jesuitenuniversitäten im gesamten Königreich Ungarn
gegründet. Diese Universitäten und die Universität
Histropolitana in Bratislava verfügten über rege Beziehungen
zur Wiener Universität. Z. B. wirkte Johannes Sambucus aus
Trnava als Sammler und Herausgeber in Wien am Hof von Kaiser
Maximilian und Rudolf. Peter Pazmány (1570-1637), studierte
in Wien, wurde Professor der Theologie in Graz und später
Kardinal, gründete die Universität Tyrnau und das Pazmaneum

16
in Wien (besteht bis heute im 9. Bezirk). Diese Institution
(Theologie und Philosophie) war für die Slowaken von großer
Bedeutung. Aus dieser Institution ging die Elite slowakischer
katholischer Geistlicher und eine ganze Reihe bedeutender
Persönlichkeiten hervor. Der Anteil der Slowaken im Pazmaneum
war überproportional hoch, und auch die leitenden Funktionen
(Rektor usw.) wurden oft von Slowaken wahrgenommen. In Graz
studierte z. B. der Slowake Jan Nadasský Theologie; nach
seinem Amt im Rom lebte er in Wien und war Beichvater und
Vertrauter der Kaiserin Eleonore.
2.1.2 Österreich und die Slowakei 1635-1800
An den bereits erwähnten Universitäten profilierten sich
mehrere Gelehrte, die später zu bedeutenden Kulturträgern
wurden. Zu diesen gehörten Martin Szentivannyi, Gabriel
Hevesi, Maximilian Hell ­ der kaiserliche Mathematiker und
Astronom (auf Geheiß der Maria Theresia gründete er die
Universitätssternwarte in Wien und wurde Direktor dieser
Einrichtung), Samuel Mikoviny und auch Matel Bell. Adam
Kollár aus Tyrnau war zunächst die rechte Hand von Gerard van
Swietens und leitete nach ihm die Hofbibliothek. Außerdem war
Kollar engster Berater Maria Theresias und Mitgestallter
staatstragender Reformen. Berühmt wurde auch das slowakische
Bergbauwesen, das sowohl als Grundlage für die weitere
Entwicklung theoretischer Disziplinen und Industriezweige
diente als auch zur Gründung der ersten Bergbauakademie in
Europa in Schemmitz führte (Banska Stiavnica). Im Jahr 1793
gründeten Slowaken in Wien ,,Towarysstvo" mit der Forderung
nach Einführung der slowakischen Sprache in ihrer Heimat. Der
Slowake Dionys Stur hat erste geologische Karten von
Österreich erstellt.

17
2.1.3 Wien als Zentrum der slowakischen Identität und der
nationalen Bewußtseinsbildung im 19. und 20.
Jahrhundert
1845 wurde der Wunsch von Towarysstvo erfüllt. Der Kaiser
genehmigte Sturs Gesuch. In Wien hatte man damals großes
Verständnis für die Forderungen Sturs; diese wurden sogar von
Polizeiminister Graf Sedlnicky und Fürst Metternich
befürwortet. Als 1848 die slowakischen Führer verfolgt
wurden, bildeten Stur, Hodza und Hurban in Wien den ersten
Slowakischen Nationalrat (16. 9. 1848, Paniglgasse 38) und
sammelten Truppen, um sie in die Slowakei zu schicken. 1860
gründeten die Slowaken in Wien die literarische Gesellschaft
,,Tatran". 1878 wurde in Wien eine wichtige Sammlung
slowakischer Volkssagen und -lieder herausgegeben. Es stieg
auch die slowakische Zuwanderung nach Wien.
2.1.4 Entwicklung bis 1989
Seit dem 30. 10. 1918 gingen die Slowakei und Österreich
getrennte Wege. In der ersten Etappe (1918-1939) gab es
jedoch eine sehr intensive Zusammenarbeit. Die neue
Österreichische Republik, die nach dem Zerfall der k. und k.
Monarchie übriggeblieben war, konnte sich nicht selbst
versorgen und war auf Importe aus anderen Ländern angewiesen.
Einer der wichtigsten Partner war die erste
Tschechoslowakische Republik.
1939: Von der Verhaftung durch tschechische Organe bedrohte
slowakische Politiker flohen am 10. 3. 1939 nach Wien und
gründeten am 14. 3. 1939 die erste slowakische Republik RAD.
Nach dem 2. Weltkrieg trennten sich die Wege endgültig für
eine lange Zeit. Eine Ausnahme stellen die Jahre 1967-1969
dar. In diesen Jahren gab es eine intensive Kooperation in

18
den Bereichen Wirtschaft und Kultur. Nach der Niederschlagung
des Prager Frühlings gewährte Österreich den fast 200.000
Flüchtlingen aus der CSSR Schutz. Für viele dieser Leute ist
Österreich zur neuen Heimat geworden. Bis jetzt lebt vor
allem in Wien eine starke slowakische Minderheit (allein in
Wien sind es ca. 20.000 Personen ­ Quelle: Slowakischer
Kulturverein in Wien).
Abbildung 4: Europa nach 1989
2.1.5 Entwicklung nach dem Jahr 1989
Nach der ,,Sanften Revolution" von 1989 beginnt eine neue Ära
der Beziehungen. Auf der einen Seite ist Österreich der
zweitgrößte Investor in der Slowakei (aber z. B. im Vergleich
zu Slowenien ist das österreichische Kapital in der Slowakei
stark unterrepräsentiert), es werden Bildungs- und

19
Kulturkooperationen geschaffen; andererseits aber werden die
Beziehungen durch eine nicht immer objektive
Berichterstattung der Medien negativ beeinflußt. Die zu große
Medialisierung der Probleme Gabcikovo-Nagmayros, ungarische
Minderheit, Entführung von Kovacs jun., Atomkraftwerk
Mochovce (über Mochovce wurde z. B. 10mal öfter berichtet als
über das Atomkraftwerk Temelin in Tschechien) und schließlich
die Regierung Meciar tragen wesentlich zu einem negativen
Slowakeibild bei der österreichischen Bevölkerung bei. Auch
die Wirtschaftsprognosen waren der Popularität der Slowakei
abträglich.
2.1.6 Die ,,Spuren" dieser Beziehung
Das Zusammenleben der Slowaken und Österreicher hat Spuren
hinterlassen.
2.1.6.1 Die slowakische Sprache
Durch Beziehungen und Kontakte (Saisonarbeiter etc.)
gelangten viele Ausdrücke aus dem Österreichischen ins
Slowakische ­ z. B. cíha (Zieche), taska (Tasche), skopok
(Schaffl), fúra (Fuhre), putna (Bütte), lajblík (Leibl),
hular (Holler) forhangy (Vorhänge), eizenbonak (Eisenbahner)
und a. m.
2.1.6.2 Österreichische Sprache
Bis heute gehören viele aus dem Slowakischen stammenden
Bezeichnungenzu den Besonderheiten des österreichischen
Wortschatzes, wie z. B.: Liptauer, Karfiol, Trafik, Ribisel,
Bukantze (pukance), Kolatschen (kolá
ce), Slische (slíze),
Resanze und a. m.

20
2.1.6.3 Namen
Als Nachweis der großen Migration (Mobilität) zwischen
Österreich und Slowakei kann man die Telefonbücher von Wien
und Preßburg anführen. Im Telefonbuch von Wien findet man
sehr viele slowakische, im Preßburger Telefonverzeichnis eine
Menge deutscher Namen.
2.1.7 Persönlichkeiten
In Österreich waren und sind viele Persönlichkeiten
slowakischer Herkunft im öffentlichen Leben tätig. Z. B. ist
Anna Rieder, Landessozialrätin, slowakischer Herkunft; Heide
Schmidt
10
kam als Flüchtling aus der CSSR nach Österreich.
Viele bekannte slowakische Namen kann man an verschiedenen
Gedenktafeln, Skulpturen und Büsten finden. Ich werde hier
nur die an der Uni Wien befindlichen erwähnen: Gedenktafeln
gleich am Eingang in der Eingangshalle für Jan Kollar
(Archäologie) und Stefan Endlicher (bedeutender Botaniker).
Im Universitätshof befinden sich weiter Büsten von Maximilian
Petzval aus Zipf (Erfinder der Photographie) und von Karel
Dopler (Endecker der ,,Bewegung des Rotlichts") und a. m.
10
Melita H. Sunjic-Patrik-Paul Volf, Echte Östrerreicher, Wien: Picus
1995.

21
Abbildung 5: Gedenktafel von Maximilian Petzval, Universität
Wien, Hofpromenade

22
3 (ARBEITS)HYPOTHESEN
An und für sich ist meine Arbeit vor allem eine deskriptive
Bestandsaufnahme, jedoch möchte ich auf das Stellen von
Hypothesen nicht verzichten.
a)Obwohl die Beziehungen intensiviert wurden, bestehen auf
Grund der sozialen Stereotypen bei der Bevölkerung
weiterhin Informationsmangel und gewisse Vorurteile.
b)Die Slowaken verfügen durchschnittlich über mehr Wissen
betreffend Österreich als Österreicher über die Slowakei.
c)Die Inhalte der Berichterstattung in österr. Presse sind
großteils negativ formuliert, durch das Problem ,,Mochovce"
emotional beeinflußt. Slowakische Nachrichten über
Österreich sind meistens in neutraler Form verfaßt.Es hängt
auch mit den Stereotypen und Vorurteilen in der Presse
zusammen.
d)Die Slowaken besitzen ein besseres Bild über die
Österreicher als die Österreicher über die Slowaken (in
Bratislava sind kleine Abweichungen möglich ­
Hamsterkäufer).

23
4 ANZUWENDENDE SOZIOLOGISCHE THEORIEN UND
BEGRIFFE
4.1 EINFÜHRUNG
In diesem Kapitel möchte ich einen Überblick über die
Ursachen, Wechselwirkungen und Nährböden darlegen, aus denen
Stereotypen (Klischees) und Vorurteile entstehen. In diesem
Zusammenhang werde ich auf ,,Images" (Freund-/Feindbilder)
zwischen ethnischen Gruppen bzw. Ländern (Völkern, Nationen)
eingehen und darauf, wie diese zustandekommen.
Am Beispiel Österreichs in seiner politisch-sozialen und
wirtschaftlichen Beziehung zu den östlichen Ländern, explizit
der Slowakei, möchte ich obiges aufarbeiten.
Weiters werde ich Definitionen der wichtigsten Begriffe
aufschlüsseln, Zitate in Bezug stellen, aus verschiedener
Fachliteratur einflechten, vergleichen und dermaßen die
negativen wie die positiven Aspekte jener (Oberflächen)-
Phänomene theoretisch analysieren.
Die historische Relevanz und die zeitgeschichtlich bedingt
veränderten politischen Gegebenheiten haben adäquaten
Stellenwert, nicht zuletzt auch in Hinblick auf ein
gemeinsames Europa; als Fakt für Österreich auf der einen
Seite, und für die Slowakei als Vision auf der anderen,
spielen mit eine Rolle in der gegenseitigen Sicht, dem Image,
sowie bei der Neuidentifikation und Neuorientierung der
beiden Länder in diesem Zusammenhang.
Hier kommen auch die sozioökonomischen Unterschiede (Ost-
West-Gefälle) zum Tragen, welchen in diesem Kontext eine
relativierte Gewichtung zuzukommen hat.

24
Ethnozentrismus ist genauso eines der essentiellen Themen in
diesem Kapitel, wie auch ein Abschnitt über den Nationalismus
an sich hier nicht fehlen darf. Ich werde diese
Schlüsselbegriffe in meine Analysen und Studien mit
einfließen lassen.
Hierzu werde ich durch Verknüpfungen zum befindlichen
Pressespiegel, soweit es mein Material erlaubt, so typische
Verbindungen wie möglich herstellen, um so die zum Grundthema
meiner Arbeit in Beziehung stehende Medialisierung der
Vorurteile und Stereotypen herauszuarbeiten und aufzuzeigen.
4.2 DEFINITIONEN
11
Alle Definitionen sind aus dem Wörterbuch der Soziologie v.
Karl-Heinz Hillmann, Alfred Kröner Verlag, Stuttgart, 1994.
4.2.1 Stereotyp:
(grch.), ,,Entstehendes"; aus der Druckersprache (hier: starr
verbundene Druckzeilen im Gegensatz zu beweglichen Lettern)
entlehnter Begriff der Sozialpsychologie:
,,Schematisierte, auf relativ wenige
Orientierungspunkte reduzierte, längerfristig
unveränderte und trotz neuer oder sogar gegenteiliger
Erfahrungen starre, verfestigte Vorstellung (
Vorurteile) über spezifische Wesens- und
Verhaltensmerkmale anderer Menschen oder
Menschengruppen, Organisations- und sonstiger
11
Wörterbuch der Soziologie v. Karl-Heinz Hillmann, Alfred Kröner
Verlag, Stuttgart, 1994

25
sozialer Beziehungsformen, Zusammenhänge oder
Verursachungsfaktoren."
Derart ,,geordnete" Vorstellungen, Welt- und Gesamtbilder
bestimmen weitgehend die späteren Erfahrungen und eigenen
Verhaltensreaktionen. In sozialen Situationen großer
Komplexität und Unüberschaubarkeit, unberechenbaren Risikos
und entsprechender Unsicherheit sowie in allgemein als
Bedrohung empfundenen Konfliktsituationen erfüllt das
Stereotyp als anschauliche und einprägende
Beurteilungshilfe
eine Funktion psychischer Entlastung, indem es (scheinbare)
Klarheit über die eigene Position im Vergleich zu derjenigen
der (scheinbaren) ,,Freunde", Gleichgesinnten, Fremden und
,,Feinde" verschafft. Zur Festigung und (in Zweifelsfällen)
zur Unterstreichung und Präzisierung des persönlichen oder
sozialen Eigenwerts entwickelt das Stereotyp scharfe
Gegensätzlichkeiten meist zu
sozial schwächeren Randgruppen
oder
Minoritäten der Gesellschaft. Bekannt sind in diesem
Zusammenhang zahlreiche rassische, ethnische, religiöse und
berufliche Stereotypen, die z. T. so weit gehen, daß sie
charakterliche Qualitäten und damit soziale
Wertzuschreibungen nach äußeren Merkmalen oder
Verhaltensgewohnheiten bemessen. Für die Entstehung des
Stereotyps spielt die Reihenfolge der über ein Subjekt,
Objekt oder Komplex der Beurteilung gewonnenen Kenntnisse und
Erfahrungen sowie die Autorität der personalen Quellen
solcher Kenntnisse eine große Rolle. Für solche Autoritäten
ist es gewöhnlich leichter, ein schon latent vorhandenes,
aber noch nicht fundiertes Stereotyp durch Anknüpfen an
aktuelle Probleme aufzurichten, als bereits fixierte und
Wahrnehmung und Verhalten dirigiernde Stereotypen abzuwandeln
oder gar aufzuheben. Mit der Aufdeckung von Stereotypen
befassen sich insbesondere die Meinungsforschung und die
Inhaltsanalyse.

26
Nach ESTEL
12
sind Stereotypen ,,eine Verfälschung der
Realität, welche voreingenommene, starre,
überverallgemeinerte Vorstellungen von bestimmten
Situationen, Personen oder Gruppen betreffen" (Siehe Pr.Sp.
4.5 und 4.8)
Stereotypen, welche als vorgefaßte Werte- und Normensysteme,
als Denk- und Wertehilfen oder auch als Orientierungshilfen
zu bezeichen sind, kann man also nicht von vorneherein als
negatives (Pr.Sp.4.7) oder positives (Pr.Sp.1.1) Phänomen
einstufen. Die ethnisch-regionale Verschiedenheit der
jeweiligen Sozialisierungsprozesse bedingt differente
kognitive Konstrukte, deren Ergebnisse Klischees sind,
vorgefaßte Orientierungschemata.
Die einzelnen Ursachen hierfür möchte ich noch näher
beleuchten, da sie bedingt auch über die nationalen
Vorurteile Aufschluß geben.
Der Nährboden für die Stereotypen der Österreicher den
Slowaken gegenüber besteht ­ wie überall sonst ­ zumeist auch
im politisch-sozialen, wie auch im ökonomischen Gefälle
zwischen den beiden Ländern. Man spricht hier auch von ,,Ost-
West-Gefälle" allgemein, wenn es darum geht, rein von den
spezifischen geografischen Gegebenheiten aus ein stereotypes
Beziehungsschema zwischen beiden Ländern herzustellen, aus
dem wiederum eine unwillkürlich von Vorurteilen geprägte
assoziative Relevanz entsteht. (Pr.Sp.4.3 und 4.4)
4.2.1.1 Funktionsweise:
Treffen Personen verschiedener Kulturen aufeinander, laufen
bestimmte Prozesse ab:
12
(Vgl. Estel, B. 1983, s.100ff.)

27
1. Herausheben der Kulturunterschiede
2. Ähnlichkeiten mit Angehörigen der eigenen Kultur
werden viel intensiver wahrgenommen
Man kann vier Gruppen von Stereotypen unterscheiden:
4.2.1.1.1 HETEROSTEREOTYPEN
Urteile eines Mitglieds der einen Kultur über die Mitglieder
einer anderen Kultur (z. B. meinen Amerikaner, alle
Österreicher seien musikalisch)
4.2.1.1.2 AUTOSTEREOTYPEN
Urteile eines Mitglieds einer Kultur über Angehörige seiner
eigenen Kultur
(z. B. sagen die Österreicher, sie seien gesellig)
4.2.1.1.3 VERMUTETE HETEROSTEREOTYPEN
Urteile, die man von Mitgliedern einer anderen Kultur über
die eigene Kultur erwartet (z. B. sagt ein Deutscher, die
Österreicher hielten Deutsche für fleißig)
4.2.1.1.4 VERMUTETE AUTOSTEREOTYPEN
Urteile eines Mitglieds einer Kultur über die vermeintliche
Selbsteinschätzung von Mitgliedern einer anderen Kultur (z.
B. meint ein Österreicher, daß sich die Deutschen für fleißig
halten)
Hofstede
13
behauptet, daß sogar die Wahrnehmung einer Gruppe
gegenüber einem Gruppenfremden insofern beeinflußt wird, daß
13
(Vgl. Hofstede 1991)

28
sich z. B. eines der Mitglieder der eigenen Gruppe, das sich
einem Gruppenfremden gegenüber falsch verhält, von der
eigenen Gruppe insofern verteidigt würde, als die Gruppe
beschwören würde, daß es genau umgekehrt war.
,,Die wahrnehmungsverzerrende Wirkung bietet letztlich auch
eine Erklärungsvariante von Stereotypen. Denn während man
beim Umgang mit Mitgliedern der eigenen Kultur durch die
genaue Kenntnis der Regeln durchaus Unterschiede konstatiert,
werden Mitglieder einer fremden Kultur weit weniger
differenziert wahrgenommen. Daraus resultiert auch eine
extremere Bewertung der Fremdgruppe, und zwar sowohl
positiver als auch negativer Natur."
14
(Pr.Sp. 3.1 und 3.4
und 4.4)
Hier ergibt sich die Frage nach der Unterscheidung der
Begriffe Stereotyp und Vorurteil. Da aber, ganz simpel
gesagt, eine neutrale ,,Einschätzung" noch kein Vorurteil ist,
kann hier eine Grenze zwischen diesen beiden Begriffen
gezogen werden. Da beim Stereotyp nur ein vermeintlich
typisches Attribut einer Gruppe angezeigt wird, ist dies beim
Vorurteil wesentlich anders.
Ethnische und nationale Vorurteile zeichnen sich durch ihre
starre, abgrenzende Haltung aus. (Pr.Sp.5.1) Wider ein
besseres Wissen sogar werden Eigenschaften zugewiesen.
Hier ist das Element der Orientierungshilfe meist nicht
zutreffend und gültig, da es sich um emotionalisierte
kognitive Schematisierungen handelt, deren starres Beharren
auf Verallgemeinerungen meist negative Ausrichtungen
beeinhaltet und auch ,,nur gefühlt werden kann"
15
. (Pr.Sp.
4.8-Presse artikel nur 4.8)
14
(BRÜCK Franck, Stereotypen im interkulturelln Training; in
Grenzenloses Österreich-WU-Wien, Gesellschaft für Ostkooperation 1996)
15
(ALLPORT,1971,S 23)

29
Somit ist das Vorurteil grundsätzlich vom Stereotyp zu
unterscheiden.
Gruppenkonflikttheorie Österreich ­ Slowakei
Reale Interessenskonflikte, offene, aktive oder vergangene
Zwischengruppenkonflikte stellen u. A. die Anwesenheit von
benachbarter Konkurrenz dar (Billiglohnland, früher Ostblock
/ Kalter Krieg), oder auch das Problem der Atomkraftwerke
(Pr.Sp. 2.1 und 2.2 und 2.3. und 2.4), welche im Kollektiv
als Bedrohung wahrgenommen werden können, was wieder
Solidarität und Bewußtseinssteigerung der Gruppenidentität
intensiviert.
4.2.1.2 Theorie des Ost-West-Gefälles
Alle Völker, die östlich der EU-Grenze, also Österreich,
leben, werden allgemein weniger positiv eingeschätzt als die
im Westen lebenden Völker.
4.2.1.3 Image
(engl., von lat. ,,imago"): Gefühlsgeladenes Vorstellungsbild;
die Gesamtheit der Vorstellungs- und Bewertungsinhalte
(Bewertungsinhalte -> Unterschied zum Bild), der Ideen und
Gefühle, die eine Person oder eine Mehrzahl von Personen von
sich selbst, von anderen Menschen, von Gruppen,
Organisationen, Schichten oder bestimmten Gegenständen oder
materiellen und sozialen Gegebenheiten hat. Es wird
unterschieden:

30
(a)
das allgemeine Image, das unabhängig vom
Stellungnehmenden, überpersönlich, gleichsam allen
vorgegeben und damit allgemein existent ist und
(b)
das Selbst- oder Eigen-Image, das sich die
Betreffenden über sich selbst, ihren sozialen Standort
und ihre Beziehungen zu anderen entwickelt haben, und
(c)
das Fremd-Image, das als Summe der strukturierten,
entscheidungs- und verhaltensbestimmenden
Vorstellungen und Beurteilungen anderer entsteht.
Das Image über eine Person, ein Objekt, eine Tätigkeit, eine
Wirkung oder über größere bis globale Zusammenhänge ist
prinzipiell unabhängig von der objektiven Kenntnis der
betreffenden empirischen Sachstruktur. Es ist vielmehr das
subjektiv gewertete, jedoch von sozialen und kulturellen
Leitbildern und von selektiven sozialen Wahrnehmungen
bestimmte und verarbeitete Bild von der Wirklichkeit. Die
Bedeutung des Images für das soziale Handeln besteht
(a) in ihrer Orientierungsfunktion zur Einordnung von
komplexen, informativ nicht umfassend zugänglichen
Sachverhalten in ein bereits vorhandenes, durch soziale
Erfahrungen geprägtes System von Wahrnehmungsgehalten
und Bezugsgruppen;
(b)
in ihrer Entlastungsfunktion durch die ihnen
innewohnende pauschalisiernde, stereotypisiernde
Ideologisierungstendenz und
(c) in ihrer Zuordnungsfunktion als ein Maßstab für
alternative Konformitäts- oder
Abweichungsentscheidungen nach dem Eigengruppe-
Fremdgruppe-Verhaltensmodus.

31
Besondere Beachtung hat die Image-Forschung bisher in der
Konsumsoziologie und in der politischen Soziologie erfahren,
d. h. dort, wo es um die Aufklärung von Vorstellungs- und
Beurteilungskriterien geht, durch die Kauf- und
Wahlentscheidungen bestimmt werden.
Die Wahlsoziologie analysiert das Phänomen, daß politische
Kandidaten von großen Wählergruppen nicht wegen der von ihnen
vertretenen Programme und Politik, sondern wegen des
persönlichen Images als Gesamtbild ihrer (vermuteten oder
bewußt herausgestellten) persönlichen Eigenschaften und Taten
bevorzugt werden. Die Ergebnisse solcher Image-Forschungen
(die z. T. unveröffentlicht bleiben) werden benutzt, um
manipulative Aktionen zur Herstellung, Pflege und Stärkung
von Images über Waren und Personen ,,rational" anzusetzen.
Mit Fortschreiten meiner Arbeit finde ich es sinnvoller,
statt des Begriffs Bild (Kongruenz Eigen-Fremdbild etc.) den
Begriff Image zu verwenden. In der soziologischen Literatur
und auch in der Praxis der Sozialforschung ist der Ausdruck
,,Image" mittlerweile fest etabliert.
Philosophisch kann man Image folgend definieren:
,,Ein Bild, das dem Geist gegenwärtig ist und uns die Dinge
der Außenwelt anders sehen läßt, als sie wirklich sind."
16
(Es gibt mehrere philosophische Unterscheidungen von
Image, d. Verf.).
Im Wörterbuch der Soziologie wird Image folgend definiert:
,,Gefühlsgeladenes Vorstellungsbild; die Gesamtheit
der Gefühle, die eine Person oder eine Mehrzahl von
Personen von sich selbst, von anderen Menschen, von
16
(David Hume 1782)

32
Gruppen, Organisationen, Schichten oder von
bestimmten Gegenständen oder materiellen und sozialen
Gegebenheiten hat"
17
Es ist das subjektiv bewertete, jedoch von sozialen und
kulturellen Leitbildern verarbeitete Bild von der
Wirklichkeit. (Pr.Sp. 4.8)
In bezug auf meine Diplomarbeit finde ich es sinnvoll, die
Bedeutung des Image für das soziale Handeln zu nochmals zu
definieren.
Dieses besteht:
1. In seiner Orientierungsfunktion zur Einordnung von
komplexen, informativ nicht umfassend zugänglichen
Sachverhalten in ein bereits vorhandenes, durch
soziale Erfahrung geprägtes System von
Wahrnehmungen und Bezugsgruppen.
2. In seiner Entlastungsfunktion durch die ihnen
innewohnende, pauschalisierende,
stereotypisierende Ideologiesierungstendenz.
3. In seiner Zuordnungsfunktion als Maßstab für
alternative Konformitäts- oder
Abweichungsentscheidungen nach dem Eigengruppe-
Fremdgruppe-Verhaltensmodus.
In der Konsumsoziologie wird die Wirkung von Herkunftszeichen
auf Konsumgütern, z. B. typisch positiv bewertete und
assoziierte Elemente aus dem jeweiligen Land, als
Imagetransfer bezeichnet.
17
(die vollständige Definition wird in diesem Dokument beschrieben, d.
Verf.)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1999
ISBN (eBook)
9783832463793
ISBN (Paperback)
9783838663791
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Karl-Franzens-Universität Graz – Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
Note
1,0
Schlagworte
mental maps ost-west klischees images geschichte gegenwart österreich-slowakei
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